Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 77: London 3 - Verantwortung ------------------------------------ Kieran und John [[BILD=8265175.jpg]][[BILD=8265173.jpg]] Als Kieran zurückkehrte, war es schon später Nachmittag. Er hatte Mr. Forbes geholfen, die Patienten zu versorgen, die auch am Sonntag Hilfe bedurften. Er war froh, ein wenig Abstand zum Anwesen zu bekommen. Er konnte die Zeit nutzen, zu begreifen, was heute geschehen war und er begriff, in welcher Situation sich die Familie Sforza momentan befand. Langsam glaubte er zu verstehen, was Dominico dazu bewogen hatte, ihn zu vergessen. Irgendwie konnte er ihm dafür kaum böse sein, wobei er es doch war. Nein, vielleicht nicht böse. Er war einfach nur abgrundtief traurig. Traurig darüber, dass es nicht geklappt hatte. Dominico lebte in einer Welt, in der es eben nicht um Standesunterschiede ging – die hatten sie größtenteils überwunden – sondern es ging um Leben und Tod. Es ehrte Dominico in gewisser Weise, dass er ihn davor schützte, indem er ihn fallen ließ, bevor er zur Zielscheibe werden konnte. Er hätte es einfach gerne von ihm gehört… Persönlich. Er traf John später bei den feiernden Angestellten, wo jener sich mit einem der Bauernsöhne offensichtlich ganz gut unterhielt. Kieran setze sich zu ihm und fragte ihm, wie es Alessandro ginge. „Zuletzt war er stabil. Dominico ist gerade bei ihm gewesen. Daher war ich schon länger nicht mehr dort. Er hätte sich sicher gerührt, wenn sich sein Zustand verschlechtert hätte." Kieran nickte und ging nicht weiter darauf ein, erzählte stattdessen, dass sein Vater ihn gerne heute Nacht daheim hätte, damit John morgen mit ihm den Laden eröffnen konnte. John nickte. „Dann sollte ich vielleicht doch nicht mit dem jungen Mann dort was anfangen“, überlegte er betont nachdenklich. Kieran grinste. „Tu dir keinen Zwang an. Dein Vater schweigt ja konsequent, auch wenn er merken müsste, dass du nicht im eigenen Bett geschlafen hast. Solange du nur pünktlich bist...“ Kieran grinste. "Jaaaa... naja", entgegnete John. "Die Blicke und das Schweigen sagen mehr, als Worte könnten. Aber zumindest töten sie nicht real..." Gemeinsam gingen sie nun doch noch ein wenig zu den Feiernden, auch wenn Kieran bald ins Haus gehen wollte, um nach Alessandro zu sehen. Dominico [[BILD=8207703.jpg]] Amadeo begegnete Dominico auf dem Gang, sah verwirrt aus. "Alessio redet nicht mit mir und es sieht so aus, als habe er geweint. Was ist passiert?" Nico legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Später. Rodrego ist im Arbeitszimmer, hab ein Auge auf ihn." Damit sprintete er weiter, zuerst zu einem der wenigen Männer, die arbeiteten. Er schickte ihn mit einer Nachricht an Charles los und versprach ihm extra Vergütung, um den Mann vom Fest wegzulocken, doch die war nichteinmal nötig. Kurz darauf war er hinaus und im Garten, in dem ausgelassene Menschen auf Tischen tanzten. Essen duftete, doch Nico hatte keinen Hunger. Giulia stand lachend neben einem Lagerfeuer und klatschte im Takt der Musik und sah den Tanzenden zu. Nico fixierte sie und bahnte sich einen Weg zu ihr, stieß dabei aus Versehen ein paar der Feiernden zur Seite, doch es war zu dunkel, um sie einzeln zu erkennen. Er musste mit ihr sprechen, um sie auf den neusten Stand der Dinge zu bringen. Sie würde ihm die Organisation des Haushaltes abnehmen, würde die Angestellten einweihen und er konnte sich dann endlich Kieran zuwenden. Erneut stieß er gegen ein paar feiernde Männer. Einer davon war Kieran, doch Nico hatte dafür gerade keinen Fokus. Stattdessen schob er sich weiter auf Giulia zu, war aber noch ein ganzes Stück von ihr entfernt. Kieran [[BILD=8212631.jpg]] Während Kieran zwischen den feiernden Angestellten stand und sich unterhielt, sah er, dass Dominico aus dem Haus trat und zu ihnen hinüberlief. Er sah angespannt aus. Wahrscheinlich war es Kierans Schuld, der Wunsch Vater des Gedankens, dass er wirklich geglaubt hatte, jener hielte vielleicht nach ihm Ausschau, unter Umständen auch nur wegen seines Bruders. Aber wie hatte er nur so naiv sein können? Nein – Dominico sah ihn nicht einmal an, er lief genau auf Giulia zu - und nicht nur das. Nico stieß ihn zur Seite, so dass er strauchelte und fast fiel. Das fühlte sich absolut nicht gut an… "Crap! Attentione, bastardo!", rutschte ihm im ersten Moment der Enttäuschung und angestauten Wut heraus. Dann ging alles viel zu schnell... Er drehte sich, taumelnd, sah, wie Dominico herumfuhr, um demjenigen, der ihn so halbstark angesprochen hatte, an den Kragen zu gehen. Doch anstatt dass er Kieran erwischte, war John dazwischengetreten, um ihn davor zu schützen, von Dominico angegangen zu werden. War es Selbstverteidigung? War es Absicht? Er wusste es nicht einzuschätzen. Er sah nur, dass Johns Faust vorschnellte, um Dominicos Reaktion abzuwehren, und das unschöne Geräusch einer brechenden Nase war zu hören war. Er selbst war zu Boden gegangen, sprang jetzt auf. "John! Nico! Nein!", schrie er völlig verwirrt, während nun Dominico viel zu schnell reagierte und John seinerseits im Gesicht traf, so dass dieser zur Seite taumelte. Kieran sprang dazwischen, blickte Nico panisch an, dann drehte er sich zu John. Der sah ihn wütend an. "Ich musste dazwischen gehen, sonst hätte er dich erwischt...", knurrte dieser und hielt sich die Hand an sein linkes Auge, wo die Augenbraue aufgeplatzt war. Sicher gab das ein schönes Veilchen. Kieran war sprachlos, völlig perplex. Er sah, wie John bebte, wie er zitterte, wie er wirklich wütend war. Johns Sicht auf die Dinge war zu verstehen, aber Kieran verstand auch Dominico. „Nicht jetzt“, wisperte er zu John, der mittlerweile von zwei der Angestellten festgehalten wurde. „Und nicht du. Das ist meine Sache.“ John sah ihn prüfend an. Er biss sich auf die Unterlippe, sicher hatte er noch Etliches, was ihm auf der Zunge lag. Aber auch er wusste, dass das nicht der richtige Augenblick war. John entspannte sich langsam, blickte nun zu Nico. Kieran bemerkte er, dass es totenstill um sie herum geworden war. Er schloss einen Moment die Augen. Eigentlich hatte er sich eine andere Situation ausgemalt, in der er Dominico wieder unter die Augen treten würde, definitiv. Eigentlich hatte er vorgehabt, bald einfach als Arzt nach ihm zu sehen - aber das war vor diesem Moment gewesen. Jetzt drehte er sich um und blickte zu Nico. Dominico [[BILD=8207703.jpg]] Kieran stand sogar tatsächlich noch auf Nicos Agenda, allerdings nicht gerade jetzt. Jetzt brauchte er Giulia, seine Frau, die die richtigen Worte finden würde. Die Nico helfen würde die richtigen Worte zu wählen. Und Nico wusste, dass er alle Menschen hier einschwören musste, auf diese Familie. Es gab auf dem Hof nicht einen einzigen Engländer, alle kamen aus Italien, es wurde nur Italienisch gesprochen und die Familien fuhren regelmäßig nach Hause. Immer wieder kamen neue junge Männer und Frauen, und ältere gingen, um in Italien in den Diensten der Familie zu arbeiten oder ihren Lebensabend in der Heimat zu verbringen. Keiner hier war besonders verliebt in dieses Land, denn man ließ sie oft genug spüren, dass sie Ausländer waren. Jetzt kam noch dazu, dass sie katholische Ausländer waren und Nico wusste, dass er die Karten offen legen musste. Während er sich seinen Weg zu Giulia bahnte, überlegte er sich schon, wie er ihr am besten und schnellsten die neuesten Erkenntnisse mitteilen konnte. Er hatte wohl bemerkt, das er eben jemanden gestoßen hatte, doch das war ja wohl nicht schlimm gewesen, oder? Anscheinend war es für den Gestoßenen schlimm genug, denn kaum hatte Nico den nächsten Schritt gesetzt, hörte er die wüste Beschimpfung im Rücken. Das war gerade wirklich zu viel. Nicos Nerven waren zum Zerreißen gespannt, er hatte verdammt nochmal genug durchgemacht heute und er sehnte sich danach, irgendwo Dampf abzulassen - da kam ihm dieser verbale Ausfall ganz gelegen. Wütend wirbelte er herum, bereit sich auf denjenigen zu stürzen, der ihn vor versammelter Belegschaft gerade als Bastard bezeichnet hatte. Er drehte sich mit Schwung, weit konnte der Kerl ja nicht gestolpert sein. Im Dunkeln und zwischen den vielen Menschen erkannte er Kieran nicht sofort und hatte schon ausgeholt, als plötzlich John auftauchte, den Schlag abfing und seinerseits ausholte. Nico, der jetzt Begriff, dass er aus Versehen Kieran zu Boden gestoßen hatte, reagierte zu langsam und bekam Johns Faust ungebremst ins Gesicht. Sein Körper reagierte schneller als sein Hirn sich einschalten konnte, er spürte brüllenden Schmerz durch sein Gesicht rasen, bekam John aber am Kragen zu fassen und stieß einfach den Kopf vor, so dass er John eine beachtliche Kopfnuss verpasste, die den Engländer zurücktaumeln ließ, ehe sich Kieran aufgerappelt hatte und dazwischen sprang. Nico musste an sich halten, Kieran jetzt nicht bei Seite zu stoßen, wo sich ein kampfbereiter Gegner in greifbarer Nähe befand, an dem Nico seine aufgestauten Emotionen auslassen konnte, doch inzwischen war auch Giulia zu ihm durchgekommen und packte ihn am Arm, während sich drei andere Männer so um John gruppierten, dass auch der nicht mehr auf Nico losgehen konnte. Johns Erklärung machte Nico klar, was sein Unterbewusstsein bereits vermutet hatte: Er hatte Kieran zu Boden gestoßen und es war Kieran gewesen, der ihn beleidigt hatte. Das machte die Sache zwar nicht besser, aber er konnte Johns Reaktion verstehen, der hatte verhindern wollen, dass Nico auf Kieran einschlug. Insofern war er dem anderen Arzt also fast dankbar. Dennoch blutete seine Nase und schmerzte und allein die Tatsache, dass man diesen Schlag in den nächsten Tagen noch würde bewundern können, ärgerte ihn. Dennoch stand jetzt Kieran im Fokus, der sich zwischen sie beide gestellt hatte und auf John einredete, ehe er sich umdrehte, um Nico anzusehen. "Ein Bastard ja? Wie nett", kam es zynisch über seine Lippen. Kurz war er davor seine Wut Oberhand gewinnen zu lassen und einen Kommentar in Richtung Kierans Familie und Bastard vom Stapel zu lassen, doch er wusste selbst, dass er das sehr bereut hätte. Dennoch kam er nicht umhin, ein paar Takte loszuwerden, da jetzt ohnehin alle Augen auf ihn gerichtet waren. Kieran hatte seine nette Verwünschung auf Italienisch ausgesprochen, also erwarteten die Leute eine Antwort. "Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich das wäre", fuhr er schließlich fort, bemüht sich zu mäßigen. "Denn dann hätte ich nicht die Verantwortung für all diese Menschen hier! Dann wäre ich nicht verantwortlich dafür, dass mein Bruder heute beinahe gestorben wäre. Dann wäre ich nicht verantwortlich dafür, dass man versucht, meine ganze Familie auszulöschen und jeden, der mir lieb und teuer ist, zu töten! Aber dummerweise, Kieran, dummerweise BIN ich kein Bastard, sondern Dominico Sforza und das hast du gewusst, als du mir in Cambridge das erste Mal begegnet bist. Hätte ich nach meinem Herzen gehandelt, dann wärest du jetzt tot, verdammt! Tot wie mein Bruder es beinahe gewesen wäre und der eben noch einen Schritt weiter auf diese Schwelle zugestoßen wurde!" Ihm war bewusst, dass ihm jetzt alle zuhörten und auch wenn er es so nicht geplant hatte, jetzt würde es eben so gehen müssen. Er wischte sich das Blut weg, das über seine Lippen lief, verschmierte es dadurch aber nur noch mehr in seinem Gesicht. "Sieh dir Mikele hier an!" Er deutete auf einen Mann in erster Reihe hinter John. Er war bereits etwas älter, man sah ihm die Arbeit an, die er tagtäglich verrichtete. Er war hinzugesprungen, um John aufzuhalten, weiter auf Nico einzuschlagen. "Sein ältester Sohn Lorenzo" - Er deutete auf einen anderen wesentlich jüngeren Mann rechts von sich. - "arbeitet hier seit er 12 ist. Er hat noch weitere 6 Geschwister, alle leben hier. Und das ist nur eine Familie von vielen - was glaubst du, wer kümmert sich um diese Menschen? Wer glaubst du, ist für sie verantwortlich?" Die Stille breitete sich unangenehm aus, auch wenn die meisten nichts verstanden, weil Nico Englisch sprach. "Ich bin verantwortlich, ICH! Es GAB bis zum heutigen Tag keinen besseren Schutz, als mich von dir abzuwenden." Seine Stimme verlor langsam an Gehalt, er hatte schon Rod zu sehr angeschrien und merkte, dass er heiser wurde. "Was willst du also von mir hören, Kieran?", blaffte er ihn an. "Dass ich dich liebe? Denkst du ich kann das vor meiner Frau nicht sagen? Ja, ich liebe dich, ich liebe dich über alles und ja ich habe es dir nicht gezeigt, aus Angst, Cromwell eine Angriffsfläche zu geben und dich zu verlieren. Und wenn ich einfach könnte, wie ich wollte, dann würde ich dich auch bei mir haben. Aber hier gehen tagtäglich Leute aus London ein und aus, die reden, Kieran. Und ich werde dich niemals diesem Gespött aussetzen, NIEMALS!" Seine abwehrende Handbewegung hätte fast Giulia umgerissen und er schaffte es gerade noch sie aufzufangen und stützte sie, während er sich leise murmelnd entschuldigte, doch sie winkte nur ab. Sie konnte ihn verstehen, in dieser Situation. Es war grausam und vertrackt, und noch verstanden sie alle noch nicht ganz, was los war, doch Nico schwenkte ins Italienische, um sie alle aufzuklären. "Heute hat sich mir und uns offenbart, wer hinter all den Anfeindungen gegen unsere Familie steckt. Ich weiß jetzt, wer versuchte meinen Bruder heute Morgen, an diesem heiligen Fest, zu vergiften. Sein Name ist Thomas Cromwell und er wird alles dafür tun, jeden einzelnen von uns aus London zu vertreiben. Und wir MÜSSEN das verhindern!!! Wenn wir gehen, dann gehen wir, weil WIR das wollen, und nicht, weil ein idiotischer Politiker es uns vorschreibt. Wir sind eine Familie und wir bleiben eine Familie und als Familie bleiben wir hier und werden Cromwell schlagen. Dafür brauchen wir, ich, Alessandro und meine wunderbare Frau einen jeden von euch. Ihr alle müsst unsere Familie unterstützen. Ich verspreche euch, dass wir einen sicheren Weg finden werden, der uns nach Hause zurückbringt." Da er damit den Nerv der Menschen um sie herum deutlich traf, bekam er Applaus, während er sein eigenes Blut schmeckte, weil es noch immer aus seiner Nase quoll. Kieran [[BILD=8212631.jpg]] Kieran konnte von Glück sagen, dass Giulia noch zu Nico gesprungen war, um ihn aufzuhalten, auf John loszugehen. Denn wahrscheinlich hätte John die ganze Wut und Anspannung, die Kieran nun verbal abbekam in Schlägen abbekommen... Und das hätte er nicht verdient gehabt. Er sollte nicht als Sündenbock für seine und Nicos Probleme herhalten müssen. So holte Nico zum Glück 'nur' zum verbalen Rückschlag aus, den er gut abfangen konnte, auch wenn dieser hart traf. Nico hatte sich vor ihm aufgebaut und in rasender Wut begann er ihn anzuschreien. Während er sich bemühte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn die Worte trafen, blickte er Nico ins Gesicht und was er sah, erschreckte ihn. Er hatte ihn sehr lange nicht mehr so nah gesehen. Auch wenn er sich die lodernden, vor Zorn glühenden Augen wegdachte, auch wenn er sich das Blut und die gebrochene Nase wegdachte, blieb da immer noch ein Nico übrig, der ihn erschreckte. Ein abgekämpfter, müder und frustrierter Dominico. Kieran spürte in diesem Moment eine ungeheure Wut in sich. Wut nicht gegen Nico, sondern gegen sich selbst. Er war viel zu egoistisch gewesen, zu engstirnig. Es grämte ihn, dass ER nicht von seinen Befindlichkeiten hatte Abstand nehmen können, um das Große und Ganze besser sehen zu können. Er hatte gewusst, dass die Zeiten schlecht waren, als er aufs Schiff gegangen war. Was Nico ihm jetzt andeutete, war, dass es schlimmer war, als er hatte ahnen können. Es waren zumindest für ihn unglückliche Umstände, dass das auch noch mit Giulias Ankunft zusammengefallen war. Die folgenden Worte bestätigten ihm das, was er sich heute selbst zusammengereimt hatte. Kieran schluckte, als ihm bewusst wurde, was in den letzten drei Monaten während seiner Abwesenheit alles geschehen sein musste und was für ein verdammter Idiot er gewesen war, dass er sich so hatte hinreißen lassen, in Selbstmitleid zu baden. Er hatte versucht, Nico zu einer Erklärung zu bewegen. Aber zu wenig und er hatte kein Vertrauen gehabt. Er hatte ihn vermutlich ziemlich enttäuscht.. Andererseits wäre es doch nicht schwer gewesen, ihm irgendeinen noch so kleinen Hinweis zu geben... Selbst wenn es nur etwas Symbolisches gewesen wäre. Sonst war Nico doch auch sehr erfinderisch gewesen... John hinter ihm rührte sich nicht. Dass der nicht wissen konnte, was Nico ihm vorwarf, wunderte Kieran nicht. Wie hätte er es denn auch wissen sollen? Er hatte nicht die Einblicke wie Kieran - wobei er selbst ja zuletzt auch zu wenig mitbekommen hatte. Während John versuchte, die Griffe der Angestellten loszuwerden, weil er offenbar schon aus dem Fokus war, füllten sich Kierans Augen mit Tränen, die er versuchte so schnell wie möglich runterzuschlucken und seine Emotionen zu verbergen. Es half ihm, sich abzuwenden und Mikele anzusehen, auf den Nico nun deutete. Dann jedoch senkte er den Kopf, als Nico ihm eine Anklage vortrug, die sich gewaschen hatte. Kieran streckte sich etwas, um sich zu schützen, hörte, wie John sagte, dass er ein Recht gehabt hätte, davon zu erfahren. Was nun kam, überraschte Kieran nun doch. Als Nicos Stimme brach, blickte er erschrocken auf. In diesem Moment sagte Nico etwas, das ihn unfassbar freute, und ihn gleichzeitig unendlich traurig machte. Denn da war noch immer der Schmerz der letzten drei Monate. Kieran schluckte und wusste gar nicht mehr, was er denken und fühlen sollte. Es tat gut, die Wahrheit zu hören, zu hören, dass er ihn liebte, dass er ihn nur hatte schützen wollen. Es blieb dennoch ein "Aber" stehen. Allerdings war dieses nur ihm vorbehalten und nicht John und auch nicht all den anderen hier. Sie würden noch einiges klären müssen. Aber nicht hier. So war er froh, dass Nico sich kurz um Giulia kümmern musste, so dass er sich zu John umdrehen konnte, um ihn anzusehen. Jenem lief von der Platzwunde an der Augenbraue das Blut die Wange hinab und er würde morgen ein ordentliches blaues Auge haben. Sein Vater würde ihm dafür vermutlich ordentlich die Hölle heiß machen... Gleichzeitig hatte John seine Schutzmauern hochgezogen. Er kannte diesen Gesichtsausdruck bei ihm. Er hatte ihn, wenn sein Vater seine Wutanfälle an ihm ausließ. Es war absolute Gleichgültigkeit, die seine Emotionen verbarg und seinen Vater noch wütender werden ließ, wenn er ihn ansah. Kieran schluckte. Er hatte nicht gewollt, dass John zwischen die Fronten geriet. Der aber erwiderte seinen Blick und lächelte kurz, zwinkerte ihm zu. "Ist schon gut", sagte er leise. "Mach dir keinen Kopf! Wenigstens hat er endlich mal geredet... Und er soll wissen, dass er nicht mit dir umspringen kann, wie er will!" Kieran sah seinen Freund etwas sprachlos an. Hatte John es auch deswegen getan? In dem Moment sprach Nico weiter, auf Italienisch. Und das, was verstand, war dazu gedacht, Nicos Angestellte hinter sich zu sammeln, den Zusammenhalt zu stärken. Er blickte wieder zu John. "Geh heim!", sagte er zu ihm und John nickte, drehte sich mit einem "Lasst mich los!" um und lief zu den Stallungen, um sich sein Pferd zu holen. Kieran blickte ihm kurz nach, innerlich den Kopf schüttelnd. John war wirklich ein guter Freund. Wer sonst würde sich so für ihn einsetzen, dass er einem ausgebildeten Soldaten vor die Faust sprang? Dann sah er zu Nico, der alle Anwesenden mit seiner Rede in seinen Bann gezogen hatte und die ihm nun Applaus und bestärkende Zurufe schenkten. Kierans Blick wanderte zu Giulia, die den Blick bittend und verstehend erwiderte. Sie trat vor und griff Nicos Faden auf, zog die Aufmerksamkeit auf sich und bekräftigte, womit Nico begonnen hatte. Nico blieb zurück, während sich der Fokus auf Giulia richtete und der Italiener hatte Zeit, die eigene gebrochene Nase zu betasten, was zu einem schmerzerfüllten Zischen und wüsten Flüchen führte. Es war dringend an der Zeit, diese Nase zu verarzten und die Blutung zu stillen. Vor allem war es an der Zeit, endlich miteinander zu reden, miteinander zu streiten und ihre Sicht der Dinge loszuwerden, damit am Ende dieses Tages wenigstens eines der Probleme - hoffentlich - aus der Welt geschafft war und sie beide ineinander wieder den Rückhalt fanden, den sowohl Nico als auch Kieran dringen brauchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)