Zum Inhalt der Seite

Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Turn 45 - Starring: Bonnie & Clyde 2.0

Turn 45 – Starring: Bonnie & Clyde 2.0

 

 

Abigail Masters war vieles. Geduldig, warmherzig, rücksichtsvoll, nachsichtig, stets um das Wohl anderer besorgt. Allerdings sorgte Anyas geradezu frenetisches, hämisches Gelächter in diesem Augenblick dafür, dass Abbys Tugenden drohten, alsbald der Vergangenheit anzugehören.

Denn die hatte es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, kein gutes Haar an Abbys eierschalenfarbenem, knielangen Kleid zu lassen. Die stand ratlos vor dem Innenspiegel ihres Kleiderschranks, in dem noch teilweise Abbys alte 'Kartoffelsäcke' hingen und wusste beim besten Willen nicht, was an ihrer Robe so verkehrt war.

„Es steht mir doch!“, betonte sie ärgerlich und zupfte an den gewellten Ärmeln. „Was hast du denn!?“

Anya, die auf Abbys Bett hockte, sah sich schelmisch in dem kleinen Zimmer um, das mit WWF-Postern regelrecht tapeziert und mit Bücherregalen überfüllt war. „Es sieht scheiße aus, Masters.“

„Tut es nicht!“

Abby wirbelte schnaufend zu ihrer besten Freundin herum, die sie nun eindringlich ansah und wesentlich direkter wurde. „Als hätte man Kotze zusammengekratzt und damit das Kleid eingefärbt!“

„Anya! Das sind keine Flecken, das muss so sein!“, meinte Abby und spielte auf die dunkler hervorstechenden Formen des Kleides an.

„Sagt 'Kroko Schrapnell'. Ich sage, das sieht aus wie hingekotzt!“

Mit geradezu infernaler Wut im Bauch stemmte Abby die Hände in die Hüften. „Und du!? Schwarzes T-Shirt, zusammengeflickte Lederjacke, Jeans … so geht man nicht auf eine Hochzeit!“

„Stimmt, -ich- gehe ja auch auf eine Beerdigung!“, stellte Anya klar und sprang auf. „Und zwar die des guten Geschmacks …“

„Selbst wenn ich mir ein neues Kleid kaufen würde, die Zeit dafür haben wir nicht mehr! Die Zeremonie fängt in zwei Stunden an!“ Abby schwang den Zeigefinger und hielt ihn drohend unter die Nase ihrer Freundin. „Und jetzt kein Wort mehr darüber! Du wirst dich in den nächsten Stunden vorbildlich benehmen, haben wir uns verstanden?“

Anyas zusammengekniffene Augen schrien geradezu das Nein heraus.

Also wurde Abby deutlicher: „Wenn die Trauung vorbei ist, plane ich, wie ein Schlosshund zu heulen, weil alles so schön und romantisch ist! Solltest du es wagen, das zu versauen, werde ich dich für den Rest deines Lebens glauben lassen, du seist ein sprechender Affe!“

 

„Kein Unterschied zu jetzt“, hallte es hinter der geschlossenen Tür, „denk dir was Besseres aus.“

Zanthe, der nicht in Abbys Refugium geduldet wurde, solange diese sich umzog – trotz etlicher Betonungen seiner Homosexualität – fühlte sich wie im falschen Film. Er trug einen geliehenen, schwarzen Anzug. Nur sein blaues Kopftuch hatte er sich nicht nehmen lassen, trotz der Proteste von allen Seiten – Abby-Nord, Abby-Süd, Abby-Ost und Abby-West.

Wenn es nach ihm ging, könnte jeder so zu dieser Hochzeit antanzen wie er es wollte. Ihm bedeuteten irgendwelche Dresscodes ungefähr so viel wie Anya sich für die Evolution der Prärielibellen interessierte. Leider hatte in dieser Hinsicht Abby das Sagen und machte schon den ganzen Tag allen das Leben schwerer, als es ohnehin schon war.

„Mal sehen, wie lange das noch dauert“, murmelte er ärgerlich, „kann sich ja nur um Stunden handeln. Man sollte meinen, -sie- ist das Brautmonster …“
 

„Halt die Fresse, Fellknäuel“, schnauzte derweil Anya und funkelte Abby böse an, „wenn ich Bock hab die Party zu sprengen, werde ich das auch, 'kay!?“

„Sprechender Affe! Keine Diskussion mehr!“

Schwungvoll schwang die Sirene, die ihr Haar offen trug, den Arm aus und zeige auf das große, quadratische Geschenk auf ihrem Schreibtisch. Entgegen allgemeiner Annahmen hatte Valerie darauf verzichtet, vorher eine Hochzeits-Party zu veranstalten, weshalb die Geschenke nun nach der Trauung während der Feier auf dem Redfield-Anwesen abgegeben werden sollten. „Ich hoffe, du hast auch etwas für die beiden!“

Der Versuch, Anya von Thema Hochzeits-Crasher abzubringen, war leider vergebens. Denn die begann plötzlich voller boshafter Vorfreunde zu grinsen.

„Noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht backe ich ihr noch schnell einen Kuchen“, überlegte sie.

„Lieber nicht“, erwiderte Abby skeptisch.

„Warum?“

Anyas angespannte Mundwinkeln, die es nicht gewöhnt waren, mal nicht bis zu den Kniekehlen zu hängen, hatten ernsthafte Schwierigkeiten, sich in ihrer ungewohnten Lage zurecht zu finden. Es war doch so simpel. Wenn Redfield auch nur ein Stück ihres Super-Special-Sonder-Kuchens probierte, würde aus ihrer Hochzeit die Neuverfilmung von Schneewittchen werden. Wohlgemerkt ohne Happy End. Das Teil war stark genug, um Chuck Norris ins nächste Leben zu schicken.

„Nein“, flüsterte Abby leise, aber bestimmend, „kein Kuchen. Nicht von dir. Also, hast du ein Geschenk?“

„Ja“, brummte Anya langgezogen und schicksalsergeben. Was hatte sie auch anderes erwartet?

Abby mochte zwar jetzt aussehen wie ein Heidi Klum-Klon, aber an ihrem Spaßbremsen-Charakter hatte sich wenig geändert. „Geb's den beiden nachher irgendwann.“

Die Chefsirene nickte streng. „Gut. Dieser Hochzeit wird nichts im Wege stehen!“

 

~-~-~

 

Knapp eine Stunde später hatten sich bereits allerlei Gäste vor der kleinen Kirche eingefunden, welche am Stadtrand lag und von Bäumen umringt war. Im Kontrast dazu stand das beeindruckte Fahrwerk der Gäste, das am Straßenrand kaum Platz fand.

Zusammen mit Sheryl, Abbys Eltern und einigen Geschwistern schritten Anya, die Chefsirene und Zanthe auf das Bauwerk zu. Damit Anyas Lüge bezüglich ihres 'Haustiers' nicht aufflog, hatte sie extra vorher die Masters eingeweiht und um Kooperation gebeten mit dem hoch und heiligem Versprechen, für eine wohltätige Organisation zu spenden. Später. Irgendwann vielleicht.

Vor dem Eingang hatte sich eine kleine Schlange gebildet, was daran lag, dass die Gäste rigoros von muckibeladenen Männern in Schwarz kontrolliert wurden.

 

Als Anya dann noch sah, wer das Schlusslicht besagter Schlange bildete, verging ihr endgültig die Lust an dieser seltendämlichen Hochzeit.

„Oh, Pennerkind“, raunte sie, als die Gruppe aufgeschlossen hatte, „wie absolut unschön, dich zu sehen. Was machst du hier? Redfield kann dich nicht ausstehen.“

Jener, in feinstem schwarzen Anzug gekleidet, drehte sich zusammen mit seiner Schwester Melinda, die in Weiß daher kam, wenig begeistert um.

„Die ist auch eingeladen?“, flüsterte er seiner Begleiterin missmutig zu.

Die brünette Frau stieß ihm als Antwort strafend den Ellbogen in die Rippen. Als Anya sie das letzte Mal gesehen hatte, waren ihre Haare noch kürzer. Diesmal lagen sie ihr schon lang über den Rücken. Im Gegensatz zu Henrys, welcher sie seit je her relativ kurz trug. Diesmal sogar zu einem Scheitel gegelt. Anya bekam Brechreiz bei seinem Anblick.

„Schön euch zu sehen“, begrüßte Melinda Anya und umarmte Abby, „lange ist es her.“

Als sie Anya ebenfalls umarmen wollte, starrte diese ihr Gegenüber nur einen Moment lang aussagekräftig an, um Melinda zum Umdenken zu 'überreden'. Stattdessen musste ein Händeschütteln reichen.

Auch Zanthe wurde nicht ausgelassen, der sofort fragte: „Ihr kennt euch?“

„Aus dem Turm“, erklärte ihm Anya mürrisch.

Es folgte ein kurzes Gespräch, in dem Zanthe sich vorstellte. Abby indes versuchte erfolglos, Henry anzuflirten, doch der stierte übel gelaunt geradeaus an ihr vorbei und trat schließlich vor, um seine und Melindas Einladung und vorzuzeigen.

„Was ist denn mit ihm los?“, wunderte sich Abby getroffen darüber, ignoriert und keines Blickes gewürdigt zu werden, obwohl sie sich nicht zuletzt extra für ihn so rausgeputzt hatte.

„Probleme mit der Firma“, erklärte Melinda, „die AFC will expandieren und Henry soll dafür nach Europa. Davon hat er erst heute morgen erfahren.“

Henry zischte böse: „Das sind Firmen-Interna, Melinda.“

„N-nach Europa?“, horchte Abby sofort hoffnungsfroh auf. „Etwa nach Großbritannien!?“

„Bulgarien“, ließ sich seine Schwester nicht von Henry zurechtweisen, „mein kleiner Bruder hat Angst davor. Dort soll er nämlich außerdem mit einem Experten an einem Konkurrenzprodukt für Duel Monsters werkeln. Daran soll gemessen werden, ob er fähig ist, die Firma zu übernehmen.“

Der fauchte nun regelrecht. „Melinda, halt dich bitte zurück!“

„Als ob mich das interessieren würde“, brummte Anya mürrisch.

Abby warf ein: „Wir werden mit diesen Informationen natürlich vertraulich umgehen. Stimmt's, Anya?“

„Wie ich sagte … uninteressant.“

Henry schnaufte nur, während Melinda diebisch grinste. Scheinbar war sie ein kleines Plappermaul, wenn sie nicht gerade vor Dämonen flüchtete. Sie ging sogar noch weiter. „Eigentlich wollte Henry lieber die Veröffentlichung der neuen Duel Monsters-Karten übernehmen, aber da wurde ihm ein Strich durch die Rechnung gemacht. Er hatte sogar eigene Ideen, aber die wurden abgeschmettert.“

„Ahja, davon habe ich gehört. Die werden doch kurz vor dem Start dieses Turniers nächsten Monat vorgestellt, oder? Sind sie denn da schon zugelassen?“, fragte Abby neugierig.

Melinda nickte. „Jup. Wir wollen sehen, wie sie dort ankommen, ob sie schon erfolgreich gespielt werden. Das ist gute Publicity. Hoffe ich zumindest.“

Ihr jüngerer Bruder schüttelte nur noch schicksalsergeben den Kopf. „Hörst du bitte auf, das alles auszutratschen, Melinda?“

„Schon gut.“ Beleidigt drehte sie sich von Abby und Anya weg, nur um doch noch einmal über die Schultern zu sehen und zu zwinkern. „Hätte Paps Henrys Idee genommen, wäre er jetzt nicht so stinkig!“

Anya selbst hatte auch von diesen neuen Karten gehört, konnte sich aber nicht einmal an deren genauen Namen erinnern. Nur irgendwas mit Pendeln. Also völlig uninteressant.

„Geht's dir auch gut, Anya?“, hallte es hinter der Blondine.

Ihre Mutter Sheryl unterhielt sich nebenbei mit Abbys Eltern, die von ihrer Tochter ordentlich eingekleidet worden und nur noch ein Schatten ihrer Hippieselbst waren.

„Ja, Mum …“

Schließlich wurden Henry und Melinda herein gelassen, sodass es nun an Abby war, die Formalitäten zu regeln.

 

Keine fünf Minuten später watete die Gruppe durch die Kirche, was nur möglich war, weil Abby bei Valeries Personal ein gutes, sehr sirenisch angehauchtes Wort einwarf, welches Anya der Hochzeit aufgrund ihrer geschmacklosen Aufmachung frühzeitig verweisen wollte.

Es ging durch einen etwas größeren Vorraum, von dem links und rechts weitere Vorbereitungsräume abgingen. Sogar ein kleiner Stand der Aktion „Bekämpft Brustkrebs!“ war hier aufgebaut, da Valerie die Gelegenheit nutzte, für besagte Sache Spenden zu sammeln. Von da aus ging es dann auch schon direkt in die eigentliche Kirche, die zwar nicht die größte war, aber immerhin noch Platz für die etwa hundert geladenen Gäste bot.

 

Die meisten Sitze waren bereits besetzt und die, die noch frei waren, waren rigoros ausgeschildert. Während vorne die Familienmitglieder und engsten Freunde der Eheleute Platz fanden, waren die hinteren Ränge für ehemalige Klassenkameraden, Lehrer und Arbeitskollegen reserviert. So entdeckte Anya sofort mindestens zehn Leute, die sie an Ort und Stelle ordentlich verdreschen würde. Aber sie hatte Abby auf dem Hinweg geschworen, diesmal wirklich überhaupt nichts anzustellen. Das galt aber nur für die Zeremonie, nicht danach!

„Macht euch schon mal frisch, ihr Kackratten“, raunte sie boshaft im Vorbeigehen an der Reihe mit ihren Ex-Klassenkameraden, von denen einige deutlich sichtbar zusammenzuckten.

„Hier trennen sich unsere Wege. Ihr sitzt ja weiter vorne“, meinte Sheryl derweil, die ein weißes Kostüm trug und leitete die Großfamilie Masters zu den hinteren Sitzen der rechten Reihe.

„Ja ja“, winkte Anya ab.

Zu Dritt ging es noch weiter vorwärts, wobei Anya sich umsah. Alles war ausgeschmückt mit weißen Blumenkränzen und dergleichen, aber trotzdem wirkte es nicht aufdringlich überdekoriert. Halt eine ganz normale Kirche bei einer Hochzeit. Ekelhaft …

„Hier vorne“, meinte Abby und zeigte auf zwei freie Bänke in der ersten beziehungsweise zweiten Reihe rechts, „das ist unsere.“

 

Auf der hinteren saßen bereits Melinda und Henry. Neben ihnen waren noch mindestens drei Plätze frei, einen davon belagerte sogleich Zanthe. Dagegen war die vordere Reihe noch fast leer. Bis auf Nick, der in einem … recht ungewöhnlichen Aufzug daher kam, saß dort keiner.

„Huch! Nick, wie siehst du denn aus!?“, begann Abby sofort zu zetern. „Pink!?“

„Ich kann nichts dafür, Mum hat ihn ausgesucht!“

„Oh, du elendes Muttersöhnchen! Da unterbrechen Valerie und Marc ihr Studium, um ganz romantisch in ihrer alten Heimat zu heiraten und DU …“

Den aufkommenden Streit nahm Anya als Gelegenheit wahr, sich von den anderen abzukapseln. Bis zur Zeremonie war ohnehin noch etwas Zeit. „Ich geh mal schnell wohin.“

Ehe Abby reagieren konnte, eilte Anya davon.

 

Sie schnellte in den Vorraum der Kirche zurück und ignorierte gekonnt Valeries Stand. Ihr Blick wanderte nach rechts, wo sich zwei Türen befanden. Eine davon war der Vorbereitungsraum des Bräutigams, also Marcs. Auf diesen schritt sie zu.

Das Mädchen verharrte vor der Tür und atmete tief durch. Ohne es sich eingestehen zu wollen, kostete es sie durchaus Einiges an Überwindung, Marc gegenüber zu treten.

Er war der Erste gewesen, für den sie Gefühle entwickelt hatten, die über ihr übliches Repertoire von absoluter Abneigung, über Missgunst hin bis maximal Freundschaft hinaus reichten. Dieses eine Gefühl beim Namen zu nennen, das kam für sie nicht mehr infrage.

Heute war sie darüber hinweg, dass er sich für Valerie entschieden hatte. Die Chemie zwischen ihnen beiden stimmte einfach, ganz anders als zwischen ihr selbst und Marc. Und Anya war ihre damalige, regelrechte Besessenheit gegenüber Marc mittlerweile fast peinlich.

Doch trotzdem … jetzt da rein zu gehen hieß, ihre erste Dingsda endgültig loszulassen.
 

„Ach scheiß darauf, ich geh da jetzt rein und beende den Mist“, knurrte sie, da sie das Limit ihrer Melancholie bereits weit überschritten hatte.

Kurz klopfte sie an, wartete gar nicht erst auf eine Reaktion und öffnete die Tür.

Marc, der den Mund bereits geöffnet hatte, stand direkt vor ihr in dem kargen Zimmer, das nur aus einer Kommode, einem Schrank und einem Vorstellumhangding bestand, wie Anya es eher weniger treffend bezeichnete.

„A-Anya“, stotterte Marc verdutzt.

Er trug einen schwarzen Anzug, passend zu der Farbe seines Haars und darunter ein weißes Hemd samt Krawatte. In der Brusttasche seines garantiert sündhaft teuren Fummels steckte eine einzelne, rote Rose. Anya musste den Würgreflex unterdrücken, auch wenn seine kräftige Figur durchaus ansprechend war.

„Hey, Butcher!“, quasselte sie los und schlug ihm im Vorbeigehen zur Begrüßung fest auf die Schulter. „Wollte nur mal schauen, ob du schon kalte Füße bekommen hast.“

„Valerie hat unter den Gästen Bodyguards versteckt. Wenn du irgendetwas planst, wird sie nicht zögern, dich von der Trauung zu entfernen“, erwiderte Marc irritiert, kratzte sich am Kinnbart.

Anya wirbelte um und verzog ärgerlich das Gesicht. „Was du nicht sagst? Hätte ich mir ja denken können, Redfield denkt wirklich an alles!“

Die beiden sahen sich an. Und lachten … nicht. Marc lachte, Anya schnaubte. „Sehr witzig, Butcher!“

„Einen Versuch war es wert“, meinte er schulterzuckend, „sie hat mich gewarnt, dass du vorbeikommen würdest, daher sollte ich dir das mitteilen.“

Hochnäsig verschränkte Anya die Arme. „Stehst wohl unter ihren Pantoffeln, was?“

Marc rieb sich verlegen den Hinterkopf. „Total.“

„Mein Beileid.“ Anya griff in die Innentasche ihrer zusammengeflickten Lederjacke und zog eine der drei verbliebenen Karten heraus, die sie vom Sammler erhalten hatte. „Im Ernst. Ich wollte dir eigentlich das hier geben. Ist'n Hochzeitsgeschenk. Sorry, mehr kann ich mir nicht leisten.“

Erstaunt nahm Marc die Karte entgegen. „Danke?“

 

Anya hatte sich dazu entschlossen, die vier Karten an ihre Freunde zu verteilen. Valerie würde auch gleich noch eine bekommen, womit nur noch eine übrig wäre. Zwar hatte sie noch keine Idee, wem sie die letzte schenken würde, aber das konnte ruhig warten.

Zumindest hatte sie damit gleich eine Ausrede parat, kein Geld ausgeben zu müssen. So wurde sie die Teile wenigstens los. Aber nur, weil sie sie selbst ohnehin nicht benutzen konnte!

 

„Die ist ziemlich stark“, stellte Marc beim Lesen des Effekttextes fest, „bist du dir sicher, dass du die so einfach hergeben willst?“

Sein Gegenüber rollte genervt mit den Augen. „Nein, das Ganze ist nur ein Riesengag. Da ist ein Fernzünder drin, mit dem ich euch in die Luft jagen werde, sobald ihr euch das Kotz-Wort gebt! Natürlich ist das mein Ernst!“

„Dann … danke“, wiederholte sich Marc.

„Kein Ding“, wiegelte Anya genervt ab und schritt an ihm vorbei zur Tür, „das war's schon, mehr wollt' ich eh nicht. Jetzt werde ich erstmal Redfield die Laune verderben.“

Die Tür öffnend, hörte sie Marc hinter sich sagen: „Pass lieber auf, dass sie dir nicht die Laune verdirbt.“

Anya wirbelte um, grinste breit. „Mach dir da mal keine Sorgen! Übrigens, wenn sie dich jemals betrügen sollte, bei mir Zuhause ist noch ein Zimmer frei.“

Eins, das Zanthe sofort 'räumen' würde, sollte es jemals dazu kommen, fügte Anya noch in Gedanken hinzu. Auch wenn sie der Gedanke nicht wirklich reizte. Anscheinend war sie wirklich über ihn hinweg.

„Danke, aber nein“, bestätigte er dies ehrlich, „und ich weiß, dass Valerie die Letzte ist, die so etwas tun würde.“

„Dann ist ja alles gut!“, erwiderte Anya zu ihrer eigenen Überraschung erstaunlich vergnügt für den eiskalten Korb, den sie sich eben noch einmal eingefahren hatte. „Viel Spaß beim Heiraten noch!“

Und schwupps war die Tür zu, das Kapitel Marc endgültig im Papierkorb und Anya bereit, ihrer Erzrivalin mächtig in die Suppe zu spucken. Denn kein Mann der Welt würde ihr dies je nehmen können!

 

Stolz wie Oskar stampfte sie durch den Vorraum, ignorierte erneut den aufdringlich direkt in dessen Mitte positionierten Stand und ging einmal quer herüber zur anderen Seite, wo ebenfalls zwei Türen waren. Eine unmissverständlich ausgeschildert mit dem Hinweis: „Ankleide Braut“.
 

„Ring frei“, gurrte Anya voller grimmiger Vorfreude und riss erstmal das Schild ab, welches sie unauffällig hinter einem neben der Tür in der Ecke stehenden Blumentopf verschwinden ließ.

Mit Schwung stieß sie die Tür auf und verschaffte sich ungebeten Einlass in Valeries Ankleide.

Die stand direkt vor ihr, hinter ihr Caroline Mayfield, ein honigblondes, etwas blasses Mädchen, das ein wenig jünger als Valerie war. Gerade war sie dabei gewesen, den Reißverschluss von Valeries Hochzeitskleid hochzuziehen, das erstaunlich schlicht daher kam. Schulterlos, reichte es ihr knapp bis zu den Schuhen.

„Tach, Redfield!“, grüßte Anya ihre ewige Rivalin locker und sah sich um.

Der Raum sah fast genauso aus wie der von Marc, grau, mit einem Tisch in der Ecke, ein paar Stühlen einer Kommode und noch so einem Vorstellumhangding in der anderen.

Knallrot im Gesicht, bedeckte die schwarzhaarige Valerie, die sich gegen einen Brautschleier entschieden hatte – war doch nirgendwo einer zu entdecken – das üppige Dekolletee. „Anya! Was soll das, warum platzt du einfach ohne anzuklopfen hier rein!? Hast du denn gar kein Fünkchen Manieren!? Oh, entschuldige, was frage ich überhaupt!?“

Anya zuckte unbedarft mit den Schultern und schritt auf Valerie zu. „Hab dich nicht so, Redfield. Deine Euter interessieren mich nicht. Eigentlich bin ich nur gekommen, weil ich mich an einen alten Hochzeitsbrauch erinnert habe.“

„Achso?“, horchte Valerie skeptisch auf. „Und der wäre?“

„Na etwas Blaues. Du brauchst dringend noch etwas Blaues“, antwortete Anya mit schelmischer Boshaftigkeit, „mit Marc hast du ja schon was Altes. Was Geliehenes? Naja, das Kleid sieht aus, als hättest du es aus einem Klamottencontainer gestohlen. Was Neues kriegst du gleich noch von mir. Aber erst das Blaue.“

Valerie seufzte, wahrte ihre Beherrschung meisterlich. „Blaue Augen zählen nicht, Anya. Aber danke für die 'gut gemeinte Geste'.“

„Pft, hätte ja klappen können. Es hätte dich nichts gekostet, ehrlich!“

„Ich habe schon etwas Blaues“, erwiderte Valerie und legte die Finger auf den saphirblauen Anhänger, den sie um den Hals trug, „von meiner Oma.“

„Im Ernst?“ Anyas frecher Ton legte sich ein wenig. „Die, die an Krebs gestorben ist?“

„Genau. Aber woher weißt ausgerechnet du das?“

„Abby ist 'ne Quasselstrippe.“

Valerie sah Anya dennoch ziemlich überrascht an. „Das ist so viele Jahre her. Und du merkst dir so etwas?“

Sich mit dem Finger gegen die Stirn tippend, streckte Anya stolz die im direkten Vergleich zu Valerie kerzengerade Brust hervor. „Klar! Ansonsten könnte ich wohl kaum Rache an den ganzen Trotteln nehmen, die mir ans Bein pinkeln.“

„Das ist wohl wahr, nachtragend sein war schon immer deine Spezialität.“

 

„Ja ja, erzählt mir was Neues“, versuchte Anya, das Thema mit einem Male abzuwürgen, „hey, Psychopissnelke, schieb' deinen Arsch mal eben nach draußen, ich hab was mit Madame persönlich zu klären!“

Caroline sah Anya dermaßen verschreckt an, als hätte die soeben ihre lange geplante Weltherrschaft verkündet. Sie wusste genau, worauf die Blondine anspielte. Auf Victim's Sanctuary, der Irrenanstalt, in der sie kurze Zeit eingeliefert und in der seltsame Dinge geschehen waren.

„Schon gut“, streichelte Valerie ihr sanft die Schulter, „wenn sie mir was tun will, werde ich ihr schon Manieren beibringen.“

„Tch, das will ich sehen!“, schnaubte Anya und verschränkte die Arme.

Stumm nickte Caroline, zog Valeries Reißverschluss ganz zu und verließ kommentarlos, sofern das Stampfen nicht zählte, das Zimmer.

 

Kaum waren die beiden alleine, löste Anya ihre überhebliche Haltung, griff in ihre Jackentasche und reichte Valerie die Karte des Sammlers. „Da, für dich. Das Neue, das ich dir versprochen habe.“

Valerie machte keinen Finger krumm. Man sah ihr förmlich an, dass sie das Ganze für einen Scherz hielt und erwartete, in irgendeine Falle zu tappen. Anya Bauers Geschenke waren nichts, was man sich wünschte.

„Was? Nicht gut genug für dich?“, schnappte die beleidigt. „Hab kein Geld für teuren Bling Bling und selbst wenn, würde ich dir nix Dergleichen kaufen!“

„Nein, es ist nur … komisch“, erwiderte Valerie und nahm ihr die Karte zögerlich ab. „Danke. Vor einem Jahr hättest du mir noch die Augen ausgekratzt.“

Anya winkte mit erhobenem Geruchsorgan ab. „Marc interessiert mich nicht mehr. Trotzdem, wenn du ihn schlecht behandelst, werde ich dir weitaus mehr auskratzen als nur die Augen.“

„Das würde ich nie tun“, beteuerte Valerie.

„Tch, natürlich nicht, Mutter Theresa Incarnate!“ Anya kehrte ihr den Rücken zu. „Na denn, ich gehe dann mal zurück zum Publikum. Ich warne dich, Redfield …“

„Wovor?“

„Nick hat ein Handy reingeschmuggelt und er wird es definitiv benutzen, wenn deine Möpse aus diesem engen Teil hüpfen.“ Anya kicherte bösartig. „Also sei vorsichtig, denn wenn ich die Bilder in die Finger bekomme – und das werde ich – wirst du bald eine neue Karriere starten. Als Playgirl. Freu' dich, solange diese Dinger noch von der Schwerkraft unabhängig sind, Redfield. Gott, wie ich den Tag herbeisehne, an dem sie nur noch hängende Schläuche sein werden…“

„Da wirst du lange warten. Und wenn ich mich dafür unters Messer legen muss, nur um dir den Lebenshorizont zu verderben.“ Valerie grinste neckisch.

Zufrieden mit sich, abschließend noch einmal ein paar fiese Sprüche über Valeries Hupen abgelassen zu haben, stolzierte Anya aufrecht aus dem Zimmer und hinterließ eine glucksende Valerie. Die keine Sekunde später, als die Tür ins Schloss fiel, an ihrem Dekolletee zu zupfen begann.

 

Nun hatte sie alles erledigt, was es zu erledigen galt. Damit visierte sie wieder die Richtung des Trausaals an, doch nicht, ohne vorher beim Stand anzuhalten. Die Dame, die dahinter stand, strahlte freundlich.

„Na ausnahmsweise …“, knurrte Anya und steckte einen Dollarschein, den sie aus ihrer Hosentasche gezupft hatte, in die Dose. „Mehr hab ich nicht.“

Wenigstens war jetzt auch gleich das Versprechen an die Masters eingelöst worden.

„Vielen Dank. Damit-“

Aber die Blondine interessierte sich gar nicht weiter für das Gewäsch der Frau und eilte zurück zu ihrem Platz. Dabei huschten einige Gäste an ihr vorbei Richtung der Ankleideräume, von denen Anya Anthony, Marcs Trauzeugen, erkannte und Mr. Redfield, Valeries Vater.

 

Schließlich nahm Anya zwischen Nick und Abby Platz.

„Wo warst du solange!?“, ging das Theater gleich los.

„Hey, die beschissene Hochzeit hat doch noch gar nicht angefangen!“, verteidigte sich Anya auf Abbys vorwurfsvollen Tonfall hin.

„Aber sie wird es jeden Moment!“ Die Sirene gab einen wütenden Schnaufer von sich. „Und ist dir übrigens was aufgefallen?“

Was ihre Freundin mit einem lahmen Kopfschütteln beantwortete. Abby zeigte daraufhin auf die beiden Bänke, wo sie und der Rest saßen. „Ganz schön viel Platz übrig, meinst du nicht?“

Jetzt bemerkte Anya es auch. Da fehlte jemand! „Die Narbenfresse und Summers!“

„Genau. Ich weiß hundertprozentig, dass beide eingeladen worden sind. Valerie hat's mir gestern bei der Generalprobe erzählt. Wie können die es wagen, nicht mal geantwortet haben diese … diese-!“

„Vielleicht irgendwelches dringendes Dämonenjäger-Business?“, warf Nick schulterzuckend ein.

Was Anya daran erinnerte, dass sie schon vor Wochen daran gescheitert war, Kontakt mit den beiden aufzunehmen. Irgendwie gefiel ihr das nicht.

 

Einige Minuten später trat der Pfarrer hinter den massiven Holzaltar. Marc und Anthony stellten sich ebenfalls mit Händen vor dem Bauch gefaltet zu dessen Rechten vor den Altar. Das war der ultimative Startschuss, das Gemurmel verstummte nach und nach. Die Gäste saßen und sahen sich gespannt nach hinten um, als der Hochzeitsmarsch plötzlich einsetzte. Gespielt von einer Live Band in einer der Ecken des Saals.

Die Flügeltüren öffneten sich. Zunächst traten die Familienmitglieder der zukünftigen Eheleute ein und schritten an den Bänken vorbei, sans der Eltern von Valerie. Danach folgte Caroline und verstreute aus einem Korb weiße Rosenblätter. Als sie fertig war, nahm sie an der Seite vor den Bänken Platz, direkt vor Abbys Nase – die schon anfing zu triefen.

„Sie hat alles bis ins letzte Detail geplant“, schluchzte die junge Frau bereits mitgerissen.

Dann kam sie – die Braut. Valerie schritt herein, am Arm ihres Vaters eingehakt. Sie strahlte wie ein Feuerwerk, hielt ihren Brautstrauß fest umschlungen. Langsam, aber zielsicher steuerte sie auf den Altar zu, dabei einzig und allein Marc anlächelnd.

Als die beiden sich gegenüberstanden, begann der Pater zu sprechen: „Wir haben uns heute hier eingefunden …“

Und Anyas Gehirn schaltete automatisch ab.

 

Bla bla … zwei junge Menschen … bla bla, Bund der Ehe … Pflichten der Ehe … Gottes Wille … wie öde. Das Mädchen drohte fast wegzunicken, doch ehe das geschah, rammte eine bereits tränennasse Abby ihr den Ellbogen in die Hüfte. Genau im rechten Moment.

 

Die Anspannung war zum Greifen nahe. So sehr, dass Valerie tatsächlich verkrampfte und derart gerade stand, dass Anya schon hoffte, ihre Erzrivalin würde jeden Moment in der Mitte durchbrechen. Aber auch Marc war nervös, rieb er die ganze Zeit die Stelle an Valeries Ringfinger, welche es zu 'besetzen' galt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam endlich das, worauf jeder der Anwesenden gewartet hatte. Der Pfarrer vor dem Alter fragte: „Wer nun etwas gegen diese Eheschließung einzuwenden hat, möge nun das Wort erheben oder für immer schweigen.“

 

Kein Mucks von dir, Anya Bauer!
 

Was Levrier aussprach, setzte ein gefühltes Heer an Augenpaare in eine derart stechende Sprache um, wodurch Anya fürchtete, einen ganzen Bienenschwarm im Nacken zu haben. Angeführt von Königin Abby, die sie mit ihrem Blick tatsächlich versuchte zu enthaupten, so schien es.

„Ist ja gu-“, zischte Anya, doch wurde sie darin glatt unterbrochen.

Mit einem lauten Knarren schwangen die Türen der Kapelle auf, die geladenen Gäste wirbelten erschrocken um.

„Ich denke, ich erhebe Einspruch“, hallte die Stimme einer jungen Frau über die Schwelle.

Neben ihr stand ein hochgewachsener Mann, bewaffnet mit einer Schrotflinte, die er an die Schulter angelehnt hielt. „Die Party ist vorbei, Freunde.“

Es knallte. Zwar hatte der Rothaarige nur an die Decke geschossen, doch die Wirkung war groß. Sofort sprangen die ersten Gäste schreiend auf.

„Anya, was hast du-!?“, polterte Valerie noch darüber hinweg, um dann vom Knall zu verstummen.

„Ehrlich, damit hab ich nichts am Hu-!“, schwor die ebenso lautstark, ehe das Krachen ihr das Wort abschnitt.

Valerie und Marc standen völlig entgeistert vor den Altar, nicht wissend, was sie tun sollten.

Die dunkelhäutige Frau, die einen ganzen Kopf kleiner war als ihr Begleiter, zückte plötzlich eine weiße Karte aus der Brusttasche ihrer Jeansjacke und flüsterte, als sie jene in ihre seltsam anmutende, inaktive Duel Disk rammte: „Azoth!“

Im nächsten Moment fielen die Gäste reihenweise um beziehungsweise sackten auf ihren Plätzen in sich zusammen. Nur das Brautpaar blieb wundersamerweise unberührt.

„Was geht hier … vor?“, murmelte Valerie tonlos.

„Wir haben gehört, hier wird eine Monsterparty gefeiert. Und da dachten wir es wäre nett, euch Freaks einen kleinen Besuch abzustatten“, erklärte der Rothaarige grinsend und legte seine Waffe an, gezielt auf Marc.

„Harris! Da!“, nickte seine Kumpanin zu der ersten beiden Reihen. Da saßen nämlich doch noch einige Gäste aufrecht.

 

Anya, Zanthe, Abby, Melinda und Henry, um sie beim Namen zu nennen. Nick lag ebenfalls schnarchend auf dem Boden, ganz zum Ärgernis der Allgemeinheit.

„Da haben wir ja unsere Ziele. Ich kümmere mich um sie!“, rief die junge Frau sofort aus und aktivierte die schwarze Duel Disk an ihrem Arm.

„Abby! Das sind Dämonenjäger“, wandte sich Anya geistesgegenwärtig an ihre Freundin. „Die wollen uns fertig machen! Mach sie fertig! Einmal Sirenpower zum Mitnehm-!“

Die Blondine war noch gar nicht fertig mit ihrem Satz, da rammte die Afroamerikanerin schon eine weitere weiße Karte in ihre Duel Disk. „Restrain!“

Aus einer schnabelartigen Öffnung unterhalb des Deckfachs schossen dutzende DNA-ähnliche Stränge, die sich in unglaublicher Geschwindigkeit im ganzen Saal verteilten und durch die Luft glitten. Dann gingen sie wie ein Regen aus Pfeilen auf die Gruppe nieder. Abby wurde sofort wie eine Mumie umwickelt, Anya hingegen wich mit einem Hechtsprung nach vorne aus, wobei sie aber mitten im Fall von weiteren Spiralen erwischt und gefangen genommen wurde. Parallel dazu stützte sich Zanthe an der Sitzbank ab, und machte mit Schwung einen astreinen Sprung nach hinten, wobei er ebenfalls sofort wieder erfasst wurde, aber mit einem Radschlag über die bewusstlosen Gäste unter ihm auch diesem Angriff auswich.
 

Valerie und Marc sahen staunend zu, wie es Zanthe gelang, die lebenden Fesseln abzuhängen.

„Obacht!“, stieß Valerie erschrocken hervor, als auch sie anvisiert wurden – und die Dinger mitten in der Luft an einer unsichtbaren Mauer zerschellten. Unbemerkt vom Beinahe-Ehepaar leuchteten deren Decks rot beziehungsweise blau auf.

„Was zum Teufel!?“, stand der Dämonenjägerin der Mund offen. „Was war das denn!?“

„Edna, der Werwolf ist ein Problem!“, meinte Harris derweil.

Zischend drehte sich seine Partnerin um, riss ihm die Schrotflinte aus der Hand und schoss einfach auf Zanthe. Der konnte zwar mit einem Sprung nach hinten ausweichen, aber sie hatte erreicht was sie wollte. Da er den Schuss nicht hatte kommen sehen, war seine Aufmerksamkeit für einen Moment von den Strängen abgelenkt, die ihn nun erfassten und lahmlegten. Mitten im Gang knallte er wie eine aus dem Sarkophag gefallene Mumie auf den Boden. Aus den Augenwinkeln sah der Umwickelte Melinda und Henry, die noch vor allen anderen lahm gelegt worden waren.

 

„Was um alles in der Welt“, stammelte Valerie und wurde mit einem Schlag sehr, sehr laut und sehr, sehr böse, „wollt ihr von uns!? Wieso-ruiniert-ihr-unsere-Hochzeit!?“

„Nur noch die beiden sind übrig“, meinte Edna zu Harris trocken, ging gar nicht weiter auf das langsam entstehende Brautmonster ein, „mit denen werden wir auch so fertig.“

„Heute kriegen wir 'nen ganzen Bus voll.“ Der Rothaarige, der ziemlich prollig daher kam mit Goldkette, gelbem Muskelschirt und Tattoos an beiden Armen, grinste siegessicher. „Der Informant hat nicht gelogen, so viele hatten wir noch nie auf einmal.“

„Daran siehst du, wie viele von denen unter uns sind“, raunte Edna, „schlimmer noch, schau sie dir an. Von denen sind nur zwei richtige Dämonen.“

Damit spielte sie auf die Farben der Stränge an, die bei Zanthe und Abby rötlich-pink, bei den anderen Gefangenen blau-violett glühten.

„Das sind alles Paktträger. Freiwillige Dämonen …“

„Ghgngagggnn!“, maulte Anya unter ihrem Knebel und versuchte sich wie eine Raupe aufzubäumen. Übersetzt hieß das so viel wie: „Wir waren mal welche, ihr Pissnelken! Und jetzt lasst mich frei, bevor ich eure Köpfe vom Körper schraube und damit Basketball spiele!“

„Wir waren mal welche, aber das ist lange her!“, übernahm Marc das für sie und stellte sich schützend vor Valerie. „Ihr seid also Dämonenjäger? Wusste nicht, dass außer Alastair noch andere so extrem drauf sind.“

Auch sein Ton wurde rauer. „Wenn ihr schon hier einbrecht und mal eben unsere Gäste angreift, seid ihr uns wenigstens eine Erklärung schuldig! Also los!“

 

Der böse Blick Ednas ließ ihn insgeheim erschaudern. Die sah mit ihren vollen, verzogenen Lippen aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Generell erweckte die ganz leger gekleidete junge Frau mit den zusammengebundenen Rastersträhnen nicht den Eindruck, überhaupt zu wissen, wie man lächelte.

„Wir sind euch 'nen Scheißdreck schuldig. Erklärt's euch selbst!“, fauchte Edna zurück. „Euresgleichen dulden wir nicht!“

„Das klingt weniger nach Dämonenjagd, sondern mehr nach Rassismus“, warf Valerie klamm ein, „um was geht es euch hierbei eigentlich? Werdet ihr für unsere Köpfe bezahlt?“

Plötzlich richtete die schwarzhaarige Jägerin ihre Waffe auf Valeries Haupt. „Ganz ruhig, Zuckerprinzessin. Reiz mich nicht, okay? Sonst wird aus der Hochzeit ganz schnell eine Bestattung.“

„Lass das, Edna.“ Mit einem Ruck riss Harris ihr die Waffe aus der Hand. „Hey, 'solche' sind wir nicht, schon vergessen!? Wir ziehen das jetzt so durch wie besprochen!“

Der jungen Frau, welcher trotz ihres selbstbewussten Auftretens der Schweiß auf der Stirn stand, entfleuchte nur ein zustimmendes Grummeln. Plötzlich sah sie herüber zu Anya und ihr eiserner Blick verlor für einen Moment seine Kälte, ehe sie sich kopfschüttelnd von dem motzenden Mädchen abwandte. „Die da ist Anya Bauer.“

„Anya Bauer sagst du …?“, murmelte Harris. „Geht's nur mir so, oder sagt dir der Name etwas?“

„K-keine Ahnung, in der Beschreibung hieß es nur, dass die mit dem größten Mundwerk Anya Bauer ist. Wie auch immer, ist jetzt nicht so wichtig“, wich sie aus.

 

„Anyas Bekannte, was?“, mutmaßte Marc, doch Anyas heftiges Protestieren und Winden überzeugte ihn augenblicklich davon, dass sie wohl diesmal wirklich keine Schuld an den Ereignissen hatte.

„Und wie regeln wir das jetzt?“, fragte er zornig weiter. „Kampflos ergeben wir uns nicht.“

„Wir auch nicht.“ Harris aktivierte die schwarze, rundliche Duel Disk an seinem Arm, die genau wie Ednas mit roten, leuchtenden Runen bestückt war. Einer gebogenen Klinge gleich schoss der Auswuchs für die einzelnen Zonen aus ihr heraus.

„Ich hätt's mir doch denken können.“ Belustigt klatschte Marc einmal in die Hände. „Was auch sonst?“

Valerie, knallrot im Gesicht vor allen nur erdenklichen Gefühlen, nickte. „Sie hätten uns erschießen sollen. Denn das wird jetzt sehr, sehr unschön … ich nehme mir die Schwarze, wenn du nichts dagegen hast.“

Das gesagt, griff sie unter ihren Rock und zog wie aus dem Nichts ein Deck hervor.

„Du hast ein Deck in deinem Strumpfband versteckt?“, flüsterte Marc baff, als Valerie den Saum ihres Kleides wieder fallen ließ.

Die runzelte ärgerlich die Stirn. „Anya ist unter den Gästen. Es ist schließlich nicht so, als ob ich nicht mit so etwas gerechnet hätte. Aber dass tatsächlich … oh Gott, ich brauch 'ne Therapie.“

„Wie schön, dann sind wir schon zwei“, brummte ihr Beinahe-Ehemann zustimmend und zog ebenfalls ein Deck aus der Innentasche seines Anzugs hervor. Als Valerie ihn überrascht ansah, meinte er an die Störenfriede gerichtet: „Ich kann meine Verlobte unmöglich alleine kämpfen lassen. Nimm sie dir, wenn du sie willst. Für dich nur das Beste vom Besten.“

Mal abgesehen davon, dass Valerie wie ein gleich zubeißender Pitbull dastand und kaum wiederzuerkennen war, gaben sie noch ein recht entspanntes Paar ab, dessen Hochzeit gerade gecrasht wurde, so fand Anya anerkennend.

„Hmm? Du gegen mich, Sportsfreund? Na von mir aus“, erwiderte Harris gönnerhaft und zuckte mit den Schultern. „Brautpaar versus Bonnie und Clyde. Klingt sogar ganz lustig.“

Offensichtlich fühlte Edna sich von seinem Kommentar angegriffen, denn sie brummte: „Bonnie und Clyde waren Verbrecher. Stell' mich nicht mit denen auf eine Stufe, klar?“

„Spielverderberin.“

„Wir haben keine Duel Disks“, meinte Marc aber plötzlich.

„Schau hinter dem Altar nach, Schatz. Gleich unter dem Pult“, wies Valerie ihn unterkühlt an.

Sofort zückte Harris die Schrotflinte. „Aber keine Mätzchen. Wenn schon, dann fair!“

„Vorsicht Freundchen, du bist der falsche für solche Sprüche“, erwiderte Marc und schritt langsam unter den Argusaugen des Dämonenjägers am Pater vorbei, der, alle Viere ausgestreckt, am Boden lag und holte schließlich die beiden Duel Disks des Paares hervor. Jene in sich hinein grinsend betrachtend, war Marc nun endgültig davon überzeugt, dass seine Verlobte offenbar gehofft hatte, dass Anya irgendetwas anstellen würde. Umso bitterer musste die Erkenntnis sein, dass jemand anderes ihr die Suppe ebenfalls versalzen wollte – und es bis hierher auch geschafft hatte.

Verdammt, er wollte jetzt wirklich nicht mit dieser Edna tauschen …

 

Schließlich hatten beide Parteien ihre Duel Disks aktiviert und waren auf Abstand gegangen, wobei Edna und Harris nur so umzingelt waren von bewusstlosen Gästen respektive gefesselten Gespielen des Teufels – nach Auffassung der Eindringlinge verstand sich.

„Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn wir eine Spezialregel einführen“, richtete Edna sich an Valerie.

Jene verengte die Augen zu Schlitzen. „Die da wäre?“

„Wenn du Schaden nimmst, teilt meine Disk dir auf unmissverständliche Weise mit, dass du vorsichtiger spielen solltest.“

„Denk dir etwas Neues aus, diese Masche kennen wir bereits zur Genüge.“

Edna begann bösartig zu kichern und schob dabei unauffällig eine pechschwarze Karte in einen Schlitz oberhalb ihres Decks. „Nein Schätzchen, -das- kennst du bestimmt noch nicht.“

„Zu schade dann, dass ich gar nicht erst in den Genuss kommen werde, nicht wahr?“, hauchte Valerie kampflustig zurück.

„Schwing' ruhig deine Reden. Du bist nicht die Erste, die damit auf die Nase fällt!“

„Dann waren deine Gegner einfach nur schlecht!“

„Duell!“, riefen Edna und Valerie schließlich energisch.

 

[Valerie: 4000LP / Edna: 4000LP]

 

Es war Letztere, die sofort ihr Startblatt zog und verkündete: „Als Braut, deren Hochzeit gerade ruiniert wurde, ist es nur fair, wenn ich den ersten Zug mache!“

Damit riss die Schwarzhaarige noch eine Karte von ihrem Deck, was ihre Gegnerin nur mit einem grimmigen Blick quittierte. Nicht weniger eisig starrte Valerie zurück.

 

Sie hätte es wissen müssen. Nein, sie -hatte- es gewusst. Dass irgendetwas an diesem einen Tag aus hunderten passieren würde, natürlich nur an diesem einen. Zugegeben, eher hätte sie damit gerechnet, Opfer eines von Anyas verrückten Plänen zu werden. Die war für ihre Verhältnisse aber sogar erträglich, also was hatte sie, Valerie, getan, um Gottes Unmut auf sich zu ziehen?

Oder die bessere Frage: wer von ihren -Gästen- hatte sich die Aufmerksamkeit dieser beiden Irren auf den Hals gezogen?

 

Sie warf einen skeptischen Blick zu den Bänken, wo ihre Freunde von den Energieseilen gefesselt saßen beziehungsweise lagen. Wem hatte sie das zu verdanken? Irgendwie landete ihr Blick doch immer wieder bei Anya, die vor Wut ganz rot im Gesicht ob ihres Knebels war.

„Starrst du immer Löcher in die Luft?“, riss ihre Gegnerin sie herrisch aus ihren Gedanken.

Valerie blickte sie demonstrativ unbeeindruckt aus den Augenwinkeln an. „Höflichkeit und Dämonen jagen schließt sich kategorisch aus, nicht wahr? Wenigstens bringe ich Blumen mit, wenn ich mich schon selbst auf eine Party einlade.“

„Ach bitte“, schnalzte Edna mit der Zunge, „wir wollen das beide schnell hinter uns bringen. Also Quatsch keine Opern, sondern mach deinen Zug.“

„Mit Wünschen sollte man vorsichtig sein, weil sie manchmal in Erfüllung gehen“, erwiderte Valerie spitzzüngig. Die Spannung zwischen ihr und dieser Zicke, sie spürte sie förmlich.

Schließlich 'erbarmte' sich Valerie und legte ein Monster auf ihre Duel Disk. „[Gishki Avance], als Normalbeschwörung! Er wird mir die Zukunft voraussagen, indem er ein Gishki-Monster von irgendwo in meinem Deck ganz nach oben auf jenes legt.“

Ein blau leuchtender Runenzirkel öffnete sich vor Valerie. Aus diesem hervor trat ein fein gekleideter Jüngling, dessen weißes Haar nach oben gesteckt war. Selbstbewusst warf er seinen Umhang fort und murmelte eine unverständliche Formel.

 

Gishki Avance [ATK/1500 DEF/800 (4)]

 

Derweil hatte Valerie sich für ein Monster entschieden, zeigte Edna [Evigishki Soul Ogre] und platzierte diesen ganz oben auf ihrem Kartenstapel. Anschließend schob sie zwei Karten von ihrem Blatt in die jeweiligen Zonen. „Ich setze zwei Karten, damit dir auch nicht langweilig wird. Zug beendet.“

Zischend tauchten beide Karten mit dem Rücken nach oben vor ihr auf.

 

„Langweilig? Du hältst dich wohl für eine ganz Schlaue“, hielt ihre dunkelhäutige Gegnerin dagegen und zog. „Wenn du möchtest, zeige ich dir, wem hier bestimmt nicht langweilig wird.“

„Nur zu“, forderte Valerie eisig.

Das war scheinbar Ednas Signal. Sie zog eine Karte aus ihrem Blatt hervor und präsentierte sie mit hochmütigem Blick. „Ich werfe vier Wasser-Monster von meiner Hand ab, um diese Karte zu beschwören. [Mermail Abyssbalaen], ich rufe dich!“

„Vier!?“, wiederholte die Braut in Weiß ungläubig.

Während sich eine Art blauer Walkrieger vor Edna manifestierte, bewaffnet mit einem massiven Eisenhammer, schob diese fast ihr gesamtes Blatt in den Friedhofsschlitz. Dort landeten [Mermail Abysslung], [Mermail Abyssmander], [Mermail Abyssgunde] und [Mermail Abyssmegalo], welche als Abbilder über ihrer Besitzerin erschienen.

 

Mermail Abyssbalaen [ATK/2500 DEF/2000 (7)]

 

Valerie war sprachlos. Wieso hatte Edna für so ein vergleichsweise durchschnittliches Monster so viel aufgegeben?

Diese schien die Verwirrung ihrer Gegnerin zu genießen, nickte sie mit dem Kopf arrogant zur Seite. „Renn', solange du noch kannst. Das, was jetzt auf dich zukommt, wirst du nicht aufhalten können.“

„So jemand bin ich nicht.“

„Den Spruch kannst du dir meinetwegen auf deinen Grabstein eingravieren lassen, aber komm mir nicht damit.“ Wie bei einem erbarmungslosen Stoß in die Tiefe schnellte Ednas Hand nach vorn. „Effekt des Abyssbalaen! Nach seiner Beschwörung erhält er 500 Angriffspunkte und zerstört für jedes Mermail-Monster auf meinem Friedhof eine deiner Karten.“

 

Mermail Abyssbalaen [ATK/2500 → 3000 DEF/2000 (7)]

 

Valerie weitete die Augen, als sie mit ansah, wie Ednas Monster in blauer Aura aufleuchtete. Dieser hob seinen Hammer mit beiden Händen über den Kopf, ehe er ihn auf den Boden niedersausen ließ. Der Marmor unter ihm zersprang donnernd, es entstand eine gewaltige Flutwelle, die Valerie erfasste und alle ihre Karten mitriss.

„Oh nein! Ah!“

„Doch, Schätzchen“, sagte Edna und beobachtete Valerie dabei, wie sie mit der Flut zu kämpfen hatte, welche fast bis an die Decke reichte.

Schließlich löste jene sich auf. Und als Valerie wieder mehr als nur Wasser sehen konnte, war Ednas Monster nicht mehr alleine auf dem Feld. In der Luft schwebte er, der rote Fischkrieger in silberner Rüstung, bewaffnet mit einem Korallen-Schwert, dessen unzählige spitze Auswüchse wie Reizzähne anmuteten.

 

Mermail Abyssmegalo [ATK/2400 DEF/1900 (7)]

 

„W-wo kommt der her!?“, stammelte Valerie, die dagegen ein leeres Feld vorzuweisen hatte.

Edna schnappte genervt: „Vom Friedhof? Eines der abgeworfenen Monster war [Mermail Abyssgunde], welche in so einem Fall ein anderes Mermail-Monster reanimieren kann. Daher kommt er.“

„Unglaublich …“

In einer Mischung aus Faszination und Horror starrte Valerie die beiden Monster Ednas an.

„Was, dass du schon nach einem Zug verloren hast? Eher traurig würde ich sagen, nachdem du eben noch so angegeben hast!“ Die dunkelhäutige Dämonenjägerin streckte den Arm aus. „Los, greift ihre Lebenspunkte direkt an!“

„Du irrst!“

Während die beiden Meereskrieger schon die Waffen erhoben, sah Edna verblüfft auf. Blitze schlugen um ihren Walmann.

 

Mermail Abyssbalaen [ATK/3000 → 1500 DEF/2000 (7)]

 

„Wie das!?“

„Eine meiner gesetzten Karten war [Half Shut] gewesen, die ich angekettet habe, bevor dein Monster seine Lawine an Effekten losgetreten hat“, erwiderte Valerie unterkühlt. „Die halbiert für diesen Zug die Punkte Abyssbalaens. So'n Pech, da hast du dich wohl verkalkuliert!“

„Wenn du meinst.“ Gleichgültig schnippte Edna mit dem Finger. „Angriff fortsetzen!“

Nebeneinander stürmten die beiden Meereskrieger auf Valerie zu. Von rechts kam der Hammer, von links die Korallenklinge. Durch die Wucht beider Treffer wurde Valerie von den Füßen gerissen und auf den Rücken geschleudert, wo sie weiter bis auf Höhe des Altars schlitterte. Dabei schrie sie schmerzerfüllt auf.

 

[Valerie: 4000LP → 100LP / Edna: 4000LP]

 

Valerie blieb liegen und regte sich nicht mehr. Jedenfalls nicht im ersten Moment. Dann aber schlugen parallel blaue Ladungen um Ednas Duel Disk sowie um Valerie selbst, die gequält aufschrie und damit ins Bewusstsein zurückgerufen wurde.

Edna schnalzte mit der Zunge. „Armselig … aber von denen musst du jetzt noch, warte, 38 weitere ertragen. Pro 100 Lebenspunkte einen. Danach sehen wir, ob du noch weiter große Töne spucken kannst.“

Derweil schrie Valerie schier wahnsinnig auf, schlug mit den Gliedmaßen ungewollt um sich, wie sie von den Ladungen gepeinigt wurde. Auf Höhe ihrer Lenden verfärbte sich ihr Kleid gelblich.

 

~-~-~

 

Gleichzeitig zu Valeries und Ednas Duell starteten auch Marc und der Dämonenjäger Harris das ihre. Dabei sah der Bräutigam aus, als hätte er auf eine Zitrone gebissen.

„Dafür, dass ihr meiner Frau das Herz gebrochen habt, werde ich euch das Genick brechen“, drohte er voller unterdrückter Wut, die jetzt langsam aufkeimte, nun da Valerie abgelenkt war. „Diese Hochzeit war ihr das Wichtigste …“

Harris aber schien das nicht weiter zu beeindrucken. Er hob beide Hände grinsend. „Whoa whoa whoa, immer ruhig mit den jungen Pferden. Sieht doch fit aus, die Kleine. Noch.“

Marc schnaufte zornig. Dass Valerie sich nichts anmerken ließ war ihm auch klar! Innerlich sah es gewiss anders aus. Ihre Traumhochzeit war zerstört.

Er erhob den Arm mit seiner Duel Disk. „Bringen wir das hinter uns! Duell!“

Harris tat es ihm gleich. „Ehe Edna mich noch anschreit, weil wir nicht anfangen, gerne! Duell!“

 

[Marc: 4000LP / Harris: 4000LP]

 

Genau wie Edna, schob auch Harris eine schwarze Karte in einen besonderen Schlitz oberhalb der kugelförmigen Oberfläche seiner Duel Disk. Sofort begannen rote Leuchten an ihr zu strahlen.

„Das wird wehtun“, versprach er dabei, „ich beginne! Draw!“

Nachdem beide ihr Startblatt auf der Hand hielten, zog der Rotschopf auf und zeigte sogleich eine dauerhafte Zauberkarte vor. „Ich aktiviere [Hazy Pillar]!“

Marc weitete die Augen vor Schreck, als hinter seinem Gegner eine flammende Säule emporschoss. Dunkle Schatten bewegten sich in ihrem Inneren. Der Marmorboden um sie herum zerfloss regelrecht … was realen Schaden bedeutete, und zwar nicht durch das Solid Vision-System. Aber Marc hatte nichts anderes von einem Dämonenjäger erwartet.

„Solange diese Karte im Spiel ist“, erklärte Harris und schnappte sich nebenbei ein Monster von seinem Blatt, „kann ich Hazy Flame-Kreaturen mit einem Tribut weniger als nötig aufs Spielfeld rufen. So wie diesen Badboy hier! [Hazy Flame Cerberus]!“

Aus der Feuersäule hinter dem großgewachsenen Mann sprang eine lodernde, mannshohe Kreatur heraus. Sein Fell bestand unter anderem aus winzigen, roten Drachen. Und war der Körper schon der eines Flammenhundes, so machten die drei bestialischen Köpfe des Ungeheuers seinem Namen auch in letzter Instanz alle Ehre.
 

Hazy Flame Cerberus [ATK/2000 DEF/200 (6)]

 

Still schob Harris eine Falle in seine Duel Disk, die sich vor seinen Füßen sogleich vergrößert materialisierte. Abschließend sagte er: „Viel Spaß in deiner persönlichen Hölle, ehemaliger Paktträger. Ich hoffe, du hast noch etwas Feuer im Arsch! Zug beendet!“

 

„Man sollte vorsichtig mit seinen Wünschen sein“, erwiderte Marc leise, aber drohend, „sie könnten nämlich in Erfüllung gehen. Draw!“

Schwungvoll zog der fein in Schwarz gekleidete Bräutigam seine Karte. Der Kerl duellierte sich also ebenfalls mit Feuer-Monstern? Interessant, dachte sich Marc und sah sein Blatt an. Wie hieß es auch so schön? Man sollte Feuer mit Feuer bekämpfen. Das konnte er haben!

„Ich beschwöre [Laval Magma Cannoneer] und benutze sogleich seinen Effekt“, entschied er sich und knallte das Monster auf die Duel Disk, „bis zu zwei Feuer-Monster kann ich pro Zug abwerfen, um dir für jedes 500 Lebenspunkte zu nehmen!“

Vor ihm formte sich aus winzigem Staub eine kräftig gebaute, humanoide Kreatur mit zwei glühenden Kanonenrohren auf dem Rücken. Ganz aus blauem und grauem Gestein gemacht, absorbierte sie zwei lodernde Kugeln, die von Marcs Friedhof aufstiegen, als jener zwei Monster dorthin schob.

 

Laval Magma Cannoneer [ATK/1700 DEF/200 (4)]

 

Kurz darauf wurde Harris von zwei gewaltigen Flammenkugeln getroffen, die der Krieger auf ihn abfeuerte. Zwar hielt sich der Dämonenjäger den rechten Arm vors Gesicht, doch als die Explosionen ihn erfassten, lachte er auf.

 

[Marc: 4000LP / Harris: 4000LP → 3000LP]

 

„Sag nicht, das ist alles, was du drauf hast?“, sprach Harris und gluckste. „Kannst du mir keinen echten Schaden zufügen?“

Tatsächlich, als der Rauch sich verzog, stand der junge Mann völlig unbeschadet da. Marc hingegen kräuselte ärgerlich die Stirn. Natürlich konnte er das nicht, Isfanel, sein ehemaliger Paktpartner, existierte nicht mehr!

„Ich muss mich nicht auf euer Niveau herabsetzen und Leute verletzen“, verteidige er sich, obwohl er tatsächlich liebend gerne auf übernatürliche Fähigkeiten zurückgreifen würde, „ich habe meine eigenen Methoden.“

„Bullshit. Du hast nichts drauf, das ist alles.“

„Glaub was du willst! Effekt von [Laval Phlogis]!“, rief Marc wütend und streckte den Arm aus. „Den habe ich abgeworfen für Magma Cannoneers Effekt. Sobald Phlogis den Friedhof kennenlernt, verstärkt er alle zurzeit auf dem Spielfeld platzierten Laval-Monster um 300 Angriffspunkte!“

Um seine Kreatur herum entflammte eine rote Aura, die geradezu flimmerte.

 

Laval Magma Cannoneer [ATK/1700 → 2000 DEF/200 (4)]
 

Harris verschränkte skeptisch die Arme. „Gleichstand, was?“

„Von wegen! Ich aktiviere den Effekt des zweiten Monsters, das ich auf den Friedhof geschickt habe!“ Marc zog jenes hervor und drehte es zwischen seinen Fingern um, damit sein Gegner es sehen konnte. „Dieses nennt sich [Kayenn, The Master Magma Blacksmith] und kann verbannt werden, um die Stärke alle anwesenden Laval-Monster um weitere 400 zu steigern!“

Die eben noch rote Aura um sein Monster verfärbte sich blau und explodierte regelrecht. Dies entlockte Harris immerhin ein anerkennendes Pfeifen.

 

Laval Magma Cannoneer [ATK/2000 → 2400 DEF/200 (4)]

 

„Nun habe ich das stärkere Monster von uns beiden! Also greif an, [Laval Magma Cannoneer]!“, befahl Marc mit ausgestrecktem Arm.

Seine aus Stein bestehende Kreatur schoss aus seinen beiden Kanonen zwei massive Flammensäulen, denen der feurige Zerberus trotz seiner Beständigkeit gegen große Hitze nicht gewachsen war. Nach dem Angriff war nur noch ein Häufchen Asche von ihm übrig.

 

[Marc: 4000LP / Harris: 3000LP → 2600LP]

 

„Damit hast du den Effekt von [Hazy Flame Cerberus] aktiviert“, sprach Harris. Die Asche vor ihm stieg auf und begann bunt zu leuchten. „Wird er zerstört und auf den Friedhof geschickt, erhalte ich eine Hazy-Karte von meinem Deck.“

Die mageren Überreste des dreiköpfigen Hundedämons formten sich zu einer Monsterkarte namens [Hazy Flame Peryton], die sogleich in Harris' Blatt wanderte.

„Damit gebe ich ab“, sagte Marc. Es war ihm anzusehen, dass er mit seiner Leistung nicht zufrieden war, standen sich Zornesfalten und Schweiß auf seiner Stirn gegenüber.

 

Harris zog ausholend und grinste dabei bereits verschmitzt.

„Dann bin ich mal so frei und beschwöre das Monster, das ich mir durch Cerberus gesucht habe“, verkündete er gut gelaunt und legte jene Karte auf seine Duel Disk, „erscheine, [Hazy Flame Peryton]! Da ich [Hazy Pillar] im Spiel habe, brauche ich kein Tribut anbieten.“

„Schon wieder kein Tribut …“, murmelte Marc vor sich hin.

Hinter seinem Gegner kam aus der Feuersäule eine grazile Figur gesprungen. Auch es war ein Vierbeiner, genauer gesagt eine Mischung aus einem jungen Hirsch und einem Vogel. Die flammenden Schwingen waren sein Markenzeichen. Auch er besaß eine gelb-orange, schuppige Haut mit roten Akzenten.

 

Hazy Flame Peryton [ATK/1600 DEF/1700 (6)]

 

Sein Besitzer schob derweil ein Monster namens [Hazy Flame Mantikor] in seinen Friedhofsschlitz. „Natürlich hat Peryton auch einen Effekt. Zwar funktioniert der nur einmal pro Zug, aber es lohnt sich, kann ich dir sagen! So muss ich nur ein Feuer-Monster abwerfen, um Peryton in zwei neue Monster aufzuteilen, direkt von meinem Deck!“

Einen grellen Laut von sich gebend, stellte sich der Flammenhirsch auf die Hinterläufe und verwandelte sich in eine Flamme, die sich zerteilte. Die neuen Flammen nahmen Abstand voneinander und Harris erklärte: „Natürlich kann er nur Hazy Flame-Kreaturen beschwören. Meine Wahl fällt hierbei auf zwei Exemplare von [Hazy Flame Hyppogrif]!“

Die beiden Flammen nahmen nun die Gestalt zweier Flammengreife an, die auf allen Vieren verharrten und majestätisch die Köpfe nach oben reckten.
 

Hazy Flame Hyppogrif x2 [ATK/2100 DEF/200 (6)]

 

Marc stockte der Atem. Er ahnte, was jetzt passieren würde.

Und tatsächlich, Harris enttäuschte ihn in der Hinsicht nicht. „Tja, wenn ich schon zwei Monster desselben Levels auf dem Feld habe, kann ich sie auch ruhig nutzen!“

Der Rotschopf streckte den Arm aus. Seine Greife verwandelten sich in feuerrote Lichtstrahlen, während zeitgleich ein schwarzer Wirbel vor ihm erschien und die beiden schließlich absorbierte. „Aus meinen beiden Stufe 6-Feuer-Monstern wird ein Rang 6-Monster! Xyz-Summon! Zeige dich in all deiner Pracht, [Hazy Flame Basiltrice]!“

Unter wildem Gekreische schwang sich eine geflügelte Gestalt aus dem Wirbel. Marc schaute alarmiert nach oben. Flammende Flügel, dazu ein schuppiger, ziemlich schmaler Körper und ein Vogelkopf, sechs Hühnerbeine – das Ding war eine Mischung aus dem Basilisk und Cockatrice! Als jener Hybrid landete, schmolz um ihn herum selbst der Marmor. Zwei Lichtsphären umkreisten den Monstervogel.

 

Hazy Flame Basiltrice [ATK/2500 DEF/1800 {6} OLU: 2]

 

„Beeindruckend, was?“, brüstete sich Harris mit dem Ungetüm, welches er etwa um eine Kopflänge überragte. „Wusstest du, dass dieses Monster jeden Feind zu Stein erstarren lassen kann? Hier, ich geb' dir 'ne Kostprobe! Basiltrice, Perseus Eyes!“

Marc stieß einen nervösen Laut aus, als der Feuervogel sich eines seiner Xyz-Materialien schnappte und verschlang. Dann wackelte er einen Moment mit dem Kopf, ehe er Marcs [Laval Magma Cannoneer] anzustarren begann. Die kugelrunden, komplett weißen Augen Basiltrices leuchteten grau auf – und schon verwandelte sich der ohnehin schon aus Gestein bestehende Krieger von unten nach oben in weißen Stein, der, nachdem die Transformation abgeschlossen war, in tausend Stücke zerbarst.

 

Hazy Flame Basiltrice [ATK/2500 DEF/1800 {6} OLU: 2 → 1]
 

„Dein Monster wird augenblicklich verbannt!“, betonte Harris nochmal das Geschehene und rieb sich unter der Nase. „Hehe, sich so schutzlos zu präsentieren war ein Fehler. Jetzt kann ich dich direkt angreifen! Los, Basiltrice, Meteor Outburst!“

Erschrocken wich Marc zurück. Der Basilisk begann wild um sich zu trampeln, dabei mit den Flügeln umher schlagend, ehe sich von denen eine ganze Salve an Feuerbällen löste. Diese schlugen überall um Marc herum ein. Jener spürte nur noch die unerträgliche Hitze und die Tatsache, dass er von den Beinen gerissen wurde. Er schrie auf, wurde durch die Luft geschleudert und landete hart auf dem Rücken, direkt in den Altar krachend. Dabei keuchte er auf, spuckte Blut.

 

[Marc: 4000LP → 1500LP / Harris: 2600LP]

 

„Das war's erstmal. Machst du schon schlapp?“, hakte Harris nach und bohrte dabei lustlos in seinem Ohr. „Wolltest du mir nicht das Genick brechen? Sieht er so aus, als wäre ich derjenige, der hier den Leuten die Knochen bricht.“

 

Marc lag regungslos in den Trümmern des Altars und rührte sich nicht.

Der Typ hatte recht. Was tat er da überhaupt? Gegen einen Dämonenjäger zu kämpfen war doch lächerlich, wenn man es recht bedachte. Schon damals hatte ein anderer, Alastair, ihn gnadenlos besiegt. Er war ein Verlierer. Schwach. Nutzlos. Schon immer gewesen, selbst, als Isfanel sich seiner bemächtigt hatte. Anya, Matt, Abby … sogar in ihrem Schatten zu stehen wäre noch ein Kompliment für das, was er wirklich war.
 

Ein Schrei riss ihn aus seinen Gedanken. Nicht weit von ihm entfernt schlitterte Valerie über den Marmorboden. Plötzlich wurde ihr Körper von einer heftigen Entladung heimgesucht. Immer wieder und wieder!

„Valerie …!“, keuchte er leise. Sein ganzer Körper schmerzte, er musste sich ein paar Rippen bei dem Fall gebrochen haben, denn besonders die rechte Seite war betroffen.

Auch seine Verlobte schien nichts gegen die Dämonenjäger ausrichten zu können, hatte sie einen schweren Treffer einstecken müssen. Als sie sich trotz der Stromstöße langsam vom Boden abstützte, mit schier unermesslichen Kampfgeist in den Augen, da fühlte auch Marc, dass er nicht aufgeben durfte. Sie war doch genauso wie er, nur ein Mensch. Trotzdem kämpfte sie, für ihn. Und er für sie.

„Es ist ...“, sprach er schwach und erhob sich langsam aus den Trümmern, „... noch nicht vorbei. Noch stehe ich!“

„Aber nicht mehr lange“, versprach ihm Harris düster.

 

~-~-~

 

„Armselig.“

Bereits nach der Hälfte der Entladungen hatte Valerie aufgehört zu schreien.

„Halt die Klappe“, maulte sie stattdessen mit dem Haar im Gesicht, während sie sich mühevoll aufzurichten versuchte, „so schlimm war das gar nicht.“

Edna standen vor Schreck die Augen weit offen, damit hatte sie nicht gerechnet. Dann aber fand sie zu ihrer alten Bissigkeit zurück. „Dann hast du sicher nichts gegen eine weitere Runde, huh? Armselig bleibt armselig, immer.“

 

Valerie stemmte sich mit aller Kraft vom Boden ab, kam torkelnd auf die Beine. Dabei funkelte sie Edna böse an, wischte sich das Blut von der Stirn, das aus einer kleinen Platzwunde austrat.

Zeitgleich war auch Marc zu Boden gegangen, aber sie hoffte, nein sie wusste, dass er sich nicht so leicht unterkriegen lassen würde. Er war stark! Bärenstark, wenn er nur wollte!

„So etwas sagen nur diejenigen, die selbst noch armseliger sind“, konterte die Braut selbstbewusst Ednas herablassenden Spruch, „weil sie es nötig haben, andere schlecht zu reden, um ihr eigenes Ego aufzupolieren. Keine Sorge, mir geht’s prächtig! Und wie war das? Noch 'ne Runde? Ich denke, wir fangen jetzt erstmal bei dir an!“

Ihre dunkelhäutige Gegnerin schürzte überrascht die Lippen, ehe sie tief durchatmete. Es dauerte allerdings noch einen Moment, ehe sie antwortete. „Schätzchen, ich bin noch armseliger als du denkst.“

Valerie horchte überrascht auf. „Wie bitte?“

„Ich bin eine Mörderin. Eine Dämonenjägerin obendrauf. Wie tief kann man da noch sinken?“, fragte Edna ernst. „Also erspare uns beiden deine Moralpredigten, okay?“

„Dann ändere dich!“

„Und bei euch fange ich an, was?“, kam es zynisch zurück. „Als ob! Ich habe die Wahl gehabt und mich hierfür freiwillig entschieden, wie es jeder Dämonenjäger tut.“

Natürlich hatte Valerie mit einer solchen Reaktion gerechnet. Trotzdem war es offensichtlich für sie, dass in dieser Edna noch Menschlichkeit steckte. Ansonsten würde sie sich kaum Gedanken darüber machen, ob sie armselig war und sich dazu noch dafür rechtfertigen. Zumindest hoffte Valerie, dass dem so war.

„Ich kenne zwei Dämonenjäger, die wie du waren“, erklärte Valerie mit der Hoffnung, dass ihr Appell etwas bewirken würde, „sie haben das Andersartige auch verteufelt. Bis sie gelernt haben, dass auch Dämonen Gutes vollbringen können. Wie Levrier, der Anya beschützt! Nichts ist nur Schwarz und Weiß!“

„Na und?“

Die flapsige Antwort Ednas ließ Valerie verstummen.

„Denkst du, das weiß ich nicht? Das hier ist kein Rette-die-Welt-vor-dem-Bösen-Quatsch!“ Die Afroamerikanerin kniff die Augenlider soweit zusammen, dass ihre Augen nur noch durch enge Schlitze Valerie anstarrten. „Das hier ist ein Geschäft, nichts weiter. Manche verkaufen Autos, wir handeln mit Dämonen. So einfach ist das.“

 

Ruckartig streckte die junge Frau ihren Arm aus. „Und wir sind hier noch nicht fertig! Main Phase 2!“

Über dem dunkelhäutigen Mädchen öffnete sich ein schwarzes Loch, welches ihre beiden Monster als blaue Energieessenzen in sich aufsog.

„Xyz-Beschwörung“, murmelte Valerie zerknirscht, „natürlich …“

„Aus meinen beiden Stufe 7-Monstern wird ein neues Monster vom Rang 7! Xyz-Summon! Erscheine, König von Lemuria! [Mermail Abyssgaios]!“

In dem Moment schossen in alle Richtungen Fontänen aus dem Overlay Network. Die letzte barg einen imposanten Meermann, welcher durch die Luft schwamm und sich hinter seiner Besitzerin positionierte. Sein grauer Bart war nicht weniger lang als das Haar, das ihm über den Schultern lag. In den Händen hielt er dabei einen goldenen Dreizack, um den zwei Lichtsphären kreisten.
 

Mermail Abyssgaios [ATK/2800 DEF/1600 {7} OLU: 2]

 

„Bevor ich meinen Zug beende, rüste ich Abyssgaios noch mit der [Abyss-scale Of The Cetus] aus! Dadurch wird er um 800 Punkte stärker!“

Erstaunt beobachtete Valerie, wie um den Körper des Meereskönigs eine silber-violette Brustpanzerung erschien und ihn umschloss, wobei sie fortan ein seltsames Glühen von sich gab.

 

Mermail Abyssgaios [ATK/2800 → 3600 DEF/1600 {7} OLU: 2]

 

„Das wurde aber auch Zeit!“, beklagte sich Valerie, die sogleich eine vierte Karte von ihrem Deck riss. Es war natürlich der [Evigishki Soul Ogre], den sie selbst dort platziert hatte.

„Zauberkarte!“, rief Valerie. „[Gishki Aquamirror]! Ich biete Monster für die Ritualbeschwörung eines Wasser-Monsters an. Dabei übernimmt der [Gishki Shadow] von meiner Hand sämtliche Kosten!“

Auf dem Boden vor Valerie erschien ein Spiegel, eingerahmt von purem Gold. In ihn zeigte sich die amphibische Kreatur [Gishki Shadow], ehe diese eine Transformation unternahm.

„Erscheine aus endlosen Kristallfontänen! [Evigishki Soul Ogre]!“ Valerie riss den Arm in die Höhe.

Und als wäre sie die Herrin über das Wasser, schossen überall um sie herum Wassersäulen aus dem Boden. In der direkt vor ihr verbarg sich eine Silhouette, die sich erst als halb amphibische, halb dinosaurierartige, zweibeinige Kreatur entpuppte, als das Nass versiegte.

 

Evigishki Soul Ogre [ATK/2800 DEF/2800 (8)]

 

Der hellviolette Kamm der dunkelblauen Kreatur zitterte unruhig, genau wie der Schweif, der in einer Fischflosse endete.

„Bevor es weitergeht, muss mir jetzt erstmal das Glück hold sein“, meinte Valerie plötzlich und grinste angriffslustig, „ich dachte mir, es ist mal an der Zeit, etwas Neues für mein Deck zu probieren. Wieso es also nicht wie Anya machen und sich auf sein Glück verlassen?“

Jene, die sich wütend in ihren Fesseln hin und her rollte, brabbelte etwas Unverständliches durch den Knebel, was sicher einige Beleidigungen enthielt mit der Beteuerung, dass sich eine Anya Bauer nie auf das Glück verließ.

Valerie war es egal, sie zückte ihre letzte Karte. „Ich aktiviere den Zauber [Cup Of Ace].“

In ihrer Hand erschien ein goldener Kelch, den sie lasziv an die Lippen setzte. „Es gibt genau zwei Möglichkeiten. Entweder das Leben schmeckt einem, oder nicht. Wenn ja, ziehe ich zwei Karten. Wenn nicht, nun ja, hast du in dem Fall das Glück.“

Edna verschränkte nur die Arme und sah kopfschüttelnd zu Boden. „Na reizend, jetzt auch noch so etwas? Du lieber Himmel, dich habe ich echt überschätzt wie's aussieht …“

„Wir werden sehen“, meinte Valerie und nahm einen Schluck. Ihre Augen weiteten sich. Dann zwinkerte sie vergnügt. „Hmmm, der gute Wein!“

Der Kelch verschwand und das Mädchen, welches den eigentlichen Münzwurf der Karte mit Kopf gewonnen hatte, zog auf.

 

Hätte sie hier versagt, wäre das Duell gelaufen gewesen, was aber offenbar keiner so recht bemerkt zu haben schien, dachte sich Valerie beim Anblick der neuen Karten und ihrer gefesselten Freunde, die nicht übertrieben besorgt um sie schienen. So kannten sie sie auch gar nicht.

Aber die baldige Mrs. Butcher hatte sich verändert. War wagemutiger geworden, etwas, nach dem sie sich schon seit einer ganzen Weile gesehnt hatte. Was Anya damals im Elysion gesagt hatte von wegen Nervenkitzel, es wollte Valerie seither nicht mehr aus dem Kopf gehen. Nur wusste sie nicht, ob dieses Gefühl sie selbst zufrieden stellte. Darüber zu urteilen war noch zu früh, aber eben dieses Glücksspiel … hatte sie gar nicht berührt.

Die junge Frau schüttelte den Kopf. Nein, darüber sollte sie nachdenken, wenn sie Zeit dazu hatte.

 

„Ich aktiviere [Evigishki Soul Ogres] Effekt und werfe [Gishki Natalia] ab!“, verkündete Valerie und streckte den Arm aus. „D-“

„Dann aktiviere ich den Effekt meines eigenen Monsters.“ Ihre Gegnerin zog ein Xyz-Material unter der Karte ihres Abyssgaios' hervor. „Royal Domination!“

Ihr König absorbierte mit seinem Dreizack eine der Lichtsphären.

 

Mermail Abyssgaios [ATK/3600 DEF/1600 {7} OLU: 2 → 1]

 

Gleichzeitig sammelte Soul Ogre in seinem Maul Wasser an, welches er in einem mächtigen Strahl auf seinen Gegner schoss. Dieser antwortete mit einem Blitz aus seinem Dreizack, welcher das Wasser auflöste und Valeries Monster einen heftigen Stromschlag verpasste.

„Pech für dich. Abyssgaios kann die Effekte aller gegnerischen Monster auf dem Feld mit weniger Angriffskraft als er selbst annullieren.“

Valerie hob erstaunt eine Augenbraue an. „Nicht schlecht. Wenn wir gleichstark gewesen wären …“

„Waren wir aber nicht“, rief Edna dazwischen. „Und werden wir auch nie sein!“

„Stimmt!“ Valerie presste wütend die Lippen zusammen ob ihrer überheblichen Gegnerin. „Denn ich bin hier die bessere Wasser-Duellantin und dementsprechend eine Liga über dir! Ich aktiviere [Aqua Jet] und verstärke das Wasser-Monster Soul Ogre um 1000 Punkte!“

Dieser streckte beide Arme weit aus, auf seinem Rücken entstand ein Gestell mit Düsentriebwerken, das anfing zu rumoren.

 

Evigishki Soul Ogre [ATK/2800 → 3800 DEF/2800 (8)]

 

„Greife [Mermail Abyssgaios] an und beweise deine Stellung, [Evigishki Soul Ogre]!“, donnerte Valerie und schwang den Arm aus. „Los!“

Die Amphibie lud noch einen Wasserstrahl in seinem Maul auf und feuerte ihn ohne Umschweife ab.

„Du kapierst es einfach nicht, Lady! Hier ist Endstation! Abyssgaios, wehre den Angriff ab! Torrential Current!“

Mit dem Dreizack in der Hand wirbelnd, erschuf der Meermann umgehend zwei durch die Luft fließenden Strömungen, die sich in gegensätzlichen Richtungen umeinander schlangen und somit eine mächtige Barriere, an der Soul Ogres Angriff abprallte. Valerie stand da wie versteinert.

„Armselig, sag ich ja“, hörte sie Ednas Stimmte hinter der Wassermauer, „Monster ab Stufe 5 können nicht angreifen, solange Abyssgaios Xyz-Material besitzt. Als 'bessere' Wasser-Duellantin solltest du das eigentlich wissen.“

Sofort bereute Valerie ihre großspurigen Worte. Wie hatte sie sich zu solcher Arroganz hinreißen und dabei glatt übersehen können, in welcher Situation sie sich eigentlich befand!?

„Z-Zug beendet“, stammelte sie beschämt aufgrund mangelnder Optionen, sprich Handkarten. Abyssgaios derweil ließ seine Barriere verschwinden.

 

„Wurde auch Zeit“, murrte Edna und zog ruckartig auf, „ich hätte mich gar nicht auf so etwas einlassen sollen.“

„Aber dein Freund wollte es. Und es scheint ihm … fast Spaß zu machen.“ Valerie nickte herüber zu Harris, der tatsächlich mit seinem vergnügt grinsenden Antlitz den Eindruck erweckte, als ginge es ihm eher um die Herausforderung als um das Jagen von Dämonen.

Edna schnalzte mit der Zunge und fasste sich an die Stirn. „Weil er nicht erkennt worum es wirklich geht.“

„Und das wäre?“, wollte Valerie wissen.

Ihre Gegnerin funkelte sie zwischen den Spalten ihrer Finger aus dem verdeckten Auge an. „Verlust.“

„Wie-“

„Wo Dämonen sind, verlieren Menschen ihr Leben. Unabhängig davon, ob das gewollt ist oder nicht. Meistens ist es aber gewollt.“ Edna nahm die Hand von der Stirn. „Und wenn keiner etwas tut, wird es jeden Tag kleine Kinder geben, die sich die Augen aus dem Kopf weinen, weil Daddy nicht nachhause kommt. Weil ein Werwolf ihn in Fetzen gerissen hat.“

Valerie streckte die Arme weit aus. „Aber dann bist du hier falsch! Hier gibt es solche Leute nicht!“

„Dann sag mir“, fauchte Edna und zeigte auf den gefesselten Zanthe, „kannst du dem da trauen? Der Sirene? Oder den Paktträgern? Weißt du, was sie tun, wenn du nicht hinschaust!?“

„I-ich-!“

„Vielleicht schaust du ja absichtlich weg!“

„Das würde ich niemals tun!“, verteidigte sich Valerie getroffen.

„Ich“, hauchte Edna kalt, „auch nicht. Deswegen bin ich hier.“

 

Ohne sich weiter an Valeries Protesten aufzuhalten, wirbelte Edna die nachgezogene Karte zwischen ihren Fingern und zeigte sie vor. „[Monster Reborn]! Damit reanimiere ich [Mermail Abysslung] vom Friedhof!“

Neben dem Meereskönig tauchte einer seiner Soldaten auf. Von der Hüfte abwärts war der rothaarige Krieger ein Fisch, bewaffnet mit zwei massiven Panzerhandschuhen, die genauso gut als Schilde durchgehen konnten.

 

Mermail Abysslung [ATK/1200 DEF/1800 (4)]

 

„Eines der abgeworfenen Monster …?“ Valerie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter.

„Exakt. Abysslung hat auch einen Effekt, der besagt, dass er all meinen Wasser-Monstern zusätzliche 300 Angriffspunkte gewährt.“

Erschrocken beobachtete die Braut, wie um die Monster ihrer Gegnerin lauter Wasserblasen auftauchten, die bläulich schimmerten.

 

Mermail Abyssgaios [ATK/3600 → 3900 DEF/1600 {7}]

Mermail Abysslung [ATK/1200 → 1500 DEF/1800 (4)]

 

„Hast du es jetzt kapiert? Der Grund, warum ich dich erbärmlich nenne“, tönte Edna und rümpfte die Nase regelrecht gen Himmel, „ist nicht wegen deines Spiels oder der Tatsache, dass du dich nicht zu wehren weißt. Erbärmlich bist du, weil du nicht mal den 'Schatten' bemerkst, der dich und deinen Ehemann umgibt. Derselbe Schatten, der dich vor 'Restrain' geschützt hat.“

„Wovon redest d-“ Doch Valerie bekam einen Geistesblitz. „Etwa … der Handel mit … aber das-!“

Edna war jedoch in ihrer Ausführung fertig und schwang den Arm aus. „Das war's. Los, Abyssgaios! Greife [Evigishki Soul Ogre] an! Sea Emperor's Bolt!“

Der König der Mermails tat wie ihm geheißen und richtete seine Waffe auf die amphibische Gestalt vor Valerie. Die sah erschrocken auf und konnte nicht mehr reagieren. Der Blitz schoss erst durch die Brust ihres Monsters, dann durch sie selbst.

Valerie wurde zurückgeschleudert. Als alles dunkel wurde, hörte sie nur noch Marc ihren Namen rufen.

 

[Valerie: 100LP → 0LP / Edna: 4000LP]

 

 

Turn 46 – And The Anwser Is … ?

Valeries Niederlage entfacht in Marc eine derartige Wut, dass der alles versucht, um Harris fertig zu machen. Doch dieser scheint ihm immer einen Schritt voraus. Bevor Edna sich an Valerie vergehen kann, befreit sich Zanthe aus seiner Gefangenschaft und stellt sich ihr entgegen. Und während er sich mit ihr duelliert, gelangt er zu einer erstaunlichen Erkenntnis …



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  fubukiuchiha
2017-07-26T20:18:56+00:00 26.07.2017 22:18
Hey
Super Kapitel, hätte nicht gedacht dass Anya so nett sein kann, aber es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Die schöne Hochzeit ist ruiniert und dann noch von Dämonenjägern... arme Valerie.
Mal sehen was Marc noch ausrichten kann.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
01.08.2017 17:08
Hey,
Anya kann, wenn sie will. Sie will bloß so selten. xD

LG,
-Aska-


Zurück