Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 64: Ein kleines "Bitte" ------------------------------- 64) Ein kleines „Bitte“ Sonnendurchflutet präsentierte sich Sam ihr Zimmer, als er am nächsten Morgen die Augen aufschlug. Seine Laune verbesserte sich schlagartig. Jetzt musste es nur Dean noch besser gehen, dann wäre zumindest ihre Welt wieder in Ordnung! Sich streckend drehte er sich zu dem Älteren. Die Sonnenstrahlen reichten wohl nicht bis in Deans Träume. Es tat ihm schon fast körperlich weh, seinen Bruder so angespannt zu sehen und so, wie sein Bett aussah, war die Nacht für ihn nicht erholsam gewesen. Noch einmal streckte er sich, stand auf und zog sich an, während sein Bruder ein leises Knurren von sich gab und sich noch enger zusammenrollte. Sam seufzte. Er ging vor Deans Bett in die Hocke. Seine Hand legte er vorsichtig auf dessen Schulter und registrierte voller Freude, dass der dieses Mal nicht zusammenzuckte. Sollte er ihn wecken? Aber was dann? Wäre Dean danach wieder sein Dean oder noch immer dieses abwesende Wesen? Der Traum schien zwar nicht schön zu sein, aber auch nicht so bedrohlich wie viele andere in den letzten Wochen und er beschloss, ihn weiter schlafen zu lassen. Vielleicht half es ihm ja doch! Vorsichtig zog er die Decke etwas höher über Deans Schultern und verließ das Zimmer. Unten traf er auf Ellen, die bei einer Tasse Kaffee leiser Musik lauschte. „Was treibt dich denn aus dem Bett?“, fragte sie. „Ich steh eigentlich immer um die Zeit auf.“ „Hast du Hunger?“, wollte sie wissen, setzte ihre Tasse ab und erhob sich. „Ich kann mich auch kümmern, wenn du mir sagst, wo alles ist“, wehrte er ab. „Lass mal. Ich wollte mir eh noch einen Kaffee holen.“ Schulterzuckend ließ sich Sam auf einen Stuhl fallen. Es war schön, mal so umsorgt zu werden und doch fühlte es sich auch falsch an. „Wie geht es Dean?“, fragte sie, kaum dass sie wieder saß. „Er schläft noch. Allerdings bezweifle ich irgendwie, dass es erholsam ist. Er sieht noch immer so angespannt aus und ich weiß nicht, wie ich ihm helfen kann.“ „Lass ihn einfach. Er kommt von allein, wenn er mit sich wieder im Reinen ist, denke ich.“ „Ich wäre nur gerne richtig für ihn da und würde ihm richtig helfen können.“ „Sei da, das ist wichtiger als du denkst.“ Betrübt nickte Sam. Dieses Warten war so unbefriedigend. Er atmete tief durch und starrte in seinen Kaffee. Und was machte er den ganzen Tag, außer nach einem Konzert und der Bedeutung von Alistairs Worten zu suchen? „Wenn du Lust hast, kannst du hier mithelfen“, bot Ellen an, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Sam nickte. Nur zu gern ließ er sich nach dem Frühstück in den täglichen Betrieb des Roadhouses einbinden. Alles war besser als hier herumzusitzen und trüben Gedanken nachzuhängen. Dean erwachte mit dröhnenden Kopfschmerzen. Er drehte sich auf die Seite, um aufzustehen und sich eine Kopfschmerztablette holen zu können, doch alleine diese Bewegung verursachte ihm so heftige Übelkeit dass er kurz davor war sich übergeben zu müssen und so blieb er, zusammengerollt auf der Seite liegen und hoffte, dass die Schmerzen bald nachließen. Immer weiter zog er sich in sich zurück, bis das hämmernde Dröhnen nur noch ein leises Hintergrundsummen war. Im Roadhouse ebbte die erste Welle der Geschäftigkeit ab. Die Jäger, die über Nacht geblieben waren hatten ein deftiges Frühstück bekommen und machten sich auf den Weg zu ihren Fällen. Sam trug die letzten Teller in die Küche. „Du machst dich gut“, stellte Ellen mit einem Lächeln fest. „Ich hab in Stanford hin und wieder gekellnert.“ „Gut zu wissen. Wenn du mal Arbeit suchen solltest“, machte sie ihm ein Angebot. „Nein, danke. Ich denke ich hab auch so genug zu tun. Aber falls ich wirklich mal nicht weiß, was ich tun soll, kann ich mich ja melden.“ Ellen legte ein großes Stück Apfelkuchen auf einen Teller. „Bring das mal hoch und pass auf, dass er isst.“ Sie drückte ihm noch eine Tasse Kaffee in die Hand und lächelte ihn aufmunternd an. Leise betrat Sam ihr Zimmer und stellte Teller und Tasse auf dem Tisch ab. Er blickte zum Bett seines Bruders und schloss kurz die Augen. Dean lag schon wieder auf der Seite. Schlief er noch oder starrte er wie gestern Abend die Wand an? Sam trat neben das Bett und musterte den Älteren. Seine Augen waren geschlossen, aber er sah nicht aus, als ob er schlief. Vielleicht war er ja gerade aufgewacht? „Ich hab Apfelkuchen für dich“, begann er und legte ihm die Hand auf die Schulter. Dean blinzelte in das grelle Tageslicht und richtete sich langsam auf. Sofort verzog er das Gesicht vor Schmerzen und kniff die Augen wieder zu. Stöhnend ließ er sich zurück in die Kissen sinken. In Gedanken ging Sam die Ursachen durch, die Deans Reaktion ausgelöst haben konnten. Alkohol fiel aus, es sei denn er wäre in der Nacht Ellens Vorräte plündern gegangen, was er schlichtweg bezweifelt. Was löste sonst Kopfschmerzen aus? Und dann fiel es ihm ein. Sein Bruder hatte gestern kaum etwas gegessen und getrunken wohl noch weniger. In seinem Zustand musste das ja schon fast verheerende Folgen haben! Schnell stand er auf und holte Aspirin und eine Flasche Wasser. „Kannst du dich kurz aufsetzen? Ich hab hier Aspirin“, bat er und half seinem Bruder, als der sich hochquälte. Er schob ihm die Aspirin in den Mund und hielt ihm die Flasche an die Lippen. „Trink so viel wie du kannst.“ Nach der halben Flasche streikte Dean und ließ sich wieder in die Waagerechte sinken. „Schlaf!“, sagte Sam und stand auf. „Ich komm hin und wieder mal hoch. Den Kuchen lass ich hier und die Flasche stell ich neben dein Bett. Du solltest versuchen den Rest auch zu trinken.“ Ob Dean seine Ansprache mitbekommen hatte, wusste er nicht. Er hoffte es und ging mit dem Kaffee wieder nach unten. Er machte sich Vorwürfe, dass er am Vortag nicht darauf geachtet hatte. „Er hat den Kuchen nicht gegessen?“, empfing ihn Ellen. Die Kritik in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Nein. Ich hab ihn oben gelassen. Erst mal hat er getrunken. Das ist wichtiger“, erklärte Sam ruhig. Sie nickte nur und wandte sich wortlos wieder ihrer Arbeit zu. Sam fühlte sich, als gäbe sie ihm die Schuld daran, dass es Dean so schlecht ging! Und das Schlimmste war, wahrscheinlich hatte sie sogar Recht. Aber er tat alles, damit sein Bruder wieder auf die Beine kam, und er würde alles tun, damit sie nicht auf der Straße endeten. „Räumst du hier auf, dann kann ich mich um die Zimmer kümmern“, wollte Jo leise wissen und riss ihn so aus seinen Grübeleien. Er nickte, nahm einen Lappen und ging in den Schankraum. „Das war nicht nett“, schimpfte Jo leise und blickte zu ihrer Mutter. „Du weißt doch gar nicht, was passiert ist!“ „Aber ich sehe was es aus ihm gemacht hat und ganz ehrlich? Das hat mir damals nicht gefallen und es gefällt mir heute nicht!“ „Wann damals?“ „Als ich den Jungen zum ersten Mal gesehen habe!“, demonstrativ drehte sie sich um und begann laut mit Töpfen und Tellern zu klappern. Jo drehte sich brüsk um und ging nach oben. Manchmal konnte sie ihre Mutter einfach nicht verstehen, und sie machte es ihr auch nicht leichter, indem sie etwas mehr erklärte. Am Nachmittag quälte sich Dean aus dem Bett. Seine Kopfschmerzen waren auf ein erträgliches Maß gesunken. Außerdem fühlte es sich falsch an, noch länger liegen zu bleiben. Er streckte sich vorsichtig und versuchte in dem Durcheinander seiner Gedanken einen zu fassen zu bekommen. Es war sinnlos! Eine Weile saß er nur da und starrte vor sich hin. Was jetzt? Der Befehl war viel zu trinken! Dean angelte nach der Flasche und tat, was ihm gesagt worden war. Sein Innerstes war zerbrochen und er mit ihm. Nichts stimmte mehr. Er drohte sich gänzlich zu verlieren. In diesem ganzen Chaos griff sein Unterbewusstsein auf das einzig Bekannte zurück. Befehle. Ein weiterer Befehl war zu essen. Er ging ins Bad. Vielleicht bekam er ja unter der Dusche einen klaren Gedanken zu fassen? Sich trocken rubbelnd kam er in ihr Zimmer zurück. Natürlich hatte die Dusche nicht geholfen. Noch immer fühlte er sich wertlos, nutzlos. Wie eine alte Jacke, die so abgetragen war, dass man wusste, dass man sie nie wieder würde tragen können, sie aber, der alten Zeiten zu Liebe auch nicht wegwerfen wollte. Er suchte sich saubere Unterwäsche aus seiner Tasche und trat dann an den Stuhl, auf der seine Kleidung lag. Sein Fuß stieß gegen etwas und kickte es unter den Tisch. Leise ächzend bückte er sich und angelte danach. Es war seine Brieftasche, die nun aufgeklappt in seiner Hand ruhte, als er sich wieder aufrichtete. Mechanisch griff er hinein und holte ein Foto heraus. Sein Blick glitt noch einmal darüber. In seinem Inneren schien etwas endgültig zu zerbrechen, wie ein alter Krug, der schon etliche Sprünge hatte. Ohne das Foto eines weiteren Blickes zu würdigen riss er es mittendurch. Die beiden Teile glitten zu Boden, während Dean begann sich fertig anzuziehen. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Apfelkuchen. Du musst was essen! Er ließ sich auf dem Stuhl nieder und begann den Kuchen in sich hinein zu schaufeln. Gerade als er die Gabel weglegte, steckte Sam seinen Kopf zur Tür hinein. „Du bist wach?“, fragte er und strahlte ihn an. „Du hast doch bestimmt noch Hunger. Warte, ich hol dir noch was.“ Dean gehorchte schon weil es einfacher war, als in dem Gewirr in seinem Kopf einen eigenen Gedanken zu fassen. Er hätte nicht sagen können, wie lange es gedauert hatte bis Sam mit einem vollen Teller zurückkam. Plötzlich war er da und die aufgesetzte Fröhlichkeit, die er verbreitete, schmerzte in seinen Ohren. „Ellen hat die extra für dich gemacht“, erklärte der und deutete auf die Burger, die auf dem Teller lagen. „Hau rein!“ Wieder ein Befehl, dem er folgen konnte. Sam zwang sich zu lächeln, während er zusah, wie Dean mechanisch seinen Teller leerte, denn die Alternative wäre, dass er den Tränen freien Lauf ließ, die sich in seine Augen drängte. Früher hatte ihm Deans Burger-Liebe immer wieder fast in den Wahnsinn getrieben und heute? Nein! Er würde dieser Trauer nicht nachgeben! Er schluckte den Kloß in seinem Hals herunter und verdrängte die Gedanken. Im Moment war es wichtig, dass Dean körperlich wieder auf die Höhe kam. Danach konnte er an die seelischen Probleme gehen, auch wenn er wusste, dass das eigentlich falsch war und die seelischen Probleme wohl auch die körperlichen mit verursachten, aber er wollte auf keinen Fall, dass Dean sich noch mehr einigelte, wenn er zu schnell zu sehr darauf drang, dass der sich öffnete. Also eins nach dem anderen. Er stellte noch eine Flasche Wasser auf den Tisch und setzte sich dann seinem Bruder gegenüber. Dean brauchte viel länger als sonst, um die Burger zu essen, doch er schaffte es. Sam stand auf, nahm den Teller an sich und wandte sich zur Tür. Er musste hier raus, bevor er auf etwas einschlug. Er wollte je warten und er wollte für Dean da sein. Aber dessen Teilnahmslosigkeit, dieses zombiehafte Wesen machten ihn rasend vor Wut! „Ruh dich aus“, sagte er leise, „und denk bitte dran viel zu trinken.“ Mit Verspätung nickte Dean. Wieder ein Befehl, der ihm Halt gab. Er kaute auf seiner Unterlippe. Die Worte waren freundlich. Aber Befehle waren nie freundlich! John war nie freundlich. Er sagte ihm was er zu tun und zu lassen hatte, aber er sagte nie bitte. Doch gerade dieses kleine Wort hinterließ ein warmes Gefühl. Etwas, das die scharfen Ecken, die seine Seele noch immer zerrissen, etwas abmilderten. Ruh dich aus. Er erhob sich, nahm die Flasche mit und ließ sich auf der kleinen Couch nieder. Sein Blick blieb leer und nach innen gerichtet. Ohne es wirklich zu merken trank er. Die Stunden vergingen und der Gastraum füllte sich langsam immer mehr. Sam kellnerte. Als er in Stanford studierte, hatte Jess regelmäßig in einem Restaurant gekellnert und in den Hochzeiten half er mit. Das brachte nicht nur zusätzliche Zeit mit seiner Freundin, er konnte sich auch einiges an Trinkgeld verdienen. Jess hatte nie verstanden, warum er so viel Spaß daran hatte, aber für sie war das ja auch normal. Er fühlte sich bei solchen einfachen Aktivitäten, die er früher nie machen konnte, einfach nur wohl und auch jetzt gab das ihm die Ruhe, die er dringend brauchte, um sich wieder Dean und dessen Problemen stellen zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)