Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 25: Zwischenspiel II ---------------------------- Das Wasser war noch gefroren, als Sila die Badeanstalten betrat. Die Luft stand im Raum - von Trockenheit und einem nebelartigen Gemisch dominiert, hätte auch der größte Liebhaber von Eisbädern kaum seine Freude daran gehabt. Überall roch es nach Winter und den Überresten von Schutzmagie, den die anderen Weibchen bei ihrem letzten Besuch hinterlassen hatten. Inmitten von Eiskristallen, die an der Oberfläche glitzerten und dem Raureif, der den Boden bedeckte, war das pechschwarze Haar der Lóng eine lange schmale Säule des Widerstands. Schwach benetzte das Licht des Vollmondes das Gestein zu ihre Füßen, während einzelne Lichtstrahlen mühselig durch die offenen Luken reflektierten. Es war ein schwacher Trost, den das Licht abgab, die Augen bemühten sich, mit den dunklen Schattierungen mitzuhalten, doch wirklich Erleuchtung fände hier niemand. Nur flüchtig war die Lóng als Silhouette zu erkennen. Sila mochte die Dunkelheit auf der Oberfläche nicht; den Mondschein, der ein schwaches Abbild der Sonne darstellte und an aufregenden Tagen nur wenig Milderung versprach. Mit einer wegwerfenden Handbewegung ließ sie eine Flut heißen Wassers auf den Marmorboden klatschen. Es zischte und dampfte, das Eis schmolz, die Luft erholte sich; Leben kehrte zurück. Sila lächelte. So war es eindeutig besser. Die seichten Wellen fingen viel besser die Mondstrahlen ein, die Atmosphäre wechselte, sowie die Stimmung der Lóng. Sie stieg aus ihren Sachen, tauchte in das Wasser ein. In ihrem Element spürte sie, wie sich alles in ihr zu entspannen begann. Der Körper schuppte sich. Langsam wich die weiche Haut festem Leder. Ein harter Panzer bedeckte ihren Rücken, angeführt von tausenden kleinen Perlen. Die gesamte Menschengestalt wurde darunter bedeckt, bis der Körper vollständig seine Strukturen verlor. Krallen fuhren aus, der Hals streckte sich und ein langer, haariger Schwanz schlug breite Wellen in das Becken. Wie sehr sie es doch vermisst hatte! Die Erholung war bitter nötig. Nach wochenlanger Schufterei läutete die Brutzeit sein Finale ein, nur noch ein paar Tage und die Quälerei, das Abmühen, all die Tage voller Hoffnung und Zweifel würden mit dem ersten Brechen der Schalen zu Ende gehen. Genussvoll drehte sie sich im Wasser, ein Strudel formte sich aus den geschmeidigen Bewegungen der Lóng. Sie war nun einmal die Meisterin unter ihresgleichen und mit derselben Hingabe liebkoste sie das Wasser und hieß die Gebieterin der Meere willkommen. "Du weißt, dass du hier nicht sein solltest." Die Stimme drang von der Oberfläche direkt in ihr Ohr. Es hallte zwischen den Wassertropfen und mit einem Seufzer verwandelte sie sich zurück. "Du bist eine Spielverderberin, Kyia", Sila stieg aus dem Wasser. Sie schüttelte sich, dass tausend Wasserperlen auf den Boden kullerten. "Ich halte mich an die Regeln, du solltest auch langsam damit anfangen. Ab Abenddämmerung sind die Badeanstalten tabu; das gilt auch für dich!" Der Bergdrache kam auf sie zu. Kyia trug ihr Kriegerinnen-Outfit und Sila musste neidlos zugeben, dass sich die Beine der Leibwächterin darin sehen lassen konnten. "Solltest du nicht bei deiner Prinzessin sein?", fragte Sila gelangweilt, "ein bisschen Händchen halten oder was auch immer dieses kleine Ding nötig hat. Oder muss sie sich von der langen, anstrengenden Reise erholen? Es ist bestimmt schlimm für sie gewesen - so viel Aufmerksamkeit und dieses ständige Hofieren…schrecklich!" "Lass' das, Sila." "Und du", die Lóng tippte ihre Freundin auf die Brust, "wann hast du dich von ihr einwickeln lassen?" "Du weißt, dass das nicht stimmt", Kyia drehte sich um und schritt auf den Beckenrand zu. Es knirschte mit jedem Schritt, den der Bergdrache über eines der Eisbrocken tat. Die Kleider gegriffen, warf sie diese der Lóng zu. "Fang' endlich an, deiner Stellung gerecht zu werden, statt dein Revier wie eine wildgewordene Furie zu markieren." "Ich sage doch, du bist eine Spielverderberin", Sila machte einen Schmollmund, dann zog sie sich mit einem Lächeln auf den Lippen wieder an. "Man gönnt mir aber auch keinen Spaß", Sila ließ einen Zeigefinger rotieren, ein Eiszapfen entstand. Das Haar einmal über ihren Kopf gedreht, steckte sie den Zapfen zwischen die schwarze glatte Mähne. "Erst schließt mich der König von seinen Audienzen aus, dann meint Trias, sich als dessen rechte Hand aufspielen zu müssen, und jetzt fällst du mir auch noch in den Rücken, Kyia." Sila verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr theatralischer Seufzer entlockte Kyia bloß ein Schulterzucken. "Du hast es nicht anders gewollt", sagte der Bergdrache. Ungeduldig blickte sie zu ihrer Freundin, die mit einem giftigen Blick und einem dritten letzten Seufzer los marschierte. "Bin ich hier eigentlich die einzige, die noch bei klarem Verstand ist?", sie hob ihre Arme, "das Ding will nicht einmal eine Prinzessin sein und ihr kriecht ihr alle in den Hintern als würde ihre Anwesenheit irgendetwas an unserem Schicksal ändern." "Du weißt, dass das nicht stimmt." Ja, das wusste sie. Aber dass jeder den Drachenmenschen wie den heiligen Gral verehrte, hing ihr mittlerweile zum Halse raus. "Sie bleibt trotzdem ein weinerliches Menschenmädchen. Du kannst mir sonst etwas erzählen, aber wir beide wissen, dass sie niemals ihrem Titel gerecht werden wird. Und wenn der Augenblick kommt, in dem euch allen bewusst wird, dass ich recht hatte, werde ich euch das schön unter die Nase binden." "Wir werden sehen", erwiderte Kyia und lief weiter durch den Flur in Richtung der Schlafzimmer. "Aber bis es so weit ist", sie drehte sich zu Sila um, bedeutete sie schneller zu laufen, "will ich, dass du dich zusammenreißt." "Solange sie unsere Eier in Ruhe lässt-" "Sila, es ist mein ernst!", knurrte der Bergdrache, "wenn du dich nicht beherrschen kannst, kann ich dir für nichts garantieren." "Ach, wirklich?", Sila hob eine Augenbraue. Sie kannte ihre Stellung. Ihren Wert. Niemand würde die Lòng aus dem Schloss vertreiben. Nicht einmal eine Prinzessin konnte daran etwas ändern. "Ich will nur, dass du mir dein Wort gibst", Kyia ließ einfach nicht locker. Der Bergdrache nahm seine Pflichten viel zu ernst. Der Drachenmensch war nicht ihre geliebte Himmelsgöttin, verdammt nochmal! Die Königin von einst - sie war nicht nur eine Erscheinung, nein, sie war eine Führungspersönlichkeit gewesen. Ihr Schutz hatte einen Sinn gehabt. Selbst wenn Kyia glaubte, damals versagt zu haben, sie war niemandem etwas schuldig. Schon gar nicht gegenüber einem Mädchen aus einer Provinzstadt, das nicht einmal gelernt hatte, seine Kräfte zu beherrschen. "Sila…" "Schon gut, schon gut", maulte Sila und wedelte mit den Armen. Aus Kyia war die Position des Leibwächters einfach nicht heraus zu bekommen. Zu schade, dass der Bergdrache keine eigenen Kinder zeugen wollte. Eine wie sie in ihren Reihen hätte Sila gut gebrauchen können und Nachwuchs unter den Bergdrachen wäre kein schlechter Schachzug gewesen. Dann hätte Sila ein Argument, gegen das nicht einmal Kyia angekommen wäre. "Ich verspreche es, okay?", Sila bemühte sich, nicht sarkastisch zu klingen. Sie versuchte es wirklich. "Ich hoffe, damit ist das Thema erledigt." "Das liegt ganz in deiner Hand", entgegnete Kyia und schwenkte den linken Arm. Ihre Aufmerksamkeit war bereits auf ihr nächstes Ziel gerichtet. "Hey, du da!" Sie streifte die Hellebarde einer Wache. Der Wyvern zuckte zusammen, salutierte und brachte die Waffe in Stellung. "Wenn du denkst, in der Nachtschicht deine Ruhe zu haben", Kyia funkelte ihn zornig an, "dann hast du dich getäuscht, Bürschchen." Ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie kopfschüttelnd an ihm vorbei. "Macht denn hier niemand mehr seine Arbeit richtig…!?" Die Ruhe brachte Kyia dazu, stehen zu bleiben. "Sila?" "Pst", die Lóng legte einen Finger an ihre Lippen. "Hier ist irgendwas", hauchte sie, die Sinne weit über das Territorium ausgebreitet. "Ich spüre eine Präsenz…die Drachenschlucht!" Die Eier! Sila eilte los. "Warte, ich komme mit", flüsterte Kyia. "Musst du nicht zurück auf deinen Posten?" "Spiel nicht die Beleidigte, sei einfach froh, dass ich dich begleite." "Wie überaus nobel von dir." Sila verdrehte die Augen. Dann wurde sie wieder ernst. Es behagte ihr nicht, zu so später Stunde dem Gefühl erlegen zu sein, beobachtet zu werden. Das Schloss war ihr Zuhause, selbst eine Bedienstete, die ihr nicht wohlgesinnt war, würde nicht so ein Gefühl hinterlassen. Den Kopf nach links und rechts gedreht, suchte sie genauer nach der Quelle. Leise hauchte sie den Tautropfen ihre Bitte vor, das Flüstern breitete sich über das gesamte Schloss aus, doch auch das Wasser hatte keine Antworten. Sie musste selbst nachsehen. "Könnte es vielleicht soweit sein?", von der Seite sprach Kyia. Der Bergdrache hatte seine Waffe gezückt. Sie vertraute Silas Fähigkeiten, so handhabten sie es seit Ewigkeiten, und wäre nicht die Himmelsgöttin aufgetaucht, würde Kyia noch immer an ihrer Seite stehen und die Eier beschützen. "Heute Nacht?", sagte Sila und spielte auf den Mond an. Dracheneier schlüpften nur selten an Vollmonden. Es brachte Unglück, das Mondlicht vertrug sich nicht mit der Haut der frisch Geschlüpften, nur wenige Eier überlebten die Nacht. "Ich bete zum Großen Drachen, dass dem nicht so ist", sagte Sila und hielt unter dem Rundbogen inne. "Und die Alternative?" Aber Sila hielt den rechten Arm in die Höhe. Die beiden schwiegen, Sila konzentrierte sich. Den Blick auf alle wichtigen Punkte schweifend überblickte sie das gesamte Areal. An den Höhleneingängen hatte sich nichts geändert, die Schutzzauber waren aktiv und auch die Eier gaben keinen Laut von sich. Es war still, kein Insekt hatte sich hierher verirrt, ja selbst das Wetter blieb erstaunlich friedlich. "Nichts", sagte Sila nach einer Ewigkeit. Sie wusste nicht, wieso, aber die innere Unruhe wollte einfach nicht von ihr weichen. "Ich verstehe das nicht." "Wenn das wieder eines deiner Intrigen ist, um-" "Nein", wechselte die Lóng in ihre Sprache, "warte kurz." Sila atmete tief ein, der Bach vor ihren Füßen gluckste, das Wasser rief sie - ein intimer Moment zwischen ihr und den Gezeiten. Die Ergebnisse waren unbefriedigend. "Nichts", murmelte Sila, "alles sicher." "Gehen wir." Kyia war die erste, die sich in Bewegung setzte. Den Rücken ihrer Freundin zugewandt, sah sie nicht, wie diese das Wasser des Baches aufgesogen hatte. Eine Mauer aus durchsichtiger Flüssigkeit bewegte sich in rasender Geschwindigkeit auf die Mitte des Platzes zu. "Sila, was -" Mit aufgerissenen Augen starrte Kyia auf das Wasser. Es wurde langsamer, verformte sich zur Kugel und blieb schwebend in der Luft hängen. "Wird man hier immer so freudig empfangen?", fragte eine Stimme, die ganz sicher nicht hierher gehörte. Sila verkrampfte. Hätte sie sich doch nur getäuscht! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)