Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 23: Ein besonderes Geschenk ----------------------------------- ♥ Taichi ♥ „Also irgendwie hängt das völlig schief. Auf deiner Seite muss es noch ein Stückchen höher, Taichi“, dirigierte ihn seine beste Freundin mit einem kritischen Blick. „Man Sora, vorhin musste es noch ein Stückchen runter! Entscheid‘ dich mal“, nörgelte er, während er die Girlande mühsam über seinem Kopf hielt und einen genervten Blick zu Yamato warf, der das andere Ende festhielt. Murrend stellte er sich auf die Zehenspitzen, sodass er ein Stück höher kam, so wie es Sora von ihm verlangt hatte. „Jetzt richtig?“, fragte er und warf den Blick über die Schulter, während seine beste Freundin den Kopf schräg gelegt hatte. Sie hatte bereits den Hammer und ein kleines Kästchen mit Nägeln in den Händen, ehe sie bestätigend nickte und Tai erleichtert ausatmete. „Na endlich, mir schlafen schon die Arme ein“, murrte er gequält und hielt die Girlande mit einer Hand fest, um sich einen Nagel von Sora geben zu lassen. Etwas umständlich versuchte er die Girlande damit zu befestigen, platzierte den Nagel gegen die Wand und ließ sich den Hammer anreichen, um ihn festzuschlagen. „Pass auf, dass du dir nicht auf den Daumen schlägst“, ermahnte Sora ihn als er vorsichtig zu hämmern begann. „Hallo, sowas habe ich schon öfters…aua! Verdammt“, rief er und ließ die Girlande abrupt los, die zu Boden sank. Schmerzerfüllt befeuchtete er seinen Daumen und verzog automatisch das Gesicht. „Ich hab‘ es dir ja gesagt“, flötete sie unschuldig und ging in die Knie, um die Dekoration aufzuheben. „An deiner Stelle würde ich das nächste Mal besser auf sie hören“, stimmte Yamato mit ein, der immer noch das andere Ende festhielt. „Hört gefälligst auf euch gegen mich zu verschwören! Eure Paardynamik ist manchmal echt ätzend!“, knurrte er und hielt sich noch immer den Daumen, obwohl der Schmerz langsam nachgelassen hatte. Sora kicherte als sie mit Yamato die Position tauschte und er den Nagel sachte in die Wand schlug. Fünf Minuten später hing die Girlande mit dem Schriftzug „Happy Birthday“ endlich an der Wand. Tai hatte sich gerade aufs Sofa gesetzt, ehe sich Yamato zu ihm gesellte und Sora in die Küche verschwand. „Wollt ihr etwas trinken?“ „Ein Wasser wäre nicht schlecht. Diese ganze Party-Planerei ist furchtbar anstrengend“, seufzte der Brünette theatralisch und fasste sich demonstrativ gegen seine Stirn. „Du hast doch extra angeboten zu helfen“, stellte Yamato nüchtern fest. „Und außerdem haben wir doch jetzt auch erstmal Ferien. Da kannst du schon mal was machen, um fit zu bleiben, nicht, dass Herr Ichinose wieder meckert“, gab Sora zum Besten und hielt den beiden zwei Gläser Wasser vor die Nase, bevor sie sich selbst eins eingoss und sich zu ihnen gesellte. Sie setzte sich den Jungs gegenüber auf den Sessel und musterte sie grinsend. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass ihr Makotos Unterhose gehisst habt. Das hätte ich echt gern gesehen“, meinte sie schadenfroh und nippte an ihrem Glas. „Ja, sein Gesicht war wirklich unvergesslich gewesen, obwohl wir ganz schön Ärger bekommen haben“, erinnerte sich Tai und trank ebenfalls einen Schluck. Die ganze Aktion war bereits über eine Woche her und obwohl sie Ärger bekommen hatten und Nachsitzen mussten, hatte es sich für Taichi mehr als gelohnt. Sie hatten diesem arroganten Arsch ganz schön die Leviten gelesen und Mimis Ehre verteidigt. „Ich bin immer noch fassungslos, dass ich mich so in ihm getäuscht haben soll“, erwiderte Yamato niedergeschlagen. „Er war plötzlich ein komplett anderer Mensch. So habe ich ihn noch nie gesehen.“ „Ich glaube du solltest in Sachen Menschenkenntnis besser auf Sora vertrauen. Sie hat es von Anfang an gesagt gehabt!“, merkte Tai an, auch wenn sich Sora bei dieser Aussage sichtlich unwohl fühlte. Sie wusste genau, was für Yamato auf dem Spiel stand. Denn mit dem Rauswurf von Makoto hatte sich ein deutliches Problem entwickelt: Die Band brauchte einen neuen Gitarristen. Und dass innerhalb eines Monats, da bald der langersehnte Bandwettbewerb stattfinden sollte. Zwar suchte Yamato bereits nach einem neuen Mitglied, aber bisher hatten sie nur wenig Erfolg gehabt. „Es tut mir echt leid, dass er sich tatsächlich als Arsch entpuppt hat und ihr jetzt einen neuen Gitarristen suchen müsst“, antwortete sie entschuldigend und ließ betroffen den Kopf hängen. Yamato setzte sich leicht auf und drückte seine Ellenbogen auf seinen Unterschenkeln ab, während er das Glas in seiner Hand drehte. „Du brauchst dich am allerwenigstens zu entschuldigen. Dass, was er gemacht hat, war unter aller Sau und ich bin echt froh, dass es Mimi mittlerweile bessergeht.“ Tai zuckte bei ihrem Namen zusammen, während sich Soras trauriger Blick etwas erhellte. „Ja, darüber bin ich auch sehr froh. Und ich glaube sie wird sich sehr freuen, wenn wir heute ihren Geburtstag nachfeiern.“ „Das denke ich auch. Und es ist echt nett, dass deine Mutter uns die Wohnung überlassen hat“, bestärkte Yamato sie, als er das Glas in einem Zug austrank, aufstand und Sora einen sanften Kuss auf die Stirn hauchte, der sie zum Lächeln brachte. Bedrückt beobachtete Taichi die beiden, sah, dass sie sich allmählich wieder annäherten und die vergangenen Streitigkeiten in der Gegenwart nichts mehr zu suchen hatten. Er fragte sich, ob es bei Mimi und ihm auch so einfach werden würde. Seit Tanabata hatten sie nur belanglose Gespräche miteinander geführt, weil sie keine Gelegenheit hatten unter vier Augen über ihren Streit zu sprechen. Heute würden sie ihren Geburtstag nachfeiern und Taichi hoffte auf eine Gelegenheit, sich bei ihr entschuldigen zu können. _ Gegen Abend trudelten immer mehr Gäste ein, die die Wohnung von Sora und ihrer Mutter gänzlich ausfüllten. Die meisten waren Klassenkameraden, die Taichi nur vom Sehen kannte. Er stand mit einer Flasche Cola mitten im Raum und beobachtete die einzelnen Gäste genau, als sein Blick an ihr hängen blieb. Sie stand direkt neben Koushiro, der sich gemeinsam mit ihr und einigen Klassenkameraden angeregt unterhielt. Sie lächelte verschmitzt und berührte sanft den Arm ihres besten Freundes, der ihr Zeitgleich einen liebevollen Blick zuwarf und entspannt einen Schluck seines Getränks zu sich nahm. Tai beäugte das Geschehen mit Argwohn. Die beiden standen sich schon immer sehr nah, aber seit Koushiro Mimi vor der ganzen Schule so verteidigt hatte, schienen sie sich noch näher zu stehen, während er auf der Stelle tappte. Nicht wusste, ob sie sich überhaupt nochmal so nahestehen würden. Es ärgerte ihn daher, dass er nicht an Koushiros Stelle war. Nicht locker mit ihr reden konnte, da die Vergangenheit ihm in seinem Nacken saß. Wie gerne würde er ihr sagen, dass sie heute Abend einfach nur fantastisch aussah? So wie sie sich grazil in ihrem luftigen Sommerkleid bewegte? Dass er nicht aufhören konnte, sie begeistert anzustarren, wohlwissen, seiner eigenen Sehnsucht zu verfallen, die wie ein Tropfen auf einem heißen Stein glühend verdampfte. Er biss sich auf die Unterlippe als er mit einer Hand zu seiner Hosentasche wanderte und eine kleine längliche Schatulle ertastete. Taichi hatte sein Geschenk nicht zu den anderen gelegt, da er auf Teufel komm raus es ihr persönlich überreichen wollte, auch wenn er sich deswegen nirgends hinsetzen konnte, ohne es aus seiner Hosentasche zu entfernen. Erst hatte er es zu den anderen Geschenken gelegt, doch in einem unbeobachteten Augenblick hatte er es wieder an sich genommen, um die Gelegenheit, Mimi alleine anzutreffen, nicht zu verpassen. Er frage sich, wie sie wohl auf sein Geschenk reagieren würde. Wäre sie überrascht? Erfreut? Perplex? Er konnte ihre Reaktion gar nicht einschätzen, wollte aber unbedingt dabei sein, wenn sie es öffnete. Sein Blick wanderte weiter und erspähte seine restlichen Freunde, die unbeschwert Zeit miteinander verbrachten. Daisuke gestikulierte ausdrucksstark mit den Händen, verzog das Gesicht als hätte er in eine überreife Zitrone gebissen, während seine Schwester sich vor Lachen den Bauch hielt und Takeru mit ihrem herzlichen Gelächter förmlich ansteckte. Yolei, Ken und Cody saßen gemeinsam mit Joe auf der Couch und prosteten sich beherzt zu, während der angehende Mediziner mal wieder eine Moralpredigt über zu viel Alkohol hielt. In einem unbemerkten Augenblick durfte Cody mal kurz an Kens Bier nippen, auch wenn es der Jüngste in der Runde prompt zu bereuen schien, was Tai anhand seines angewiderten Gesichts erschließen konnte. Generell waren sie eine sehr überschaubare Gruppe, auch wenn er seine besten Freunde nirgends entdecken konnte. Er trank seine Cola aus, stellte sie auf die Küchenzeile und beschloss Sora und Yamato einfach suchen zu gehen. Die beiden konnten sich ja nicht in Luft aufgelöst haben, auch wenn er sie schon länger nicht mehr gesehen hatte. Sie waren schon ziemlich betrunken gewesen und hatten ständig ihre neuentflammten Liebe zelebriert, weshalb Taichi voller Neid gar nicht mehr hinsehen konnte. Es war ja schön und gut, dass sie die Streitereien hinter sich gelassen hatten, aber musste sie ihm ihr Glück auch noch unter die Nase reiben? Frustriert ging er in Richtung Badezimmer, während die Musik dröhnend in seinen Ohren pochte. Er kam an Soras Zimmer vorbei und sah sofort, dass ihre Zimmertür geschlossen war. Aha, daher wehte also der Wind, dachte er sofort und konnte sich ein verwegenes Grinsen nicht verkneifen. Er schüttelte nur sachte den Kopf als er sich abwandte und ins Badezimmer ging. Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich erschöpft dagegen. Langsam pfriemelte er sein Geschenk hervor und betrachtete das bunte Papier gedankenverloren, ehe er sich schlapp auf dem Badewannenrand niederließ und herzhaft schnaufte. „Was mach‘ ich hier nur?“, murmelte er, während er sich durch die Haare fuhr und sich leicht nach vorne beugte. „Im Badezimmer sitzen und Selbstgespräche führen?“, ertönte hinter ihm eine Stimme, die ihn sofort erschrocken zusammenfahren und ruckartig herumdrehen ließ. Er erstarrte als er sie plötzlich hinter sich in der Badewanne sitzen sah. Hatte er sie nicht vor wenigen Minuten noch draußen mit Koushiro und ein paar Klassenkameraden stehen gesehen gehabt? Was machte sie hier nur? Und warum saß sie in der Badewanne? Sie lächelte vage und drehte ihre Flasche mit Mix-Bier unsicher in ihren Händen, während sie auf eine Reaktion von ihm wartete. Doch er fühlte sich wie zu Eis erstarrt. Wieso musste sie ihn immer so hinterrücks überraschen? So hatte er sich das Ganze allerdings nicht vorgestellt gehabt. _ „Und warum sitzt du hier so alleine? Macht die Party dir keinen Spaß?“, fragte er behutsam als sie einen kräftigen Schluck ihres Biers zu sich nahm. „Irgendwie wurde mir, dass alles ein bisschen viel. Die Zeit rast einfach nur so davon und niemand kann sie aufhalten, auch wenn ich mir manchmal echt eine Pause-Taste wünschen würde“, erwiderte sie traurig und blickte auf glatte Fläche der Badewanne, während sie ihre Beine dicht an ihren Körper zog. „Willst du auch einen Schluck?“ Sie hielt ihm die Bierflasche direkt vor die Nase als er sie zögerlich ergriff und an seinem Mund ansetzte. Er schmeckte noch den süßlichen Geschmack ihres Erdbeerlipgloss, der an der Flaschenöffnung haftete. Als er die Flasche abgesetzt hatte, reichte er sie wieder an Mimi weiter, in der Hoffnung, dass sie sich jetzt nicht hemmungslos betrinken würden. Es war eine günstige Gelegenheit mit ihr zu reden, er wusste nur nicht, wie er anfangen sollte. „Ich glaube, irgendetwas stimmt nicht mit mir“, sagte sie matt und blickte ins Leere. Überrascht sah Taichi sie an und konnte sich keinen Reim darauf bilden, was sie ihm damit sagen wollte. „Was? Wieso glaubst du das denn?“, hakte er unsicher nach und sah auf einmal, dass die Tränen in ihren Augen glitzerten. Sie platzierte ihre Flasche auf ihrem Knie und balancierte sie unruhig hin und her, bevor sie schwerfällig weitersprach. „Ich mache immer alles falsch. Schiebe die Menschen von mir weg, die es nur gut mit mir meinen und lasse wiederum andere Menschen an mich heran, für die es okay ist mich auszunutzen und damit rum zu prahlen.“ Er schluckte und beobachtete wie eine einsame Träne ihre Wange hinunter rann, sich an ihrem Kinn bündelte und auf ihr Kleid tropfte. Sie presste qualvoll die Lippen aufeinander, während Tai bewusst wurde, dass die Sache mit Makoto sie mehr verletzt hatte, als sie zugeben wollte. Dass Rache nur bedingt Erleichterung verschaffte, aber nicht den Schmerz vertrieb, der tief im Herzen wohnte. „Es tut mir so leid“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme und senkte den Kopf so, dass ihr ihre Haare ins Gesicht fielen. „Ich hätte auf dich hören sollen…“ Verblüfft rutschte er etwas zu ihr als das Bedürfnis in ihm aufstieg, sie einfach in den Arm nehmen zu wollen. Sie zu trösten. Die starke Schulter zu sein, die sie jetzt brauchte. „Hey…“, ertönte zaghaft seine Stimme, ehe er seine Hand behutsam auf ihrem Rücken platzierte und sanft darüberfuhr. „Wir haben beide an diesem Abend dumme Dinge zueinander gesagt. I-Ich wollte dich davon abhalten, mit ihm mitzugehen, aber habe dich mit meinen Worten nur in seine Arme getrieben.“ Qualvoll richtete sie ihre feuchten Augen zu ihm, während stumme Tränen über ihre Wangen rollten. Taichi beugte sich etwas zu ihr vor, fuhr mit dem Daumen zärtlich über ihr nasses Gesicht und fing ihre Tränen ab. „Du solltest keine Tränen mehr an diesen Idioten verschwenden. Er verdient keine einzelne davon“, raunte er ihr entgegen und wich etwas zurück, da in ihrer Nähe seine Gefühle allmählich verrückt zu spielen schienen. Der Drang, sie in seinen Armen zu wissen und seine Lippen mit ihren zu versiegeln, wuchs je näher sie sich kamen. Er schielte kurz zur Seite und entdeckte sein Geschenk, dass er neben sich gelegt hatte, um sich hinsetzen zu können. Er lächelte leicht, als er es in die Hand nahm und sich ihr wieder zuwandte. „Vielleicht hilft das ja ein bisschen dabei, dass du wieder lächelst“, erwiderte er verlegen und reichte das längliche Päckchen an sie weiter. Ihre Fingerspitzen berührten sich leicht, als sie es entgegennahm, während ein kleiner intensiver Stromschlag durch seinen Körper wanderte und ihn mit Anspannung umhüllte. Mit großen Augen sah sie ihn an und pfriemelte vorsichtig an dem bunten Geschenkpapier herum. Ohne es großartig zu beschädigen, holte sie die schmuckvollverzierte Schatulle hervor. Tais Herz klopfte mit Hochdruck gegen seine Brust, als sie den Deckel sachte öffnete. Ihre braunen Augen, die im Mondlicht golden schimmerten, wanderten ungläubig von ihrem Geschenk zur Tai und wieder zurück. Sie ließ die Schatulle auf ihren Schoss sinken und fuhr mit zitternden Fingern über die gravierte Fläche. „Ein Vergissmeinnicht?“, fragte sie euphorisch und konnte ihr glückliches Lächeln vor ihm nicht verbergen. „Aber wie…?“ „Naja, es sind doch deine Lieblingsblumen und i-ich…ich wollte dir damit eine Freude machen“, erklärte er ihr nervös. „Ich hoffe, es gefällt dir.“ „Ja, natürlich. I-Ich bin gerade einfach nur sprachlos“, erwiderte sie kichernd und nahm die Kette aus der Fassung. „Legst du sie mir an?“ Sie öffnete den Verschluss, legte sie um ihren Hals und wandte Tai ihren Rücken zu. Etwas unsanft rutschte er mit den Knien näher an sie heran, nahm den Verschluss entgegen und sah wie sie ihre Haare zusammenraffte und anhob, damit er die Ketten schließen konnte. _ Nervös versuchte er den Verschluss mit der dazugehörigen Öse zu verbinden, was ihm jedoch nicht gleich gelang, da seine Nerven ihm einen Strich durch die Rechnung machten. Er zitterte am ganzen Körper und schaffte es erst nach vier Versuch sie an Mimis grazilem Hals zu befestigen. „Du hast mir nie erzählt, warum Vergissmeinnicht deine Lieblingsblumen sind“, platzte aus ihm hervor als sie sich zum ihm hinwandte. „Ist eben mein kleines Geheimnis“, schmunzelte sie verschmitzt und lehnte sich wieder gegen die kühlen Fließen. „Ernsthaft? Mit dieser Antwort fertigst du mich jetzt ab?“, schmollte er und legte seinen Arm am Wannenrand ab, während er eine bequemere Position einnahm. Mimi grinste, nahm ihre Flasche wieder an sich und trank erneut einen kräftigen Schluck, als sie sie Tai wieder vor die Nase hielt. „Willst du mich etwa betrunken machen? Ich glaube dazu brauchst du echt mehr als nur ein Mixbier“, lachte er und trank ebenfalls, auch wenn er es etwas widerwillig tat. „Du weißt doch, dass wir beide und Alkohol keine gute Kombination ergeben.“ „Aber trotzdem sitzen wir hier in der Badewanne und trinken. Ironie des Schicksals?“, er lachte leise und reichte die Flasche wieder an die weiter, damit sie sie leeren konnte. „Mein Vater hat meiner Mutter beim ersten Date Vergissmeinnicht geschenkt“, erzählte sie auf einmal, während Tai sein Kinn auf seiner Handfläche leicht abstützte. „Er meinte damals zu ihr, dass die Blumen sie an das wundervolle Date erinnern sollten, auch wenn es in Wirklichkeit eine wahre Katastrophe war.“ „Eine Katastrophe?“, hakte er sofort nach. Mimi lächelte und spielte an der leeren Bierflasche, indem sie das Etikett etwas ab knibbelte. „Ja, den Tisch, den sie in diesem schicken Restaurant reserviert hatten, war irgendwie vergeben und meine Mutter kann wirklich grantig werden, wenn sie Hunger hat.“ „Also da kenne ich noch jemanden“, murmelte Tai als Mimi ihm einen bösen Blick zuwarf, aber dann doch unbeirrt weitererzählte. „Sie haben sich dann einfach eine Pizza mitgenommen und wollten in Ruhe im Park essen, bis mein Vater eine allergische Reaktion bekam. Anscheinend hatten sie Ananas auf die Pizza gepackt und die hatte er vor lauter Käse leider nicht gesehen, bis er bemerkt hatte, dass ihm der Hals zu schwillt.“ Taichi verzog augenblicklich das Gesicht. Das hörte sich ja wirklich nach einem Chaos-Date an. Etwas, dass sich wohl niemand wünschen würde. Gerade nicht beim ersten Date. „Jedenfalls mussten sie dann ins Krankhaus fahren und mein Vater bekam eine Allergiespritze und musste ein paar Stunden zur Beobachtung dableiben, während meine Mutter ihm keinen Zentimeter von der Seite gewichen war. Als die beiden rauskamen, war es bereits spät abends gewesen und mein Vater bekam ein unglaublich schlechtes Gewissen, weil das Date ja alles andere als toll gelaufen war“, sie lächelte unvermittelt und betrachtete die Kette, die er ihr vor wenigen Minuten um den Hals gelegt hatte. „Gegenüber vom Krankenhaus befand sich ein kleiner Blumenladen, der trotz der späten Uhrzeit noch geöffnete hatte“, erzählte sie weiter. „Mein Vater war dann gemeinsam mit meiner Mutter dort hineingegangen und wollte ihr als Entschädigung einen kleinen Strauß besorgen, aber leider hatten sie nur noch einen Einzigen da.“ „Lass mich raten…ein Sträußchen Vergissmeinnicht?“, steuerte er gewitzt bei, während Mimi spielerisch die Augen verdrehte. „Wow Sherlock, du solltest wohl wieder auf Verbrecherjagd gehen. Deinem scharfen Verstand entgeht wirklich nichts“, zog sie ihn auf, als Taichi beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte. „Manchmal bist du echt…“ „Manchmal bin ich was? Höflich und zuvorkommend?“ „Wohl eher ziemlich frech…“, konterte er sofort. „Frech? Hallo? Hör mal…“ „Okay, wie ging es dann mit deinen Eltern weiter? Konnte der Blumenstrauß das Date retten?“, unterbrach er sie sanft. „Ich glaube, die Frage kannst du dir selbst beantworten, weil sonst würde ich wohl kaum vor dir sitzen, oder?“, ergänzte sie spitzfindig und reckte den Hals. „Auch wieder wahr…aber eine schöne Geschichte. Ich glaube bei meinen Eltern war es ganz unspektakulär gewesen. Sie sind schon in der Mittelschule zusammen in einer Klassenstufe gewesen und während der Oberschule dann zusammengekommen.“ „Das ist doch auch süß. Sie kennen sich ja dann schon eine halbe Ewigkeit“, schwärmte Mimi verträumt. „Ja…so wie wir“, antwortet er unüberlegt. Mimi schluckte, als er merkte, dass sie sichtlich nervös wurde. Ein zarter Rotschimmer legte sich über ihre Wangen, während sie wieder mit den Fingern ihre Kette ertastete. „Vielen Dank für dein Geschenk“, bedankte sie sich herzlich, ohne auf Tais vorherigen Worte einzugehen. „Gern geschehen“, murmelte er mit verhangener Stimme, als sein Mut ihn erneut verließ und ihn kraftlos in dieser erdrückenden Situation zurückließ. „Vielleicht sollten wir langsam wieder zu den anderen zurückgehen. Sie fragen sich sicher schon, wo wir sind.“ Ernüchterung machte sich in ihm breit, als er gerade im Begriff war aus der Badewanne zu steigen und fluchtartig die Situation zu verlassen, bis er einen Widerstand bemerkte. Sein Arm wurde ruckartig zurückgezogen und brachte ihn dazu sich wieder hinzusetzen. Plötzlich spürte er, wie sie ihre zierlichen Arme um ihn schlang und ihren Kopf gegen seine Halsbeuge drückte. „Noch fünf Minuten, bitte…“, säuselte sie ihm entgegen, sodass sich eine zarte Gänsehaut auf seinem Körper ausbreitete. Er konnte sich nicht erklären, was auf einmal in sie gefahren war, aber er traute sich auch nicht irgendwelche Nachfragen zu stellen. Dafür genoss er viel zu sehr diesen winzigen Moment der puren Glückseligkeit, indem er ihre liebevolle Umarmung nur allzu gern erwiderte. Er verlor sich völlig in der Zeit und konnte nicht mehr einschätzen, wie lange sie sich in den Armen lagen, aber das war ihm auch völlig egal. Er schnupperte an ihrer braunen Mähne, die einen fruchtigen Geruch versprühte und seine Sinne vernebelte. Ungefähr in diesem Moment spürte er, dass die Umarmung schwächer wurde und sie sich langsam etwas von ihm entfernte, aber nur so weit, dass sie einander ansehen konnten. Gedankenverloren wanderte sie mit ihren Fingerspitzen, sein markantes Kinn entlang und strich ihm liebevoll einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, während er seine Hände an ihrer Taille platzierte und sie weiterhin fest in seinen Armen hielt. „Glaubst du an das Schicksal?“, durchdrang ihre Stimme den dunklen Raum. „Schicksal? Wie meinst du das genau?“ „Naja…wenn…“, sie druckste herum, während er beruhigend über ihre Seiten strich. Mimi sah ihn mit einem unergründlichen Blick an, den er gar nicht richtig fassen konnte, bis sie sich ihm plötzlich näherte. Er spürte ihren heißen Atem an seiner Wange, bemerkte, wie sie auf seine Lippen schielte, aber kurz davor stoppte. „Glaubst du, dass wenn zwei Menschen füreinander bestimmt sind, sie auch zueinander finden werden?“ Ihr Blick war erwartungsvoll auf ihn gerichtet, während in ihrer Stimme die pure Wehmut lag. Er wollte gerade etwas erwidern, doch sein Mund bewegte sich nicht. Die Worte wollten ihm einfach nicht über die Lippen gehen, auch wenn er gerne zu ihr gesagt hätte, dass er an das Schicksal glaubte. Dass er an sie glaubte. Doch ihm wurde auf einmal bewusst, dass es noch zu früh war, all das zu ihr zu sagen. Sie waren haargenau in der gleichen Situation wie vor zwei Jahren. Sie war frisch getrennt und er war immer noch hoffnungslos verliebt in sie. Ihre Augen wurden auf einmal ganz trüb als sie sich unvermittelt von ihm entfernte und auf Abstand ging. „Ich glaube, du hast recht, wir sollten wirklich zu den anderen gehen. Ich rede hier wirklich dummes Zeug.“ „Tust du nicht…“, löste sich von seinen Lippen und er erschrak ein bisschen als er seine eigene Stimme vernahm. Mimi hielt augenblicklich inne, während Tai all seinen Mut zusammennahm, sie mit einem festen Blick fixierte und seine Hand bestimmend hinter ihrem Nacken vergrub. „Was tust du da?“, fragte sie mit bebender Stimme, ehe er mit seiner anderen Hand Ihre ergriff und zärtlich über ihre weiche Haut fuhr. „Etwas, dass ich schon an Tanabata hätte tun sollen!“ Er kam ihrem Gesicht näher, berührte schon ihre Nasenspitze und suchte sehnsuchtsvoll mit den Lippen nach ihrem Mund als… „Mimi, bist du hier drinnen?“, ertönte Koushiros Stimme vor der Tür, bevor beide hektisch auseinanderfuhren. Taichi wandte den Blick über die Schulter und erkannte die Silhouette seines rothaarigen Freundes vor der Milchglastür des Badezimmers. „J-Ja, ich komme gleich“, antwortete Mimi unwirsch und stieg sofort aus der Badewanne, während Taichi frustriert schnaufte. Eine Sekunde, schoss ihm durch den Kopf. Eine verdammte Sekunde. Wieso musste Koushiro ausgerechnet in diesem Moment vor der Tür auftauchen? „Kommst du auch mit raus?“, fragte sie mit leiser Stimme als sie schon ihre Hand an dem Türknauf hatte. „Ich komme gleich nach“, antwortete er etwas unterkühlt, während Mimi ihm einen entschuldigenden Blick zuwarf, aber kurz danach das Badezimmer auch schon verließ. Zurück blieb ein betrübter Taichi, der mit dem Schicksal mal wieder auf Kriegsfuß stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)