Mein Chef und ich von BloodyRubin (oder: Nie wieder Ferienjobs!) ================================================================================ Kapitel 1: Mein Chef ist ein Model ---------------------------------- Hier war ich also. Mein erster Ferienjob stand mir bevor. Laut meinem Handy war ich - bedingt durch meine Aufregung - eine halbe Stunde zu früh, doch das war mir nur Recht. So konnte ich mir wenigstens schon einmal einen Überblick verschaffen. Das Haus, vor dem ich stand, war gewaltig. Von meinem Beobachtungsposten aus hatte ich eine gute Aussicht auf die Menschen, die wie Ameisen hin und her wuselten und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Übrigens, mein Name ist Obi Kanagi. Ich bin 17 Jahre alt und habe endlich dem Drängen meiner Mutter nachgegeben, mir mal Gedanken über meinen zukünftigen Lebensweg zu machen. Ihr zuliebe habe ich mich hier beworben und wurde nach einem mehr als langweiligen Vorstellungsgespräch tatsächlich angenommen. Eigentlich hatte ich mit einer Absage gerechnet, aber offenbar hatte ich - wie auch immer - überzeugt. Ich wusste noch nicht genau, was mich erwartete, doch trotzdem hatte ich mir schon vorgenommen, das jetzt auch durchzuziehen. So schlimm konnte es ja nicht werden, richtig? Zwanzig Minuten später betrat ich das Gebäude und fand mich vor einem hölzernen Empfangstresen wieder, an dem eine viel zu stark geschminkte Dame saß. Als sie mich bemerkte, wanderte eine ihrer gezupften Augenbrauen merklich in die Höhe und ihr Lächeln bekam eine leicht kühle Note. Dabei hatte ich mich extra in meine besten Klamotten gezwängt. Und ja, gezwängt ist dabei genau das richtige Wort. Das hellblaue Hemd, das ich trug, war mir mindestens eine Nummer zu klein und definierte meinen Oberkörper mehr, als mir lieb war. Immerhin die schwarze Hose passte ordentlich. Meine auf Hochglanz polierten Schuhe drückten unangenehm an den Seiten. Gut, das war meine eigene Schuld. Ich trug diese Fußmörder nur sehr selten. Um das Elend perfekt zu machen, hatte meine Mutter mir heute Morgen auch noch eine schlichte, dunkelblaue Krawatte aufgezwungen und versucht, meine Haare zu bändigen. Glücklicherweise war sie selber mit dem Ergebnis unzufrieden gewesen und hatte mir erlaubt, zu meiner normalen Frisur zurückzukehren. „Kann ich Ihnen helfen, Sir?“ kam es von der Frau und ich schenkte ihr ein herzliches Lächeln. Das war wohl falsch, denn die zweite Augenbraue folgte der ersten nach oben und ihre gekünstelte Freundlichkeit fiel komplett in sich zusammen. „Ja, ich habe um neun Uhr einen Termin bei Frau Inugami. Würden Sie mir sagen, wie ich in Zimmer 483 komme?“ „Neben den Fahrstühlen befindet sich ein Gebäudeplan.“ erwiderte die Frau gelangweilt. Ob die wohl zu allen so höflich war? Ich zwang mich, mein Temperament zu zügeln, nichts zu sagen und wandte mich nach rechts, wo die Aufzüge zu sehen waren. Aus dem Gebäudeplan, der tatsächlich dort hing, schloss ich, dass ich in den vierten Stock musste. Dort angekommen, fand ich das Büro relativ schnell und klopfte an die Tür. „Herein.“ ich öffnete die Tür und staunte nicht schlecht. Der Raum war zwar nicht sehr groß, aber wahnsinnig geschmackvoll eingerichtet. Auch Frau Inugami bot einen sehr professionellen Eindruck. Mit ihrer weißen Bluse, ihrem schwarzen, knielangen Rock und ihren ebenfalls schwarzen Lackschuhen wirkte sie, als würde sie in ihrem Beruf voll aufgehen. „Sie müssen Obi Kanagi sein.“ sagte sie, ohne sich mit etwas so Lapidarem wie einer Begrüßung aufzuhalten. „Ja, der bin ich.“ antwortete ich etwas unsicher. „Folgen Sie mir.“ kam es von ihr und sie rauschte aus dem Zimmer. Ich beeilte mich, mit ihr Schritt zu halten, was ihr gar nicht auffiel, da sie es nicht für nötig hielt, sich zu mir umzudrehen. „Sie werden als Assistent arbeiten. Bei ihrem Chef handelt es sich um Izana Miyoshi. Er ist hier als Model angestellt. Sie sind dafür verantwortlich, seine Fanpost zu sichten, seine Termine zu verwalten, zu notieren und zu ändern und für sein persönliches Wohlergehen zu sorgen. Denken Sie, Sie bekommen das hin?“ „Sicher doch. Ich werde mein Bestes geben.“ erwiderte ich entschlossen. Ein wenig war ich ja schon gespannt auf meine Arbeit und stur genug, um den Job zu machen, war ich allemal. Wir erreichten einen weiteren Raum und Frau Inugami klopfte kurz, ehe sie hineinging. Nun war ich wirklich beeindruckt. Das musste das Aufnahmestudio sein. Es war gewaltig und einige Personen hasteten dort herum wie aufgescheuchte Hühner. Ein riesiger Greenscreen stand an einer Wand, der von mehreren Kameras und Beleuchtungsapparaten umringt war. Vor dem Greenscreen stand eine Harley Davidson, die einen unbezahlbaren Eindruck machte. Ein Mann stand an den Kameras und stellte dort irgendwas ein, ehe er sich zu uns umdrehte. „Guten Morgen, Inugami-san. Ist das der neue Assistent von Miyoshi-san?“ „Ja. Das ist Obi Kanagi. Kanagi-san, das ist Makoto Saitoh. Er arbeitet hier als Fotograf.“ Der Mann verbeugte sich kurz und ich tat es ihm gleich. „Freut mich, Sie kennenzulernen.“ „Ebenfalls. Miyoshi-san müsste auch gleich da sein. Hast du ihn schon kennengelernt, Kanagi-kun?“ „Nein, noch nicht.“ sagte ich ehrlich und warf der Harley einen bewundernden Blick zu. „Ich gehe dann mal wieder. Bis bald, Saitoh-san.“ kam es von Inugami-san und die Frau neigte kurz den Kopf, ehe sie sich umdrehte und das Studio verließ. „Viel Glück, Kanagi-san.“ kam es noch von ihr, dann war sie verschwunden. Verdattert starrte ich ihr nach. Himmel, waren die Leute hier unentspannt. „Eines solltest du noch wissen, Kanagi-kun.“ meldete sich der Fotograf wieder zu Wort und ich wandte mich ihm zu. „Miyoshi-san ist nicht ganz einfach. Wenn du dich zu sehr gegen ihn stellst, wirst du diesen Ferienjob schneller los sein, als du Gemeinheit sagen kannst. Deswegen bleib höflich, auch wenn es dir schwer fällt. Zu Hause darfst du wüten, so viel du willst, aber hier wird Professionalität vorausgesetzt. Alles klar?“ „Verstanden.“ Zum ersten Mal überkam mich das dumpfe Gefühl, dass die Idee, mich ausgerechnet hier zu bewerben, vielleicht doch nicht so klug gewesen war. „Deine Arbeitszeiten sind von neun Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags. Pausen sind um elf, um zwei und um vier. Die Pause um zwei ist die Mittagspause und geht eine halbe Stunde. Alle anderen Pausen sind fünfzehn Minuten. Neben dem Aufnahmestudio befindet sich ein Pausenraum. Dort steht auch ein Automat für Snacks und Getränke. Alles so weit verstanden?“ „Ja.“ „Gut. Bevor du nachher gehst, komm bitte noch einmal zu mir. Dann bekommst du einen Besucherausweis.“ Gerade wollte ich Saitoh-san fragen, wozu in aller Welt ich einen Besucherausweis brauchte, doch da ging die Tür erneut auf und ein junger Mann betrat den Raum. „Das ist er.“ wisperte der Fotograf mir zu und ich musterte den Neuankömmling genauer. Er hatte schulterlange, hellblonde Haare, tiefblaue Augen und ein ebenmäßiges Gesicht. Sein Körper war schlank und steckte in einem Biker-Outfit. Vom Alter schätzte ich ihn auf etwa zwanzig. Er bemerkte mich und sein Blick wanderte meinen Körper entlang, als wollte er mich analysieren. Ich hielt seinem eindringlichen Blick stand und er verweilte mit seinen Augen eine Weile auf meinen, ehe er lächelte. Nie zuvor hatte ich jemanden so herablassend lächeln sehen. „Habe ich etwas im Gesicht oder warum starrst du mich so an, Mondkalb?“ fragte er schließlich mit einer ruhigen, aber dennoch kalten Stimme und sofort stieg Wut in mir hoch. Wie hatte der Kerl mich gerade genannt? So ein unverschämter, arroganter, eingebildeter... „Hast du deine Zunge verschluckt, Mondkalb? Saitoh-san, wer ist das?“ „Das ist Obi Kanagi, Ihr neuer Assistent.“ „Tatsächlich?“ Ein unheilvolles Funkeln trat in Miyoshi-sans Blick und er trat dicht an mich heran. „Mein letzter Assistent hat zwei Wochen durchgehalten. Wenn ich mir dich so ansehe, würde ich sagen, du schaffst gerade mal drei Tage.“ „Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miyoshi-san. Auf gute Zusammenarbeit.“ gab ich gepresst zurück und verbeugte mich tief vor dem anderen. Nicht ausrasten, nicht ausrasten... „Sieh mal an, wer da seine Zunge und seine Manieren wiedergefunden hat. Ich bin mir sicher, die nächsten sechs Wochen werden dir im Gedächtnis bleiben, Mondkalb. Immer vorausgesetzt natürlich, du kannst so weit denken.“ Ich richtete mich wieder auf und bekam gerade noch mit, wie Miyoshi-san mir den Rücken zudrehte und sich an die Harley stellte. Hier war ich also. Mein erster Ferienjob stand mir bevor. Mein Chef war ein Arsch und ich musste nun 42 Tage mit ihm aushalten. Ja, ich hätte mich wohl lieber woanders bewerben sollen. Aber das kam wohl zu spät. Diesen Sieg würde ich Miyoshi-san auf jeden Fall nicht gönnen. Wir würden ja sehen, wer hier aufgab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)