Accidentally in Love von Herzkirsche (the story of Rose & Scorpius) ================================================================================ Kapitel 7: seven ----------------                                                   Der Innere Kreis tagte im alten Gerichtssaal des Zauberergammots, das nur noch selten zusammentrat. Die Obersten Richter waren zu Professoren der spärlichen Anzahl Nachfolger geworden und nur noch sehr selten führten sie ihr erlerntes Amt aus und sprachen ein Urteil - denn die Arbeit fehlte. Immer weniger junge Zauberer und Hexen fühlten sich aus diesem Grund seit nunmehr Jahren dazu hingezogen, selbst das Amt des Richters zu erwerben, denn ihnen fehlte die Perspektive. Obgleich man die abgeschlossene Vergangenheit verwenden könnte, bedachte Harry Potter düster, denn zweifelsohne schienen die Jahre des Friedens nun vorbei. Er fühlte es. Und an dem Tag, an dem seine Narbe erneut schmerzen würde, täte er alles in seiner Macht stehende dafür, die Zaubererwelt zu schützen. „Weswegen ich vorschlagen würde“, beendete Hermione in diesem Moment ihren Vortrag, bei dem sie stetig von einer Seite des Raumes zur anderen gewandert war, dem Harry jedoch kaum Beachtung geschenkt hatte, „Dass wir die Einladungen noch heute zurückziehen und die anderen Zaubererschulen davor bewahren, in ein Land zu reisen, das momentan nicht sicher ist.“ Es hatte noch ein Opfer gegeben. Er und Ron hatten die verweste Frauenleiche vor wenigen Tagen geborgen, mehr durch einen Zufall. Die junge Frau hatte den Kontakt zu ihrer in Neuseeland lebenden Familie abgebrochen, so war ihr Verschwinden nicht aufgefallen. Er selbst hatte mit der aufgelösten Mutter gesprochen; er hatte ihr die Nachricht vom Tod ihrer Tochter überbringen müssen. Unentwegt sorgten ihn seit diesem Augenblick - in dem er den Zerfall einer Frau gesehen hatte, die erfuhr, dass ihr Kind ermordet worden war - die Gedanken an seine eigenen Kinder. Besonders beunruhigte ihn seine Tochter, Lily. Sie trug kindliche Naivität in sich, anders als Rose, die den Scharfsinn ihrer Mutter und leichte Skepsis von Grund auf inne hatte. Rose war älter und hatte ihre Ideale, doch Lily war beeinflussbar, neugierig. Niemals wollte er sie verlieren. Niemand sollte ihm je seine Tochter wegnehmen. „Wenn wir uns dafür entscheiden, Hermione“, warf Ron – mutig genug, eine Debatte mit seiner Frau einzugehen – als Erster ein, „Dann wird man Verdacht schöpfen. Der Tagesprophet hat über den Austausch berichtet, das heißt, fast die ganze Zaubererwelt weiß darüber Bescheid. Wenn wir nun einen Rückzieher machen, für den es wiederum nur einen Grund geben kann – nämlich Gefahr -, dann werden sie uns zerfetzen. Panik wird ausbrechen.“ „Wir müssen bedenken, dass Hogwarts sicher ist, Hermione“, setzte Cho Chang hinzu und sah sie mit ernstem Blick an. „Andererseits haben wir damals gesehen, dass auch Hogwarts zu brechen ist“, schaltete sich Ginny ein und nickte Hermione zu. „Ihr seid nicht objektiv! Ihr denkt gerade lediglich an die Sicherheit unserer Kinder, aber wir können sie nicht von allen Gefahren fernhalten. Wir müssen diese Kontakte zu den anderen Schulen pflegen, damit sie eine Chance haben, woanders zu überleben, falls es in Großbritannien irgendwann nicht mehr sicher sein sollte!“ Hermione und Ron funkelten sich an und obgleich Harry wusste, dass es womöglich Rons Gnadenstoß auf die Wohnzimmercouch werden würde, protegierte er dessen Meinung, womit Hermione diese Schlacht verloren hatte. Und besiegt zu werden, lag ihr nicht. „Ron sieht die Dinge, wie sie momentan liegen“, pflichtete Harry seinem besten Freund bei. „Wir wissen nicht, woher die Überfälle kommen, ob vom Ausland oder ob sich der Täter in unseren Reihen befindet und solange dies nicht der Fall ist, sollten wir keine Vorsichtsmaßnahmen überstürzen.“ Alle Mitglieder des Inneren Kreises nickten einvernehmlich; wie immer, wenn er sein Urteil fällte. Das Wort des Auserwählten stellte man nicht infrage. Sie glaubten, an seiner Meinung sei nicht zu rütteln. Doch auch er konnte sich irren. „Wann berufen wir den Orden des Phönix ein?“, erfragte Hermione forsch und ließ sich auf ihren Platz neben Ron nieder. Dieser tauschte einen Blick mit Harry aus und verdrehte die Augen, was seine Frau jedoch nicht registrierte. Zum Glück. „Wir legten damals fest, dass wir den Orden wieder aufleben lassen würden, insofern es fünf neue Opfer gäbe, bei denen man auf eine Verbindung schließen könnte.“ Harry war sich eigentlich sicher, dass Hermione diesen Paragraphen in und auswendig hätte herbeten können, doch es war Ginny, die nun an ihrer statt das Wort ergriff. „Wir rechneten jedoch nicht damit, dass es dazu kommen würde, oder?“, hakte sie nach und erforschte nachdenklich sein Gesicht. Sie saß ihm stets gegenüber. Als wäre er der Anführer des Inneren Kreises, postierten sich die anderen Mitglieder auf den ehemaligen Posten der Zuschauer des Gerichts und blickten ihm entgegen. „Vielleicht sollte man-“ „Drei Opfer“, meldete sich Bill Weasley zu Wort und wechselte einen kurzen Blick mit seiner Schwester. „Wir sollten handeln und den Orden einberufen, insofern wir die dritte Hexe mit geschorenem Haupt bergen. Wir sollten die Grenze hinab setzen, Harry, immerhin besteht fast unsere gesamte Familie aus Rotschöpfen und rotes Haar scheint unserem Mörder zu gefallen!“ Harry schluckte, dachte an Lily. Und nickte. Er blickte hinab auf das Stück Pergament, auf dem die Punkte aufgelistet standen, denen sie sich an diesem Abend zu widmen hatten, obgleich er wohl wusste, was als Nächstes folgen würde. Bereits als er den Blick hob, stand die Person auf, wohlwissend, was folgen würde. Sie tat es Hermione gleich, wenn auch mit weit mehr Grazie. Astoria Malfoy lieferte ihren Bericht ab. __ Er apparierte an einer Stelle fern Englands – das spürte er sofort. Das Klima war hier wärmer als im erfrierenden London, in dem die herabfallenden Blätter jegliche Wärme zu vertreiben suchten und auch die Ländereien wirkten weit mehr frischer und lebendiger, als wäre an diesem Ort der Winter noch Wochen entfernt. Zum einen erstreckte sich das freie Land vor ihm, doch er fühlte sogleich die mächtigen Stämme wild ineinander wachsender Bäume hinter sich. Das was vor ihm lag, versprach ihm langweilige Einöde, doch das hinter ihm rief und lockte geradezu verführerisch mit Magie. Wochen waren vergangen und immer noch hatte er nicht ergründet, wer er war und was ihn an die unterschiedlichsten Orte seiner Welt zog; ob er eine Wiedergeburt war oder nur das Gedächtnis verloren hatte. Er wusste nichts und manchmal trieb ihn nur der blanke Zorn vorwärts. Er liebte Hexen mit rotem Haar und er genoss es, ihnen die Lebensenergie zu rauben, doch was war da noch? Seine Gesinnung war böser Natur, er war böse – das stand außer Frage. Tief in seinem Innern wusste er sogar, dass es besser war, voll schwarzer Magie zu sein. Dass er zu Großem bestimmt war. Dass er etwas bereinigen musste. Dass er Macht wollte. Doch das Puzzle wollte sich nicht zusammensetzen. Er schloss die Augen und ließ den Wind in seinen Umhang, doch dieser war zu schwach, um ihn wegzutragen und er zu feige, um seinem Leben ein Ende zu bereiten. Nicht, ohne dass er seine Bestimmung gefunden hatte. Nicht, ohne dass er wusste, wer er war. Erst dann würde es ihm vielleicht leichter fallen. Seine Lippen verzogen sich zu einem harten Lächeln; vielleicht würde ihn dann sogar etwas auf dieser Erde halten. Er drehte sich um und seine blasse Hand legte sich flink an die Stelle, an der sich drei dicke Stämme kreuzten. Kein Muggel käme hier hindurch. Ihn durchfloss augenblicklich eine Macht, die ihn kurz zurückzucken ließ, bevor er sich eines besseren belehrte. Er wollte Macht. Er wollte ergründen, was diese starke Magie verbarg und dann, unfähig einer weiteren Bewegung, entfesselte er etwas in seinem Inneren, dass diese Art der guten Zauberei vertrieb – das unsichtbare Schloss brach, indem sich gleißendes Licht vor seinen Augen ergoss. Und als sich das Blendende legte, sah er es. Ein mächtiges Schloss, einige Kilometer entfernt. Ein Schloss aus Eiskristallen, so jedenfalls wirkte es auf ihn. Seine Beine trugen ihn weiter, ohne dass er den Befehl dazu gegeben hatte. Es faszinierte ihn. „Hey, wer bist du denn?“ Die weibliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und nur widerwillig wandte er den Blick zur Seite, um sich die törichte Person anzusehen, die es wagte, ihn zu stören. Es war ein Mädchen, junges Fleisch, mit einem dunklen Teint und schwarzem Haar. Sie war hübsch, aber keinesfalls das, was er suchte. Aber auch nicht das, wofür er morden würde. „Keine Ahnung“, gab er zu und bemerkte, wie rau seine Stimme sich anhörte. Er hatte lange Zeit mit niemandem mehr gesprochen. Seine Antwort schien sie zu amüsieren; sie kam näher. „Bist du ein Schüler?“, fragte sie ihn zuckersüß und malte sich wahrscheinlich aus, wie sie zusammen zum Weihnachtsball oder ähnlich banalem Zeug gehen würden. Woher wusste er eigentlich davon? Er antwortete ihr nicht, sondern lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Professor Cygnus Doyle, sind Sie das?“ Sein Blick flog hinüber zum Schloss, aus dem nun eine meterlange Frau stürmte, deren wilder Blick ihn dazu bewegte, rasch auf die Beine zu springen. Seine Hand legte sich an die Manteltasche, in der er seinen Zauberstab bereit hielt. „Oh Merlin, Sie sind ein Lehrer?“, stieß das Mädchen überrascht hervor und entfernte sich sofort ein paar Schritte von ihm. „Professor Doyle, bitte, entschuldigen sie meine Offenherzigkeit, ich wusste ja nicht, dass sie-“ „Genug, mach dich in deinen Schlafsaal“, herrschte sie in diesem Moment die Frau an, deren Erscheinung ihn einerseits abstoß, andererseits auch interessierte. Sie schien eine Halbriesin zu sein, denn nur das erklärte ihre Größe und ihren Umfang, den er auf gut drei Meter schätzte. Sie hätte ihn erdrücken können. Wohl widersprach er ihr nicht. Ihre Finger waren mit Opalen besetzt und sie trug Schwarz. Er trug es, weil es ihn mit der Dunkelheit verschmelzen ließ; sie, um das was sie war, zu kaschieren. Als wäre das möglich. Er durchschaute die Menschen schnell, das war von Vorteil, wie ihm auffiel; auch, wenn es ihm misslang, sich an den letzten Menschenkontakt zu erinnern. Ein Schnauben zog seine Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gesicht. „Ich hätte gedacht, sie wären reifer, Cygnus Doyle.“ Skepsis, sie hüllte ihn ein. Doch er würde das Spiel, das sich ihm da eröffnete, mitspielen. Nicht ohne Grund hatte es ihn hierhergezogen. „Gute Gene, meine Liebe. Seien Sie versichert, dass ich viel Erfahrung mitbringe.“ „Nun, ich bin Olympe Maxime, die Direktorin von Beauxbatons. Wie alt sind Sie?“ „24, Ma’am“, antwortete er, nachdem er es sich zwei Sekunden lang überlegt hatte. Es schien ihm ein gutes Alter zu sein, um in den Lehrerberuf einzusteigen. So ganz falsch konnte er nicht liegen. „Gute Gene“, lachte Maxime schallend und klopfte ihm auf die Schulter, schien aber keinen Verdacht zu schöpfen. Oder irrte er sich? „Nun denn, wir werden in weniger als einer Woche nach Hogwarts aufbrechen mit zwanzig Schülern. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie sich im Vorfeld bereit erklärt haben, mich auf dieser Reise zu begleiten. Nach meinem Wissen werden Sie dort auch die Möglichkeit haben, zu unterrichten, was Sie freuen dürfte.“ Sie kaute es ihm vor und er musste nur noch schlucken. Erst als Olympe Maxime direkt neben ihn trat, sich unterhenkelte und vertrauensselig davon erzählte, dass sie ihm das Schloss zeigen würde, wurde ihm bewusst, dass sie auf französisch miteinander kommunizierten. Er hatte nicht gewusst, dass er der Sprache eigen war. Er hatte die Identität des Cygnus Doyle angenommen und nun musste er ihn beseitigen. Stillschweigend und mit der Nacht vereint, wartete er. Und wartete. Unentwegt. Ihm kam die Zeit zuvor. Grundsätzlich verging die Zeit zu schnell, denn wenn sie bleiben würde, die Nacht, länger als nur lächerliche Stunden, dann könne er durchaus auch eine Ewigkeit warten. Wenn die Zeit gleich der Ewigkeit wäre, doch so kam er nie in den Genuss, fortwährend so zu verharren, wie es ihm lieb gewesen wäre. Gegen Mitternacht, so jedenfalls schätzte er, nahmen seine wachsamen Augen schließlich den Mann war, der sich den Weg hinauf zum Schloss bahnte. Er lief ihm entgegen, nicht ohne im Schatten der zu Recht geformten Baumkronen zu bleiben. Er schwang sich auf einen dicken Ast und ging in die Hocke, blickte nach unten auf sein nächstes Opfer. Tatsächlich war der echte Cygnus Doyle vom Alter gezeichnet. Doch wer kannte ihn schon? Und selbst wenn seine Neubesetzung des Alten Fragen aufwerfen würde, so könnte er jene allemal beantworten. Mit kleinen Lügen. Und wenn er aufflog, so hielt ihn nichts, so wäre er weg, ganz schnell. Als hätte es ihn nie gegeben. Wie es ihn auch nicht gab. Er zückte seinen Zauberstab und murmelte den unverzeihlichen Fluch. So kam es, dass er den ersten Mord beging, der seinem Nutzen Nahrung, nicht seiner Bedürfnisse Befriedigung war. __ Rose hatte geahnt, dass der 1. November ein ungewöhnlicher Tag werden würde, keineswegs hatte sie dies angezweifelt. Doch dass das gesamte Schloss von einer merkwürdigen Art der Hysterie ergriffen wurde, damit hatte sie nicht gerechnet. Keineswegs. Es begann allein schon damit, dass die meisten Mädchen ihr morgendliches Ritual im Badezimmer verlängerten, woraus eine chronische Badezimmerschlange resultierte, an der sie sich kurzerhand vorbeischlich. Einfacher wäre ihr Vorhaben gewesen, wenn sie einfach James‘ Tarnumhang gehabt hätte, doch der geisterte momentan durch die Weltgeschichte. Zusammen mit James, irgendwo im nirgendwo, die Welt entdecken, so hatte ihr Cousin es genannt und mit leuchtenden Augen von seinen Abenteuern geträumt. Bis zu jenem Zeitpunkt hatten sich diese auf die Bettgeschichten in Hogwarts beschränkt, doch offensichtlich verfolgte er nach seinem Abschluss keine weiteren Eskapaden. James war zwar nie ein großes Vorbild gewesen, aber er schien dennoch irgendwann ruhiger geworden zu sein. Sie sollte ihm schreiben, bedachte die Weasley, als ihr die bösen Blicke aus stechenden, zusammengekniffenen Augen den Gang entlang folgten und ihr wohl kaum Grausameres als die Pest wünschten. Sie hatte bis dato fast vergessen, was es für Vorteile mit sich brachte, Zugang zu einem Vertrauensschülerbad zu haben, doch an diesen Tagen erntete man ausschließlich Neid für dieses Privileg. Das Schloss war schneller ausgekühlt, als ihr lieb gewesen war, wie ihr fröstelnd bewusst wurde, als sie durch die Gänge huschte, ein Handtuch und ihren Kulturbeutel unterm Arm. Es wäre klug gewesen, sich etwas überzuziehen, doch das hatte sie schlichtweg vergessen. Um diese Uhrzeit fehlte ihr ein Teil ihrer Besonnenheit, leider. Die Kälte kroch ihr die Beine hinauf und in die Boxershorts, die einmal Al gehört hatten und die sie der Bequemlichkeit halber zum Schlafen trug. Ihr schwarzes T-Shirt war ausgeleiert und Dominique hätte bei ihrem Auftreten wohl die Hände vor dem Mund zusammengeschlagen, doch es war ihr in diesem Moment herzlich egal. Sie rannte an der Statue von Boris dem Bekloppten vorbei und erreichte endlich die besagte Tür des fünften Stockes, in dem sie sich aufwärmen konnte. Ihre Finger wollten die Klinke nehmen und hinunter drücken, doch ihre Hand fasste ins Leere. O nein, dachte Rose Weasley und wurde sich siedend heiß ihrer erbärmlichen Lage bewusst. Natürlich war sie nicht die einzige gewesen, die geglaubt hatte, so dem gegenwärtigen Gewirr, das die Gemeinschaftsräume heimsuchte, zu entkommen. Jemand hatte ihre Theorie geteilt und sich das Badezimmer zuerst gekrallt. Resignierend seufzte Rose und begann vor der Tür auf und ab zu gehen, nur um ihre Beine nicht erfrieren zu lassen. Nach kurzer Überlegung zog sie ein kleines Buch hervor, eine Liebesgeschichte, die Lily ihr schwärmerisch empfohlen hatte. Sie las es nicht, weil sie Romantik bevorzugte, sondern eher, weil es so kompakt war und in einer Situation wie dieser immer zu Stelle war. Leider gab es nur wenige Bücher von diesem Umfang und Rose hatte es (leider) schon zur Hälfte durchgelesen. Nicht, weil ihr das Märchen gefiel, sondern weil sie oft warten musste. Obwohl sie es nicht mochte, zu warten. „Sexy Outfit, Weasley.“ Sie ließ ihr Buch sinken. Rose hatte das, was sich ihr nun ins Blickfeld schob, nicht erwartet. Wenigstens hatte sie gewusst, dass es ein ungewöhnlicher Tag werden würde. Trotzdem sank ihre Stimmungsskala, welche morgens generell nicht besonders hoch war, weiter, als sie sich ihr vermeintlichen Glücks bewusst wurde. Hatte sie erwähnt, dass es bitterkalt war? Mit Sicherheit war sie nicht Dominique, die sich im Sommer nach einem Lüftchen gleich eine Jacke herbeizauberte. Selten hatte sie jemanden häufiger „Accio Strickjacke, Jeansjacke, Bolero …“ rufen hören als ihre Cousine. Doch wenn Rose Weasley kalt war, dann entsprach das Tatsachen und die allgemeine Bevölkerung empfand dem gleich. Scorpius Malfoy hingegen kam ihr oberkörperfrei entgegen. Gerade so, als pralle die Kälte an seiner eigenen maßlosen Kaltherzigkeit ab. Ein weißes Handtuch lag lässig über seiner Schulter, doch der Rest war gnadenlos unbedeckt. Sein Gesicht garnierte ein spöttisches Lächeln, als er mit seiner angeborenen Nonchalance auf sie zu schritt, ihren Aufzug mit den stechend hellblauen Augen musternd. Während Rose allerdings zugeben musste, obgleich sie lediglich zwei, vielleicht drei Blicke an ihn verschwendet hatte, dass es sich Malfoy selbstverständlich leisten konnte, so herumzulaufen, wie er es in diesem Moment tat, verfluchte sie, dass sie nicht einmal einen Morgenmantel übergezogen hatte. Was er zu wenig tragen konnte, brauchte sie eindeutig zu viel. (Um sich wohl zu fühlen unter diesem Blick jedenfalls.) Es gab eindeutig Besseres, als Scorpius noch vor acht Uhr leicht bekleidet und ungeschminkt zu begegnen. Eindeutig gehörte diese Situation zu den schlimmsten überhaupt. Er stand vor ihr und blickte zu ihr hinunter, während sein Grinsen sich kaum noch von seinem Gesicht wischen ließ – weshalb ihre Hand ruhig blieb, es hätte eh nicht viel gebracht. Auch wenn sie eine erneute Aggressivität verspürte. Was war das nur? Sie empfand in jeglicher Situation mit ihm das Bedürfnis, ihn zu verprügeln. „Bisher hat sich noch keiner beschwert“, erwiderte sie leichthin, doch mit eindeutiger Message und funkelte ihn angriffslustig an, während sie das übliche Malfoy Eau De Toilette benebelte. Einmal hatte sie James, Fred und Albus dabei erwischt, wie sie einen Joint geraucht hatten, nachdem sie auf einem Urlaubstrip einen Muggel trafen, der ihnen das Zeug angeboten hatte. Der Effekt war gewesen, dass sie auf dem Dachboden rumgelegen hatten, als wären sie in eine Art wachen Schlaf verfallen, gefolgt davon, dass sie Hunger verspürt und schließlich schlechte Laune gehabt hatten, als der Trip nachließ. Rose fragte sich, ob sein Geruch eine ähnliche Wirkung auf sie haben würde, insofern sie ihn inhalierte. Allein für diesen Gedanken schämte sie sich. „Ich vergaß“, das listige Funkeln seiner Augen ließ sie erschauernd zu ihm hochblicken. Der Blick eines Malfoys hatte in jeder möglichen Situation etwas Fesselndes, auch wenn das trügerische Glitzern versprach, es nicht gut zu meinen. Rose spürte in diesem Moment, wie ihre wirren Gedanken sich lösten und verpufften, bis sich ihr Kopf leer anfühlte. Frei von jeglichem oberflächlich angenommenen Hass, sodass sich ein Teil ihrer selbst eingestand, dass dieses spezielle Gefühl nie existiert hatte, weil – „Heute kommen ja deine Lover, Weasley. Ich bin schon seit Tagen gespannt darauf, welche Nieten du in Frankreich abgeschleppt hast.“ Rose‘ Hand flog in die Höhe, doch mit Leichtigkeit parierte er ihren Versuch, ihn anzugreifen und hielt ihr Handgelenk fest. Die Weasley versuchte vergeblich, sich aus diesem Griff zu befreien, bis sie ihre kläglichen Versuche schließlich ganz unterließ und ihn böse anfunkelte. „A., ich bin keine, deiner dir wohl bekannten, Huren, mit denen du mich immer wieder vergleichst und B., ich hasse dich zutiefst, Malfoy.“ Sein Grinsen wurde noch einen Hauch spöttischer, wenn das überhaupt möglich war, und sein Griff lockerte sich, bis ihr Arm wieder ihr gehörte. „Du hasst mich nicht.“ „Du mich auch nicht.“ Vielleicht waren es die Uhrzeit und die unerwartete Situation, auf Malfoy zu treffen, die Rose nicht gut vertrug, doch auf jeden Fall war es dieses explosive Gemisch, das sie dazu getrieben hatte, das zu sagen. Wieso hatte sie das getan? Besonnenheit hin oder her, selbst wenn ihr diese im Moment fehlte, es entschuldigte nicht ihre Worte. Seit dem Sommer war sie ohnehin angeschlagen, fühlte sich zu Scorpius hingezogen – schlimm genug - und war verwirrt. Doch wenn sie davon ausging, dass Malfoy sie nicht hasste, obwohl er es unweigerlich tat, dann wäre ihr Herz verloren. Sie musste die Hoffnung ermorden, erwürgen, auf dem schnellsten Wege beseitigen. Sie hielt den Atem an und sah mit wild klopfendem Herzen dabei zu, wie er sichtlich erstaunt eine Augenbraue in die Höhe zog und sie musterte. Bisher hatte sie nämlich nie gewagt, die Tatsache, dass er sie hassen würde, anzuzweifeln. Mittlerweile wünschte sich Rose nichts sehnlicher, als dass ein süffisantes „Doch, Wealsey, ich hasse dich“ über seine Lippen streifen würde, doch jenes blieb aus. „Sag, dass es so ist!“, forderte sie ihn nach ein paar verstrichenen Sekunden auf und betrachtete eingehend sein Gesicht, ohne den Ausdruck darin einordnen zu können. Er sagte nichts. Rose kniff die Augen zusammen und trat einen Schritt näher an ihn heran, sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu berühren. Sie ging ihm etwa bis zur Schulter, was ihrem Ego noch nie förderlich gewesen war, obwohl sie eines der größten Mädchen in Hogwarts war – abgesehen davon, dass Dominique Modelmaße hatte. Und dann wurde es ihr bewusst, dass er nichts sagte, weil er sie offenbar nicht hasste. War das möglich? Die Erkenntnis ließ sie zurückzucken. „O, das ist doch nicht wahr, Scorpius!“ Panik befiel ihre Stimme und Hoffnung berauschte ihren Körper. „Man, Weasley, komm runter. Wenn ich dich hassen würde, hätte ich dir nicht meine Freundschaft angeboten – die du abgelehnt hast, wenn du dich noch erinnerst!“ Rose schüttelte ungläubig den Kopf und bedachte die Steinmauern mit einem ungläubigen Blick. Das war zu absurd. Sie hatte nie etwas getan, was ihn dazu hätte bewegen können, sie nicht zu hassen. Erstens sie war eine Weasley, zweitens hatte sie ihn mehr als einmal verflucht und drittens waren ihre Taten der vergangenen Wochen auch mehr des Hasses Nahrung als alles andere gewesen, oder? Ihre Lippen verzogen sich zu einem Grinsen und noch ehe sie Scorpius‘ skeptischen Blick hatte ernten können, flog die Tür zum Vertrauensschülerbad auf und ihr Bruder Hugo stürmte an ihr vorbei. Ohne sie eines Blickes zu würdigen. Sie rief seinen Namen, doch er ignorierte sie. Mit wehendem Umhang und schnellen Schrittes eilte er durch das noch ruhige Schloss. Sofort vergrub sich ihre Euphorie und neue Sorge machte sich in ihr breit. Sie hatte doch auf Hugo acht geben sollen, doch sie hatte ihren Bruder und seine unergründeten Probleme immer verdrängt. Andere Sachen waren ihr wichtiger erschienen. Erst Malfoy riss sie aus ihren trüben Gedanken, als er an ihr vorbei ins Bad stolzieren wollte. „Ich war vor dir da!“, empörte sich Rose und drängte sich an ihn vorbei, bis sie beide fast im schmalen Türrahmen des Bades stecken blieben. Scorpius fuhr sich entnervt durch das blonde Haar, warf sein Handtuch in eine Ecke und zuckte schließlich mit den Schultern. „Üben wir schon mal unser Zusammenleben, Weasley. Das, was uns zu Merlins Leidwesen ab dem heutigen Abend erwarten wird.“ __ Am Nachmittag entfiel der Unterricht, obgleich dieser schon am Vormittag mit eher bedeutungsloser Motivation gefüllt worden war. Scorpius vergrub die Hände in seinen Hosentaschen und warf einen desinteressierten Blick über die Schulter. Hinter ihnen ragte Hogwarts in den wolkenlos blauen Himmel und auf den abfallenden Ländereien hatten sich die Schüler versammelt. Weasley und er standen direkt neben den Professoren, während sich die restlichen Vertrauensschüler hinter ihnen postiert hatten. Die allgemeine Erregung über den Hohen Besuch knisterte durch die Luft und Scorpius wusste nicht, was ihn mehr belastete, die Aussicht darauf, mit diesen Touristen in einen - räumlich sehr weit entfernten Flügel - von Hogwarts ziehen zu müssen und sich deren unwichtige Fragen und etwaige Probleme anhören zu müssen, oder aber Weasley, welche neben ihm hibbelig hin und her stierte, so als vermöge Beauxbatons sich unsichtbar an sie alle heranschleichen. So absurd diese Vorstellung auch immer war. „Komm runter!“, zischte er unwirsch und widerstand dem Drang, eine nonverbale Zauberformel zu sprechen, die die Weasley garantiert an den Boden geklebt hätte. Er hegte eine natürliche Abneigung gegen Menschen, die nicht einmal zwei Sekunden ruhig sitzen oder stehen bleiben konnten. Eigentlich belief sich die Zahl seiner Abneigungen fast ins Unermessliche, wenn man es genau nahm, aber dennoch war das eine Angeborene und nicht mit dem Alter erworbene. Imogene war genauso flatterhaft und unruhig, wohl eine Eigenschaft, die sie mit ihrer Mutter teilte, während Scorpius die undurchschaubare Maske seines Vaters geerbt zu haben schien, sowie dessen Begabung in fast allen Situationen ruhig und bedacht zu bleiben. Etwas, das ganz eindeutig getrübt wurde, wenn Rose Weasley, Spaßbremse in Person, neben ihm die Nerven verlor. Sein Blick verfinsterte sich, als ihre dunkelblauen Augen nur ganz kurz über sein Gesicht streiften, bis ihre Aufmerksamkeit sich wieder auf den Himmel legte, der sich in den vergangenen zwei Sekunden nicht verändert hatte. Sie antwortete nicht, ignorierte ihn beflissentlich und er versuchte sich an das morgendliche Gespräch zurückzuerinnern, das sie mehr oder weniger erfolgreich im Vertrauensschülerbad geführt hatten. Es war mit Abstand einer der lästigsten Smalltalks seines bisherigen Lebens gewesen. Nicht wegen ihr. Aber diese Art der Kommunikation gehörte doch eher zu seinen Abneigungen. Jedenfalls war es ihm bis dato nicht so erschienen, als würde der Besuch der fünf führenden Lehrinstituten der ganzen Welt ihr Unbehagen, Sorge oder gar Vorfreude bereiten, doch ihre offenkundige Nervosität sprach inzwischen eindeutig Bände seiner Fehleinschätzung. „Rosie“, flüsterte eine raue Stimme in diesem Moment und Scorpius wandte den Kopf in die Richtung des ebenfalls erhitzt wirkenden Wildhüters Rubeus Hagrid. „Was hast du gemacht, Hagrid?“, fragte Rose entsetzt und blickte hinauf auf das verfilzte Haar, das unheimlich intensiv glänzte, so als hätte er einen Kessel Haargel darüber gekippt, nur um es zu bändigen. Scorpius hatte den alten Halbriesen noch nie rasiert gesehen. Seinen mächtigen Bart hatte er um einiges gekürzt und das darunter zutage liegende Gesicht nahm bei Weasleys Worten einen magentafarbenen Ton an. „Ich wollt‘ nur attraktiv wirken. Hilf mir mal eben mit der Krawatte.“ Er beugte sich weit hinunter, sodass Rose an seinen massigen Hals reichte, um ihm das Handtuch zu binden, das er offenbar als Krawatte missbrauchte. Es war von einem hässlichen senfgelb und Scorpius murmelte noch eher „coloro“ als das er sich in Slytherin-Manier davon abhalten hatte können. Irritiert sah Rose dabei zu, wie das Gelb in ihren Händen einem Blau wich. „Warum willst du attraktiv wirken, Hagrid?“, fragte sie und unterließ es, ihm stattdessen Fragen zu stellen. Wohl kaum hätte er eine Antwort darauf gewusst, weshalb er diesem trotteligen Halbriesen geholfen hatte. Demonstrativ wanderte sein Blick in die andere Himmelsrichtung, hinüber zum Quidditchfeld. Einige interessante Partien würden ihn erwarten, denn in diesem Jahr würde sein Team nicht nur gegen drei Häuser spielen, sondern gegen die Mannschaften von gleich fünf Zaubererschulen. Das war etwas, das in Scorpius Vorfreude hervorrief. „Sie kommen“, sagte just in diesem Moment McGonagall enthusiastisch und er folgte ihrem Blick, während der See bedrohliche Wellen schlug. Er ahnte, was folgte. Sein Vater hatte einmal die Idee geäußert, ihn nach Durmstrang zu schicken. Er glaubte nicht, dass es nur scherzhaft gewesen war, denn noch am selbigen Abend hatte er einen Streit zwischen seinen Eltern mitbekommen, der offenbar von dieser Aussage herrührte. Oft hatte er sich gefragt, was seine Eltern eigentlich miteinander verband. Außer Imogene undseiner selbst. Denn das schien ihm nicht allzu viel zu sein. Nur manchmal, da war es ihm klar. Und im nächsten Augenblick war diese Erleuchtung auch wieder vorbei. Durmstrang würde als Erster ankommen. Und als das monströse Schiff aus dem See wuchs, wusste er, dass er Recht gehabt hatte. Durmstrang war eine Zaubererschule im Norden Skandinaviens, über deren genauen Standort jedoch so gut wie nichts bekannt war. Für Muggel unsichtbar und selbst für Zauberer unauffindbar, insofern man nicht gerade ein Schüler oder Professor war. Doch auch einiges hatte sich in den letzten Jahrzehnten reformiert und mittlerweile nahm die Schule selbst Muggelstämmige in Ausbildung. Während die Jungen leichtfüßig von der Reling auf die feste Erde sprangen und ihre Umgebung aus dunklen Augen heraus musterten, sah Scorpius dabei zu, wie die Mädchen kaum eleganter auf den Boden schwebten, lediglich einen Schirm in ihrer Rechten. Sie sahen aus wie Puppen. Rose räusperte sich und Scorpius verzichtete darauf, ihr einen Blick zuzuwerfen. Egal was Weasley an der Situation auszusetzen hatte, es interessierte ihn nicht. Vielmehr änderte sich wohl in diesem Augenblick seine Einstellung zu diesen Neuen, jedenfalls was das Frischfleisch betraf. „Sieh sich einer an, was die für Pelze tragen! Ich wette, hier ist es zwanzig Grad wärmer als bei denen und trotzdem müssen die Weiber protzen wie-“ Natalie Bordmans neidisches Gezeter erstarb, nachdem Professor Longbottom ihr einen ermahnenden Blick zugeworfen hatte und Scorpius hätte ihm am liebsten dafür gedankt. Mädchen, die anderen keine Schönheit gönnten beziehungsweise an ihrem Neid zu ersticken drohten, waren ihm ebenfalls eine Abneigung zu viel. Er fragte sich, wie Rose Weasley in diesem Fall war. Die Puppen stolzierten nach den Jungen an ihnen vorbei, warfen ihm tiefe Blicke zu und besahen die Lehrer mit einem ebenso zuckersüßen Lächeln - wenn auch weit weniger verrucht. Doch nur eine blieb ihm im Gedächtnis, denn sie war die Einzige, die ihm im Vorbeigehen die Hand entgegenhielt. „Galina Kuprin“, stellte sie sich knapp vor und überwältigte auch Rose mit dem Angebot ihrer zarten Hand. „Ich bin Schülersprecherin in Durmstrang.“ Ihr Lächeln war warm, ihr Auftreten sicher und ohne Zweifel bekam dieses Mädchen immer, was sie wollte. Der Name Kuprin rührte an seiner Erinnerung, doch ihm entfiel die Verbindung zu ihrer Familie immer dann, wenn er glaubte, sie endlich wiedergefunden zu haben. Und lange Zeit, darüber nachzugrübeln hatte er sowieso nicht. Salem folgte Durmstrang kaum Minuten später. Es war die deutsche Schule für Hexerei und Zauberei und es war das erste Mal, dass diese Hogwarts besuchte. Die Schülerinnen und Schüler wirkten bodenständiger, wenn auch auf den ersten Blick langweiliger. Sie waren schüchterner und hatten dunkle Umhänge, die ihren in Hogwarts verblüffend ähnlich waren, lediglich die Wappen waren andere. Als nächstes folgten Bellerbys und Exfavilla. Bis nur noch eine Schule fehlte. ___ Lily stand neben Imogene in der Menge aus Schülern, die alle neugierig nach vorne gedrungen waren, nachdem Durmstrang angekommen war. Und sie ließ sich mitreißen von der allgemeinen Begeisterung über die Neuankömmlinge. Die Malfoy fragte sie nach jedem hübschen Jungen, wie sie ihn fand, ob gut oder schlecht, welche Note sie ihm auf einer Skala von eins bis zehn geben würde und wie sie einschätzte, was Treue, Verhalten und Brain betraf. Lily gingen langsam aber sicher zwar die Kommentare zu den ‚Zauberbissen‘ aus, doch fand sie die Situation immer noch durchaus amüsant. „Ich dachte, du stehst auf meinen Bruder“, stichelte sie irgendwann spitz, als Imogene beinahe anfing, zu sabbern, als ein schätzungsweise Achtzehnjähriger aus Exfavilla an ihnen vorbeizog, seine Arroganz ein stechendes Eau de Toilette. „Er ist zu alt für dich“, urteilte sie sofort und Imogene warf ihr einen verwirrten Blick zu. „Albus?“ „Nein, der Typ von eben. Der ist zu alt.“ „Lieber älter als unreif“, meinte die Malfoy glatt und ihre blassen Wangen färbten sich rötlich. Lily zog eine Augenbraue in die Höhe. „Wenn ich mich recht entsinne, war Al noch das Non plus Ultra im letzten Sommer.“ Imogene zuckte mit den Schultern und warf ihr einen leicht genervten Blick zu. „Es wird langsam Winter, da brauch man was Wärmeres als Albus“, entgegnete sie forsch und Lily seufzte. „Er läuft dir doch nach wie ein Hund und fragt dich nach Dates, wo liegt also das Problem? Du hast dir eine zeit lang nichts sehnlicher gewünscht als-“ „Die Dinge liegen nun aber anders, Lily“, warf ihre Freundin ein und strich sich durch das feine, blonde Haar. „Er fragt mich doch nur, damit er überhaupt nach Hogsmeade kommt, seit McGonagall einen Babysitterfluch über ihn verhängt hat.“ „Wer kann es ihr verübeln“, murmelte Lily und bedachte die unzähligen Situationen, in denen ihr Bruder äußerst uncharmant, unklug und unbesonnen gehandelt hatte. Al zog das Nachsitzen an wie das Interesse von Mädchen, obgleich es ihm nicht von Vorteil war. Fred, oftmals der Drahtzieher ihrer Streiche, konnte sich hingegen fast immer aus der Affäre ziehen und weiter Unruhe stiften. „Ich will jedenfalls nicht nur dafür ausgenutzt werden, ihn nach Hogsmeade zu führen. Ich bin eine Malfoy.“ Der letzte Satz kam ihr so sachlich über die Lippen, als wäre es das Natürlichste von der Welt, eine festgeschriebene und allseits bekannte Phrase wie Es war einmal oder Ende gut, alles gut. Oder gar Amen. „Aber was ist mit dir, Lily? Gefällt dir keiner dieser starken, muskulösen, jungen Männer?“ „Meine Leidenschaft heißt Quidditch.“ Imogene schnaubte und ihre Augen funkelten listig. „Quidditch allein kann nicht deine Jugend sein“, flötete sie mit ernster Miene. „Mein Vater würde ausflippen, wenn ich plötzlich einen Freund hätte.“ „Das ist der Grund, weswegen ich meine Beziehungen gar nicht publik mache. Anders als Scorpius.“ Lily blinzelte in die Sonne und dachte über die soeben gehörten Worte nach. Imogene hatte drei Personen, vor denen sie etwaige Liebleien geheim hielt. Ihren Vater, ihre Mutter und ihren Bruder. Sie hingegen hatte eine ganze Horde an Verwandtschaft in unmittelbarer Nähe. Und da sich selbst in den lächerlichsten Situationen der Beschützerinstinkt eines Mitgliedes ihrer Familie wecken ließ, war die Aussicht auf einen Freund unsagbar weit entfernt. Zudem sie keinerlei Bedürfnisse danach hatte, ihr Herz noch einmal zu teilen, um noch Jemanden hineinzulassen. Sie war nicht geizig an Liebe, doch liebte sie nunmehr so viele Menschen, dass sie kaum glaubte, noch mehr Platz in sich zu haben. „Ich bin zufrieden“, sagte sie beschwichtigend und bedacht, das unmögliche Thema loszuwerden. Imogene seufzte, nickte aber. „Dich wird noch irgendwann der Schlag treffen“, prophezeite sie realistisch. „Schaut mal, Beauxbatons!“, rief in diesem Moment ein Zweitklässler und automatisch blickten alle in den wolkenlosen Himmel hinauf. Eine hellblaue Kutsche bahnte sich ihren Weg durch die Luft und Lily fühlte sich ganz benommen von der Schönheit, die auf sie hinab regnete. Ihr Herz wurde schwer bei diesem Anblick. Sie wollte auch fliegen. Am liebsten ohne Besen. Ohne Kutsche. Ohne alles, einfach nur sie selbst. Zwölf prächtige Abraxaner Schimmel zogen die luxuriöse Kutsche hinter sich her und setzten zur Landung an, so elegant als täten sie es zum hundertsten Mal in Folge und besäßen Übung darin. Die Stimmung veränderte sich und der Überwältigung wichen erneute Funken der allgemeinen Nervosität. Aufgeregt warteten sie alle ein fünftes Mal. Durmstrang war, wie ihr Vater ihr schon in etlichen Geschichten erzählt hatte, wirklich mit einem Schiff angereist, dessen Größe unmenschlich und dessen Wirkung unermesslich gewesen war. Salem war einfach aus dem Boden heraus gewachsen und hatte sich aus wild wucherndem Gestrüpp und Wurzeln materialisiert; ein Schauspiel dessen Zeuge wohl kaum je einer gewesen worden war. Sie waren nicht einfach appariert, es wirkte vielmehr so, als hätten sie sich in Deutschland in die Erde wachsen lassen und wären in Hogwarts wieder gekeimt. Sie hatte gesehen, wie Professor Longbottom erregt auf die Direktorin, eine junge Frau, die ihr Amt noch nicht lange tragen konnte, zugeeilt war, um sie sofort in ein Gespräch über Pflanzen und diesen magischen Trick zu verwickeln. Ein Blick auf Alice hatte ihr bewiesen, wie unpassend diese das Verhalten ihres Vaters titulierte, während die Schüler aus Salem nur ein kurzes, erfreutes Lachen über die Lippen gebracht hatten. Bellerbys war auf Besen angereist, was den Quidditchspielern unter ihnen gerade zu überdeutlich vermittelt hatte, mit wem sie es zutun hatten. Ihrem Wissen nach befand sich Bellerbys irgendwo in Nordamerika und war bekannt dafür, einige Topspieler der Championsleague hervorgebracht zu haben. Wenn man wollte, dass sein Kind nach dem Abschluss nahtlos ins nächste Quidditchnationalteam aufgenommen werden würde, dann schickte man sein Fleisch und Blut am besten sofort nach Bellerbys. Das war unweigerlich die Schule für Hexerei und Zauberei, die die Quidditchelite heranzüchtete. Nicht anders konnte man erklären, wie die jungen Zauberer und Hexen es schafften, einen Flug über den Atlantik zu übernehmen und selbst danach noch relativ fit zu wirken. Sie beneidete die Mädchen um ihr Talent und ihre Ausdauer. Exfavilla war hingegen fast unspektakulär aus dem Nichts heraus erschienen. Ein Portschlüssel hatte die Südländer aus der Sonne geradewegs in kälteres Klima versetzt, ihre Garderobe musste wohl dringend der in Hogwarts angeglichen werden. Oder aber Durmstrang teilte ein paar seiner Pelze. Die es genug gab, wie Imogene fand, nachdem ihr Blick hinüber du den Mädchen gefallen war, die wie Puppen auf dem Boden saßen und sogar Felle und Pelze auf die Erde gelegt hatten, ohne dabei etwaige von ihrem Körper zu trennen. Wenn Lily sich hätte entscheiden müssen, dann galt ihr größtes Interesse wohl den Schülern von Bellerbys, während Imogene beteuerte, dass die „leckersten Zauberbissen“ konkurrenzfrei jene aus Exfavilla waren. Gespannt reckten die Schüler ihre Hälse, um nun zu sehen, mit wem aus Beauxbatons man die Ehre hätte, als auch schon ein Mädchen aus der Kutsche sprang; ihr braunes, glattes Haar fiel ihr locker die Schulter hinab und sie trug fast dieselbe Schuluniform, die einst ihre Tante Fleur und auch später Rose getragen hatten. Ihr wacher Blick eilte suchend und schnell über die Menschenmenge, bevor ein klarer Freudenschrei die Stille zerbarst und sie flink in Rose‘ Arme lief. Lily kannte das Mädchen von Fotos ihrer Cousine, doch war ihr der Name entfallen. Der Junge, der nach ihr aus der Kutsche gestiegen war, eilte gemessener auf die Situation zu, umarmte Rose aber mit derselben Freude wie das Mädchen davor. Offensichtlich waren die beiden Rose‘ beste Freunde in Frankreich gewesen. Noch andere Mädchen und Jungen stiegen aus der Kutsche aus und besahen sich ihrer Umgebung. Als letzte ihre Schulleiterin Madame Maxime. Onkel Ron erzählte mit Abstand die besten Geschichten über diese Frau. Sie sah, wie Hagrid auf die Halbriesin zu lief und sie ihm ihre Hand entgegenhielt, die er küsste, was ihr ein heiteres Lachen entlockte. „Alte Freunde“, kommentierte Imogene kichernd und auch Lily konnte sich ein Lachen nicht verbeißen. Ihr Blick fiel zurück auf die Kutsche, als Hagrid Anstalten machte, die Schimmel versorgen zu wollen und sie sah, wie noch ein junger Mann aus ihr heraustrat. Sein längeres Haar war schwarz und seine blasse Haut war dem ein überdeutlicher Kontrast. „Wer ist das?“, fragte Imogene leise und Lily hätte schwören können, dass ihre Cousine Rose in diesem Moment dieselbe Frage stellte, denn Scorpius blickte nun auch wieder zur Kutsche. Das Mädchen aus Beauxbatons lächelte und setzte zu einer Erklärung an, sodass Lily sich unnatürlich scharf auf ihre Lippen konzentrierte. Sie verstand nur ein Wort: Professor. „Er ist ein Lehrer.“ „Nein!“, Imogene warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Das kann nicht sein, der Typ ist vielleicht grade mal Zwanzig!“ „Er ist ein Lehrer“, beharrte Lily und als ihre Freundin ihren Arm griff, um sie durch die Menge und in die erste Reihe zu manövrieren, ließ sie es seufzend mit sich geschehen. Der junge Mann setzte sich in Bewegung und lief langsam hinter Madame Maxime hinterher, die reihum das Kollegium begrüßte. Seine Augen huschten nicht umher, saugten keinerlei neue Eindrücke ein, vielmehr schien er bemüht unauffällig sein zu wollen. Dass dies bei einer solchen Schönheit unweigerlich nicht fruchtete, hatte er wohl nicht bedacht. Alle Augen – vor allem die der Mädchen – lagen auf ihm. Lily ahnte sogar, dass es ihm nur allzu sehr bewusst war, doch er aalte sich nicht in ihrem Interesse. Noch nicht. Als er sich an ihnen vorbeibewegte, elegant und vorsichtig, den Blick hinauf zum Schloss wandern ließ und sich durch das dunkle Haar fuhr, welche Geste ihm einen Hauch Menschlichkeit verlieh, bemühte sich die junge Potter ihr Gesicht möglichst gleichgültig wirken zu lassen. Wind zog ihr ins Haar und in den Umhang und schien sie wegtreiben zu wollen, aber vielleicht bildete sie es sich auch lediglich ein. Er kam an ihnen vorbei. Sein Blick löste sich von Hogwarts und er sah Lily an. Ihr Herz setzte aus. Einfach so. Und dann war dieser Moment vorbei und er wandte sein schönes Gesicht ab. Bemüht? Beherrscht? „O Merlin, das ist soviel besser als Albus“, seufzte Imogene leise und fügte nahtlos hinzu: „Ich glaube, ich bin verliebt.“ Lily schluckte, während sie zustimmendes Gekicher hörte. Ihr Blick fiel über die Schulter und auf die Mädchen, die genau dasselbe sagten oder flüsterten wie Imogene. Mit derselben Überzeugung. Dass sie verliebt seien. Ihr wurde übel. Nicht weil sie ebenso glaubte, verliebt zu sein. Sondern weil ihr Herz losgelöst vom Verstand wusste, zu wem sie gehörte.                                                                 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)