Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 117: London 3 - The Tower of London ------------------------------------------- Alessandro [[BILD=8225127.jpg]] An anderer Stelle auf dem Anwesen Sforza luden drei Diener letzte Kisten in eine Kutsche. Giulia Sforza hatte endlich fertig gepackt und saß mit Dominico, Alessandro und Amadeo im Salon, wobei sie es sich mit letzterem auf einem Canapé gemütlich gemacht hatte. Dass ihr Assassine, ihr treuester Diener, der Mann war, der Giulia nicht nur geschwängert, sondern auch glücklich gemacht hatte, war für Nico noch immer schwer zu verstehen. Alessandro schien das leichter zu nehmen, war vielleicht aber auch mit den Gedanken an einem anderen Ort. "Hast du die Kiste?" Giulia nickte - zum sicher zehnten Mal an diesem Abend. "Du solltest schlafen gehen Alessandro. Morgen musst du rechtzeitig am Treffpunkt sein." Der Kardinal sah wüst aus. Das schulterlange Haar hatte man ihm deutlich gekürzt und sein Bart war die letzten Tage willkürlich gesprossen. Um nicht aufzufallen, musste er sich so verändern, doch für Giulia war der Anblick noch immer ungewohnt. Draußen auf dem Hof stand Giulias Wagenkolonne. Sie bestand aus fünf großen Kutschen, wobei die Dame des Hauses mit zwei Ankleidedamen in der ersten Kutsche reisen würde und in den anderen vier angeblich Hausrat des Kardinals nach Italien brachte. Die Kutschen würden mit einer großen Frachtfähre über den Kanal setzen und dann auf dem Landweg nach Italien fahren. Statt Alessandros Hausrat würden sich bereits Menschen in den Kutschen befinden, die nach und nach alle nach Italien auswandern würden und ihr eigenes Hab und Gut auf die Kutschen geladen hatten. Nico nippte an seinem Wein schien nachdenklich zu sein. Sie alle hofften auf ein gutes Gelingen am nächsten Tag und tatsächlich verabschiedeten sich die beiden Brüder alsbald ins Bett. Alessio stand noch lange Zeit vor seinem Spiegel und musterte sein Spiegelbild. Morgen würde Cromwells Kopf fallen. Die Hinrichtung des engsten Beraters seiner Majestät würde der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Hinrichtungen werden. Mit Cromwells Fall waren noch andere Männer und Familien bei Henry in Ungnade gefallen und der König griff mit harter Hand durch, nachdem er sich so lange an der Nase herumgeführt empfand. Rodrego würde einer dieser Männer sein, die im Schatten Cromwells auf dem Schafott ihr Ende fanden. In seinem Spiegelbild suchte Alessandro nach Reue darüber, diese Entscheidung getroffen zu haben, Rodrego so weit getrieben zu haben – doch er fand keine. -------------------------------- Im Tower war es um diese Zeit noch stockfinster. Dank einiger Umwälzungen und Umstrukturierungen war der Tower gut gefüllt. Dabei war es leider so, dass einige der Menschen gar nichts dafür konnten, hier gelandet zu sein, und einige dafür umso mehr. Cromwell hatte man in eine der besseren Zellen gesteckt, während Rodrego diesen Luxus nicht genießen durfte. Der Boden der Zelle, in der er hauste, war voller Stroh, um wenigstens etwas Wärme zu haben, doch Waschen konnte man sich nicht und es roch ohnehin nach Unrat und Exkrementen. Essen bekamen die Insassen hier nur spärlich, weil die Wärter ungern hinunterkamen. In dieser Nacht allerdings kamen die Wärter tatsächlich. Rodregos Hinrichtung war vor Cromwells für den nächsten Tag angesetzt worden. Ein Priester war bei ihm gewesen, um ihm die Beichte abzunehmen, und er hatte Essen bekommen - danach hatte man Rod seinem Schicksal überlassen. Jetzt, noch weit vor Sonnenaufgang, öffneten zwei Wärter die Tür. Auf die fragenden Blicke des Mannes in der Zelle lachte einer der Wärter nur kalt. "Ihr habt nicht das Recht mit Cromwell hingerichtet zu werden. Ihr seid Katholik und dem König missfällt das. Ihr verdient es nicht auf Londons heiligem Boden bestattet zu werden, noch habt ihr das Recht, dass eurem Tode so viel Aufmerksamkeit zukommt. Ihr werdet aus der Stadt gebracht und in der Themse ertränkt, so wie es Verrätern wie euch gebührt. Führt ihn ab." Man fesselte dem Schmied die Arme hinter dem Rücken und stülpte ihm einen dreckigen Sack über den Kopf, so dass er nicht sehen konnte, wohin es ging. Immerhin blieb ihm so auch der Blick auf andere geschundene Gefangene hier unten erspart. Der Wagen, in den man ihn steckte, roch muffig und modrig nach Tod und die Hufe der Pferde hallten laut in der stillen morgendlichen Stadt. Nach einiger Zeit hielt die Kutsche an, knappe Worte wurden gewechselt, ehe die Kutsche wieder Fahrt aufnahm - schneller dieses Mal und ohne Rücksicht auf den Mann, der sich gefesselt kaum vor Schlaglöchern oder Unebenheiten schützen konnte. Rodrego [[BILD=8222599.jpg]] Rodrego hatte die Augen geschlossen und streckte den Hals etwas, um seine Nase genau in dem dünnen Luftzug zu haben, der ihm wenigstens ein wenig frischere Luft brachte. Es gab genau eine Stelle in diesem Verlies, das er sich mit fünf weiteren Männern teilte, an dem man ein wenig frische Luft genießen konnte. Diese Stelle verteidigte er. Heute würde es soweit sein. Heute würde er endlich hingerichtet werden. Solange er noch hier war, wollte er wenigstens ein wenig frische Luft genießen und nicht in dieser Kloake sitzen, wie es die anderen taten. Es war ein komisches Gefühl gewesen, in ein Verlies gesperrt zu werden, für einen Mord, den man nicht direkt begangen hatte. Er zweifelte nicht an dem, was er getan hatte, aber er hatte unterschätzt, wie anstrengend es war, über Tage diese Rolle zu spielen, die er damals an Alessandros Bett begonnen hatte, nachdem dieser eingeschlafen war. Er wusste nichts, wusste nicht, ob alles so geklappt hatte, ob Alessandro noch lebte, ob alles mit Dominico und dem Rest in Ordnung war. Sein einziger Anhaltspunkt, dass dem so war, war die Tatsache, dass noch mehr Ehrengäste ins Verlies gekommen waren, allesamt Cromwells Leute. Die Kerkerinsassen hatten ihn freundlichst empfangen und wie es eben ist, wenn man Tiere in einen Käfig sperrte, musste man zunächst einmal durch die Hackordnung durch, die die Hierarchien der Insassen bestimmte. Er hatte insofern Glück gehabt, als dass er hier drei Männer hatte, die schon völlig resigniert hatten und gestört waren. Der Länge ihrer Haare und des Bartes bzw. der Abgeschlissenheit ihrer Kleider nach zu urteilen, saßen sie schon ein halbes Leben hier. Dem einen fehlten Finger, dem anderen bereits eine Hand. Die verbliebenen zwei hatten noch mehr Leben in den Augen, aber für jemanden, der einmal Anwärter für einen Ritterschlag gewesen war, der kräftig war und einstecken konnte, war es keine große Herausforderung gewesen, die Pöbeleien aufzugreifen und klar zu machen, dass er ein Mörder war, der auch den nächsten Mord begehen würde, wenn man ihm den Anlass dafür gab. Dass er ein blaues Auge hatte und einen geschwollenen Wangenknochen, einzelne blaue Flecke und eine lädierte Hand waren eben der Preis dafür gewesen. Zumindest hatte er jetzt frische Luft, einen heilen Hintern und seine Ruhe. Schwieriger war da schon die Beichte mit dem Priester, als er wieder den Wahnsinn durchscheinen lassen musste. Den Wahnsinn, der ihn heimsuchte, weil er Alessandro Sforza getötet hatte, obwohl dieser nicht schuldig war. Er schaffte es ganz gut. In seinem nächsten Leben sollte er vielleicht einmal auf die Theaterbühne steigen. Nun hieß es warten. Das war eigentlich wirklich das schlimmste gewesen. Er wartete, ohne zu wissen, worauf er warten durfte. Auf seine Hinrichtung? Sollte sie kommen! Wenn Alessandro ihn nicht mehr haben wollte, wenn er ihn nicht holen lassen würde - sollte der Tod schnell kommen! Solange er ihn nicht wieder sehen musste. Wenn er da stehen würde, vor dem Henker kniend, den Kopf auf das Holz legend und darauf hoffte, dass er nur einen Schlag brauchen würde, dann wäre die größte Qual, wenn er Alessandro noch einmal sehen musste. Dafür - so fand er - hatte er genug gebüßt. Und sonst? Sonst würde er darauf warten, dass ihn hier jemand herausholte, vermutlich wenn er eigentlich zur Hinrichtung gehen sollte, oder unter einem seltsamen Vorwand. Alessio würde selbst hier sicher nicht auftauchen. Doch mit jeder Minute die verstrich, jede Stunde, die der Kirchturm ansagte, wurde der Glaube daran weniger. Es war eigentlich aussichtslos, dass der entmachtete, tote Kardinal irgendetwas tun konnte, damit er hier heraus kam, oder? Er dachte an ihre letzte gemeinsame Nacht, in der sie sich so verzweifelt aneinandergeklammert hatten. Er dachte an die Worte, die Alessandro zu ihm gesagt hatte: Ich liebe dich Rodrego... ich liebe dich so sehr, dass es schmerzt, und ich habe dich schon immer geliebt. Und ich begehre dich mit meinem ganzen Körper, mit jeder Faser meines Seins. Das waren die Worte, die wieder und wieder in seinem Kopf hallten und die ihn wärmten. An diese Worte glaubte er, wie ein Ertrinkender sich an den letzten Strohhalm klammerte. Er war eingenickt aber sofort hellwach, als die Tür geöffnet wurde. Fragend sah er die beiden Männer an, die er nicht kannte. Zum Personal, das täglich hier die Runden drehte, gehörten sie jedenfalls nicht. Das Lachen, das er für seinen fragenden Blick erhielt, ließ ihn nichts Gutes erahnen. Das waren keine Männer von Alessandro, gewiss nicht. Aber was wollten sie hier? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Was sie verkündeten, war sein endgültiges Todesurteil. Es klang plausibel, dass er nicht zeitgleich mit Cromwell hingerichtet werden würde. Cromwell war die Hauptperson, die es zu richten galt. Wer war er? Ein Nichts, ein Niemand. Es war klar, dass er nicht zur gleichen Zeit hingerichtet werden würde. Es klang auch plausibel, dass er als Katholik nicht hier in London bestattet werden durfte. Als sie ihn packten, hatte er nur einen Gedanken: Nun, dann war es wohl wirklich so weit. Alessandro hatte es nicht geschafft - oder es nicht schaffen wollen. Die Kutschfahrt war beschwerlich und es war irgendwie seltsam, dass er nun zwar frische Luft hatte, sein eigener Gestank ihm allerdings den Atem nahm. Die Kutschfahrt dauerte ziemlich lange, unerwartet lange. Wenn sie ihn nur in die Themse werfen wollten, wie sie es öfters machten, mussten sie doch nicht so weit fahren, oder? Aber gut... Diese Männer hatten ihre Anweisungen und alles andere würde sich zeigen. Vielleicht war es auch noch ein wenig als Folter gedacht, blind und mit verbundenen Händen in der Kutsche zu kauern. Nach drei Tagen ohne Essen und mit wenig Trinken waren seine Kräfte auch nicht mehr sehr ergiebig. Als die Kutsche endlich zum Stehen kam, war das auch schon wieder eine Erleichterung. Bald wäre es zu Ende - auch wenn er gehofft hatte, dass sein Ende schneller vorübergehen würde. Ertrinken war so gar nicht auf seinem Plan gewesen. Eigentlich konnte er gut schwimmen... und als er das letzte Mal geschwommen war... "Alessio", wisperte er, als die Tür aufging und er hinausgezogen wurde. Er sah nichts, hörte, dass ein paar Menschen da waren. Er hörte Wasser und Möwen, die nicht ungewöhnlich an der Themse waren. Und nun? Nun schien es das Ende zu sein. Endlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)