Tales of the real Ghostbusters von RaoulVegas ================================================================================ Kapitel 33: The lonley book-ghost --------------------------------- Langsam senkt sich der Abend über Phoenixville und die große Bibliothek in Pennsylvania schließt ihre Pforten. In leise Gespräche vertieft begeben sich die zahlreichen Besucher zum Ausgang und das Personal beginnt mit dem Aufräumen. Gemächlich läuft Judy Diment an den deckenhohen Regalen vorbei und sieht in jedem Gang noch einmal nach, ob sich auch kein Besucher mehr hier aufhält. Die junge Frau ist studentische Hilfskraft und arbeitet schon seit einigen Jahren immer in den Semesterferien hier, um sich ein bisschen was für das Studium dazuzuverdienen. Die Arbeit macht ihr unglaublichen spaß, auch wenn es manchmal schon ziemlich anstrengend ist oder die Leute ab und an unfreundlich werden, wenn man ihnen nicht sofort helfen kann. Doch das kümmert sie nicht wirklich. Dafür hat sie viel zu viel Freude an den Büchern. Und jetzt im Sommer sind die meisten Leute auch froh, wenn sie nicht die ganze Zeit zwischen den verstaubten Regalen verbringen müssen und die Sonne noch scheint, wenn die Bibliothek schließt. Von daher ist es jetzt weit einfacher die Besucher nach draußen zu bekommen, als im Winter, wo alle einen warmen Platz suchen und diesen auch nur sehr ungern wieder verlassen wollen. In dem alten Gebäude staut sich zudem auch ziemlich die Hitze, obwohl die nachträglich eingebaute Klimaanlage auf Hochtouren läuft. Mit einem erschöpften Seufzen tritt die Studentin um das letzte Regal und will sich dann schon wieder auf den Weg nach vorn zu ihrem Kollegen machen, als sie innehält und am Ende des Ganges einen Mann entdeckt. Er ist schon sehr alt und trägt eine so dicke Brille, dass Judy unweigerlich an den Boden einer Cola-Flasche denken muss. Das allein ist aber nichts Ungewöhnliches. Viel überraschter ist sie davon, dass er einen dicken Pullover und darüber einen ebenso dicken Pullunder zu tragen scheint. Zu allem Überfluss hat er auch noch einen langen Schal um den Hals gewickelt. Judy ist sich zwar im Klaren darüber, dass ältere Leute oftmals leichter frieren, doch das sieht nun wirklich etwas suspekt aus. Erst recht, da hier drinnen fast dreißig Grad herrschen. Im Endeffekt ist ihr aber auch egal, was er anhat oder nicht, die Bibliothek hat längst geschlossen und er hier nichts mehr zu suchen. Zielstrebig nähert sie sich dem alten Mann. Nachdenklich kann sie ihn murmeln hören. Scheinbar sucht er nach einem bestimmten Buch, doch das hat definitiv auch bis morgen Zeit. Gerade, als sie ihm das sagen will, bleibt sie abrupt stehen und starrt ihn mit offenem Mund an. Direkt vor ihren Augen beginnt der Mann plötzlich zu schweben! Fassungslos betrachtet Judy dieses Phänomen und weiß absolut nicht, was sie tun soll. Ihr Herz verkrampft sich so stark, dass sie kaum noch Luft bekommt. Erstickt versucht sie einzuatmen, doch es will ihr nicht gelingen. Unbeirrt schwebt der alte Mann immer höher das Regal hinauf und betrachtet jeden einzelnen Buchrücken mit akribischer Genauigkeit. Sein irgendwie halbdurchsichtiger Finger gleitet dabei zitternd über die Einbände hinweg. Murmelnd liest er sich jeden Titel vor und schüttelt immer wieder betrübt den Kopf. „Wo ist es nur? Warum nur kann ich es nicht mehr finden?“, stellt er sich zum wiederholten Mal dieselbe Frage. Traurig lässt er die Schultern hängen und schwebt weiter hinauf, um seine vergebliche Suche fortzusetzen. Am Boden gelingt es Judy endlich wieder Luft zu holen und sich aufzurappeln. Auf wackligen Beinen stakst sie in den breiten Mittelgang zurück und als sie sich etwas sicherer fühlt, rennt sie schließlich los. Völlig außer sich kommt sie vorn am Ausleihtresen an, wo der Besitzer der Bibliothek gerade dabei ist die Kasse zu machen. Für einen Moment hebt Stanley Elkin den Kopf und mustert die junge Studentin über das Glas seiner randlosen Brille hinweg. Verwundert hebt er eine Augenbraue, als das Mädchen fast vor seinem Tisch zusammenzubrechen scheint. „Miss Diment, was ist denn nun wieder in Sie gefahren?“, fragt er sie etwas verärgert, da sie ein echtes Talent dafür hat, sich Schwierigkeiten einzuhandeln. Atemlos stützt sie sich auf die Tischplatte und muss dann mehrmals ansetzen, ehe sie ein verständliches Wort hervorbringt. „Ich habe dort hinten gerade einen Geist gesehen!“, platzt es schließlich ungehalten aus ihr hervor. Panisch sieht sie ihren Chef an, doch dieser hebt nur wieder die Augenbraue und mustert sie streng. Geräuschvoll schlägt er die Kasse zu und rückt seine Brille zurecht. „Ich glaube, die Arbeit hier bekommt Ihnen nicht mehr, Miss Diment. Sie werden langsam wunderlich…“ „Nein, bitte! Sie müssen mir glauben! Ich habe dort hinten wirklich einen Geist gesehen!“, beharrt sie weiterhin. Das blanke Entsetzen in ihrem zarten Gesicht scheint Stanley doch irgendwie davon zu überzeugen, dass da etwas dran sein könnte, oder sie zumindest sehr fest davon überzeugt ist etwas Derartiges gesehen zu haben. Innerlich verdreht er jedoch die Augen. Langsam erhebt er sich und steckt den Kassenschlüssel in die Tasche seines Hemdes. „Nun gut. Bevor Sie mir hier noch umkippen, werde ich mir Ihren sogenannten Geist einmal ansehen. Doch, wenn dort nichts ist, werden Sie nach Hause gehen und sich einmal richtig ausschlafen, junge Dame! Immerhin haben Sie Morgen die Frühschicht und da erwarte ich Sie mit klaren Gedanken zurück! Haben wir uns verstanden?“ Nachdrücklich mustert er sie wieder. Doch Judy beharrt weiterhin darauf. Aber zumindest ist sie nun wieder zu Atem gekommen und droht nicht mehr einfach umzufallen. Dennoch zittert sie am ganzen Körper. Ihr Anblick weckt schon einen kleinen Funken Mitleid in Elkin. Andererseits ist er aber auch der Meinung, dass eh alle Studenten Drogen nehmen, was auch ihre hirnrissige Begegnung mit einem angeblichen Geist erklären würde. Am liebsten würde er ihr das einmal mitten ins Gesicht sagen, doch er will sie nicht verlieren. Trotz allem ist sie eine sehr gute Arbeitskraft und er hat furchtbar lange gebraucht, bis er überhaupt eine geeignete Person gefunden hat. Also seufzt er tonlos und lässt sich von ihr zu dem Bücherregal führen, wo sie den Geist gesehen haben will. Dort angekommen blicken die beiden vorsichtig um den Rand des Regals und betreten den Gang dann bedächtig. Oder zumindest Judy tut dies alles, Stanley folgt ihr vollkommen unbeeindruckt und ohne jede Vorsicht. Umgeben vom staubig-trocknen Duft unzähliger Worte, die dem menschlichen Geist im Laufe der letzten hundert Jahre entsprungen sind, sehen sich die zwei um. Doch es ist so, wie es sich der Bibliothekar schon gedacht hat – hier ist absolut niemand, weder ein Geist noch eine andere menschliche Seele. Der Gang ist vollkommen leer und das einzig Erwähnenswerte ist nur das Deckenlicht, das sich weich und samtig auf Leder oder glatten Schutzumschlägen bricht. Fassungslos sieht sich die junge Studentin um. „Hier ist überhaupt nichts, Miss Diment.“, spricht der Ältere das Unweigerliche aus. Aufgebracht drückt sich das Mädchen an ihm vorbei und schaut in die anderen Gänge, doch auch sie sind wie ausgestorben. „Ich verstehe das nicht. Er war hier! Ich habe ihn ganz deutlich gesehen…“ Beinahe sanft legt sich Stanleys Hand auf ihre Schulter. „Ist schon in Ordnung. Doch Sie sollten jetzt wirklich gehen und sich ausruhen.“, fordert er sie nachdrücklich auf. Ein paar Tage vergehen, in denen Judy den Geist des alten Mannes nicht mehr sieht und schon fast mit dem Gedanken spielt, ihn sich vielleicht wirklich bloß eingebildet zu haben. Viel wohler in ihrer Haut beendet sie an diesem Abend ihre Arbeit und begleitet die letzten Besucher nach draußen. Derweil ist Elkin wieder mit der Kasse beschäftigt. Beim Zählen der Tageseinnahmen bemerkt er jedoch eine Bewegung im Augenwinkel. Zuerst denkt er natürlich das es Judy sei, doch er kann sie an der Eingangstür noch mit einigen Leuten reden hören. Also sieht er langsam auf und erblickt einen alten Mann, der gerade um ein Regal herumgeht und in dem Gang daneben verschwindet. Mit einem hilflos verwirrten Ausdruck im Gesicht sucht er die verschiedenen Bücher ab und murmelt dabei halblaut die Titel vor sich hin. Sichtlich verdreht der Bibliothekar die Augen. Immer diese alten Leute, die nicht hören können, dass es schon drei Mal gegongt hat und die Bücherei geschlossen ist. Mit einem Kopfschütteln steht er auf und sieht zur Eingangstür hinüber. Dort ist Judy immer noch in ihr Gespräch vertieft, wahrscheinlich so sehr, dass sie den alten Knacker einfach übersehen hat, als sie die anderen Leute zur Tür gebracht hat. Er stößt ein Seufzen aus und rückt seine Brille zurecht. Mit festen Schritten nähert er sich dem Gang, in dem der alte Mann steht und immer noch suchend durch die Reihen von Büchern schleicht. „Sir? Sie müssen jetzt gehen, wir haben schon längst geschlossen!“, fordert er den Weißhaarigen auf. Dieser reagiert jedoch nicht wirklich. „Wo ist es nur? Warum kann ich es nur nicht finden?“, kommt es mit einer verzweifelten Stimme von ihm. Abermals verdreht Stanley die Augen. „Sir? Ich sagte, Sie müssen jetzt gehen…“, versucht er es wieder und greift nach der Schulter des alten Mannes. Oder er versucht es zumindest, doch seine Hand greift ins Leere… Irritiert kann er mit ansehen, wie seine Finger im Körper des Alten zu verschwinden scheinen ohne, dass dieser einer Reaktion zeigt. Schlagartig fällt Stan wieder ein, was Judy vor ein paar Tagen gesehen haben wollte. Einen Geist und nun hat er das Gefühl, dass genau dieser Geist jetzt leibhaftig vor ihm steht! Fassungslos klappt sein Unterkiefer herunter, er wagt es kaum zu atmen und seine Hand hängt noch immer mitten in der Luft, tief in der nicht vorhandenen Schulter des Mannes vergraben. Der Geist scheint ihn jedoch gar nicht wahrzunehmen. Stattdessen geht er weiter den Gang entlang und sucht die Bücher ab. Schließlich schwebt er sogar ein Stück nach oben, um die nächste Reihe in Augenschein zu nehmen. Und das reicht jetzt auch wirklich. Elkin ist nun auch der festen Überzeugung, dass dies ein echter Geist ist, der seine Bibliothek heimsucht. Nicht auszudenken, was das für Folgen haben könnte! Stelle sich nur mal einer vor, wie panisch die Besucher davonlaufen werden, wenn sie ihn entdecken! Das darf er nicht zulassen, auf keinen Fall! Diese Vorstellung hilft ihm wieder klar zu denken. Abgehakt holt er Luft und verlässt den Gang schnell wieder. Judy kommt ihm entgegen und sieht ihn fragend an. Stan ignoriert sie einen Moment, bis er das Telefon auf dem Tresen erreicht hat. „Sie hatten recht, Miss Diment. Hier gibt es tatsächlich einen Geist!“ Mehr braucht er auch gar nicht zu sagen. Erschrocken legt sich die Studentin die Hände vor den Mund, während ihr Chef die Nummer der Ghostbusters wählt. Langsam betreten die vier Geisterjäger das hellgraue Backsteingebäude. Kaum hat Peter die Schwelle übertreten, fängt er auch schon an zu gähnen. Ausnahmsweise liegt dies aber mal nicht an der späten Stunde oder am Schlafmangel, immerhin ist es erst halb sieben abends – sondern an der Tatsache, dass er Bibliotheken einfach sterbenslangweilig findet. Mit einem weiteren Gähnen sieht er sich halbherzig um, während sich seine Kollegen in dem großzügigen Saal zu verteilen beginnen. Ray und Egon werden dabei fast augenblicklich vom Besitzer der Bücherei in Beschlag genommen, der ihnen aufgeregt erzählt, was er erlebt hat. Winston scheint diesem Schicksal erst einmal entgehen zu können und begibt sich angriffsbereit zu den dickenhohen Regalen. Venkman hingegen erblickt die junge Studentin eingeschüchtert hinter dem Ausgabepult sitzen. In seinem früheren Leben, das so lange zurückzuliegen scheint, dass er sich kaum noch daran erinnern kann, hätte er jetzt all seinen Charme spielen lassen, um sie nicht nur aufzumuntern, sondern sie auch zu einem Date zu überreden. Doch so etwas ist Vergangenheit, nicht nur wegen seines Fehltritts mit Ray, sondern auch, weil er jetzt eine Freundin hat und das will er auf keinen Fall vermasseln. Zwar ist Beverly recht locker und kann verstehen, dass er gern flirtet oder dergleichen mehr und würde ihm sicher auch so einiges durchgehen lassen, doch warum das Schicksal herausfordern? Der Brünette hat so lange nach einer Partnerin gesucht, mit der er den Rest seines Lebens verbringen kann,- ja vielleicht sogar eine Familie gründen und den Protonenstrahler an den Nagel hängen-, da will er sich keinen weiteren Fehltritt leisten und wieder alles kaputtmachen. Was aber noch lange nicht heißen muss, dass die niedliche Studentin keine Aufmunterung verdient hat. Unbeobachtet von seinen Kollegen nähert er sich dem Ausgabepult und lehnt sich mattlächelnd zu der jungen Frau hinab. „Hey, hübsches Kind! Warum so traurig?“, fragt er sie keck und zwinkert. Etwas überrascht blickt sie zu ihm hinauf. „Ich – ich bin noch etwas durcheinander,- wegen dem Geist. – Verstehen Sie…“, sie wirft einen flüchtigen Blick auf das Namensschild an seinem Overall. „…Mister Venkman?“ Mit großen Augen sieht sie ihn hilflos an. Das Lächeln des Brünetten wird sanfter und in seine Augen schleicht sich ein mitfühlender Glanz. Jeden anderen hätte er in diesem Moment harsch darauf hingewiesen, dass es Dr. Venkman heißt, doch bei ihr kann er locker darüber hinwegsehen. „Natürlich kann ich das verstehen, ansonsten würde ich meinen Job wohl nicht richtigmachen.“, grinst er und wirft dabei einen Blick auf ihr Namensschild. Doch im Gegensatz zu seinem, steht bei ihr der vollständige Name darauf. „Ok Judy.“, erdreist er sich einfach und spricht sie mit dem Vornamen an. Die Studentin sagt jedoch nichts dagegen, sieht ihn nur dankbar an. „Wir bekommen das schon hin, also mach dir mal keine Sorgen. Und nenn mich doch Peter, das ist einfacher. – Denkst du, dass du mir zeigen kannst, wo der Geist aufgetaucht ist?“ „In Ordnung und selbstverständlich kann ich das.“, erwidert sie und erhebt sich unsicher von ihrem Platz. Während sich die beiden zu dem Gang begeben, in dem Judy dem Geist begegnet ist, verfolgen Ray und Egon mit Stanley dasselbe Ziel, nur das sie in einen anderen Gang gehen und der Besitzer ihnen zeigt, wo der Geist vorhin aufgetaucht ist. Winston hingegen nimmt wiederum einen anderen Gang und kundschaftet die Lage aus. In der Zwischenzeit taucht der alte Mann wieder auf, allerdings am anderen Ende der Bibliothek und somit ein ganzes Stück von den anderen entfernt. Schwankend zwischen Hoffnungslosigkeit und Hoffnung betrachtet er die unzähligen Bücher und sucht dennoch nur nach einem ganz bestimmten. Er weiß genau, dass es hier irgendwo sein muss, kann sich jedoch nicht daran erinnern, wo genau. Dabei will er doch unbedingt wissen, wie es ausgeht. Diese Tatsache macht ihn noch ganz krank. Er findet einfach keine Ruhe, ohne das Ende zu kennen. Mit einem tiefen Seufzen setzt er seine Suche fort und so nähern sich die beiden Seiten langsam einander an… Nicht lange später schnappt Judy überrascht nach Luft und deutet mit einem zitternden Finger in einen anderen Gang. Alarmiert wendet sich Peter herum, die Hand schon an der Protonenkanone. Doch dann hält er inne. Leicht verwirrt betrachtet er den alten Mann, den die Studentin für den Geist hält. Vorsichtig zieht sich Venkman ans Ende des Ganges zurück und gibt seinen Mitstreitern und Stan ein Zeichen. Leise sammeln sie sich und betrachten die Gestalt, die die Bücher abzusuchen scheint. „Das ist der Geist!“, gibt der Besitzer aufgebracht von sich. Die drei Ghostbusters betrachten den alten Mann genauso verwundert, wie ihr selbsternannter Chef. Den meisten Geistern, denen sie in ihrer Laufbahn begegnet sind, sah man ihre Andersartigkeit deutlich an. Entweder waren sie jenseits von Gut und Böse und glichen schrecklichen Monstern oder anderen entstellten Wesen. Oder sie sahen halt aus, wie man sich einen Geist vorstellen mag: halb durchsichtig, vor sich hin schwebend, zumeist ohne Beine und dergleichen. Doch dieser angebliche Geist sieht so lebendig aus, wie man sich einen alten Mann von vielleicht siebzig oder achtzig Jahren vorstellen mag. Er ist weder durchschimmernd, noch fehlt ihm irgendetwas. Nur, wenn man sich sehr konzentriert, fällt einem auf, dass der Greis keinen Schatten wirft und er nicht ganz so solide wirkt, wie ein Lebender. Unschlüssig sehen sich die vier Jungs an. Unauffällig zieht der Tüftler sein PKE-Gerät hervor und richtet es auf den Mann. Die Nadel schlägt tatsächlich aus, doch sie klassifiziert ihn lediglich als einen Geist der ersten Sorte und damit als völlig harmlos. Nichts, was die Mühe wert wäre, könnte man also sagen. Nur eine verlorene Seele, die sich nicht von dieser Welt trennen kann, aber weder nach Rache, noch etwas anderem Bösen sinnt. Vielmehr scheint er etwas zu suchen. „Ich denke, er wird von allein verschwinden, wenn er gefunden hat, was er sucht…“, kommentiert Raymond die Anzeige auf dem PKE-Gerät. Die drei anderen stimmen ihm wortlos zu. Selbst Peter, der sonst liebend gern auf alles schießt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und erst Ruhe gibt, wenn sämtliche Fallen nur so rauchen, sieht keinen Sinn darin hier herumzuballern und sich wohlmöglich wieder einmal Ärger einzuhandeln, weil irgendwas beschädigt wird. Doch so leicht macht es ihnen Stanley nicht. „Sie sind hier, um dieses Ding einzufangen, also tun Sie es gefälligst auch, bevor all meine Besucher vor Angst nicht mehr herkommen!“, zischt er wütend und deutet nachdrücklich auf den alten Mann, als wäre er die Ausgeburt der Hölle in Person. Judy steht neben ihm, doch sie wirkt längst nicht mehr so verängstigt wie vorher. Wohlmöglich hat sie nun auch mitbekommen, dass dieser Geist eher harmlos ist, doch sie hält lieber den Mund. „Nun hören Sie mal, guter Mann! Dieser Geist ist vollkommen harmlos und wird niemandem auch nur ein Haar krümmen. Er wird einfach verschwinden, verstehen Sie? Oder wäre es Ihnen lieber, wenn wir hier alles in Schutt und Asche legen, nur um ihn einzufangen?“, blafft ihn Venkman an. Schmollend betrachtet ihn der Bibliothekar. „Ich bezahle Sie dafür, diesen Geist zu beseitigen, also machen Sie es auch! Andersfalls können Sie ihren Lohn vergessen und ich suche mir jemand anderen!“ Mit erhobener Augenbraue und verschränkten Armen steht Peter vor ihm. „Stecken Sie sich ihr Geld sonst wo hin, Mister! Und außer uns gibt es niemanden, der Geister einfängt, also lassen Sie uns in Frieden das tun, was richtig ist!“ „Was sind Sie nur für ein arroganter und inkompetenter Haufen!?“, erbost sich Elkin und stapft wütend nach vorne zu seiner Kasse zurück. „Arschloch…“, erwidert Venkman halblaut und kann wahrscheinlich froh sein, dass der Kerl ihn nicht gehört hat. „Miss Diment?“, fragt Egon plötzlich. Verwundert sehen die vier mit an, wie sie sich langsam auf den Geist zu bewegt. „Judy, was hast du vor?“, ruft Peter ihr nach. Für einen Augenblick dreht sie sich zu den Ghostbusters herum. „Naja. Ich arbeite doch hier und meine Aufgabe ist es, den Leuten zu helfen. Und wenn dieser – Geist – wirklich nach einem Buch sucht, kann ich es ihm ja vielleicht geben…?“ Ihr Gedanke klingt nur entfernt wie eine Frage, dennoch erhofft sie sich eine Antwort. Prüfend sehen sich die Jungs an. „Das könnte durchaus eine Lösung sein, damit diese Anomalie wieder verschwindet. Doch trotz ihrer Harmlosigkeit rate ich zur dringenden Vorsicht, da nicht auszuschließen ist, dass etwas Unerwünschtes passieren kann, wenn man mit solchen Wesen Kontakt aufnimmt.“, erläutert ihr Egon. „Ähm, ja, ich bin vorsichtig…“, entgegnet sie dem Blonden etwas überfordert. Langsam geht sie weiter und die vier folgen ihr in einem gewissen Abstand. Mit bedächtigen Schritten nähert sie sich dem alten Mann. Dieser bekommt davon jedoch nichts mit, ist zu vertieft in seine scheinbar aussichtslose Suche. Doch nun endlich zeigt er sich als Geist. Nachdenklich schwebt er in die Höhe, um die Bücher weiter oben zu betrachten und tut dies so nebensächlich, als wäre er eine Treppe hinaufgestiegen. In diesem Moment hält Judy leicht erschrocken inne. Einen echten Geist vor sich zu haben, ist für sie schlichtweg unglaublich und obwohl sie es schon einmal gesehen hat, überrascht sie sein Schweben jedes Mal aufs Neue. Plötzlich legt sich Peters Hand auf ihre Schulter und lässt sie noch etwas mehr erschrecken. Ruckartig blickt sie zu ihm nach hinten. Er flüstert eine Entschuldigung und sieht sie dann aufmunternd an. Die Studentin schenkt ihm ein schwaches Lächeln und atmet dann tief durch. Inzwischen ist der Geist schon fast auf halber Höhe des riesigen Regals angekommen. Murmelnd tastet er sich an den endlosen Reihen von Büchern entlang. „Sir?“, erhebt die junge Frau die Stimme. „Sir, können Sie mich hören?“ Nervös blickt sie zwischen dem Geist und den Ghostbusters hin und her. „Hallo, Sir?“, fragt sie noch einmal und denkt schon, dass es keinen Sinn hat und sie ihn einfach machen lassen müssen, bis er fündig wird, oder die vier Jungs doch gezwungen sind ihn einzufangen. Aber dann geht ein leichtes Zucken durch den alten Körper und das Murmeln verstummt. Überrascht blickt der Mann zu ihr hinunter. Sie schenkt ihm ihr freundlichstes Arbeitslächeln, wodurch der verwirrte Ausdruck in seinem Gesicht sofort verschwindet und er warmherzig zurück lächelt. „Oh, hallo Kinder.“, erwidert er sanft. „Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein, Sir? Mir scheint, dass Sie nach etwas suchen…“, erklärt sie sich. Der Geist gibt ein tiefes Seufzen von sich und lässt die Schultern hängen. Langsam schwebt er zurück auf den Boden und blickt Judy hoffnungsvoll an. „Es wäre wirklich wundervoll, wenn du mir helfen könntest, mein Kind. Ich suche nach einem Buch, das ich zu lesen begonnen habe. Doch ich kann es einfach nicht mehr finden…“ „Ich denke, dass sollte kein Problem sein, Sir. Kommen Sie doch mit nach vorn zum Pult, dann finden wir das Buch ganz sicher.“ Eine tiefe Erleichterung huscht über das Gesicht des alten Mannes und er begibt sich bedächtig in die Richtung, die Judy ihm weist. Gemeinsam machen sich die fünf Sterblichen und der Geist auf den Weg nach vorn zur Ausleihe. Dort angekommen, stellt Judy nicht sonderlich überrascht fest, dass Stanley einfach abgehauen ist. Eine kurze Nachricht bestätigt ihre Vermutung. Er ist nach Hause gegangen und hat ihr das Feld überlassen und wenn der Geist bis morgen früh nicht verschwunden ist, wird er sich höchstpersönlich um die Sache kümmern. „Na, das will ich sehen…“, gibt Peter sarkastisch von sich und knüllt das Stück Papier zusammen. Derweil setzt sich die Studentin an den Computer und ruft das Suchprogramm auf. „In Ordnung, Sir. Sie wissen doch sicher den Titel des Buches?“ „Gewiss, mein Kind. Es ist ‚Der scharlachrote Buchstabe‘ gewesen.“ Die junge Frau legt leicht die Stirn in Falten. „Hm, davon habe ich noch nichts gehört, aber der Computer kennt es sicher.“ Konzentriert tippt sie ihre Suchanfrage in die Maschine ein und wartet auf das Ergebnis. Nach ein paar Augenblicken ertönt ein leiser Piepton und Judy kann den Aufenthaltsort des Buches in der Bibliothek vom Monitor ablesen – zumindest ist das normalerweise der Fall. Allerdings erscheint diesmal eine Aussage, die sie bisher noch nicht hatte – Titel nicht mehr im Bestand. „Das ist wirklich merkwürdig. Eigentlich sind alle Bücher aufgeführt, die hier seit fast fünfzig Jahren katalogisiert sind. Und wenn eines nicht mehr verfügbar ist, steht ein Grund dafür dahinter und nicht nur diese nichtssagenden Worte…“, überfordert starrt sie den Bildschirm an, als könnte sie damit erreichen, dass sich die Anzeige in etwas Sinnvolleren ändert. „Vielleicht ist das Buch ja älter, als die fünfzig Jahre?“, wirft Raymond etwas zweifelnd ein. „Schon möglich, aber selbst dann muss es irgendwann katalogisiert worden sein, wenn es sich in unserem Bestand befand…“ „Der scharlachrote Buchstabe wurde meines Wissens achtzehnhundertfünfzig geschrieben.“, wirft Egon plötzlich ein. Etwas entgeistert sehen ihn die anderen an. Leicht verlegen räuspert sich der Blonde und rückt seine Brille zurecht. „Ich glaube mich auch zu erinnern, dass der Schriftsteller Nathaniel Hawthorne hieß…“, ergänzt er seine Aussage und blickt zu dem alten Mann hinüber. Dieser nickt nachdenklich. „Ja, ich denke so ist es…“ „Du meine Güte. Dann ist das Buch ja wirklich schon sehr alt. Die Bibliothek gibt es noch nicht ganz so lange, aber immerhin seit achtzehnhundertvierundsiebzig. Vielleicht hilft es mir aber weiter, wenn Sie mir sagen, wann Sie das Buch ausgeliehen haben?“, fragt Judy den Geist. Matt lächelnd denkt der Mann nach. „Zuletzt hatte ich es am neunzehnten Februar.“, antwortet er schließlich, doch irgendetwas geht ihm noch durch den Kopf, er bekommt es nur nicht zu fassen. Etwas zweifelnd betrachtet ihn die Studentin. „Und in welchem Jahr?“, hakt sie nach. Der Geist legt sichtlich die Stirn in Falten. „Dieses Jahr natürlich, achtzehnhundertsiebenundsiebzig.“ „Sir? Ich will Ihnen ja nicht zu nahetreten, aber wir haben heute des fünften August neunzehnhunderteinundneunzig. Sie haben das Buch vor über einhundertvierzehn Jahren ausgeliehen.“, legt Winston das Unvermeidliche auf den Tisch. „Was? Das kann doch gar nicht möglich sein!“ „Dann sehen Sie sich die Zeitung hier an. Kommt Ihnen da irgendetwas bekannt vor?“, fragt Peter und hält ihm die bedruckten Seiten vor die Nase. Ungläubig starrt der Geist darauf und kann es doch nicht fassen. „Das ist nicht möglich. Dann müsste ich längst – ich…“, er bricht ab und lässt die Schultern hängen. „Sir? Sind Sie sich bewusst, dass Sie tot sind? Ein Geist?“, fragt Raymond vorsichtig. Der alte Mann starrt stumm seine Hände an und jetzt versteht er auch, was er nicht greifen konnte. „Ich denke, jetzt ist es mir bewusst…“, murmelt er leise. „Doch, was mache ich dann hier? Sollte ich nicht im Jenseits sein?“ „Theoretisch schon. Doch scheinbar beschäftigt es Sie so sehr, dass sie das Buch nie zu Ende lesen konnten, dass Ihnen der Eintritt ins Jenseits verwehrt bleibt, bis Sie diese letzte Aufgabe erledigt haben. Sie sind sozusagen ein Gefangener in der Welt der Sterblichen.“, erläutert der Tüftler. „Verstehe. – Also brauche ich dieses Buch ganz dringend, damit es aufhört?“ „So ist es.“ Der Geist wendet sich wieder an Judy. „Kindchen? Gibt es vielleicht noch eine Möglichkeit das Buch zu finden?“ „Ich denke schon. In unserem Archiv steht vielleicht wo das Buch ist. Dort lagern wir alle Leihkarten und andere Unterlagen seit die Bibliothek eröffnet wurde. Gut möglich, dass wir Ihre finden, wenn Sie mir ihren Namen verraten mögen.“ „Mein Name ist Douglas Higgins, oder besser er war es…“ Hinter einer dicken Stahltür im Keller der Bibliothek befindet sich das Archiv. Auch hier stehen Regale dicht an dicht, doch in ihnen befinden sich nur wenige Bücher. Hier lagern ganz spezielle Bücher, die entweder sehr alt und selten sind und von daher nur unter ganz bestimmten Bedingungen eingesehen werden dürfen, oder welche, die oben keinen Platz haben und nur bei Zeiten ausgelegt werden. Doch der Großteil des Archivs besteht aus Kisten, in denen Leihkarten, Bestandslisten und dergleichen lagern. Zielstrebig geht Judy an den verschiedenen Regalen entlang, bis sie bei einem ankommt, das mit dem Buchstaben H gekennzeichnet ist. Dort stöbert sie die einzelnen Reihen entlang und zieht dann schließlich eine der Kisten heraus. Sie stellt sie direkt vor dem Regal auf den Boden und nimmt den Deckel ab. Mit flinken Fingern blättert sie die vielen Leihkarten und Akten durch. Ein triumphierender Laut dringt aus ihrem Mund, als sie schlussendlich die Karte von Mister Higgins findet. „Da ist sie ja!“ Judy überfliegt die einzelnen Eintragungen, die damals noch ganz anderes zusammengesetzt waren, als jetzt. Dennoch versteht sie die Angaben schnell und die Karte endet auch tatsächlich am neunzehnten Februar achtzehnhundertsiebenundsiebzig mit dem scharlochroten Buchstaben. „Hm. Hier steht, dass Sie das Buch ausgeliehen haben, doch es gibt kein Datum für die Rückgabe…“ An der Leihkarte ist jedoch ein Zettel befestigt, den sie nun betrachtet. „Hier steht, dass Sie das Buch nie zurückgebracht haben und auch die Mahngebühren nicht bezahlt wurden. Als Grund steht hier ‚Unbekannt verzogen‘…“ Fragend blickt sie Doug an, doch dieser schüttelt nur den Kopf und betrachtet die Adresse auf der Karte. „Nein, das kann nicht sein. Ich habe die letzten fünfzig Jahre meines Lebens in diesem Haus gewohnt!“, empört er sich schon fast, dennoch wirkt er unglaublich verwirrt. „Heute gibt es an dieser Stelle keine Wohnhäuser mehr, das ist jetzt ein Einkaufsviertel…“, kommt es von dem Mechaniker. Ungläubig sieht Higgins ihn an. „Was? Als ich dort wohnte, gab es dort nur Wald und ein paar Häuser. – Wie sehr sich doch alles verändert hat. Da kann ich ja froh sein, dass ich das nicht miterleben musste…“, betrübt betrachtet der alte Mann weiterhin die Leihkarte. „Und was sollen wir jetzt machen?“, fragt Winston. „Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurden nur sehr wenige Exemplare eines Buches gedruckt, da das Verfahren noch sehr zeitaufwendig und anstrengend war. Von daher ist es fraglich, ob noch eins nach so langer Zeit existiert…“, entgegnet Egon. „Vielleicht finden wir im Stadtarchiv einen Hinweis, wohin Mister Higgins verzogen ist?“, meint Peter schließlich. „Klingt vernünftig und wenn es noch irgendwo ein Exemplar des Buches gibt, dann wohlmöglich in einem Antiquariat.“, ergänzt die Studentin. „Ok, ich denke, wir teilen uns am besten auf. Dann bekommen wir vielleicht noch etwas heraus, bevor alles dichtmacht. Ray und Winston, geht ins Stadtarchiv und versucht herauszufinden, was mit Mister Higgins passiert ist. Wir anderen werden die Antiquariate abklappern und hoffentlich so ein Buch finden…“, legt Venkman fest und seufzt in Anbetracht der Tatsache, dass dies noch eine sehr lange Nacht werden könnte. Eine halbe Stunde später erreichen Ray und Winston das Stadtarchiv. Sie haben Glück, dass sie noch reingelassen werden, obwohl das Einwohnermeldeamt schon geschlossen hat. Doch da sie genau wissen, wonach sie suchen, erklärt sich ein Mitarbeiter bereit ihnen den richtigen Raum und die ungefähre Lage der Dokumente zu zeigen. Mit einer gewissen Erleichterung betreten sie den großen Saal, der sehr stark an die Bibliothek erinnert. Auch hier lagern Unmengen an Kisten und Akten, nur nicht ganz so schön ordentlich sortiert, wie im Archiv der Bücherei. So dauert es eine ganze Weile, bis die beiden Geisterjäger die richtige Kiste finden, in der sich die Unterlagen zu der angegebenen Adresse finden lassen. Da damals noch nicht so viele Häuser standen, ist das Ganze wenigstens etwas übersichtlicher, als heutige Dokumente. Dennoch ist es draußen schon dunkel, als sie schlussendlich alles zusammen haben. Erschöpft setzen sich die beiden an einen kleinen Tisch und sehen die Unterlagen durch. „Ok, hier ist das Haus von Mister Higgins.“, verkündet Raymond und breitet ein Papier mit dem Grundstück und dem Grundriss des Hauses aus. „Sieht wirklich hübsch aus.“, meint Winston. „Das stimmt. Schade nur, dass es abgebrannt ist…“, erwidert der Jüngere. „Was sagst du da?“ Ray dreht ein anderes Blatt Papier herum, damit sein Partner es lesen kann. „Hier unten steht es. Am einundzwanzigsten Februar achtzehnhundertsiebenundsiebzig gab es ein schlimmes Feuer, bei dem das halbe Viertel bis auf die Grundmauern niedergebrannt ist.“ Entgeistert sieht der Bauarbeiter ihn an. „Das war zwei Tage nachdem er das Buch ausgeliehen hat, Ray!“ Verwundert sieht der Rothaarige ihn an, dann scheint ihm die Erkenntnis zu kommen und er zuckt zusammen, als hätte man ihn geohrfeigt. „Meinst du etwa, er ist bei dem Brand ums Leben gekommen?“, fragt er vorsichtig. Winston sieht ihn ernst an und schlägt dann schweigend die Akte vor sich auf, die das Einwohnermeldeamt über Higgins hatte. Dort drin befinden sich unteranderem seine Geburts- und Hochzeitsurkunde. Und wie der Schwarzhaarige befürchtet hat, auch seine Sterbeurkunde. Angespannt überfliegt er die alten, verschnörkelten Buchstaben und liest dann vor. „Vermutlicher Todeszeitpunkt: zwischen dreizehn und siebzehn Uhr am einundzwanzigsten Februar achtzehnhundertsiebenundsiebzig. Festgestellte Todesursache: Verbrennen…“ „Du meine Güte, das ist ja schrecklich. – Armer Mister Higgins…“, kommt es betrübt von Ray. „Ja, wirklich schrecklich. Aber dann ist es ja auch kein Wunder, dass er das Buch nicht zurückbringen konnte. Obwohl ich es doch ziemlich makaber finde, dass in seiner Karte dann ‚Unbekannt verzogen‘ steht, anstatt verstorben.“ „Das verstehe ich auch nicht, aber naja. Immerhin wissen wir jetzt, was los ist und das ist doch schon mal etwas.“, versucht der Mechaniker die Situation wieder etwas zu lösen. „Hm. Lass uns hier aufräumen und dann den anderen Bescheid geben. Ich frage mich, ob sie irgendetwas finden konnten…“ Und so machen sich die zwei daran alle Akten wieder an ihren ursprünglichen Ort zu legen. Kaum, dass sie damit fertig sind, kommt auch schon der Mitarbeiter, der sie reingelassen hat, herüber und fragt, wie lange sie noch brauchen, da er jetzt wirklich schließen muss. Zum Glück können sie ihn vertrösten, dass sie schon alles gefunden haben, was sie suchten und so treten sie in die angebrochene Nacht hinaus, die langsam die drückende Hitze des Tages mit sich nimmt. Winston schnappt sich sein Walkie-Talkie und versucht damit Peter zu erreichen. Der selbsternannte Chef klingt jedoch ziemlich gehetzt, als er antwortet und ein lautes Hupen ist am anderen Ende zu hören. „Ist alles in Ordnung, Peter?“, fragt der Jüngste erschrocken. „Jaja, alles prima! Wenn nicht immer diese ganzen Idioten auf der Straße unterwegs wären, wenn man es mal eilig hat…“ „Peter, du solltest dich wirklich mehr auf die Straße konzentrieren…“, ertönt Egons Stimme neben ihm. „Schön, dann nimm mir das Ding aus dem Gesicht und rede du mit den beiden.“, gibt der Brünette angesäuert zurück und erneut ertönt die Hupe. Für einen kurzen Moment unterbricht die Verbindung,- vielleicht um Peters Gefluche zu unterdrücken-, dann raschelt es und der Tüftler meldet sich. „Raymond? Winston? Hört ihr mich?“ „Ja Egon, laut und deutlich. Ist wirklich alles in Ordnung bei euch?“, fragt nun der Bauarbeiter. „Durchaus. Abgesehen von Peters Kamikazefahrt durch die überfüllten Straßen Manhattans, ist alles in bester Ordnung.“ „Warum fährt er denn auch so?“, will Ray nun wissen und fürchtet schon um Ecto-1. „Nun, wir haben die ganze Stadt nach dem Buch abgesucht und endlich jemanden gefunden, der weiß, wo wir eines finden können und wir versuchen jetzt dorthin zu kommen, bevor der Laden schließt, da der Besitzer dann wohl die nächsten Wochen im Urlaub sein wird. – Und wie lief es bei euch?“ „Na, dann hoffen wir mal, dass ihr schnell genug seid. - Wir wissen jetzt zumindest, warum Mister Higgins das Buch nicht mehr zurückgebracht hat und was damit passiert ist.“, erwidert der Rothaarige. „Und was?“, ertönt plötzlich die doppelte Frage von Judy und Doug gleichzeitig. Etwas unschlüssig sehen sich der Mechaniker und der Bauarbeiter an, ehe Winston antwortet. „Sie sind beide in einem schrecklichen Feuer verbrannt. – Tut mir wirklich sehr leid…“ Am anderen Ende breitet sich Schweigen aus, das erst unterbrochen wird, als Peter erneut die Hupe betätigt. „Hast du Idiot noch nicht davon gehört, dass man zur Seite fährt, wenn jemand mit Blaulicht unterwegs ist, verdammt!“, schimpft er lautstark. Gedämpft kann man die unschöne Antwort des anderen Fahrers hören, gefolgt von dessen quietschenden Reifen. „Du meine Güte, Peter, bleib ruhig! – Egon, sag uns doch bitte die Adresse, bevor ihr noch einen Unfall baut. Dann kommen wir so schnell es geht zu euch.“, bittet Raymond ihn überfordert. Wie sich herausstellt befinden sich die beiden viel dichter an dem Antiquariat, als ihre Kollegen, sodass sie sogar noch vor ihnen dort eintreffen und in der Ferne das Heulen der Sirene hören können, die kurz darauf Gesellschafft von dem grellen Blaulicht bekommt, ehe Peter mit quietschenden Reifen vor ihnen zum Stehen kommt. Mit einer gewissen Erleichterung stellen die sechs fest, dass in dem Laden noch Licht brennt, weswegen sie sich wieder etwas entspannen. Gesammelt betreten sie das Geschäft, wobei sich Doug in einer dunklen Ecke versteckt, um nicht gleich aufzufallen und den Besitzer wohlmöglich zu verschrecken. Dieser kommt hinter einem Berg aus alten Zeitschriften zum Vorschein und mustert die Meute, die soeben seinen Laden betreten hat erst einmal streng. „Ihr seid spät, Leute. Ich schließe in einer halben Stunde, also schaut euch schnell um oder kommt morgen wieder.“ „Keine Sorge, guter Mann. Es geht schnell. Wir wollen nur ein ganz bestimmtes Buch, das Sie haben sollen. Der scharlochrote Buchstabe.“, setzt Venkman an. Argwöhnisch mustert der Besitzer den Geisterjäger und die anderen. „Euch ist schon klar, dass das ein sehr altes Buch ist, von dem es nicht mal mehr eine Hand voll Exemplare gibt? Daher ist es sehr teuer und ihr seht nicht so aus, als könntet ihr euch auch nur ein Kapitel daraus leisten. Nichts für ungut…“ „Dessen sind wir uns durchaus bewusst, Sir. Doch wir wollen es gar nicht kaufen, sondern nur kurz ausleihen, um das Ende zu lesen.“, wirft Egon unbedarft ein. Dem anderen Mann entgleiten daraufhin alle Gesichtszüge und er starrt seine Besucher wütend an. „Ich bin hier doch keine dümmliche Bibliothek! Wenn ihr das Ende wissen wollt, dann müsst ihr das Buch kaufen, oder euch einen anderen Trottel suchen!“ „Jetzt werden Sie mal nicht gleich unfreundlich! Wir wollen doch nur einer verlorenen Seele helfen den Weg in die Glückseligkeit zu finden.“, kontert Ray. „Was für einen Unsinn redet ihr da eigentlich? Ihr verlasst jetzt auf der Stelle meinen Laden, oder ich rufe die Polizei!“, droht der Besitzer schließlich, was die Jungs sichtlich zusammenschrecken lässt. Dennoch sind sie nicht gewillt einfach so aufzugeben. Fieberhaft versuchen sie so schnell wie möglich eine Lösung zu finden, während sich der Kerl schon drohend zu seinem Telefon begibt. Als er den Hörer abnimmt und die erste Taste drückt, hebt Judy beschwichtigend die Hände. „Ist schon gut, wir gehen. Machen Sie sich nur keine Umstände. – Kommen Sie Mister Higgins, wir finden sicher eine andere Lösung…“ Die fünf wenden sich ab und der Geist verlässt sein Versteck, um ihnen zu folgen. „Was in Gottes Namen ist denn das?“, ruft der Besitzer ihnen aufgebracht hinterher. „Das ist die verlorene Seele, der wir versuchen zu helfen, aber das kann Ihnen doch egal sein, da Sie uns doch sowieso nicht helfen wollen.“, antwortet Winston angesäuert. „Ihr meintet das also ernst? – Das war kein Unsinn und das da ist wirklich – wirklich ein echter Geist?“ „So sieht es aus. Ändert das Ihre Meinung jetzt etwa?“, hakt Peter nach. „Wenn das ein echter Geist ist, seid ihr dann die Ghostbusters?“ „Das stimmt, ja.“, kommt es diesmal von Ray. Der Ladenbesitzer seufzt tief und lässt die Schultern hängen. „Oh, dann verzeiht meinen Ausbruch. Ich habe euch nicht gleich erkannt und ich will keinen Ärger haben. Ich bin sehr abergläubisch, müsst ihr wissen und ich will keinesfalls, dass mich dieser Geist heimsucht nur, weil ich euch vor die Tür gesetzt habe...“ „Na, das ist ja wirklich interessant, Kumpel. Also, wirst du uns das Buch jetzt zeigen?“, fragt Venkman. Der Besitzer wirft noch einmal einen Blick durch die Runde und mustert dann den Geist von Mister Higgins mit tiefer Ehrfurcht. Erwahrungsvoll schwebt Doug direkt vor seiner Kasse herum und erwidert seinen Blick mit bangen Augen. „Ich werde es euch zeigen, wenn ihr versprecht, dass der Geist mir nichts tun wird und mich auch kein anderer heimsucht.“ „Sie können sich auf uns verlassen, Sir.“, erwidert Egon ruhig. Der Besitzer nickt ihm langsam zu und zieht sich dann in den hinteren Teil seines Ladens zurück, der für die Kunden nicht einsehbar ist. Hinter einem schweren Vorhang verschwindet er aus ihrem Sichtfeld. Dahinter raschelt und poltert es einige Male, ehe der Man wieder zum Vorschein kommt. In seinen Händen hält er ein gut vierhundert Seiten dickes Buch, komplett in mattschwarzes Leder gebunden. Auf dem Deckel prangern in Gold der Titel und der Name des Autors und in der Mitte springt einem förmlich ein verschnörkeltes, blutrotes A entgegen, wie es in der Geschichte immer wieder vorkommt. In Anbetracht des Alters ist dieses Buch in einem unglaublich guten Zustand, fast so, als hätte es noch nie eine Menschenhand berührt. Dementsprechend vorsichtig und bedacht legt der Mann es neben seiner Kasse ab und blickt dann nervös zu dem Geist auf. Dougs Augen werden beim Anblick des Buches ganz groß. Er sieht aus wie ein übergroßes Kind, das jeden Moment in Tränen ausbricht. Zitternd nähern sich seine Finger dem Einband und streichen sanft darüber. Er kann den Widerstand unter seiner Hand spüren, doch dabei könnte es sich um alles handeln. Das weiche, glatte Leder ist für seine jetzige Form einfach nur ein harter Gegenstand. Dennoch erinnert er sich in diesem Moment daran, wie es war das Buch vor so unendlich langer Zeit zum ersten Mal in den Händen gehalten zu haben. Seine kühle, glatte Beschaffenheit und der herbe Duft des Leders. Das Gewicht der Seiten und Worte. Allein diese Erinnerung könnte ihm schon die Glückseligkeit bringen, so scheint es. Der Moment verstreicht, in dem alle schweigend um ihn herumstehen und ihn beobachten. Dann schlägt Higgins langsam und bedächtig das Buch auf und blättert zu der Seite, auf der er vor über einhundertvierzehn Jahren so abrupt aufhören musste zu lesen. Wie automatisch überfliegen seine müden, alten Augen die Zeilen und finden schließlich die richtige Stelle wieder. Die verschnörkelten Buchstaben fügen sich zu Worten zusammen, die man heute nur noch als geschwollen bezeichnen würde, doch damals hat man ganz anders gesprochen. Seite für Seite wird so von ihm erforscht. Jede von ihnen bringt ihn näher an das langersehnte Ende heran. Gut eineinhalb Stunden vergehen, ehe er den hinteren Deckel des Buches zuschlägt. In der Zwischenzeit sind die Geisterjäger schon sichtlich ermüdet, ebenfalls Judy und der Ladenbesitzer. Halb eingeschlafen schrecken sie alle auf, als das Buch hörbar zuklappt. Doug gibt ein tiefes Seufzen von sich, das all seine Zufriedenheit ausdrückt. Eine einzelne Träne rinnt seine faltige Wange hinab, doch nicht etwa, weil das Buch so traurig endet, keinesfalls. Sondern, weil er unglaublich froh ist, jetzt endlich seinen Frieden finden zu können. Ein letztes Mal dreht er sich zu der müden Meute herum, die ihm geholfen hat. Lächelnd blicken sie ihn an. Sanft lächelt Higgins zurück und spürt dabei schon, wie eine andere Welt an ihm zerrt – dass er nicht mehr hierhergehört. „Ich danke euch, Kinder! Ich danke euch so sehr…!“, bringt er mit zitternden Lippen hervor, bevor sich sein Körper langsam aufzulösen beginnt. Wenige Augenblicke später ist Doug vollkommen verschwunden. Nur ein kühler Lufthauch zieht noch an den Sterblichen vorbei, dann ist auch er dahin und mit ihm der einsame Geist aus der Bibliothek. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)