Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 43: Die Spanienreise - Mauergespräch -------------------------------------------- Kieran [[BILD=8207701.jpg]] Kieran hatte im Laufe des Tages beschlossen, in Santander zu entscheiden, ob er sich von der Gruppe trennen würde der nicht. Vielleicht - so hoffte er - würde er bis dahin die Gelegenheit bekommen, herauszufinden, ob Dominico nicht doch der Schreiber dieser Briefe war. Und wahrscheinlich würde er es in jener Kapelle erfahren. Also stand ein Besuch dieser Kapelle bei Nacht auf seinem Plan. Und anschließend würde er sich noch immer einfach auf den Weg machen können, sich die Zeit nehmen können, den benötigten Abstand zu Dominico zu gewinnen, um sich nicht weiter selbst zu zerstören. Jene Kapelle würde die Entscheidung bringen, das war ihm klar. Abends lag er mit William im Zelt, der ihm erzählte, was er in England als erstes alles machen wird, und Kieran warf hier und da eine provokante These in den Raum, so dass dieser weiter und weiter redete. Kieran brauchte die Zeit, um nachzudenken. Darüber, wie alles gekommen war, wo er Fehler gemacht hatte und welche Motivation Dominico hatte, ihn so zu behandeln, wie er es auf der Reise getan hatte. Er ging den Streit durch, den er immer noch nicht verdaut hatte. Und er holte sich all diese Briefe ins Gedächtnis. Irgendwann war er eingeschlafen und erwachte davon, dass das Lager in den frühen Morgenstunden zu Leben erwachte. Er stand schnell auf und nutzte die Gelegenheit, sich ein wenig abzuduschen, zog sich dann an und ging in die Herde, um Niamh noch einmal den Schweiß abzustriegeln, wie er es auch am vergangenen Abend schon getan hatte. Und so fiel ihm auch gleich der Brief in der Mähne auf. Wie um alles in der Welt…? Allein dieser Ort ließ ihn wissen, dass der Schreiber jemand von ihrem Tross sein musste. Er entfaltete den Brief und las ihn, einmal, zweimal, dreimal…. Er schluckte und er spürte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Schnell wischte er diese aus seinen Augenwinkeln und suchte sich zu sammeln. Konnte es wirklich so sein, wie er es sich erträumte? Oder war er nur ein Narr? Die Schrift: die gewohnte, dann kippte sie; das Papier: das der vorherigen Briefe auch; die Sprache: Englisch - und die Worte? sie erfüllten ihn mit einer Wärme, einem Verlangen, einer Sehnsucht, die er niemals würde beschreiben können. Kieran war überwältigt und unfähig sich zu bewegen und er las die Zeilen nochmal und nochmal und nochmal und fasste es nicht. Wäre William nicht irgendwann gekommen, würde er wohl immer noch dort stehen. „Alles ok?“, fragte er und Kieran nickte lächelnd, während er den Brief wegsteckte. „Jetzt schon“, sagte er und drängte William zum Aufbruch, um endlich nach Santander zu kommen. Er wollte zu dieser Kapelle, auch wenn er dort oben unter Umständen die größte Enttäuschung seines Lebens erfahren könnte. Aber das war ihm egal. Das, was er vielleicht auch bekäme, war mehr wert, als dass er es nicht austesten wollte. Der Tag zog sich endlos. Es war wie Weihnachten: man wartete und wartete und die Zeit verging einfach nicht. Kieran trug den Brief bei sich und erwischte sich hin und wieder dabei, über die Westentasche zu streicheln, ob jener noch dort war. Als sie in Santander ankamen, war es Nachmittag. Boten der Schiffsbesatzung kamen ihnen entgegen und teilten offenbar mit, dass die Wetteraussichten im Moment noch keine Auskunft darüber möglich machten, ob sie bereits morgen in See stechen würden. Daher war die Bitte, dass der Tross wegen der Pferde außerhalb noch einmal lagern sollte und man dann im Laufe des nächsten Tages entscheiden würde, wie es weiter ginge. Die Herren, die den Tross begleiteten, seien aber natürlich herzlich dazu eingeladen, auf dem Schiff zu nächtigen, da es ja wesentlich komfortabler sei. Kieran entschied sich dafür, beim Tross zu bleiben und so saß er noch bis zum späten Nachmittag mit William und ein paar anderen Wachen am Lagerfeuer und sie unterhielten sich. Er war nervös, wusste nicht genau, wann der richtige Zeitpunkt gekommen wäre. Schließlich stand er auf, als die Sonne immter tiefer rutschte. Er würde wohl 20 Minuten brauchen und er wollte nicht den Sonnenuntergang verpassen. „Ich werde wohl auf dem Schiff nächtigen, falls Lord Sforza oder die anderen Herrschaften mich noch brauchen“, sagte er zu William. Sie verabschiedeten sich und er sattelte Niamh. Kurz darauf befand er sich auf dem Weg zur Kapelle. Er war furchtbar nervös und sein Herz schlug dumpf gegen seine Brust, während er durch die Einsamkeit und die Stille ritt. Er hatte sich bereits erkundigt, wo er hinmusste und fand den Weg gut. Als er oben ankam, band er Niamh an einen Baum und betrat die kleine Kapelle. Kieran war alles, nur nicht religiös erzogen worden. Aber es gab Orte, an denen man durchaus das Gefühl haben konnte, dass es mehr gab, als nur das Sichtbare, dass es vielleicht wirklich da oben einen Mann gab, der auf sie blickte und sich dafür interessierte, was sie taten. Allerdings hatte Kieran zu viele Scheußlichkeiten gesehen, als dass er glaubte, dass dieser Mann allmächtig war. Diese Kapelle war einer dieser Orte voll Ehrfurcht und er betrachtete die Ikonen und Marienstatuen, die darin aufgestellt waren. Erst heute musste jemand die Blumen am kleinen Altar erneuert haben. Kieran trat durch die kleine Kapelle hindurch, in deren hinterem Bereich noch eine Tür war. Er schritt durch sie durch und gelangte so auf einen kleinen Vorsprung über der Steilküste. Das Meer, das man ohnehin ständig rauschen hörte, war nun noch eindringlicher und gab Kieran ein Gefühl von absoluter Ruhe, die er eigentlich so gar nicht hatte. Aber in diesem Moment fühlte er sich vollkommend entspannt – komme was wolle. Die Sonne ging gerade unter und man konnte in der Ferne einen blutroten Horizont sehen. Kieran setzte sich auf die Steinmauer, die Besucher davor bewahren sollte, hinabzustürzen, und wartete, sich von der Romantik dieses Ortes einnehmen lassend. War es seltsam, dass er bereits an den Schritten hinter sich wusste, wer da kam? Und war es seltsam, dass sein Herz so heftig schlug, dass er gleichzeitig lachen und weinen wollte? Nein, war es nicht. Denn er liebte Dominico – so einfach war das. Und jetzt wusste er auch, dass dieses Gefühl nicht einseitig war. Kieran drehte sich um und sah zu Dominico auf, leicht geblendet von der Sonne, die ihm aus dieser Richtung entgegen schien. „Setz dich zu mir“, sagte er. „Das ist wirklich der schönste Ort von allen, die du mir hier in Spanien gezeigt hast. Und ich bin froh, dass du ihn diesmal wirklich mit mir teilst.“ Dominico [[BILD=8210279.jpg]] Nicht nur Kieran kam der Weg nach Santander endlos vor. Nico trieb sein Pferd zwar zur Eile, doch er wollte und konnte den Tross nicht all zu weit auseinander ziehen. Als sie nach ihrer Mittagsrast endlich die kleine Stadt und das Meer am Horizont ausmachen konnten, wurde er endlich ruhiger. Die Mannschaft ihres Schiffes desillusionierte bereits die ersten Leute ihrer Gesellschaft damit, dass sie heute noch nicht würden auslaufen können, doch man verbrachte bereits den Großteil des Gepäcks in den großen Bauch des Schiffes. Nico überwachte vor allem die Unterbringung der Pferde. Er überlegte schon die ganze Zeit, ob er den schönen weißen Araberhengst mitnehmen sollte, wenn er sich auf den Weg zur Kapelle machte, doch weil er nicht wusste, ob Kieran ihn dort erwartete, und weil er nicht wusste, was ihn dort erwartete, ließ er es bleiben. Sie hatten sich an diesem Tag kaum gesehen und Nico war sich nicht einmal sicher, ob Kieran noch da war. Kaum in Santander angekommen wurde er vom Stadthalter - wenn man es so nennen konnte - belagert wegen der Kosten und all dieser Dinge... Nico hätte den Mann am liebsten erschlagen, doch er ging mit ihm, unterschrieb Rechnungen, beglich Schulden - all das was er eben zu tun hatte. Als er wieder vor das Haus trat, ging die Sonne bereits unter und ihr provisorisches Lager war bereits in reger Betriebsamkeit des Abendessens zusammengerückt. Nico suchte nach Kieran, konnte ihn aber nicht entdecken. Während er noch scheinbar den Aufbau prüfend um das Lager schlich, kam ihm Amadeo mit seinem gesattelten Pferd entgegen. "Er ist zur Kapelle geritten." Sagte er nur leise und drückte Nico die Zügel in die Hand. "Er hat sich vorhin nach dem Weg erkundigt." Nico sah auf Amadeo, der vor ihm stand und ihm einfach so die Zügel hinhielt. Was wäre er nur ohne diesen Mann? Er nahm die Zügel entgegen und legte Amadeo eine Hand auf die Schulter. "Mein Leben allein reicht nicht, um die Schuld zu begleichen, in der ich bei dir stehe..." Doch Amadeo winkte ab. "Du weißt, dass ich dein Leben hätte führen können und ich wollte es nicht. Das, was ich bin, ist das, was ich sein will. Zumindest solange du jetzt auf dieses Pferd steigst und den Jungen davon abhältst, irgendeine Dummheit zu begehen. Denn er ist ein guter Arzt... und ein guter Freund." Nico nickte fest und schwang sich dann auf seinen Hengst, galoppierte die Straße hinunter und bog ab, um die Erhebung hinauf zu reiten, auf der die Kirche lag. Kieran war also schon dort... hoffentlich kam er nicht zu spät. Als er den gewundenen und nur von Menschen ausgetretenen Pfad hinaufritt, sah er von weitem schon Niamh an einen Baum gebunden dort stehen. Er stieg vom Pferd und band seinen Hengst in sicherer Entfernung zu der Stute an, ehe er mit dem Finger vor seine Nase herumwedelte. "Mein Freund, wenn ich wiederkomme und du hängst auf ihr, dann gnade dir Gott..." Er wollte durch nichts gestört werden. Doch nach den dunklen Ställen in Madrid und dem kargen Ödland, durch das sie Geritten waren, lockte das saftige Grün hier oben den Hengst viel mehr. Nico ließ ihn stehen, lockerte den Sattelgurt und zog dann langsam die Handschuhe aus, ehe er dem Pfad weiter in die Kirche folgte. Sie war wunderschön und Nico war jedesmal hier gewesen, wenn er in Santander gewesen war. Dieser Ort barg Ruhe und Frieden, die ihm manchmal so sehr fehlten. Sanft strich er über die steinernen Bänke, die noch in der Kirche standen. Das meiste aus Holz war entfernt worden, doch die Leute aus dem Dorf kamen immer wieder hier hinauf. Die Ikone einer um ihren Sohn weinenden Maria stand hinter dem Altar und es lagen frisch geschnittene Blumen vor ihr. Nico, selbst katholisch erzogen, kniete kurz und bekreuzigte sich. Erbat er sich Glück für das, was er tat? Wenn er ehrlich war, musste er gestehen, dass er diesen Ort bewusst gewählt hatte. Wenn sie hier eine Lösung für sich finden würden, wenn sie beide... das gleiche fühlten, dann konnte Gott, wenn er es denn nicht sehen wollte, sie mit einem Blitz erschlagen oder die Klippen hinunterstoßen. Oder aber er billigte es - Nico wusste, dass es Unsinn war, so über einen Gott zu denken, doch irgendwie kam ihm der Gedanke und ließ ihn nicht mehr los. Er trat durch die Tür, hinter der sich ehemals noch ein Turm befunden hatte, doch heute waren nur noch die Grundmauern dort, die eine Art Ballustrade über der Klippe bildeten. Sie war offen gewesen und schon als Nico in den Türrahmen getreten war, hatte er die andere Gestalt vor dem Panorama des Meeres und des Sonnenuntergangs gesehen. Er trat über die Schwelle, bemüht kein Geräusch zu machen, doch Kieran hörte seine Schritte trotz der Brandung, die gegen die Klippen rauschte. Und er wusste es. Nico sah keine Überraschung in Kierans Blick, als der sich zu ihm umdrehte und ihn ansah, ehe er auf den Platz neben sich deutete. Nico überwand die Distanz zwischen ihnen und setzte sich so auf die Mauer, dass er genau 180° gedreht zu Kieran saß und ihn daher ansehen konnte. Seine Finger kribbelten und sein Herz schlug bis zum Hals. Er hatte das Gefühl nicht ein einziges Wort herauszubringen und es war so viel, das er eigentlich sagen wollte. Er atmete tief die frische Brise ein, die sein Haar aus seinem Gesicht wehte und er versuchte sich an einem Lächeln. "Ich war auch... an allen anderen Orten, die ich dir gezeigt habe. Nur hast du mich nie gesehen", erwiderte er leise. "Ich denke, dass ist ein Lob an meine Verkleidung..." Was redete er hier eigentlich? Unsinnig! Das war es, was er von sich gab! Nico hob die Hand und fuhr sich durchs Haar. "Du hast die Briefe also wirklich alle gelesen...", stellte er treffend fest und hätte sich am liebsten direkt die Mauer hinab gestürzt für so viel Offensichtlichkeit. Also nochmal. "Was damals passiert ist in meinem Haus... Ich wollte dich nicht gehen lassen. Hätte mein Bruder mich nicht aus dem eiskalten Wasser im Zuber gezogen ich... ich säße nichteinmal hier. Ich wollte dich nur beschützen." Wieder versagte seine Stimme und eine Weile blieb es still zwischen ihnen. "Ich musste dich von mir fernhalten, weil sonst... ich könnte es nicht ertragen wenn du..." Er fand einfach keinen Abschluss. Was in Worten, die er geschrieben hatte, so leicht gewesen war, fand jetzt in seinem Kopf nicht zusammen, ergab keinen Sinn und erschien ihm selbst viel zu schwammig. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, sein Puls raste so, dass ihm schwindelig wurde. Sag was verdammt, Dominico, sonst steht er auf und geht! Vielleicht war es Kierans Blick, hoffnungsvoll darauf etwas zu hören, das ihm Halt gab - oder seine eigene Angst, ihn für immer zu verlieren, die den Damm brach: "Ich kann nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr von dir fernhalten. Ich dachte ich kann es für uns beide, ich dachte ich schaffe es, dich so oft von mir zu stoßen dass du irgendwann gehst, aber ich kann nicht mehr. Ich ertrage keinen Tag länger, an dem ich dich in meinen Armen halten will, und an dem ich glaube, dass es auch das ist, was du willst, und ich es uns beiden verbiete. Ich kann nicht mehr! Und ich habe wirklich alles versucht, ich habe versucht es mir mit der Schuld zu erklären, die ich auf meine Seele geladen habe, dass ich nicht noch mehr davon tragen kann, dass es dich umbringen wird und dass du sterben wirst, wenn auch nur irgendjemand etwas ahnt. Aber mein Herz sagt mir, dass ich jede Folter ertragen kann, wenn du mich nur wieder so ansiehst, wie du mich in Cambridge angesehen hast oder auf dem Dach. Es tut mir alles so leid..." Kieran [[BILD=8207701.jpg]] Kieran sah den anderen verwundert an. Dominico war dort gewesen? An all den Orten, zu denen er ihn geschickt hatte? Er hatte ihn beobachtet? Warum war er nicht… Doch diese Frage konnte er sich selbst beantworten. Selbst wenn sie nicht zerstritten gewesen wären, wäre es Dominico nicht möglich gewesen, mit ihm in der Öffentlichkeit sich so zu zeigen, wie Kieran es sich in seinen Tagträumen erträumt hatte. Das war nun mal so, und es würde wohl auch immer so bleiben. Als der andere feststellte, dass er wohl alle Briefe gelesen habe, musste er lächeln. Dominico schien nervös zu sein und nicht genau zu wissen, was er sagen wollte. Aber ihm ging es ja letztlich genauso. „Ich habe mir vorgestellt, wie es sein könnte, wenn du mit mir dort bist. Im Nachhinein hätte ich gleich wissen müssen, wer die Briefe geschrieben hat. An jedem Ort konnte ich nur an dich denken.“ Er lächelte den Kopf schüttelnd und sah auf seine Hände. „Und ich habe sie nicht nur einmal gelesen…“ Er sah wieder auf und den anderen an, ruhig und abwartend. Jener musste etwas sagen, und jener wollte etwas sagen, er fand nur nicht die richtigen Worte. Also gab er ihm die Zeit sie zu finden. Die Erinnerung an den Tag, an dem sie Gregor getötet hatten, war wohl ein guter Anfang, ihre Probleme, die sie hatten, sich verständlich zu machen. Ja, er glaubte ihm sogar, dass er ihn nicht hatte gehen lassen wollen, dass er selbst unter der Situation gelitten hatte. Dass jener sogar offenbar so stark gelitten hatte, dass er ‚zusammengebrochen‘ war, erschütterte Kieran ein wenig. Er hätte hartnäckiger sein müssen, hätte Dominico nicht zurücklassen dürfen... Auch er machte sich Vorwürfe, schon seit er vom Hof geritten war. Er war zu sehr mit dem Chaos in sich beschäftigt gewesen, so dass er nicht den Sturm in Dominicos Augen Beachtung geschenkt hatte, wohl auch einfach nicht schenken konnte. Dominico brach wieder ab und Kieran schwieg mit ihm. Er wollte ihn nicht unterbrechen, spürte, dass Dominico noch nicht fertig war. Die letzten Worte hingen ohnehin noch schwer in der Luft. Er hatte ihn beschützen wollen? Ja, das hatte er wohl. Aber Dominico konnte ihn nun mal nicht vor seinen eigenen Gefühlen beschützen. Es ging nicht, so sehr sich das jener auch wünschte. Aber diese Erkenntnis hatte Kieran erst gewinnen müssen. Sie hatten beide erst für sich begreifen müssen, was zwischen ihnen bestand und dass es keinen anderen Weg gab, als damit umzugehen. Seine Augen ruhten auf dem anderen, als dieser wieder ansetzte und sich unterbrach. Er würde Dominico gerne diese Bürde abnehmen, aber es würde ihnen nur helfen, wenn jener aussprach, was er dachte. Sie sollten aufhören, nicht miteinander zu kommunizieren, sie mussten anfangen, ihre Gedanken dem anderen mitzuteilen, damit man gemeinsam sehen konnte, was daraus zu machen war. Und dann schien es aus Dominico einfach herauszubrechen und was er sagte, ließ dieses Kribbeln in seinem Inneresten wieder aufblühen, das er schon den ganzen Tag spürte bei dem Gedanken an den Brief, den er am Morgen in Niamhs Mähne gefunden hatte. Als der andere geendet hatte, schwieg er einen Moment und beugte sich dann zu Dominico, um ihn sanft zu küssen. Und er musste sich zusammenreißen, dem anderen nicht direkt auf den Schoß zu klettern. Es mussten noch Dinge geklärt werden, bevor sie nachholen konnten, was sie die letzten Monate versäumt hatten. „Wir sollten aufhören, alleine für den jeweils anderen Entscheidungen zu treffen, ohne miteinander zu reden“, sagte er leise. „Es ehrt dich, dass du mich nur beschützen wolltest, aber ich bin durchaus in der Lage, für mich auch Entscheidungen zu treffen. Ich bin schon groß – nun gut, nicht unbedingt körperlich... du weißt schon was ich meine.“ Er grinste leicht. Dann schwieg er kurz und blickte aufs Meer. “Ich konnte auch fast nicht mehr“, sagte er dann. „Du hättest es wirklich fast geschafft, mich zu vertreiben“, begann er dann zögernd. „Ich hatte den Plan, mich noch vor Santander zu verabschieden, alleine nach England zu reiten, meine Sachen zu packen, und wegzugehen. Ich wollte vergessen können, was nicht zu vergessen geht, und ein neues Leben beginnen, als fahrender Arzt oder etwas in der Art. Ich wäre jetzt nicht hier, wenn du es nicht doch noch geschafft hättest, mir doch noch ein Zeichen zu geben. Der Brief gestern, der Berief heute…“ Er lächelte und biss sich auf die Unterlippe, sah den anderen kurz an. „Ich habe nie aufgehört, darauf zu hoffen, dass du dich doch noch für uns entscheidest. Selbst als du mich verbal verprügelt hast in dem Zelt damals.“ Er seufzte. „Ich habe mir versucht einzureden, dass ich dich hasse, dass du das Letzte bist, dass du mich nur belogen und benutzt hättest. Aber es half nichts. Mein Herz hat es nicht akzeptiert und nicht aufgehört zu wissen, dass uns mehr verbindet.“ Es war gar nicht so einfach, über solche Dinge zu sprechen. Da war es wesentlich einfacher gewesen, zu streiten. Er lächelte bei dem Gedanken. „Hör zu, Dominico!“, sagte Kieran ernst und sah Dominico direkt an. „Ich liebe dich!“ Es klang seltsam, sich das sagen zu hören, aber es war nun einmal so, auch wenn er es kaum gewagt hatte, sich das einzugestehen. „Ich liebe dich aus vollstem Herzen und ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen, auch wenn es mit vielen Konsequenzen verbunden ist. Das ist mir egal. Ich möchte nicht ohne dich sein, komme was wolle. Ich will dich, mit Haut und Haar und allem was dazu gehört. Und wenn du mich möchtest, so wie ich dich möchte, dann lass uns lieber beginnen, einen Weg zu suchen, wie das möglich ist, als uns weiter das Leben zur Hölle zu machen. Ok?“ Seine Augen glitten zu den Lippen des anderen, doch er zwang sich dem anderen wieder in die Augen zu sehen. Sie würden diesen Pakt noch besiegeln können, aber erst einmal sollte Dominico noch einmal zu Wort kommen. Gott, wie er sich nach dem anderen gesehnt hatte! Dominico [[BILD=8210279.jpg]] Es tat gut, sich die Dinge von der Seele zu reden, die ihn belasteten und die er einfach sagen musste. Und es tat gut zu sehen, dass Kieran nicht davonlief, sondern bereit war zuzuhören und es tat ihnen beiden gut, einander zuhören zu können. Und dann, endlich und gefühlt nach Jahrhunderten beugte sich Kieran zu ihm und gab ihm einen zärtlichen, weichen, sanften Kuss. In Nicos Körper begann es zu prickeln, ein heißer Schauer fuhr von seinem Scheitel bis zur Sohle und Kieran löste sich keine Sekunde zu früh, bevor Nicos Hände dafür gesorgt hätten, dass kein Blatt mehr zwischen sie beide passte. Doch während Kieran ihm Raum gegeben hatte, musste Nico nun seinerseits auch Kieran Raum geben. Auf dessen Erklärung hin musste er unweigerlich grinsen. "Du meinst, du bist groß genug, um bei einem einschlägig bekannten Künstler nackt zu posieren, so dass ich dich am morgen darauf im Kerker besuchen darf, ja?" Er schmunzelte, wurde dann jedoch wieder ernst, als Kieran von seinen Plänen berichtete. Auch sein Blick glitt aufs Meer hinaus, weil er es kaum ertragen konnte, diesen Gedanken nachzugehen. Er wäre fort gewesen und Nico hätte nicht den Hauch einer Chance gehabt, ihn wieder zu finden. "Ich weiß gerade nicht recht, ob ich mich jetzt darüber freuen soll, dass ich dir sagen musste, wer die Briefe geschrieben hat, eben durch diese Hinweise... oder ob ich mich verteufeln soll, weil ich nicht noch ein wenig gewartet habe... aber mein Herz sagt mir, dass es richtig war es dir... so gesagt zu haben. Und auch wenn ich kaum einschätzen kann, was all das bedeutet..." Er machte eine kurze Kunstpause, doch Kieran sprach weiter und Nicos Herz rutschte gefühlt eine Etage tiefer, als Kieran drei Worte sagte, die Nico nur ein einziges Mal in seinem Leben von einem anderen Menschen gehört hatte, als sie auch so gemeint gewesen waren. Er versank in Kierans braunen Augen, hatte wohl selbst einen ziemlich dümmlichen Gesichtsausdruck - doch sein Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. War das Liebe? Ja, das war Liebe. Er wusste es schon seit Tagen, wenn nicht sogar seit Wochen. Sein Herz wusste es schon lange, doch eingestehen können hatte er es sich nicht. Langsam hob er die Hand an Kierans Wange und strich darüber. "Du bist ein Narr, mich zu lieben, und ich bin ein viel größerer Narr, diese Liebe zu erwidern als gäbe es kein Morgen. Ich liebe dich mit jeder Faser meines Körpers und war so lange viel zu blind, um es zu sehen..." Nico sprach leise, wollte mit seinen Worten die Stimmung, die zwischen ihnen herrschte, nicht zerstören. Ein wehmütiges Lächeln zeichnete seine Züge alsbald darauf, kaum dass Kieran ihr Hauptproblem ansprach. Das "Wie" war nämlich nach wie vor alles andere als leicht. "Ich glaube, der sicherste Weg wäre der, heute Nacht unsere Zelte anzuzünden und zu verschwinden..." Ein trockenes Lachen folgte. "Aber ich kann mich meinen Verpflichtungen noch nicht entziehen, auch wenn ich vermutlich mit dir davonlaufen würde, wenn du mich darum bätest." So verfallen wie er Kieran in manchen Augenblicken war, würde er sogar Henry lynchen. Naja, das war vielleicht übertrieben, aber es gab Momente, in denen es sich nunmal so anfühlte. Langsam ließ Nico die Hand sinken und griff Kierans Hände. "Wir werden einen Weg finden, ich werde einen Weg finden. Vielleicht reicht es, dich ja einfach wieder in den Kerker zu stecken." Er grinste erneut, denn in ihm strahlte geradezu nur alles vor Glückseligkeit, was ihn erneut zum Scherzen brachte. Es war eines der Dinge, die er so mit Kieran vermisst hatte. "Naja, oder aber du findest öfter den Weg in mein Haus... vielleicht..." Nun, Kieran würde Mr. Forbes sicher nicht einfach so im Stich lassen. "...aber ich glaube, da wirst du nicht zustimmen..." Er musterte ihn, ehe er beinahe verlegen wieder wegsah. "Unser Hausarzt, also der von Alessio und mir und unserer ganzen Belegschaft, er ist alt geworden. Mein Bruder ist zeitgleich mit mir für eine Weile nach Italien gereist und er hat ihn begleitet. Er wird nicht wieder mit zurück nach England kommen und wir haben noch keinen Nachfolger für ihn. Er hat nicht nur mich und meinen Bruder behandelt, sondern auch Rodrego Fernale, einen Freund. Und natürlich alle unsere Angestellten im Haus und auch viele aus der Umgebung. Er hatte beinahe so etwas wie eine kleine Parxis bei uns eingerichtet.. aber so wie ich dich kenne, wirst du Mr. Forbes kaum allein lassen wollen, oder?" Nico wünschte sich kaum etwas sehnlicher, als Kieran immer bei sich zu wissen, und wenn er bei ihm wohnte, dann war zumindest sicher gestellt, dass sie sich oft sahen und beieinander sein konnten, doch Nico befürchtete, dass Kieran das nicht wollte und das schmerzte, so sehr er es auch verstehen konnte. Eine Brise vom Meer wogte über die Kapelle hinweg und kühlte den heißen Tag langsam ab, doch sie trug vor allem Kierans Duft in Nicos Nase... wie zur Hölle schaffte er es, hier gerade nur zu sitzen und Händchen zu halten? Kieran [[BILD=8207701.jpg]] „Ja, so in etwa meine ich das“, grinste Kieran und merkte, wie jegliche Anspannung in ihm und zwischen ihnen immer mehr wich. Endlich, endlich konnten sie wieder ungezwungen miteinander umgehen. Das war das, was er so vermisst hatte, unter anderem… Dass Nico noch immer unsicher war, ob es nicht doch für beide besser wäre, getrennte Wege zu gehen, sah er ihm nach. Für ihn stand mehr auf dem Spiel, als für Kieran. Er hoffte nur, dass der andere, sollte er sich wirklich für ihn entschieden haben, dann nicht mehr unsicher war. Kieran machte keine halben Sachen, so war er nicht. Entweder ganz oder gar nicht. Und das würde er auch von Dominico verlangen. Entweder nahm er ihn ganz oder gar nicht, auch wenn das Ganze durch die äußeren Umstände sicher beeinträchtigt wäre. Aber genau das, nämlich dass Dominico ihn genauso liebte, wie er ihn, bestätigte ihm dieser auch, als Reaktion auf Kierans Ehrlichkeit. Und es freute ihn, es noch einmal wirklich aus dem Mund des anderen zu hören, was jener ihm letztlich indirekt durch die Briefe schon gesagt hatte. Und zu hören, dass man geliebt wurde, fühlte sich unfassbar an, es aus Dominicos Mund zu hören, hörte sich unfassbar an. Das Gefühl, puren Glücks, das in seinem Körper explodierte, würde er für immer in sich bewahren, definitiv. Seine Wange schmiegte sich an die Warme Hand des anderen und er genoss den Moment. Der Vorschlag des anderen, die Zelte niederzubrennen und im wahrsten Sinne des Wortes „durchzubrennen“ ließ ihn kurz lachen. „Nein“, sagte er, als der andere endete. „Ich bin kein Typ fürs Davonlaufen.“ Er grinste. „Wir können das schon alles mit unseren Leben vereinbaren, da bin ich mir sicher.“ Als der andere seine Hände ergriff, fühlte es sich schön an. Sacht strich sein Daumen über die Handflächen des anderen. "Ja, wir werden eine Lösung finden", stimmte er zu. Erneut musste er lachen, als der andere vorschlug, ihn in den Kerker zu stecken. „Ich weiß nicht, ob du dir das wirklich antun möchtest.“ Er lächelte und dann wurden sie wieder ernst, besonders Kieran, dem gerade indirekt vorgeschlagen wurde, bei Dominico einzuziehen. Dominico war auch kein Mann der halben Sachen… Er hörte sich das Angebot an und es fühlte sich gut an, es fühlte sich nach einem verlockenden Angebot an. Aber er wusste, dass das noch zu früh war. „Ich werde den Posten einnehmen, weil ihr einen Arzt braucht und ich das gerne mache. Aber ich werde erst einmal nicht bei euch wohnen, zumindest nicht ständig. Ich… ich denke für mich ist es wichtig, etwas ganz Eigenes zu haben. Und dazu brauche ich erst einmal meinen Abschluss. Ich werde mich weiterhin bemühen und das Studium so zügig wie möglich hinter mich bringen, dann sehen wir weiter.“ Er sah den anderen an, rutschte etwas zur Seite, um das Nico zugewandte Bein über die Mauer zu schlagen. „Das heißt ja nicht, dass ich nicht hin und wieder bei dir schlafen werde, sofern ich zum Schlafen komme.“ Er grinste leicht. „Oder dich schlafen lassen möchte.“ Er sah den anderen herausfordernd an. „Wobei ich als Arzt, natürlich dafür Sorge tragen werde, dass du dich nicht übernimmst. Als alter Mann muss man schon ein wenig aufpassen, nicht?“ Er hatte Mühe, ernst zu schauen und das Grinsen wurde immer breiter. Er rutschte auf der Mauer etwas weiter nach vorne, näher zum anderen, und beugte sich zu ihm. „Wie geht es deinem Arm?“, fragte er dann. „Ich denke wir haben jetzt genug geredet. Und außerdem habe ich nämlich das dringende Bedürfnis, über dich herzufallen, um nachzuholen, was wir uns durch unsere Sturheit verwehrt haben.“ Ihr Atem floss ineinander, als er den anderen kurz küsste und sich wieder löste. Hm, ein wenig Spielen war echt schwierig, wenn man in sich ein Tier brüllen hörte, das nach mehr, nach viel mehr verlangte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)