The Petboy Contract von Sky- ================================================================================ Kapitel 28: Wiedersehen ----------------------- Zwei Tage später erschien ein Zeitungsartikel, der Simon zutiefst schockierte und ihm dermaßen auf den Magen schlug, dass ihm der Appetit verging. Es ging um den Fundort der Leiche, die Archi ausgebuddelt hatte, nachdem sich dieser von Ezra losgerissen hatte. Wie sich herausstellte, war es nicht nur eine Leiche gewesen. Insgesamt hatte die Polizei während einer Suchaktion noch zehn weitere Leichen gefunden, die in der Nähe der ersten Leiche versteckt waren und man ging davon aus, dass vielleicht noch mehr Leichen dort verscharrt waren. Und nun stellte man sich natürlich die berechtigte Frage, ob es das Werk eines Serienmörders war. Alle Leichen, die man bisher gefunden hatte, waren zum Teil vollständig skelettiert, weshalb man davon ausging, dass die gefundenen Leichen bereits seit über 25 Jahren dort vergraben waren. Fassungslos starrte er auf den Artikel und hatte das Gefühl, als würde er sich gleich übergeben müssen. Besorgt legte Cypher, der gerade mit einer Tasse Kräutertee aus der Küche kam und Simons kreidebleiches Gesicht sah, eine Hand auf dessen Schulter und fragte „Geht es dir nicht gut?“ „Mir ist gerade nicht so gut…“ „Hm… möchtest du einen Magentee? Ich habe aber auch Beruhigungstees für die Nerven.“ „Komm jetzt nicht mit deinen Tees an“, ermahnte Hunter mit ungewohnt strenger Stimme, der sich seinerseits mit einer Tasse Kaffee zufrieden gab. „Es ist der Zeitungsartikel.“ „Ach so“, kam es zurück. „Ja das ist schon echt krass mit den Leichen. Aber mich wundert’s echt, dass die Leichen alle schon so alt sind. Das heißt doch, dass dieser Serienmörder inzwischen schon recht alt sein muss, wenn er noch lebt. Unglaublich, dass niemand sie bis heute bemerkt hat und nie eine Leiche gefunden wurde.“ Na der hat Nerven, dachte sich Simon und legte die Zeitung beiseite. Er machte sich Sorgen darum, dass ein Serienkiller in Ihrer Nähe sein könnte und Cypher wunderte sich, wieso man die Leichen bisher noch nicht entdeckt hatte. Verständnislos schüttelte er den Kopf und sagte nichts weiter dazu. Wenig später kam Ezra dazu, dessen Haar offen war und ihm teilweise ins Gesicht hing, dass er ein wenig aussah wie einer dieser weiblichen Geister aus den japanischen Horrorfilmen. Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck setzte er sich zu Simon und schien ein ziemlicher Morgenmuffel zu sein. Cypher hingegen grinste nur amüsiert und bemerkte „Mit diesem grummeligen Gesicht sieht du aus wie Grumpy Cat.“ „Du kannst mich mal“, giftete der Teenager ihn an und warf ihm einen angriffslustigen Blick zu. Er zog die Beine an und starrte irgendwo hin. Wahrscheinlich war er einfach nur ein ziemlicher Morgenmuffel. Und um seine Stimmung noch weiter zu senken, hatte Cypher ihm eine wichtige Mitteilung zu machen: „Morgen musst du wieder ins Kloster zurück, Ezra. Bruder Benedict und die anderen haben angerufen und sie möchten, dass du zurückkommst.“ „Ich habe aber keine Lust auf diesen Kuttenverein!“ protestierte der 16-jährige sofort. „Kann ich nicht noch zwei oder drei Tage bei euch bleiben?“ „Wir haben diese Diskussion doch schon oft genug gehabt“, versuchte der weißäugige Künstler ihm ruhig zu erklären. „Du kannst uns gerne besuchen kommen, aber bleiben kannst du hier nicht. Wir bekommen sonst Ärger mit dem Jugendamt.“ Zuerst sah es danach aus, als würde Ezra es wieder auf eine Diskussion anlegen, aber er ließ es dann doch bleiben und schwieg. Stattdessen begann er sich nun Frühstück zu organisieren und konnte sich nicht den Kommentar verkneifen „Ihr wollt mich doch nur loswerden, weil eure Sexspielchen nicht jugendfrei sind. Bei Hunters Sadismus und deinem Masochismus ist es ja kein Wunder.“ Doch anstatt, dass sich Cypher darüber aufregte, zuckte er nur lässig mit den Schultern und meinte „Na und? Wir haben auf unsere eigene Weise unseren Spaß, daran ist ja auch nichts verboten.“ „Du bist einfach nur verrückt, das ist alles.“ „Bin ich nicht, ich hab mich vom Doc testen lassen. Ich bin höchstens semi-crazy.“ Nach dem Essen ging Simon ins Gästezimmer zurück und bemerkte, dass er eine SMS bekommen hatte. Sie stammte von Leron und das besserte seine Stimmung merklich. Er hatte schon eine Weile nichts mehr von ihm gehört und sich auch schon gefragt, ob er sich vielleicht mal bei ihm melden sollte. Doch da er sich nicht sicher war, wie es Leron momentan ging und ob sich sein Zustand gebessert hatte, hatte er lieber etwas abwarten wollen. Die Nachricht war recht kurz, klang aber trotzdem viel versprechend: „Hallo Simon. Komm um 13 Uhr zur Villa. Ich warte dort auf dich.“ Doch im gleichen Moment, wo er sich zu freuen begann, überkam ihn auch Verwunderung. Warum war Leron plötzlich wieder in der Villa? War er mit seinem Klinikaufenthalt etwa schon fertig? Auf der einen Seite freute er sich natürlich darüber, dass er endlich wieder bei Leron sein konnte, aber andererseits hatte er immer noch Angst davor, wieder zur Villa zurückzukehren. Er hatte sich in seinen eigenen vier Wänden immer am sichersten gefühlt. Dort war er geschützt und seine Kunden hatten nie gewusst, wo er wohnte. Aber dann war es plötzlich anders. Michael hatte es geschafft, ihn und Leron zu überwältigen und es wäre beinahe zu einer Vergewaltigung gekommen. Nun war er nicht mal in seinem Heim sicher. Diese Erkenntnis hatte ihn weitaus schlimmer traumatisiert als der eigentliche Angriff von Michael. Nach kurzem Überlegen schrieb er zurück „Bist du etwa schon entlassen worden?“ und erfuhr kurz darauf durch Lerons Antwort, dass er wohl noch ein paar Tage in der Klinik bleiben würde, allerdings hatte er heute kein Therapieprogramm und wollte deshalb die Gelegenheit nutzen, die verlorene Zeit nachzuholen. Nun, wenn er schon so sprach, dann konnte es doch eigentlich nur viel versprechend werden. Er versprach zu kommen und ging daraufhin ins Wohnzimmer, fand dort aber nur Hunter vor, der zwar mürrisch, aber auch ein wenig nachdenklich aussah. Als Simon näher trat, schaute der 24-jährige auf und fragte „Suchst du Cypher?“ „Äh, ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich weg bin. Leron hat heute kein Therapieprogramm und da wollten wir uns treffen.“ „Soll ich dich fahren?“ bot Hunter überraschend an. Zuerst wollte Simon bescheiden ablehnen, aber da die Villa ja nicht direkt in der Nähe lag, nahm er es dann doch an und so folgte er Hunter nach draußen, wo der Wagen geparkt war. „Wo musst du hin?“ „Zu Lerons Villa“. Sie stiegen in den Wagen ein und fuhren los. Während der Fahrt über sagte Hunter kein einziges Wort und Simon schaute hin und wieder unsicher zu ihm herüber. Eine Frage lag ihm auf den Lippen, doch er war sich nicht hundertprozentig sicher, ob er sie nicht vielleicht doch lieber Cypher stellen sollte. Aber andererseits würde Hunter so oder so davon hören und seine Meinung dazu haben. Also fasste er sich ein Herz und fragte „Ist es okay, wenn ich noch ein paar Tage bei euch bleibe? Leron wird wohl etwas länger in der Klinik bleiben und mir ist nicht ganz wohl, alleine in der Villa zu sein.“ „Wie lange?“ fragte Hunter nur und hielt seinen Blick starr auf die Straße gerichtet. Es war nicht festzustellen, ob er sich freute oder ärgerte. Es waren nie irgendwelche Gefühle bei ihm erkennbar und das machte es Simon umso schwerer festzustellen, wie er zu der ganzen Sache stand. Er wusste, dass dieser nicht mit Menschen umgehen konnte und schnell von spontanen Situationen überfordert wurde. Deshalb war es auch schwierig zu sagen, ob das jetzt so eine vernünftige Idee gewesen war. Andererseits kannte Hunter ihn inzwischen schon ein klein wenig und müsste sich ein wenig an ihn gewöhnt haben. „Keine Ahnung“, gestand er ehrlich. „Vielleicht kann mir Leron das ja gleich sagen. Ich denke mal er will noch so lange bleiben, bis er wieder stabil ist.“ „Okay…“ Das war alles, was der Bildhauer zur Antwort gab. Doch es klang irgendwie immer noch nicht wirklich eindeutig, weshalb Simon noch mal nachhakte, um sicherzugehen. „Ist das kein Problem für dich?“ „Wenn Leron Hilfe braucht, soll er sich Zeit lassen. Und wenn du Angst hast, alleine zu sein, ist es okay, wenn du noch bei uns bleibst. Cypher hängt an dir, weil er sich schon immer eine Familie gewünscht hat.“ Und diese Familie kann Hunter ihm beim besten Willen nicht geben, dachte sich Simon. Wahrscheinlich war sich dieser darüber im Klaren und arrangierte sich deshalb so souverän damit. „Dass selbst Ezra dich akzeptiert hat, zeigt eigentlich, dass du ganz in Ordnung bist. Er hat Angst vor Menschen.“ „Ja, da hat mir Cypher schon davon erzählt. Was ist das eigentlich für eine Krankheit, dass Ezras Haare weiß sind?“ „Marie-Antoinette-Syndrom. Die Haarwurzeln liegen eng an Nervensträngen und reagieren auf Stress. Durch einen schweren Schock sind Ezras Haare weiß geworden. Und bei Angstattacken fallen ihm auch mal Haare aus.“ „Klingt schlimm… Was ist ihm eigentlich zugestoßen?“ „Vieles und ich denke nicht, dass er möchte, dass irgendjemand davon erfährt.“ Aber so wie Hunters Miene aussah, schien Simon die Antwort zumindest grob zu haben. Es war mit Sicherheit vergleichbar mit den Zuständen in der Cohan-Familie. In dem Fall hatte Simon schon ein ungefähres Bild, was passiert sein könnte. Unter diesen Umständen war es vielleicht wirklich besser, wenn er nicht nachfragte. Mit dem Wagen brauchten sie nur knapp zwanzig Minuten und selbst dann waren sie immer noch etwas zu früh dran. Ob Leron schon da war? „Danke fürs Fahren.“ „Wenn du abgeholt werden musst, ruf an.“ Als er die Tür zur Villa öffnete, sah er sich unruhig um und zuckte erschrocken zusammen, als er Schritte nahe der Treppen hörte. Abrupt blieb er stehen, denn die Angst überkam ihn, dass es vielleicht Michael sein könnte. „Leron?“ rief er. „Bist du das?“ Die Schritte kamen näher und instinktiv wich Simon einen Schritt zurück, doch da hörte er zu seiner großen Erleichterung bereits eine vertraute Stimme. „Simon?“ Damit atmete der 21-jährige auf und eilte in Richtung der Schritte und als er tatsächlich Leron sah, schwand der letzte Rest seiner Angst und sie fielen sich in die Arme. Diese feste und dennoch gleichzeitig so liebevolle und zärtliche Umarmung zu spüren, hatte ihm so sehr gefehlt und eine unendliche Erleichterung überkam ihn, Leron zu sehen. Dabei waren es gerade mal drei Tage her, seit sie einander zuletzt gesehen hatten. „Hallo Simon“, grüßte Leron und streichelte ihm zärtlich den Kopf. „Wie geht es dir?“ „Ich habe dich vermisst“, antwortete Simon, ohne die Anstalten zu machen, ihn loszulassen. „Cypher und Hunter kümmern sich zwar gut um mich, aber es ist einfach nicht dasselbe, wenn du nicht bei mir bist.“ „Ich habe dich auch vermisst. Aber heute haben wir den ganzen Tag für uns und ich denke, das können wir auch gleich ausnutzen. Findest du nicht auch?“ Daraufhin löste sich der Unternehmer von ihm, hob sein Kinn und küsste ihn. Es war ein langer, leidenschaftlicher Kuss und er spürte, wie sich Lerons Hände auf seine Hüften legten und ihn näher zu sich heranzogen. Obwohl gerade erst drei Tage vergangen waren, seit sich Leron in die Klinik begeben hatte, fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, in der sie voneinander getrennt waren. Und Simon spürte deutlich, wie sehr er ihn wirklich vermisst hatte. Er wollte alles für ihn tun und wieder in diese Zeit zurück, wo sie einfach zusammengelebt hatten und sich nicht um all diese anderen Dinge sorgen mussten. Aber vor allem fehlten ihn die Erziehungsmaßnahmen. „Ich habe viel nachgedacht. Auch über unsere Beziehung, Simon.“ Für einen Moment überkam ihn ein leiser Schreck, denn das klang irgendwie nach dieser üblichen Phrase, die dann zum Einsatz kam, wenn es ums Schlussmachen ging. Leron führte ihn ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Doch bevor Simon die Chance bekam, sich neben ihm zu setzen, kam der Unternehmer ihm zuvor und platzierte ihn auf seinen Schoß. Und diese direkte Nähe erregte Simon und ließ sein Herz höher schlagen. „Ich will unsere Beziehung in Zukunft weiter intensivieren. Und ich möchte, dass du mir offen und ehrlich antwortest: magst du es, wenn ich dich dominiere oder wünschst du dir eine Beziehung, bei der wir auf gleicher Stufe stehen?“ Ach darum ging es also? Leron wollte also nicht dieses Verhältnis zwischen ihnen aufheben und es ging nur um diese Sache? Und er hatte schon ernste Sorgen gehabt, dass es um ein unangenehmes Thema gehen könnte. „Ich finde beides gut“, erklärte er ihm. „Aber wenn ich mich einfach fallen lassen und dir das Kommando überlassen kann, fühle ich mich wesentlich wohler. Und ich finde es heiß, wenn du mir Befehle gibst.“ Ein amüsiertes Schnauben war zu hören und ein Lächeln zeichnete sich auf Lerons Lippen ab. „Sehr schön. Dann wird es in Zukunft auch so sein, dass du dich mir unterwirfst und meinen Anweisungen Folge leistest. Es wird in Zukunft strengere Regeln geben und natürlich auch Konsequenzen, wenn du gegen die Regeln verstößt.“ „Klingt vielversprechend. Aber sag mal, wie geht es dir denn eigentlich? Du siehst deutlich besser aus.“ „Ja, der Klinikaufenthalt ist gar nicht mal so schlecht und dank der Medikamente ist mit den Halluzinationen jetzt auch Schluss. Dr. Larson war allerdings der Meinung, dass ich noch um die zehn Tage bleiben sollte. Danach komme ich wieder zurück.“ „Und was ist mit Michael?“ „Der musste sich von seiner gebrochenen Nase, einer Gehirnerschütterung und einem angekratzten Ego erholen. So wie ich gehört habe, kümmert sich seine Freundin Judy um ihn. Und solange du bei Cypher bist, weiß er ja nicht, wo du bist. Ich denke nicht, dass er so schnell wieder auftauchen wird. Wir können uns heute also einen schönen Tag machen und unser Wiedersehen feiern.“ Und damit holte der Unternehmer etwas aus seiner Hosentasche. Simon erkannte es erst auf dem zweiten Blick als ein Lederhalsband. Es sah anders aus als sein altes. Dezenter und es besaß eine Schnalle, die vermutlich aus Titan war. Simon ließ es sich anlegen und sein Herz begann schneller zu schlagen. Wie sehr hatte er doch das Gefühl von Leder an seinem Hals vermisst. Er betastete es vorsichtig und Leron erklärte „Ich möchte, dass du es von nun an immer trägst. Ich habe ein wesentlich unauffälligeres ausgewählt, damit hauptsächlich wir beide die Bedeutung verstehen. Aber ich möchte, dass du es immer trägst, damit du dich daran erinnerst, wem du gehörst.“ Normalerweise hätte er längst Widerworte gegeben, weil er sich von niemandem als Eigentum bezeichnen lassen wollte. Er hatte immer auf seine Freiheit und Unabhängigkeit bestanden, weil er sich von niemandem beherrschen lassen wollte. Denn dazu gehörte auch Vertrauen. Doch bei Leron war das anders. Sie vertrauten einander und sie hatten aufrichtige Gefühle zueinander. Und dass dieser ihm dieses Halsband anlegte und damit auch Besitzansprüche deutlich machte, war ihm nicht einmal unangenehm. Im Gegenteil. Allein der Gedanke, dass Leron so deutlich zeigte, dass er nur ihm gehörte und niemandem sonst, zeigte ihm, wie wichtig er für ihn war. „Okay. Aber zum Schlafen oder Duschen darf ich es doch abnehmen, oder?“ „Na gut. Das sind aber auch die einzigen Ausnahmen. Ansonsten versohle ich dir den Hintern.“ Und damit zog Leron ihn wieder zu sich und küsste ihn. Simon legte seine Arme um ihn und erwiderte ergeben den Kuss. „Sonst noch irgendwelche Dinge, die ich beachten sollte?“ Seine Freude, Leron wiederzusehen und bei ihm zu sein, versetzte ihn in eine euphorische Stimmung, in der er alle Befehle und Regeländerungen angenommen hätte. Und dabei störte ihn auch nicht das leicht verschlagene Lächeln auf dem Gesicht seines Gegenübers. „Bei Trainingsstunden wirst du mich in Zukunft immer um Erlaubnis fragen, ob du reden oder eine Frage stellen darfst. Widersprüche sind nicht erlaubt. Du bedankst dich für die Erziehungsrunden und Belohnungen und kommst nie ohne meine ausdrückliche Erlaubnis. Regelverstöße ziehen Konsequenzen nach sich. Um kleine Vergehen kümmere ich mich sofort, die großen hebe ich mir für später auf.“ Klang ganz vernünftig, aber wie sah es denn außerhalb der Trainingsstunden aus? Wie sollte er sich da verhalten? Aber da konnte Leron ihn beruhigen. „Im Alltag sind die Regeln nicht allzu streng, aber Frechheiten ziehen natürlich auch Erziehungsmaßnahmen nach sich. Ich war bisher noch sehr vorsichtig gewesen, aber ich denke, dass wir den nächsten Schritt gehen sollten, jetzt da unsere Vertrauensbasis weit genug gefestigt ist.“ „Hört sich gut an.“ Tatsächlich klang das Ganze sehr viel versprechend und Simon war auch gespannt darauf, wie Leron das Ganze umsetzen würde. „Und was für ein Training hast du für heute vorgesehen?“ „Ein kleines Rollenspiel.“ Rollenspiel? Bei diesem Wort musste sich Simon immer irgendwelche perversen Doktorspielchen vorstellen, aber das passte nicht so ganz zu Leron und wahrscheinlich musste man da auch die entsprechende Ausrüstung und eine gewisse Kenntnis dafür haben. Nein, wahrscheinlich würde dieser etwas anderes auswählen. „Was genau hast du dir so vorgestellt? Den Jungen, der mit seinem Körper seine Schulden abbezahlt, können wir ja wohl schlecht nehmen.“ „Ganz genau. Aber ich habe da schon etwas anderes: ein Gefängnisrollenspiel im Keller.“ Im Keller? Wenn er sich recht erinnerte, hatte es außer dem Raum mit dem Gynäkologiestuhl noch einige andere Zimmer gegeben, die er aber bisher noch nicht gesehen hatte. Und nun war er natürlich neugierig. War dieser Raum tatsächlich wie eine Zelle aufgebaut? Und was war in den ganzen anderen Räumen? „Muss ich für das Rollenspiel irgendetwas wissen?“ erkundigte er sich sicherheitshalber, denn die Art von Rollenspielen, die er bisher mit seinen Kunden gehabt hatte, war ziemlich simpel gewesen und konnten wahrscheinlich nicht mal direkt als Rollenspiele bezeichnet werden. Und er wusste ja auch nicht, inwieweit sich Lerons Art des Rollenspiels von der seiner Kunden unterschied. „Ich werde dir gleich entsprechende Kleidung geben. Die Story wird so aussehen: du bist ein rebellischer Draufgänger, der mit wiederholt Drogen gedealt hat und deswegen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Du bist schwul, aber das kann dir im Gefängnis gefährlich werden. Denn die schwulen Jungs werden sehr schnell zu Zielscheiben der anderen Häftlinge. Wenn das auffliegt, bist du geliefert. Ich werde einen Gefängniswärter spielen, der dein Geheimnis kennt und das dann entsprechend ausnutzen wird.“ Sofort begannen sich Bilder in Simons Kopf abzuspielen. Wenn das wirklich so abspielen würde, wie er sich das vorstellte, dann würde es mit großer Sicherheit ein raues, aber auch heißes Spiel werden. Auf jeden Fall war er sehr gespannt darauf. Sie standen nun auf und während der Simon schon mal duschen ging, holte Leron seine Klamotten und verschwand dann schon mal in den Keller. Der 21-jährige spürte diese vertraute und angenehme Mischung aus Erregung und Erwartung, während er unter der Dusche stand. All die Sorgen und Ängste waren vergessen und er konnte sich endlich wieder einfach fallen lassen und Leron wieder die Kontrolle überlassen. Dieser sah auch wesentlich entspannter aus als in den letzten Tagen. Und vor allem eines erstaunte ihn: Leron hatte relativ locker reagiert, was die Erwähnung von Michael betraf. Dabei reagierte er sonst immer so übervorsichtig. Vielleicht weil dieses Paranoide ja auch zu seiner Krankheit gehörte und wegen der Medikamente verschwunden war? War dieser Leron, der wesentlich selbstsicherer und ausgeglichener wirkte als derjenige, den er vor wenigen Tagen verabschiedet hatte, so etwas wie der Leron, der er ohne diese Krankheit war? Innerlich hoffte er, dass dieser den momentanen Zustand beibehalten würde und nie wieder diese furchtbaren Halluzinationen haben würde. Nachdem er so viele Jahre damit leben musste, war es wirklich allmählich Zeit, dass er endlich ein normales Leben führen konnte, ohne diese Stimmen in seinem Kopf zu hören. Und dann konnten sie auch hoffentlich eine Beziehung führen, in der es keine solchen psychotischen Schübe mehr gab. Nun, natürlich wusste er, dass die Medikamente keine Wunder bewirken konnten. Sie unterdrückten die Symptome, aber Leron musste auch seine Vergangenheit aufarbeiten und dazu musste er weiterhin in Therapie bleiben. Wahrscheinlich für den Rest seines Lebens, genauso wie er immer auf Medikamente angewiesen sein würde. Aber so schlimm war das doch gar nicht. Man hatte ja schon bei Cypher und Hunter gesehen, dass es absolut unkompliziert zwischen ihnen ablief. Hunter ging in Therapie und Cypher hielt ein Auge darauf, dass dieser seine Medikamente einnahm und im Falle eines psychotischen Schubes in die Klinik ging. Und er selbst hatte dieselbe Verpflichtung Leron gegenüber. Zwar hatte dieser die dominante Rolle in ihrer Beziehung, doch er selbst war sein roter Faden, sein Spiegel und sein Halt. Ihre Beziehung war nicht direkt vergleichbar mit einem Sub und einem Dom, wie man es normalerweise aus der Szene kannte. Ein Sub ordnete sich gänzlich unter und überließ seinem Dom das Denken. Aber er und Cypher wirkten auch eine beschützende Funktion aus. Sie hatten eine genauso große Verantwortung für ihre Partner und schützten sie vor sich selbst, wenn es die Situation erforderte. In dieser Hinsicht hatte nicht nur er ein Halsband, allerdings war Lerons nur sinnbildlich vorhanden. Nachdem er sich abgetrocknet hatte, zog er sich seine Verkleidung an und musste feststellen, dass sie wirklich wie Knastkleidung aussah und nicht diese plumpe gestreifte Kleidung, die man sich zum Fasching oder Halloween irgendwo in der Mall besorgen konnte. Nein, es war ein orangefarbener Sträflingsanzug, in welchem sogar eine Nummer eingenäht war. Das versprach wirklich heiß zu werden, wenn auch noch der Rest des Rollenspiels authentisch werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)