The Petboy Contract von Sky- ================================================================================ Kapitel 48: Eine unschöne Wahrheit ---------------------------------- Cyphers Herz raste wie verrückt und er war entsetzlich nervös, auch wenn er versuchte, gelassen zu bleiben. Die ganze Zeit über hatte er Hunters Hand gehalten, während er im Wartezimmer gewartet hatte. Und obwohl sein Begleiter wirkte, als wäre das hier nichts Weiteres als eine harmlose Routineuntersuchung, schien auch er ein wenig unruhig zu sein. Doch es war nicht die Angst vor einem negativen Ergebnis, das Cypher so zusetzte. Es war die Angst vor der Behandlung selbst. Und diese Furcht hatte ihn beinahe dazu veranlasst, auf der Stelle wieder kehrt zu machen und nach Hause zu gehen. Doch Hunter hatte nicht mit sich reden lassen und hatte ihn überredet, doch noch zur Praxis von Dr. Dawson zu fahren. Der 25-jährige Künstler atmete tief durch und begann unruhig auf seiner Unterlippe zu kauen. „Scheiße verdammt. Ich hatte total verdrängt gehabt, dass bei dieser Behandlung Spritzen zum Einsatz kommen. Warum in aller Welt müssen es ausgerechnet Spritzen sein?!“ „Du schaffst das“, sprach Hunter ruhig und hielt seine Hand fest. „Es wird schnell gehen.“ Doch das half Cypher nicht wirklich, sich zu beruhigen. Er hatte schon seit seiner Kindheit panische Angst vor Spritzen und ging nur äußerst ungern zum Arzt, wenn er im Hinterkopf hatte, dass eine solche Prozedur nötig sein würde. Für gewöhnlich umging er so etwas sehr geschickt, auch wenn es nicht immer klappte. Vor allem nicht, wenn ein Impftermin bevorstand und Hunter davon wusste. Auch wenn dieser Krankenhäuser und vor allem Ärzte auf den Tod nicht ausstehen konnte, war er immer derjenige, der Cypher zu diesen Terminen schleifte und dafür sorgte, dass er derart wichtige Behandlungen bekam. Inzwischen hatte er Wege und Mittel gefunden, um Cypher zumindest ein Stück weit die Angst zu nehmen. Also holte er aus seiner Jackentasche einen MP3-Player hervor, schaltete ihn an und drückte ihn seinen Liebsten in die Hand. „Hör etwas Musik. Das beruhigt.“ Der 25-jährige hob erstaunt die Augenbrauen, denn damit hatte er nicht gerechnet. Sogleich steckte er die Hörer in die Ohren und begann nach einem guten Lied zu suchen. Als er dann auch noch sein altes Lieblingslied von den Crashtest Dummies entdeckte, musste er schmunzeln. Sogleich, als das Lied zu spielen begann, wurde er deutlich ruhiger und legte seinen Kopf auf Hunters Schulter. Nicht zu fassen, dass er noch genau meine alten Lieblingslieder kennt, dachte er sich. Er war unendlich dankbar dafür, dass Hunter mit ihm gekommen war und ihn hier nicht allein ließ. Natürlich war er auf der einen Seite überglücklich, dass er endlich die Augenbehandlung bekam, aber auf der anderen Seite hatte er auch Angst, dass es nicht klappen würde. Er wünschte sich schon seit Jahren normale Augen, um sich endlich wie ein vollwertiger Mensch zu fühlen. Aber was sollte denn schon großartig passieren, wenn es nicht klappte? Er hatte Hunter an seiner Seite und dieser hatte ihn schon immer so geliebt wie er war. Selbst mit diesen Augen. Und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass das Mittel von Dr. Dawson nicht bei ihm wirkte, würde sich für ihn nicht viel ändern. Er würde weiterhin als Künstler arbeiten, seine gemeinsame Zeit mit Hunter und seinem kleinen Bruder verbringen und ab und zu mit Menschen zu tun haben, die sich an seinen Augen störten. Sein Leben würde weitergehen und er war dankbar für all die wunderbaren Dinge, die er jetzt hatte. Egal was auch passierte, die Menschen in seinem Leben würden bei ihm bleiben. Und das war das wichtigste für ihn. Als das Lied zu Ende war, spielte Cypher es erneut ab und erinnerte sich daran, wie oft er es in seiner Kindheit gehört hatte. Nicht nur hatte das Lied eine solch wunderbare und zeitlose Melodie gehabt, es hatte ihm auch eine wunderbare Lektion erteilt: ganz egal wie sehr er sich auch für seine angeborenen Makel schämte, es gab immer Leute, die noch schlechter dran waren als er. Und der Fakt, dass er keine Kontrolle über diesen Makel hatte, machte ihn machte es ihm einfacher, damit zu leben als jemand, der von anderen Menschen in eine unglückselige Situation gezwungen wurde. Außerdem hatte er seinen Augen trotz all dem Kummer in seinem jungen Leben auch vieles zu verdanken. Seine Depression und sein Alkoholismus hatten ihn in die Klinik gebracht und er hatte dort den Menschen kennen gelernt, mit dem er seit sechs Jahren glücklich zusammen war. Und wären seine abnormalen Augen nicht gewesen, dann hätte er niemals seinen Bruder gefunden. Er hatte zwei Schüsse aus nächster Nähe überlebt und er hatte keine Folgeschäden davongetragen. Im Grunde genommen war er ein wahrer Glückspilz. Als das Lied wieder zu Ende war, sprang er zum nächsten Lied über und es begann nun „Life on Mars“ von David Bowie zu spielen. Er lächelte glückselig, nahm dann aber den Hörer aus seinem rechten Ohr, drehte sich zu Hunter und küsste ihn. „Ich kann es nicht glauben, dass du dich noch daran erinnerst, dass ich diesen Song von den Crashtest Dummies so geliebt habe. Den habe ich zuletzt in der Klinik gehört.“ „Ich dachte, deine Lieblingssongs entspannen dich ein wenig“, erklärte sein Freund und ein kleines angedeutetes Lächeln spielte sich auf seine Lippen. „Du kümmerst dich um mich, ich kümmere mich um dich.“ „Womit habe ich dich nur verdient?“ Damit gab Cypher ihm noch einen Kuss. „Es ist schon verrückt. Seit ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde und kurz darauf erfahren habe, dass Simon mein Bruder ist, fühle ich mich irgendwie… komisch. Es ist, als wäre ich auf Antidepressiva, denn ich kriege ständig diese Glücksschübe und habe das Gefühl, im Grunde genommen der glücklichste Mensch zu sein. Ich hätte echt sterben können, aber ich habe überlebt und fühle mich besser denn je. Schon verrückt.“ „Das merkt man“, stimmte Hunter nickend zu. „Deine Ausstrahlung zeigt das.“ „Ich hoffe, die Behandlung wird erfolgreich. Nicht meinetwegen, sondern damit auch Simon endlich wieder glücklich wird. Also lass uns hoffen, dass alles gut geht.“ Nachdem sie eine Weile im Wartezimmer gewartet hatten, kam endlich die Sprechstundenhilfe zu ihnen und brachte sie in einen kleinen Raum, in dessen Mitte ein Behandlungsstuhl stand, den Cypher noch von den Untersuchungen her kannte. Er nahm auf diesem Platz, während Hunter sich auf einen Stuhl in der Ecke setzte. Wenig später kam Dr. Dawson herein und grüßte sie beide. „Schön, dass es so frühzeitig für Sie geklappt hat. Und? Sind Sie schon aufgeregt, Mr. Grant?“ „Ziemlich“, gestand Cypher und lachte verlegen. „Aber hauptsächlich, weil ich Schiss vor Nadeln habe.“ „Keine Sorge“, beschwichtigte ihn der Augenarzt. „Die Nadel, die ich für die Behandlung der Hornhaut verwende, ist so fein, dass Sie wahrscheinlich gar nichts bemerken werden. Und es wird auch nicht lange dauern.“ Die Lehne wurde zurückgestellt sodass Cypher sich nun fast in einer senkrechten Position befand. Dr. Dawson begann nun, seine Augenlider zu fixieren, damit er die Augen nicht schließen konnte. Das war bei weitem der unangenehmste Teil, vor allem weil er nach kürzester Zeit ein unangenehmes Brennen verspürte, bis der Arzt seine Augen mit entsprechenden Tropfen versorgte und ihm Linderung verschaffte. Er atmete tief durch und schaffte es, die wieder aufkeimende Aufregung wieder auf ein Minimum zu reduzieren, während Dr. Dawson nun eine Lupenbrille aufsetzte, welche Hunter sonst nur aus der Chirurgie kannte. Seine Hände verkrallten sich in die Lehnen, trotzdem versuchte er möglichst entspannt zu bleiben. Die Sprechstundenhilfe gab ihm dieses Mal Augentropfen, während der Augenarzt seine Lupenbrille richtig justierte und die Injektion vorbereitete. Zwar versuchte Cypher möglichst wegzuschauen, doch als er sah, wie die Spritze immer näher an sein Auge kam, war ihm so, als würde sein Herz einen Schlag aussetzen und er hielt vor Angespanntheit den Atem an. Wieder überkam ihm die panische Angst vor der Nadel, doch er zwang sich mit aller Kraft, ruhig zu bleiben und die Prozedur über sich ergehen lassen. Es wird nicht wehtun, versuchte er sich einzureden. Verdammt noch mal du hast zwei Schüsse überlebt. Eine Nadel sollte da das geringste Problem sein. Tatsächlich spürte er ein ganz leichtes Pieken, aber es war bei weitem nicht so schlimm wie bei einer normalen Nadel. Es war unangenehm, aber bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet. „Sie haben es fast geschafft“, beruhigte ihn der Augenarzt und wechselte nun auf die andere Seite, um denselben Vorgang zu wiederholen. Und nachdem auch auf seinem anderen Auge das Mittel injiziert war, wurden ihm noch Augentropfen verabreicht. „In Ordnung, das war es. Ich gebe Ihnen noch ein Fläschchen für heute mit. Sie müssen alle sechs Stunden jeweils zwei Tropfen auf die Augen geben. Das schützt die Augen vor Reizungen. Dadurch, dass die Pupillen geweitet werden, kann es zu erheblichen Sehbeeinträchtigungen kommen. Kommen Sie morgen um neun Uhr noch mal in meine Praxis, dann können wir schauen, wie gut die Behandlung gewirkt hat und ob eventuell noch eine zweite erfolgen muss. Sollten unerwartet Beschwerden auftreten, zögern Sie nicht, mich anzurufen oder Sie kommen selbst vorbei. Für heute dürfen Sie keine schweren Maschinen mehr bedienen und auch kein Auto mehr fahren.“ „Und wie lange dauert es ungefähr, bis meine Augen nicht mehr so weiß sind?“ fragte Cypher ungeduldig und musste stark blinzeln, nachdem ihm die Klammern von den Augenlidern entfernt worden waren. Schon jetzt sah er alles völlig verschwommen und konnte kaum noch das Gesicht des Arztes erkennen. „Das dürfte zwischen zwei bis drei Tagen dauern“, kam es zur Antwort. „Je nachdem wie gut das Mittel anschlägt. Sie kommen morgen zur Kontrolle und wenn keine Reizungen aufgetreten sind, werden wir dann nächste Woche den nächsten Termin ansetzen. Wichtig ist: nehmen Sie die Augentropfen erst einmal für drei Tage. Überanstrengen Sie Ihre Augen nicht und vermeiden Sie direktes Licht für eine Weile. Sie müssen sich langsam an die verändernden Lichtverhältnisse gewöhnen. Deswegen empfehle ich Ihnen, bei starkem Sonnenlicht eine Sonnenbrille mit UV-Schutz zu tragen.“ Cypher erhob sich vom Stuhl und sah, wie alles um ihn herum vollständig verschwamm und er nicht einmal mehr Hunter sehen konnte. Er tastete sich ein wenig unbeholfen voran, bis sich ein Arm um ihn legte und ihn sicher festhielt. „Vielen Dank, Doc. Es wird ein bisschen schwierig werden, aber ich denke mal, wir kriegen das beide hin. Nicht wahr, Hunter?“ „Ja“, antwortete der Bildhauer kurz und knapp und brachte ihn nach draußen. Es gestaltete sich für Cypher extrem schwierig, sich zurechtzufinden und die Stufen unbeschadet hinabzusteigen. Doch er ging es ganz langsam an und vertraute auf Hunters Hilfe. Eines stand definitiv fest: es würde die nächsten Tage nur Essen vom Lieferservice geben, bis er endlich die Augentropfen absetzen und wieder normal sehen konnte. Aber diese vorübergehende Einschränkung war es ihm alle Male wert, wenn die Behandlung dafür auch erfolgreich war. Nachdem sie in den Wagen gestiegen waren und sich auf den Weg nach Hause machten, lehnte sich Cypher mit einem glücklichen Lächeln zurück und schloss die Augen. „Ich kann es nicht glauben, dass es gerade tatsächlich passiert ist. Das ging ja schneller und einfacher als ich gedacht hatte.“ „Habe ich dir ja gesagt“, meinte Hunter. „Und wenn wir deine Augenfarbe wissen, können wir Azarias noch mal anrufen.“ „Ach ja stimmt“, fiel es Cypher wieder ein. „Dann wissen wir ja auch endlich, wer meine und Simons Eltern sind. Mensch, das alles passiert jetzt irgendwie so schnell. Es fühlt sich immer noch wie ein verrückter Traum an. Und stell dir mal vor, unsere Eltern stammen tatsächlich aus Annatown so wie deine. Das wäre wirklich eine verdammte Ironie.“ Am Tag nach dem unglücklichen Nervenzusammenbruch hatte Simon ununterbrochen geschlafen und weder Anthony noch Leron hatten ihn aufgeweckt. Sie hatten es beide für besser erachtet, ihm seinen Schlaf zu lassen. Zwar hatte der Unternehmer heute früher Feierabend als sonst, weil das Meeting sich nicht allzu sehr in die Länge gezogen hatte, aber anstatt zur Villa zu fahren, hatte er ein ganz anderes Ziel. Er war in eine etwas abgelegene und ruhige Gegend abseits der City, wo es eher kleinere Geschäfte gab. Nachdem der Wagen das Ziel erreicht hatte, stieg Leron aus und ging zu der Privatdetektei, die er vor einiger Zeit engagiert hatte. Ein knapp 48-jähriger Mann mit Geheimratsecken und dunkelblondem Haar und einem frisch gebügelten weißen Hemd grüßte ihn mit einem kräftigen Händedruck und bat ihn zu sich ins Büro. Der Privatdetektiv Joseph Benson war ein ehemaliger FBI Agent, bis er den Dienst quittiert und sich als Privatdetektiv selbstständig gemacht hatte. Er galt als sehr erfolgreich und hatte eine Reihe von Kontakten, was auch der Grund war, warum Leron ihn engagiert hatte. Das Büro, in welchem Mr. Benson arbeitete, wenn er nicht unterwegs war, war voller Aktenschränke und ein wenig unaufgeräumt. Es roch nach Nikotin und es war auch ein wenig dunkel, da es nur ein kleines Fenster gab und die Deckenlampe bei weitem nicht hell genug war, um den ganzen Raum auszuleuchten. Der Privatdetektiv nahm auf seinem Bürostuhl Platz während Leron sich gegenüber von ihm auf einem der beiden Lederstühle setzte. „Also, Sie sagten mir heute Morgen, dass Sie Neuigkeiten für mich haben“, begann Leron die Konversation. „Haben Sie schon etwas herausgefunden?“ „Oh ja, das habe ich“, bestätigte Mr. Benson und begann seinen Aktenstapel zu durchforsten. „Es war zugegebenermaßen nicht gerade einfach, nach Anhaltspunkten zu suchen. Aber ein alter Freund arbeitet bei der Forensik und war so freundlich, die DNA Ihres Freundes mit der Datenbank des FBIs zu prüfen. Das hat zwar etwas gedauert, aber wir haben eine Übereinstimmung gefunden.“ Damit holte er eine Akte hervor und schob sie zu Leron herüber. Dieser öffnete sie und fand eine alte FBI-Akte. Das Bild zeigte einen dunkelhaarigen hageren Mann mit trüben grauen Augen, Dreitagebart und einem alles andere als sympathischen Blick. Er hatte eine krumme Nase als wäre sie ihm in der Vergangenheit schon einmal gebrochen worden und ein hässliches Muttermal zierte sein Kinn. Leron sah sofort, dass es ein polizeiliches Foto war und der Name des Mannes war Alan Henderson. „Laut Ergebnis der DNA-Analyse ist dies der biologische Vater“, erklärte der Privatdetektiv. „Alan Henderson sitzt seit knapp 21 Jahren wegen Missbrauch von Minderjährigen, Drogenmissbrauch, schwerer Körperverletzung und versuchten Mordes und einiger anderer Delikte im Gefängnis. Er betrieb damals eine Agentur für aufstrebende Talente. Models, Sänger, Schauspieler, was auch immer der Traum eines Teenagers war. Allerdings hat er sich weniger auf seine Arbeit als Manager fokussiert, sondern hat seine Macht und seinen Einfluss ausgenutzt, um seine Schützlinge unter Drogen zu setzen und sie dann zu missbrauchen. Manchmal hat er auch private Partys veranstaltet. Offiziell hieß es, dass er die Mädchen vermitteln und ihnen mehr Chancen ermöglichen wollte. Aber in Wahrheit hat er die Mädchen zur Prostitution genötigt.“ Fassungslos schüttelte Leron den Kopf und schaute wieder auf das Foto. Er hatte zwar mit einigem gerechnet, aber definitiv nicht mit so etwas. „Und was ist dann passiert? Irgendwie muss das doch ans Tageslicht gekommen sein.“ „Er hat ziemlich gute Arbeit geleistet, seine Machenschaften zu verschleiern und die Mädchen hatte er entweder erpresst oder manipuliert, sodass keine von ihnen auch nur ein Wort gesagt hat. Aber eine von ihnen hat den Spieß umgedreht und ihn erpresst, mit dieser Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen und ihn zu ruinieren. Da ist er unvorsichtig geworden und hat das Mädchen auf offener Straße überfahren.“ „Dann ist die Mutter eventuell eines der Mädchen, die bei ihm unter Vertrag waren?“ schlussfolgerte Leron, doch Mr. Benson zuckte etwas unsicher mit den Schultern und antwortete „Es besteht die Möglichkeit. Das Problem ist, dass die Mädchen allesamt noch minderjährig waren und es deshalb erheblich schwieriger ist, die Mutter ausfindig zu machen. Minderjährige werden beim FBI und jeder anderer Dienstbehörde mit besonderer Diskretion behandelt, um sie zu schützen. Ich kann mich weiter umhören, aber der einfachste Weg ist, Henderson einen Besuch abzustatten und ihn zu fragen. Vermutlich kann er sagen, welche der Mädchen damals schwanger waren.“ Leron atmete geräuschvoll aus und musste seine Gedanken sortieren. Er hatte ja eigentlich gehofft gehabt, zumindest eine gute Nachricht für Simon zu haben und ihn zumindest ein bisschen aufmuntern zu können. Aber das konnte er jetzt natürlich vergessen. Wenn Simon erfuhr, dass sein biologischer Vater ein Krimineller war, der sich an minderjährigen Mädchen verging und eine von ihnen überfahren hatte, um sie mundtot zu machen, würde das seinen Zustand noch weiter verschlimmern. Nein, es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um ihm davon zu erzählen. Innerlich ärgerte er sich, doch er versuchte, trotzdem ruhig zu bleiben. Was hatte er denn erwartet, als er auf den Trichter kam, einen Privatdetektiv zu engagieren, um Simons Eltern zu finden? Er hätte eigentlich damit rechnen können, dass auch so etwas herauskam. Nämlich, dass Simon und Cypher unter sehr unglücklichen Umständen gezeugt worden waren. Und nun war ihre Mutter wahrscheinlich eine von den armen Mädchen, die dieser Drecksack damals zum Sex gezwungen hatte, nachdem er sie unter Drogen gesetzt hatte. Und der einzige Weg, Simons Mutter zu finden war anscheinend, die ganzen Mädchen zu finden, sie zu fragen ob sie damals geschwängert wurden und die Kinder abgegeben hatte. Na das konnte noch heiter werden. „Ich hatte ehrlich gesagt mit erfreulicheren Nachrichten gehofft“, gab er zu. „Dann hätte ich Simon wenigstens noch mehr Kummer ersparen können.“ „So etwas ist leider oft der Fall, wenn Kinder zur Adoption freigegeben werden“, erklärte der Privatdetektiv. „In den allermeisten Fällen sind Drogen, Alkohol, Teenagerschwangerschaft, strenges Elternhaus, Vergewaltigung und andere traurigen Geschichten im Spiel. Wenn die Welt in Ordnung wäre, gäbe es keinen Grund, die eigenen Kinder zur Adoption freizugeben. Ich bleibe auf jeden Fall dran und werde Henderson im Gefängnis besuchen, um ihn nach den Mädchen zu fragen, mit denen er damals geschlafen hatte. Mit etwas Glück existieren noch irgendwo Informationen über sie und es gelingt mir über diesen Weg, die Mutter ausfindig zu machen. Ich werde auch noch mal meinen alten Freund beim FBI fragen, ob es noch irgendwo die Dokumente der Agentur gibt. Wenn damals gegen Hendersons Agentur ermittelt wurde, dann wurden diese beschlagnahmt und müssten sich vermutlich noch im Archiv befinden. Es wird etwas Zeit erfordern, aber es wird definitiv machbar sein. Ich gebe Ihnen auch noch die Adresse des Gefängnisses mit, falls Ihr Freund seinen biologischen Vater kennen lernen möchte.“ Damit reichte Mr. Benson ihm einen Notizzettel mit der vollständigen Adresse und der Telefonnummer des Gefängnisses, in welchem Alan Henderson inhaftiert war. Nachdem noch ein paar Dinge besprochen worden waren, verabschiedete sich Leron und verließ die Detektei. Doch er stieg nicht direkt in die Limousine ein, sondern blieb draußen stehen, um seine Gedanken zu sortieren. Denn er fühlte sich in diesem Moment überfordert. Er wusste einfach nicht, was er nun tun sollte. Auf der einen Seite wollte er keine Geheimnisse vor Simon haben und damit einen weiteren Streit riskieren. Obwohl Simon gestern einfach nur überreagiert hatte, weil er momentan extrem sensibel und verletzlich war, konnte er sich gut vorstellen, dass ein neuer Streit bald folgen würde, wenn der Junge dahinter kam, dass er Geheimnisse hatte. Aber auf der anderen Seite glaubte er kaum, dass er ihm zumuten konnte, ihm so etwas zu erzählen. Auch wenn er aus guten Motiven gehandelt hatte, so hatte er sich unweigerlich in eine extrem problematische Situation hineinmanövriert und wusste nicht, was nun die richtige Entscheidung war. Wahrscheinlich gab es nicht mal eine richtige, sondern er konnte nur zwischen dem größeren und dem kleineren Übel wählen. In dem Fall war die vernünftigere Entscheidung, dies erst einmal vor Simon zu verschweigen und abzuwarten, bis es ihm wieder etwas besser ging. Blieb nur zu hoffen, dass der Junge nichts merkte. Ansonsten würde es noch sehr böse enden. Schließlich holte er sein Handy heraus und rief Cypher an. Es dauerte eine Weile, bis dieser endlich ranging. „Cypher Grant, wer spricht da?“ „Ich bin’s, Leron“, antwortete der Unternehmer. „Wie ist denn die Behandlung verlaufen?“ „Überraschend schnell und schmerzlos“, antwortete der Künstler gut gelaunt. „Ich bin zwar wegen der Augentropfen blind wie ein Maulwurf, aber das wird schon werden. Der Doc meinte, dass es ein paar Tage dauert, bis sich meine Augen vollständig normalisiert haben, aber ich hoffe natürlich, dass es schneller geht, hehehe. Und wieso rufst du an? Wolltest du dich nur vergewissern, dass alles bei mir in Ordnung ist, oder liegt dir etwas auf dem Herzen?“ Es dauerte ein wenig, bis Leron sich dazu bringen konnte, ihm von seinem Besuch bei dem Privatdetektiv zu erzählen und was er von ihm erfahren hatte. Nachdem er Cypher geschildert hatte, was Mr. Benson ihm erzählt hatte, herrschte Stille und er hörte, wie der Künstler am anderen Ende der Leitung geräuschvoll ausatmete. „Verdammte Hacke“, murmelte Cypher leise und klang ziemlich geschockt. „Das ist wirklich eine üble Geschichte. Ehrlich gesagt hatte ich mich schon auf das Schlimmste vorbereitet. Und nun? Willst du es Simon sagen?“ „Das ist es ja“, antwortete Leron. „Ich weiß es nicht. Ich will ihm die Wahrheit nicht vorenthalten, aber sagen kann ich es ihm auch nicht. Das würde er unmöglich verkraften in seiner jetzigen Verfassung. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was die richtige Entscheidung ist und da wollte ich dich nach deiner Meinung fragen. Es betrifft dich ja auch und du hast deine eigene Meinung zu dieser Sache.“ Eine Weile lang herrschte Stille und Cypher dachte angestrengt nach. „Also das ist jetzt natürlich eine ziemlich schwierige Situation. Natürlich ist Simon momentan ziemlich angeschlagen, aber wenn du ihm das verschweigst, wird seine Reaktion noch schlimmer sein. Du musst ihm ja nicht direkt sagen, dass unser Dad ein Schwerkrimineller ist, der ein Mädchen überfahren hat und andere minderjährige Mädchen sexuell missbraucht hat. Bringe es ihm lieber schonend bei. Wenn ich wieder sehen kann, wäre ich dir dankbar, wenn du mir die Adresse geben könntest. Auch wenn mein biologischer Vater solch kranke Dinge getan hat, will ich ihn trotzdem persönlich treffen. “ „Klar… kein Problem…“, murmelte Leron und legte auf. Nein… er konnte es unmöglich tun. Er konnte Simon nicht noch mehr Kummer bereiten. Es hatte schon gereicht, dass der Junge gestern einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, nur weil er seine Bedenken zur Behandlung geäußert hatte. Wenn er ihm auch noch erzählte, was für ein Mensch sein biologischer Vater war, würde der nächste Nervenzusammenbruch garantiert folgen. Egal was auch passierte, er durfte nicht zulassen, dass sich Simons Zustand noch weiter verschlimmerte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)