Sünde von Labrynna ================================================================================ Kapitel 51: Johannes -------------------- Dafür, dass es noch nicht einmal Mai war, war die Luft um mich herum erstaunlich warm, während ich missmutig durch die Nacht stapfte, doch das nahm ich nur am Rande wahr, da ich mit den Gedanken ganz woanders war. Es gefiel mir ganz und gar nicht, dass Mel darauf bestanden hatte, noch an diesem Abend nach Hause zurück zu kehren – und das hatte nichts damit zu tun, dass ich sie einfach gerne bei mir gehabt hätte. Als sie am Mittag so plötzlich vor meiner Tür gestanden hatte, hatte mir ihr Anblick beinah das Herz gebrochen. Sie war vollkommen aufgelöst, ja schon beinah hysterisch gewesen und hatte so lange und heftig geweint, dass es fast eine Viertelstunde gedauert hatte, bis ich heraus bekommen hatte, was mit ihr los gewesen war. Greg war wieder zu Hause. Eigentlich hatte ich immer gedacht, Mel würde vor Freude im Kreis springen, wenn dieser Tag kommen würde, doch offensichtlich hatte ich mich da ziemlich geschnitten. Ich dachte an den großen, blonden Jungen, mit dem ich früher so oft Basketball gespielt hatte. Ich hatte immerzu das Gefühl gehabt, dass er seine Schwester von Herzen liebte und niemals zulassen würde, dass ihr jemand weh tat. Ich hätte mein eigenes Hinterteil darauf verwettet, dass Greg bei all seiner Wut auf seine Eltern Mel immer vermisst hätte, doch offenbar hatte ich mich auch in dieser Beziehung getäuscht. Der Greg, den Mel mir heute geschildert hatte, hatte nichts mehr mit meinem Freund aus Kindertagen gemeinsam. Dieser neue Gregor schien seine Schwester regelrecht zu hassen oder sie zumindest als eine Art Abschaum zu empfinden. Während ich mich fragte, ob er womöglich einfach eifersüchtig auf Mel war, weil sie das leibliche Kind ihrer Eltern war, brandete eine heiße Wut in mir auf. Wie konnte Greg sich nur so rücksichtslos und wie ein Vollarsch verhalten? Sah er nicht, wie sehr er Mel damit verletzte? Sie konnte doch überhaupt nichts dafür, wie die Dinge damals gelaufen waren. Wenn er sich nicht so halsstarrig angestellt hätte, hätte er seine Familie doch niemals zu verlassen brauchen. Als ich meinen Schlüssel ins Schloss der Haustür schob, fiel mir wieder ein, dass ich früher einmal gedacht hatte, Greg hätte die Macht mit einem einzigen Fingerschnippen seine gesamte Familie zu zerstören – allen voran Mel. Dieser Eindruck hatte sich heute leider nur noch bestärkt. Mel hatte regelrecht zerschmettert gewirkt. Und trotzdem hatte sie darauf bestanden, die Nacht zu Hause zu verbringen, wo sie der Eiseskälte ihres Bruders hilflos ausgeliefert war. Dabei war sie so schon kalkweiß gewesen und hatte irgendwie fiebrig gewirkt. Vermutlich hatte sie mal wieder den ganzen Tag lang nichts gegessen – das kam leider öfter vor, wenn sie traurig war. Ich schüttelte matt den Kopf und machte ein knurrendes Geräusch, das tief aus meiner Brust zu kommen schien. Manchmal hasste ich den Dickschädel meiner Freundin. Ich ließ mich flach auf mein Bett fallen und verschränkte die Hände hinter meinem Kopf. In meinem Magen rumorte es unablässig und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass das wirklich dicke Ende erst noch kommen würde. Irgendetwas schien seine düstere Hand nach Mel auszustrecken, um sie in die Tiefe zu ziehen – und dieses Etwas war zusammen mit Greg gekommen. Ohne dass ich es hätte verhindern können, ballte sich tief empfundener Hass für meinen ehemaligen Freund in meiner Brust zusammen. Wenn er Mel irgendetwas tun würde, würde ich ihn umbringen... Genervt streifte ich im Liegen meine Turnschuhe ab und stellte meine Füße dann so aufs Bett, dass ich die Beine anwinkeln musste. Alles, was ich momentan tun konnte, war abwarten und hoffen, dass Mel am nächsten Tag anrufen und erzählen würde, dass alles nur ein großes Missverständnis war und dass nun wieder alles in bester Ordnung sei. Doch auch wenn ich nicht wusste, woher ich diese Gewissheit nahm, war mir klar, dass dies nicht passieren würde. Irgendetwas war aus dem Gleichgewicht geraten und ich hatte die leise Ahnung, dass sich Gregs Rückkehr auch auf meine Beziehung zu Mel auswirken würde – warum auch immer. Wie eine Ratte hatte sich dieses Gefühl in meinem Magen eingenistet und nagte unablässig an meinem Innersten. Aus unerfindlichen Gründen machte mir diese Situation Angst. Rational betrachtet hatte ich doch eigentlich gar nichts zu verlieren. Greg war lediglich Mels Bruder, nicht ihr lange verschollener Exfreund. Doch mein heftig schlagendes Herz wollte sich nicht einreden lassen, dass alles in Ordnung war. Egal wie ich die momentanen Umstände in meinem Kopf drehte und wendete, meine Gefühlswelt schrie, dass Greg bald wieder verschwinden musste, sonst würde womöglich noch ein Unglück geschehen. Ich versuchte, mir einzureden, dass ich mir einfach Sorgen um Mel machte – was ja auch angesichts ihres heutigen Zustands nicht verwunderlich war – doch wenn ich ehrlich zu mir war, konnte ich die unterschwellig bohrende Eifersucht nicht verleugnen. So schäbig es war, irgendwo tief in mir drin empfand ich eine leise Erleichterung darüber, dass Greg sich so abweisend Mel gegenüber verhielt. Ich wollte sie einfach nicht teilen, noch nicht einmal mit ihrem Bruder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)