Weihnachtsgeschichte(n) von _Delacroix_ ================================================================================ Tannenbaum ---------- Die Kugeln hatten schon bessere Tage gesehen, doch mit dem richtigen Putzzauber glänzten sie strahlend wie der Stern von Bethlehem. Fay seufzte, während sie eine weitere Kugel an den kleinen Tannenbaum hängte, der die Aurorenzentrale weihnachtlicher gestalten sollte. Eigentlich hatte das ja Potter machen sollen, doch der Held der Zaubererwelt war sich zu fein für etwas so profanes wie Tannenbäume schmücken. Fay wollte ja nichts Böses über ihn sagen, doch sie glaubte, dass ihm der Ruhm nicht gut tat. Innerhalb der letzten Monate war er zum Liebling des Ministers aufgestiegen. Jede Hexe und jeder Magier wollte ihm mindestens einmal die Hand geschüttelt haben und wer im Ministerium wichtig sein wollte, der wollte meist noch mehr. Fay hatte ihn Autogramme an seinem Schreibtisch malen sehen und gehört, wie er Entscheidungen getroffen hatte, die er nach sechs Schuljahren vermutlich noch nicht mal im Ansatz richtig einschätzen konnte. - Sie jedenfalls konnte es nicht.   Hätte sie ihn aufhalten sollen? Vielleicht. Doch hätte er auf sie gehört? Wohl eher nicht.   Sie wusste ja nicht einmal, ob er und Weasley überhaupt noch ihren Namen kannten. Dabei hatte sie sich sechs Schuljahre lang mit Granger den Schlafsaal geteilt, hatte mit genauso großen Augen Harrys Rennbesen angestarrt wie all die Anderen, hatte zusammen mit ihnen unter der pinken Kröte gelitten und schließlich in der Schlacht um Hogwarts Zauber auf Menschen gehetzt, von denen sie bis dahin nicht einmal geträumt hatte. Sie war wie er und doch die Dumme, die machen durfte, wozu der große Held gerade keine Lust hatte.   Seufzend sprach sie den Reinigungszauber auf eine weitere Kugel. Morgen würden ihre Kollegen den fertigen Baum sehen und wenn sie Potter dafür loben würden, würde ihr wohl endgültig der Geduldsfaden reißen. Ihre Mutter sagte immer, Ehrlichkeit wäre eine Tugend, doch Fay würde diese Tugend mit Pech um ihren Traumjob bringen. Es konnte schließlich nicht gut gehen, wenn sie dem heiligen Potter vor versammelter Mannschaft die Meinung geigte, auch wenn es das war, was er und Weasley dringend brauchten.   Erneut hängte sie eine glitzernde Kugel zwischen all die dunkelgrünen Nadeln. Das Gold bildete einen hübschen Kontrast zum Baum. Wer auch immer den Schmuck einst angeschafft hatte, hatte ein Auge dafür gehabt, was dem Raum einen wärmeren Anschein gab. Fay mochte das, aber sie wollte lieber nicht wissen, was aus dem edlen Spender geworden war. Selbst jetzt, Monate nach Ende des Krieges, stolperten noch Leute zu ihnen ins Büro um sich nach dem Verbleib von Freunden und Verwandten zu erkundigen und viel zu oft blieb ihnen nur, hilflos mit den Schultern zu zucken, anstatt eine brauchbare Antwort zu geben. Ein weiterer Punkt um den sich Potter oft zu drücken pflegte.   „Verzeihung?“   Fay ließ von der nächsten Kugel ab und drehte sich um. Das erste was sie sah, waren ihre eigenen, dunklen Haare, die ihr wieder einmal ins Gesicht fielen. Fay pustete sie unwirsch zur Seite.   „Ja?“   „Ich suche Ronald Weasley“, erklärte ein rothaariger Mann, den sie in den letzten Monaten schon öfter in der Zentrale gesehen hatte. Sie kannte ihn, wenn auch nur flüchtig, doch sie glaubte nicht, dass er sich noch an sie erinnerte.   „Hier ist er nicht“, antwortete sie und bemühte sich redlich nicht vorwurfsvoll zu klingen. „Ich nehme an, er ist mit Potter losgezogen. Sie wollten irgendwas erledigen.“   Percy Weasley erlaubte sich einen Blick auf seine Uhr. „Haben die Zwei nicht noch Schicht?“   Fay nickte. Natürlich hatten sie noch Schicht. Spätschicht um genau zu sein. Doch in letzter Zeit war es still auf den Straßen und die Zwei glaubten wohl, sie würden nichts verpassen. „Sie sollten den Baum schmücken“, eröffnete Fay, nur um gleich darauf mit den Schultern zu zucken und eine neue Kugel aus der Kiste zu ziehen. Stumm musterte sie das angelaufene Metall. Sie würde jetzt nicht aussprechen, was sie von ihren Kollegen hielt. Sollte Weasley es sich selber denken oder es sein lassen. Es machte schließlich keinen Unterschied.   Neben ihr trat Weasley von einem Fuß auf den Anderen. „Es tut mir leid, wenn mein Bruder Ihnen Umstände bereitet.“   Fay richtete ihren Zauberstab auf die Kugel. Es war nicht so, als würde sie es ihm nicht glauben, es frustrierte sie einfach nur. Ein Schlenker ihres Stabes, dann strahlte die alte Kugel in neuem Glanz. Wortlos wandte sie sich dem Baum zu.   „Hören Sie“, erklang es hinter ihr. Scheinbar war Weasley hartnäckiger als sie dachte. „Sie müssen das hier nicht machen. Wenn es die Aufgabe meines Bruders war, wird er sie auch zu Ende bringen.“   „So wie seine Schulzeit?“ Fay biss sich auf die Zunge. Das war nicht nett gewesen und das wusste sie auch. Vorsichtig blickte sie über die Schulter nach hinten. „Entschuldigung.“   Weasley schüttelte den Kopf. „Sie haben ja recht“, räumte er ein, „seine Entscheidung war nicht klug, aber das hier ist es auch nicht. Ron wird es nicht lernen, wenn Sie stillschweigend seine Aufgaben übernehmen.“   „Aber ich will einen geschmückten Baum.“ Fay stockte. Wollte sie das wirklich? Eigentlich hatte sie mit dem Schmücken begonnen, weil sie es für ihre Pflicht gehalten hatte, nicht weil sie sich viel aus goldenen Kugeln machte. Sie war immer mehr der Typ für Silber gewesen und Zuhause überließ sie das Dekorieren komplett ihrer Mutter. Wieso interessierte es sie dann plötzlich, ob auf ihrer Arbeit ein bunter Baum herumstand oder nicht?   Es raschelte als Weasley eine Kugel aus der Kiste fischte. „Ich könnte Ihnen helfen“, bot er überraschend an.   Fay legte den Kopf schief. Sie mochte ihre eigenen Beweggründe nicht verstehen, aber Weasleys verstand sie noch viel weniger. „Sagten Sie nicht, Ihr Bruder würde es auf diesem Weg nicht lernen?“, fragte sie skeptisch nach.   Er nickte, während er mit dem Fingernagel probeweise über die grau angelaufene Kugel kratzte. „Sagte ich“, stimmte er ihr zu, „Aber der Unterschied liegt im Detail. Ich bin sein Bruder, ich werde es ihn nicht vergessen lassen und unsere Mutter noch viel weniger, wenn ich ihr nachher erzähle, warum ich ihm sein Abendessen nicht wie geplant vorbeibringen konnte.“ Er zückte seinen Zauberstab und Fay erwischte sich bei einem kleinen Lächeln.   Vielleicht war es gerade dieses Stück Normalität, das sie mit ihren Kollegen teilen wollte und sei es nur durch einen bunt geschmückten Baum, der glitzernd in einer Ecke stand. Stumm und zuverlässig, so wie auch in früheren Jahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)