The Petboy Contract von Sky- ================================================================================ Kapitel 50: Lionels Diagnose ---------------------------- Als Simon wieder zur Villa zurückgekehrt war, hatte er sofort nach Leron gesucht, um sich mit ihm auszusprechen. Doch zu seiner Enttäuschung war dieser nicht mehr da. Wie er von Anthony erfuhr, hatte Leron zum Krankenhaus fahren müssen, da er ein paar Dinge bezüglich seines Vaters klären musste. Da er nicht wusste, wann Leron wieder zurückkehren würde, beschloss er, ihn anzurufen. Zwar wusste er, dass das vielleicht nicht gerade der beste Zeitpunkt war, aber er musste es einfach sagen. Da Leron nicht an sein Handy ging, hinterließ Simon ihm eine Nachricht auf der Mailbox. Es war ein wenig schwierig, die richtigen Worte zu finden und er wusste auch nicht, ob er überhaupt die Dinge in Ordnung bringen konnte. Alles, was er tun konnte war, sein Bestes zu versuchen. „Hey Leron, ich bin’s. Tut mir leid, dass ich in der letzten Zeit so furchtbar gemein und unfair bin. Ich weiß, dass es mit mir im Moment nicht leicht ist und ich echt unausstehlich bin. Ehrlich gesagt würde ich es auch nicht mit mir aushalten wollen. Ich komme nur einfach nicht damit klar, dass ich mich selber nicht unter Kontrolle bekomme und nicht mehr einfach so weitermachen kann wie bisher, auch wenn ich es will. Ich bin momentan ziemlich überfordert mit mir selbst und ich habe ziemlich große Schwierigkeiten damit, Hilfe von anderen anzunehmen, weil ich all die Jahre ganz allein war. Das ist trotzdem keine Entschuldigung und das weiß ich. Aber ich will dich nicht verlieren. Du warst der allererste Mensch, der mich so geliebt hat wie ich bin und du hast mich nie aufgegeben. Deswegen möchte ich dich bitten…“ Simon musste eine kurze Pause einlegen, denn ihm war, als würde ihm etwas den Hals zuschnüren und Tränen sammelten sich in seinen Augen. „Bitte gib mich jetzt nicht auf, okay? Ich liebe dich und es tut mir leid, dass ich meinen ganzen Frust an dir ausgelassen habe. Es wäre schön, wenn wir reden könnten, wenn du wieder zurück bist.“ Damit ging Simon in die Küche und machte sich selbst einen Ingwertee. Es war sehr still in der Villa und er begann sich ein wenig unwohl zu fühlen. Also ging er in sein Zimmer und sah sich ein paar Cartoons an, bis es spät wurde und er irgendwann einschlief. Leron war mit gemischten Gefühlen zum Krankenhaus gefahren und eigentlich hätte er sich diesen Gang nur allzu gerne selbst erspart. Er war nach wie vor schlecht auf ihn zu sprechen, doch da er unglücklicherweise Lionels letzter lebender Angehöriger war, blieb ihm kaum etwas anderes übrig. Der Chefarzt hatte darauf bestanden, mit ihm zu sprechen und so war der Unternehmer widerwillig hingefahren. Auch wenn er immer noch eine große Wut gegen seinen Vater hegte, war er trotzdem besorgt. Dass er ins Krankenhaus gebeten wurde, während sein Vater noch stationär behandelt wurde, war kein gutes Zeichen und er hatte bereits im Gefühl, dass da etwas nicht in Ordnung war. Insgeheim rechnete er mit einem versteckten Herzinfarkt, denn sein Vater war nicht mehr der Jüngste und trank schon seit Jahren viel Alkohol, auch wenn es nie gereicht hatte, um ihn zum Alkoholiker zu machen. Doch warum musste das zu solch einem schlechten Zeitpunkt geschehen, wo er genügend andere Sorgen hatte? Nicht nur, dass der Konzern seit dem Skandal über Michael Verlust gemacht hatte und sie einen wichtigen Auftrag an die Konkurrenz verloren hatten, auch Simon machte ihm zunehmend Sorgen und er wusste nicht, wie er alles unter einen Hut bringen sollte. Das alles wurde ihm wirklich zu viel und obwohl er sein Bestes gab, um ruhig zu bleiben, musste er sich wirklich zusammenreißen, wenn er auch noch Simons Gefühlsausbrüche einstecken musste. Aber lange Zeit würde er es nicht wirklich aushalten können. Als er das Krankenzimmer betrat, sah er seinen Vater im Bett liegen. Lionel war blass, wirkte geschwächt und hatte in den letzten Tagen und Wochen abgebaut. Er, der sonst immer wie ein unnahbarer und unnachgiebiger Geschäftsmann gewirkt hatte, wirkte in dieser Patientenkleidung nur noch wie ein verbitterter alter Mann. Er bedachte seinen jüngsten Sohn mit einem distanzierten Blick und merkte an „Du siehst gestresst aus. Sag bloß, du bist mit der Leitung des Konzerns jetzt schon überfordert.“ „Ich habe Besseres zu tun, als mir vom Arzt vorbeten zu lassen, unter welchen Wehwehchen du leidest, Vater“, gab Leron kalt zurück und setzte sich auf einen Stuhl. „Ich habe sowohl geschäftlich als auch privat viel um die Ohren und ich bin auch nur hier, weil der Arzt darauf bestanden hat.“ „Privater Stress?“ fragte sein Vater und runzelte seine faltige Stirn. „Darf ich raten? Es liegt an diesen Jungen, den du von der Straße aufgelesen hast. Ich habe dir ja gesagt, dass er dir Ärger bedeuten wird.“ „Das hast du genauso mitverschuldet wie Michael!“ konterte Leron und er hatte große Mühe, ruhig zu bleiben. Es lohnte sich ohnehin nicht, seine kostbaren Nerven an seinen Vater zu verschwenden. „Michael hat ihn fast umgebracht und ihn vergewaltigt und du hattest nichts Besseres zu tun, als Simon daraufhin zu drohen.“ „Ich habe ihm nicht gedroht“, korrigierte Lionel gelassen, ohne sich großartig beeindruckt zu zeigen. „Ich habe ihm eine stattliche Summe Geld geboten und ihm eine gut gemeinte Warnung mit auf den Weg zu geben. Aber wenn du meinst, dir zusätzlich Probleme mit einem Stricherjungen aufzubürden, dann ist das allein deine Entscheidung. Wie dem auch sei, es wird wesentlich mehr Arbeit in der nächsten Zeit auf dich zukommen und du solltest dir im Klaren darüber sein, was du willst.“ Hier stutzte Leron und verstand diese merkwürdige Andeutung erst gar nicht einzuordnen. Und eine böse Vorahnung beschlich ihn. „Was genau willst du damit sagen?“ Der alte Mann atmete geräuschvoll aus, musste dann aber husten und es hörte sich alles andere als gesund an. Zeitweise verfiel er in einen heftigen Hustkrampf und hatte Mühe, Luft zu holen. Als er sich wieder berappelt hatte, erklärte er „Das Ergebnis der Untersuchung steht seit heute fest: Leberzirrhose und Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Zudem hat sich ein Tumor im rechten Knie und der linken Schulter gebildet.“ Stille trat ein und obwohl Leron nicht wirklich Mitgefühl für seinen Vater empfand, der ihn sein ganzes Leben lang vernachlässigt hatte, überwältigte ihn diese Hiobsbotschaft trotzdem. Fassungslos schüttelte er den Kopf und konnte es kaum glauben. Erst verstarb seine Mutter mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, dann wurde bei Michael ein Hirntumor diagnostiziert und nun hatte man bei seinem Vater gleich zwei Krebsarten und zwei Tumore gefunden. Was war das doch für eine bittere Ironie. In seinem Kopf begann es zu drehen und er fühlte sich, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Es war seltsam. Dabei hatte er sonst nichts als Hass für seinen Vater empfunden. Und trotzdem war diese Nachricht schockierend. Er brauchte eine Weile, um sich wieder zu sammeln und sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Und was wirst du jetzt tun? Strahlen- oder Chemotherapie?“ Doch Lionel schüttelte den Kopf und erklärte „Was bringt das schon? Der Krebs ist bereits fortgeschritten und eine Chemotherapie würde das Voranschreiten höchstens verzögern, aber für eine Heilung ist es bereits zu spät. Und was nützen mir ein paar Monate mehr, wenn ich dafür als haarloser Bettlägeriger verbringen werde? Nein, ein so unwürdiges Ende werde ich nicht akzeptieren. Ich werde wenigstens in Würde sterben. Ich habe bereits meinen Notar kontaktiert. Ich werde dir den Konzern übertragen und mein Privatvermögen für die wenige Zeit, die mir noch bleibt, nutzen. Und um das Danach brauchst du dich nicht zu sorgen. Ich werde alle Vorkehrungen treffen, damit du deine kostbare Zeit nicht mit meiner Beerdigung verschwenden musst.“ „Wie viel Zeit bleibt dir?“ „Höchstens ein Jahr“, antwortete Lionel mit erschreckender Gleichgültigkeit. „Also genug Zeit, um alle erforderlichen Dinge zu regeln. Und ich denke, dass es wichtig für dich ist, jetzt die Leitung des Konzerns zu übernehmen, solange ich noch da bin, um dir den einen oder anderen Ratschlag zu erteilen. Ich weiß, du willst meine Hilfe nicht, aber ich kenne diesen Konzern und die Vorstandsmitglieder lange genug.“ Doch Leron konnte sich nicht wirklich mit dieser Situation abfinden. Es war ihm unverständlich, dass sein Vater so kühl und gefasst über die ganze Situation sprach, als handele es sich nur um eine unwichtige Kleinigkeit. War ihm sein eigenes Leben etwa so egal, dass ihn nicht mal die Tatsache interessierte, dass er bald sterben würde? „Interessiert dich deine Diagnose so wenig, dass du an nichts anderes denken kannst, außer dem Konzern?“ „Ich habe längst mit meinem Leben abgeschlossen“, erklärte Lionel und winkte ab. „Und es gibt nichts mehr, was in dieser Welt für mich noch von Bedeutung ist. Du kannst das vielleicht nicht verstehen, aber das brauchst du auch nicht.“ Zum ersten Mal in seinem Leben stimmte Leron ihm zu. Er verstand es nicht. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf, dass einem Menschen das eigene Leben so vollkommen egal war, dass er nicht einmal den leisesten Willen zum Kämpfen zeigte. Was musste eigentlich passieren, dass man innerlich so tot war? Sein Vater schien zu bemerken, dass er sich Gedanken machte und fragte ihn sogar überraschenderweise „Was beschäftigt dich?“ „Erklär mir bitte, wie es sein kann, dass dir dein eigenes Leben so vollkommen egal geworden ist. Ich verstehe das nicht.“ Lionel seufzte senkte den Blick auf seine Hände. Sie waren dünn und vom fortschreitenden Alter gezeichnet. Es lag etwas Schmerzvolles in seinem Blick und diese kalte distanzlose Ausstrahlung war verschwunden. Plötzlich wirkte er auf Leron wie ein trauriger alter Mann, der nichts mehr hatte, an das er sich klammern konnte und der einfach aufgegeben hatte. Es war ein ziemlich trauriger Anblick. „Ein jeder Mensch hat seine Grenzen. Und wenn man stets an der Grenze gelebt hat, lernt man, dass der einzige Weg in der Resignation liegt, wenn man nicht daran zerbrechen will. Ich habe die Frau verloren, die ich aufrichtig geliebt habe und ich habe fast zwanzig Jahre mit einer Frau in einer Beziehung gelebt, die mich bedroht und misshandelt hat. Und es gab damals keinen Weg für mich, aus diesem Teufelskreis zu entkommen. Und selbst nachdem deine Mutter gestorben ist, war mir, als würde sie mich noch verfolgen. Manche Wunden sind einfach zu tief, als dass sie jemals verheilen können, Leron. Ich erwarte kein Mitgefühl von dir und ich weiß, ich war euch kein guter Vater. Aber wenn du selbst nach dem Tod deines Peinigers immer noch sein Gesicht siehst und sein Erbe gegen deinen Willen weiterführen musst, erscheint dir dein Leben nicht mehr lebenswert. Ich wollte euch als meine Kinder lieben, aber ich konnte es nicht. Immer, wenn ich in eure Gesichter sah, da sah ich immer nur Katherine. Und als Michael begann, immer auffälliger zu werden, da war es, als wäre ich in einen niemals endenden Alptraum gefangen und als würde mich meine Frau noch nach ihrem Tod heimsuchen. Verstehst du nun? Der Tod ist für mich nichts, wovor ich Angst haben sollte. Er ist die Erlösung für mich. Solange ich lebe, werden mich die Erinnerungen an Katherine heimsuchen und es ist sowieso zu spät, etwas Neues anzufangen. Ich habe genug Chancen in meinem Leben verspielt und der Konzern war immer das einzige, was mich wirklich am Arbeiten gehalten hat. Aber auch das ist nicht mehr von Bedeutung. Leron, ich weiß, dass du meinen Rat nicht willst und ich will dir und mir selbst auch nichts vormachen. Ich war nie ein guter Vater und werde es bis zu meinem Tod nie sein. Trotzdem möchte ich dir zumindest eines offen und ehrlich sagen. Kein Ratschlag darüber, wie du den Konzern zu leiten hast oder das Image der Familie wahrst. Vermutlich ist das hier der einzig wirklich gute Rat, den ich dir jemals als Vater geben kann: mach nicht die gleichen Fehler wie ich. Fülle dein Leben mit Dingen, die dich glücklich machen und beschütze sie. Geld kann dir zu Wohlstand verhelfen und dich vor einigen Sorgen des Lebens bewahren. Aber es macht dich nicht glücklich. Du wirst nur versuchen, die Leere in dir zu füllen, indem du dich mit Dingen und Menschen umgibst. Aber letzten Endes wirst du feststellen, dass all dies nichts bedeutet, weil du ihnen nichts bedeutest. Ich habe meine Zweifel, dass ein Junge vom Straßenstrich wirklich das ist, was dich glücklich macht oder er nur ein Versuch ist, die Leere in deinem Herzen zu füllen. Aber wenn du wirklich glaubst, dass er dein wahres Glück ist, dann lass ihn nicht gehen. Ich habe mein wahres Glück nicht beschützen können und an deine Mutter verloren. Lass nicht zu, dass dir das Gleiche passiert, wenn du nicht enden willst wie ich.“ Zum allerersten Mal in seinem Leben hatte Leron das Gefühl, als würde sein Vater direkt mit ihm sprechen. Nicht als einen Erben oder ein lästiges Familienanhängsel, das er bei Lust und Laune benutzen konnte. Nein, er sah ihn direkt an und sprach mit ihm, als würde er ihn endlich als seinen Sohn und als sein eigen Fleisch und Blut ansehen. Nach all den vielen Jahren der Vernachlässigung und der Lieblosigkeit in seiner Vergangenheit geschah endlich das, was er sich sein ganzes Leben lang herbeigesehnt hatte. Leron schaffte es nicht mehr, sich distanziert zu halten und er spürte, wie ihm die Tränen kamen. „Verdammt noch mal“, fluchte er und wischte sich die Tränen mit dem Handrücken weg. „Warum musstest du mir das sagen? Es ist viel schwerer, dich zu hassen, wenn du dich nicht wie ein selbstgerechtes Arschloch verhältst.“ Lionel lächelte schwach. „Ich muss zugeben, dass auch jemand anderes dazu beigetragen hat, dass ich endlich mit all dem hier abschließen konnte.“ „Ach echt?“ fragte Leron überrascht. „Und wer war es?“ „An dem Abend, kurz bevor du zu mir gekommen bist und mich über deine Mutter ausgefragt hast, kam ein junger Mann zu Besuch. Es war Lucys Großneffe. Als ich ihn sah, war mir, als würde ich meine geliebte Lucy noch einmal vor mir sehen. Zuerst dachte ich, er würde mich für ihren Tod verantwortlich machen, aber das tat er nicht. Er hat mir einfach gedankt, dass ich Lucy geliebt habe. Wirklich alles an ihm hat mich an sie erinnert und mir war, als hätte mir Lucy selbst gedankt und mir verziehen, dass ich sie nicht vor Katherines Zorn beschützen konnte. Ich habe nach 40 Jahren endlich Frieden gefunden.“ Leron ließ sich diese Worte durch den Kopf gehen und kam zu der Erkenntnis, dass er nicht mehr imstande war, seinen Vater zu hassen. Natürlich konnte er ihm nicht die vielen Jahre der Vernachlässigung nicht vergeben, aber sein Groll hatte sich gelegt. Nachdem sein Vater endlich offen und ehrlich mit ihm über seine Gefühle sprach und auch endlich wie ein Vater mit ihm redete und nicht wie ein Fremder, konnte er ihn allmählich besser verstehen. Und er empfand sogar Mitgefühl für ihn. Der Tod seiner geliebten Lucy musste ihn wirklich gequält haben, vor allem weil er danach gezwungen war, mit der Frau zusammenzuleben, die sie getötet hatte. Er hatte eine schreckliche Ehe hinter sich, hatte in Angst vor einer Psychopathin gelebt, die unzählige Menschen ermordet hatte und war selbst nach ihrem Tod immer an das Martyrium erinnert worden. Wie viele Menschen konnten so etwas aushalten, ohne daran kaputt zu gehen? Sein Vater war zwar nach außen hin unantastbar geblieben, aber auch nur damit niemand sehen konnte, wie kaputt er innerlich war. Seine einzige Hoffnung lag für ihn im Tod, damit er wieder mit der Person vereint sein konnte, die ihm selbst nach 40 Jahren so viel bedeutet hatte. „Hör mal Vater“, sagte Leron schließlich, nachdem er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. „Ich kann dir zwar die Vernachlässigung nicht verzeihen, aber es ist nicht so, dass ich nicht verstehe, warum du dich nicht um uns kümmern konntest. Ehrlich gesagt will ich mir nicht einmal ausmalen, wie sehr du damals unter Mum zu leiden hattest. Aber ich will dieses Kapitel auch endlich abschließen. Wie wäre es, wenn wir uns darauf einigen, die Vergangenheit einfach ruhen zu lassen, okay? Du mischst dich nicht in meine Beziehung mit Simon ein und ich werde deine Ratschläge beherzigen und mich nicht mehr mit dir streiten. Und ich werde dafür Sorge tragen, dass du nicht in Mums Grab beerdigt wirst, sondern bei deiner Lucy.“ Das Angebot nahm der Schwerkranke nur zu gerne an und kurz darauf kam der Chefarzt herein, der sich für die Verspätung entschuldigte. Da Leron bereits alles zur Diagnose von seinem Vater erfahren hatte, fasste sich der Doktor kurz und zeigte ihm auch noch die MRT-Aufnahmen. Er bot auch noch die Nummer eines Sozialdienstes an, doch beide lehnten ab und nachdem er sich wieder verabschiedet hatte, waren Leron und Lionel wieder alleine. Der alte Mann wartete, bis die Tür zugefallen war, bis er sich wieder an seinen jüngsten Sohn wandte. „Wenn wir schon im Gespräch sind, kann ich auch ein weiteres Geständnis machen.“ „Noch mehr mörderische Verwandte, von denen ich wissen sollte?“ fragte Leron skeptisch und setzte sich wieder. „In der Hinsicht überrascht mich ehrlich gesagt nichts mehr.“ Doch Lionel schüttelte den Kopf und nachdem er einen weiteren Hustenanfall überstanden hatte, begann er zu erklären. „Du warst schon immer anders als deine Brüder gewesen, das hatte ich schon damals erkannt, als du noch jung warst. Michael und Jordan waren vollkommene Gegensätze auf einem äußerst ungesunden Level. Dein ältester Bruder kam ganz nach seiner Mutter, allerdings ohne auch nur eine ihrer guten Eigenschaften geerbt zu haben. Und aus Jordan bin ich noch nie schlau geworden. Er war ein manipulativer Egoist durch und durch und vor seinen Spielchen war niemand von uns sicher. Aber du warst schon immer derjenige mit den schwächsten Cohan-Genen gewesen. In dir hatte ich wirklich Hoffnung gesehen, deshalb hatte ich dir auch die Evans Hybrid Technologies übertragen.“ Doch so wirklich wusste Leron nicht, wie er die Worte seines Vaters einzuordnen hatte. Auch wenn es nach einem Lob klang, machte es in seinen Augen kaum Sinn. Immerhin war er stets außen vor gelassen und von der Familie isoliert worden. „Und warum hast du mich damals abgeschoben und alleine aufwachsen lassen? Wieso hast du dieses Spielchen mit dem Erbschaftswettstreit angefangen, wenn ich die ganze Zeit dein Favorit war?“ „Denk doch mal nach, Leron. Michael hat nur nach einer Gelegenheit gesucht, um dir das Leben zur Hölle zu machen und Jordan hat Michael meist aufgestachelt, um euch beide aus den Weg zu räumen. Ich mag euch zwar vernachlässigt haben, aber ich wusste ganz genau, wie jeder von euch tickt. Und was glaubst du wohl, wie deine Brüder reagiert hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ich sie nie als Erben gesehen habe? Ich habe dich isoliert, damit du nicht mehr in ihrem Fokus bist. Die Scharade mit dem Erbschaftswettkampf diente auch nur dazu, damit sich deine Brüder selbst gegenseitig disqualifizieren. Zugegeben, Jordan hätte ein paar Chancen gehabt, weil er als Einziger eine Familie hat, aber ich hatte niemals im Sinn gehabt, Michael den Konzern zu überlassen. Es wäre so gewesen, als hätte ich Katherine mein Lebenswerk überlassen.“ „Aber spätestens wenn du zurückgetreten wärst, dann wäre doch alles zutage gekommen und Michael und Jordan hätten dich durchschaut!“ „Deine Brüder waren zwar schlau, aber niemals schlau genug, um zu realisieren, dass ich ganz andere Pläne hatte“, erklärte Lionel geduldig. „Es musste danach aussehen, als halte ich dich für absolut unfähig. Mein ursprünglicher Plan sah vor, dass ich Michael nach seiner letzten Eskapade enterbe, weil er ein zu großes Risiko für das Geschäftsimage darstellt. Und Jordan war nie ein sonderlich guter Geschäftsmann. Er hat viel lieber Leute gegeneinander ausgespielt, weil das sein persönliches Vergnügen war, aber er hat diese Fähigkeiten nicht im geschäftlichen Bereich angewandt. Natürlich hätten sie erfahren, dass du der Erbe sein wirst, aber du bist kein kleiner Junge mehr und Will hatte dich als dein Supervisor intensiv genug vorbereitet, um dich auf die Konfrontation mit deinen Brüdern vorzubereiten.“ „Dann hast du mich also genauso manipuliert wie du Michael und Jordan manipuliert hast“, schlussfolgerte Leron und seufzte. Warum überraschte ihn das nicht? Doch er musste zugeben, dass er trotzdem beeindruckt war, dass sein Vater es geschafft hatte, sie alle drei dermaßen an der Nase herumzuführen und keiner von ihnen hatte je Verdacht geschöpft. Zwar wusste er, dass Lionel in ihnen nur potentielle Nachfolger gesehen hatte und nichts anderes, aber es brauchte schon Nerven wie Drahtseile und außerordentliches Schauspieltalent, um seine wahren Absichten zu verbergen. Leron konnte nicht anders, als über die Erkenntnis zu lachen, dass die Isolation, der Erbschaftsstreit und die Schikanen seines Mentors von Lionel fingiert worden waren, um ihn für seine zukünftige Rolle vorzubereiten. Obwohl das bedeutete, dass er mal wieder nur als Spielfigur von seinem alten Herrn benutzt worden war, so rechnete er ihm trotzdem an, dass sein Vater nie in Betracht gezogen hatte, einem geisteskranken Sadisten oder einem gefühlslosen Psychopathen seinen Konzern zu überlassen und er ihn tatsächlich schützen wollte. Zwar hatten keinerlei väterliche Gefühle eine Rolle gespielt, aber es hätte auch ganz anders laufen können. Nämlich, dass ihm das Elend seines jüngsten Sohnes so kalt gelassen hatte, dass er ihm einfach seinem Schicksal überließ. „Ehrlich gesagt weiß ich gerade wirklich nicht, ob ich dich jetzt dafür hassen, oder dir danken soll.“ „Denke darüber, wie du willst. Letzten Endes brauchte ich diese Scharade nicht mehr weiterzuführen. Allerdings gehen die Probleme weiter als ich erwartet hatte.“ „Was meinst du damit?“ „Es geht um die Leichen“, erklärte Lionel und rieb sich mit einem leisen Seufzer die Stirn. „Die Polizei ermittelt gegen mich. Es ist deshalb wichtig, dass wir die Überschreibung des Konzerns so schnell wie möglich über die Bühne bringen, bevor sich alles verschlimmert.“ „Warte mal“, unterbrach Leron ihn und wurde laut. „Die Polizei ermittelt gegen dich? Etwa wegen der Tatsache, dass du die ganzen Taten verschwiegen hast? Oder hast du Mum etwa geholfen, all diese Leute umzubringen?“ „Natürlich nicht“, erwiderte sein Vater empört. „Aber deine Mutter war nicht dumm. Sie hat mich damals erpresst, dass sie mir die Morde anhängen wird und hat entsprechend Spuren gelegt, um die Polizei zu überzeugen, dass ich sie misshandle und nicht umgekehrt. Und das rächt sich jetzt allmählich. Zwar haben sie noch keine handfesten Beweise, aber Indizien, die dafür sprechen. Ich bezweifle zwar, dass sie in der Lage sein werden, mir den Mord an den 33 Opfern nachzuweisen, aber Lucys Ermordung werden sie mir höchstwahrscheinlich anhängen können. Ich habe zwar einen guten Anwalt, aber selbst ich kann die momentane Situation nicht abschätzen. Höchstwahrscheinlich wird es zum Prozess kommen, wenn ich nicht vorher schon sterbe. Aber es muss trotzdem mit dem Schlimmsten gerechnet werden, dass es darauf hinauslaufen wird, dass mir die Morde an diesen Menschen angehängt werden. Ich lege dir deshalb ans Herz, dass du dich so weit wie möglich von mir distanzierst und dafür sorgst, dass ich mit dem Konzern nicht mehr in Verbindung gebracht werde. Ansonsten wirst du mit schweren Rückschlägen zu rechnen haben.“ Schöne Scheiße, dachte sich Leron und hatte das Gefühl, als würde ihm ein Berg an Problemen auf den Schultern lasten und ihn langsam erdrücken. Da hatte er endlich Hoffnung, dass alles besser werden würde, doch stattdessen kamen immer mehr Hiobsbotschaften dazu. Kaum zu glauben, dass der Wahnsinn der Cohans selbst nach ihrem Tod noch hohe Wellen schlug und Chaos verursachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)