Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 31: Zwischenspiel V --------------------------- "Verflucht nochmal, Kent! Packen Sie Ihr Schwert wieder ein. Die Dame kriegt es ja mit der Angst zu tun." "Jawohl, Großmeister", stammelte der Vordere und Kaia hörte, wie die Klinge zurück in die Schwertscheide geschoben wurde. Das Schwert war ihr kleineres Problem. Ihr Magen zog sich zusammen, der Druck lastete schwer auf Kaias Rücken, die unsichtbare Kraft raubte ihr alles an Reserven und mit zusammengekniffenen Augen gab sie ihren Widerwillen auf. Gegen den Großmeister war auch sie nicht gewappnet. Man erzählte sich viel über das Oberhaupt der Paladine. Selbst als nichtiges Mitglied des Königreiches war es ratsam, die Hierarchien innerhalb der mächtigen Organisation zu kennen. Der Großmeister galt als Anführer der Paladine und um diesen Titel tragen zu dürfen, brauchte es mehr als Muskeln und einer Vorliebe für Quälerein jeglicher Art. Sollte auch nur eines der Gerüchte der Wahrheit entsprechen, hatte Kaia keine Chance. "Wenn wir uns alle wieder beruhigt haben-", sprach der Braunhaarige mit leicht genervtem Unterton. Kaia hörte, wie der Paladin dem Großmeister Platz machte. "Also", sagte der Großmeister und zog das Wort künstlich in die Länge. In die Hocke gegangen griff er nach ihrem Kinn, die Berührung war einerseits so zärtlich, doch Kaia ließ es nur nach Luft schnappen. "Kleine, bissige Hyrakonda", murmelte er und schmunzelte, "ziehen Sie lieber wieder Ihren Schwanz ein. Die Leute wollen sich doch nicht vor Ihrem wahren Äußeren zu Tode erschrecken." Resigniert gehorchte Kaia, die Zähne versteckte sie unter ihrem Kiefer, der Hyrakondenschwanz - der dem eines Pumas ähnelte - zog sich ebenfalls zurück. Er drehte das Kinn und betrachtete sie im Profil. Was er darin sah, war unklar, Kaia befürchtete, dass er mehr sehen konnte, als ihr lieb war. Dass er durch ihren Geist durchdrang, wie es der Drachenkönig getan hatte. "Ich frage mich", sprach er ganz nebenbei, "ob Ihr Mann weiß, was Sie bist. Was für eine niedere Bestie in Ihnen schlummert. Oder sieht er nur das hübsche Gesicht, das Sie sich geschaffen haben?" Er zog ihr Kinn nach oben, sie spürte seinen Daumen, als würde er ihr die Luftröhre zerquetschen wollen. Dabei tat er nichts, was ihr äußerlichen Schaden zufügte. Es war Magie, grauenvolle Unterdrückung, mit der er sie kontrollierte. Ein Drache musste gefangen und gezähmt werden. Darum die Halsbänder. Eine Hyrakonda musste nur Dominanz erfahren, um ihre Chancen in einem Kampf abzuwägen und notfalls die Unterwürfige zu spielen, um des eigenen Überlebens willen. Kaia hob ihr Kinn, aber auch nur, weil er es ihr gewährte. Ihre Augen blickten hinab auf die Männer. Auch der Letzte hatte sich in ihrem Laden eingefunden, Kaia fragte sich, wann die ersten Kunden eintreffen würden, die das Schauspiel mit ansähen. Oder hatten sie von Weitem beobachtet, wie vier Männer Kaias Laden umzingelten? Hatte jemand einen Wink gegeben, etwas über sie oder Levis preisgegeben? Vielleicht saßen sie irgendwo im Dunkeln und freuten sich. Aus einem stillen Eckchen. So manche Nachbarin würde es begrüßen, eine Bestie weniger in ihrer Stadt zu haben. "Seht sie euch an", sagte der Paladin, wobei Kaia bezweifelte, dass er mit den Männern sprach, "wahrlich, eine Augenweide. Das muss man schon sagen. Das Kunstwerk ist Ihnen gelungen." Der Griff wurde fester, ohne dass er wirklich zupacken musste. Das überlegene Lächeln über ihr war der letzte seelische Seitenhieb. Aus der selbstbewussten Hyrakonda blieb nichts weiter als eine Raubkatze mit eingeklemmtem Schwanz. Gerade hatte Kaia nur Verachtung für sich übrig. Daher bedurfte es keines besonderen Kraftaktes, um Kaia auf die Beine zu hieven. Er ließ von ihr, ohne den Blick abzuwenden. "Ich rate Ihnen, sich zu benehmen. Der König mag eure Rasse in seinem Reich akzeptieren, weil ihr so schwach und loyal seid, aber bedenken Sie, dass sich das jederzeit ändern kann. Ein Wort von mir und Sie und Ihre Miezekätzchen können sich warm anziehen. Haben Sie das verstanden?" Kaia antwortete nicht. "Gut", sagte er dennoch mit einem Lächeln, "dann kommen wir doch wieder zum Grund unseres Besuchs: erzählen Sie uns etwas über den Drachenmenschen, der bis vor Kurzem noch bei Ihnen gelebt hat." "Ich weiß nicht, was Sie von mir hören wollen", krächzte Kaia. Der Druck an ihrem Hals war vielleicht nicht real, aber auch fiktive Schmerzen konnten einem ganz schön zusetzen. "Ich weiß auch nicht", entgegnete der Großmeister und zuckte mit den Schultern, "wie wäre es, wenn Sie mir sagen, wer Ihre Ziehtochter entführt hat? Oder besser gesagt, wer sie mitgenommen hat?" "Ich sagte bereits, dass ich nicht weiß, was passiert ist." "Ja", murmelte der Großmeister, "das haben Sie." Festen Schrittes umrundete er die Hyrakonda. Diese bewegte sich nicht, ließ es stumm über sich ergehen, auch wenn die Stiefel laut in ihren Ohren quietschten. "Aber aus irgendeinem Grund glaube ich Ihnen nicht." Kaia verspannte sich. "Warum ist das so?" Hinter ihr blieb er stehen, er schnupperte, nahm Gerüche auf, an die Kaia nicht denken wollte. "I-ich weiß nicht", hauchte Kaia, "Izara ist…einfach verschwunden." "Nach ihrer Erweckung", fuhr der Großmeister fort. Er war weitergelaufen und stand nun wieder direkt vor ihr. "Nein", Kaia schüttelte den Kopf, "sie war erst-" "Später an der Reihe?", ergänzte er, "aber warum war sie in der Höhle? Ja, genau, ich weiß, das sie dort war. Dass sie ihren Duft verströmt hat, der auch noch hier in der Luft hängt." Er sah durch den Raum, jetzt ergab seine Erkundungstour Sinn. Es waren nicht Kaias Pralinen, von Anfang an ging es um Izara. Sie hätte es besser wissen müssen. "Sie war noch nicht soweit", beharrte Kaia, sie hatte keine Wahl. Die Geschichten zwischen ihr und Levis mussten übereinstimmen. Sie mussten einfach. Für Levis. "Nachbarn erzählten, sie wäre nicht ganz bei sich gewesen", sprach er weiter, "sie wäre krank gewesen. Im Fieber. Sie wissen schon - alle typischen Anzeichen, wenn das Weibchen kurz vor seiner Verwandlung steht." Er stierte richtig. "Sie hat sich verwandelt, nicht wahr? Ihr Geburtsdatum stimmt nicht mit ihrer Erweckung überein. Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Drachen haben statt neununddreißig, siebenunddreißig Wochen, bis sie zur Welt kommen. Die Mutter weiß das nicht, weil sie nur die neununddreißig Wochen im Mutterleib mitgerechnet hat. Aber der Drache lebt schon zwei Wochen vor der Entbindung." "Warum erzählen Sie mir das?" Kaia wollte nichts hören. Nichts über Izaras Mutter oder darüber, dass die Paladine viel zu nahe an ihr Geheimnis gekommen waren. "Ganz einfach", antwortete der Großmeister, "ich will von Ihnen hören, ob Sie gewusst haben, was für ein Kind Sie sich da ins Haus geholt haben? Ihr Gatte wollte nichts darauf erwidern, aber ich denke, Sie können es mir sagen." "Ich weiß es wirklich nicht", ihre Stimme war nur noch ein Fiepen. Wie kam er darauf, dass Kaia etwas verraten würde? Oder Levis hintergehen? Niemals! "Schade", er schnippte mit dem Finger, ein roter Blitz trat heraus. Kaia klappte noch vorne, zurück auf die Knie. Sie hustete und würgte. "Sie haben es immer noch nicht begriffen", er ließ die Arme sinken, Kaia rang nach Atem, sichtlich erschöpft, legte sie ihr Kinn auf die Brust. "Also nochmal von vorn: wussten Sie, dass Ihre Tochter eine Himmelsgöttin ist?" Seine Stimme wurde eine Spur rauer. Er sah auf sie herab, geduldig. Weil er wusste, dass er dieses Spielchen den ganzen Tag spielen konnte. "Ich…", Kaia hustete. Wie war das Himmelsblut so schnell entdeckt worden? Was war mit den Vorbereitungen? Die Drachen meinten, sie hätten Izaras Spur verwischt. Scheinbar nicht gut genug. "Ich weiß nichts." In einem Moment vollkommener Hilflosigkeit, dachte sie nur an Levis. Sie versuchte sich, am Riemen zu reißen. Solange er nicht in Sicherheit war, musste sie die Schmerzen erdulden. Was konnten die Paladine schon tun, als Kaia selbst in ein Verlies zu sperren. Nach diesem Tag konnte sie ihr Geschäft vergessen. Das Leben unter den Menschen war vorüber. Ganz gleich, ob sie in der Wildnis oder im Gefängnis elendig verreckte, ohne Levis gab es keinen Grund zu leben. Daran bestand kein Zweifel. "Kent", der Großmeister schnippte mit den Fingern und machte seinem Kollegen Platz. Sein Untergebener nickte. Auf Kommando tauschten beide die Plätze, der Paladin zog die linke Hand aus seiner Manteltasche. "Nein", flüsterte Kaia, deren Augen zu brennen begannen. "Ihre Nichte lässt Sie grüßen", sagte der Großmeister, "nordöstlich der Landen ist das Wetter ganz passabel, aber für einen Lauf im Freien dennoch nicht zu empfehlen." Voller Entsetzen starrte Kaia auf den abgerissenen Schwanz. Das kleine Fellknäuel lag zusammengeknüllt in der Hand, Kaia wollte es packen, an sich ziehen. Wie hatten sie sie nur finden können? Bruder, Großmutter, die beiden Kleinen… - sie schienen sicher. Weit von der Zivilisation entfernt, hatte ihre Familie ein gutes Versteck gefunden. Nicht alle Hyrakonden lebten unter den Menschen. Es gab Ausnahmen. Einzelne Geschöpfe, die frei und ungezwungen ihr Dasein als das fristen wollten, als was sie geboren worden waren. Die menschliche Gestalt war nur Fassade, ein notwendiges Übel, wenn man sich wie Kaia ein Leben in der Bevölkerung aufbauen wollte. "Das ist ganz allein Ihre Schuld", sagte der mächtige Paladin und sprach Kaias tiefsten Schmerz aus. "Weil Sie nicht die Wahrheit gesagt haben, wird die Kleine von Ihresgleichen nicht mehr als vollständiges Mitglied akzeptiert werden. Doch das wird ihr kleinstes Problem sein, wenn Sie weiterhin so unkooperativ bleiben." Mit einem flüchtigen Wink gab er dem Paladin den Befehl, den Schwanz zurück in die Tasche zu stecken. Ihr Kopf konnte den Anblick jedoch nicht vergessen. "Im Grunde ist es ganz einfach", der Großmeister begann seinen Mantel zuzuknöpfen, "Sie geben uns das, was wir wollen, und ich vergesse die Sache mit Ihrer Familie. Dasselbe gilt im Übrigen für ihren Mann. Den werden wir selbstverständlich zu gegebener Zeit freigeben. Das heißt", er schnappte sich noch eine Handvoll Pralinen und umfasste die Faust. "Es liegt in Ihrer Hand, Madame. Ich bin sicher, Sie werden die richtige Entscheidung treffen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)