Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 240: Zuhause -------------------- 240) Zuhause Müde rieb sich Sam über die Augen. Er strich sie die Haare zurück und ließ sich gegen die Lehne seines Stuhles fallen. Es reichte. Sein Blick fiel auf Dean, der schon einen ganzen Packen abgearbeitet hatte. „Dean?“, sprach er ihn an und legte vorsichtig die Hand auf dessen Arm. Der Ältere blickte irritiert auf. „Mach Schluss.“ Dean schien kurz zu überlegen, schüttelte dann aber den Kopf. „Ich geh ins Bett“, erklärte Sam ruhig. Dean nickte und beugte sich wieder über seine Aufgaben. Sam legte seine Hand auf die Blätter und zwang seinen Bruder so, ihn erneut anzuschauen. „Das solltest du auch. Du kannst es morgen weitermachen.“ Wieder schüttelte Dean den Kopf. „Wir machen erst weiter, wenn ich die Aufgaben kontrolliert habe“, erklärte Sam ernst, „Und das mache ich auf jeden Fall erst bei Bobby und nicht morgen!“ Wütend starrte Dean seinen Bruder an. „Es ist ja nicht dein Leben, das weg ist!“ Sam atmete kurz durch. „Das Leben ist nicht nur Schulwissen, Dean. Das hab ich dir schon einmal erklärt.“ „Ich hab aber nichts anderes!“, fauchte Dean wütend. Ergeben verdrehte Sam die Augen. „Ich kontrolliere es übermorgen Vormittag“, erklärte er leise, aber bestimmt. „Jetzt bin ich müde und geh ins Bett. Bitte mach nicht mehr so lange und leg dich dann auch hin, egal ob du schlafen kannst oder nicht.“ Er nahm seine Hand von den Blättern. Sofort beugte sich Dean wieder darüber und machte weiter. Sam stand auf und ging duschen. Noch im Einschlafen überlegte er, wo Deans Unbefangenheit abgeblieben war, wann hatte er die verloren. Bei dem Gedanken an Deans Frage, ob er niedlich wäre huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Ganz war sie wohl doch nicht verschwunden. Gähnend setzt Sam sich am nächsten Morgen auf. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass Dean wieder nicht geschlafen hatte. Immerhin schien er es aber wieder probiert zu haben und das rechnete er ihm hoch an. Genau wie die Tatsache dass er den Fernseher nicht angeschaltet hatte. Stattdessen saß er vor dem Laptop und starrte auf den Bildschirm. „Guten Morgen, was guckst du dir an?“ Sam erhob sich und ging zu seinem Bruder. Der schaute irgendwie etwas schuldbewusst aus der Wäsche. „Bilder. Bilder von Bobby.“ Er schaute zu Sam hoch. „Ich wollte nochmal sehen wie er aussieht, wenn wir heute zu ihm kommen.“ Ein Lächeln huschte über Sams Gesicht. Sein Bruder beschäftigte sich mit seiner Familie. Das hätte er so nicht erwartet. „Ich bin durch“, sagte Dean gleich darauf und zeigte auf seine Prüfungsaufgaben. Augenblicklich erstarb das Lächeln auf Sams Gesicht und machte einem besorgten Ausdruck Platz. Er nickte. Eigentlich hatte er ja nichts anderes erwartet. „Ich gehe es morgen Vormittag durch und dann sehen wir, was du noch lernen musst, okay?“ „Und was mach ich solange?“ Er gähnte verhalten. „Da findet sich schon was. Erst mal fahren wir noch eine ganze Weile.“ Sam nahm die Bögen und verstaute sie in seiner Tasche. „Du kannst dich schon mal umziehen. Ich mach mich fertig, dann können wir los.“ „Ich muss noch Zähne putzen“, erklärte Dean und rieb sich über seine Wange. „Muss ich mich rasieren?“ „Nein, lass es so, es sieht gut aus. Oder stört es dich?“ Dean rieb sich erneut über seinen Dreitagebart. Kurz vor ihrer Abfahrt hatte er sich das letzte Mal rasiert. Er schüttelte den Kopf. Wenn Sam meinte. In aller Ruhe begann er sich anzuziehen. „Kann ich so gehen?“ fragend schaute Dean seinen Bruder an, der gerade aus dem Bad kam. Er hatte gelesen, dass man zum Antrittsbesuch ordentliche Kleidung tragen sollte. „Du kannst Dean, du kannst.“ Er grinste. „Das ist kein Antrittsbesuch. Bobby würde dich in jeder Aufmachung willkommen heißen. Ihm ist egal wie wir aussehen, er will nur dass es uns gut geht.“ Unsicher nickte Dean. Wenn Sam das so sagte, musste er es wohl glauben. Trotzdem wollte er nichts falsch machen, schließlich sollten sie da ja wohnen. Gemeinsam packten sie die wenigen Dinge ein, die sie am Vorabend ausgepackt hatten und während Sam den Schlüssel zurückbrachte, packte Dean ihr Gepäck in den Kofferraum des Impalas. „Können wir noch was essen fahren?“, fragte er, während er sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. „Klar“, lachte Sam. „Ich verhungere fast“, erklärte er und lenkte den Impala vom Parkplatz. Sie fanden ein kleines Diner, ein paar Querstraßen weiter und während Dean noch seine Waffeln verputzte, überlegte Sam ob er ihm den MP3-Player schon jetzt geben sollte. Genau in dem Moment gähnte sein Bruder verhalten und er verwarf den Gedanken. „Du kannst gleich wieder schlafen“, grinste Sam. „Aber das ist das letzte Mal. Bei Bobby solltest du wirklich versuchen nachts zu schlafen. Ich denke da wird tagsüber viel Neues auf dich einprasseln.“ „Was denn?“ „Fahrunterricht zum Beispiel.“ „Muss ich dann auch so lange fahren?“ „Nein, du musst nicht. Vielleicht willst du es irgendwann, aber erst mal bleiben wir bei Bobby.“ Dean nickte eher abwesend und ließ seinen Blick über das schwarze Ungetüm auf dem Parkplatz gleiten. Hatte er den auch gefahren? Hatte es ihm Spaß gemacht? Er wusste es nicht. Aber er wusste so vieles nicht und egal wie sehr er versuchte sich zu erinnern, sein Gedächtnis verweigerte ihm den Zugriff auf alles, was sein Leben betraf. Wütend knirschte er mit den Zähnen. Sam konnte die Gedanken seines Bruders an seinem Gesicht ablesen. Sanft legte er ihm die Hand auf den Unterarm. „Dean?“, begann er leise und wartete, bis der ihn anschaute. „Es wird wieder.“ Und er hoffte, dass er so viel Zuversicht wie nur möglich in seine Aussage gelegt hatte. Vielleicht überzeugte er damit ja auch sich selbst? „Und wenn nicht?“, fragte der Ältere heiser. „Ich würde jetzt gerne sagen, dass sehen wir dann, aber ich denke wir arbeiten besser daran, dir ein Leben aufzubauen. Wenn deine Erinnerungen zurückkommen ist das der Sechser im Lotto und wenn nicht hast du so trotzdem ein Leben.“ „Ich will aber nicht ein Leben! Ich will mein Leben!“, knurrte Dean wütend und ballte die Fäuste bis die Knöchel weiß hervortraten. Zu gerne würde er jetzt auf etwas einschlagen! Sam schloss seine Hände um Deans und hielt sie fest. Er schaute seinem Bruder fest in die Augen und wartete bis sich der unstet flackernde Blick beruhigte und auf ihn fixierte. „Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du dein Leben wiederbekommst, aber je krampfhafter du versuchst dich zu erinnern, umso weniger wird es gelingen. Bitte Dean, versuch loszulassen, versuch dich auf die kleinen Veränderungen zu konzentrieren. Jeder Tag bringt Neues. Mit jedem Tag lernst du etwas wieder neu zu können. Es gibt so vieles, das du neu entdecken kannst, ohne dass dich die Ressentiments deines alten Lebens hindern.“ Wenn er sich so jetzt nur auch überzeugen konnte! Er hoffte auf nichts mehr, als dass Dean sich wieder erinnerte. Er betete jeden Abend, dass er die Geduld aufbrachte darauf zu warten und dass Dean sich a nächsten Tag erinnern würde. Bislang hatte er jeden Tag umsonst gehofft. „Was sind Ressentiments und wieso sollten die mich behindern?“ „Dad hat dir so viele Vorschriften gemacht, in vielem hast du seine Meinung übernommen, Musik, Kleidung, Lebensweise. Ich hab dir schon einmal gesagt, dass ich möchte, dass du dein Leben findest.“ „Ich will mich aber nicht ...“ Dean atmete aus und gab auf. Seine Fäuste öffneten sich, die Wut verschwand aus seinem Blick und machte einer Leere Platz, die Sam noch mehr erschreckte. Jetzt war er es, der sich zusammenreißen musste, um nicht auf irgendetwas einzuschlagen. Warum musste das Leben nur so ungerecht sein? „Lass uns zu Bobby fahren“, sagte er heiser und erhob sich um zu zahlen. Dean nickte gedankenverloren. Er trank seinen Kakao aus und ging nach draußen, wo sein Blick langsam über die schwarze Karosserie glitt. Er bemerkte nicht, dass Sam inzwischen neben ihm stand. Erst als er ihn: „Können wir?“, fragen hörte, kehrte er in die Gegenwart zurück. „Wo warst du mit deinen Gedanken?“, fragte Sam leise. „Ich war nicht weg“, Dean schüttelte den Kopf. Er öffnete die Tür und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Immer wieder schaute Sam während der nächsten zwanzig Meilen zu Dean hinüber. Sein Bruder war noch immer viel zu angespannt. Wie konnte er ihm das nur nehmen? Doch dann entspannte sich Dean und war wenig später eingeschlafen. Jetzt endlich atmete Sam erleichtert auf. Das würde noch ein hartes Stück Arbeit werden. Arbeit, die Dean unwissentlich boykottieren würde. Arbeit, die sie mit ihren Erwartungen wohl ebenso unbewusst boykottieren würden. Frustriert knirschte er mit den Zähnen. ‚Ruhig durchatmen, Sam‛, sprach er sich in Gedanken zu. ‚Es hilft niemandem, wenn du den Wagen in einem Straßengraben versenkst.‛ Aber vielleicht half ein Schlag auf den Kopf ja bei Dean? Frustriert grinsend schüttelte er seinen Kopf. Besser nicht! Er konnte es auch alles noch schlimmer machen! Heute waren ihm immerhin die Straßenbaugötter gewogen. Außer ein paar kleinen Baustellen, die er schnell hinter sich lassen konnte, gab es keine größeren Verzögerungen auf der Strecke. Trotzdem atmete er erleichtert auf, als er den Blinker setzen und auf den Schrottplatz einbiegen konnte. „Zuhause“, murmelte er leise und lächelte, als ihm bewusst wurde, was er da gesagt hatte. Dean war vor einer halben Stunde wach geworden und schaute sich jetzt neugierig, aber auch ängstlich um. „Hier wohnt Bobby?“ „Ja! Hier wohnen wir.“ Er ließ seinen Blick über das Haus und den Schrottplatz, soweit er ihn von hier aus einsehen konnte, gleiten. In diesem Moment trat Bobby auf die Veranda. Hinter ihm kam auch Jody aus dem Haus. Auf den Gesichtern der beiden lag ein Strahlen, aber selbst von hier aus konnte er die Unsicherheit sehen, die in ihrer gesamten Haltung lag. „Lass uns aussteigen, bevor sie sich noch Sorgen machen“, forderte er leise und öffnete die Fahrertür. „Nimmst du gleich dein Gepäck mit rein? Bitte?“ Dean seufzte leise. Jetzt hieß es wieder eine neue Situation zu bewältigen. Im Krankenhaus hatte er sich wirklich gut gefühlt, aber auch das Reisen mit Sam war nicht übel gewesen, wenn auch nicht so gut, wie die Sicherheit des Krankenhauses. Die konnte er hier ja vielleicht wieder finden, immerhin hatte Sam ihm versprochen, dass sie bleiben würden. Er stieß die Tür auf und schwang seine Beine aus dem Wagen. Etwas komisch war es ja schon, dabei von allen beobachtet zu werden. Er versuchte es zu ignorieren, während er zum Kofferraum ging und seine Tasche herausholte, bevor er die Klappe schwungvoll zuwarf. Sam hatte seinen Rucksack schon geschultert und stürmte mit großen Schritten zur Veranda. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal. Kaum stand er vor Bobby, ließ er seinen Rucksack fallen und fiel dem alten Jäger um den Hals. Endlich waren sie hier. Endlich war er mit dieser riesigen Aufgabe nicht mehr allein. Endlich konnte er auch mal schwach sein und sich verkriechen. Endlich war er Zuhause, denn seit Dean nicht mehr Dean war fühlte sich der Impala viel weniger wie ein Zuhause an, als zuvor. Wie sehr Dean für dieses Gefühl verantwortlich war, hatte er erst in den letzten Tagen bemerkt. Bobby war im ersten Augenblick überrascht, doch dann schloss er Sam ebenso herzlich wie erleichtert in die Arme. Seine Jungs! Sie waren zuhause! Ein Teil der riesigen Gerölllawine polterte ihm vom Herzen. Er drückte Sam fest an sich. „Hallo Junge“, begrüßte er ihn heiser, nachdem er ein Stück von ihm gelöst hatte. Dean folgte seinem Bruder langsam und blieb, als er die Umarmung sah, am Fuß der Veranda stehen. Er musste diesen Bobby jetzt aber nicht umarmen, oder? Soviel Nähe behagte ihm nicht. Er wollte sie nicht und er würde auf keinen Fall von sich aus jemandem so auf den Pelz rücken! Sam löste sich von Bobby. Sein Blick huschte zu Jodys Gesicht. Ihre Augen strahlten ihn mit so viel Wärme an, dass er sie augenblicklich in eine ebenso herzliche, wenn auch nicht ganz so feste Umarmung zog. Dean nahm bedächtig eine Stufe nach der anderen auf die Veranda hinauf und ging auf Bobby zu. Demonstrativ hielt er seine Reisetasche vor seinem Bauch fest. Sein Blick glitt über den Jäger bevor er ihm seine Hand zögerlich entgegenstreckte. „Sie sagen Dean Winchester zu mir“, stellte er sich leise vor. Bei diesem Satz musste der alte Jäger hart schlucken. Sam erstarrte mitten in der Bewegung und schloss gequält die Augen und Jody schniefte leise. „Hallo Dean!“, begrüßte Bobby seinen Ziehsohn, nachdem er diesen Schock verdaut hatte und reichte ihm die Hand. „Ich bin Bobby Singer.“ „Ich weiß“, nickte er. „Ich hab Fotos gesehen und Sam hat mir gesagt wer Sie sind, Sir“, schränkte er sofort ein, nicht dass der Mann auf die Idee kam, er könnte sich erinnern. „Ich freue mich, dass du hier bist.“ So richtig wusste Bobby noch nicht, wie er mit diesem Dean umgehen sollte. Sam löste sich von Jody und trat zur Seite, damit auch sie Dean begrüßen konnte. „Hallo Dean. Schön dich zu sehen. Ich bin Jody Mills“, sagte sie mit einem Lächeln und hielt ihm die Hand hin. „Sam hat viel von Ihnen erzählt, Ma‛am“, antwortete Dean mit einem Nicken und griff nach der Hand. „Hoffentlich nur Gutes“, antwortete sie mit einem erzwungenen Lächeln. Dean legte den Kopf schief. Was war etwas Gutes und was nicht? „Sam sagte dass er Sie mag und dass Sie gut für Bobby sind.“ Er zuckte mit den Schultern und Sam lief knallrot an. Auch Jodys Wangen schimmerten rosa. „Ich denke das ist etwas Gutes!“, sagte sie leise. Auf Deans Gesicht erschien ein Lächeln, das seine Augen jedoch nicht erreichte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)