The Petboy Contract von Sky- ================================================================================ Kapitel 47: Ein unfairer Streit ------------------------------- Nachdem Simon in Ezras Zimmer kollabiert war, hatten die Mönche einen Krankenwagen gerufen und Simon war nach knapp zwei Stunden Ohnmacht im Krankenhaus aufgewacht. Da er Leron nicht zur Last fallen und ihn ebenso wenig beunruhigen wollte, hatte er kurzerhand seinen Bruder angerufen und ihn gebeten, zum Krankenhaus zu kommen. Dieser übernahm auch das Gespräch mit dem Arzt, der darauf bestand, Simon zur Beobachtung dazubehalten, da sein Puls schwach sei und diese Kreislaufschwäche beunruhigend sei. Doch Simon weigerte sich hartnäckig, dazubleiben und entließ sich kurzerhand selbst. Diese Entscheidung rächte sich schneller als ihm lieb war, denn noch am selben Abend litt er unter heftigem Schüttelfrost, dem ein sehr hohes Fieber folgte. Da sein Zustand sich rapide verschlechterte, blieb Cypher über Nacht bei ihm, während Leron immer noch geschäftlich unterwegs war. Natürlich versuchte Simon mit allerhand Medikamenten, schnell wieder gesund zu werden, bevor Leron wieder nach Hause zurückkehrte, aber das klappte nur bedingt. Als der Unternehmer wieder nach Hause zurückkehrte, war er mehr als geschockt, Simon in diesem Zustand zu sehen und machte sich schwere Vorwürfe, dass er nicht für ihn da gewesen war. Cypher hingegen hatte seine eigene Methode, mit der Situation umzugehen. Während er sein Bestes tat, um den von Schuldgefühlen geplagten Leron wieder aufzubauen, setzte er vor allem auf übliche Hausmittel und Rezepte, um seinen kleinen Bruder wieder gesund zu bekommen. Er kochte Ingwertee und Hühnersuppe für den Kranken und als das Fieber auf 40,6°C stieg, setzte er kalte Wadenwickel ein, um die Temperatur zu senken. Leron seinerseits versuchte, frühzeitiger Feierabend zu machen um mehr für Simon da zu sein und sich um ihn zu kümmern. Es brach ihm das Herz, Simon zitternd und totenbleich im Bett liegen zu sehen, während seine Stirn von kalten Schweißperlen glänzte. Das Erschreckendste aber war, dass er noch kälter zu sein schien als sonst. Obwohl seine Stirn von Fieber glühte, war es so, als würde ein eiskalter Hauch von ihm ausgehen. Es war absolut verrückt und Leron verstand auch nicht, warum Simon auf der einen Seite glühendes Fieber hatte und auf der anderen Seite so kalt wie Eis wirkte. Und anscheinend schien es niemand außer ihm zu bemerken. Wenn er Cypher oder Anthony darauf ansprach, schienen sie nichts zu bemerken und natürlich begann er sich zu fragen, ob er sich das nur einbildete oder es wirklich passierte. Er rief daraufhin noch einmal Dr. Morris an und wollte die Testergebnisse wissen, doch dieser hatte auch keine hilfreichen Informationen für ihn. Simon hatte weder eine Schilddrüsenunterfunktion, noch irgendwelche Mangelerscheinungen. Da Leron sich damit nicht zufrieden gab, ließ er seinen Hausarzt persönlich vorbeikommen, damit dieser Simon untersuchte. Aber selbst nachdem Dr. Morris ihn persönlich untersucht hatte, konnte er nicht viel sagen außer, dass der Kranke ein viel zu schwaches Immunsystem habe und er nicht genau sagen konnte, woran es lag. Also verschrieb er fiebersenkende Medikamente und verordnete strenge Bettruhe. Die ganze Situation war äußerst frustrierend für den Unternehmer, insbesondere weil er genau sah, dass es Simon immer schlechter zu gehen schien und sein Hausarzt nicht wirklich sagen konnte, warum das so war. Alles was dieser Kittelträger von sich gab, waren nur Vermutungen. Er vermutete sogar eine genetisch bedingte Immunschwäche, die eventuell mit seiner Augenanomalie in Verbindung stand, doch das hielt selbst Leron als Laie für unwahrscheinlich, weil Cypher nicht die geringsten Anzeichen von solchen Problemen zeigte. Tatsächlich behauptete dieser sogar, nur einmal in seinem Leben wirklich schwer krank gewesen zu sein. Nämlich zu der Zeit, als er schwer depressiv und alkoholabhängig gewesen war. Es dauerte knapp zwei Wochen, bis sich Simon wieder erholt hatte, aber er wirkte immer noch angeschlagen. Und Leron beschlich das ungute Gefühl, als würde es auch nicht mehr besser werden. Als wäre das nicht schon genug, kam plötzlich ein Anruf vom Augenarzt Dr. Dawson, der Leron über die Fertigstellung der Medikation für die Behandlung informieren wollte und fragte, wann Simon denn mit der Behandlung beginnen wollte. Das stellte Leron natürlich vor eine schwierige Frage. Konnte er seinem Petboy wirklich zumuten, die Behandlung durchzuziehen, obwohl er gesundheitlich angeschlagen war? Auf der einen Seite hatte Simon sich normale Augen schon sein ganzes Leben lang gewünscht und er wusste, wie sehr er diese Behandlung herbeisehnte. Aber auf der anderen Seite hatte er Angst, dass er es gesundheitlich nicht packen könnte. Das erste Mal seit langem war Leron vollkommen ratlos was er tun sollte und als Cypher und Hunter zu Besuch kamen, nutzte er die Gelegenheit, um eine kleine Gesprächsrunde zu halten. Cypher wirkte wie das blühende Leben und schien nicht die geringsten Beschwerden von seinen Verletzungen zu haben. Simon hingegen wirkte noch sehr müde und erschöpft. Er wirkte niedergeschlagen, auch wenn Leron nicht mal sagen konnte weswegen. Nachdem Anthony Getränke serviert hatte, kam Leron gleich zum Punkt. „Ich habe einen Anruf von Dr. Dawson erhalten. Er hat mich informiert, dass die Augenbehandlung nun durchgeführt werden kann.“ Nun begann sich plötzlich etwas in Simon zu regen. Obwohl er immer noch kränklich und müde wirkte, wurden seine Augen groß und das Leben kehrte wieder ein Stück weit in ihn zurück. Er und Cypher strahlten übers ganze Gesicht und konnten die gute Nachricht noch nicht fassen. „Wirklich? Wir können uns jetzt endlich behandeln lassen?“ Der Unternehmer nickte, versuchte aber sachlich zu bleiben. „Ich mache mir aber Sorgen, dass das dich körperlich noch zusätzlich belasten könnte, Simon. Immerhin warst du lange krank und du siehst immer noch nicht danach aus, als könnte ich dir das wirklich zumuten. Ich mache mir ernsthaft Sorgen.“ „Aber darauf warte ich schon mein ganzes Leben!“ protestierte Simon und schlug mit der Hand auf den Tisch. „Und ich lasse nur meine Augen behandeln. Ich kriege das hin!“ „Ich weiß, wie sehr du das willst und welche Opfer du dafür auf dich genommen hast“, lenkte der Unternehmer sofort ein. „Aber ich würde gerne abwarten, bis es dir wieder besser geht. Was nützt es dir, wenn die Behandlung ein Erfolg ist, dir es aber körperlich noch schlechter gehen wird als ohnehin schon? Seit du ins Krankenhaus eingeliefert wurdest, geht es dir zusehends schlechter und ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich.“ „Das ist nicht fair!“ rief Simon, der nun drauf und dran war, die Beherrschung zu verlieren und Leron etwas an den Kopf zu werfen, was er später bereuen konnte. Doch bevor das passieren konnte, ging plötzlich Cypher dazwischen, um die Situation zu deeskalieren. „Hey, kein Grund gleich die Krallen auszufahren. Ich finde, Leron hat nicht ganz Unrecht. Und deswegen bin ich doch auch von der Partie. Schon vergessen? Ich bin hier das Testsubjekt für dieses Unterfangen. Auch wenn das Mittel vielleicht schon mal getestet wurde, liegen mit Sicherheit noch keine Infos zu den Nebenwirkungen vor. Und deswegen hat Dr. Dawson mich ins Boot geholt, damit er das Mittel zuerst an mir testet um eventuell noch Anpassungen zu machen, damit es bei Simon weniger Nebenwirkungen gibt. Also warum machen wir nicht einfach erst mal den ersten Schritt und ich zieh es als Erster durch? Dann sehen wir ja, ob und wie starke Nebenwirkungen es hat.“ „Ja aber du bist gesund und fit“, gab nun Hunter zu bedenken, der ähnlich wie Leron sehr skeptisch war, ob Simon es körperlich überhaupt verpacken konnte. Doch so schnell ließ sich der Künstler nicht umstimmen und er schien ziemlich selbstsicher zu sein. „Eben darum! Wenn ein gesunder Mensch unter starken Nebenwirkungen zu leiden hat, können wir direkt ausschließen, dass Simon es schaffen wird. Wenn ich es ohne Probleme schaffe, bedeutet es, dass es für einen Kranken eine wesentlich geringere Belastung darstellt.“ Dieses Argument schien zumindest Simon zufriedenzustellen. Hunter und Leron blieben weiterhin skeptisch aber sie sagten nichts mehr dazu. Schließlich wandte sich Cypher an seinen jüngeren Bruder und zwinkerte ihm zu. „Sieh es als kleine Motivation an. Freu dich auf die Behandlung, vielleicht wird es dir ja dann besser gehen. Es heißt ja nicht umsonst, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt. Und wenn du dich nicht mehr so runterziehst und stattdessen das Positive siehst, wird es dir vielleicht etwas besser gehen. Alles wird gut werden, du musst nur daran glauben.“ Simon nickte stumm, senkte dann aber den Blick und Tränen sammelten sich in seinen Augen. „Ich würde mich gerne freuen“, gab er zu, wirkte aber eher danach, als wäre jemand gestorben. „Aber irgendwie kann ich nicht so wirklich glauben, dass das wirklich passiert.“ „Das legt sich schon“, versicherte Cypher und winkte ab. „Klar klingt es noch, als liegt die Behandlung in weiter Ferne, aber du wirst schon sehen: ehe du dich versiehst, hast du endlich normale Augen und gleich ein anderes Selbstbewusstsein. Und dann wird es dir auch wesentlich besser gehen. Ich rufe gleich mal beim Doc durch und mache den Termin aus. Je eher wir das durchziehen, desto schneller haben wir auch das Resultat, ob die gleiche Behandlung auch bei Simon wirkt.“ Damit war die Situation fürs erste geklärt und Cypher holte auch direkt sein Handy raus und rief Dr. Dawson an, um einen Termin für die Behandlung auszumachen. Er hatte Glück, denn er konnte tatsächlich schon am nächsten Tag kommen. Aber dann merkte der Augenarzt noch an, dass Cypher nach der Behandlung eine Fahrgelegenheit brauchen würde, da sein Sehvermögen durch die Augentropfen stark beeinträchtigt werden würde. Zum Glück war das kein Problem, da er ja Hunter hatte, der ihn abholen konnte. Nun sollten eigentlich alle zufrieden sein, doch Simon stand plötzlich wortlos auf und ging. Die drei sahen ihm ein wenig ratlos nach und Cypher wandte sich an Leron. „Was ist eigentlich mit Simon los? Irgendwie wirkt er noch schlechter gelaunt und niedergeschlagener als sonst. Ist irgendetwas passiert?“ „Ich weiß es auch nicht“, seufzte der Unternehmer und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Seit dem Vorfall mit Michael geht es ihm schon schlecht. Zuerst dachte ich, es läge nur an dem Trauma, aber es scheint ihm auch körperlich immer schlechter zu gehen. Und der Arzt hat auch nichts finden können. Davor war er eigensinnig, aber auch emotional sehr stark und stabil gewesen. Aber jetzt habe ich ehrlich gesagt Angst, dass die kleinste Kleinigkeit bei ihm einen Nervenzusammenbruch verursachen könnte. Es ist, als hätte er sich um 180° gedreht.“ „Ja, Ezra hat auch schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt“, stimmte der Künstler zu. „Ezra kann aufgrund seines Geruchssinns allein schon am Geruch feststellen ob jemand krank ist. Aber er wusste auch nicht, was genau nicht stimmte. Und als Simon urplötzlich zusammengebrochen ist und stundenlang ohnmächtig war, hatte er einen ziemlich heftigen Schreck gekriegt.“ „Was mich am meisten verwirrt ist die Tatsache, dass Simon sich kalt anfühlt“, merkte Leron an und ahnte bereits, dass wieder Unverständnis und Verwirrung folgen würde. „Ich weiß nicht, ob ich mir das nur einbilde, aber allein wenn ich in Simons Nähe bin, fühlt es sich an, als würde er irgendetwas Kaltes ausstrahlen. Das war besonders schlimm, als er hohes Fieber hatte. Ich hatte darauf bestanden, dass er im Krankenhaus bleibt, damit man wenigstens die Ursache klären kann, warum es ihm gesundheitlich immer schlechter geht. Aber… Simon weigert sich vehement und glaubt immer noch, es würde ihm bald wieder besser gehen, wenn er ein wenig Bettruhe hatte. Und wenn ich ihm helfen will, fühlt er sich sofort angegriffen und reagiert vollkommen abweisend. Ehrlich gesagt verstehe ich ihn einfach nicht mehr.“ „Du bildest dir das nicht ein“, meinte Hunter schließlich, sah Leron aber nicht an. „Er ist kalt.“ Stirnrunzelnd sah Cypher abwechselnd zu Leron und Hunter und verstand als Einziger nicht, wovon hier genau die Rede war. Und auch der Unternehmer war verwundert, jedoch aus einem ganz anderen Grund. „Du hast es auch gemerkt?“ „Ja. Aber ich weiß auch nicht warum er kalt ist. Und anscheinend spüren nur wir beide es… Oder nur Mitglieder der Cohan-Familie.“ „Was willst du damit sagen?“ wollte der 31-jährige wissen und wurde sichtlich angespannter. Ihn beschlich das Gefühl, als wüsste Hunter etwas, das er bis jetzt für sich behalten hatte. Und natürlich wollte er alles wissen, wenn es ihm dann auch half zu verstehen, was mit Simon los war. Doch Hunter schwieg und schien Schwierigkeiten zu haben, die richtigen Worte zu finden. Zudem war er es auch nicht gewohnt, so viel zu sprechen. Es dauerte eine Weile, bis er endlich wieder zu reden begann. „Ich habe letztens mit einem Bekannten telefoniert. Er wohnt in Annatown. Von ihm weiß ich, dass es in dieser Stadt ein besonderes Phänomen gibt. Nämlich eines, das die Augenfarbe betrifft. Ich habe ihn gefragt, ob er uns sagen kann, wer Cyphers und Simons Eltern sind. Aber solange er die Augenfarbe nicht kennt, konnte er nichts sagen. Vermutlich hängt Simons Zustand damit zusammen.“ „Das ist doch lächerlich!“ wandte Leron ein und schüttelte den Kopf. „Dr. Morris hat gesagt, dass die Augenanomalie nichts mit seinem jetzigen Gesundheitszustand zu tun hat.“ „Das sagst du, obwohl du den Cohans angehörst!“ konterte Hunter und sah ihn mit einem finsteren Blick an. Seine goldgelben Augen funkelten dämonisch. „Unsere Familie besitzt eine besondere Augenfarbe und besteht aus Verrückten und Mördern. Warum sollte ein ähnliches Phänomen nicht auch bei Cypher und Simon vorliegen?“ Zuerst wollte Leron widersprechen, da er es für äußerst unwahrscheinlich hielt, dass jemand den weiten Weg aus Ohio nach New York kam und dort Kinder zur Welt brachte, die dann einfach ausgesetzt wurden. Aber andererseits war es ja bei ihm genau dasselbe. Seine Mutter war damals auch aus Annatown hierhergekommen. Darum war es also gar nicht mal so unwahrscheinlich. Und wenn sie beide ohnehin schon so weit gekommen waren, konnte er sie auch in seinen geheimen Plan einweihen. „Ich habe vor einiger Zeit einen Privatdetektiv engagiert, um Simons Eltern zu finden. Ich habe ihm bisher noch nichts gesagt, weil er mit emotionalem Stress zurzeit nicht umgehen kann. Wenn es stimmt und eure Eltern wirklich aus Annatown stammen, könnte besagter Privatdetektiv sie eventuell ausfindig machen.“ Doch dieses Mal war es Cypher, der seine Bedenken hatte. „Klar könnte man es versuchen. Aber es hinter Simons Rücken zu machen, ist auch nicht richtig. Klar verstehe ich deine Bedenken, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht was jetzt das kleinere Übel ist: ihm die Wahrheit zu sagen, oder ihm dieses Detail zu verschweigen und riskieren, dass er es selbst herausfindet und glaubt, du würdest ihm in den Rücken fallen. Nichts Persönliches gegen dich, aber das ist nicht gerade das beste Timing, das du dir ausgesucht hast. Wenn du Simon darüber erzählst, wird ihn das natürlich mental stressen. Aber wenn du es ihm verschweigst, wird er es früher oder später herausfinden. Und das wird nicht besser enden. Vielleicht ist es auch nur eine verrückte Theorie, aber womöglich ist es ja gerade der mentale Stress, der ihn so krank macht. Ich hoffe ehrlich, dass die Augenbehandlung ihn endlich aus seiner depressiven Phase herausholt und es ihm dann wieder etwas besser geht. Wenn ich so zurückdenke… Als er Ezra besucht hat, hat sich dieser wieder ziemlich mit den Kuttenbrüdern gestritten und hatte wohl auch mit Simon über sein Problem gesprochen. Es ist nur ein Gedanke, aber vielleicht wird es ihm besser gehen, wenn er sich auch psychisch besser fühlt. Naja, vielleicht solltest du erst mal mit ihm reden. So wie er rausgestapft ist, scheint seine Stimmung ziemlich im Keller zu sein. Vielleicht kannst du ihn ja irgendwie aufmuntern.“ Simon hatte, nachdem er die Gesprächsrunde abrupt verlassen hatte, sich in sein Zimmer zurückgezogen. Er lag im Bett und hatte sich an sein Seitenschläferkissen geklammert. In ihm tobte ein extremes Gefühlschaos und er hatte es einfach nicht mehr aushalten können. Selten war er so wütend und enttäuscht von Leron gewesen. Zwar wusste er selbst, dass er körperlich nicht wirklich fit war, aber dass dieser verhindern wollte, dass er die Behandlung machen ließ, war einfach zu viel für ihn gewesen. Er hatte Leron vertraut und dieser wusste auch, wie sehr er sich normale Augen gewünscht hatte, damit er sich endlich normal fühlen konnte. Und nun versuchte Leron ihm genau diesen Traum zu zerstören. Und warum? Darüber konnte Simon zwar nur spekulieren, aber höchstwahrscheinlich hatte es wieder mit Lerons Krankheit zu tun. Immerhin war dieser ja auch ziemlich misstrauisch gegenüber Cypher gewesen und hatte nicht gewollt, dass er sich mit ihm traf. Oder es war noch viel schlimmer: Leron vertraute ihm immer noch nicht und wollte ihn von der Behandlung abhalten, damit sein Petboy für immer bei ihm blieb und von ihm abhängig war. Eines von beidem war es garantiert und das war es, was ihn so sehr verletzte: die Tatsache, dass Leron ihn aus eigenen selbstsüchtigen Gründen davon abhalten wollte, sich seinen Traum zu erfüllen. Und dabei hatte er wirklich gedacht, er könnte ihm vertrauen, aber letzten Endes war er wie immer nur enttäuscht worden. Warum nur musste sich die ganze Welt auch gegen ihn verschwören? War es nicht schon schlimm genug, dass er von einem sadistischen Psychopathen zwei Mal vergewaltigt und fast umgebracht wurde? Konnte dieser ganze Mist nicht endlich mal aufhören? Egal was auch passierte, es schien immer mehr und mehr Schlechtes dazuzukommen und er war einfach nur erschöpft und wollte seine Ruhe haben. Irgendwann waren ihm die Augen zugefallen und er hatte lange Zeit einfach nur im Bett gelegen, ohne wirklich einzuschlafen, bis er hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Als er die Augen wieder aufmachte, sah er, dass es Leron war und setzte sich sofort auf, wobei er ihm klar sagte „Ich will nicht mit dir reden, Leron! Also geh bitte!“ Der Unternehmer blieb stehen und seine nussbraunen Augen starrten ihn fast schon schockiert an. Es war erst das zweite Mal, dass Simon ihn in solch einem Ton angesprochen hatte. Und das letzte Mal war gewesen, als er erfahren hatte, dass sein Vergewaltiger Lerons Bruder war. Doch Simon war es vollkommen egal. Er war einfach nur wütend und verletzt, aber vor allem war er enttäuscht. „Simon, ich glaube, du hast da etwas missverstanden.“ „Was soll ich denn missverstanden haben?“ schrie der 21-jährige und seine ganze Wut entlud sich in diesem Moment. Er konnte nicht mehr klar denken, geschweige denn seine eigenen Gefühle unter Kontrolle halten. Tränen sammelten sich in seinen Augen und er wollte nicht mehr alles so stillschweigend hinnehmen wie sonst. Nein, dieses Mal würde er Leron in die Schranken weisen und ihm klar machen, dass er sich nicht verarschen ließ. „Du weißt, wie viel mir die Behandlung bedeutet und was ich jahrelang getan habe, um mir diesen Traum zu erfüllen. Und jetzt kommst du an, brichst dein Versprechen und willst mir die Behandlung ausreden. Glaubst du etwa, ich bin blöd?“ Simon stand auf und ging auf Leron zu. Dieser blieb im Türrahmen stehen und wirkte sehr unglücklich und zutiefst verletzt, aber Simon sah auch Schuldgefühle in seinem Blick und das machte ihn nur noch wütender. Er ließ ihn nicht einmal zu Wort kommen, sondern machte einfach weiter. „Hast du etwa geglaubt, du kannst mich mit deinen leeren Versprechen ruhig stellen, damit ich nach deiner Pfeife tanze und dir deine sexuellen Fantasien erfülle, weil man so etwas mit einem mittellosen Stricher wie mir machen kann? Hast du etwa wirklich geglaubt, ich würde nur mit dir zusammen sein, weil ich auf dein Geld scharf bin und nur die Behandlung will? Oder gehört es zu deinem Fetisch dazu, mich zu verarschen und mich von dir abhängig zu machen? Bin ich etwa nur ein verdammtes Sexspielzeug für…“ „JETZT PASS MAL AUF!!!“ unterbrach Leron ihn und wurde ebenfalls laut. Nachdem er den ersten Schock verdaut hatte, übermannte ihn die Wut über Simons unfaire Anschuldigungen. „Denkst du eigentlich mal für eine Sekunde darüber nach, was du da von dir gibst? Du müsstest inzwischen wissen, dass ich dich niemals derart hintergehen und dich so schamlos ausnutzen würde. Ich habe dich niemals zu irgendetwas gezwungen, was du nicht wolltest und du weißt genauso gut wie ich, warum ich nicht immer einfach bin. Ich habe mich in Behandlung gegeben und nehme die Medikamente, weil ich dir ein guter Partner sein will und weil du der wichtigste Mensch in meinem Leben bist. Und ich habe niemals gesagt gehabt, dass ich nicht will, dass du dich behandeln lässt. Wenn ich das nicht gewollt hätte, dann hätte ich sie dir wohl kaum bezahlt.“ „Ach jetzt geht es also ums Geld“, stellte Simon verbittert fest und verschränkte die Arme. Doch viel lieber hätte er Leron eine reingehauen. Es kostete ihn große Mühe, nicht zu weinen und er spürte, wie sich seine Brust schmerzhaft zusammenzog. „Und weil du für das ganze Geld aufgekommen bist, willst du natürlich, dass ich bei dir bleibe, um es dir mit meinem Körper zurückzuzahlen. Das war ja Teil unseres Vertrags, wenn ich mich recht entsinne, nicht wahr? Dir geht es ja bloß ums Geschäft und ich habe wirklich geglaubt, jemand meint es endlich mal ehrlich mit mir. Aber letzten Endes schaust du nur auf mich herab und glaubst, du kannst mich für dumm verkaufen, indem du mir irgendwas vorlügst, damit ich die Behandlung nicht durchziehe. Dein Bruder Michael war ein kranker Hurensohn gewesen, aber wenigstens wusste ich bei ihm, wo ich dran bin!“ Ein brennender Schmerz durchfuhr seine linke Wange, als eine Ohrfeige ihn direkt ins Gesicht traf. Es war das allererste Mal, dass Leron ihn auf diese Art und Weise geschlagen hatte und Simon spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Er bekam keine Luft mehr und seine Sicht verschwamm unter den Tränen. Und im nächsten Moment überkam ihn Angst. Als er in Lerons Gesicht sah, glaubte er für einen Moment, wieder das Gesicht von Michael zu sehen, der gekommen war, um ihn endgültig zu brechen. Der letzte kümmerliche Rest seines Denkens versagte vollständig und er verfiel in Panik. Er wich vor ihm zurück, schaffte es aber nicht, sich auf den Füßen zu halten und stürzte. Sein Herz begann zu rasen und er verfiel in eine heftige Schnappatmung, während sein Körper unkontrolliert zu zittern begann. „Nein, bitte! Lass mich in Ruhe! Bitte, ich will das nicht!“ Er begann heftig zu schluchzen und fürchtete zunächst, dass Leron ihn weiter anschreien oder noch mal schlagen würde, doch nichts dergleichen geschah. Der Unternehmer blieb auf Abstand und erklärte ruhig „Ich liebe dich, Simon. Und ich habe meine Bedenken nicht deswegen geäußert, weil ich Angst habe, du würdest mich verlassen. Ich vertraue dir und ich habe dich niemals schlecht oder respektlos behandelt. Ich habe Angst um dich, verstehst du? Du merkst doch selbst, wie schlecht es dir inzwischen geht. Seit Michael dich bei Cypher und Hunter aufgespürt und euch angegriffen hat, geht es dir gesundheitlich und mental immer schlechter. Natürlich wünsche ich mir für dich, dass deine Behandlung erfolgreich wird und du endlich glücklich sein kannst. Aber ich habe Angst davor, dass etwas schief läuft, weil du körperlich kaum in der Verfassung bist. Ich mache Fehler und ich bin nicht perfekt, das weiß ich. Aber ich tue das nicht, um dich zu schikanieren oder weil ich dich verarschen will. Ich tue das, eben weil ich Angst habe, dich zu verlieren und weil ich es nicht ertragen kann, dich leiden zu sehen. Glaubst du etwa, es ist mir egal oder es bereitet mir Vergnügen, wenn ich dich so sehe? Denkst du, ich mache mir keine Vorwürfe wegen dem was passiert ist? Egal wie sehr wir die Vergangenheit ändern wollen, wir können es nicht. Und ich kann nicht ungeschehen machen, was mit dir passiert ist. Alles, was ich tun kann ist, wenigstens dafür zu sorgen, dass es dir nicht noch schlechter geht. Wenn dir noch etwas passiert, kann ich mir das niemals verzeihen!“ Diese Worte trafen Simon hart und er begann erst jetzt langsam zu realisieren, was er da eigentlich gesagt hatte. Und er war schockiert, dass er tatsächlich so über Leron gedacht und ihm so wenig vertraut hatte. Wie hatte das nur so weit kommen können? Wie hatte es nur so weit kommen können, dass er bereits drauf und dran war, den Menschen wehzutun, die ihm eigentlich nur helfen wollten? Leron hatte ihn stets liebevoll und respektvoll behandelt und er dankte es ihm nun, indem er ihm solche Dinge unterstellte und ihn beschimpfte. Und jetzt war es zu spät, um es rückgängig zu machen. „Es tut mir leid“, schluchzte er, doch seine Stimme zitterte so heftig, dass er kaum ein Wort vernünftig hervorbringen konnte. „Ich… ich weiß, dass du mir nur helfen willst und dich um mich sorgst. Und ich werfe dir solche Dinge an den Kopf und mache alles nur schlimmer. Ich bin wirklich das Letzte… Verdammt noch mal. Ich weiß doch auch nicht, was mit mir los ist. Ich will doch auch, dass es wieder besser wird, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich bin einfach nur erschöpft von allem…“ Er rechnete mit allem. Dass Leron ihn alleine lassen oder ihn für diese grausamen Worte bestrafen würde. Doch stattdessen kam der Unternehmer auf ihn zu, half ihm hoch und nahm ihn fest in den Arm. Simon verstand es nicht. Wieso stieß Leron ihn nicht einfach von sich, nachdem er ihm all diese Dinge an den Kopf geworfen und ihn derart gekränkt hatte? Und wieso begann er ihm so liebevoll den Kopf zu streicheln, wie er es so oft schon getan hatte? „Wir schaffen das gemeinsam, Simon. Egal was dafür nötig ist, ich werde dich das nicht alleine durchstehen lassen. Du warst für mich da, als ich Halt gebraucht habe. Jetzt bin ich für dich da und werde dich auffangen. Ich liebe dich und du wirst immer der wichtigste Mensch in meinem Leben bleiben. Du musst diese Dinge nicht alleine mit dir tragen. Ich bin doch jetzt bei dir und kann dir helfen, dich von diesen ganzen Lasten zu befreien. Aber dazu musst du auch Hilfe zulassen.“ Doch Simon war nicht mehr imstande, darauf zu antworten. Er war vollkommen überwältigt von seinen Gefühlen und klammerte sich an Leron, während er bitterlich weinte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)