Sünde von Labrynna ================================================================================ Kapitel 65: Melanie ------------------- Bumm, ba-bumm... Gregs Herzschlag war noch immer ein wenig zu schnell, doch bei Weitem nicht mehr so rasend wie kurz nachdem er mich mit einem Feuer geliebt hatte, das man seinem ansonsten eher zurückhaltenden Wesen gar nicht zugetraut hätte. Ich lag mit dem Kopf auf seiner nackten Brust, schmiegte mich an seine linke Körperhälfte und spielte gedankenverloren mit den kurzen, krausen Haaren, die in einer circa einem Zentimeter breiten Bahn fast senkrecht von seinem Bauchnabel bis zu seinem Lendenbereich wuchsen. Greg hatte einen Arm um mich gelegt und die Augen geschlossen, doch auf seinen Lippen lag ein wehmütiges, fast trauriges Lächeln. Ich fragte mich, was ihn nach diesen Stunden missmutig stimmen konnte. Diese Nacht, die wir miteinander verbracht hatten, war etwas ganz besonderes gewesen. Ich hatte zwar schon vorher oft mit Johannes geschlafen, was auch immer sehr schön gewesen war, aber ich hatte bei ihm nie dieses Gefühl gehabt, das mich in Gregs Armen überkommen hatte. Ich fühlte mich, als hätte ich ein fehlendes Puzzleteil von mir gefunden, von dem ich vorher noch nicht einmal gewusst hatte, dass ich es vermisste. Vorsichtig stützte ich mich auf den Ellbogen und betrachtete seine wunden, aufgebissenen Lippen. Während wir uns stürmisch geküsst hatten, war eine der kleinen Wunden wieder aufgeplatzt und ich hatte sein salziges Blut auf der Zunge geschmeckt. Irgendwie hatte mich das angemacht. Wieder einmal fragte ich mich, warum er sich ständig die Unterlippe aufbiss. War es einfach eine nervöse Angewohnheit oder eine leichte Form der bewussten Selbstverstümmelung? Manchmal schien Greg sich dermaßen zu hassen, dass ich es ihm durchaus zutraute. Ich drückte ihm sanft einen Kuss auf und er öffnete zögerlich die Augen. In seinem Blick lag so viel Wehmut, dass mir das Herz schwer wurde. Schnell richtete ich meine Aufmerksamkeit auf seine rechte Brustwarze, deren dunklen Hof ich spielerisch mit dem Zeigefinger umkreiste. „Was hast du vorhin eigentlich gemeint? Warum haben wir das hier nicht gedurft?“ Sofort setzte Greg sich auf und holte tief Luft, bevor er mit leiser und bedenklich zitternder Stimme antwortete: „Weil du meine Schwester bist.“ „Deine Adoptivschwester...“ Ich grinste ihn durchtrieben an und versuchte, ihn zu küssen, doch er zog sich mit ärgerlich zusammen geschobenen Augenbraunen zurück. „Nein, du verstehst mich nicht. Du bist meine Schwester.“ Ich starrte ihn mit leerem Gesichtsausdruck an. Was wollte er mir sagen? Er musterte mich besorgt von der Seite, zog die Beine an und fummelte nervös an der Bettdecke, als er stockend zu erzählen begann: „Diese ganze Adoptionssache war ein Fake. Ich... bin nicht normal, weißt du? Ich wollte so was wie das hier schon ganz, ganz lange. Aber ich wusste, dass es falsch ist. Deswegen brauchte ich eine Ausrede, um von dir weg zu kommen. Deswegen die ganze Sache mit der angeblich gefundenen Adoptionsurkunde....“ Greg sah mich wie ein kleiner Junge, der auf Prügel wartete, aus großen, ängstlichen Augen an, während ich das Gefühl hatte, einen kilometerlangen, düsteren Schacht hinab zu stürzen. Schwester... Bruder... Die Worte wirbelten ohne jede Bedeutung durch meinen Geist, während ich zu begreifen versuchte. Auf einmal ergab alles, was ich bisher nicht verstanden hatte, einen Sinn. Seine Feindseligkeit, die gequälten Blicke, sein Bestreben, sich von mir fern zu halten. „Als du gesagt hast, ich käme sowieso immer überall rein, da hast du von deinem Herzen gesprochen, oder?“ Meine Stimme klang unendlich weit weg, so als würden meine Ohren auf dem Grund eines Brunnens sitzen. Greg nickte kaum merklich. „Ja. Ich hab wirklich versucht, dich daraus zu verbannen, doch jedes Mal, wenn ich gedacht hab, ich hätte es endlich geschafft, warst du schneller wieder drin, als ich gucken konnte.“ Plötzlich hallte mir seine Stimme von seinem ersten Abend nach seiner Rückkehr durch den Kopf. „Mels Anwesenheit macht mich krank.“ Was zur Hölle hatte ich ihm angetan, als ich ihn immer und immer wieder gezwungen hatte, in meiner Nähe zu bleiben? Ich richtete meinen Blick, der in stummem Entsetzen über die Bettdecke gewandert war, erneut auf Greg und betrachtete seine nackte Brust, auf der mehrere rote Striemen glänzten, wo ich ihn gekratzt hatte. Ich schaute auf seine weichen Lippen, die er nun hart aufeinander presste, und sah ihm dann in die Augen, in denen so viel Angst und Liebe lagen, dass es mich einfach wahnsinnig machte. Dieser Mann war mein Bruder... Ich konnte, ich wollte einfach nicht glauben, dass das gleiche Blut durch unsere Adern floss. Nein, das durfte einfach nicht sein! Plötzlich wallte eine unbändige Wut in mir auf und ich begann mit den Fäusten gegen Gregs Brust zu trommeln, während mir heiße Tränen über die Wangen strömten. „Und du hast es die ganze Zeit gewusst! Du hast gewusst, dass wir Geschwister sind, aber du hast trotzdem zugelassen, dass wir miteinander schlafen. Du hast zugelassen, dass ich mich in dich verliebe, du widerlicher Mistkerl!“ Tiefer Schmerz, fast noch heftiger als der, den ich empfand, machte sich auf Gregs feinen Zügen breit, als ich ihm diese Tatsache eingestand: Ich hatte mich in meinen eigenen Bruder verliebt! In einen Mann, den ich nicht haben durfte... „Wenn du und deine beschissene Adoptionsaktion nicht gewesen wärt, hätte ich dich niemals als Mann gesehen. Dann wäre das alles nicht passiert!“ Ich hörte auf, Greg gegen die Brust zu trommeln, wo er in den nächsten Tagen sicherlich faustgroße Hämatome bekommen würde, und schlug mir die Hände stattdessen vors Gesicht, als mich ein heftiger Schluchzer schüttelte. Greg legte mir unsicher seine Hände um die Handgelenke und zwang mich, ihn anzusehen. Die Intensität seines Blicks und die Aufrichtigkeit in seinen Augen schnürten mir die Kehle zu. „Ich hab nicht gewollt, dass es so kommt, Mel. Aber verdammt, ich begehre dich so sehr, dass es schmerzt. Ich weiß, dass das falsch ist, aber ich kann nichts dagegen tun. Ich liebe dich. Ich wollte dir niemals wehtun.“ Ehe mir wirklich klar war, was ich tat, holte ich aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. „Du hast das alles nicht gewollt? Na, das macht es ja ungemein leichter... Weißt du was? Ich hasse dich! Du bist widerwärtig!“ Dann stand ich auf, raffte meine Sachen zusammen und verschwand türeknallend aus seinem Zimmer. Doch seinen Blick, den er bekam, als ich ihm sagte, dass ich ihn hasste, werde ich nie vergessen. Er war richtiggehend grün im Gesicht geworden, hatte keuchend geatmet und sich die Hand auf die Brust gepresst, so als würde er im nächsten Augenblick einen Herzinfarkt bekommen. Das Schlimmste jedoch waren seine Augen gewesen, die vollkommen gebrochen gewirkt hatten, wie leere Windlichter in denen keine Kerzen mehr brannten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)