Don´t fuck the Company von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 1: Klokumpels --------------------- You got designer shades just To hide your face and You wear em around Like you´re cooler than me. Mike Posner – Cooler than me In der prallen Mittagssonne zog ein schwarz glänzender BMW von der Autobahn auf einen Rastplatz. Geschickt wich er Passanten aus, die ihm neugierig und beeindruckt hinterhergafften, um vor einer Tanksäule zu halten. Noch bevor der Tankwart sich nähern konnte, stieg ein sonnenbrillenbewährter Mann aus, das Handy lässig zwischen Ohr und Schulter geklemmt, die Ärmel seines engen, dunkelblauen Hemdes hochgerollt. Auf dem Beifahrersitz lag ein wegen der Hitze abgelegtes Jackett. Endlich nahte der Tankangestellte, dem der Kunde bedeutete, vollzutanken, ohne den anderen Mann richtig anzusehen oder seine falsch-freundliche Begrüßung zu beachten. Während der BMW befüllt wurde, entfernte der ungewöhnlich blasse Mann sich von seinem Wagen. Er hatte sein Telefonat nicht beendet und sagte gerade: „Dann mach ihm klar, dass er auf mich angewiesen ist, nicht umgekehrt.“ „Das wird nicht so einfach“, wiedersprach eine Frauenstimme. „Du bist nicht sein einziger Kunde.“ „Wenn er sich weiter so quer stellt, sorge ich dafür, dass er keinen einzigen Kunden mehr hat.“ Die Frauenstimme lachte, ein raues, halb ersticktes Geräusch, welches sexuelles Interesse implizierte. Er kannte es genau, nicht nur von ihr, und er konnte es ignorieren. „Ich liebe es, wenn du so drauf bist, Sasuke“, gurrte Karin in den Hörer. „Wie denn?“ „Wenn du den bösen Buben spielst, meine ich.“ Amüsiert flatterten seine Mundwinkel, doch seine Stimme klang nach wie vor kühl, als er befahl: „Kümmere dich darum“, und auflegte. Unter der Sonnenbrille blickten schwarze Augen Richtung BMW. Der Tankwart war verschwunden, vermutlich holte er die Rechnung. Immerhin arbeitete er zügig. Wenig später bezahlte Sasuke den Mann und fuhr seinen Wagen auf einen der Parkplätze, um die Toiletten der Raststätten aufzusuchen. Aus Hygienegründen hätte er darauf verzichtet, aber er hatte noch eine Stunde Fahrtweg vor sich, sodass ihm nichts anderes übrig blieb. Zum Glück sahen die sanitären Anlagen einigermaßen sauber aus, und der vorhandene Dreck wurde von den dunklen Brillengläsern verhüllt, welche der Schwarzhaarige nicht abnahm, da das gute Stück seine Sehschwäche ausglich. Er öffnete gerade seine Hose an einem der Pissoires, als die Tür aufging. Kurz begegnete er dem Blick des Neuankömmlings, sah jedoch sofort weg. Erste Regel beim Pinkeln; nie zu lange Starren. Das hatte dem Kerl jedoch scheinbar niemand verraten, denn er stellte sich an das Becken direkt neben Sasukes, wo er sogar: „Hi!“, sagte, während er den Reißverschluss runterzog. Der Schwarzhaarige gab statt einer Antwort ein irritiertes Grunzen von sich. Was sollte das denn? Der andere hatte wohl kein Problem damit, in so unmittelbarer Nähe zu pinkeln. Schon war fröhliches Plätschern zu hören, untermalt von einem erleichterten Stöhnen. Genervt und angewidert linste Sasuke zu ihm rüber und erspähte gebräunte Haut unter einem blondem Bartschatten sowie Schultern und Arme, die eindeutig regelmäßig ein Fitnessstudio von innen sahen. Ein klassischer Sportprolet. In der Hoffnung, endlich seine Ruhe zu finden, beendete er sein Geschäft und ging zum Waschbecken. Dieses hatte er allerdings nicht lange für sich, denn erneut folgte Blondie ihm. Diesmal schoss Sasuke ihm einen eindeutig feindseligen Blick zu, was den anderen jedoch nur zum Grinsen brachte. „Es geht nach einer langen Fahrt doch nichts darüber, anständig zu pissen, oder?“, fragte er, während er sich die Hände wusch. Sasukes zuerst überraschter Blick wurde schnell finster. Nicht nur ein Sportprolet, sondern ein Perverser. „Was willst du von mir?“ „Nichts. Ich war nur beeindruckt von deiner Ausstattung“, erklärte er, sich mit anzüglichem Lächeln die Hände an der Jeans abwischend. „Ziemlich üppig, aber ganz schön protzig, oder? Obwohl ich zugeben muss, dass man damit bestimmt viel Spaß haben kann…“ Zuerst war Sasuke wie vor den Kopf gestoßen, doch jetzt kochte Wut in ihm hoch. Wie konnte dieser Kerl es wagen, seinen Schwanz anzustarren und noch dazu zu bewerten? „Perverses Arschloch“, zischte er und ging auf die Tür zu. Am liebsten hätte er den anderen geschlagen, doch das wäre unter seiner Würde. „Pervers?“, schnarrte Blondie hinter ihm provokativ. „Was meinst du, Alter? Ich rede von deinem Auto. Der BMW draußen gehört doch dir, oder?“ Perplex blieb Sasuke stehen, spürte die Röte seinen Kragen hochsteigen. Das ging bei seiner blassen Haut schnell, passierte jedoch trotzdem selten. Er schämte sich nie. Doch diesen Konversationsversuch so falsch verstanden zu haben, war äußerst peinlich. Als er den anderen allerdings wieder ansah und dessen anzügliches Grinsen bemerkte, wusste er, dass er sich nicht geirrt hatte und seine kurze Verlegenheit wich wieder Zorn. Dieser Wichser wollte ihn verarschen. „Heh… Du siehst süß aus, wenn du rot wirst“, stellte Blondie fest, womit er Sasukes Wut nur noch mehr anstachelte. Er war nicht süß. Und er hasste es, in Verlegenheit gebracht zu werden. „Fick dich“, knurrte er und verließ nun endgültig das Klohäuschen. Hinter sich hörte er den Perversen, der ihm folgte, etwas murmeln, das nach: ´Nicht lieber dich?`, klang, doch als er ihn anfunkelte, lächelte der Trottel nur unschuldig. „Hey, komm schon, das war ein Witz“, quengelte der Fremde auf seinen Fersen. „Du weißt schon, die Dinger, über die man lacht. Haha.“ „Haha“, wiederholte Sasuke sarkastisch. „Jetzt zieh Leine.“ „Na, das mit dem Lachen üben wir aber nochmal.“ Der andere stellte sich breit grinsend direkt vor den Schwarzhaarigen und hielt ihm die Hand hin, völlig die eigentlich eindeutige Aufforderung seines Gegenübers ignorierend. „Ich bin übrigens Naruto.“ Statt einzuschlagen, verschränkte Sasuke die Arme. „Ich sagte, zieh Leine.“ Naruto runzelte die Stirn und schürzte die Lippen, wodurch er wie ein unzufriedenes Kleinkind aussah. „Jetzt hab dich nicht so, das war ein Joke… Ok, vielleicht nicht der Beste… Sorry.“ Selbsterkenntnis war bekanntlich der erste Weg zur Besserung, dachte Sasuke die Augen verdrehend. Trotzdem sagte er nichts und ging an Blondie vorbei in Richtung seines Wagens, aus dem er seinen Laptop nahm. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm, dass es bereits fast eins war. Diese Fahrt hatte ihn viel Zeit gekostet, und jetzt musste er sich zudem mit aufdringlichen Blondinen auf Raststättentoiletten herumärgern. Das war wirklich nicht sein Humor. Immerhin schien er Naruto jetzt abgewimmelt zu haben, wie er durch kurzes Umhersehen erkannte, also konnte er wohl in Ruhe beim Mittagessen arbeiten. Wirklich, so etwas hatte er noch nie erlebt, dachte er, als er den Restaurantbereich der Tankstelle betrat. Sicher war er schon öfter angemacht worden – die Bedienung, die seine Bestellung aufnahm, war gleich die nächste, die ihn augenklimpernd anschmachtete – doch noch nie auf so eine bescheuerte Art und Weise. Scheinbar hatte dieser Trottel es nicht böse gemeint, doch zu glauben, dass so etwas funktionieren könnte… Sasuke war immer wieder entsetzt davon, wie tief menschliche Dummheit reichen konnte. In dem Versuch, diese peinliche Szene zu vergessen, nippte er an dem Kaffee, den die Serviererin bereits gebracht hatte, und fuhr seinen Laptop hoch. Er hatte keine Mail von Karin, was hieß, dass sie seinen Auftrag noch nicht ausgeführt hatte und ihn unzufrieden stimmte, obwohl ihr Telefonat noch keine halbe Stunde her war. Effizienz war ihm wichtig, weshalb ihn die Verzögerung in seinem Tagesplan so störte. Allerdings konnte er die Mails seiner Angestellten und Geschäftspartner recht schnell beantworten und sich dann bereits an seine weiteren Aufgaben machen, während er (für ein Tankstellenrestaurant gar nicht so schlechtes) Hühnchen Curry aß. „Hi… Dürfte ich mich hier hinsetzen?“, fragte eine Stimme. Sasuke blickte nicht mal auf. „Es gibt genug freie Plätze.“ „Und was, wenn ich genau hier sitzen will?“ Irritiert hob er jetzt doch den Blick – und holte tief Luft, als er Toiletten-Blondie auf sich herabgrinsen sah. Warum überraschte ihn das jetzt so gar nicht? „Was willst du von mir?“ „Na ja…“ Naruto kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ne Mitfahrgelegenheit, wenn du so fragst. Ich hab an deinem Nummernschild gesehen, dass du aus Konoha kommst, und wollt fragen, ob du mich mitnimmst.“ Völlig vor den Kopf gestoßen starrte Sasuke den anderen an, dessen Worte er für einen schlechten Scherz hielt, nach dem, wie er sich zuvor verhalten hatte. Erwartete er wirklich, dass er ihn in sein Auto ließ, nachdem er ihn auf dem Klo angequatscht, verarscht und zur Weißglut getrieben hatte – in nicht mal fünf Minuten? Zumindest schien ihm das bewusst, denn er räusperte sich nervös, bevor er fortfuhr: „Ich weiß, das war vorhin… Äh, unglücklich, deswegen wollt ich dich zum Essen einladen. Als Entschuldigung.“ „Kein Interesse“, erwiderte Sasuke und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. „Eeeeeeh?!“, schrie Naruto empört auf. „Was heißt ´kein Interesse`? Das ist nen aufrichtiges Schuldeingeständnis, Mann! Sowas lehnt man nicht einfach ab.“ „´Man` vielleicht nicht, aber ich.“ „Boaaa, du bist echt ein Arschloch!“ Der Dunkelhaarige sah mit hochgezogenen Brauen wieder zu seinem Gegenüber. „Weiter so. Vielleicht nehme ich dich ja mit, wenn du mich beleidigst.“ Blaue Augen funkelten ihn wütend an. „Du hast eh schon nein gesagt, da kann ich auch ehrlich sein.“ Da musste er Naruto wohl Recht geben, doch er sah davon ab, ihm das mitzuteilen und wandte sich stattdessen wieder seinem Laptop zu, dessen Bildschirmschoner sich bereits eingeschaltet hatte. So viel Zeit hatte er mit diesem Trottel verschwendet, hervorragend… Weit kam er allerdings nicht mit seiner Arbeit, denn da näherte sich eine Kellnerin, die den noch immer (etwas hilflos) vor seinem Tisch stehenden Naruto fragte: „Kann ich Ihnen auch etwas bringen?“ „Ich nehm, was er hat“, verkündete er und setzte sich kurzerhand auf den Stuhl, um den er vorhin erfolglos gebeten hatte. Sasuke hatte beschlossen, ihn zu ignorieren. Vielleicht würde das funktionieren, wie bei Kindern auf dem Schulhof, die ihre Späßchen irgendwann aufgaben, wenn sie keine Aufmerksamkeit bekamen. Da hatte er die Rechnung allerdings ohne Naruto gemacht. „Glaub mir, ich würd lieber bei jedem anderen mitfahren als bei dir arrogantem Sack, aber hier fährt sonst keiner nach Konoha, ich hab mich schon seit Stunden umgeschaut. Die Saison hat noch nicht angefangen, deswegen ist kaum jemand auf den Straßen.“ „Stattdessen hättest du laufen können.“ So viel zum Vorsatz, ihn zu ignorieren. Aber sportlich genug für den Weg sähe Blondie aus. Wenn er sich beeilte, hätte er in drei, vier Tagen in der Stadt sein können. „Jaa, klar.“ Obwohl Sasuke nicht hinsah, konnte er praktisch hören, wie der andere die Augen verdrehte. „Ich muss morgen da sein. Hab da meinen ersten Arbeitstag in ner neuen Firma.“ Da war er ja früh dran. Sasuke fragte sich, wo er schlafen wollte, wenn er jetzt scheinbar noch keine Unterkunft hatte, sprach es jedoch nicht aus, um die Konversation nicht weiterzuführen. Er hatte wirklich besseres zu tun, als sich die Lebensgeschichte dieses Klo-Stalkers anzuhören. Die kurze Stille die eintrat, während Naruto sein Essen gebracht bekam, nutzte Sasuke, um erneut die E-Mail zu lesen, die er vorhin geschrieben hatte. Bei dem Anblick blinzelte er irritiert. ´Wenn Sie einen ersten Arbeitstag haben, können wir uns über weitere Zusammenarbeit unterhalten`, stand da. Verärgert davon, so von dem Geplapper dieser Nervensäge beeinflusst worden zu sein, korrigierte er den Text und kontrollierte die anderen Nachrichten, die er geschrieben hatte, seit Blondie sich zu ihm gesetzt hatte, doch alles andere schien in Ordnung zu sein. „Jetzt stell dich nicht so an“, nörgelte Naruto weiter, sobald die Bedienung weg war. Dabei schmatzte er lautstark an seinem Curry, was ihm einen angewiderten Blick von Sasuke einbrachte, der Essgeräusche auf den Tod nicht ausstehen konnte. „Das war vorhin echt bescheuert, tut mir leid. Aber als ich den Wagen gesehen hab, hab ich mit nem netten Opa gerechnet und nicht mit… Sowas wie dir.“ Sasuke zog die Brauen hoch. „´Sowas wie mir`?“ „Na ja, einem jungen, attraktiven Kerl halt. Erzähl mir nich, dass du nich weißt, wie scharf du bist, das kauf ich dir nich ab, Alter.“ Sasuke schnaubte, halb amüsiert, halb herablassend. Natürlich wusste er, wie er aussah, er besaß Spiegel und war sich seiner Wirkung auf andere durchaus bewusst. Und wie sich jetzt herausstellte, hatte er Recht gehabt mit der Vermutung, dass Naruto ihn auf der Toilette (auf eine ziemlich dämliche Art und Weise) angebaggert hatte. „Natürlich weiß ich das.“ „Arroganter Sack.“ Zuerst sah Naruto ihn mürrisch an, doch dann verzogen seine Mundwinkel sich nach oben. Ihre Blicke blieben aneinander hängen, und zum ersten Mal fiel Sasuke auf, was für ein ungewöhnlich intensives Azurblau die Augen des anderen hatten. Dickes, blondes Haar stand wild von seinem gebräunten Gesicht ab, dessen Kinn mit einem ungepflegten Bartschatten bedeckt war. Er sah… Nicht schlecht aus. Nach wie vor gefiel Sasuke das viel zu tief ausgeschnittene Achselshirt nicht, doch das konnte man ja ausziehen. Blinzelnd schob er diesen Gedanken beiseite. Wenn er schon so etwas überlegte, sollte er sich vielleicht tatsächlich mal wieder jemanden aufreißen. Er wusste schon nicht mehr, wann das zuletzt geschehen war, was jedoch nicht an mangelnden Interessenten lag. Sasuke hatte einfach anderes zu tun und einen Ruf zu verlieren, er konnte nicht einfach so herumvögeln. Und hier auf dieser Raststätte würde er seine Quote sicher nicht verbessern. „Isst du das noch?“, riss Naruto ihn mit halbvollem Mund aus seinen Überlegungen und deutete auf Sasukes noch kaum berührten Teller. Als der Dunkelhaarige eine wegwerfende Geste machte, zog der Blonde den Teller zu sich und begann, diesen mit überglücklichem Gesicht zu vertilgen. Leicht angewidert sah Sasuke zu. Er hatte wohl noch nie jemanden gesehen, der sich so über etwas zu Essen gefreut hatte. „Kannst du nicht leise essen?“ „Was denn? Es schmeckt halt!“ „Es schmeckt nicht schlechter, wenn du den Mund schließt.“ Naruto verzog das Gesicht, tat aber, was von ihm verlangt wurde. „Sowas pingeliges wie dich habe ich auch noch nicht erlebt… Sagst du mir jetzt wenigstens, wie du heißt?“ Ohne von seinem Laptop aufzublicken, seufzte Sasuke. „Wieso sollte ich?“ „Immerhin fahren wir nachher ein ganzes Stück zusammen, da wäre es doch nett, zumindest das zu wissen, oder?“ Irritiert blinzelnd richtete er sich auf. „Du hast immer noch nicht aufgegeben?“ Naruto kratzte sich breit grinsend am Hinterkopf und rief: „Natürlich nich! Is sowas wie mein Lebensmotto oder so!“ Ein Lebensmotto… Natürlich hatte ein Kerl wie dieser so etwas, hätte Sasuke sich eigentlich denken können. Vermutlich träumte er zudem von einer Karriere als Rapper oder dergleichen. Solche Typen gab es wie Sand am Meer, und sie waren alle dumm wie Stroh. Nun, das war nicht sein Problem. „Ich betreibe keinen Taxiservice“, stellte Sasuke klar, der den Rest seines Wassers trank und sich nach der Kellnerin umsah, um zu bezahlen. „Und was arbeitest du dann? Muss ja wichtig sein, wenn du sogar in deiner Mittagspause daran sitzt“, stellte Naruto mit einem Nicken zum Laptop fest. Ob es wichtig war, konnte Sasuke nicht sagen, aber es war seine Arbeit, und er machte seine Arbeit immer gründlich. Zumal viele Jobs davon abhängig waren. Doch diese Art von Verantwortung kannte Blondie wohl nicht, sodass er sich nicht die Mühe machte, darüber zu sprechen. Zumal: „Das geht dich nichts an.“ „Aaaalter, du bist ja gesprächig wie ein Baum.“ „Du unterhältst dich mit Bäumen?“, fragte Sasuke süffisant nach. Wieso tat er das nicht gerade jetzt, anstatt ihm auf die Nerven zu gehen? „Und ein Korinthenkacker bist du auch! Das war nur nen Vergleich, ok?!“, motzte Naruto, als gerade die Kellnerin kam. Diese sah etwas verunsichert zwischen den beiden Männern hin und her und fiepte: „Ähm, zahlen Sie zusammen oder getrennt?“ „Ge…“, fing Sasuke an, wurde jedoch von seinem Stalker unterbrochen. „Zusammen.“ Schon hatte er das Portemonnaie gezückt und beglich die Rechnung mitsamt angemessenem Trinkgeld. Die Bedienung verabschiedete sich höflich und verließ den Tisch, sodass sie nicht hörte, wie Naruto sagte: „Ich hab doch gesagt, dass ich dich einlade, Mann. Als Entschuldigung, schon vergessen?“ „Hn.“ Sasuke klappte den Laptop zusammen und erhob sich. Von oben herab musterte er Blondie abweisend. „Ich nehme dich trotzdem nicht mit“, verkündete er und verließ das Restaurant. Hinter sich hörte er Naruto rufen: „Wer bedankt sich auch für eine Einladung?“, doch darauf reagierte er nicht. Unterwegs warf er einen Blick auf die Uhr, deren Stand er nicht so recht glauben wollte, sagte er doch, dass er fast eine Stunde mit Naruto dort gesessen haben sollte. Das konnte unmöglich sein. Er würde das dumme Ding zur Reparatur bringen lassen müssen. Draußen schlug ihm eine Welle heißer Luft entgegen, die ihn sich auf die Klimaanlage in seinem Wagen freuen ließ. Im Gehen zündete er sich eine Zigarette an, die er sich nach der letzten, anstrengenden Stunde wirklich verdient hatte. Jemand so aufdringlichen wie diesen blonden Querkopf hatte er wohl noch nie erlebt, und er hatte beruflich schon einige verrückte Leute kennengelernt. Und dann erwartete der allen Ernstes, dass Sasuke ihn mitnahm. Als würde er sich freiwillig eine weitere Stunde dieses Geplapper antun. „Rauchen ist schlecht für die Gesundheit.“ Sasuke schloss die Augen in der Hoffnung, sich das nur einzubilden, doch als er sie wieder öffnete, stand da natürlich trotzdem Naruto vor ihm, der ihn vorwurfsvoll anstarrte, als würde er seine Zigarette direkt auf dem Grab seiner geliebten Großmutter abklopfen. Provokativ blies der Schwarzhaarige ihm den Rauch mitten ins Gesicht. „Was du nicht sagst.“ Fluchend fuchtelte Naruto mit den Armen, um den Rauch zu verscheuchen. Sasuke nutzte die Gelegenheit, um weiterzugehen, doch Blondie gab noch immer nicht auf. „Du musst echt mal wieder richtig gepimpert werden, vielleicht wärst du dann nich mehr so ne verdammte Bitch.“ Abrupt blieb er auf dem Absatz stehen, wirbelte herum und sah sich Naruto direkt gegenüber, der ihm wieder nachgelaufen war und ihn jetzt aus nur wenigen Zentimetern Entfernung mit verdutzten Hundeaugen angaffte. „Du bist ein Fremder, der mich ungefragt auf einer Raststätten Toilette angequatscht hat und seitdem nicht mehr in Ruhe lässt. Ich schulde dir nichts, und du solltest froh sein, wenn ich dich nicht anzeige.“ Die Verblüffung des anderen legte sich viel zu schnell, stattdessen lächelte er süffisant. „Awww, hab ich da etwa einen Nerv getroffen…? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du so untervögelt sein sollst… Wobei, wenn du immer so ein Arschloch bist…“ „Halt die Klappe“, zischte Sasuke, der bedauernd zu der Zigarette hinabsah, die er in seinem Ärger auf den Boden gepfeffert hatte. Sich eine neue anzuzünden, hatte er jetzt aber keine Lust, sodass ein weiterer Punkt auf seiner Liste unverrichteter Dinge stand; er hatte nicht gegessen, nicht so viel gearbeitet wie geplant und nicht geraucht. Immerhin war er auf der Toilette gewesen… wobei er das lieber hätte sein lassen sollen, wenn er den Klammeraffen ansah, der ihm seither hinterher lief. Wütend darüber, so von diesem Fremden gereizt worden zu sein, stapfte er zu seinem Auto, stieg ein und legte den Laptop auf den Rücksitz, bevor er den Motor startete. Seine Hände krampften um das Lenkrad und er zwang sich, tief einzuatmen. Er hatte jetzt keine Zeit, sich mit so etwas zu beschäftigen, die Saison fing am nächsten Tag an und der Besuch bei seinen Eltern, von dem er gerade zurückkehrte, hatte schon genug Zeit gefressen. Doch Mikoto, seine Mutter, hatte darauf bestanden, ihn zu sehen, und jetzt war er im Verzug mit seiner Arbeit. Lästige soziale Pflichten… Endlich fühlte Sasuke sich ruhig genug, das Gaspedal durchzudrücken und den Rastplatz zu verlassen. Er steuerte den Wagen langsam aus der Parklücke und zwischen den anderen Autos durch, als er plötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. Noch bevor er reagieren konnte, spürte er den Aufprall eines Körpers auf seinem Wagen. Die Vollbremsung ließ seine Reifen quietschen, doch die Gestalt, die zwischen zwei Motorhauben hervorgestürmt war, war trotzdem zu Boden gegangen. „Fuck“, zischte er und schnallte sich ab, um aus dem Auto zu kommen. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, rannte er um seinen BMW, das Handy in der Hand, den Notruf schon fast getätigt… Als er einen blonden Haarschopf sah, der sich mühsam vom Asphalt kratzte. Echt jetzt? „Naruto…“ Grinsend, eine Hand an seinem Kopf, wandte er sich zu Sasuke um. „Stets zu Diensten… Autsch…“ „Du spinnst doch“, seufzte der Schwarzhaarige und kniete sich zu dem anderen. Immerhin hatte er diesen angefahren, ob er jetzt eine Nervensäge war oder nicht. Zum Glück sah Naruto nicht ernsthaft verletzt aus, was wohl daran lag, dass Sasuke langsam gefahren war. „Geht es dir gut?“ „Jaaa, ich bin unkaputtbar, keine… Aua!“, fiepte er, als Sasuke ihm einige Strähnen aus der Stirn strich, unter denen sich abgeschürfte Haut zeigte. Der Uchiha runzelte missbilligend die Stirn. „Das sehe ich... Aber es sieht nicht allzu schlimm aus. Soll ich einen Krankenwagen rufen?“, fragte er, zu seinem Handy nickend, das er neben sich auf den Boden gelegt hatte. „Ah, ich hab doch schon eine hübsche Krankenschwester… Aua!“ Sasuke hatte ihm eine Kopfnuss verpasst und klopfte sich den Staub von den Hosen. Wenn der Trottel schon wieder Scherze machen konnte, hatte er ihn vielleicht nicht fest genug getroffen. Verspätet beschleunigte sich sein Herzschlag und zum ersten Mal realisierte er richtig, was gerade passiert war. Ein Autounfall hatte ihm gerade noch gefehlt. Besorgt drehte er sich um, doch die Kühlerhaube des BMW schien genauso wenig Schaden genommen zu haben wie der Mann, der dagegen gesprungen war. Trotzdem sah er aus dem Augenwinkel zu Naruto, der sich etwas wackelig auf die Beine rappelte. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können. „Sag mir bitte, dass das keine Absicht war.“ „Dann sag ich es halt nicht“, lachte der andere unbeschwert, wobei jedoch zu sehen war, wie er vor Schmerz leicht zusammenzuckte. Ganz so unzerstörbar war er dann wohl doch nicht. „Vollidiot“, schnaubte Sasuke, dann ging er zur Autotür. Seine Hände zitterten plötzlich und er fühlte sich seltsam losgelöst von seiner ganzen Umgebung. Dieser Verrückte hätte sich gerade – mit seiner Hilfe! – beinahe umgebracht. Ihm war völlig die Kontrolle entglitten, etwas, das er hasste, und alles nur wegen dieser strohdummen Blondine. Auf der Suche nach etwas Halt lehnte er sich an die Fahrertür, sah Naruto an und fragte: „Was ist das für ein Job, der dein Leben wert ist?“ Der Blonde beendete die Inspektion seiner Kleidung, um Sasuke anzugrinsen. „Na, mein Job eben!“ Was war das bitte für eine Antwort? Der Schwarzhaarige schnaubte genervt und sah über den Parkplatz hinweg, in dem Versuch, die Situation zu überdenken und sich zu beruhigen. Es war tatsächlich nicht viel los, was erklärte, warum Naruto keine Mitfahrgelegenheit gefunden hatte. So hatte niemand den Unfall gesehen. Wenn sein (freiwilliges) ´Opfer` auf eine Anzeige verzichtete, könnte er sich vielleicht wenigstens sparen, zur Polizei zu gehen. Und er konnte sich schon vorstellen, was dieser Dummkopf als Entschuldigung haben wollte. Eigentlich sträubte sich alles in ihm, zu glauben, dass jemand bereit war, so weit zu gehen, um ein Ziel zu erreichen (noch dazu, wenn dieses Ziel nur die Arbeitsstelle war), doch Blondie hatte es ja selbst zugegeben. „Hol deine Sachen“, verlangte Sasuke, dem die logische Konsequenz der Geschehnisse bewusst wurde. Hierlassen konnte er Naruto nämlich nicht, nachdem dieser angefahren worden war, egal, wie sehr er beteuerte, ´es sei gar nicht so schlimm`. Zumindest war Naruto inzwischen aufgestanden und hatte seine reichlich zerschundene Kleidung zurechtgezupft. „Huh?“ „Dein Gepäck“, explizierte Sasuke ungeduldig. „Wenn du nach Konoha ziehst, wirst du wohl welches dabei haben. Und beeil dich.“ „Du… Nimmst mich also mit? Echt jetzt?!“, strahlte Blondie und stürmte davon, als der Schwarzhaarige nickte. Als Sasuke den Wagen zur Seite fuhr, um den Weg nicht zu blockieren, fragte er sich, was er sich da eingebrockt hatte und ob er nicht doch lieber schnell das Weite suchen sollte, während sein frischgebackener Mitfahrer weg war. Doch da sah er Naruto bereits mit einem gigantischen Koffer auf den BMW zuhumpeln. Einem gigantischen Koffer – und einer fast genauso gigantischen Katze. Das Tier hatte langes, orangerotes Fell, bis auf zwei schwarze Streifen, die jeweils von der Nase zu den Ohren liefen. An deren Spitzen wiederum hatte es zwei lange Fellbüschel. Mal wieder wusste Sasuke für einen Moment nicht, was er sagen sollte. Wie schaffte Naruto das nur ständig? Schließlich brachte er perplex heraus: „Was ist das?“ Gerade so, als hätte das Tier ihn verstanden, legte es die Ohren an und starrte Sasuke aus rotbraunen Augen finster an, während es mit seinem Herren näherkam. Dieser hob den Fellberg hoch als wöge er nichts und streichelte ihm den Kopf. „Das ist Kurama. Kurama, das ist… Äh…“ Er lehnte sich etwas zurück, um das Nummernschild sehen konnte, und fuhr fort: „Das ist SU.“ Genervt rieb Sasuke sich über die Schläfe, während er unentwegt das Starren des Tieres erwiderte, bis dieses sich schließlich mit einer Art Grunzen auf Narutos Arm umdrehte. Dieser war begeistert: „Aw, er mag dich! Sonst beißt er Fremde immer… Du bist nämlich eine ganz, ganz böse Mizi, nicht wahr, Kurama…?“ Die ´böse Mizi` hatte für den grenzdebilen Tonfall, mit dem ihr Herrchen sprach, nur ein leises Knurren übrig. Allerdings machte sie keine Anstalten, ihn zu beißen oder sonst wie zu verletzen, als er die Finger durch ihr dichtes Fell gleiten ließ. Sasuke war nicht begeistert davon, dass Naruto ihm das Ungetüm einfach vor die Nase gehalten hatte, obwohl dieses scheinbar ganz gerne Mal die Zähne in Fremden versenkte. Aber da er Glück gehabt hatte, nützte es wohl nichts, sich zu beschweren. Außerdem wollte er endlich los, und es war nicht so, dass er keine Katzen mochte. Genau genommen kam er mit diesen Tieren besonders gut aus. Doch das hieß nicht, dass er eines von ihnen auf den Ledersitzen seines BMW haben wollte. „Du reist mit deiner Katze?“, fragte Sasuke weiter, da Naruto seine vorige Frage nicht verstanden zu haben schien. Kurama fauchte leise und sein Besitzer erklärte: „Er ist ein Kater“, als wäre das offensichtlich. „Darum geht es nicht“, stöhnte der Dunkelhaarige gereizt. „Ah, komm schon. Er ist stubenrein, und er bleibt die ganze Fahrt ruhig, versprochen.“ Irgendwie wartete Sasuke darauf, dass sein neuer Mitfahrer das als Scherz offenbaren würde, was er natürlich nicht tat. Also seufzte er, bedeutete Naruto, seine Sachen in den Kofferraum zu packen und startete den Motor, als er neben ihm saß, das haarige Ungetüm auf seinem Schoß. Ihm war unbegreiflich, wie es zu dieser Situation hatte kommen können. Er hatte nur seine Eltern besuchen wollen, und jetzt hatte er einen Mann über den Haufen gefahren und saß mit besagtem Mann und seiner Katze – Pardon: Kater – im Auto. Was für ein Tag. „Sagst du mir jetzt eigentlich endlich, wie du heißt?“, erkundigte Naruto sich nach viel zu kurzem Schweigen. Sasukes Puls hatte sich gerade erst wieder beruhigt. „Wieso sollte ich?“ „Damit ich dich später anzeigen kann“, feixte sein Beifahrer, hob aber abwehrend die Hände, als sein Fahrer ihn böse anstarrte. „Schon gut, reg dich ab. Ich wollte nur höflich sein.“ „Damit hättest du anfangen können, bevor du mich gestalkt hast.“ Naruto streichelte lachend seinen Kater, der sich auf seinem Schoß zusammengerollt hatte. „Aber jetzt verbringen wir ja mehr Zeit miteinander, da muss man sich doch unterhalten können!“ Der Fahrer beschleunigte etwas mehr als nötig, um einen LKW zu überholen. Wenn er wütend oder angespannt war, fuhr er immer zu schnell. „Aha.“ „Du bist echt anstrengend, weißt du das?“, jammerte der Blonde die Augen verdrehend. Sagte der Richtige, dachte Sasuke mit aufeinandergepressten Lippen, doch er sagte nichts. Ein paar Sekunden starrte Naruto ihn an, dann fuhr er fort: „Dann muss ich halt raten. Irgendwas mit S und U, deinem Nummernschild nach zu schließen…“ „Wie genau hast du mein Auto eigentlich angesehen?“ Naruto grinste ihn herausfordernd an – zumindest hielt Sasuke es für den Versuch einer Provokation, für ihn sah es jedoch eher dümmlich aus. „Als ich darunter begraben lag, hatte ich genug Zeit.“ „Du bist vor meine Motorhaube gesprungen“, zischte Sasuke, dem das Gestichel des anderen sekündlich mehr auf die Nerven ging. Sein anfängliches Schuldbewusstsein war bereits verflogen. „Du verstehst echt keinen Spaß, oder?“ Ihm war nicht ganz klar, was daran ´spaßig` sein sollte, jemand anderem beinahe einen Mord anzuhängen, doch hatte er jetzt keine Lust mehr, mit ihm zu reden, sodass er einfach nicht antwortete. Diesen Wink mit dem Zaunpfahl ignorierte Naruto jedoch, der munter weiter plapperte: „Ok, zurück zu deinem Namen. So, wie du dich benimmst, ist es bestimmt was Spießiges wie… Hm… Siegfried oder Ulrich oder…“ Eine Weile riet er weiter, die Aura schlechter Laune ignorierend, die von seinem Beifahrer aufstieg wie eine Giftwolke. Schließlich unterbrach Sasuke ihn, indem er zischte: „Du hältst nie die Klappe, oder?“ „Nicht, bis du mir deinen Namen sagst“, stimmte Blondie vergnügt zu. Dabei ließ er die Finger durch das Fell seiner Katze gleiten wie ein Superschurke. Sasuke würde nachher jemand hier drinnen staubsaugen lassen müssen. Er glaubte zwar nicht, dass Naruto wirklich still sein würde, doch die zunehmend absurderen Namensvorschläge nervten ihn so sehr, dass er: „Sasuke“, sagte. Der andere strahlte ihn selbstzufrieden an. „Na also, das war doch gar nicht so schwer, oder, Sasuke?“ Naruto kostet den Namen aus wie eine Trophäe. Der Angesprochene verdrehte die Augen und beschleunigte, was Kurama weckte, der bis dahin friedlich auf dem Schoß seines Herrchens geschlafen hatte. Mit einem Knurren stierte er zu Sasuke, als wüsste er, dass dieser dafür verantwortlich war, dass er geweckt worden war. Vor Ärger grub er Naruto die Krallen ins Bein, der aufjaulte: „Man, ich kann doch nichts dafür!“, und versuchte, seine Jeans zu befreien. Beleidigt sprang der riesige Kater auf den Rücksitz, wo er es sich, wie Sasuke im Rückspiegel sah, auf seinem Armani-Jackett bequem machte. Er verzog das Gesicht. So ein Mistvieh. „Warum steckst du ihn nicht in einen Katzenkorb?“, wollte Sasuke wissen, während er ein paar neidisch dreinblickende Papis in ihren Familienkutschen überholte. „Darauf steht er nicht besonders.“ Als Sasuke herablassend schnaubte, deutete Naruto entrüstet auf den Fellberg hinter sich, der gerade rote Haare auf einer Designerjacke verteilte. „Alter, hast du ihn gesehen?! Versuch du mal, so ein Ungetüm in einen Käfig zu stecken, wenn er nicht will. Mein Dad hatte den Trick raus... Aber mir ist es sowieso lieber, wenn er frei rumlaufen kann. Und er ist viel schlauer als andere Katzen. Auf Leckerli oder so fällt er nicht rein und er versteht jedes Wort, das wir sagen.“ Naruto hatte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern gesenkt, doch sein Fahrer verdrehte nur die Augen. Das behauptete doch jeder Besitzer von seinem Haustier. Zumindest, soweit er das beurteilen konnte, denn er hatte nie ein Haustier besessen. Sein Vater war kein Fan von Vierbeinern im Haus, und als er seinen eigenen Haushalt führte, konnte er ebenso gut auf überall verteilte Haare verzichten. Zumal er sowieso keine Zeit hatte, sich um ein Tier zu kümmern, wie er mit einem Blick auf seine Armbanduhr bestätigte. Dank des rothaarigen Ungetüms und seines Herren war er spät dran, was er hasste. „Also, Sasuke…“ „Du wolltest die Klappe halten, wenn du meinen Namen weißt.“ „Ich sagte aber nicht, dass ich sofort still sein würde, nachdem ich ihn weiß, oder?“, feixte Naruto mit leuchtenden Augen. Hinter ihnen schnurrte der Kater stotternd, fast, als würde er lachen. Sasukes Geduld mit seinem Beifahrer war bereits deutlich strapaziert. Er spürte einen leichten Schmerz in der linken Schläfe, was bei ihm nie ein gutes Zeichen war. „Dir ist klar, dass ich dich einfach rausschmeißen könnte, oder?“ „Du dürres Krischperl?! Das will ich seh… Oh“, unterbrach Naruto sich überrascht, die Hand an Sasukes Arm, welchen er austestend drückte. Dabei spürte er unter dem dünnen Hemd definierte Muskeln, nur waren diese eben nicht so übertrieben aufgepumpt wie bei ihm selbst. Mit einem selbstgefälligen: „Hn“, schnippte Sasuke die Finger des anderen weg. „Und jetzt sei still.“ „Schon gut, schon gut… Hat es einen Grund, aus dem du so mies drauf bist?“, plapperte Blondie munter weiter drauf los. Sasuke warf ihm nur einen Blick zu, dann überlegte er, dass sie wohl noch etwas weniger als eine halbe Stunde unterwegs sein dürften. Er könnte die Nervensäge – und das Fellknäuel, das sein Jackett vollhaarte – tatsächlich rausschmeißen. Selbst zu Fuß könnten sie gegen Abend in der Stadt sein… Nicht, dass es sein Problem wäre, ob sie jemals ankamen. „Gesprächig biste wirklich nich…“, schmollte Naruto, der keine Antwort bekommen hatte, dann strich er über Sasukes Stirn, welche dieser gerunzelt hatte. „Weißt du, das man Falten bekommt, wenn man das zu oft macht?“ „Kann ich mir leisten.“ Kurz war es still im Wagen – Welche Wohltat! – Dann lachte Naruto so laut, dass seine Katze fauchend aus dem Schlaf hochfuhr und sich im Fußbereich der Rückbank versteckte. Sasuke schoss ihm einen finsteren Blick zu, ehe er sich ein amüsiertes: „Hn“, nicht verkneifen konnte. Es gab nicht viele, die so locker mit seiner überheblichen Direktheit klarkamen. Oft erlaubte er sich sowieso nicht, diese Seite von sich preiszugeben – er fragte sich, wie Naruto ihn so schnell dazu gebracht hatte, seine Mauer aus Distanziertheit zu durchbrechen. Schließlich war er es aus seiner Rolle als Geschäftsführer gewohnt, stets höflich und respektvoll zu sein, egal, wie dumm die Fragen seiner Kunden waren. Ähnlich verhielt er sich seiner Familie gegenüber. Einzig sein Bruder bekam ab und zu Sasukes ´zickige` Seite (So nannte es zumindest Itachi) zu sehen, doch der konnte damit umgehen. Was er wohl zu seinem heutigen ´Abenteuer` sagen würde? Wahrscheinlich fände er das alles höchst amüsant. Inzwischen hatte Naruto sich genügend eingekriegt, um kichernd hervorzustoßen: „Hätte nicht gedacht, dass neben deinem Stock im Arsch noch Arroganz Platz hat! Respekt!“ Sasuke verzog das Gesicht und sagte nichts dazu, weshalb der Blonde ihn gegen die Schulter knuffte. „Komm schon, das war nett gemeint. Humor ist wichtig!“ „Findest du? Merkt man kaum.“ Wobei ´Humor` wohl ein dehnbarer Begriff war. „Hehe, das gehört in meinem Job halt dazu.“ „Hm“, machte Sasuke, der keine Lust hatte, den Köder zu schlucken und weiter nachzufragen. Naruto kicherte noch hin und wieder, sagte aber nichts mehr. Stattdessen lehnte er sich ans Fenster uns beobachtete schweigend die Landschaft, sodass endlich Ruhe im Wagen einkehrte. Neben der Autobahn waren jetzt öfter Häuser zu sehen, und schließlich sah Sasuke endlich ihre Ausfahrt. Sie hatten Konoha erreicht. Und das, ohne das er seinem Beifahrer an die Gurgel gegangen wäre, das war doch etwas. Er warf Naruto aus dem Augenwinkel einen Blick zu, doch der Blonde war irgendwann während der letzten Minuten eingeschlafen, und er wollte nicht das Risiko eingehen, ihn zu wecken und sich dann wieder sein endloses Geplapper anhören zu müssen. Zwar hatte er nicht gesagt, wo genau er hin wollte, doch Sasuke wusste schon, wo er ihn absetzen würde. Auf dem Weg durch die Stadt stellte er fest, dass die Straßen des Ferienortes sich bereits mit jungen, zumeist halbnackten Leuten füllten, obwohl Saisonstart erst in zwei Tagen war. Noch saßen in den Straßencafés fast nur Einheimische oder Arbeiter von außerhalb bei einem frühen Abendessen, doch schon bald würde dieses Bild sich wandeln. Bevor es so weit war, hatte Sasuke noch viel zu tun, wovon ihn das Dornröschen auf seinem Beifahrersitz abgehalten hatte. Das würde wohl eine Nachtschicht bedeuten. Als sie an ihrem Zielort angekommen waren, parkte Sasuke und berührte Naruto an der Schulter, um ihn zu wecken. Er gab ein unwilliges Grunzen von sich, schälte sein Gesicht von der Fensterscheibe und starrte sein Gegenüber verschlafen an, als wüsste er überhaupt nicht, wo er sich befand oder wie er dorthin gekommen war. „Was´n…?“, murrte er und kratzte sich am Kinn, auf dem ein blonder Bartschatten spross. „Wir sind da. Hol deine Sachen und steig aus“, erklärte Sasuke gelassen. Noch immer verwirrt drehte Naruto sich um und erblickte das Krankenhaus, vor dem der Wagen stand. „Was?“ Da der Blonde das Offensichtliche scheinbar nicht verstand, erklärte sein Fahrer: „Du warst Opfer eines Verkehrsunfalls. Lass dich untersuchen. Dafür musst du aussteigen.“ „Willst du jetzt einen auf verantwortungsvoll machen?“, moserte Naruto, sich wieder nach Sasuke umdrehend. Inzwischen war wohl sein Kater erwacht, denn vom Rücksitz war ein leises Rascheln zu hören, ehe Kurama sich auf den Schoß seines Herren schwang. Dabei blickte er würdevoll aus dem Wagen, wie um die Umgebung zu inspizieren. „Damit bist du n bisschen spät dran, oder?“ Wegen der Kritik zuckte er nur die Schultern. Dann halt nicht. „Steig trotzdem aus.“ Naruto verzog das Gesicht und streckte sich. „Alter, das man so gut aussehen und so ein Arsch sein kann… Ich dacht immer, das wär n Klischee…“ „Hn… Funktionieren diese Sprüche eigentlich bei irgendwem?“, wollte Sasuke unbeeindruckt wissen. „Oh, meistens ziemlich gut, danke der Nachfrage.“ Naruto grinste ihn an, und irgendwie glaubte Sasuke ihm, obwohl er mit seinem struppigen Dreitagebart, der blonden Mähne, die dringend einen Friseur brauchte, und den orangen, etwas schmuddeligen Achselshirt so überhaupt nicht sein Typ war. Von seinem Hang, ständig zu reden, mal ganz abgesehen. Er hatte etwas Einnehmendes, in all seiner nervigen Lautstärke, sonst hätte er Sasuke wohl kaum dazu gebracht, mit ihm zu reden, geschweige denn, ihn mitzunehmen. Als er keine Antwort bekam, seufzte der Blonde, packte seinen (leise knurrenden) Kater am Bauch und stieg aus. Dabei lehnte er sich jedoch nochmal ins Wageninnere und funkelte seinen Fahrer herausfordernd an. „Bist du dir sicher, dass du keine Belohnung haben willst?“ Die größte Belohnung würde sein, endlich seine Ruhe zu haben, aber er hatte jetzt keine Lust mehr auf dämliche Wortgefechte, sodass er schlicht nickte. „Na gut…“, mümmelte Naruto so enttäuscht, dass Sasuke sich fragte, wie oft er einfach so Leute auf der Straße aufriss. Noch etwas, das er überhaupt nicht mochte; Sprunghaftigkeit. „Aber du hättest bestimmt auch deinen Spaß, Sasuke…“ „Wenn du nicht endlich dein Zeug aus dem Kofferraum holst, fahre ich damit weg.“ Die Männer sahen sich in die Augen, bis der Blonde das Gesicht verzog. „Oh, schon gut! Ich hab´s kapiert, du bist einer von den Bösen. Dann halt nicht!“ Damit knallte er die Beifahrertür zu und holte sein Gepäck. Sasuke verdrehte die Augen und startete den Motor, fuhr allerdings nicht direkt los. Stattdessen beobachtete er Naruto, der sein Handy aus der zerschlissenen Jeans gezogen hatte und auf jemanden am Hörer einredete. Der Trottel sah ganz und gar nicht danach aus, als würde er das Krankenhaus betreten, obwohl er vor nicht mal zwei Stunden angefahren worden war… Ungeduldig sah er geradeaus, schloss die Finger fest ums Lenkrad, und öffnete schließlich das Beifahrerfenster. „Naruto.“ Dieser blickte auf, scheinbar erstaunt, den BMW noch zu sehen, und legte den Kopf fragend schief. „Lass dich untersuchen“, befahl Sasuke, dann drückte er das Gaspedal durch. Im Rückspiegel sah er seinen unfreiwilligen Beifahrer grinsend winken, und er bildete sich ein zu sehen, wie seine Lippen: „Danke, du Bastard!“, formten, ehe er hinter der nächsten Biegung verschwand. Sasuke rieb sich entnervt über die Augen und bekam plötzlich unbändige Lust auf eine Zigarette. Zum Glück hatte er diesen Volltrottel zum letzten Mal gesehen. You never say ´Hey` Or ´Remember my Name` And it´s probably cause You think you´re cooler than me Kapitel 2: Master meets Desaster -------------------------------- I´ve been climbing up all these Mountains for so long And I´ve been building up all these Kingdoms for so long. I will never run when Destiny comes I´m dipping my Hand in Gold; It´s good to be King. Zayde Wolf - King Der Raum war vielleicht 50 Meter lang, schwarz verkleidet und besaß keine Fenster. Scheinwerfer, die sonst buntes Licht auf tanzende Leiber projizierten, richteten ihren gelblichen Schein auf die Bühne, auf der sonst ein DJ oder gelegentlich Life-Bands auftraten. Gerade stand eine Frau mit flammendrotem Haar dort oben, deren knapper Rock vom männlichen Publikum mit Begeisterung wahrgenommen wurde. Dieses saß, zusammen mit ihren weiblichen Kolleginnen, auf Stühlen, welche bis zur hinteren Saalwand aufgereiht worden waren. Sie warteten offensichtlich nur darauf, den stickigen Raum verlassen zu können, um Sonne und Meer zu genießen, bevor die Arbeit am nächsten Tag richtig losgehen würde. Sasuke selbst saß in der ersten Reihe, hatte die Beine überschlagen und lauschte mit verschränkten Armen seiner Verwaltungsleiterin, obwohl er das, was sie erzählte, alles schon in ihrem Bericht aus der vorigen Saison gelesen hatte. Wie immer erzählte sie zu viel, sodass ihr die meisten wohl nur noch zuhörten, weil sie wussten, dass ihr Arbeitgeber großen Wert auf Disziplin unter seinen Angestellten legte. Schließlich kam Karin jedoch zum Ende und wurde von höflichem Applaus von der Bühne begleitet. Sasuke erhob sich, um ihren Platz am Rednerpult einzunehmen, und die Rothaarige lächelte ihn breit an. Er nickte, ehe er sich hinter das Mikrofon begab, wo er zunächst die Gesichter unter sich betrachtete. Wie jedes Jahr saßen fast nur Fremde im Saal, mal abgesehen von Festangestellten wie Karin. Der Rest waren Saisonarbeiter, deren Namen zu merken er sich nicht die Mühe machen würde. Ein Umstand, der sich ebenfalls jährlich wiederholte, war das angeregte Getuschel, das unter den weiblichen Anwesenden einsetzte, sobald sie ihren jungen Arbeitgeber zum ersten Mal erblickten. Natürlich sahen sie alle gut aus. Darauf zu achten, war eine explizite Anweisung an seinen Personalmanager. Doch persönlich interessierte Sasuke sich recht wenig für die Damen. „Willkommen im Sensu-Resort. Vor uns liegt eine arbeitsreiche Saison, in der ich von jedem von Ihnen absolute Perfektion erwarte. Unsere Kunden sind höchste Standards gewöhnt, und Sie werden dafür sorgen, dass sie diesen in unserem Haus geboten bekommen. Ich dulde keine Missgeschicke, daher werden Sie konzentriert und sauber arbeiten. Ebenso werde ich es halten, weshalb ich nicht wünsche, dass jeder einzelne von Ihnen täglich vor meiner Tür steht. Für Fragen werden Ihnen unser Personalmanager, Shikamaru Nara“ – er nickte einem brünetten Mann mit Zopf zu, der sich etwas wiederwillig erhob, damit alle ihn sehen konnten – „Und ein von Ihnen gewählter Angestellten-Vertreter zur Verfügung stehen. Diese werden im Bedarfsfall Ihre Vorschläge an mich weiterleiten.“ Einige der jungen Frauen sahen enttäuscht aus, was einer der Gründe für diese Maßnahme war. Als er das Hotel übernommen hatte, hatten Sasuke täglich Dutzende weibliche Angestellte mit noch so kleinen Anfragen belästigt, wofür er weder Zeit noch Geduld hatte. Deshalb war er schnell dazu übergegangen, diese Fragen zu delegieren. Oft genug kam es vor, dass eine seiner ´Verehrerinnen` den Job der Angestelltenvertretung übernahm, doch eine hormongesteuerte Östrogenbombe konnte er ertragen oder abwimmeln, wenn es sein musste. Zumal das kein Phantasie-Job war. Sasuke wusste seinen Draht zum Personal stets zu beschäftigen. „Unsere Kunden sind oftmals Personen des öffentlichen Lebens, daher wird von jedem von Ihnen größtmögliche Diskretion erwartet. Sie werden Ihre Aufgaben effizient und sauber erledigen, ohne dabei Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sollte mir zu Ohren kommen, dass Neuigkeiten über spezielle Wünsche oder Vorlieben unserer Gäste das Hotel verlassen, werden die Verantwortlichen ohne weitere Verwarnung ihre Sachen packen. Halten Sie sich an diese Grundsätze, dann werden Sie eine erfolgreiche Saison verleben. Vielen Dank.“ Sasuke verließ unter höflichem Applaus das Podium. Es störte ihn nicht, vor Menschen zu reden, doch seine Lieblingsbeschäftigung war es ebenso wenig. Eigentlich stand er nicht gerne im Mittelpunkt, was sich jedoch in seiner Position nicht vermeiden ließ. Und solange er seine Ziele dadurch verwirklichte, war ihm dieser Grad an Öffentlichkeit gleich. Als der junge Hotelier an seinen Platz zurückkehrte, erhob sich sein Sitznachbar, um ihm die Hand zu reichen. Der große Mann mit langem, dunklem Haar trug stets weite Gewänder und einen Haufen Make-up. Zudem hatte Orochimaru schon ewig einen Narren an Sasuke gefressen, was dieser nicht unbedingt beförderte, doch aus geschäftspolitischen Gründen genauso wenig unterband. Der Ältere besaß nämlich einen der beliebtesten Nachtclubs Konohas, mit welchem das Sensu-Resort des Öfteren zusammenarbeitete – Aus diesem Grund war Orochimaru heute hier und würde jetzt, nachdem er dem Hoteldirektor die Hand geschüttelt und zu seiner ´gelungenen Rede` beglückwünscht hatte, nun vor dessen Angestellten sprechen. Sasuke musterte ihn nachdenklich, während er die Treppe zum Podium hochstieg und das Publikum breit lächelnd begrüßte. Vielleicht sollte er auf die Avancen des Diskothekenbetreibers eingehen, zumindest ein wenig. Immerhin sah er für einen Ende Fünfzigjährigen nicht schlecht aus, obwohl dieser Umstand zum Großteil Schönheitsoperationen geschuldet war. Allerdings war er dem Uchiha zu alt, zumal dieser sowieso keine Zeit für eine Partnerschaft oder Affäre hatte. Seine wenigen Freunde hatten Recht, wenn sie behaupteten, dass Sasuke mit seiner Arbeit verheiratet war. Er war schon immer strebsam und gerne alleine gewesen, eine Beziehung hätte also seinem Naturell widersprochen. Er lehnte zwar weder bloßen Sex noch Liebe ab, doch hatte beides eindeutig keine Priorität in seinem Leben. Gerade, als er sich setzen wollte, bemerkte er, wie die Tür des Saals sich einen spaltbreit öffnete und eine Gestalt hereinhuschte. Mit leicht zusammengekniffenen Augen - Er sollte sich wirklich endlich die Augen lasern lassen - sah Sasuke zu, wie ein blonder Mann sich umsah und möglichst unauffällig versuchte, sich in eine der hinteren Stuhlreihen zu einem freien Platz durchzukämpfen. Dabei kassierte er böse Blicke von den Hotelangestellten, die tuschelten, anstatt Orochimarus Rede zuzuhören. Irgendetwas an der Art, wie der Störenfried sich bewegte, kam Sasuke bekannt vor, doch er konnte nicht den Finger darauf legen woher, und da zupfte Karin schon ungeduldig an seinem Ärmel, damit er sich hinsetzte. Er nahm Platz und beschloss, sich nachher um den zu spät Kommer zu kümmern. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Redner, obwohl dieser das übliche, banale Gewäsch über ´innige Zusammenarbeit`, ´gemeinsame Früchte harter Arbeit` und dergleichen von sich gab, das jeder Provinz-Chef zur Motivation seiner Mitarbeiter vom Stapel ließ. Nicht, dass es Sasukes Stärke gewesen wäre, jemanden zu ermutigen. Aber wenn er merkte, dass einer seiner Angestellten nicht sein Bestes gab, hatte dieser die längste Zeit im Sensu-Resort gearbeitet. Er fackelte nicht lange mit Kündigungen, wenn jemand ihm nicht mehr nützlich war. Jedenfalls war der junge Geschäftsführer froh, als sein Kollege seine Ansprache beendete und die Bühne verließ. Anschließend erklomm ein sehr lustlos wirkender Mann, etwa in Sasukes Alter, die Bühne, wobei er die Hände in den Taschen seiner Hosen hatte. Hätte sein Arbeitgeber nicht gewusst, was für ausgezeichnete Arbeit Shikamaru leistete, hätte er diese Haltung nie erlaubt, doch leider war sein Personalmanager einer der wenigen Menschen, auf den der Hoteldirektor sich wirklich verließ. Seine absolute Faulheit führte dazu, dass er nur das äußerste Minimum an Arbeit leistete, doch dabei erzielte er so exzellente Ergebnisse, dass sein Chef nicht anders als zufrieden mit ihm sein konnte. Mini-Maxi-Prinzip nannte er das, doch der Name, den Shikamaru dafür hatte, war Sasuke eigentlich egal. „Willkommen“, begrüßte der Brünette seine Zuhörerschaft etwas lahm, dann kratzte er sich am Kopf. Scheinbar hatte er keine Rede vorbereitet und überlegte erst jetzt, was er eigentlich sagen wollte. Als er jedoch den ungeduldigen Blick seines Chefs auf sich spürte, räusperte er sich und erzählte eine recht fundiert wirkende Geschichte über Zusammenarbeit im Team und dergleichen, welche er jedoch angenehm kurz hielt, bevor er endete: „Wie dem auch sei, wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich an mich… Und damit haben Sie die Ansprachen für den heutigen Tag überstanden und dürfen sich an das Büffet begeben. Vielen Dank.“ Unter gutmütigem Gelächter entfernte er sich von der Bühne. Zuerst herrschte ein wenig verwirrte Stimmung, doch als Sasuke und seine Führungsriege sich erhob, setzte großes Stühlerücken ein und alle verteilten sich im Saal, um zu plaudern, sich an den Speisen gütlich zu tun und die neuen Kollegen kennenzulernen. „Na? So schlimm war es doch gar nicht“, neckte Karin, als sie und Sasuke mit je einem Sektglas an einem der Stehtische in der Nähe des Büffets Stellung bezogen hatten. Ihr Arbeitgeber hätte sich lieber zurückgezogen – in seinem Büro wartete genug Papierkram – doch er hatte schnell gelernt, dass er sich der sozialen Komponente des Arbeitgeberdaseins nicht entziehen konnte, vor allem bei einem Hotel wie dem Sensu-Resort. „Das Team wirkt bisher brauchbar“, stimmte er daher seiner Verwaltungsleiterin zu, ohne auf deren scherzhaften Ton einzugehen. „Guten Tag. Dürften wir uns zu Ihnen gesellen?“, erkundigte sich eine von zwei jungen Frauen, die sich ihrem Tisch unauffällig genähert hatten. Wie immer gab es ein paar besonders mutige Damen, die direkt auf ihren jungen Arbeitgeber zusteuerten und ihre Chancen bei ihm auszuloten versuchten. Karin sie üblicherweise weg, nachdem Sasuke der Höflichkeit genüge getan und ein wenig mit ihnen geplaudert hatte. Dabei war die Rothaarige stets ein wenig zu besitzergreifend für seinen Geschmack, doch solange sie dafür sorgte, dass er seine Ruhe hatte, und ihre eigenen Flirtversuche auf ein Minimum beschränkte, ließ er es durchgehen. Höflich machte Sasuke ein wenig Platz und ließ sich die Namen der beiden sagen, die er sich jetzt dank seines hervorragenden Gedächtnisses merken würde, obwohl sie ihn keinen Deut interessierten. Wundervoll. Während sie mit Karin angeregt über Berufliches plauderten, musterte der Hahn im Korb die zwei Neuankömmlinge kritisch. Eine hatte mausbraunes Haar, das ihr ein wenig struppig über den Rücken bis in die Taille fiel und redete selbstbewusst drauflos. Im dunkelgefärbten Haar der anderen, etwas fülligeren Dame war ein leichter Ansatz zu sehen. Sasuke, der bei seinen Angestellten auf derlei Details Wert legte, war nicht beeindruckt. Er würde jemanden darauf ansetzen müssen, dass die beiden stets gepflegt auftrat, und es nervte ihn, sich darum kümmern zu müssen. Aber apropos Dinge, auf die er Wert legte: Dazu gehörte auch Pünktlichkeit, und so kam ihm wieder der zu spät Kommer in den Sinn. Das Gesicht des Übeltäters hatte er nicht erkannt, und erneut verfluchte er im Stillen seine schlechten Augen, während er sich umsah. Die meisten Leute unterhielten sich in kleinen Grüppchen, und wie es aussah, hatten einige die Gunst der Stunde genutzt, sich aus dem Saal zu schleichen, um draußen die Sonne zu genießen. Seine Suche wurde unterbrochen, als das brünette Mädchen sich an ihn wandte: „Dieser Angestellten-Vertreter, von dem sie vorhin sprachen… Sollte derjenige besondere Qualifikationen mit sich bringen?“ „Einfühlungs- und Kommunikationsvermögen, Führungsqualitäten, Organisationstalent, Kreativität und Disziplin“, sagte Sasuke knapp auf, was er sich unter diesem Posten für Qualitäten vorstellte. Karin führte das Ganze noch ein wenig aus: „Eine besondere Ausbildung ist nicht notwendig. Wir haben diese Instanz eher als eine Art, hm, Ansprechpartner für das Kollegium ins Leben gerufen, sozusagen jemand, der die Interessen von Führungsriege und Angestellten kennt und vermittelt. Während der Saison hat Herr Uchiha nur wenig Zeit für persönliche Mitarbeitergespräche, und so dürfte der internen Kommunikation genüge getan sein, hoffen wir.“ „Verstehe… Und wie läuft die Wahl genau ab?“, fragte diesmal die Dunkelblonde, immer noch direkt an ihren Arbeitgeber gewandt, obwohl dessen Assistentin zuvor geantwortet hatte. „Geben die Angestellten Vorschläge ab, unter denen Sie dann den Geeignetsten aussuchen, Herr Uchiha?“ Die Rothaarige ignorierte, dass sie nicht angesprochen war, indem sie erläuterte: „Nein, das ist eine Sache, die wir vollkommen dem Kollegium überlassen. Sie müssen sich mit Ihrem Vertreter schließlich wohlfühlen.“ „Sie haben also keinen Einfluss darauf, mit wem Sie so eng zusammenarbeiten? Da vertrauen sie ihrem Kollegium aber ganz schön“, kicherte die Brünette, verstummte jedoch, als der Blick ihres Chefs sich direkt auf sie richtete. „Es wäre besser, wenn dieses Vertrauen nicht enttäuscht würde“, warnte Sasuke kühl. „Überlegen Sie genau, wen Sie wählen, und ob Sie den Anforderungen entsprechen, wenn Sie sich zur Wahl stellen.“ Beide nickten atemlos, bevor sie hastig von ihrem Champagner tranken. Nur Karin, die genau wusste, dass Sasuke die Damen mit voller Absicht einschüchterte, sah ihn vorwurfsvoll an. Nicht, dass es bei ihr nicht funktioniert hätte; nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen und zupfte an ihrer Weste. Allerdings glaubte er, dass sie ein wenig masochistisch veranlagt war, so, wie sich ihre Wangen jedes Mal röteten und ihr Atem sich leicht beschleunigte, wenn ihr Arbeitgeber seine dominante (Oder gemeine) Seite raus ließ. Ganz im Sinne gesellschaftlicher Gepflogenheiten versuchten die Damen, ihre sexuelle Reaktion auf den Herren zu überspielen und das Gespräch weiterzuführen. Sasuke dagegen hörte kaum mehr zu, da er sich wieder der Suche nach einer gewissen unpünktlichen Person machte. Schließlich erspähte er unter den im Saal Zurückgebliebenen einen blonden Haarschopf, der ihm seltsam bekannt vorkam, und er stellte sein noch halbvolles Sektglas – er mochte Alkohol nicht besonders, vor allem nicht das süße Sprudelwasser, obwohl Karin stets darauf achtete, extra-trockenes zu besorgen – auf den Tisch, murmelte etwas wie: „Entschuldigen Sie mich“, und verließ die Runde. Seine Schritte trugen ihn zum Büffet, wo er den gesuchten blonden Haarschopf erspäht zu haben glaubte. Aufgrund seiner mangelnden Sehstärke konnte er sich nicht sicher sein, den Störenfried gefunden zu haben, doch die Frage verlor ihre Relevanz, als Sasuke sah, wer da mit einem vollgeladenen Teller und fast ebenso vollem Mund versuchte, Fräulein Hyuuga – eine seiner Angestellten – anzubaggern. Es handelte sich nämlich um niemand geringeren als seinen unfreiwilligen Beifahrer von gestern. Naruto. Dieser schien den Neuankömmling jedoch nicht mal zu bemerken, so sehr war er mit Essen beschäftigt. Ganz im Gegensatz zu Hinata, welche sich ihrem Arbeitgeber mit einer kleinen, höflichen Verbeugung begrüßte. „He-Herr Uchiha…“ Sasuke war sie ein wenig zu scheu. Es war anstrengend, ihr jedes Wort aus der Nase ziehen zu müssen, und dann noch ihr Gestammel zu entschlüsseln. Doch sie arbeitete still, ordentlich und kompetent, sodass die Sekretärin eine der wenigen Angestellten war, die bereits seit mehreren Jahren in seinem Team war. Dennoch strafte er sie jetzt mit Nichtachtung, da seine Aufmerksamkeit auf der Blondine neben ihr lag. „Was machst du hier?“, knurrte er ungeduldig, in der festen Annahme, sein dreister Mitfahrer würde jetzt noch Schmerzensgeld oder dergleichen für den Unfall verlangen, den er selbst verursacht hatte. Doch Naruto sah ihn aus seinen babyblauen Augen, die so gar nicht zu dem kantigen Gesicht mit dem Bartschatten passen wollten, bloß entsetzt an. „Das könnte ich dich auch fragen!“ Dabei klang er so empört, dass Sasuke ihm glaubte, und die Inkompetenz des anderen nervte ihn fast noch mehr als dessen zu spät Kommen. „Das ist mein Hotel.“ Kurz glotzte der Blonde ihn dumm aus der Uniform des Hotels heraus an, die an seinen Armen spannte, dann sah er hilflos zu Hinata, welche jedoch nur zurückhaltend nickte, um zu bestätigen, dass Sasuke nicht log. Schließlich stöhnte er: „Nein!“, als hätte sie sein Todesurteil unterschrieben. „Du kannst es sofort verlassen, wenn dir das nicht passt“, antwortete Sasuke gekränkt, immerhin hatte er ihn am letzten Tag in seinem Auto mitgenommen, ganz zu schweigen von seiner haarigen Bestie alias Katze. „Zufällig arbeite ich hier, falls es dir recht ist.“ „Ist es mir nicht.“ „Uhm, i-ich… Werde Sie mal alleine lassen…“, fiepte Hinata, offenbar verunsichert von der aufkochenden Stimmung. „Nein“, sagten Naruto und Sasuke wie aus einem Munde. Mit einem düsteren Blick auf ihn fuhr der Hotelbesitzer fort: „Das wollte Herr… Er gerade tun.“ „Herr ´Er`? Du weißt nicht mal die Namen der Leute, die du so einstellst?“, höhnte der Blonde. „Und du nicht den deines Arbeitgebers“, versetzte Sasuke, bevor er sich den Nasenrücken massierte. Warum diskutierte er überhaupt mit diesem muskelüberladenen Trottel? Das hier war sein Hotel. Er konnte ihn einfach rauswerfen - und genau das würde er tun. „Was auch immer… Verlassen Sie bitte diese Veranstaltung.“ „Und aus welchem Grund bitte?“, zischte Naruto, der einen Schritt näher kam, sodass sie unangenehm eng beieinanderstanden und Sasuke sehen konnte, dass er das dunkelblaue Hemd unter der blassvioletten Weste der Hoteluniform falsch geknöpft hatte. Nicht mal bis zum letzten Knopf hatte er es geschlossen, sodass unter der schlecht gebundenen Krawatte der Ansatz seiner übermäßig trainierten Brust zu sehen war. Aus irgendeinem Grund schnürte sich dem Schwarzhaarigen bei diesem Anblick die Kehle vor Abscheu zu. „Weil dir meine Nase nicht passt? Kann halt nicht jeder so nen perfekten Zinken haben wie du.“ „Weil Sie zu spät zu gekommen sind, ein Verhalten, das ich bei keinem meiner Angestellten tolerieren werde. Finden Sie die Tür?“ „A-aber Herr Uchiha…“, flüsterte Hinata, verstummte jedoch sofort, als der Blick ihres Arbeitgebers sich auf sie richtete, und senkte den Kopf. Als habe Sasuke sie irgendwie bedroht, stellte der Blonde sich zwischen die beiden. Herrje, er hatte also auch noch einen übersteigerten Beschützerinstinkt, das wurde ja immer besser. Aber zumindest war er so aus Sasukes Komfortzone getreten. „Ich war nur zu spät, weil jemand mich gestern unbedingt ins Krankenhaus bringen wollte und die mich dort nicht gehen lassen wollten.“ Jetzt warf er Sasuke also vor, dass er sich um seine Gesundheit gesorgt hatte. Wie dumm konnte ein Mensch eigentlich sein? Doch er würde nicht zugeben, dass er sich Sorgen gemacht hatte, das wäre ja noch schöner. Immerhin war der Trottel ihm selbst vor die Motorhaube gesprungen. „Ihre Gesundheit ist nicht mein Problem.“ „Was war denn überhaupt so wichtiges während der ersten zehn Minuten? Hab ich deine großartige Ansprache auf dich selbst verpasst? Du kannst sie ja jetzt gerne wiederholen.“ Hinata legte Naruto beschwichtigend die Hand auf den Arm, doch es war zu spät. Das würde Sasuke sich unter keinen Umständen bieten lassen, nicht von einem dahergelaufenen, inkompetenten Niemand, und auch von sonst keinem. Bevor er jedoch überhaupt den Mund öffnen konnte, gesellte sich noch jemand zu ihrer kleinen Runde und unterbrach das Gespräch. „Ich hatte mich schon gefragt, was Sie so vereinnahmt, Sasuke“, erklärte Orochimaru mit einem Lächeln auf die beiden Angestellten. „Aber bei so reizender Gesellschaft verstehe ich das natürlich nur zu gut. Die Dame“ – er küsste der puterroten Hinata die Hand – „Der Herr.“ Und schüttelte die von Naruto. „Wenn Sie gestatten, dass ich mich vorstelle: Orochimaru Oto. Ich hatte gehofft, Ihren Arbeitgeber für ein Gespräch entführen zu können.“ „Wir wollten sowieso gerade gehen“, erklärte Naruto mit einem grimmigen Blick auf Sasuke, doch der Neuankömmling legte ihm zutraulich die Hand auf den Rücken, um ihn aufzuhalten. „Aber, aber, nicht doch wegen mir. Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Führungsriege sind so wichtig. Bitte, lasst euch von mir nicht stören.“ „Wir waren fertig.“ „Ja, wir sind fertig miteinander“, betonte Naruto, der scheinbar versuchte, seinen Chef mit Blicken zu erdolchen. „Das sagte ich gerade“, erwiderte dieser scheinbar kühl, obwohl er innerlich kochte. Dieser dumme Junge! Wenn Orochimaru ihren Disput mitbekommen und er sich so vor seinem Geschäftspartner lächerlich gemacht hatte, würde er dem Blonden das Leben zur Hölle machen, das schwor er sich. Scheinbar amüsiert musterte der Discothekenbesitzer die anderen Männer, bis sein Blick an Sasuke hängen blieb. „Wie ich sehe, haben Sie ein paar Meinungsverschiedenheiten. Ich ziehe mich lieber zurück – wir können uns später unterhalten.“ „Es gibt keine Probleme“, erwiderte der junge Hotelbesitzer, denn wenn er etwas noch mehr hasste, als Inkompetenz, war es, wenn die Dinge nicht so liefen, wie er sie geplant hatte – schließlich könnte man das ihm als Inkompetenz auslegen. „Herr… Fräulein Hyûga und ihr Begleiter wollten gerade gehen.“ Naruto sah aus, als wolle er einen gehässigen Kommentar ablassen, doch Sasukes Gesichtsausdruck hielt ihn von Dummheiten ab. Natürlich entging dem dritten Herren ihrer Runde das Blickduell der beiden Jüngeren nicht, obwohl er sich eine Bemerkung ersparte. „Nun, dann werde ich Herrn…?“ „Uzumaki.“ „Sehr erfreut. Wir sehen uns dann später auf der Party, nehme ich an, Herr Uzumaki, Fräulein Hyûga.“ „Party?“, fragte der Blonde, doch Hinatas Hand auf seinem Arm, die ihn sanft fortzog, nachdem sie sich in Richtung der Zurückbleibenden verneigt hatte, ließ Sasuke im Unklaren darüber, ob er noch eine Antwort bekommen sollte. Genervt griff der junge Mann nach einem Glas Champagner auf dem Büffet. Wunderbar, jetzt erwartete sein Geschäftspartner, diese Nervensäge auf der Saisoneröffnungsparty zu sehen, welche das Hotel jedes Jahr zur Teambildung für seine Mitarbeiter organisierte. Natürlich würde diese heute in Orochimarus Club stattfinden, zu Ehren ihrer baldigen Zusammenarbeit. Und so, wie er den Geschäftsmann kannte, würde er ganz genau darauf achten, ob der Junge, mit dem sein potentieller Partner sich gezankt hatte, wirklich noch da war. Das wiederum hieß, wenn er sich keine Blöße geben wollte, konnte Sasuke Naruto erst am nächsten Tag loswerden. Noch ein Punkt, der nicht so lief, wie er es sich vorgestellt oder wie er es geplant hatte, und langsam ging ihm die Geduld für derartige Missgeschicke aus. „So scheu wie immer, das Fräulein Hyûga“, seufzte Orochimaru, der mit Blicken den Angestellten folgte, bevor er aus dem Augenwinkel zu seinem Gesprächspartner linste. „Dabei ist sie so hübsch und hätte die besten Voraussetzungen – bei der Familie!“ „Hn“, machte Sasuke unbeteiligt, der den Zusammenhang zwischen Kompetenz und Attraktivität nicht sah – zumal Hinata nun wirklich nicht seinem Beutechema entsprochen hätte, selbst wenn sie nicht auf seiner Gehaltsliste gestanden hätte. Als er nicht wirklich eine Antwort bekam, schwenkte Orochimaru um: „Und der Junge – Er ist neu hier, oder?“ Am liebsten hätte Sasuke mit den Zähnen geknirscht, doch er bewahrte sein Pokerface und nickte. „Ja.“ „Wissen Sie zufällig, wie seine Mutter heißt?“ Als sein Gegenüber ihn irritiert anschaute, lächelte er beruhigend. „Er erinnert mich an jemanden, den ich mal gekannt habe, wissen Sie?“ „Über Herr Uzumakis Familienverhältnisse bin ich nicht unterrichtet“, antwortete der Hotelbesitzer kühl, dessen Blick zwar über die sich auflösende Menge seiner Angestellten schweifte, jedoch weder eine blonde noch eine kobaltblaue Haarmähne erspähen konnte. Naruto und seine gute Fee hatten sich also verzogen. Nun, er würde zumindest den jungen Mann nachher sehen. Hinata drückte sich meist um solche Veranstaltungen, zum einen, weil sie Partys nicht sonderlich mochte, zum anderen, weil sie zwei Kinder zu Hause hatte. Sie würde Naruto aber bestimmt sagen, wo die Feier stattfand, und bis es soweit war, würde Sasuke sich ein wenig über den blonden Störenfried schlaumachen, der seinen Geschäftspartner so sehr zu interessieren schien. Uzumkai… Diesen Namen würde er wohl nicht so schnell vergessen. The Crown is getting heavy But they´ve written my Name in the Stars. For Diamonds and Castles I´ve dealt Blood and Greed and Scars. Kapitel 3: Party hard or go Home -------------------------------- When we dance, You have your way with me Stay with me Sway with me. Pussycat Dolls ~ Sway „Natürlich… Ja, das Taxi wird für Ihre Tochter bereitstehen… Ja… Sicher… Nein, wir achten auf absolute Diskretion… Einen schönen Abend. Vielen Dank für Ihren Anruf.“ Sasuke legte auf, holte tief Luft und machte einige Notizen über das eben beendete Gespräch, dann stand er auf und streckte sich. Wie er diese aufgesetzte Höflichkeit hasste, die sein Beruf nötig machte. In der Branche war er sowieso schon als kühler Zeitgenosse bekannt, was allerdings angesichts seiner Familie niemanden wunderte. Nun, ihm war es gleich, was die Leute über ihn dachten, stellte er mal wieder fest, als er wenig später unter der Dusche stand. Es war sein Leben, und er würde sich so wenig wie möglich irgendwelchen Konventionen unterwerfen. Kurze Zeit später stand der junge Mann in dunkelblauen Jeans, schwarzem Hemd und Lederschuhen vor seiner verspiegelten Schranktür und legte eine Rolex an sein Handgelenk. Bis auf die fehlende Anzughose sah er nicht viel anders aus als während der Arbeitszeit, doch das war sein Outfit für die anstehende Party. Erstens war es schick und legere genug zugleich, zweitens waren seine Angestellten dort, vor denen er sich keinesfalls unprofessionell geben würde. Zufrieden mit seinem Äußeren verließ Sasuke schließlich das großzügige Appartement im obersten Stockwerk seines Hotels. Die wenigen Gäste, die er in seinen Privaträumen empfing (Allen voran seine Familie), fanden es zu ´hotelmäßig`, da er dieselben Möbel wie im restlichen Haus gewählt hatte. Doch der schlichte, hochwertige Stil in gedeckten grau und lila Tönen gefiel ihm eben. Abgesehen von Wohn- und Schlafzimmer besaß er ein Büro, in dem diverse Fitnessgeräte standen (Er hatte keine Zeit, ein Fitnessstudio aufzusuchen, legte aber Wert auf körperliche Ertüchtigung), sowie natürlich ein Bade- und ein Gästezimmer, in welchem gelegentlich seine Eltern oder sein Bruder unterkamen. Diese drei Personen waren die einzigen, die er in seinem persönlichen Reich duldete, alle anderen mussten mit Hotelzimmern vorlieb nehmen. Diese waren aber wirklich komfortabel genug, sodass sich noch niemand beschwert hatte. Den Geldbeutel in die Hosentasche schiebend, verließ er sein Appartement und stieg die Treppen runter. Er nahm nur in Gesellschaft den Aufzug, da er während seiner Arbeit viel saß und die Bewegung genoss. Unterwegs las er noch eine Nachricht auf dem Handy – und wäre zur Strafe für seine Unachtsamkeit fast mit Hinata Hyûga zusammengestoßen, welche gerade das Treppenhaus betrat. „E-Entschuldigen Sie bitte…!“, fiepte sie nervös, doch er winkte ab und bedeutete ihr mit einer Geste, vorauszugehen. Das Absatzklappern der Frau war das einzige Geräusch, da sie scheu und er nicht unbedingt versessen auf Smalltalk war. Schließlich wurde ihr das Schweigen aber wohl unangenehm, denn sie fragte: „Ä-ähm, Sie sind unterwegs zu der Feier…?“ „Ja. Ich nehme an, Sie brauchen keine Begleitung dorthin?“ „Oh, nein, danke. Himawari und Boruto, Sie wissen ja…“ Sasuke nickte, dann meinte er: „Es wundert mich, Sie noch hier anzutreffen.“ Immerhin war es bereits fast halb zehn, und der offizielle Saisonbeginn war erst am nächsten Tag. Während sie sich von ihrem Chef die Tür zum Foyer aufhalten ließ, flüsterte sie: „Ich wollte schon ein wenig vorarbeiten, da die Gäste ja morgen kommen… I-Ich hoffe, das war in Ordnung, Sie müssen mir die Zeit auch nicht vergüten, ich dachte nur…“ „Es ist alles in Ordnung“, unterbrach der Schwarzhaarige ihr Gestammel, ohne jedoch zu erwähnen, dass er ihren Fleiß zu schätzen wusste. Es war nicht sein Job, ihre Minderwertigkeitskomplexe zu bekämpfen. „Oh… Vielen Dank, Herr Uchiha.“ Sie lächelte, als sie auf der breiten Treppe standen, die zu groß für die schmale Gasse wirkte, in der das Resort lag. Umgeben war das Gebäude von hochkarätigen Läden, in welche seine Gäste oftmals nach ihren Strandbesuchen oder vor den Partyabenden einkehrten. Gelegentlich tranken Kunden der Geschäfte im Foyer des Hotels einen Cocktail, sodass es sich um eine recht einträgliche Symbiose handelte, die sich in der Straße gebildet hatte. Sasuke wollte sich bereits bei seiner Begleiterin verabschieden, da sprach Hinata ihn nochmal an: „Ähm, Sir, ich hätte noch eine Frage.“ Als er mit hochgezogenen Brauen zu ihr hinabblickte, strich sie sich nervös eine lange Strähne hinters Ohr und starrte auf seine Brust. „Also, es ist eher eine Bitte, wenn Sie nichts dagegen hätten.“ „Die wäre?“, fragte er nach, ein wenig ungeduldig von ihrem Herumgedruckse, doch bereit, ihr zuzuhören. „Es geht um meinen Sohn, Boruto. Sie kennen ihn ja…?“ Ihr Arbeitgeber nickte, denn bereits zu mehreren Gelegenheiten wie Firmenfeiern oder dergleichen hatte er den Jungen gesehen, der seiner Mutter kein bisschen ähnlich sah. Ganz im Gegensatz zu seiner kleinen Schwester, die ihr sanftes Wesen und ihr blaues Haar geerbt hatte. „Was ist mit ihm?“ „Na ja, er ist jetzt 16, also bald mit der Schule fertig, und versucht gerade, sich über seinen beruflichen Werdegang zu informieren…“ Ein wenig überrascht zog Sasuke die Brauen hoch. Er war davon ausgegangen, dass der Junge mal das großväterliche Hotel erben würde – denn Hinata stammte aus der Familie, die die größte Konkurrenz für den Uchiha-Konzern darstellte. Früher hatte sogar im Raum gestanden, ob sie Itachi heiraten sollte, da die beiden etwa im selben Alter waren, doch dann war sie unehelich schwanger geworden und hatte ihr Erbe an ihre kleine Schwester Hanabi abgegeben. Diese war als Geschäftsführerin geeigneter als die schüchterne Erstgeborene, die sich mit ihrem Vater nie gut verstanden hatte. Erst, als seine Enkel geboren wurden, war er sanfter geworden. Jedoch hatte sich das Familienverhältnis wohl wieder verschlechtert, als Hinatas Mann sie verließ. So war es kein Wunder, dass Boruto aus der Erbfolge ausgeschlossen wurde – zumal seine Tante womöglich Kinder hatte, das wusste Sasuke nicht, der keinen Wert auf Klatsch und Tratsch legte und all das nur von seiner Mutter wusste, die immer über jeden informiert war. Vielleicht wollte der Junge sich aber nur außerhalb des Familienbetriebs umschauen, das würde ihm sicher nicht schaden. „Jedenfalls wollte ich fragen, ob er ein Praktikum bei u-uns machen könnte, um sich… Na ja, verschiedene Bereiche anzusehen“, erklärte Hinata ihr Anlegen weiter, wobei es Sasuke erstaunte, wie vergleichsweise selbstbewusst sie sprechen konnte, wenn es um ihre Kinder ging. Das war wohl ein Aspekt des Mutterinstinkts. „Er hat aus dem Hotel meiner Familie schon Vorwissen, und ich kann Ihnen gerne eine ausformulierte Bewerbung bringen, wenn Sie möchten...“ „Lassen Sie seine Unterlagen Herrn Nara zukommen“, erwiderte Sasuke, dem ein Blick auf seine Uhr zeigte, dass er los musste. „Und bringen Sie den Jungen nächsten Montag zu mir.“ In der ersten Saisonwoche war ihm ein Praktikant einfach zu anstrengend, jedoch zeigte sein Angebot, dass er sich Boruto unabhängig von seiner Bewerbung annehmen würde. Das verstand die Mutter, die sich höflich verneigte. „Vielen Dank, Herr Uchiha…! Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“ Er nickte ihr zu, dann ließ er sie auf dem Treppenabsatz zurück. Sein Weg führte ihn zuerst durch die enge Gasse Richtung Meer, doch bevor er den Strand sehen konnte, bog er nach rechts ab in eine breitere Straße. Zuerst gab es auf dieser Einkaufsläden, doch schon bald wurden diese von kleineren Clubs und Bars ersetzt. Obwohl es noch früh war, lagen munteres Stimmengewirr und Musik in der Luft, immer wieder unterbrochen von den Düften der Restaurants, die sich zwischen den Partyzentren niedergelassen hatten. Nicht wenige dieser eigentlich teuren Etablissements boten nachts, wenn die wohlhabenden Feiernden zurück zu ihren Hotels wankten, Pizza, Pommes oder anderes Fastfood zum Mitnehmen an, allerdings zu horrenden Preisen. In so manchem Restaurant war Sasuke regelmäßiger Gast bei Geschäftsessen mit Partnern oder Kunden. Wenn er alleine war, ließ er sich oft etwas von dort liefern, denn obwohl er kochen konnte und es gerne tat, fehlte ihm meist die Zeit dafür. Heute war jedoch keiner der Michelin-Stern-Träger sein Ziel, sondern eine der riesigen Diskotheken an der Hauptstraße: das ´Oto Gakure` oder kurz ´Oto`. Der Eingangsbereich war eine Wendeltreppe, die hinter einer Glaswand lag, auf der sich eine Schlange aus lilanen Neonlampen wand. Sasuke fand das exzentrisch und übertrieben, doch es entsprach genau Orochimarus Geschmack. Er stieg die Glasstufen nach oben zu einer Kasse, deren Hüter viel von einem Wrestler hatte. Scheinbar erkannte er den Gast jedoch – Sasuke fragte sich, woher – und schickte ihn mit einem Nicken weiter. Nach einem breiten Durchgang fand er sich direkt in der Partylocation wieder, die bereits gut gefüllt war mit seinen Angestellten. Direkt gegenüber des Eingangs befand sich eine Bar, rechts daneben die erste, kleinere Tanzfläche, von der aus man von gemütlichen Sitzflächen aus auf die etwas tiefer gelegene zweite Ebene hinabblicken konnte. Vor dieser war eine Bühne, auf der Show Acts oder gelegentlich Life Bands auftraten, doch heute war sie leer. Um die Hälfte des Umfangs des Gebäudes zog sich eine Galerie, auf der sich mehr Sitzflächen, eine größere Bar, die Garderobe und die Toiletten befanden. Sasuke gefiel die geschmackvolle Inneneinrichtung ausgesprochen gut, sonst hätte er der Zusammenarbeit nie zugestimmt. Er schlängelte sich zur Bar durch, wo er einen Bloody Mary bestellte. Dass dieser hier angeboten wurde, war ein weiterer Grund für die Kooperation. Es war einer der wenigen Drinks, die ihm nicht zu süß waren. Außerdem: Tomaten machten alles besser. Die meisten Angestellten in der Nähe beachteten ihn nicht weiter, nur ein paar erkannten ihn als den Redner vom Mittag und somit als ihren Chef. So konnte er sich ohne Höflichkeitskonversation vom Tresen zurückziehen und ein wenig umsehen. Da es noch recht früh war, war auf der kleineren Tanzfläche noch nicht allzu viel los. Viele tummelten sich in höflichen Unterhaltungen auf den Sitzflächen. Sie beschnupperten sich erst noch, doch aus Erfahrung wusste der junge Geschäftsmann, dass bereits ein paar Stunden und ein paar kostenlose Drinks später die Zurückhaltung von ihnen abfallen würde. In seiner Wohnung hatte er Kontaktlinsen eingelegt, sodass er seine Mitarbeiter beobachten konnte, als er ein gemütliches Plätzchen auf der Galerie für sich entdeckt hatte. Es waren nur Billiglinsen aus dem Drogeriemarkt und er sah damit bei weitem nicht so perfekt wie mit der Brille, die auf seinem Schreibtisch lag, doch die benutzte er eigentlich nur, wenn er alleine Auto fuhr oder fernsah. Seine Mutter rügte ihn ständig wegen dieser Eitelkeit – immerhin lag die beim Altern stark nachlassende Sehstärke in der Familie, obwohl junge Uchiha im Allgemeinen ungewöhnlich gut sahen - doch es interessierte ihn nicht. Sein Aussehen gehörte zu seinem Marktkapital, und das würde er nicht für ein paar Dioptrien aufgeben. Zumal es doch bisher ganz gut funktionierte – Wenn er nicht gerade gewisse Blondinen in der Menge seiner Angestellten suchte. Sasuke runzelte die Stirn, als er sich selbst dabei ertappte, erneut nach Narutos blonder Mähne Ausschau zu halten. Aber der Trottel würde es ja wohl nicht wagen, dem Fest fernzubleiben, obwohl sein Chef ihm befohlen hatte, zu kommen. Ihn so zu erniedrigen, traute er sich sicherlich nicht. Obwohl, wie der Schwarzhaarige mit einem unbehaglichen Schluck von seinem Cocktail zugeben musste, er vor Orochimarus Auftauchen doch recht deutlich gemacht hatte, dass er keinen Wert auf sein Anstellungsverhältnis mit Uzumaki legte. Es war also durchaus fraglich, auf welche Aussage dieser nun hören würde. Doch da entdeckte Sasuke Naruto bereits auf der Tanzfläche, und er zog die Brauen hoch, als er sah, wie Blondie lachend – und offensichtlich flirtend – eine junge Frau herumwirbelte. Seine Bewegungen waren nicht sonderlich professionell, doch selbstbewusst und kraftvoll, und seine Partnerin wirkte sehr angetan, ganz wie Hinata am Nachmittag klar Interesse gezeigt hatte. Narutos Behauptung, keine Probleme in Liebesdingen zu haben, war also nicht nur Angeberei gewesen. Sasuke hätte ihn wohl noch weiter beobachtet, wenn ihn nicht in dem Moment nicht eine Gruppe als ihren Chef erkannt und ein Gespräch verwickelt hätte. Für die nächsten paar Stunden wurde er von einer Runde in die nächste gereicht, in der er immer dieselben Fragen beantworten musste, bis er schließlich Karin an einer Bar entdeckte, die von einer Runde sabbernder Jünglinge umringt war. Bei dem verboten kurzen roten Kleid, das sich ganz herrlich mit ihrer Haarfarbe biss, kein Wunder. Sasuke entschuldigte sich höflich bei seinen Gesprächspartnern und näherte sich der Gruppe um die Dame, die ein wenig über sein Eindringen murrte, bis sie bemerkten, um wen es sich bei dem Neuankömmling handelte. Da erfanden sie nach und nach fadenscheinige Ausreden und zogen sich zurück. „Man, Sasuke“, nörgelte Karin, sich ihr Kleid zurechtziehend. „Wenn du mich nicht für dich willst, verdirb mir wenigstens nicht den Spaß.“ Er warf ihr nur einen amüsierten Blick zu und nippte an seinem Getränk. Sie saßen auf einer der Bänke an der kleineren Tanzfläche, von denen aus man auf die größere hinabblicken konnte. Wie von einem Magneten wurde sein Blick von einer gewissen blonden Haarmähne angezogen. Diesmal erkannte er Narutos vom Tanzen und der Hitze gerötete Wangen sowie den feinen Schweißfilm auf seinen bloßen, muskulösen Armen. Er trug wieder eines dieser furchtbaren Achselshirts, die bis zur Taille ausgeschnitten waren, sodass man die Muskeln an seiner Seite und gelegentlich sogar seine Brust sehen konnte, wenn er sich schwungvoll bewegte. Sasuke war sich nicht sicher, aber er meinte, etwas blitzen zu sehen, das ein Nippelpiercing hätte sein können, und er wandte sich leicht schnaubend ab. Wer hatte denn bitteschön ein Brustwarzen Piercing, außer vollkommenen Proleten? Karin hatte indessen über Berufliches geplaudert, hielt aber inne, als sie bemerkte, dass sie die Aufmerksamkeit ihres Chefs verloren hatte, und folgte seinem Blick. „Na, wen frisst du da mit Blicken auf?“ Scheinbar hatte der Alkohol ihre Zunge gelockert, und der Hotelbesitzer zog es vor, nicht zu antworten, bevor sie noch etwas sagen konnte, dass sie bereuen würde. Zumal er Naruto ganz sicher nicht ´mit den Blicken auffraß`. Der Blonde war nicht mal annähernd sein Typ! Sasuke wollte gerade einen Blick auf die Armbanduhr werfen, als rotlackierte Finger sich um das Ziffernblatt schlossen, damit er nichts sah. Verärgert blickte er zu Karin, die wohl betrunkener war, als er angenommen hatte, so, wie sie ihn angrinste. „Oh nein, du wirst jetzt noch nicht gehen, Herr Chef!“, bestimmte sie und stand auf, um an seinem Arm zu ziehen. „Erst tanzt zu noch mit mir.“ Es hatte sowieso keinen Sinn, sich gegen diesen Wunsch zu wehren, der zwischen ihnen eine gewisse Tradition besaß. Vor Ewigkeiten, als sie noch ernsthaft Interesse an ihm gehabt hatte, hatte er ihr auf dem Saisonabschlussball einen Tanz zusichern müssen, und seither forderte Karin das bei jeder größeren Feierlichkeit. Daraus entsprang unter der festen Belegschaft das Gerücht, die beiden hätten etwas miteinander. Sasuke kam das ganz zupass, denn es verhinderte Tratsch, der seiner tatsächlichen sexuellen Orientierung nachging. Seine Verwaltungsleiterin dementierte die Gerüchte eher lustlos, da sie wohl insgeheim immer noch hoffte, dass sie irgendwann wahr würden. Nach diesem Modell funktionierte ihre gesamte Freundschaft, denn die Rothaarige, die er gerade auf die größere Tanzfläche führte, war nicht nur eine Angestellte für ihn. Damit gehörte sie zu seinem kleinen sozialen Kreis, der sich fast ausschließlich aus langjährigen Angestellten zusammensetzte, denn er hatte weder Zeit noch Muße, sich Freunde zu suchen oder um diese zu kümmern. Früher war das anders gewesen, doch er vermisste die vermeintlichen Freunde von damals nicht. Sie stiegen die wenigen Treppen zur unteren Ebene hinab, suchten sich einen Platz in der Menge, und als Karin die Hand auf seine Brust gelegt hatte, fing ein neues Lied an – Sway, von den Pussy Cat Dolls. So wenig Sasuke diesem Namen abgewinnen konnte, so tanzbar war der Song, sodass er seine Partnerin etwas näher zog und einen flotten Tango anschlug. Natürlich sahen die Leute ein wenig verdutzt zu, weil jemand in einem Club Standardtanz betrieb, doch das war ihm gleich. Irgendetwas musste ihm die jahrelange Übung ja bringen. Und zugegeben; es machte Spaß, Karin schlanken, beweglichen Laib über die Tanzfläche zu führen. Da sie sich ihm vollkommen anpasste, fiel ihr Mangel an Professionalität kaum auf, und schon bald hatte sich ein kleiner Zuschauerkreis um das Paar gebildet. „Wir sollten das wirklich öfter machen“, schnurrte Karin in sein Ohr, wobei sie mit den Fingern ungefragt in sein Haar wanderte. „Warum machst du keinen Tanzkurs mit mir, Sasuke?“ Ganz passend zum Takt schob er sie ein wenig von sich, um ihrem Grabschen zu entkommen. „Ich habe keine Zeit“, erklärte er dabei, wobei er sich fragte, wieso er aus Höflichkeit log. Sie hatte ihren Anstand ja gerade scheinbar auch vergessen, und er hatte schlicht und ergreifend keine Lust, sich mehrmals die Woche von ihr antatschen zu lassen. Zumal die acht Jahre, die er in Tanzkursen und auf Wettbewerben verbracht hatte, ihm wirklich genügten. „Du hast für nichts Zeit“, jammerte die Rothaarige, quietschte aber sofort wieder vor Vergnügen, als Sasuke sie in eine Drehung führte. Dabei blickte er von ihrem lachenden Gesicht in die Menge, und geriet für einen Moment aus dem Takt, als hinter Karins wehendem Haarschopf Naruto auftauchte, der ihm mit offenem Mund zusah. Das Mädchen neben ihm plapperte etwas, doch er schien sie gar nicht zu hören, was den Schwarzhaarigen seltsam befriedigte. Doch dann zupfte seine Tanzpartnerin ungeduldig an seinem Hemd, murrt: „Sasuke!“, und zog ihn weiter, sodass die Blicke der Männer getrennt wurden. Der Uchiha fand sofort zurück in den Rhythmus des inzwischen gewechselten Liedes, doch in Gedanken war er bei diesem seltsamen Blickaustausch mit der nervigen Blondine. Warum hatte der andere ihn so angegafft? Wahrscheinlich hatte er in seinem Fitnessstudio noch nie etwas von ästhetischer Bewegung mitbekommen und war davon schockiert – oder vielmehr: fasziniert. Es hatte nämlich ganz den Eindruck gemacht, als ob Naruto ihn mit den Augen hätte verschlingen mögen. Und er hatte ja schon am letzten Tag zugegeben, dass er Sasuke attraktiv fand. Daran erinnerte dieser sich erst jetzt, denn die Bilder seines Angestellten mit drei verschiedenen Frauen in wenigen Stunden hatte ihn sehr heterosexuell erscheinen lassen, doch scheinbar steckte mehr in dem Chaoten, als es zuerst den Anschein hatte. Nicht, dass er irgendeine Chance hatte, bei seinem Chef zu landen, rief dieser sich zur Ordnung, indem er Karin bewusst so führte, dass er die blauen Augen, die ihn nach wie vor beobachteten, nicht mehr sehen musste. Er war eine inkompetente, zu spät kommende, dreiste Nervensäge, und überhaupt nicht sein Typ. Sasukes Herz raste bestimmt nur von der Bewegung und der Hitze so. Trotzdem war ihm der Spaß vergangen, und kurz darauf bedankte er sich höflich bei seiner sichtlich enttäuschten Tanzpartnerin, mit der er die Tanzfläche verließ. Ein paar der anderen Angestellten sahen aus, als hätten sie ihren Chef gerne aufgefordert, doch bevor er herumgereicht werden konnte wie eine Friedenspfeife, rettete Sasuke sich an eine nahegelegene Bar. „Entschuldigung“, unterbrach eine Stimme sie, als sie gerade mit der Getränkeauswahl beschäftigt waren. Ein junger Mann mit grauem Haar und Brille hatte sich ihnen genähert und lächelte Karin an. „Dürfte ich die Dame zu einem Tanz entführen?“ Überrascht errötete die Verwaltungsleiterin und sah Sasuke an, als wäre es dessen Aufgabe, zu entscheiden, mit wem sie tanzen wollte. Als ihr Chef sich jedoch an den Barkeeper wandte, um erneut einen Bloody Mary zu bestellen, folgte Karin der Aufforderung und entfernte sich von der Bar. Während er auf sein Getränk wartete, sah der Uchiha ihnen hinterher. Er kannte die Brillenschlange mit Namen Kabuto: Er war einer von Orochimarus Assistenten. Eigentlich hatte Sasuke gedacht, zwischen den beiden Männern würde irgendetwas laufen, doch da war wohl seine Phantasie mit ihm durchgegangen, wie er zugeben musste, als er zusah, wie der junge Mann seine Tanzpartnerin an sich presste und ihr Dinge ins Ohr flüsterte, die sie auflachen ließen. Als sein Blick weiterwanderte, begegnete er Augen, die ihn direkt ansahen, sich jedoch etwas verlegen abwandten, als sie sich trafen. Es war Naruto. Sasuke runzelte ein wenig die Stirn. Für schüchtern hatte er den Blonden eigentlich nicht gehalten. Doch noch während Sasuke ihn ansah, holte Naruto tief Luft, leerte seinen Drink, sagte etwas zu der Dame neben sich… Und kam direkt auf ihn zu. Aus irgendeinem Grund machte das Herz des Schwarzhaarigen einen Satz, doch er ließ sich nichts anmerken. Auch Naruto schien entschlossen, nicht mehr wegzusehen, sodass sie sich ein Blickduell lieferten, während er sich näherte. Schließlich stand er direkt vor dem Barhocker, auf dem Sasuke platzgenommen hatte, und stierte ihn noch immer unentwegt an. „… Hi“, sagte er schließlich nach einem viel zu langen, unangenehmen Schweigen. Sasuke nickte. „Du, äh, Sie tanzen echt gut“, fuhr er fort und ein kleines, schelmisches Lächeln blitzte auf seinen Lippen. „Hät ich nich gedacht.“ „Wieso das?“ Naruto zuckte unschuldig die Schultern und schob sich an seinem Arbeitgeber vorbei, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen. Erst als er bestellt hatte, antwortete er: „Na ja, Sie wirken ziemlich steif.“ „Das hängt von den Umständen ab“, erklärte Sasuke trocken, immerhin hatten sie sich kennengelernt, als der Blonde ihn auf der Toilette belästigt, im Restaurant verfolgt und sich vor seinen Wagen geworfen hatte. Das waren nun wirklich nicht die besten Voraussetzungen für ein gutes Verhältnis. Natürlich wusste der Uchiha, dass er nicht gerade umgänglich war, doch er würde sicher nicht diesem Trottel Recht geben, den das sowieso überhaupt nichts anging. Doch Naruto grinste ihn nur an, als wüsste er ganz genau, was sein Gegenüber dachte. Zu seinem Glück kommentierte er es allerdings nicht, sondern bedankte sich bei dem Barkeeper für seinen frischgemixten Cocktail, bevor er sich etwas unbehaglich räusperte. „Jedenfalls…“, fing er umständlich an und sah zu dem sichtlich irritierten Sasuke auf. „Wollt ich mich bedanken, dass Sie mich nich gefeuert ham. Ich brauch den Job wirklich, und es war blöd, zu spät zu kommen und Sie dann so anzupflaumen…“ „Ist dir das selbst aufgefallen?“, erkundigte Sasuke sich mit hochgezogenen Augenbrauen. Sogar im schummrigen Diskolicht war zu sehen, wir Naruto bis zu den Ohrenspitzen errötete, wobei er sein Gegenüber jedoch finster anstarrte. „Bild dir nix drauf ein! Hinata hat gesagt, dass du bei sowas sonst streng bist, deswegen…“ Er zuckte die Schultern, stockte kurz und erklärte: „Die hübsche Blauhaarige, du weißt schon. Ich hab vorhin mit ihr geredet, als du dazugekommen bist.“ „Ich kenne Fräulein Hyûga“, antwortete der Schwarzhaarige leicht beleidigt. Naruto schien die Stimmung seines Chefs nicht zu bemerken, denn er kratzte sich dümmlich grinsend an der Nase. „Sie is süß, oder?“ Also beruhte der Narren, den Hinata offenbar bereits an der Blondine gefressen hatte, zumindest auf Gegenseitigkeit. Allerdings ärgerte es Sasuke, dass dieser dann trotzdem mit anderen flirtete. Sonst mischte er sich nicht in das Privatleben seiner Angestellten, doch zum einen mochte er seine Sekretärin und zum anderen wollte er kein Liebesdrama im Kollegium, wenn die Saison begann. Also erklärte er: „Was du in deiner Freizeit tust, ist deine Sache. Allerdings würde ich es bevorzugen, wenn du nicht jede meiner Angestellten anbaggern würdest. Das ist unprofessionell.“ Naruto blinzelte etwas überrascht, bevor er empört rief: „Das war doch alles nur Spaß!“ „Sehen die Frauen das ebenso?“ „Ich hät nich gedacht, dass ausgerechnet du n Frauenrechtler bist“, versetzte der Blonde widerspenstig. „Außerdem kann ich nix dafür, wenn du eifersüchtig bist.“ „Übertreib es nicht…“, zischte der Schwarzhaarige gefährlich leise. Er und eifersüchtig, dass er nicht lachte! Wenn er gewollt hätte, hätte er an jedem Finger einen Mann haben können – und Naruto hätte er genauso haben können, das hatten dessen Avancen bei ihrer ersten Begegnung nur zu deutlich gemacht. Der Trottel war eben nicht sein Typ, das war alles, er stand auf Klasse und nicht auf Muskeln ohne Hirn. Naruto funkelte ihn herausfordernd an, nickte jedoch steif. „Verzeihen Sie, Herr Uchiha“, blaffte er, ganz eindeutig kein bisschen reumütig. Verärgert presste Sasuke die Lippen aufeinander. Da hatte er gerade anhand der Entschuldigung gedacht, dieser Trottel hätte etwas gelernt, und dann musste er ihm das Gegenteil beweisen. Und warum stand Naruto überhaupt so nah bei ihm? Seine Knie berührten fast Sasukes Beine, und er konnte den vagen Duft seines Aftershaves wahrnehmen. Bevor sie allerdings weiterstreiten konnten, näherte sich ihnen Orochimaru, der zur Begrüßung zutraulich Sasukes Hand nahm. „Da sind Sie ja, Sasuke, ich habe Sie schon gesucht. Leider musste ich mich noch um gewisse Angelegenheiten kümmern und konnte erst jetzt kommen… Aber wie ich sehe, sind Sie erneut in bester Gesellschaft“, bemerkte er gut gelaunt Naruto, der ihm etwas steif zunickte. „Ich hoffe, Sie amüsieren sich gut?“ „Hervorragend“, erwiderte Sasuke, der hinter Orochimarus Rücken Naruto einen ´Hau ab!`-Blick zuwarf, welchen dieser jedoch ignorierte. Der Diskobesitzer schob sich zwischen dem Blonden und Sasuke durch, um an die Bar zu gelangen, und nickte dem Personal dahinter zu. Erst jetzt fiel dem Uchiha auf, dass der Barkeeper extrem jung wirkte, fast noch minderjährig. Das konnte natürlich täuschen. Gleichzeitig bemerkte er aber, dass der Junge sehr gut gebaut war und unter seiner knappen lilanen Weste nichts trug. Er hatte wuschelige schwarze Haare und intensiv-blaue Augen, die zwischen den drei Männern hin und her wanderten, bevor er sich an die Arbeit machte. Kurze Zeit später stellte er zwei leuchtend purpurne Drinks auf den Tresen. „Ein ´Snake-Bite` - die Spezialität des Hauses“, erklärte der Ältere, indem er Sasuke dessen Glas aus der Hand nahm und es durch das neue Getränk ersetzte. „Sie könnten es ja in ihrer Hotelbar anbieten… Aber eigentlich wollte ich mich heute eher privat mit Ihnen unterhalten.“ Der Schwarzhaarige nippte an seinem Drink, ohne die Augen von dem Älteren zu nehmen. Ihm persönlich war der Cocktail, der stark nach Blaubeere schmeckte, zu süß, doch er nickte höflich, bevor er amüsiert fragte: „Privat, ja...?“ Inzwischen war ihm der Alkohol ein wenig zu Kopfe gestiegen, und Sasuke musste zugeben, dass Orochimaru stets gepflegt und höflich war, genau sein Typs. Zwar war er exzentrisch und zeigte sein Interesse an Sasuke etwas zu deutlich, doch man konnte nicht alles haben. „Ah, Sasuke, Sie spielen mit mir!“, empörte der Langhaarige sich ganz entzückt und wollte gerade den Arm um den Uchiha legen, als ganz zufällig Naruto vortrat und die Hand nach Sasukes Glas ausstreckte. „Darf ich mal probieren? Is immerhin die Spezialität des Hauses!“, sagte er gut gelaunt, offensichtlich nicht bemerkend, dass er gerade ziemlich störte. Außerdem mochte Sasuke es nicht, wenn andere aus seinem Glas tranken, doch ehe er ablehnen konnte, hatte der Blonde bereits seinen Drink genommen und nahm einen großzügigen Schluck. „Huh, der is ja süß… Ich wette, da is richtig viel Alk drin?“ „Da müssten Sie meinen Kollegen hier fragen“, lächelte Orochimaru süßlich, bevor er Naruto erneut interessiert musterte. „Aber – das wollte ich Sie vorhin schon fragen. Sie sind nicht zufällig Minato Namikazes und Kushina Uzumakis Sohn?“ „Uh…Doch, genau der. Wieso?“ Zum ersten Mal sah der Blonde wachsam aus. Er wollte Sasuke das Glas zurückgeben, doch dieser schüttelte den Kopf. Nachdem er da reingesabbert hatte, wollte er es nicht mehr, zumal er sowieso genug getrunken hatte. „Nun, ich kannte Ihre Eltern“, erklärte Orochimaru, wobei er Naruto eingehend musterte, bevor er lächelnd meinte: „Ich muss sagen, Sie sehen Ihrem Vater verblüffend ähnlich.“ Grinsend kratzte der Blonde sich am Kinn. „Heh, das sagen irgendwie alle… Woher kennen Sie die beiden denn?“ „Geschäftlich“, antwortete der Diskothekenbesitzer ungewöhnlich knapp, wobei er und Naruto sich abschätzende Blicke zuwarfen, bevor sie wieder lächelten und über die Party und die bevorstehende Saison plauderten. Sasuke, der seinen ungebetenen Beifahrer als überaus aufdringlich und nervtötend kennengelernt hatte, war überrascht, ihn als charmanten Gesprächspartner zu erleben. Doch er lachte laut und ungezwungen über die Musik hinweg und sprach selbstbewusst mit einer Begeisterung für seinen neuen Job, die Orochimaru wohlwollend zu dem Hotelbesitzer blicken ließ. „Nun, Sasuke, ich denke, da haben Sie einen engagierten jungen Mitarbeiter gefunden. Er wird Ihnen sicher sehr nützlich sein.“ „Das wird sich zeigen.“ „Was soll´n das schon wieder heißn?!“, platzte Naruto wütend heraus, und all sein Charme verpuffte. Irgendwie erleichterte das seinen Arbeitgeber, obwohl er nicht so recht sagen konnte, wieso. „Das heißt, dass ich dich… Sie loben werde, wenn es Grund dazu gibt.“ Sein Geschäftspartner lachte und klopfte ihm auf den Rücken, wo er seine Hand dann liegenließ. „Machen Sie sich nichts draus, Naruto“, beschwichtigte Orochimaru diesen kameradschaftlich. „Er hat eine spitze Zunge, Ihr Chef, aber die kann er sich bei seinen Talenten auch leisten.“ Naruto blitzte Sasuke herausfordernd an und meinte: „Das wird sich noch zeigen.“ Überrascht zog er die Brauen hoch, bevor er sich schnaubend abwandte. Wollte dieser Trottel wirklich ein Wortgefecht mit ihm führen? Da müsste er schon früher aufstehen… Wenn Sasuke sich darauf eingelassen hätte, denn er hatte keine Lust, sich vor Orochimaru mit einem Angestellten zu kabbeln. Dieser beobachtete sie beide sowieso schon viel zu amüsiert. „Obwohl ich schon sagen muss, dass ich von seinem Talent zu tanzen beeindruckt war“, fuhr Naruto an den ältesten ihrer Runde gewandt fort, ohne jedoch den Blick von seinem Chef zu nehmen. „Sein Hüftschwung is… Bemerkenswert, finden Sie nicht?“ „In der Tat“, schmunzelte Orochimaru, der unauffällig etwas näher gerückt war und inzwischen mit der Hüfte Sasukes Bein berührte, den Arm auf dem Tresen hinter ihm. Sein Atem roch nach Blaubeere, und der Uchiha fragte sich, wie viele ´Spezialitäten des Hauses` er schon intus hatte. Sonst war er bei weitem nicht so zudringlich. „Allerdings finde ich, Ihr Arbeitgeber ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.“ „Bemerkenswert stur, vielleicht. Oder verbohrt?“, schlug Naruto munter, wenn auch ein wenig lallend, vor, wofür er einen bitterbösen Blick aus schwarzen Augen kassierte. Er lachte, lehnte sich vor, um sein Glas wegzustellen und hauchte Sasuke blaubeerduftend ins Ohr: „Und bemerkenswert heiß.“ Dem Schwarzhaarigen stellten sich alle Nackenhaare auf und er schob seinen Angestellten an der muskulösen Brust von sich weg, wobei er dem leeren Cocktail einen missbilligenden Blick zuwarf. Dieses Zeug hatte es ja wirklich in sich. Bevor er die Hände wieder wegziehen konnte, schnappte Naruto sich diese und zog ihn vom Barhocker, direkt aus Orochimarus Arm in seine eigenen. „Komm mit mir tanzen“, verlangte er selbstbewusst, als hätte der andere ihn nicht gerade weggedrückt. „Nein“, antwortete Sasuke, ohne sich zu befreien. Stattdessen verlangte er: „Lass los“, womit er Naruto die Entscheidung überließ, zu gehorchen. Was dieser natürlich nicht tat. „Wieso nich?“, fragte er quengelig und drückte seine Hand. „Ich kann echt gut tanzen!“ Und zum Beweis fing er an, sanft die Hüften zu bewegen, wobei er Sasuke mit sich zog, der jedoch nur steif und wiederwillig in seinen Armen hing. „Wir sind Männer.“ Narutos Augen leuchteten belustigt auf. „Ich hab so das Gefühl, dass das eher n Grund für dich is, ja zu sagen, Sasuke.“ „Na, na, ich muss doch bitten!“, mahnte der bis dato völlig vergessene Orochimaru, indem er Sasuke am Handgelenk ein wenig zurückzog. Er lächelte, doch sein Blick auf Naruto hatte etwas Warnendes. „Ich glaube, Sie hatten ein bisschen zu viel Alkohol, Naruto.“ Bevor Naruto zu der Beschwerde anheben konnte, die ihm an Nasenspitze abzulesen war, warf Sasuke ein: „Das gilt auch für mich. Sie entschuldigen mich.“ Beide sahen ihn enttäuscht an und Orochimaru protestierte: „Nicht doch, es ist doch noch früh!“, doch Sasuke reichte es, und zehn Minuten später befand er sich auf dem Weg nach draußen. Dieser wurde immer wieder unterbrochen von Angestellten, die mit ihm sprechen wollten, was jedoch recht unergiebig war, da die meisten bereits betrunken waren. Die pummelige Dunkelhaarige von zuvor kicherte haltlos, als sie sich von ihm verabschiedete und klimperte anzüglich mit den Wimpern, bis er es endlich schaffte, sie abzuwimmeln. Kurz beobachtete er Karin, die nach wie vor eng umschlungen mit Kabuto tanzte, und verwarf seinen Plan, sie nach Hause zu eskortieren. Zwar waren die Straßen Konohas im Partyviertel bei Nacht nicht ungefährlich, doch es war unwahrscheinlich, dass sie den Club alleine verlassen würde. Außerdem war er ihr Chef, nicht ihr Bodyguard. Also verließ Sasuke die Party und zündete sich am Fuße der Treppe (Die, wie er jetzt feststellte, entfernt an einen Stripclub erinnerte) eine Zigarette an. Die Nachtluft ließ ihn den Alkohol noch mehr spüren, und er schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln. Er ärgerte sich über sich selbst; seinen Angestellten sah er es nach, dass sie sich die Kante gaben. Es war sogar erwünscht, dass sie sich bei dieser Party näher kennenlernten. Doch er als Geschäftsführer konnte sich nicht so gehenlassen. Sasuke hatte noch nicht zu Ende geraucht, als eine – inzwischen vertraute – Stimme: „Gehste echt schon?“, fragte. Er wandte sich Naruto zu, der widerwillig seine Zigarette musterte, sich diesmal jedoch einen Kommentar ersparte. „Ja.“ „Is doch noch voll früh.“ Sasuke, der nicht genau wusste, wie spät es war, zuckte nur die Schultern. „Dann geh wieder rein.“ Sichtlich verwirrt blinzelte der Blonde, fuhr sich durch die Löwenmähne und sah die Straße runter. „Jaha… Mach ich wohl, ich… Wollt nur sagen, dass es echt cool is, dass du sowas hier für deine Leute organisierst. Alle, mit denen ich geredet hab, warn begeistert und ich glaub, du hast da echt nen gutes Team.“ Mit verschränkten Armen musterte Sasuke den anderen, nicht sicher, worauf dieser hinauswollte. War das eine Art verkorkste Entschuldigung? Ein Friedensangebot? Und dafür war ihm der Trottel extra nach draußen gefolgt? „Das erwarte ich von meinen Angestellten“, erklärte er schließlich kühl, als er sich keinen Reim auf Narutos Verhalten machen konnte. „Heh, hab schon gemerkt, dass du n ziemlicher Perfektionist bist!“, grinste sein Gegenüber, wobei er blendendweiße Zähne zeigte. Immerhin auf deren Pflege achtete er, dachte Sasuke mit einem leicht missbilligenden Blick auf die restliche Erscheinung seines Angestellten. „Jedenfalls…“, fuhr dieser fort, als er keine Antwort von seinem Chef bekam. „Gute Nacht und bis morgen, Sasuke.“ Der Uchiha sah ihn kurz verblüfft an, dann nickte er steif und wandte sich ab. Erst nach einigen Metern bemerkte er, dass seine Zigarette ausgegangen war und er schmiss sie erbost in den nächsten Mülleimer. Warum musste diese nervige Blondine ihn plötzlich so vertrauensselig beim Vornamen nennen? Da wäre ja wohl jeder abgelenkt! Ähnliche Gedanken begleiteten ihn während seines ganzen Heimweges, und als er später alleine im Bett lag, erinnerte er sich gegen seinen Willen an Narutos breites, dämliches Lächeln. Er hasste es jetzt schon, war das letzte, was er dachte, bevor er erschöpft in den Schlaf sank. Other Dancers might be on the floor But my Eyes will see only you Only you have that magic technique… Kapitel 4: Saisonstart ---------------------- A Scrub is checking me But his Game his kinda weak And I know that he cannot approach me Cause I´m looking like Glass And he´s looking like Trash. Unlike Pluto - No Scrubs ft. Joanna Jones Der Saisonbeginn brachte gewohnheitsmäßig viel Arbeit mit sich. Am ersten Tag waren die Angestellten des Sensu-Resort nach der langen Partynacht noch müde, doch war Sasuke zufrieden mit dem, was er sah, während er seine Gäste begrüßte. Manche Kollegen warfen sich im Vorbeigehen verlegene Blicke zu, die darauf schließen ließen, wer miteinander angebändelt hatte. Solange das jedoch ihre Arbeit nicht beeinträchtigte, war es ihrem Chef gleichgültig. Außerdem wurde Sasukes Aufmerksamkeit ab der folgenden Woche von etwas anderem eingenommen: Er war gerade in sein Büro getreten und hatte den Computer angeschaltet, als es schon an der Tür klopfte. Es war noch nicht mal acht, und da so frühe Störungen selten etwas Gutes bedeuteten, rief er: „Ja?“, während er sich für das Schlimmste wappnete. Tatsächlich erschien jedoch nur Hinata in der Tür, die einen blonden, gelangweilt dreinschauenden Jungen vor sich herschob. Seine Sekretärin hatte offensichtlich Boruto, ihren Sohn, mit zur Arbeit gebracht. Fast hatte Sasuke vergessen, dass dieser heute sein Praktikum bei ihm beginnen sollte. „Guten Morgen, Herr Uchiha“, lächelte die junge Frau, die ihren Sohn auffordernd an den Schultern drückte, sodass dieser ein: „Mor´n…“, hervormotzte. Es sah ein wenig aus wie eine dieser Puppen, die auf Berührungen hin reden konnten. „Ho-hoffentlich stören wir nicht…?“ Schweigend wies Sasuke sie an, sich zu setzen, was Hinata mit im Schoß gefalteten Händen und Boruto mit trotzig verschränkten Armen tat. Der Uchiha musterte ihn unbeeindruckt, bis der Teenager unbehaglich herumrutschte und die Arme löste, dann wandte er sich dessen Mutter zu. „Sie sagten, er habe bereits gewisse Erfahrungen?“ „Ja. Er hat im Hotel meiner… M-meiner Familie in verschiedenen Bereichen mitgearbeitet…“, flüsterte Hinata. „Hauptsächlich in der Administration und in der PR. Er…“ „Ich kann das selbst erzählen, Mom. Ich bin kein kleines Kind mehr“, unterbrach Boruto sie selbstbewusst. Liebevoll strich sie ihm durch die Haare. „Natürlich“, stimmte sie zu, dann sah sie ihn auffordernd an, damit er weitersprach. Als Sasuke dasselbe tat, straffte die Schultern und betete herunter: „Bei Opa… Ähm, im Silver Moon habe ich hauptsächlich im Einkauf geholfen, aber auch im Marketing, der Buchhaltung, der Logistik und im Personalbereich.“ Dieser Rede klang auswendiggelernt, doch Hinata zuliebe ersparte Sasuke sich einen Kommentar. „Gut. Du wirst hier in der Verwaltung helfen und…“ „Was?!“, platzte Boruto dazwischen. „Ich will mit Ihnen arbeiten, nicht mit irgendwelchen Tippsen!“ Sasuke blinzelte, zugegeben ein wenig überrascht, denn er war es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden – vor allem nicht von Sechzehnjährigen. Hinata rief ihren Sohn sanft zur Ordnung, und obwohl Boruto daraufhin eine Entschuldigung nuschelte und schwieg, hatte der Uchiha den Eindruck, sie würde den Jungen zu sehr verhätscheln. Dennoch fuhr er fort, als hätte es die Unterbrechung nie gegeben: „Du wirst in der Verwaltung aushelfen, um zu sehen, was du taugst.“ „Danke, Herr Uchiha“, sagte Hinata, die verstanden hatte, dass das Gespräch beendet war, aufstand und sich verbeugte. „Ich bringe meinen Sohn in die Büros.“ Sie sah den Teenager an, der daraufhin steif den Kopf neigte. Sasuke nickte ihnen zu, war aber schon in seiner Arbeit vertieft, bevor die Tür hinter ihnen zugefallen war. Der restliche Vormittag verlief, abgesehen von gelegentlichen Angestellten-Besuchen, ruhig. Erst gegen Mittag, als er das Büro für ein Meeting verlassen hatte und durch einen Korridor mit Gästezimmern schritt, ließ ein ungewöhnlicher Anblick ihn innehalten. Eine fast kniehohe, rote Katze saß mitten im Flur und putzte in aller Seelenruhe ihren Intimbereich. Als sie Sasuke bemerkte, musterte sie ihn mit dümmlich rausgestreckter Zunge, die ihre klugen Augen lügen straften, ehe sie sich hingebungsvoll wieder ihrer Arbeit widmete. Der Hotelbesitzer beobachtete sie kurz, dann wandte er sich stirnrunzelnd ab, um den Besitzer dieses haarigen Ungeheuers zu suchen, das er überall wiedererkannt hätte; es hatte ewig gedauert, bis er Kuramas Haare aus seinem Jackett bekommen hatte. Wie erwartet, war das Herrchen der Bestie nicht weit. Sasuke bog gerade in den nächsten Flur, als er Naruto entdeckte. Allerdings schien der junge Mann sehr beschäftigt; seine Hände waren unter dem Kleid einer Blondine, die er eifrig gegen die nächste Wand küsste. Ihr Haar war zerwühlt, ihre Wangen gerötet und sie gab Geräusche von sich, die deutlich machten, dass ihr Gespiele sein Handwerk verstand – im wahrsten Sinne des Wortes. Kurz war Sasuke versucht, einfach umzudrehen und zu tun, als hätte er nichts gesehen. Doch dann wallte Ärger in ihm auf. Das hier war sein Hotel, Naruto war sein Angestellter, und er konnte sich nicht erinnern, ihm aufgetragen zu haben, während seiner Arbeitszeit Gäste auf dem Flur zu vögeln. Also räusperte er sich vernehmlich, was das Paar verlegen auseinanderspritzen ließ. Sasuke sah Naruto, der knallrot angelaufen war, kalt an. „Erledigen Sie derartiges nach Feierabend, Uzumaki. Und schaffen Sie Ihren Kater in Ihr Zimmer. Er streunt durch die Anlage.“ „Ja, ich, äh, hab ihn weggeschickt“, grinste Naruto mit einem Seitenblick auf seine Liebschaft. Sie war die Tochter irgendeines Politikers, soweit Sasuke wusste. „Aber er ist echt gut erzogen! Er macht bestimmt keinen Ärger oder so!“ „Darum geht es nicht.“ Sasukes Stimme war ruhig, aber schneidend, und die Dame schob sich ängstlich ein wenig hinter den Blonden. „Ich dulde keine Tiere in meinen Fluren. Bringen Sie das Tier in Ihr Zimmer und sorgen Sie dafür, dass es dort bleibt, oder entfernen Sie es.“ Naruto sah rebellisch drein, beschränkte sich aber schließlich doch auf ein steifes Nicken. „Ja, Sir. Soll ich sofort…?“ „Hatten Sie etwas anderes vor?“ Die beiden Männer sahen sich feindselig an, denn natürlich war offensichtlich, dass der Jüngere eigentlich etwas anderes geplant hatte. Doch zu seinem Glück wagte Naruto es nicht: ´Eigentlich hätte ich jetzt lieber Sex`, zu sagen. Er war schon dabei, davon zu schlurfen, als die junge Dame zum Leben erwachte und nach seiner Hand griff. „Eigentlich wollte Herr, ähm…“ „Uzumaki.“ „Herr Uzumaki wollte mir gerade bei etwas in meinem Zimmer helfen.“ Sasuke sah sie höflich-gleichgültig an, bevor er sich wieder Naruto zuwandte. „Bringen Sie die Katze auf Ihr Zimmer, dann können Sie dem Fräulein… helfen.“ Mit einer knappen Verbeugung für seinen Gast ließ er die beiden stehen. Er war ergriffen von Zorn, den er sich jedoch vor der Kundin nicht anmerken ließ. Natürlich war es vollkommen unangebracht, auf dem Flur zu knutschen, und ein Haustier hatte in einem noblen Hotel wie dem Sensu-Resort nichts zu suchen. Doch er merkte selbst, dass sein Ärger viel persönlichere Wurzeln hatte, und das machte ihn nur noch wütender. Er hatte keine Zeit dafür, davon zu phantasieren, wie er statt der dummen Blondine mit Naruto knutschte. Der ja, wohlgemerkt, überhaupt nicht Sasukes Typ war. Er mochte Männer wie Neji Hyûga, Hinatas Cousin, der gelegentlich vorbeischaute, um seine Cousine zu besuchen oder seine Nichte oder seinen Neffen abzuliefern. Natürlich war der Junge erst 18 und Sasuke hatte die Vermutung, dass er ein wenig für eine seiner Angestellten schwärmte, eine kleine Brünette aus dem Fitness- und Wellnessbereich, doch er war überaus gutaussehend, selbstbewusst, höflich, ruhig und stets gepflegt. So ganz anders als der laute Querkopf Naruto. Nein, es war absolut unmöglich, dass er, ein Uchiha, Interesse haben sollte an dieser Klischee-Blondine. Während den folgenden Tagen hielt Sasuke sich bewusst fern von allem, das nur im Entferntesten Blond war. Neben seiner Zusammenarbeit mit Orochimaru stand bald ein wichtiger Kongress an, sodass er genug zu tun hatte, ohne sich zusätzlich um den Chaoten zu kümmern. So verlief sein Wochenstart gewohnt ruhig, bis er am Mittwochabend unterwegs war zu einem Gespräch mit Orochimaru. Als er an einem weitläufigen Dachgarten vorbeikam, sah er durch die Glastür eine goldblonde Mähne aufblitzen und beschleunigte seine Schritte, als laute Rufe ihn innehalten ließen. Diese kamen offensichtlich vom Pool, der im Innenhof etwa sieben Meter unterhalb des Gartens lag. Sasuke runzelte die Stirn und versuchte zu verstehen, was die Leute sagten, denn es klang ängstlich, doch eine andere, lautere Stimme unterbrach sie. „Was scheißt ihr euch eigentlich so ein?! Da kann nichts passieren!“ „Das Wasser ist nicht tief genug…“ „Pf, von wegen! Ich mach das jetzt…!“ „Boruto, nicht!“ Sasuke machte einen Schritt hinter der Wand hervor und sah, dass er den Blondschopf verwechselt hatte: Dort, am Rand des Dachgartens, stand nicht Naruto, sondern Hinatas Sohn. Er trug nur Badehosen und schien sich anzuschicken, hinab in den Pool zu springen. Die Rufenden waren offensichtlich Hotelangestellte und Gäste, die versuchten, ihn von diesem Wahnwitz abzuhalten. Offensichtlich hatte keiner gewagt, zu ihm zu laufen, um ihm keinen Anreiz zum Sprung zu geben. Nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr näherte Sasuke sich lautlos dem noch immer lautstark seinen Sprung ankündigenden Jungen. Offensichtlich wollte er so viele Zuschauer wie möglich, und jetzt, wo er sich dem Rand näherte, sah der Uchiha, dass aus den umliegenden Hotelzimmern tatsächlich einige Neugierige herüberstierten. Ohne, dass Boruto es merkte, war Sasuke direkt hinter ihn gelangt und sagte jetzt ruhig: „Komm da runter.“ Erschrocken wirbelte der Sechzehnjährige herum, wobei er das Gleichgewicht verlor und ins Taumeln geriet. Die Menge unten schrie entsetzt auf, doch Sasuke, der mit so etwas bereits gerechnet hatte, schnappte den Arm des Jungen und zog ihn an sich. Mit weit aufgerissenen blauen Augen starrte der Junge zu ihm empor, das Herz raste ihm spürbar in der Brust. Von unten war Jubel zu hören, den Sasuke kaum wahrnahm. Stattdessen dachte er unwillkürlich, dass dieses Kind Naruto wirklich ähnlich sah. Dann blinzelte er und ließ Boruto los, sodass dieser auf den Hintern plumpste. „Aua! Was soll das?!“, beschwerte der Blonde sich, während sein Chef seine Gedanken zur Ordnung rief. Erneut warf Sasuke einen Blick auf seine Armbanduhr und seufzte genervt. Wegen diesem Schwachsinn war er jetzt spät dran, hervorragend. Er sah seinen Praktikanten kalt an, der zusammenzuschrumpfen schien. „Wenn du so etwas noch einmal tust, brauchst du nicht mehr zu kommen“, erklärte er, dann verließ er den Dachgarten. Er hatte jetzt wirklich keine Zeit für die Prahlerei eines Halbstarken. „Warten Sie!“, rief besagter Halbstarker und ließ seinen Chef, der bereits halb den Flur hinunter war, erneut innehalten. Eigentlich wollte er ihn schroff zurechtweisen, doch etwas in den brennenden Augen und der entschlossenen Miene des Jungen ließ Sasuke anhören, was dieser zu sagen hatte. „Ich mach sowas nicht mehr, wenn Sie endlich anfangen, mich zu beachten! Ich bin jetzt schon über eine Woche hier, und immer noch sitze ich in der Verwaltung. Deswegen bin ich nicht hier!“ Ein wenig verblüfft von der unverschämt fordernden Art dieses Kindes musterte Sasuke ihn, dann – zu seiner eigenen Verblüffung – kräuselte ein Schmunzeln seine Lippen. „Gut“, erwiderte er. „Nein, hören Sie, ich will… Was?“, geriet Boruto ins Stocken, als ihm klar wurde, was sein Gegenüber gesagt hatte. „Du kannst mit mir arbeiten“, versprach Sasuke gelassen. „Sobald du Empfehlungen aus jedem Bereich des Hotels hast.“ „Eh?! Bis ich das schaffe, sind die Ferien vorbei!“, beschwerte er sich laut, doch sein Chef zuckte nur die Schultern. „Ich habe keine Zeit, mich mit einem unbegabten Wichtigtuer auseinanderzusetzen“, erklärte er gnadenlos, dann warf er erneut einen Blick auf die Uhr und wandte sich ab. Hinter sich hörte er das Schimpfen des Jungen, dem er allerdings keine Beachtung schenkte; Sasukes Aufmerksamkeit musste er sich erst verdienen. Auf dem Weg nach unten kamen ihm einige aufgeregte Angestellte entgegen – allen voran die in Tränen aufgelöste Hinata, die man wohl aus ihrem Büro geholt hatte – doch der Hotelbesitzer tauchte rasch in einem Seitenflur ab, um unbemerkt nach draußen zu verschwinden. Er hatte weder Lust noch Zeit, über die Rettung dieses aufmerksamkeitsgeilen Tunichtguts zu sprechen. Ganz alleine war er jedoch auf der Lieferantentreppe nicht, die er als Fluchtweg nutzte; auf dem Absatz zum nächsten Stockwerk hockte Kurama, der ihn mit seinen schlauen orangeroten Augen betrachtete. Ohne auf die Katze zu achten (darüber würde er später nochmal mit Naruto reden), setzte er seinen Weg fort, doch offenbar hatte das Tier beschlossen, ihm zu folgen. Gemeinsam erreichten die die Eingangshalle wo der Kater allerdings einen anderen Weg einschlug. Sein buschiger Schwanz verschwand die Treppe hinauf, die zum Poolbereich führte, und Sasuke hatte das starke Gefühl, dass Naruto unter den Schaulustigen gewesen war, die Boruto bei seinem Beinahe-Sprung beobachtet hatten. Statt diese Theorie zu überprüfen, nickte er der Rezeptionistin, die von der Aufregung nichts mitbekommen hatte und ihm: „Einen schönen Abend, Herr Uchiha!“, zurief, höflich zu, prüfte sein Spiegelbild in der zur Seite gleitenden Glastür und trat in den frühen Abend. Wenige Minuten später näherte er sich einem gut besuchten Lokal mit Meerblick und ließ sich einen Moment die salzige Brise ins Gesicht wehen, bevor er sich nach seinem Geschäftspartner umsah. Orochimaru hatte ihn bereits erspäht und war breit lächelnd aufgestanden. „Sasuke, wie schön, dass Sie es einrichten konnten! Setzen Sie sich, setzen Sie sich!“ Der Jüngere ließ sich an einem Tisch nieder, der, wie er bemerkte, ein wenig von den anderen abgesondert war, sodass sie in Ruhe sprechen konnten. Außerdem lag er direkt an der Promenade, um ihnen den Blick auf die Passanten und das Wasser zu ermöglichen. Sasuke ließ sich nieder, wobei er sich fragte, ob sein Gesellschafter nur dem Kellner oder sogar dem Restaurantbesitzer ein wenig Geld zugesteckt hatte, um ihnen diesen Platz zu sichern. „Sie sehen umwerfend aus, Sasuke“, stellte Orochimaru fest und fuhr, als er nur ein zustimmendes Nicken von seinem Gegenüber bekam, fort: „Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, über unsere gemeinsame Party zu sprechen – von der Sie übrigens viel zu früh verschwunden sind! Hatten Sie keinen Spaß?“ Der Uchiha konnte die Antwort ein wenig aufschieben, da in diesem Moment der Kellner auftauchte. Bevor er allerdings den Mund aufmachen konnte, hatte Orochimaru bereits für sie beide bestellt und der Restaurantangestellte hatte sich zurückgezogen. Sasuke fand das sehr übergriffig, beschloss aber, nichts dazu zu sagen. „Ich hatte am nächsten Tag zu tun.“ „Mhm…“, machte der Clubbesitzer, dessen dunkle Augen sein Gegenüber intensiv musterten. „Mir ist aufgefallen, dass unser junger Freund, Uzumaki, kurz nach Ihnen ebenfalls fehlte.“ Sasuke, der nicht gewusst hatte, dass Naruto nach ihrem Gespräch ins Hotel zurückgekehrt war, blinzelte. „Dann war ich nicht der einzige, der früh aufgebrochen ist.“ Orochimaru lachte – „Nein, in der Tat nicht!“ – und sie beendeten dieses Thema, als ihr Wein serviert wurde. Da er selten Alkohol trank, hätte Sasuke selbst keinen bestellt, doch er wollte nicht unhöflich sein, nippte an dem Getränk und stellte fest, dass es eine gute Sorte war, nicht zu lieblich. Kurz überlegte er, ob sein Geschäftspartner wusste, dass er Süßes nicht schätzte – er meinte, es mal nebenbei in einem Gespräch erwähnt zu haben, war sich jedoch nicht sicher – schob diesen Gedanken aber rasch beiseite. Selbst wenn Orochimaru sich an dieses Detail seiner Neigungen erinnerte, war es nur aufmerksam und kam ihm in diesem Moment zugute. Zumal er ja wusste, dass der Clubbesitzer einen Narren an ihm gefressen hatte. Bis ihr Essen kam, ließ Sasuke den anderen über Belanglosigkeiten plaudern, dann beschloss er, genug Smalltalk geführt zu haben und brachte das Gespräch auf seinen eigentlichen Zweck: „Sie sagten, unsere Zusammenarbeit sei noch nicht weitläufig genug bekannt.“ Orochimaru wirkte ein wenig enttäuscht, aber nicht überrascht von der Direktheit seines Gegenübers. „Nun – nein, das bin ich nicht“, gab er ein wenig umständlich zu und lächelte mitfühlend, als wäre dies Sasukes Schuld. „Natürlich hat die Saison erst begonnen und es sind noch nicht viele Gäste in der Stadt, aber trotzdem hatte ich mir mehr Kunden aus Ihrem Haus erhofft.“ „Wie können wir das Ihrer Meinung nach ändern?“, fragte der jüngere Mann, statt sich mit Schuldzuweisungen aufzuhalten. Sein Vater hatte ihm beigebracht, dass man Probleme mit Taten, nicht mit Worten löste. Außerdem war er an Umsatz und laufenden Kosten von Orochimarus Etablissement beteiligt, und er hatte nicht vor, von ihm investierte Zeit und Geld vor die Hund gehen zu lassen. „Ich weiß, dass Sie kein Fan intensiver Werbung sind“, fing der erfahrene Geschäftsmann an. „Doch bis die Sache ins Rollen gekommen ist, müssen wir eine gemeinsame Linie fahren, die den Leuten auch auffällt. Bis… Sagen wir übermorgen kann ich eine Plakatserie drucken lassen, bis übermorgen hängt von der Autobahn bis zum Strand alles voll davon – ich kenne da ein paar Leute, das lässt sich regeln. Sie können an Ihrer Hotelbar meinen Hauscocktail ausgeben und Flyer aufstellen. Und…“ Der Ältere zögerte eine Sekunde, bevor er fortfuhr: „Ich würde sogar Vorschlagen, dass Sie selbst das Gesicht unserer Kampagne werden.“ Nachdenklich schwieg Sasuke eine Weile, während derer er einen Schluck Wein trank. Die Vorstellung, sich selbst als Modell zu präsentieren, gefiel ihm nicht – er zog lieber im Hintergrund die Fäden. Doch wusste er, dass er als junger, gutaussehender Mann sich hervorragend an der Spitze einer Werbemaschinerie machen würde, vielleicht sogar an der Seite einer seiner hübschen weiblichen Angestellten, etwa Karin, oder, falls eine Frau gewählt würde, seine Angestelltenvertreterin. Ja, er sah durchaus Sinn hinter Orochimarus Vorschlag, weshalb er diesen trotz seines persönlichen Wiederwillens nicht rundweg ablehnte. „Kümmern Sie sich um die Plakataktion. Je nach deren Erfolg sehen wir weiter“, bestimmte Sasuke schließlich, wodurch er sich vorerst dem Rampenlicht entzog. Orochimaru, dem das natürlich nicht entging, lächelte. „Sie sind erstaunlich zurückhaltend für so einen attraktiven, zielstrebigen Mann, Sasuke… Aber überlassen Sie das nur mir. Noch vor Ende der Saison wird unsere Zusammenarbeit sich ausgezahlt haben, davon bin ich überzeugt.“ Nickend beendete Sasuke sein Essen und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, doch sein Gegenüber ignorierte das deutliche Zeichen, dieses Treffen beenden zu wollen. Zunächst sprachen die Geschäftspartner noch über einige Details der Werbekampagne, wobei Sasuke seinen Verdacht bestätigt sah, nach welchem Orochimaru das ganze schon ohne seine Zustimmung geplant hatte: Wie es aussah, gab es bereits Entwürfe für die Plakate, ausgeschriebene Werbetexte und Fotos. Der jüngere Mann fragte sich, ob tatsächlich so wenige Menschen von ihrer Zusammenarbeit wussten, doch er sagte nichts. Wenn diese Maßnahmen ihre Umsätze steigern würden, könnte er wohl mit der PR leben, obwohl er nicht viel von aufdringlicher Werbung hielt. Später wandte sich das Gespräch von ihrem gemeinsamen Projekt ab, und Orochimaru ignorierte weitere Blicke seines jungen Gegenübers auf dessen Uhr. Schließlich genügte es Sasuke jedoch, und er winkte dem Kellner. „Ich habe noch Arbeit“, erklärte er seinem sichtlich enttäuschten Geschäftspartner. „Ah, Sie arbeiten wirklich zu viel, Sasuke“, schalt dieser lächelnd. „Ich frage mich manchmal wirklich, ob Sie wissen, wie man sich entspannt – und das, obwohl ich nur Gutes vom Wellnessbereich Ihres Hotels höre.“ Sasuke, der es nicht schätze, von Fremden angefasst zu werden, hatte tatsächlich noch nie das Massageangebot seines eigenen Hauses genutzt. Jedoch sagte er dies nicht, sondern zückte seinen Geldbeutel, was Orochimaru dazu bewegte, ungeduldig vor seinem Gesicht herumzuwedeln. „Aber, aber, Sie sind natürlich eingeladen! Immerhin habe ich Sie von der Arbeit abgehalten, indem ich Sie um dieses Treffen bat.“ „Danke“, sagte der Uchiha und steckte sein Portemonnaie weg. Er war es gewohnt, in Orochimarus Gegenwart nicht zu zahlen. Dieser erfand immer irgendwelche Fadenscheinigen Gründe, um den Jüngeren einzuladen, und obwohl dieser wahrlich keine Geldsorgen hatte, ließ er es sich gefallen. Die Männer erhoben sich und verließen das Lokal, wobei Sasuke die recht eindeutigen Andeutungen des Barbesitzers, sie könnten doch einen Spaziergang am Pier machen, ignorierte. „Die Sonne geht schon unter“, bemerkte Orochimaru mit einem Blick zum Meer. „Von meiner Dachterrasse aus ist das wirklich schön zu beobachten… Und ich hätte noch ein ausgezeichnetes Fläschchen Wein, das Sie unbedingt mit mir probieren sollten.“ Sasuke war versuchter, als er selbst erwartet hätte, und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass er die Flasche Wein fast selbstständig getrunken hatte; Orochimaru hatte ihm immer wieder nachgeschenkt. Doch obwohl sein letzter Sex wirklich schon ewig her war, verabschiedete er sich und machte sich auf den Heimweg. Während er ging, versank die Sonne immer tiefer im Meer, und als er sein Hotel betrat, waren die Straßen bereits dunkel. In der Lobby saß der eine oder andere Gast, im Gespräch vertieft oder am Laptop arbeitend, doch Sasuke nickte nur höflich, wenn jemand aufblickte, und ging ansonsten unbehelligt in Richtung Treppen. Dabei fiel sein Blick auf den hinteren Eingangsbereich und er entdeckte Naruto, der neben Hinata saß, welche schüchtern über einen Witz des Blonden lachte. Unwillkürlich erinnerte Sasuke sich daran, wie Naruto die andere Frau auf dem Flur gefingert hatte, und Unwillen kroch ihm den Magen hoch in den Hals, der unangenehm eng geworden zu sein schien. Es widerstrebte ihm, eine gute Frau und alleinerziehende Mutter wie der Hyûga diesem Playboy zu überlassen. Dennoch hatte er nicht vorgehabt, sich einzumischen, hatte aber keine Wahl, als zu den beiden zu gehen, da Hinata sich in dem Moment mit von Alkohol und Verliebtheit geröteten Wangen zu ihn wandte und strahlend winkte. „Sasuke! Mit Ihnen wollte ich schon den ganzen Abend reden!“ Sasuke fiel auf, dass sie nicht stotterte, und warf einen interessierten Blick auf den Cocktail in ihrer Hand. Er war lila und roch süßlich nach Blaubeere, was den Hotelbesitzer die Stirn runzeln ließ. Hatte Orochimaru etwa noch vor ihrem Gespräch alles Nötige hierher schaffen lassen? Oder hatte Naruto dem Barkeeper erklärt, wie man das Getränk mischte? „Ja?“, wandte er sich knapp an Hinata. Sein Ton machte deutlich, dass er lieber weitergegangen wäre, und ließ die roten Backen der Frau ein wenig erbleichen, obwohl er nicht unhöflich gewesen war. Scheinbar hatte Sasukes Stimme sie an ihre Schüchternheit erinnert, denn das Stottern war zurück, schlimmer denn je: „E-es, ich… Ähm… We-wegen vorhin…“ Naruto legte ihr in einer angesichts der Tatsache, dass sie sich kaum einen Monat kannten, ungewöhnlich natürlichen Geste die Hand auf den Arm und lächelte ermutigend. Zunächst schienen ihr die Worte zu fehlen, doch dann lächelte sie zurück und wandte sich mit frisch wiedererlangtem Selbstbewusstsein an ihren Arbeitgeber. „Bo-Boruto hat erzählt, dass Sie ihn von dem Sprung abgehalten haben und ich… Vi-Vielen Dank, Uchiha-san“, brachte sie hervor und verbeugte sich hastig. „E-Er ist oft so ungestüm und ich fürchte, wenn ich es n-nicht schaffe, ihn zu bändigen, wird er sich nochmal ri-richtig verletzen und ich… Ich…“ Sie unterbrach ihr Gestammel, um mahagonifarben anzulaufen und verbeugte sich nochmal. „E-Entschuldigen Sie, das interessiert Sie natürlich alles kein bisschen…! W-wie unprofessionell von mir…“ Sasuke hatte Hinata wohl noch nie so viele Worte sprechen hören und konnte sie nur verblüfft ansehen, doch Naruto legte lachend den Arm um ihre Schulter. „Wir haben Feierabend, Hinata, du musst nicht mehr professionell sein!“, fand der Blonde, womit er der Dame ein schwaches Lächeln und seinem Chef ein Stirnrunzeln entlockte. „Gern geschehen“, sagte Sasuke, wobei er Narutos hörbar sarkastisch geflüstertes: ´So siehste aber nich aus…`, ignorierte, indem er sich mit einem kleinen Nicken zurückzog. Auf dem Weg in sein Zimmer fragte er sich, wieso er nicht auf Orochimarus Angebot eingegangen war. Dann hätte er jetzt Sex mit dem attraktiven Mit-Fünfziger, statt sich nutzlose Dankesreden und gehässige Kommentare anzuhören. In seinem Büro versuchte Sasuke noch eine Weile zu arbeiten, doch nach einer nahezu ergebnislosen Stunde zog er sich in seine Zimmer im obersten Stockwerk des Hotels zurück. Dort stieg er auf sein Laufband und versuchte, gegen seine Frustration anzujoggen, die jedoch nicht so leicht weichen wollte. Er war erwachsen, er war Single, und es wäre sein gutes Recht gewesen, jedem, der ihm passte, das Hirn rauszuvögeln – es gäbe sicher wenige, die ein derartiges Angebot von Sasuke ausgeschlagen hätten. Das Problem war vielmehr, dass er Uchiha äußerst wählerisch war. Er wollte einen Mann, der ihm optisch das Wasser reichen konnte, einen, der nicht auf den Mund gefallen war – auf keinen Fall einen Ja-Sager. Er wollte, dass sein Partner gut verdiente, denn Sasuke hatte mit seiner Belegschaft und seiner Familie schon genug hungrige Mäuler zu stopfen, im Privaten wollte er nicht den Versorger spielen. Er wollte jemand selbstständigen, der ihm nicht ständig am Rockzipfel klebte. Gleichzeitig wollte er keine Hure, die auf jeden Schwanz sprang, der sich ihr anbot. Gerade der letzte Punkt erschwerte es, einen Partner zu finden, denn obwohl Sasuke, wenn er sich auf jemanden einlassen würde, dessen einziger Bettgefährte zu sein forderte, wollte er keine Beziehung. Dafür hatte er keine Zeit, zumal er sich nicht nach emotionaler Intimität sehnte. Sie war ihm eher unangenehm. Auch würde ein fester Freund wohl irgendwann seiner Familie vorgestellt werden wollen, was bei den Uchihas nicht vorkommen würde, da niemand von der sexuellen Orientierung des jüngeren Sohns wusste, was dieser nicht zu ändern gedachte. Nein, alles in allem sehnte Sasuke sich lediglich nach Körperlichkeit – und nicht mal das sonderlich häufig. Er war es gewohnt, keinen Sex zu haben, und vermisste es daher nicht. Gerade war ihm das Thema nur so präsent, weil er ein derart eindeutiges Angebot erhalten hatte und scheinbar ständig über einen gewissen Blondschopf stolperte, wenn dieser kurz vor einer Eroberung stand. Gegen seinen Willen erinnerte Sasuke sich daran, dass Naruto sich ihm bei ihrer ersten Begegnung ebenfalls angeboten hatte. Das hieß wohl, dass er nicht nur auf Frauen stand. Und das wiederum bedeutete, dass Sasuke selbst es hätte sein können, in dessen Hose diese gebräunte Hand mit den abgekauten Nägeln hätte verschwinden können, er hätte es sein können, den Naruto gegen die Wand küsste, bevor er mit ihm im Zimmer verschwand… Als Sasuke realisierte, was er gerade dachte, gerieten seine Schritte aus dem Takt und er bemerkte, dass seine Beine vor Anstrengung wackelig geworden waren und sein Shirt schweißnass an seinem Körper klebte. Mit etwas weichen Knien stieg er vom Laufrad und sah bei einem Blick auf seinen Radiowecker, dass er beinahe zwei Stunden gelaufen war. Kein Wunder, dass er sich völlig ausgepumpt fühlte, als er unter die Dusche und ins Bett stieg, um diesen unbefriedigenden Abend hinter sich zu lassen. Als er am nächsten Morgen aufwachte, fühlte Sasuke sich gerädert und es deutete sich bereits ein Muskelkater an. Schon leicht genervt, bevor der Tag überhaupt begonnen hatte, machte er sich frisch und wollte das Zimmer verlassen – er frühstückte nie – als er über einen Fellberg stolperte, der es sich vor seiner Tür bequem gemacht hatte. Fluchend richtete er sich auf und starrte Kurama an, der ihn vorwurfsvoll anmaunzte, bevor er mit hoch erhobenem Fuchsschweif davonstolzierte. Eine vollkommen überzogene Wut flammte in Sasukes Magen auf und er folgte dem Kater bis zu einer Tür einen Stock weiter unten. Dort schliefen Saisonarbeiter, die keine eigene Wohnung in Konoha hatten – wie beispielsweise Naruto, der auf das ungeduldige Klopfen seines Chefs mit schläfrigen Augen und abstehender Goldmähne in der Tür auftauchte. „Was´n…?“, murmelte Naruto, während sein Haustier sich schnurrend um seine Beine schlängelte, bevor es nach drinnen verschwand, vermutlich, um nach einem Frühstück Ausschau zu halten. „Man begrüßt seinen Chef üblicherweise mit: ´Guten Morgen, Sir`“, erklärte Sasuke kalt. Er wartete, bis er einen (recht mürrischen) Gruß erhalten hatte, dann sagte er: „Ich hatte dich bereits darauf hingewiesen, das Tier in deinem Zimmer zu behalten. Betrachte dich als offiziell abgemahnt.“ Zuerst starrten ihn ungläubige blaue Augen an, dann loderte Zorn in ihnen auf. „Er hat nen Namen, ok?“, motzte er, und noch bevor dein Arbeitgeber sich wundern konnte, dass er das Recht einer Katze auf persönliche Anrede verteidigte, fügte er hinzu: „Und was ist eigentlich dein Problem? Kommst hier in der Früh an und führst dich auf, obwohl kein Schwein sich je über Kurama“ – er betonte den Namen ganz gezielt – „beschwert hat… Bist du ein Morgenmuffel oder sowas?“ Sasuke war so perplex, als ´Morgenmuffel` bezeichnet zu werden, dass er zuerst nicht antworten konnte. Wenn seine Mutter das zu ihm sagte, nahm er es notgedrungen hin, doch wie konnte dieser kleine Wicht es wagen, so mit ihm zu reden? Scheinbar bemerkte Naruto die Wolke aus purem Zorn, die von seinem Gegenüber aufstieg, denn er wich einen halben Schritt zurück. Doch so schnell, wie sein Schreck aufgetaucht war, war er wieder verschwunden und hatte einer trotzigen Miene platzgemacht. „Hör mal, wenn du mich feuern willst, bitteschön. Aber hör auf, mir jedes Mal wegen nichts eine Szene zu machen, darauf hab ich echt keinen Bock.“ „Das hier ist ein vornehmes Hotel“, presste Sasuke mühsam beherrscht hervor. „Ich dulde nicht, dass ein haariges Biest durch meine Flure stromert.“ „Bisher hatte kein Gast, mit dem ich drüber geredet hab, ein Problem damit. Die fanden ihn sogar alle sehr süß!“, protestierte Naruto laut. „Deine Nutten fanden Kurama“ – aus Sasukes Mund klang der Name spöttisch, fast wie eine Beleidigung – „also süß, ja?“, fragte Sasuke giftig zurück. Blonde Augenbrauen wanderten ein wenig in die Höhe, dann trat ein süffisantes Lächeln auf Narutos Züge und er trat einen Schritt näher heran an den irritierten Uchiha. „Ich hab dir schon mal gesagt, dass du nich eifersüchtig sein musst, Sas. Ein Wort, und wir können in mein Zimmer gehen und…“ Er hatte die Hand nach Sasuke ausgestreckt, hielt aber inne, als dieser zischte: „Wenn du mich anfasst, bist du tot.“ Die Männer starrten sich an, und in Sasuke stieg wieder der Hass von vorhin auf. Wie hatte er nur eine Sekunde denken können, dieser Tunichtgut wäre attraktiv? Sicher, Naruto konnte charmant sein – nur wusste er das viel zu genau und setzte es nach Belieben ein. Und Sasuke hatte nicht vor, das nächste Opfer zu sein. „Wag es nicht, mich anzufassen“, konnte er sich nicht zu wiederholen verkneifen. Das war ihm wichtig, als würde er besudelt, wenn diese grobe Hand seine Haut berührte. Tief in sich spürte er, dass seine Abwehrreaktion und seine generelle Abneigung gegen Naruto einen anderen Grund hatten, doch es war viel einfacher, viel angenehmer, sich in seinem Hass treiben zu lassen. „Du bist nur durch einen glücklichen Zufall noch hier, nur, weil du mir nützt. Also tu deinen Job, für den ich dich bezahle und halt dich und dein Hausmonster von mir fern. Hast du das verstanden?“ Eine Sekunde lang sah es so aus, als wolle Naruto wiedersprechen oder seinen Chef sogar schlagen, doch dann nickte er steif und mit einem künstlichen Lächeln, das seine Augen jedoch nur mit Abneigung und nicht mit Wärme zu erfüllen schien. „Mit dem größten Vergnügen, Sir.“ Sasuke nickte steif und ihm wurde bewusst, dass einige Türen sich wegen der lauten Stimmen geöffnet hatten und neugierige Köpfe auf den Flur herauslugten. „Machen Sie sich fertig für die Arbeit, Uzumaki“, befahl er und wandte sich ab, noch immer mit vor Zorn loderndem Magen. Wie Sasuke erwartet hatte, hatte das Gerücht über seinen Streit mit Naruto sich rasch in der Belegschaft herumgesprochen. Die meisten sahen ihn jetzt mit einer Mischung aus Furcht und Neugierde an, als erwarteten sie, dass ihm der Kragen platzte, sobald sie ihn ansprachen. Seine Stammbelegschaft war verstört. Sie kannten ihren Chef nur als zurückgezogenen, kühlen Mann, niemand hatte ihn je richtig zornig erlebt. Einzig Karin schien sich nicht darum zu kümmern, sondern machte sogar Witze darüber. „Endlich mal jemand, der dich aus der Fassung bringt“, stichelte sie, als sie gemeinsam an der Poolbar saßen, wo sie Details der Plakataktion besprachen, die Orochimaru in die Wege geleitet hatte. Seine Verwaltungsleiterin hatte erzählt, dass der Snake-Bite gut ankam und sowohl Bar- als auch Rezeptionsangestellte häufig Fragen über das Oto-Gakure gestellt bekamen. Damit wäre Sasuke zufrieden gewesen – und ihm wäre das Gerede egal gewesen – doch in dem Moment sprang ein roter Fellknäul aus einer der verwinkelten Türen, dicht gefolgt von Naruto in einer abscheulichen orangen Badehose und Hinata, die einen seidenen Bademantel trug. Da der Blonde ein Animateur war, war es nicht verwunderlich, ihn hier zu sehen, doch soweit Sasuke wusste, hatte seine Begleiterin heute eigentlich frei. Natürlich kamen seine Angestellten gelegentlich vorbei, um den Spa-Bereich zu nutzen, sich an der Bar einen Drink zu genehmigen oder sogar am Pool zu entspannen. Das störte ihn nicht. Aber der Anblick der beiden ließ das Feuer in ihm wieder hochlodern, und er stand unwillkürlich auf, was ihm einen amüsierten Blick von Karin einbrachte. „Gehst du schon?“, fragte sie scheinheilig, als er sie warnend ansah. Er nickte und wollte gehen, als er nicht verhindern konnte, Narutos übermäßig lautes Lachen zu hören, während dieser versuchte, Hinata dazu zu überreden, ihre Kleidung abzulegen. „Komm schon, wie sollen wir so denn in den Pool gehen?!“ „I-ich bleibe auf dieser Liege u-und lese ein bisschen. Geh du ruhig, Na-Naruto-kun…“, wehrte sie ab, doch das ließ er nicht gelten. Fast gegen seinen Willen wurde Sasukes Blick von dem Bild angezogen, wie Naruto sie kurzerhand über die Schulter warf und unter ihrem Protest verlauten ließ: „Na, wenn du dich nicht ausziehen willst, musst du eben so ins Wasser!“, bevor er mit seiner Last in den Pool sprang. Die Umstehenden lachten gutmütig, als das (scheinbare) Paar auftauchte. Das sowieso schon helle Sonnenlicht (Sasuke trug eine Sonnenbrille) schien noch stärker zu werden, als Naruto Hinata anstrahlte. Diese sah aus wie ein begossener Pudel, doch dann spritzte sie völlig unerwartet Wasser ins Gesicht des jüngeren Mannes. „Du… Du bist unmöglich, Naruto-kun…“, beklagte sie sich, wobei sie sich jedoch offensichtlich amüsierte. „Wieso, du wolltest doch eigentlich schwimmen und hast dich nur nicht getraut!“, behauptete Naruto, womit er sicherlich Recht hatte. Dann fiel sein Blick jedoch auf etwas, das Sasuke nicht sehen konnte, und er errötete. Der Uchiha, der ihn für einen ausgefuchsten Schwerenöter hielt, hätte gar nicht gedacht, dass Naruto rotwerden konnte und er zog die Brauen hoch. „Ähm, du, dein…“, stammelte Naruto und deutete vage auf Hinata. Diese sah an sich hinab, lief mal wieder mahagonirot an und erstarrte scheinbar völlig, während ihr üppiger Busen von den sanften Wellen des Pools gewiegt wurde. Die Schleife ihres Bikinis hatte sich beim Sprung ins Wasser gelöst, sodass sie jetzt halbnackt war. Dann, so schnell, dass niemand es kommen sah, kippte sie ohnmächtig nach hinten wie ein Brett. Der sichtlich entsetzte Naruto fischte sie sofort aus dem Wasser und schüttelte sie leicht, womit er den Rettungsschwimmer aus seinem Hochstuhl aufscheuchte. Bevor dieser sich der Szene jedoch nähern konnte, war eine Art Kampfschrei zu hören, ein blonder Blitz schoss durch die Luft, stürzte sich auf Narutos Rücken und riss diesen ins Wasser. Der sichtlich entsetzte Poolwächter blies schrill in seine Pfeife und rannte auf den Tumult zu, konnte diesen jedoch nicht beenden, da er zunächst Hinata aus dem Wasser fischen musste. Sasuke hatte sich dem Pool genähert und erkannte jetzt, dass darin zwei Blondschöpfe miteinander rangelten, einer offensichtlich noch voll bekleidet. Beide schimpften, doch ihre Worte waren im Plätschern des Wassers nicht zu hören. Dennoch beobachteten inzwischen sämtliche Poolbesucher neugierig das Spektakel. Um die Ruhe wiederherzustellen, griff Sasuke kurzerhand ins Wasser, wobei er den Kragen eines der Hemden zu fassen bekam, die seine Angestellten trugen, dann zog er den darinsteckenden Halbwüchsigen von Naruto weg. „Lass mich los! Dem zeig ich´s – meine Mutter so zu überfallen…!“, schimpfte Boruto, der offenbar nicht mal bemerkte, mit wem er da redete, sondern sich wieder auf sein Opfer stürzen wollte, das sich gerade aus dem Pool kämpfte. „Das genügt“, sagte Sasuke ruhig, und endlich kam der Junge zur Ruhe. Als er rot anlief, sah er seiner Mutter plötzlich viel ähnlicher als sonst. „Uchiha-san… Ich…“ „Geh dich umziehen.“ Unter Sasukes kaltem Blick zuckte Boruto zusammen, dann warf er einen hastigen Blick auf seine Mutter – sie war wieder bei sich, man hatte sie zur Erholung auf eine Liege verfrachtet – dann trollte er sich zu den Umkleiden. Indessen hatte Naruto sich neben seinen Chef gesetzt und strich sich das klatschnasse Haar aus den Augen. Das Wasser glitzerte auf seiner gebräunten Brust und rann durch die Kuhle seines Sixpacks, um sich in seinem Nabel zu sammeln… Plötzlich gereizt stand Sasuke auf und schüttelte den feuchten Ärmel seines Hemdes, das jetzt nach Chlor roch. Was für ein Tag! „Was sollte das denn?“, fragte Naruto, der sich besorgt nach Hinata umsah und erleichtert seufzte, als er sie in Sicherheit sah. „Und wer war das überhaupt?“ „Hinatas Sohn“, antwortete Sasuke automatisch und fügte dann unwillkürlich hinzu: „Hat ihm wohl nicht gepasst, dass Sie an seiner Mutter rumbaggern.“ Der Blonde funkelte ihn zornig an, riss sich aber mühsam zusammen und fragte: „Stört es Sie, wenn wir in unserer Freizeit den Pool besuchen? Das wusste ich nicht, tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Das war nicht Sasukes Problem, und Naruto wusste es ganz genau, doch dazu, das laut auszusprechen, ließ er sich nicht herab. „Sie können in Ihrer Freizeit tun, was Ihnen beliebt. Doch würde ich Ihnen raten, ihre… ´Spielereien auf eine weniger ernsthafte Frau zu verlegen. Frau Hyûga hat zwei Kinder, eins davon ein aufbrausender Teenager. Sie ist keine Herausforderung, sondern Verantwortung.“ Naruto schnaubte herablassend. „Ich hät nich gedacht, dass Sie sich Sorgen um Ihre Angestellten machen… Und was soll das heißen, Hinata ist Verantwortung? Glauben Sie, ich sei nicht verantwortungsbewusst?“ „Ich bin froh, dass Sie verstehen“, antwortete Sasuke kühl, dann wandte er sich ab. Er hatte keine Zeit für sinnlose Wortgefechte mit diesem Vollidioten, da er mit seinem Personalleiter verabredet war. Dessen Büro befand sich zwei Stockwerke höher, sodass Sasuke Zeit hatte, sich ein wenig zu beruhigen, bevor er an Shikamarus Tür klopfte. Als er eintrat, stellte er fest, dass der Brünette nicht alleine war; Temari, eine resolute Blondine aus dem Marketing, zupfte nicht gerade unauffällig ihren Rock zurecht, als sie ihrem Chef zunickte und ohne einen weiteren Blick auf Shikamaru das Zimmer verließ. Der Hoteldirektor hatte nicht gewusst, dass zwischen den beiden etwas war, doch es interessierte ihn nicht. Er warf nur einen misstrauischen Blick auf den Besucherstuhl und beschloss, lieber stehenzubleiben, nur für den Fall, dass auf der Sitzfläche noch diverse Körperflüssigkeiten klebten. In der Zwischenzeit hatte sein Personalchef sein schulterlanges Haar wieder in den obligatorischen Zopf verfrachtet und ihn höflich-gelangweilt begrüßt. „Was kann ich für Sie tun?“ „Wer wurde zum Angestelltenvertreter gewählt?“, erkundigte Sasuke sich knapp. Er war in Gedanken immer noch bei dem ärgerlichen Zwischenfall am Pool. Eigentlich sollte er alle beide kündigen für diesen Aufruhr, Naruto und Boruto… Doch er zwang sich, sich zu konzentrieren. Die Tagung würde in wenigen Tagen stattfinden und er musste wissen, wen er als seinen Begleiter anmelden musste. Shikamaru kramte etwas in seinen Akten, bevor er einen Zettel gefunden hatte. „War überraschend eindeutig dieses Jahr“, erklärte er und sah zu Sasuke auf. Ein wachsamer Ausdruck lag in seinen Augen, als er sagte: „Naruto Uzumaki hat fast alle Stimmen erhalten.“ Sasuke rührte sich keinen Zentimeter, starrte den anderen Mann nur an, als warte er auf einen Scherz. Sein Magen zog sich zu einer festen Kugel zusammen, seine Haut kribbelte und er bekam kaum Luft, um betont ruhig: „Uzumaki…?“, zu knurren. Als hätte er mit dieser Reaktion gerechnet, seufzte Shikamaru und kratzte sich im Nacken. „Jaah… Er ist zwar das erste Jahr hier und recht aufdringlich, aber kein schlechter Kerl und die Leute mögen ihn.“ „Er ist inkompetent, laut und ein Animateur…“ – Sasuke gab sich alle Mühe, seine Nichtwürdigung dieses Berufs auszudrücken – „Das ist nicht zulässig.“ „Na ja, die Wahl ist gelaufen und war eindeutig. Ich hab schon mitgekriegt, dass er recht nervig sein kann, aber er macht seinen Job gut…“ (Wenn es sein Job gewesen wäre, Hotelgäste flachzulegen, dachte Sasuke gehässig.) „Ist verlässlich und hat wirklich gute Ideen, unabhängig von seinen eher schlechten Zeugnissen. Außerdem mögen die Leute ihn wie gesagt. Sie werden ihm vertrauen, und ist es nicht das, worauf es bei dem Job ankommt?“ Widerwillen, diese positiven Nachrichten zu glauben, bäumte sich in dem jungen Hotelbesitzer auf, doch als er die Dokumente aus Shikamarus Hand riss, sah er alles bestätigt, was dieser gesagt hatte. Und dennoch… Dennoch sträubte sich alles in ihm gegen die Vorstellung, ein Wochenende relativ alleine mit Naruto zu verbringen, womöglich in benachbarten Zimmern, in denen er hören musste, wie der Blonde irgendwelche Huren befriedigte… „Er ist nicht geeignet“, erklärte Sasuke kalt, sich nichts von seinem inneren Kampf anmerken lassend. „Nehmen Sie den Zweitplatzierten.“ „Die Zweitplatzierte hat nur fünf Prozent der Stimmen. Das können wir nicht machen… Davon abgesehen, dass es ein ziemlicher Vertrauensbruch ganz am Anfang der Saison wäre, oder?“ „Das ist mein Hotel. Ich führe es, wie ich es will. Haben Sie das verstanden, Nara?“ Die Männer sahen sich an, der eine mit eisigem Zorn, der andere mit kühler Resignation in den Augen. Dann nickte Shikamaru ergeben. „Klar. Also sage ich Frau Yamanaka Bescheid?“ Sasuke schloss die Augen, als er diesen Namen hörte. Ino war kaum besser als Naruto – vielleicht lag es an der Haarfarbe. Doch da er wusste, dass sein Gegenüber gut mit der hübschen Blondine befreundet war, ersparte er sich einen Kommentar über deren Hang zu attraktiven Männern. Zumal sie ihn, Sasuke, selbst schon vor Jahren aufgegeben hatte, allerdings sicher nicht, weil er ihr nicht mehr gefiel, sondern vielmehr aus Respekt vor seiner damaligen Beziehung. Doch das tat im Moment nichts zur Sache, denn so sehr es ihm widerstrebte, so sehr wusste der Uchiha, dass er verpflichtet war, das Beste für seine Angestellten zu tun. Und wenn sie Naruto für das Beste hielten, sollten sie ihn eben haben. „Nein“, sagte er daher in Grabesstimme. „Die Wahl ist getroffen. Aber sagen Sie Uzumaki, dass ich bei meinen leitenden Angestellten keine Fehler dulde. Ein Fehltritt, und er ist raus.“ Shikamaru lächelte ekelhaft zufrieden, als er nickte. „Ich bin sicher, er wird Sie nicht enttäuschen.“ Da war sich Sasuke nicht so sicher. Vielmehr meinte er, direkt in ein großes Desaster zu steuern, als er das Büro verließ, und er hasste das Gefühl, absolut nichts dagegen unternehmen zu können. So: No, I don´t want your number. No, I don´t want you give you mine. No, I don´t want to meet you nowhere. No, I don´t want none of your time. Kapitel 5: Urlaubsparadies -------------------------- Tryna play it cool, Tryna make it disappear. But just like the battle of choice There´s nothing subtle here Selena Gomez – Bad Liar Von seiner sonnigen Dachterrasse aus hätte Sasuke die beste Aussicht auf das im jungen Morgen glitzernde Meer, doch sein Blick war starr auf den Bildschirm seines Laptops gerichtet. Er blickte kaum auf, wenn er nach seiner Kaffeetasse griff. Grund für seine geistige Abwesenheit war die Tatsache, dass er während des nahenden Wochenendes tatsächlich körperlich abwesend sein würde. Die Konferenz zum Saisonbeginn stand vor der Tür, und Sasuke, der diese Veranstaltung nie herbeisehnte, war dieses Jahr besonders genervt von ihr. Davon abgesehen, dass er sein Hotel ungern länger verließ – obwohl er telefonisch und per Mail erreichbar sein würde – wurde bei der Konferenz eigentlich nur Showlaufen betrieben, alles unter dem Deckmantel, „neue Trends zu besprechen und Kontakte zu knüpfen“. Doch leider konnte er sich nicht davor drücken, da es tatsächlich wichtig war, mit den Kollegen zu sprechen und sich zu zeigen. Dabei war es üblich, einen Assistenten mitzunehmen. Sasuke wurde jede Jahr von seinem Mitarbeitervertreter begleitet, um eine andere Perspektive auf das Gehörte zu erhalten, sich die Arbeit einer Zusammenfassung zu ersparen und die anderen Angestellten zu informieren. Am liebsten hätte Sasuke diese Konvention über den Haufen geworfen, und jeden Tag war er ein paar Mal kurz davor, in dem Tagungshotel anzurufen und die Reservierung auf ´Naruto Uzumaki` zu stornieren. Denn je länger er den Animateur beobachtete, desto unangenehmer erschien er ihm. Sicherlich war er perfekt für seinen Job; wo Naruto hinkam, herrschte gute Laune und Trubel. Shikamaru hatte nicht übertrieben, die anderen Angestellten fraßen dem Blonden praktisch aus der Hand, und er schien sich dafür nicht mal anstrengen zu müssen. Vielmehr machte es den Eindruck, dass er diese Ergebenheit kaum bemerkte. Ähnlich ging es ihm mit den Gästen, die sich ausnahmslos lobend über ihn äußerten – was jedoch kein Wunder war, da er nach wie vor viele von ihnen auf ihre Zimmer begleitete. Die Vorstellung, dass Naruto sein Hotel als Sexpension benutzte, widerte Sasuke an, doch solange sich keiner seiner Kunden beschwerte oder überhaupt zugab, an diesen Spielchen beteiligt zu sein, konnte er nichts tun. Und natürlich lag dem Hotelbesitzer nichts daran, jemanden nach seinem Sexleben zu befragen… Außer vielleicht Naruto, denn im Stillen fragte Sasuke sich schon, was dieser blonde Volltrottel mit all diesen Leuten anstellte, dass er sie so schnell um seinen Finger wickelte. An seiner Intelligenz konnte es jedenfalls nicht liegen. An diesem Gedanken erbaute Sasuke sich ein wenig, denn er ließ sich nicht von ein paar Muskeln, breiten Schultern, einem charmanten Lächeln, einem markanten Kinn mit verwegenem Bartschatten oder strahlenden Augen beeindrucken. Er fand alleine den Intellekt eines Mannes attraktiv, etwas, an dem es Naruto ganz eindeutig mangelte. Ein Teil von ihm wusste, dass er sich gar keine solchen Gedanken gemacht hätte, wenn er Naruto nicht anziehend gefunden hätte. Ihm wären all diese attraktiven Details an seinem Angestellten nicht mal aufgefallen. Schließlich arbeitete Sasuke täglich mit bisweilen sehr ansehnlichen Männern zusammen und geriet nicht derart in Panik. Doch der weit größere Teil von ihm war damit zufrieden, sich in seine selbst evozierte Abneigung zu flüchten, um die gemeinsame Reise nicht als Gefahr für seine Integrität, sondern nur für seine Nerven sehen zu können. Sasuke versuchte erneut, sich auf den Artikel über das scheinbar stärker werdende Drogenkartell der Stadt zu konzentrieren, gab aber schließlich auf und erhob sich. Vor seiner Abreise musste er noch einige Dinge klären, und solange er nicht sein Möglichstes getan hatte, um einen reibungslosen Ablauf zu sichern, konnte er nicht entspannt Nachrichten lesen. In Gedanken schon bei gewissen Planungen, stieg der junge Hotelbesitzer unter die Dusche und zog sich an. Wie üblich tauschte er, nachdem er sich gewaschen hatte, seine Brille gegen Kontaktlinsen aus. Er blinzelte seinem Spiegelbild ein paar Mal angestrengt zu und verließ das Badezimmer, als er wieder klar sehen konnte. Kaum war er in seinem Büro ein paar Stockwerke tiefer angekommen, als es bereits an der Tür klopfte – und so zog sich der ganze Tag hin. Irgendwann gegen Mittag hatte Sasuke das Gefühl, jeder seiner Angestellten wolle ihn nochmal persönlich sehen, bevor er am nächsten Morgen abreiste. Ungeduldig verwies der Hotelbesitzer sie einen um den anderen auf Naruto – er würde ja während des Wochenendes genug Zeit haben, mit diesem zu sprechen – doch alle behaupteten, der Angestelltenvertreter wäre nicht im Hause. Als schließlich sogar Shikamaru mit Fragen bei ihm auftauchte (was äußerst selten vorkam; der Personalleiter zog Mailverkehr vor, um nicht durch das Hotel laufen zu müssen), platzte Sasuke endgültig der Kragen, doch der Brünette sah ihn nur mit gerunzelter Stirn an, als er sich nach Narutos Verbleib erkundigte. „Der hat sich heute freigenommen.“ „Frei?“ „Ja, frei. Sie wissen schon, die Zeit, in der man nicht arbeitet.“ Sasuke zog es vor, nicht zu antworten, sodass Shikamaru sich zu einer weiteren Erklärung befleißigt fühlte: „Ich glaube, er unternimmt irgendwas mit Hinata.“ Sofort kochte Abneigung in Sasuke hoch. Wie konnte es angehen, dass er in Arbeit ertrank, während sein Angestellter, den er immerhin bezahlte, sich einen netten Tag mit seiner Freundin (oder was auch immer Fräulein Hyûga für ihn war) machte? Offenbar sah man Sasuke seine Gedanken an, denn Shikamaru rieb sich den Nacken und meinte widerwillig: „Das ist ein blöder Zeitpunkt, aber ihm steht der Urlaub zu, und immerhin arbeitet er das ganze Wochenende…“ Der Uchiha sah seinen Personalchef finster an. Auf wessen Seite stand der eigentlich, auf der seines Arbeitgebers oder auf der von irgendwelchen Gesetzesgebern, die keine Ahnung von der realen Marktwirtschaft hatten? Scheinbar resigniert seufzte Shikamaru, dann wünschte er seinem Chef eine gute Reise und verließ das Büro. Sasuke blieb alleine in seinem Ärger zurück. Die Aussicht auf ein Wochenende mit ihm war ja wohl nichts, vor dem man sich erstmal Urlaub nehmen musste, um Kräfte zu sammeln! Doch er hatte nicht viel Zeit, sich über diesen Gedanken zu ärgern, denn kurz nach seinem Personalleiter trudelte schon der nächste Angestellte ein, und während des restlichen Tages musste er sich um etliche kleine Belange kümmern, sodass er kaum zu seinen eigentlichen Tätigkeiten kam. Als er am Abend völlig erschöpft in seine Wohnung zurückkehrte, wurde Sasuke gegen seinen Willen bewusst, wie viel Arbeit Naruto ihm in seiner Position als Mittlerfigur zu den Mitarbeitern eigentlich von den Schultern nahm. Und da er seit Saisonstart kaum etwas von solchen Anfragen wie denen, mit denen er heute überhäuft worden war, mitbekommen hatte, musste er davon ausgehen, dass der blonde Chaot tatsächlich einen guten Job machte. Heute war zwar sicherlich mehr losgewesen als sonst, da alle nervös wegen Sasukes Abreise waren. Doch im Prinzip schien Naruto durchaus kompetent und verlässlich zu sein. Diese Erkenntnis schmeckte Sasuke so überhaupt nicht, besonders nach diesem anstrengenden Tag, an dem er mit Kopfschmerzen in seine Wohnung zurückkehrte. Er hatte gerade ein Aspirin eingeworfen, die Kontaktlinsen gegen seine Brille eingetauscht und wollte noch etwas auf seiner Dachterrasse lesen, als es an der Tür klingelte. Genervt starrte er auf die Tür, doch der Störenfried verschwand nicht, sondern machte sich erneut bemerkbar. Und das, wo seine Angestellten eigentlich wussten, dass er es nicht schätzte, in seiner sowieso knapp bemessenen Freizeit gestört zu werden. Man hätte ihn wenigstens vorher anrufen können, dann hätte er sich nicht die Blöße geben müssen, sich mit der Brille zu zeigen. Alleine der Gedanke an einen Notfall ließ Sasuke schließlich die Tür öffnen. Doch der Anblick seines Besuchers ließ ihn die aufwallende Alarmbereitschaft sofort wieder vergessen. "Was?“, fragte er Boruto abweisend. Wenn es wichtig gewesen wäre, hätten sie wohl kaum den Praktikanten geschickt. Der Junge, offensichtlich irritiert davon, seinen Chef in Freizeitkleidung zu sehen, glotzte ihn an wie ein Auto. Dann straffte er die Schultern, räusperte sich und sagte laut: „Ich habe die Empfehlungen!“ „Was?“, fühlte Sasuke sich zu wiederholen gezwungen. „Sie wollten, dass ich Empfehlungen habe, bevor Sie mich unterrichten! Die habe ich jetzt“, behauptete der Teenager, der unzufriedener wirkte, je deutlicher wurde, dass sein Gegenüber keine Ahnung hatte, wovon er redete. „Ich hab Ihnen heute Mittag per Mail die Bestätigungen geschickt!“ Flüchtig erinnerte Sasuke sich, eine derartige Nachricht gelesen zu haben, doch er hatte wichtigeres zu tun gehabt. Zumal er es nicht glaubte, immerhin war es kaum drei Wochen her, seit er Boruto diese Bedingung gesetzt hatte, um ihn persönlich zu beaufsichtigen. So schnell konnte er unmöglich die Zustimmung aller leitenden Angestellten des Sensu-Resorts erhalten haben – Zumal er nebenbei einen Kleinkrieg mit Naruto angefangen hatte, weil dieser versuchte, Hinata zu daten. „Das hier sind meine Privaträume“, erklärte Sasuke kühl. „Du hast hier nichts verloren.“ Boruto wurde rot, offensichtlich vor Zorn, und stampfte mit dem Fuß auf. „Tagsüber habe ich Schule und dann Hausaufgaben zu erledigen, bevor ich hierher zum Arbeiten komme. Und bevor ich heimgehe, sind Sie ja nie zu erwischen! Außerdem hat meine Mutter gesagt, dass Sie schon beschäftigt genug sind… Aber ich will Ihnen ja helfen!“ Sowohl geplättet als auch genervt von diesem (zugegebenermaßen sehr selbstbewussten) Redeschwall sah Sasuke den Jungen nur an, bevor er sich über die Augen rieb. „Es ist spät und ich habe ein langes Wochenende vor mir. Geh nach Hause.“ Mit diesen Worten wollte Sasuke die Tür zuziehen, doch Boruto schlug die Hand dagegen und funkelte ihn aus seinen erstaunlich hellblauen Augen an. „Sie haben es mir versprochen!“ „Du bist hier nicht in der Grundschule“, erklärte Sasuke kalt, dann zog er endgültig die Tür zu. Was glaubte dieses Kind, dass sie hier spielten? ´Versprochen ist versprochen, und wird auch nicht gebrochen´? Ein lauter Knall zeigte an, dass der Teenager vor Wut gegen die Tür getreten hatte. „Sie… Sie sind genau wie alle Männer!“, brüllte er durch den Flur, dann hörte man seine Schritte davonstürmen. Den jungen Hotelbesitzer kümmerte es wenig, er legte keinen Wert darauf, dass seine Angestellten ihre Vaterkomplexe an ihm auslebten. Außerdem, dachte Sasuke, als er auf dem Weg zu seiner Dachterrasse das Handy aus der Hosentasche zog, war es dreist von dem Jungen, ihn hier persönlich zu belästigen – noch dazu wegen einer offensichtlichen Lüge. Es konnte gar nicht sein, dass die Nachricht, die er jetzt in seinem Mailprogramm suchte, tatsächlich Empfehlungen aller Abteilungen enthielt. Endlich fand er Borutos E-Mail, öffnete den Anhang… und erblickte eine zwar nicht vollständige, doch Anbetracht der kurzen Zeit erstaunlich umfassende Liste der verschiedenen Abteilungen. Gegen seinen Willen war Sasuke ein wenig beeindruckt. Vielleicht konnte der Junge ja doch mehr als große Töne spucken, wenn er sich wirklich hinter eine Sache klemmte, die ihm wichtig war. Der Hotelbesitzer ergänzte die Liste um die Bereiche, die noch fehlten, und verlangte zudem, dass Boruto in gewissen Sparten mehr Zeit verbrachte, dann schickte er dem Teenager eine Mail zurück. War ja klar gewesen, dass sich so etwas noch ergab, wenn er am nächsten Tag früh morgens abreisen musste. Es war noch dämmrig, als Sasuke sich vor dem Hotel eine Zigarette anzündete. Wie immer hatte er nicht gefrühstückt, sondern nach dem Duschen noch einige Mails gecheckt und ein paar letzte Anweisungen gegeben. Natürlich würde er während des Wochenendes per Telefon zur Verfügung stehen, doch eigentlich regelte er die Angelegenheiten lieber vor Ort. Nun würde er sich zwei Tage lang auf die Kompetenz seiner Führungskräfte verlassen müssen, was ihm ein flaues Gefühl in der Magengegend bescherte. Er hatte gerade den ersten entspannenden Zug getan, als die Tür hinter ihm aufglitt und sein Reisebegleiter die Bühne betrat. Zu seiner Überraschung (Und der Freude des Empfangspersonals, das immer gerne etwas zu lästern hatte), war Naruto nicht alleine. „Frau Hyûga?“, sprach Sasuke die Frau an, die errötend den Kopf senkte. „Gu-Guten Morgen, Herr Uchiha…“ „Wir waren zusammen frühstücken“, rechtfertigte Naruto ungefragt. Er trug noch seine Privatkleidung, ein oranges Tanktop und schwarze kurze Hosen, aber immerhin hatte er sich bereits rasiert. „Interessant.“ Sasuke gab sich keine Mühe, zu klingen, als fände er das postkoitale Date der beiden tatsächlich interessant. Er nickte Hinata grüßend zu, bedeutete Naruto, ihm zu folgen und betrat das Hotel, nachdem das Paar sich verabschiedet hatte. Aus der Lobby gelangten sie in die Tiefgarage. Unterwegs herrschte drückendes Schweigen zwischen den Männern. Sasuke fragte sich, wie es Naruto gelungen war, eine Lady wie Hinata für sich zu gewinnen. Ob sie überhaupt wusste, was für eine Hure sie sich da ins Bett geholt hatte? Und warum zum Teufel interessierte es Sasuke eigentlich? Ärgerlich über sich selbst, ließ er sich auf den Fahrersitz fallen und startete den Motor, kaum dass Naruto die Tür geschlossen hatte. Dieser schien die Laune seines Chefs jedoch nicht zu bemerken, denn er strich nur andächtig über die Hutablage. „Hah, das ist schon ein geiles Auto… Darf ich nachher mal fahren?“ Sasuke warf ihm einen ´In deinen Träumen vielleicht`-Blick zu, antwortete jedoch nicht, sondern fädelte sich in den Verkehr. „Hab ich mir schon gedacht. Du wirkst wie der Typ Mann, der sein Auto mehr liebt als seine Frau… Oder in deinem Fall wohl deinen Mann.“ Genervt von dem Geplapper verengte Sasuke die Augen. „Seit wann sind wir beim Du, Uzumaki?“ Naruto sah ihn ein wenig verblüfft an und bemerkte scheinbar endlich, wie schlecht sein Fahrer gelaunt war. „Ich dacht, das wär unser Ding“ – er machte eine vage Geste zwischen ihnen beiden – „Wenn Leute dabei sind, siezen wir uns, wenn wir allein sind, duzen wir… Was hast du?“ Ihr ´Ding`? Sie hatten kein Ding. Doch als Sasuke darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass Naruto Recht hatte. In Gesellschaft hatte er seit ihrem unglücklichen Wiedersehen bei der Saisoneröffnung die Höflichkeitsform verwendet, im ´Privaten` das Du. Der Blonde war jemand, dem das ´Sie` gar nicht stand. Trotzdem gefiel dem Hotelbesitzer diese Vertrautheit nicht, zumal er sie nicht mal bemerkt hatte. Würdevoll Schweigend überging Sasuke die Frage nach ihrem ungeklärten Intimitätsgrad. „Also, warum bist du schon wieder pissig?", ließ Naruto nicht locker, als er keine Antwort bekam. "Das heißt, noch pissiger als sonst.“ „Ich bin nicht ´pissig`, sondern ruhig. Das solltest du… Sollten Sie auch mal ausprobieren.“ Naruto verdrehte die Augen. „Du bist echt ein komischer Kauz, Uchiha.“ „Ich bin der Komische von uns?“ „Na ja, nich im Sinn von ´lustig` - dein Humor ist so verschrumpelt wie ne Rosine im Solarium.“ Er machte eine Kunstpause, damit Sasuke lachen konnte, doch der bog nur auf die Autobahn ab. „Ich mein, du könntest dich einfach mal entspannen. Dein Hotel läuft super und du bis erst – wie alt? Ende 20?“ „32. Sie haben sich noch immer nicht über Ihren Arbeitgeber schlaugemacht“, erwiderte Sasuke trocken. Er mochte zwar Komplimente und hatte sich ein wenig entspannt, doch zog er Lob über seine Talente vor. Immerhin wusste er selbst, wie er aussah. Naruto sah ihn an. „Wieso sollt ich? Besagter Chef kann mir doch selbst erzähln, was ich wissen soll.“ „Hn.“ Als ob. „Du bist echt nich der gesprächige Typ, oder?“ „Wie hast du das nur erraten?“ „Ich bin ziemlich schlau, weißt du? K. L. U. K.“ Sasuke verzog das Gesicht. „Ist das dein Ernst? K?“ „Das is aus den Simpsons! Sag bloß, das kennst du nich?“, rief der Blonde empört. Hinter seiner Sonnenbrille verdrehte sein Chef die Augen. „Seh ich so aus?“ „Nö, über deinen miesen Humor haben wir ja schon geredet. Aber ich beurteil Leute nich nach ihrem Aussehen.“ „Das Äußere repräsentiert das Innere“, antwortete Sasuke. „Es sollte sich entsprechen.“ „Hm… Dann biste also im Inneren ein verstockter, arroganter Typ, aber irgendwie ziemlich nett – dein hübsches Gesicht muss sich ja in deinem Charakter spiegeln“, erklärte Naruto auf Sasukes fragenden Blick. Der Dunkelhaarige verdrehte die Augen. Wieso hatte er sich überhaupt auf diese nutzlose Diskussion eingelassen? Wieso redete er so vertraut mit dieser männlichen Hure? Wieso hatte er nicht Karin oder Shikamaru oder sogar Ino mitgenommen? Er hasste es, den Dingen so ausgeliefert zu sein, wie er es mit Naruto scheinbar war. Schon als Kind hatte er gelernt, niemandem zur Last zu fallen (Obwohl seine Mutter und sein Bruder sich gerne um ihn gekümmert hätten). Spätestens seit seinem neunzehnten Lebensjahr hatte er die Dinge immer selbst in die Hand genommen. Aber jetzt saß er mit dieser blonden Nervensäge und seinem Aftershave-Duft fest und konnte absolut nichts dagegen tun. Es war zum verrückt werden. Überaus erleichtert parkte Sasuke einige Zeit, nachdem ihr Gespräch verplätschert war, schließlich vor dem Hotel, in dem der Kongress stattfinden würde. Es handelte sich um einen scheußlichen Betonklotz von enormen Ausmaßen, einsam mitten in der hügeligen Landschaft. Offensichtlich war der Bau nur für genau solche Tagungen gedacht, wie sie während des Wochenendes stattfinden sollte. Unter seiner Sonnenbrille sah Sasuke sich nach einem Parkplatz für den BMW um. Unterwegs hatte er bereits einige flüchtige Bekannte vor den Pforten des Hotels stehen gesehen. Doch als er ausstieg, interessierte er sich viel weniger für ihre Personen als für die Zigaretten in ihren Händen. Kurzentschlossen wandte er sich an Naruto, der sich gerade nach der langen Fahrt streckte, befahl: „Kümmere dich um das Gepäck“, und näherte sich den Kollegen, ohne auf eine Antwort zu warten. Er genoss bereits die Zigarette, als sein Angestellter sich schimpfend mit gleich zwei Koffern an ihnen vorbeikämpfte. Sasuke fiel auf, dass er wesentlich mehr Gepäck dabeihatte als Naruto. Irritiert sah die Rauchergruppe zu, wie der fluchende Kofferberg ins Hotel zuckelte. „Was war das denn?“, fragte eine Frau amüsiert. „Niemand“, antwortete Sasuke, gereizt von ihrem interessierten Ton. Sah sie denn nicht, was für ein Trottel der Blonde war? Sobald es höflich war, eiste er sich von den anderen los und sah sich im Gebäude um. Überall standen Aufsteller, die die Hoteliers begrüßten, und Flyer erläuterten das Programm des Wochenendes, das Sasuke bereits kannte. Am frühen Nachmittag würde der Veranstalter eine Rede halten, um die Gäste zu begrüßen. Danach gab es die Gelegenheit, mit den Kollegen zu plaudern, bevor das Abendessen serviert würde. Der Abend war nicht verplant, während das restliche Wochenende minutiös getaktet war. Die Leute schlossen hier Kontakte und Verträge, und versuchten, möglichst wichtig zu wirken. Sasuke schätzte die Veranstaltung nicht sonderlich, doch es war notwendig, und sein Vater hatte immer viel Wert darauf gelegt, dass seine Söhne taten, was sie tun mussten und nicht nur das, was sie tun wollten. An der Rezeption nannte er seinen Namen und erhielt den Schlüssel, mit dem er sich auf sein Zimmer zurückziehen wollte. Eine Dusche wäre vor dem sicher ausschweifenden Vortrag des Veranstalters genau das Richtige. Überrascht hörte er, dass kein Gepäck für ihn zurückgelegt worden war, doch als die Dame meinte, sein Begleiter hätte alles mitgenommen, dachte er nicht weiter darüber nach. Als er im dritten Stock ankam und sein Zimmer, die 307, erreichte, hörte er daraus Geräusche. Bestimmt die Putzfrau, schlussfolgerte er, ärgerlich über die schlechte Vorbereitung. Trotzdem sperrte er auf – und stellte fest, dass ihm nicht Staubsaugerlärm, sondern Musik und Wasserplätschern entgegenschlugen. Einen Moment starrte er die Badezimmertür an, dann seinen Schlüssel, auf dem in eindeutigen goldenen Lettern ´307` stand und schließlich die Koffer, die unordentlich im Schlafbereich standen. Dem Schlafbereich mit zwei Betten – wobei der neonorangen Plastikkoffer, der neben Sasukes eigenem schwarzen Koffer stand, keinen Zweifel daran ließ, wer sein ungebetener Zimmergenosse sein sollte. Nach einer kurzen Schockstarre schritt Sasuke zum Zimmertelefon und wählte die Nummer des Empfangs. Noch bevor der Mann seine Höflichkeitsfloskel herunterleiern konnte, sagte der Uchiha: „Sie haben Zimmer 307 doppelt belegt. Ich hatte zwei Einzelzimmer gebucht.“ Der Hotelangestellte war so überfahren von dieser direkten (wenn auch eigentlich klaren) Ansage, dass er zwei Mal nachfragen musste, was sein Gast von ihm wollte. Und selbst als er es verstanden hatte, wiederholte er nur ständig, dass ihm eindeutig eine Buchung für ein Doppelzimmer vorlag. Schließlich hatte Sasuke seine Vorgesetzte am Apparat, die einräumte: „Vermutlich ist uns ein Fehler unterlaufen – in der Vorbereitungszeit der Tagung sind viele Buchungen eingegangen, wissen Sie.“ Natürlich wusste Sasuke das, aber es war nicht sein Problem. „Welches Zimmer stellen Sie mir also zur Verfügung?“, wollte er knapp wissen, da inzwischen die Wassergeräusche aus dem Badezimmer verklungen waren und er aus dem Zimmer wollte. „Ich fürchte, ich kann nichts für Sie tun. Wie mein Kollege Ihnen bereits zu sagen versuchte, sind wir aufgrund der Tagung leider komplett ausgebucht.“ Die Badezimmertür fiel ins Schloss, und das Geräusch stachelte Sasukes Wut nur weiter an. „Genießen Sie es. Es wird das letzte Wochenende sein, an dem das passiert“, sagte er kalt, dann legte er auf, ohne ihr Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen. „Na, wem hast du gerade einen Einlauf verpasst?“, fragte Naruto. Sein Chef schloss kurz die Augen, dann drehte er sich mit verschränkten Armen um und erklärte knapp: „Das war eine Rezeptionistin.“ Narutos missbilligendes Stirnrunzeln sah er beinahe nicht, denn sein Blick glitt über die Gestalt des anderen, die nur von einem Handtuch um die Hüften verdeckt war. „Die hat nur ihren Job gemacht, oder?“ „Sie hat einen Fehler gemacht“, korrigierte Sasuke und sah zur Seite, als wäre das hässliche Bild an der Wand hinter den Betten plötzlich furchtbar interessant. „Es ist ihr ´Job`, diesen zu korrigieren.“ Naruto verdrehte die Augen. „Was für ein untragbarer Fehler war es denn? Hat sie das falsche Waschmittel verwendet?“ Es verblüffte Sasuke, dass Naruto sich für die Rezeptionistin einsetzte, ohne zu wissen, was sie getan hatte oder sie persönlich zu kennen. Noch überraschender war es jedoch, dass der Blonde es scheinbar als normal ansah, mit einem beinahe Fremden – seinem Arbeitgeber noch dazu – das Zimmer zu teilen. Doch der Uchiha wollte die Nacht keinesfalls mit Naruto verbringen, von einem ganzen Wochenende ganz abgesehen. „Sie hat meine Buchung falsch aufgeschrieben“, erklärte Sasuke. „Wir sollten nicht in einem Zimmer sein.“ „Ah… hab mich schon gewundert, warum du Einzelgänger plötzlich auf WG machen solltest“, gab Naruto zu, ehe er sich abwandte, um seinen potthässlichen orangen Hartschalenkoffer zu öffnen und Klamotten daraus zu fischen. Bevor Sasuke irgendwie reagieren konnte, war die letzte spärliche Hülle des Handtuchs gefallen. Blinzelnd sah er zu, wie sein ungewollter Mitbewohner in seine Unterhose stieg. Seine Muskeln kompensierten eindeutig keinen Mangel in der restlichen Ausstattung… Betont unbeeindruckt von Narutos durchtrainierter Nacktheit ging Sasuke zu seinem eigenen Koffer und nahm sich frische Kleidung. „Was steht jetzt eigentlich an?“, erkundigte der Blonde sich, als er dankenswerter Weise Unterwäsche und ein ordentliches Hemd angelegt hatte, auf dem das Logo des Sensu-Resorts – ein Fächer wie der der Uchiha-Group, nur war der obere Teil lila, nicht rot – eingestickt war. Es wäre ja auch zu schön gewesen, hätte er den Ablaufplan gekannt. „Während ich Dusche, liest du den Programmflyer“, antwortete Sasuke, bevor er sich ins Bad zurückzog. Dabei hörte er Narutos Meckern, ignorierte es aber. Er erwartete Kompetenz von seinen Kollegen, und er hatte nicht vor, sich blamieren zu lassen – ob er das mit diesem Chaoten an seiner Seite würde vermeiden können? Das Gefühl des nahenden Untergangs zog ihm die Brust zusammen, als er die Dusche verließ, sich zurechtmachte und anzog. Schließlich trat er in engen, schwarzen Jeans, schwarzem Sakko (natürlich mit seinem Wappen) und einem dunkel lilanem Hemd aus dem Badezimmer. Zumindest würde er umwerfend aussehen, wenn die Blamage ihren Lauf nahm. Zugegeben sah auch Naruto recht präsentabel aus. Er hatte die blonde Mähne in Form gegelt und seine struppige Gesichtsbehaarung zu einem lässigen Dreitagebart gestutzt. Obwohl er kein Jackett trug und auf die Krawatte verzichtet hatte, strahlte er unerwartete Souveränität aus. Insgesamt sah er… Wirklich attraktiv aus, und Sasuke ertappte sich dabei, an die strammen Muskeln und die üppige Ausstattung unter den gut sitzenden Kleidern zu denken. Mit der amüsierten Feststellung: “Du föhnst dir die Haare?“, riss Naruto seinen Chef aus seiner kurzzeitigen Starre. „Hast du… Haben Sie ein Problem damit?“, fragte Sasuke kühl, der nicht gerne kritisiert wurde – schon gar nicht für sein Äußeres. „Ne, du siehst toll aus“, platzte Naruto heraus und wurde im selben Moment rot. Verlegen wollte er sich durch die Haare fahren, doch Sasuke hielt seine Hand auf, damit er nicht seine Frisur ruinierte. Der Blonde schluckte und sah sein Gegenüber aus intensiv-blauen Auen an, dann murmelte er: „Aber das weißt du ja…“ „Ja, ich weiß“, antwortete Sasuke und zog die Hand zurück. Kaum endete der Hautkontakt, schien Narutos Gesichtsausdruck etwas von seinem Leuchten zu verlieren. „Jaha… Das weißte viel zu gut“, spottete er und wandte sich ab. Gereizt fragte der Uchiha: „Was soll das heißen?“, doch sein Angestellter zuckte nur mit den Schultern „Das du´n arroganter Sack bist – aber das hab ich dir ja schon öfter gesagt.“ Drohend machte der Schwarzhaarige einen Schritt auf sein Gegenüber zu. „Pass auf, was du sagst, Uzumaki.“ Der verzog das Gesicht. „Jaja, sonst feuerst du mich… Gehn wir jetzt zu dem blöden Empfang oder nich?“ In der Hitze des Gefechts hatte Sasuke das fast vergessen. Kurz schloss er die Augen, um sich zu sammeln, dann verließ er wortlos das Zimmer. Naruto folgte, ebenfalls schweigend. Der Veranstaltungssaal befand sich im Erdgeschoss und war schlicht mit den Werbeplakaten der Tagung und grauen Stühlen eingerichtet worden. Sasuke sah sich um und entdeckte zwei Plätze etwa in der Mitte des Raums. Bevor er diese jedoch erreichte, wurde er von der Rauchergruppe abgefangen, mit der er zuvor gesprochen hatte. „Ach, unser grantiger Kofferträger gehört zu Ihnen, Uchiha“, bemerkte die Frau, die Naruto vorhin schon neugierig beäugt hatte. Lächelnd reichte sie dem Blonden die Hand. „Freut mich, mein Name ist Mei Terumi. Und Sie sind?“ „Naruto Uzumaki, freut mich“, strahlte er offen zurück und schüttelte reihum Hände. Als sie fragten, ob er Sasukes Assistent oder angehender Geschäftsführer war, lachte er. „Nah, langfristige Arbeit is nich so mein Ding – ich langweil mich schnell, wissen Sie. Ich mein, das Sensu is super und das Team is klasse…“ – sein Blick huschte zu seinem Chef, als frage er sich, wie er so ein eingeschworenes, funktionierendes Kollegium auf die Beine gestellt hatte – „Aber ich mag es, immer mal wieder was Neues auszuprobieren.“ „Ein Lebenskünstler – wie faszinierend!“, rief Mei, noch immer ohne den Blick von Naruto zu nehmen. „Haben Sie dann überhaupt eine Ausbildung gemacht?“ Das Lächeln gefror auf dem Gesicht des Animateurs, ohne zu verblassen. Er lachte sogar, als er sich am Kopf kratzte und erklärte: „Ähm, nö, da gab es… ein paar Komplikationen… Und es hat auch ohne Ausbildung geklappt, oder?“, doch es klang hohl. Sasuke musterte ihn mit neuem Interesse. Es störte Naruto, seine Lehre nicht beendet zu haben, also besaß er wohl doch so etwas wie beruflichen Ehrgeiz. Mit seinem Charisma hätte ihn das weit bringen müssen – doch war er mit 28 noch immer Animateur. Diese ´Komplikationen`, von denen er sprach, mussten also größer gewesen sein, als er zugeben wollte. Im Folgenden hörte der junge Hotelier dem einnehmenden Smalltalk seines Begleiters zu, der ihn schon im Gespräch mit Orochimaru so überrascht hatte. Er war zwar oft direkter als üblich, doch schienen die Kollegen das charmant zu finden. Und Sasuke musste zugeben, dass es ihm ähnlich ging. Er schätzte es, dass Naruto kein Blatt vor den Mund nahm oder schleimte. Natürlich müsste man ihn noch etwas formen, doch Sasuke sah Potential… Vor allem aber sah er, wie er selbst das vorlaute Mundwerk des Blonden auf ganz private Art stopfte, jedes Mal, wenn dieser einen frechen Spruch losließ. Sasuke entschuldigte sich, um Getränke zu holen, und verließ die Gruppe, bevor er seinen Angestellten noch mit den Augen verschlang. Seinen eigenen Gedanken gingen ihm auf die Nerven. Fast unverschämt schnell leerte er sein Champagnerglas und nahm noch zwei mit zu seiner Gruppe, obwohl ihm das Prickelwasser viel zu süß war. Den zweiten Flakon drückte er kommentarlos dem verblüfften Naruto in die Hand, dann nickte er zu ihren Stühlen, da der Gastgeber die Bühne betreten hatte. Kaum hatten die beiden sich gesetzt, als schon die Rede begann: „Willkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind, um auch dieses Jahr wieder Erfahrungen auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und Neuerungen zu erfahren. Besonders danken möchte ich…“ Es folgte eine ermüdende Aufzählung der Sponsoren und Verantwortlichen. Danach berichtete der Redner – noch viel ermüdender – von der Planung der Konferenz, bevor er endlich das Programm vorstellte. Sasuke hörte die ganze Zeit zu, ließ allerdings den Blick durch den Saal schweifen. Dabei sah er, dass viele den Redner mit leeren Blicken anstarrten oder ganz offen mit ihren Sitznachbarn tuschelten. Schließlich sah er zu Naruto und war nicht überrascht, dass dieser zu denen gehörte, die in eine Art Halbschlaf verfallen waren. Wie um seine Trance zu überspielen, nippte er hin und wieder an seinem Champagner. Kurz sah Sasuke amüsiert zu, dann stupste er seinen Sitznachbarn mit dem Ellbogen an. Naruto zuckte zusammen und verschüttete sein Getränk auf seinem Schoß, als er sich hastig aufsetzte. „Fuck!“, sagte er so laut, dass alle nahe Sitzenden sich nach ihm umdrehten. Sasuke zog das Einstecktuch aus seiner Brusttasche und reichte es mit einem sarkastischen: „Wie stilvoll“, seinem Angestellten. Dieser funkelte ihn an. „Willst du das nich aufwischen? Is immerhin deine Schuld.“ In einem Film wäre das wohl so gelaufen – wenn Sasuke ein scheues, schusseliges Mauerblümchen gewesen wäre. „Du träumst wohl noch“, erwiderte der Hotelier, der weit entfernt von solchen Klischees war. Er sah wieder zur Bühne, auf der sich inzwischen eine andere Rednerin eingefunden hatte. „Vielleicht schüttest du dir den nächsten Drink ins Gesicht, das wird dich wecken.“ Naruto lachte sein zu lautes Lachen, womit er erneut einige empörte Blicke und sogar ein: „Pssst!“, von einem ältlichen Kollegen evozierte. Noch immer ziemlich laut flüsterte er: „Das war der längste zusammenhängende Satz, den ich bisher von dir gehört habe, und es war ein Witz. Ich bin schockiert!“ „Wer sagt, dass es ein Witz war?“ „Das sagt mir die Tatsache, dass du mir gerne den Schwanz reiben würdest“, flüsterte Naruto wie selbstverständlich, und lächelte, als sein Gegenüber ihn verblüfft ansah. „Du bist so scheiße schwul für mich, Sas…“ Irgendwas in der Stimme und dem Blick des anderen schnürten Sasuke die Kehle zu. Er konnte nicht antworten, nur wie hypnotisiert in diese strahlend blauen Augen starren. Für einen Moment vergaß er völlig, wo er war, denn das Blut rauschte mit seinem klaren Menschenverstand in südlichere Regionen seines Körpers. Der Blut- und Wortverlust ließen ihn tieferschüttert zurück – erschüttert und beunruhigt. Warum reagierte er so stark auf Naruto? Und das nicht zum ersten Mal. Genau genommen waren alle seine Reaktionen auf Naruto ungewöhnlich intensiv. Diese Erkenntnis nüchterte ihn mit einem Schlag aus. Es war egal, ob er sich auf irgendeine verquere Art zu diesem Mann hingezogen fühlte. Er war sein Angestellter, und wie sagte man so schön? ´Don´t fuck the company` - especially if it´s your own company, fügte Sasuke mit einer gewissen Bitterkeit hinzu. “Ich glaube, Sie brauchen eine kalte Dusche, Uzumaki”, sagte er kalt und sah zur Bühne. Um sie herum geriet die Menge in Bewegung, als die Reden endlich beendet waren und sich alle in Richtung der Kanapees drängten. Naruto stand ebenfalls auf. „Ach, sind wir jetzt wieder beim ´Sie`? Macht nix, ich find´s sexy, wenn du mich "Uzumaki" nennst, Boss.“ Naruto gab diesem letzten Wort einen Hauch von ´Herr und Meister`, und der Magen des Angesprochenen verknotete sich erwartungsvoll. Obwohl Sasuke eigentlich wusste, dass es nichts für ihn wäre, einen Sub zu haben. Nicht, weil es ihn nicht angemacht hätte – alleine die Vorstellung von Naruto, der nackt und erwartungsvoll und mit einem Knebel in seiner zu großen Klappe vor ihm kniete, jagte ihm heiße, erregte Schauer über den ganzen Körper. Doch er wusste, dass er derartige Hingabe nicht ertragen konnte. Sie schürte Abscheu gegen die Person in ihm, die sich ihm so bedingungslos hingab. Und Lust, Hass und unkontrollierte Macht waren eine giftige Mischung. Sasuke war froh, als das Gespräch von Kollegen unterbrochen wurde, die sich mit ihm unterhalten wollten. Irgendwann wurde er von seinem Begleiter getrennt, was ihn erleichterte. Doch der Smalltalk lenkte ihn nur unzureichend ab, und schon bald ertappte er sich dabei, wie er den Blick über die Leute schweifen ließ. Schließlich entdeckte er Naruto bei Mei. Erleichtert gab er sich dem Ekel hin, den diese Hurerei in ihm auslöste. Allerdings konnte er den kleinen Stich nicht ganz ignorieren, den der Anblick ihm versetzte. Klein, aber deutlich erkennbar als Eifersucht. Er griff nach einem Wasserglas, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wichtigeren Dingen zu. Glücklicherweise verfügte er über eine starke Konzentration, sodass ihn sein unnötiges Interesse an dem Animateur nicht weiter in seinen Geschäftsgesprächen behinderte. Nachdem der Empfang beendet war, zog es Sasuke in den Hotelgarten. Dort schlenderten einige Kollegen umher (in einer Laube stieß er sogar auf ein Paar, das recht hastig die Hände voneinander zurückzog, als sie seine Schritte hörten), doch Sasuke hatte vorerst genug von Smalltalk. Er genoss die Ruhe im hinteren Parkteil, als ihn jemand rief. Narutos schwere Schritte knirschten im Kies, und er strahlte, während er auf seinen Chef zulief. „Hier versteckst du dich!“, sagte er, als er aufgeschlossen hatte. „Ich hab dich schon ewig gesucht.“ „Du warst in Gesellschaft.“ „Huh…? Oh, du meinst Frau Terumi“, fügte Naruto hinzu und lachte. „Sie is lustig – aber du kannst sie nicht ausstehen, oder? Was hat sie verbrochen? Dann können wir sie zusammen hassen… Oder is es, weil sie so gern flirtet? Solltest du auch mal versuchen. Es macht Spaß.“ Wegen dieser Wortflut warf Sasuke seinem Begleiter einen kühlen Blick zu, obwohl er sich eingestehen musste, dass es ihn ein wenig besänftigte, dass Naruto von sich aus zu ihm gekommen war, ihn sogar gesucht hatte. „Ich flirte, wenn ein geeigneter Kandidat anwesend ist.“ Dass er schwul war, hatte der Blonde ja schon rausgefunden, also brauchte er keinen Hehl daraus machen. Und irgendwie – wieso auch immer – vertraute er instinktiv darauf, dass Naruto es nicht herum erzählen würde. „Geeignet, huh…? Vielleicht sind deine Standards zu hoch, sodass sie keiner erfüllen kann.“ „Woher willst du das wissen?“ Inzwischen waren sie im hintersten Bereich des Gartens, wohin sich sonst niemand verirrt hatte. Hinter den gepflegten, künstlich bewässerten Hecken waren die Grillen zu hören, die in der Nachmittagshitze ihr Konzert veranstalteten. Naruto blieb direkt vor Sasuke stehen und funkelte seinen Chef mit einem herausfordernden Grinsen an. „Ach komm schon… Ich weiß, dass ich dir gefalle.“ Tatsächlich wollt Sasuke den anderen am Revers packen, hinter einen Busch ziehen und ficken, bis er sang wie die Vögel den Bäumen. Doch sein Stolz und seine Vernunft waren stärker, sodass er herablassend schnaubend an Naruto vorbeiging. Dieser lachte und folgte dem Dunkelhaarigen zwischen den blühenden Büschen hindurch, wechselte jedoch das Thema. „Hier ist es eigentlich ganz hübsch. Wieso hat das Sensu nich so nen Garten? Das wär geil!“ „Das…“, fing Sasuke zu protestieren an, bevor ihm der Sonnengarten seines Hotels in den Sinn kam. Ganz seinem eigenen, schlichten Stil entsprechend gab es dort nur einige Sitzmöbel und Sonnenschirme. Doch jetzt, wo er neben Naruto durch diesen Park spazierte und über seine Idee nachdachte, könnte ein richtiger Dachgarten vielen seiner Kunden gefallen, besonders den Paaren. Er würde sich Gedanken darüber machen und mit einem Architekten sprechen… Allerdings erst nach der Saison, denn er wollte nicht Narutos selbstgefälliges Grinsen sehen, wenn eine seiner Ideen umgesetzt wurde. Jetzt sah der Blonde ihn nur verwirrt an. „Das was? Boss? Bist du noch da?“ Sasuke runzelte die Stirn. „Hör auf, mich so zu nennen.“ „Wieso? Ich denk, das magst du“, erwiderte Naruto mit einem frechen Grinsen, das dem Schwarzhaarigen selbst ein Schmunzeln entlockte. „Denken ist offensichtlich nicht deine Stärke.“ Naruto beschwerte sich lautstark, setzte aber den Weg durch den Garten an der Seite seines Chefs fort. Sie neckten sich weiter, doch blieb es auf beiden Seiten nett gemeint. Als sie schließlich zur Konferenz zurückkehrten, herrschte gute Stimmung zwischen den Männern. Während der Vorträge ermahnte Sasuke seinen Angestellten zwar zur Aufmerksamkeit, aber sonst verstanden sie sich hervorragend – oder flirteten miteinander, wie dem Uchiha nach und nach bewusst wurde. Zuerst war er ein wenig vor den Kopf gestoßen von dieser Erkenntnis; er konnte doch nicht mit seinem Angestellten flirten. Doch dann sagte er sich, dass sie hier in einer Art Parallelwelt waren, aus der nichts nach Konoha dringen musste. Sie konnten ein wenig Spaß haben, solange nicht mehr passierte… Und dazu würde es garantiert nicht kommen. Den Abend verbrachten sie mit einer Flasche Wein aus der Minibar ihres Zimmers im Park. Sasuke fühlte sich wie im Schullandheim, doch mit zunehmendem Alkoholpegel wurde das irgendwie egal. Er fühlte sich wohl in der Nähe des blonden Chaoten, und hatte er es nicht verdient, sich ein wenig in der Aufmerksamkeit eines interessanten Mannes zu sonnen? Es war wirklich leicht, sich mit Naruto zu unterhalten, und obwohl sie hauptsächlich über den Kongress und die Arbeit sprachen, ertappte Sasuke sich dabei, ein paar privatere Details über sich preiszugeben. So kamen sie beispielsweise von der Tatsache, dass das Sensu-Resort zur Hotelkette seines Vaters gehörte, auf das Thema, dass er keinen besonders guten Kontakt zu diesem hatte. Zwar wirkte Naruto manchmal wie das Klischee-Blondchen, aber er konnte eins und eins zusammenzählen und erriet leicht, dass die angespannte Vater-Sohn-Beziehung von Sasukes Homosexualität herrührte. Als Naruto jedoch weiter darauf eingehen wollte und mitfühlend die Hand auf seine legte, verkündete Sasuke, dass es jetzt Zeit war, nach drinnen zu gehen – ihre Weinflasche war sowieso schon leer. Außerdem hatte man die Gartenbeleuchtung angemacht, und zusammen mit dem Grillenzirpen war eine romantische Stimmung entstanden, die ihm nicht wirklich behagte. Also zogen sie weiter zur Hotelbar, wo sie sich wieder weniger ernsten Themen zuwandten und ein paar wirklich lustige Stunden verbrachten. Gegen Mitternacht verkündete die Barkeeperin, jetzt Feierabend zu machen, aber Naruto überredete sie, noch einen mit ihnen zu trinken. Erst um kurz vor eins gelang es ihr, lachend und selbst reichlich angetrunken, darauf zu bestehen, dass die beiden jetzt zahlten. „Na guuuut“, gab Naruto sich schließlich geschlagen. „Aber dafür musst du dich an den da wenden!“ Sasuke blinzelte, als er plötzlich den Finger seines Begleiters vor der Nase hatte. „Was?“ „Na, hör mal! Das ist doch sowas wie ein Geschäftsessen, und wer hätte je gehört, dass ein Angestellter bei einem Geschäftsessen selbst zahlt, wenn der Chef dabei ist?“, erklärte Naruto, als wäre das die simpelste Logik der Welt. Als die Barkeeperin zustimmend nickte, gab Sasuke sich mit einem amüsierten Seufzen geschlagen und zog seinen Geldbeutel. Na ja, er konnte das ja abschreiben lassen. Er legte gerade den nicht unerheblichen Geldbetrag auf den Tresen und bat um eine Rechnung, als Naruto wieder das Wort ergriff. „Wer ist das denn?“, wollte er wissen, und Sasukes Blick folgte seinem Finger zu dem einzigen Foto im Geldbeutel. Darauf strahlte eine Frau in die Kamera, auf deren Schultern ein lachendes Mädchen saß. „Niemand“, sagte Sasuke und klappte den Geldbeutel zu. „Mhm… ´Niemand` sieht dir aber ziemlich ähnlich.“ Ohne zu antworten, erhob Sasuke sich. Es war eindeutig Zeit fürs Bett. Der Rückweg ins Zimmer stellte sich allerdings als ein wenig schwierig heraus, denn der angetrunkene Naruto polterte durch die Flure, wobei er ständig seinen Chef ermahnte, leise zu sein. Doch schließlich war er im Bett verstaut und hatte die Augen geschlossen, wie Sasuke im Mondlicht sehen konnte. Keiner von ihnen hatte Lust gehabt, die Rollläden zu schließen. „Sas…?“, murmelte Naruto, der sich diesen Spitznamen angewöhnt hatte, obwohl der Angesprochene ihn mehrmals ermahnt hatte, ihn nicht so zu nennen. „Hn…?“ „Ich will kuscheln.“ Mit diesen Worten kletterte er bereits in Sasukes Bett, das nah an seinem eigenen stand. „Spinnst du?“, zischte der Dunkelhaarige und versuchte, ihn zurückzuschieben. Doch der andere schlängelte sich beharrlich näher, und nach kurzem Gerangel lag er beinahe auf Sasuke, der genervt stöhnte. „Geh in dein Bett.“ Der Bettbesetzer kuschelte sich dichter an ihn, und seine Augen glänzten im spärlichen Licht. „Wieso? Hast du Angst, dass ich in der Nacht über dich herfalle…?“ Das genaue Gegenteil war der Fall, denn Sasuke hatte Lust auf Naruto. Natürlich wusste er, dass der andere nichts dagegen gehabt hätte, doch es wäre einfach falsch, und er hatte sich geschworen, dass es bei ein bisschen harmlosem Flirten bleiben würde. „Ich meine es ernst, Naruto.“ Dieser richtete sich ein wenig auf, ließ die Hände aber auf Sasukes Brust ruhen. „Ok… Aber ich meine wirklich einfach nur kuscheln.” Sasuke schnaubte herablassend: „Klar doch“, und drehte das Gesicht weg. ´Kuscheln` - das er nicht lachte. Aber andererseits hatte Naruto tatsächlich keinerlei Anstalten gemacht, ihn anzufassen, mal von dem unschuldigen Vorstoß abgesehen, als er seine Hand genommen hatte. Und ein bisschen Nähe würde ihn schon nicht umbringen. Aber Naruto war schon wieder in sein Bett geklettert, und Sasuke war zu stolz, um ihn zurückzurufen. So bedürftig war er nicht. Zumal es sowieso eine Schnapsidee war. Warum sollten zwei erwachsene Männer, die sich kaum kannten, miteinander kuscheln? Natürlich war Naruto betrunken und konnte nicht wirklich belangt werden, doch das war ein dämlicher Einfall. Nein, es war besser, wenn jeder von ihnen in seinem Bett blieb. Der Abstand zwischen den Betten erschien Sasuke wie die Distanz zu Naruto, die er so verzweifelt zu wahren suchte. Diese war im Moment verschwindend gering, ohne dass er hätte sagen können, wie es so weit gekommen war. I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying Not to think about you I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying Not to give in to you But with my feelings on fire, Guess I´m a bad Liar. Kapitel 6: Honeymoon -------------------- When I get like this I can´t be around you I don´t know if you could take it When I´m with you, all I get is wild thoughts Rihanna, DJ Khaled – Wild Thoughts Die Sonne ging früh auf und fiel unbarmherzig in das Hotelzimmer, um Sasuke in der Nase zu kitzeln. Er drehte sich auf die Seite, öffnete blinzelnd die Augen und entdeckte einen blonden Strubbelkopf im Nachbarbett. Ungläubig beobachtete er Naruto, dem die zunehmende Helligkeit nichts auszumachen schien. Tatsächlich hatte Naruto nicht nochmal versucht, in sein Bett zu klettern oder ihn zu verführen, und Sasuke wusste nicht, was er davon halten sollte. Da er Interesse an diesem Mann hatte (er hätte es natürlich nie ausgesprochen, aber vor sich selbst konnte er es ja zugeben), irritierte es ihn, dass nichts passiert war. Andererseits war er es gewohnt, angebaggert zu werden, und das hier war eine angenehme Abwechslung. Er schälte sich aus der Decke, streckte sich vor dem offenen Fenster und wollte zur Dusche, wobei er jedoch merkte, wie sein Zimmergenosse sich regte. Naruto gähnte so ausgiebig als versuchte er, seinen Kiefer auszurenken, dann entdeckte er Sasuke und lächelte ihn verschlafen an. „Morgen, Boss… Gut geschlafen?“ Sasuke nickte knapp und ignorierte auf dem Weg zum Badezimmer, Narutos: „Darf ich nich mit duschen?“-Ruf. Unter dem warmen Wasser überlegte er, wann er zuletzt mit jemandem das Bett geteilt hatte, ohne Sex mit dieser Person zu haben. Er wusste es nicht mehr. Aber Naruto hätte ihn beinahe dazu gebracht, das zuzulassen. Natürlich war Sasuke bewusst, dass sie schon seit einer ganzen Weile miteinander flirteten, doch die letzte Nacht ging eindeutig über das hinaus, was er geplant hatte. Diese Sache entwickelte ein Eigenleben, und das gefiel dem jungen Hotelier überhaupt nicht. Nachdem er das Bad verlassen hatte, vermied er es, Naruto anzusehen, obwohl er dessen Blick im Nacken spüren konnte. Dann ging der Blonde sich ebenfalls frischmachen und sein Chef verließ beinahe fluchtartig das Hotelzimmer. Beim Frühstück setzte er sich alleine an einen etwas abgelegenen Tisch, um nachdenken zu können. Es war nichts passiert, aus dem man ihm oder seiner Familie einen Strick drehen könnte. Natürlich war es unangemessen, derart mit einem Angestellten zu flirten, aber im Prinzip war es nicht verboten… Glaubte er zumindest. Er würde sich da wohl informieren müssen – und es nervte ihn, dass das nötig war. Seit wann hatte er so wenig Selbstbeherrschung, Herrgott nochmal? „Uh… Sasuke?“ Der Angesprochene sah auf und entdeckte Naruto, der ein wenig unschlüssig vor seinem Tisch herumdruckste. Es überraschte Sasuke, dass der Blonde ihn mit seinem Vornamen ansprach, das hatte er bisher nur selten getan. Um zu überspielen, dass er kurz verwirrt gewesen war, richtete er sich auf und fragte betont gelassen: „Was?“ „Ich wollte nur… Uh…“ Naruto fuhr sich durch die Haare, sah sich im Speisesaal um und kratzte sich im Nacken, bevor er sich zwang, seinen Chef wieder anzusehen. „Ich meine, bin ich dir zu nahe getreten oder so, gestern? Ich bin manchmal ziemlich aufdringlich und merk das gar nich, und du bist so zurückhaltend, und ich wollte nich…“ „Denk nicht so viel nach, das ist nicht deine Stärke“, unterbrach Sasuke, als der Redeschwall des anderen ihm auf die Nerven ging. Dieser schürzte beleidigt die Lippen. „Was soll ich denn denken, wenn du einfach so abhaust und kein Wort sagst?!“, beschwerte er sich laut. Damit würde er wohl umzugehen lernen müssen, denn Sasuke hatte nicht vor, sich zu ändern… Aber nein, er musste es nicht lernen, denn das Flirten zwischen ihnen war jetzt vorbei, ganz einfach. „Es ist nichts passiert, über das man reden müsste“, erklärte er kalt. Dann, nach kurzem Zögern: „Ich denke nur, dass Fräulein Hyûga die Situation falsch verstehen könnte.“ Kurz sah Naruto ziemlich verdutzt aus. „Hinata?“, fragte er, als wäre ihm der Name völlig fremd. Dann senkte er den Blick und strich unbehaglich über die Lehne des Stuhls. „Da ist nichts zwischen uns… Nicht mehr. Gestern Morgen hab ich ihr gesagt, dass wir lieber nur Freunde sein sollten, und sie schien das zu verstehen“, fügte er ein wenig wiederwillig hinzu. Sasuke zog die Augenbrauen hoch. „So?“ Der Blonde ignorierte den sarkastischen Tonfall seines Chefs, zog den Stuhl heraus und setzte sich ungebeten, bevor er erklärte: „Sie ist wirklich süß, und ich mag sie total, aber du hattest Recht. Das mit den Kindern ist mir zu viel Verantwortung… Zumal ihr Junge mich irgendwie zu hassen scheint, und ich habe keine Ahnung, wieso.“ Sasuke fand es durchaus verständlich, dass Boruto einen Mann nicht ausstehen konnte, der seine Mutter ins Bett kriegen wollte. Doch er war zu befriedigt von diesen neuen Erkenntnissen, um sich damit aufzuhalten, Naruto das Gefühlsleben eines 16-Järigen darzulegen. Er hatte doch gewusst, dass das mit den beiden gar nichts werden konnte! Mit einem Blick auf die Armbanduhr leerte er seine Kaffeetasse und stand auf. „Der erste Kurs fängt bald an. Komm.“ „Eeeeeh?!“, machte Naruto laut, während sein Chef sich bereits vom Tisch entfernte. „Ich hab noch gar nichts gegessen!“ „Das kommt davon, wenn man zu spät aufsteht. Beeil dich.“ Murrend schnappte der Blonde sich den Apfel, den Sasuke nicht gegessen hatte, und folgte ihm dann aus dem inzwischen beinahe leeren Speisesaal. Unterwegs zu Tagungsraum meckerte Naruto zwar die ganze Zeit, doch alles in allem war die Stimmung zwischen den Männern wieder so gut wie am letzten Tag. So verlief auch der zweite Tag friedlich. Abends trafen sich noch einige Kollegen an der Hotelbar, darunter die Rauchergruppe vom ersten Tag. Sasuke hätte lieber darauf verzichtet, doch er hatte früh gelernt, sein persönliches Empfinden hintan zu stellen. So bestellte er ein Glas Wein, das er etwas wiederwillig musterte, als es vor ihn gestellt wurde. Auf solchen Tagungen tranken die Leute eindeutig zu viel für seinen Geschmack. Da er selbst normalerweise kaum Alkohol konsumierte, fühlte er sich bereits ein wenig beschwipst, doch Kollegen, die mit Sicherheit mehr vertrugen, hingen ebenfalls schon kichernd über dem Tresen. Die meisten Männer hatten ihre Sakkos abgelegt, und Naruto, der den Dresscode sowieso nicht besonders ernst genommen hatte, passte sich an. Als er den obersten Hemdsknopf öffnete und die Ärmel hochrollte, warf Sasuke einen flüchtigen Blick auf seine kräftigen Arme. Das Gespräch drehte sich gerade um das Dauerthema des letzten Monats: Die Drogenrazzien, die mehrere Produktionsstellen in Konoha auffliegen gelassen hatten. Vor allem waren aber fast zehn Clubs in der Stadt als Umschlagsplätze enttarnt worden, was viele der Anwesenden persönlich betraf. Die meisten hatten ähnliche Abkommen wie das, welches gerade zwischen dem Sensu und dem Oto Gakure anlief. „Ich habe gehört, sie haben Kurotsuchi Yondaime gefilzt – sie hat doch vor zwei Jahren die Disco ihres Großvaters übernommen, alles saniert und so.“ „Ach, deswegen ist sie nicht hier“, betonte Mei genüsslich und ignorierte ihren Assistenten, der schüchtern versuchte, ihr einen weiteren Drink auszureden. „Ich hab mir aber schon immer gedacht, dass etwas mit der Familie nicht stimmt. Ich meine, wer übernimmt eine Disco von seinem Großvater?“ „Also meinen Sie, dass da wirklich etwas mit… Mit einem Drogenkartell gelaufen ist…?“, flüsterte eine andere Dame, als könnte ein Mitglied des besagten Kartells gleich hinter der Bar hervorspringen und alle erschießen. „Wer weiß?“, fragte die Rothaarige, offensichtlich zufrieden mit der Wirkung, die sie erzielt hatte. „Verdächtig sind wir vorerst alle.“ Ein paar der Anwesenden sahen sich tatsächlich misstrauisch um, doch Sasuke gehörte zu denen, die die Augen über Mei verdrehten. Das ganze Gespräch hatte den Charakter von Geistergeschichten, die am Lagerfeuer eines Schullandheims erzählt wurden. „Ganz schöne Klatschweiber, huh?“, fragte Naruto Sasuke leise, der ihn mit hochgezogenen Brauen ansah. „Und du bist besser, indem du diese Frage stellst?“ Der Blonde lachte und lehnte sich neben seinen Chef an die Bar, sodass sein Arm hinter Sasuke lag. „Hey, kritisier gefälligst nich den Kritiker!“, verlangte er und nahm den letzten Schluck Wein aus seinem Glas, während er die Anwesenden beobachtete. „Hät gar nich gedacht, dass Konoha so n Drogenproblem hat…“ Schulterzuckend tat der Uchiha die Frage ab. „In den letzten Monaten ist es schlimmer geworden.“ „Und die wissen nich, wer dahinter steckt?“, fragte Naruto weiter, woraufhin sein Chef den Kopf schüttelte. „Dabei müssen die nur den Kopf der Bande dingfest machen… Am besten, bevor sich diese scheiß Seuche auf Schulen ausbreitet…“ Sasuke zog die Brauen hoch. „Sie kennen sich gut aus, Uzumaki… Sollte ich die Polizei auf Sie aufmerksam machen?“ Mit funkelnden Augen trat Naruto noch näher, sodass ihre Schultern sich jetzt berührten. „Nö, ich bin sauber… Aber du kannst mich gerne filzen, Boss…“ “Oh – mein – Gott!“, unterbrach eine laute Frauenstimme ihr Gespräch. Als er aufsah, bemerkte Sasuke, dass Mei auf ihn deutete. „Er hat gelächelt! Unser Eisprinz hat gelächelt! Ein Wunder ist geschehen!“ Ein paar Umstehende lachten, doch die meisten (vor allem alte, dicke Männer) sahen mürrisch weg. Meis Vorliebe für junge, attraktive Männer war allgemein bekannt. Es wurde sogar davon ausgegangen, dass sie ihrem Assistenten nicht nur beruflichen Unterricht gab. „In all den Jahren, in denen ich ihn kenne, habe ich Uchiha noch nie lächeln sehen, und jetzt grinst er wie ein Honigkuchenpferd“, behauptete die Frau, die nicht zu bemerken schien, wie genervt der Uchiha inzwischen war. „Wie haben Sie das gemacht, Uzumaki? Erzählen Sie uns Ihr Geheimnis!“ Naruto grinste etwas dümmlich und kratzte sich an der Nase, schien sich an der vielen Aufmerksamkeit aber nicht zu stören. Ganz anders Sasuke, der es noch nie hatte leiden können, angestarrt zu werden – was ein besonderes Problem war, wenn man ein gutaussehender Junge in einer Schule voller pubertierender Mädchen war. „Uh, ich kann zaubern, wissen Sie?“, erklärte Naruto und fügte auf Nachfrage hinzu: „Als Teenager hab ich mal n paar Kurse gemacht.“ „Das müssen Sie uns bei Gelegenheit zeigen“, verlangte Mei. „Dafür hat mein Assistent keine Zeit“, unterbrach Sasuke, dem ihr glühender Blick sauer aufstieß. So sah sie jeden attraktiven Mann an – im letzten Jahr war es Sasuke selbst gewesen. Nicht, dass er die Aufmerksamkeit vermisste, doch dieses Promiskuität auf einer Arbeitsveranstaltung musste nicht sein. Und Naruto brauchte nicht noch mehr Namen auf der Liste seiner Liebschaften. Mei hob abwehrend die Hände. „Oh, schon gut. Aber ich bin sicher, dass wir nach den Vorträgen morgen alle eine Show vertragen könnten. Die Rede heute war ja schon ausufernd genug.“ Danach ergingen sich alle in Lästereien über den Veranstalter, doch Sasuke brach bald auf. Eigentlich hatte er gedacht, Naruto würde noch bleiben, doch als sein Chef den Wein geleert hatte und sich erhob, stand auch er auf. Unter Meis Protest verabschiedeten sie sich. Auf dem Weg zum Aufzug schwiegen sie, und auf der Fahrt nach oben spannte sich das Schweigen zwischen ihnen wie ein Netz. Sasuke fiel das Atmen schwer, und als er die Tür ihres Zimmers aufsperrte, vermied er es, Naruto anzusehen. Er trat ins Zimmer und blickte aufs Fenster, obwohl davor nichts zu sehen war außer Schwärze. Der Moment fühlte sich an, als ob etwas geschehen müsste… Er spürte, dass Naruto hinter ihn getreten war, noch bevor er ihn anfasste, doch dann legte der Blonde die Hände auf seine Oberarme. Er lehnte sich etwas vor, um in Sasukes Ohr flüstern zu können: „Ich konnte es den ganzen Tag kaum erwarten, mit dir alleine zu sein…“ Ein Teil von Sasuke wollte protestieren – das klang ja, als wäre schon alles geplant! Doch als Naruto die Lippen auf genau die richtige Stelle seines Nackens legte und zärtlich saugte, verstummte dieser Teil augenblicklich. Es stimmte ja; die Stimmung zwischen ihnen hatte schon das ganze Wochenende über gebrodelt, und alles schien auf diesen Moment hingeführt zu haben. Kaum hatte Sasuke sich umgedreht, als Naruto bereits die Finger in seine Haare krallte und ihn in einen Kuss zog. Vergessen war für den Moment die Liste mit Narutos Eroberungen, vergessen ihre Kabbeleien, vergessen die Tatsache, dass sie ein Arbeitsverhältnis hatten. Er ließ sich einfach mitreißen von diesem blonden Wirbelsturm, ließ ihn weiter das ungeahnte Feuer in sich entfachen, das in ihm glomm, seit sie sich kennengelernt hatten. Naruto packte ihn am Arsch, um mehr Körperkontakt herzustellen, und grub plötzlich ziemlich fest die Zähne in die blasse Haut, was Sasuke aufstöhnen ließ. Berührungsängste hatte er auf jeden Fall nicht, und Sasuke musste zugeben, dass es ihm gefiel, dass der andere so genau wusste, was er tat. Wie von selbst wanderte seine Hand in Narutos Nacken, die Finger in sein Haar gekrallt, nach mehr verlangend, mehr befehlend. Naruto verstand und lachte rau gegen seinen Hals, biss aber gehorsam erneut in den Hals des Uchiha. Dabei drängte er diesen rückwärts, um ihn aufs Bett zu bekommen. Naruto schob ihn sanft zurück, bis Sasuke das Bett in den Kniekehlen spürte. Er wollte ihn nach unten drücken, doch der Uchiha blieb stehen, sodass Naruto sich von seinem Hals löste. Zuerst sah er ihn überrascht an, dann lächelte er. Dieses Lächeln, das ihm eigentlich alle Türen öffnen müsste. Dieses Lächeln, das ihm gerade Sasukes Hose öffnete. „Was denn?“, fragte der Blonde in einer süßlichen Tonlage, die nicht zu ihm passte. Dabei griff er nach seinem Shirt und zog es sich über den Kopf. „Darf ich dich nicht verwöhnen?“ „Ich lasse mich nicht ficken.“ Obwohl Naruto: „Schade“, sagte, klang er nicht enttäuscht. Stattdessen wurde sein Lächeln breiter, als er langsam den Reißverschluss seiner Hose runterzog und sie zu Boden gleiten ließ. „Ich glaub, ich könnte dir viel Spaß machen, Boss…“ Sasukes Blick wanderte über den fast nackten Körper vor sich, und er musste schlucken. Klar, er hatte Naruto schon in Badehosen gesehen, doch das war ein anderer Kontext gewesen. Jetzt konnte er die Hand ausstrecken und den Finger zwischen den definierten Bauchmuskeln nach unten gleiten lassen, die unter seiner Berührung erwartungsfreudig zuckten. Sasuke hob den Blick und sah Naruto ein wenig skeptisch an. „Keine Diskussion?“ „Nö, wieso? Was immer du brauchst, Baby~♥“, schnurrte er und beugte sich für einen Kuss vor, dem Sasuke auswich, indem er das Gesicht zur Seite drehte. Naruto gab zwar ein unwilliges Geräusch von sich, drängte seinen Partner aber nicht, sondern liebkoste stattdessen erneut seinen Hals. „Fuck, du bist so scharf. Und die Arschloch-Attitüde macht es nur noch schlimmer.“ Mit diesen Worten (Sasuke war nicht sicher, ob sie eine Beleidigung oder ein Kompliment waren. Vielleicht beides) hakte Naruto die Daumen in seine Gürtelschlaufen und drehte sie beide so, dass er am Bett stand, auf dem er sich dann niederließ. „Ich darf doch?“, fragte er kichernd, während er bereits Sasukes Reißverschluss nach unten zog. Dieser war zu überrascht von so viel Direktheit, um zu protestieren. Schon Sekunden später schob Naruto ihm die Hosen von den Hüften. Andächtig strich er das Hemd des Dunkelhaarigen ein wenig nach oben, um mit den Fingern über seine Muskeln und von dort zu seinen Hüftknochen und seinen Oberschenkeln zu streichen. Sein Blick blieb an der Silhouette von Sasukes halb aufgerichtetem Glied hängen, die sich unter dem dünnen Stoff seiner Unterwäsche abzeichnete, und er biss sich auf die Unterlippe. Er murmelte etwas, das wie: „So sexy…“, klang, allerdings unterging, da er bereits anfing, winzige Küsse auf dem Penis seines Liebhabers zu verteilen. Kurz sah Sasuke ihm zu, dann legte er die Hand an Narutos Kinn, zwang seinen Mund auf und schob seinen Schwanz Stück für Stück in die feuchte Wärme. Er stöhnte unterdrückt auf und legte die Hand in das blonde Haar, als der andere sofort anfing, an ihm zu lutschen. Es war kein umwerfender Blowjob (und er enthielt für Sasukes Geschmack zu viel Speichel), aber die Hingabe, mit der Naruto ihn zu befriedigen versuchte, machte den Uchiha wahnsinnig an. Als er jedoch anfing, in den Mund des anderen zu stoßen, zog dieser den Kopf zurück. „Hn?“, machte Sasuke ungeduldig, doch Naruto kicherte nur. „Schön, dass es dir gefällt~♥ Aber ich schätze, wir brauchen Gleitcreme.“ Als sein Chef die Brauen hochzog, lachte er erneut und nickte zum Bad. „In meinem Kulturbeutel. Die vordere Tasche.“ Das klang schon wieder sehr vorbereitet, und es gefiel Sasuke nicht, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Doch im Moment war er zu geil, um sich zu beschweren, also holte er die Tube aus dem Bad. Dabei fand er eine Packung Kondome, die er ebenfalls mitbrachte. Naruto war in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Er lag nackt auf dem Rücken und grinste, als er Sasukes überraschtes Gesicht sah. „Hi, Baby~“, schnurrte er und fing ganz lässig an, sich einen runterzuholen. So etwas wie Schamgefühl kannte er wohl nicht… Und Sasuke musste zugeben, dass er es wahnsinnig scharf fand. Ohne die Augen von dem anderen zu nehmen, trat er langsam näher, bis er direkt vor dem Bett stand und auf Naruto runterblicken konnte. Dessen Kopf hing über die Kante der Matratze, und er hatte sich ein Kissen unter den Rücken geschoben, sodass sein Mund sich genau auf Höhe von Sasukes Schritt befand. Wenn das mal keine Einladung war. Langsam ließ er die Finger durch die Haare des Blonden und über sein Kinn gleiten. Dann begegneten sich ihre Augen. Narutos waren dunkel vor Lust, seine Lippen standen leicht offen, um den schweren Atem durchzulassen, der seine Brust rasch hob und senkte. Sasuke war nicht sicher, ob er schon mal etwas so erregend gefunden hatte wie diesen Anblick. Gleichzeitig war er ziemlich sicher, nicht der erste zu sein, dem sich dieses Bild bot. In einem Impuls aus Wut und Lust schob er die Finger in Narutos Mund und öffnete diesen grob noch weiter. Mit der anderen Hand umfasste er sein Glied und setzte es an Lippen, die sich bereitwillig öffneten. Sofort spürte er, wie Naruto an ihm lutschte und stieß sich tiefer in den Rachen des anderen. Naruto gurgelte, krallte sich im selben Moment aber in die Laken. „Du stehst drauf“, stellte Sasuke sachlich fest, während er langsam in die heiße Feuchtigkeit vordrang. „Du Schlampe stehst darauf, wenn man deinen Rachen fickt.“ Wie zur Antwort spreizte Naruto die Beine, sodass Sasuke gut sehen konnte, wie er mit dem Daumen Lusttropfen auf seiner geröteten Eichel verteilte. Bei dem Anblick hätte er fast Gleitcreme und Kondome vergessen, die er auf die Bettkante gelegt hatte. „Gib mir die Hand“, befahl er und drückte Naruto die Tube in die Hand, als dieser gehorchte. Die Packung ließ er vorerst, wo sie war. „Bereite dich selbst vor.“ Sasuke war überrascht, dass Naruto keine Sekunde zögerte, das Gel auf seinen Fingern zu verteilen. Er umspielte seine Nippel, bis diese rosig glänzten, dann zog er eine schimmernde Linie von seinem Oberkörper zwischen seine Beine, der Sasuke wie hypnotisiert folgte. Ohne es bewusst zu merken, fing er an, das Becken in kleinen Stößen nach vorne zu treiben, doch als Naruto seine feuchte Hand um seinen Schwanz schloss, machte er einen unwillkürlichen Ruck nach vorne. Als Naruto aufstöhnte, statt sich zu beschweren, sparte Sasuke sich die Frage, ob alles in Ordnung war: Ganz offensichtlich stand der Blonde auf die harte Tour. Sonst hätte er sich wohl kaum nackt mit gespreizten Beinen auf das Bett eines fast Fremden gelegt und einladend den Mund geöffnet. Er spürte, wie Narutos Speichel aus dem Mundwinkel lief, war aber zu fasziniert von der Bereitwilligkeit, mit der er die Hand zwischen seine Arschbacken wandern ließ, um sich zu beschweren. Als er den ersten Finger in sich hatte, spürte Sasuke Narutos Stöhnen in seiner Kehle vibrieren. Inzwischen lief dem Blonden der Speichel aus dem Mund, und Sasuke knurrte angewidert. „Das ist ekelhaft. Reiß dich gefälligst zusammen, Miststück.“ Erneut stöhnte Naruto auf, und Sasuke konnte es zwar nicht sehen, war aber ziemlich sicher, dass er bereits den zweiten Finger in sich hatte. Er stieß die Hand rasch in sich und presste die Füße in die Laken und Sasuke merkte, wie er seine eigenen Stöße unwillkürlich anpasste. Dabei drang er tief in die offensichtlich geübte Kehle seines Liebhabers vor, die ihn immer wieder mit erregten Lauten belohnte. Sasuke sah und spürte gleichzeitig, wenn Naruto schluckte, und er legte die Hand auf die Kehle des anderen. Zuerst strich er nur ganz leicht mit dem Daumen über den Adamsapfel, dann, ohne wirklich darüber nachzudenken, legte er beide Hände um Narutos Kehle und drückte zu. Nicht fest genug, um ihm zu schaden, doch der Brustkorb des anderen hob sich unter hektischen, angestrengten Atemzügen. Er hätte aufgehört, hätte der Blonde nicht vor Lust die Fersten in die Lacken gestemmt und sich hastig gefingert, als würde sein Leben davon abhängen. Sasuke spürte bereits die ersten Ausläufer eines Orgasmus, als Naruto plötzlich in einer ebenso schlichten wie endgültigen Geste die Hand hob. Wie aus einer Trance erwacht, stolperte der Schwarzhaarige einen halben Schritt zurück und ließ ihn los. Sein Kopf schwirrte, sein Mund war trocken. Er konnte nur atemlos zusehen, wie Naruto sich mühsam aufrappelte. Er sah furchtbar und sexy zugleich aus, mit Tränen in den Augen, geröteten Wangen, zerzaustem Haar und einer Mischung aus Sperma und Speichel in den Mundwinkeln. Sasuke dachte schon, er hätte übertrieben, als Naruto nach der Kondompackung griff und ein Tütchen herausfischte. Er hätte ihm das natürlich abnehmen können, doch es gefiel ihm, seinem Liebhaber dabei zuzusehen, wie er ihm das Latex überstreifte. Es gefiel ihm, wie er Gleitcreme darauf verteilte. Es gefiel ihm, dass er noch vollbekleidet war, während sein Partner splitternackt im Bett saß, sich an die Bettkannte kniete und seine Arschbacken einladend spreizte. Irgendein primitives Verlangen nach Dominanz wurde in ihm befriedigt, als er seinen Schwanz bei Naruto ansetzte und langsam, Stück für Stück in ihm versenkte. Der Blonde krallte die Finger in die Laken und keuchte schwer, aber er beschwerte sich nicht. Sasuke belohnte sein Durchhaltevermögen, indem er kurz innehielt, als er ganz drinnen war. Er genoss Hitze und Enge, die ihn umfingen, während er Narutos Pobacken spreizte, um sein gerötetes, gespanntes Loch zu betrachten. Sie hätten ihn besser weiten sollen, aber Sasuke fühlte sich wahnsinnig gut in dieser Enge. Er hatte fast vergessen, wie gut Sex tat. Ohne Vorwarnung stieß er die Hüften nach vorne und entlockte Naruto ein angespanntes: „Hngh!“ „Was?“ Sasukes Stimme klang kalt, und er hörte nicht auf zu stoßen. „Soll ich ihn rausnehmen?“ „N-Nein, ich… Oh Fuck!“, stöhnte Naruto, als sein Partner ihn härter nahm. Sasuke wollte keine Erklärung, wieso er seinen Schwanz in Narutos Arsch lassen sollte – er konnte sehen, dass es ihn anmachte. In der Zwischenzeit schien Naruto sich an das Völlegefühl gewöhnt zu haben, denn er stöhnte völlig ungehemmt. Als Sasuke ihn an der schulter auf die Matratze drückte, linste er aus den Laken zu ihm hinter und verlangte atemlos: „Oh Gott… Oh Fuck, i-ich komme…!“ Sasuke spürte, wie sich alles um ihn verengte, und er fickte den anderen durch seinen Orgasmus. Dann packte er ihn an der Hüfte, trieb sich noch einige Male selbst in ihn und kam mit einem befriedigten Grunzen. Eine Weile war nur ihr hastiger Atem zu hören, dann keuchte Naruto: „Wow…!“ „Hn“, machte Sasuke und zog sich aus dem anderen. Der Blonde ließ sich einfach nach vorne kippen, wobei er sich offensichtlich nicht um das Sperma kümmerte, das er auf dem Bettlacken hinterlassen hatte. Sasuke entsorgte das benutzte Kondom, nahm eine Wasserflasche aus der Minibar und kehrte zum Bett zurück. Er blieb davor stehen und betrachtete Narutos völlig zerschundene Gestalt, während er trank. Ihm gefiel der Anblick des geröteten Hinterns, die schweißglänzende Haut und das zerzauste Haar, er konnte es nicht leugnen. Und Naruto schien nicht nur mit diesen Neigungen umgehen zu können, nein, er hatte ausgesprochen erregt darauf reagiert. „Gib mal das Wasser!“, verlangte Naruto und wackelte träge mit der Hand, ohne sich aufzusetzen. „Und komm her.“ Sasuke zögerte, dann setzte er sich zu ihm und drückte ihm die Flasche in die Hand. Erst stöhnte er schmerzlich, doch sobald er saß, trank Naruto in einem gierigen Zug die Flasche leer. Danach fiel sein Blick auf seinen Liebhaber, auf dessen Schoß er sich ohne viel Federnlesen hockte. Schamgefühl oder Reue kannte dieser Mann ganz offensichtlich nicht. „Hey~♥“, schnurrte er, dann küsste er Sasuke so hungrig, als hätten sie nicht vor einer Viertelstunde hemmungslosen Sex gehabt. Naruto hatte eine unglaubliche Ausdauer. Wenige Minuten, nachdem er sich auf Sasuke gesetzt hatte, ritt er seinen Liebhaber zum Orgasmus und brachte ihn später dazu, ihn gegen das Balkonfenster zu ficken, obwohl Sasuke eigentlich nur eine hatte rauchen wollen. Der dritte Orgasmus war fast schon schmerzhaft, und er war froh, dass der Blonde scheinbar genug hatte – zumindest vorerst. Er hatte noch nie erlebt, dass jemand so scharf auf einen Schwanz in seinem Arsch (oder seinem Mund) war. Dieser Teil an Narutos Schlampen-Mentalität gefiel ihm ziemlich gut, gab Sasuke im Stillen zu, als sie fertig waren. Er hatte zwar nicht geraucht, fühlte sich aber angenehm entspannt und gerädert zugleich. „Jetzt weiß ich, wie du es dir erlauben kannst, so eingebildet zu sein.“ Sasuke schmunzelte. Naruto hatte den Kopf auf seiner Schulter abgelegt und kraulte abwesend die Brust seines frischgebackenen Liebhabers, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Nein, ich meine es ernst!“, beharrte der Blonde, der sich aufsetzte, um Sasuke ansehen zu können, der nicht geantwortet hatte. „Das war wirklich unglaublich!“ Das fand der Uchiha auch, doch diese Tatsache ausgesprochen zu hören, war dem Uchiha unangenehm. Er unterbrach den Blickkontakt, der ihm intimer vorkam als die Berührungen, die sie zuvor ausgetauscht hatten. Was dachte er da eigentlich? Daran war nichts 'intim' gewesen. Es war einfach guter Sex, den er von vielen Männern bekommen konnte. Punkt. Er hatte sich selbst zu lange auf Abstinenz gesetzt, sodass ihm das bisschen Körperlichkeit jetzt wie der Heilige Gral vorkam. Wahrscheinlich war es in Wirklichkeit nicht mal sonderlich gut gewesen. „Es war geil“, sagte Sasuke, bewusst ordinär, um dem Moment die Tiefe zu nehmen. Naruto sah ihn ein wenig verdutzt an, bevor er lachte. „Jup, allerdings.“ Die Mauer, die sein Liebhaber gerade um sich aufbaute, spürte er offensichtlich nicht, denn er küsste seine Wange, stand auf und streckte sich. „Ich geh mich mal sauber machen. Du kannst ja nachkommen, wenn du willst“, fügte er mit einem verführerischen Lächeln hinzu, bevor er im Bad verschwand und die elektrisierte Luft mit sich nahm. Sasuke atmete tief durch, schüttelte den Kopf und öffnete die Balkontür, um die frische Nachtluft reinzulassen. Ihm fiel gerade auf, wie stickig es im Zimmer war, als sein Handy auf dem Nachttisch klingelte. Er erwartete beinahe (und hegte die vage Hoffnung), er würde wegen eines Notfalls nach Hause beordert, nahm er es an sich. Doch die Nummer gehörte nicht zum Sensu-Resort, noch nicht mal seinen Eltern oder Itachi. Mit dem Gefühl, ihm würde an diesem Wochenende nichts erspart, hob er ab. „Sakura“, begrüßte er die Anruferin knapp. In der kurzen Pause, die ihre Antwort verzögerte, konnte er sie praktisch zusammenzucken sehen. Das hatte sie schon immer getan, als wäre es Schreck und Segen zugleich, die drei Silben ihres Namens aus seinem Mund zu hören. Sie hatte eindeutig nicht aufgehört, ihn zu bewundern, und das, obwohl er sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Sie. Seine Exfrau. „Sasuke-kun, gut, dass ich dich erwische“, sagte Sakura, als sie sich etwas gefangen hatte. „Wie geht es dir?“ Das Konzert der Grillen lockte ihn nach draußen und er sah in die schemenhafte Dunkelheit. „Was gibt es? Ich bin beschäftigt.“ „Natürlich bist du das“, antwortete sie ein wenig herablassend, jetzt, da sie sich beruhigt hatte. Doch Sasuke unterbrach sie nicht, um das Gespräch nicht unnötig zu verlängern. „Es geht um… Um Sarada.“ Sie verstummte und zwang Sasuke, nachzufragen, was er leicht gereizt tat: „Was ist mir ihr?“ „In letzter Zeit war sie ständig wütend und aufmüpfig, und ich weiß einfach nicht mehr, wie ich an sie rankommen soll“, erklärte Sakura hastig, als wolle sie die Worte nur endlich von der Zunge. Ihr Exmann schloss die Augen und atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. Denn jetzt meinte er statt dem herablassenden Ton etwas Nasales in ihrer Stimme zu hören, dass er nur zu gut kannte, jetzt aber wirklich nicht gebrauchen konnte. „Du bist die Krankenschwester. Sag du mir, ob es für ein dreizehnjähriges Mädchen ungewöhnlich ist, sich von ihrer Mutter zu distanzieren.“ „Ich weiß, dass sie in der Pubertät ist“, erwiderte Sakura, doch jetzt war Sasuke sich ganz sicher, das unterdrückte Schniefen zu hören, das ihre Tränen ankündigte. Na wundervoll. „Was hat das mit mir zu tun?“ „Genau das ist es. Du“, verkündete die Krankenschwester, merkte dann aber wohl, dass ihre Worte keinen Sinn machten und fügte hinzu: „Sie benimmt sich genau wie du, als du dreizehn warst.“ Nun, es war nicht gerade ungewöhnlich, dass Kinder sich wie ihre Eltern benahmen – selbst, wenn sie besagtes Elternteil seit sechs Jahren nicht gesehen hatten. Außerdem war Sasuke sich relativ sicher, dass seine Tochter sich nicht aus demselben Grund so verschlossen benahm wie er damals… Andererseits: Wieso eigentlich nicht? Vielleicht fühlte Sarada sich ebenso von den anderen Kindern isoliert wie ihr Vater im selben Alter, weil sie bemerkte, dass sie sich nicht für die Jungen interessierte, sondern für die Mädchen? Vielleicht verstand sie ihre Neigungen noch nicht und war davon überfordert? Denn Sasuke selbst hatte bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr gebraucht, um herauszufinden, was mit ihm 'nicht stimmte'. Genau genommen hatte er erst im Bett eines beinahe Fremden, fast doppelt so alten Mannes aufwachen müssen, bevor er es realisierte. Dieses Schicksal hätte er seiner Tochter eigentlich gerne erspart, doch hatte er nicht vor, ihrer Mutter von besagtem beinahe fremden Mann und seinen (wenigen) Nachfolgern zu erzählen. Selbst mit Sarada sprechen konnte er genauso wenig. Er hätte sowieso nicht gewusst, was er ihr hätte sagen sollen. 'Es ist ok, wenn du lesbisch bist – so steht immerhin eine von uns auf Brüste. Hier hast du eine Broschüre, viel Glück.' Wohl eher nicht. Er wusste, dass das egoistisch war. Doch sah er nicht ein, für einen vagen Verdacht sein wohlgehütetstes Geheimnis preiszugeben. Zumal es sowieso wahrscheinlicher war, dass das Problem Pubertäts- Schrägstrich Daddy Issues waren. Vielleicht hätte er Sakura trotzdem weiter zuhören sollen. Denn dass sie jemanden zum Reden brauchte, war offensichtlich. Doch war sie es gewesen, die ihm seine Tochter weggenommen hatte. Sie hatte das alleinige Sorgerecht gewollt, und Sasuke hatte nicht darum gebettelt. Stattdessen hatte er immer für den Unterhalt des Kindes gesorgt und dafür, dass es den beiden an nichts mangelte – obwohl er keine der beiden wiedergesehen hatte, seit seine Exfrau ausgezogen war. Gelegentliche Anrufe wie der jetzige waren der einzige Kontakt, worunter besonders Sasukes Mutter litt. Doch es war nicht seine Schuld, und dass Sakura jetzt, wo Sarada in ein schwieriges Alter kam, wieder seinen Rat wollte, nervte ihn. „Sasuke-kun…? Bist du noch dran…?“, fragte seine Exfrau leise, womit sie ihn aus seinen Überlegungen riss. „Ja.“ Sie wartete offenbar auf weitere Erklärungen seinerseits, doch Sasuke schwieg. „Na gut… Du willst das also ausschweigen. Wie immer“, fügte sie bitter hinzu, und jetzt klang ihre Stimme, als hielte sie ihre Nase zu. Ihr Ex rieb sich den Nasenrücken. Sie war so eine unerträgliche Heulsuse… „Ich weiß nicht, was du hören willst.“ „Irgendwas, das zeigt, dass dir dein Kind nicht egal ist“, platzte sie heraus, bevor sie fast hysterisch lachte. „Aber ich habe wohl vergessen, mit wem ich rede. Dir ist ja alles egal!“ Ihr Schweigen rauschte durch die Leitung – sie wartete darauf, dass Sasuke einlenken würde. Als würde sie ihn tatsächlich so schlecht kennen. Statt sich auf eine fruchtlose Diskussion einzulassen, sagte er kalt: „Das habe ich nicht nötig“, und legte auf. Genervt starrte Sasuke auf das Display, doch vorerst würde Sakura wohl nicht zurückrufen. Dazu war ihr Stolz zu groß. Außerdem hatte sie noch nie einen Streit gegen Sasuke gewonnen. Wenn sie wollte, dass Sarada zu einem Psychologen ging, würde er eben dafür aufkommen, aber alles andere war ihre Sache – weil sie es sich so ausgesucht hatte. „Wer war das?“, fragte Narutos Stimme hinter Sasuke. Er hatte nicht mal bemerkt, dass sein Mitbewohner aus dem Bad gekommen war, und er fragte sich, wie viel der andere gehört hat. „Niemand.“ „Dann haste aber ganz schön lange mit niemandem geredet…“ „Was interessiert es dich?“, fauchte Sasuke gereizt. Er war gerade in der Stimmung für einen Streit, und Naruto war der perfekte Boxsack. „Bist du eifersüchtig oder was?“ „Ein bisschen“, gab der andere zu, wobei er etwas verlegen zur Seite blickte. Kurz starrte sein Chef ihn irritiert an, doch dann begriff er, dass das einer von Narutos dummen Witzen sein musste und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Was auch immer.“ Der andere rieb sich den Nacken und sah Sasuke nachdenklich an. „Du bist echt anstrengend, Uchiha… Erst bist du all over me und im nächsten Moment… Erzähl mir nich, das war dein Mann.“ Zorn flackerte in Sasuke auf, doch er blieb äußerlich ruhig. „Ich habe keinen Mann. Und wenn es so wäre, würde es dich nichts angehen.“ „Und schon geht´s los…“ Naruto verdrehte die Augen und Sasuke verengte seine. „Was?“ „Du fängst an, dir einzureden, dass es ein Fehler war, blablabla… Ich hab mir schon gedacht, dass du der Typ bist, der abblockt. Und ich kenn das alles zur Genüge.“ Er klang verbittert, setzte aber in der nächsten Sekunde wieder ein Lächeln auf, das Lüge! über sein ganzes Gesicht schrieb. „Ich hatte gehofft, du wärst anders… Aber wenn du Schiss hast, zwing ich dich zu nix. Ich penn in der Lobby. Nacht.“ Mit diesen Worten verließ Naruto das Zimmer und den sprachlosen Sasuke. Dieser Mann hatte mehr durchgemacht, als sein Sonnenschein-Gehabe erahnen ließ… Doch das war nur ein Grund mehr, sich nicht auf ihn einzulassen. Sasuke hatte schon genug eigenes Gepäck – den emotionalen Ballast von jemand anderem würde er sich nicht freiwillig aufladen. Hatte diese Blondine etwa gedacht, er würde ihm nachlaufen? Da hatte er sich geschnitten. In aller Ruhe machte Sasuke sich bereit, schlafen zu gehen, stand dann aber kurz zögernd vor den Betten. Seine eigenen Laken waren ruiniert, aber sich einfach in Narutos Bett legen kam ihm nach ihrem Streit genauso unpassend vor. Andererseits hatte Naruto gesagt, er würde in der Lobby bleiben. So machte Sasuke es sich schließlich im Bett des abgängigen Zimmerbewohners bequem. Eigentlich hatte er gedacht, gut schlafen zu können – immerhin war er vorhin sehr aktiv gewesen. Doch selbst nach mehreren Minuten stellte sich keine Schläfrigkeit ein, und er öffnete die Augen wieder. In der Dunkelheit spielten sich die Szenen des Abends ab. Aber er war nicht für diese Situation verantwortlich. Er hatte Sakura nicht verlassen, er hatte Naruto nicht angebaggert, und er hatte ihm nicht geraten, sich in seine Privatangelegenheiten einzumischen. Als wäre er ihm irgendetwas schuldig, nur weil sie ein Mal… Na gut, drei Mal verdammt guten Sex gehabt hatten. Natürlich konnte Blondie nicht wissen, dass Sasuke nicht über solche Dringe sprach. Es war besser, er lernte das möglichst schnell. Obwohl, unterbrach er seine Überlegungen, das gar nicht nötig sein würde. Das vorhin war ein einmaliger (oder eben dreimaliger) Fehler gewesen. Es gab keinen Grund, aus dem Naruto überhaupt etwas über ihn erfahren sollte. Irgendetwas in ihm zog sich bei diesem Entschluss unangenehm zusammen, doch Sasuke schob das Gefühl beiseite. Es war sowieso nur Lust, und er konnte jemand anderen finden, der sich um seine Bedürfnisse kümmerte. Und das würde er Naruto am nächsten Tag beibringen. When I´m with you, all I get is wild thoughts You look like there´s nothing that you won´t do Cause you get wild So I probably shouldn´t be around you. Kapitel 7: Blackout ------------------- Beim Frühstück am nächsten Tag versuchte Naruto, Sasuke auf den letzten Abend anzusprechen, stieß aber auf eine Mauer des Schweigens. Er versuchte, den Schwarzhaarigen zu provozieren, bekam aber auch dafür keine befriedigend emotionale Reaktion sondern nur die Bitte, im öffentlichen Speisesaal nicht so herum zu schreien. Schließlich zog er frustriert von dannen, angeblich um zu duschen, doch Sasuke vermutete stark, dass er sich irgendwo abreagieren wollte. Sasuke hatte keine Lust, über die letzte Nacht zu reden, weder darüber, dass sie Sex gehabt hatten, noch darüber, wie das Ganze geendet hatte. Es hätte gar nicht passieren dürfen, und er fragte sich, wie er es so weit hatte kommen lassen können. Irgendetwas an Naruto hatte ihn einfach mitgerissen, vielleicht seine blinde Hingabe, vielleicht seine unstillbare Leidenschaft, wer wusste das schon. Doch er hatte nicht vor, es nochmal geschehen zu lassen, und daher war es besser, sich von ihm fernzuhalten. Der Sonntag war nur bis mittags verplant, um den Tagungsgästen genug Zeit für die Heimreise zu geben. Während des Vormittages versuchte Naruto immer wieder, Gespräche mit seinem Chef zu führen, die dieser jedoch vehement abblockte. Dadurch zankten sie sich zwar noch schlimmer als vor dem Wochenende, doch bis zu ihrer Abreise um eins hatte Sasuke es geschafft, Naruto zum Schmollen zu bringen, was darin resultierte, dass er nicht mehr mit ihm redete. Jackpot. Die gemeinsame Heimfahrt verlief entsprechend ruhig. Sasuke dachte schon, diese Sache hätte sich erledigt, als sie in der Tiefgarage des Sensu ausstiegen. Kommentarlos wollte er sein Gepäck aus dem Kofferraum nehmen, als Naruto mit ein paar Schritten bei ihm war, die Ladeklappe zuknallte, ihn grob gegen das Auto schupste und die Hände zu Sasukes Seiten abstützte. „Spinnst du?“, zischte er und wollte den anderen von sich stoßen, doch dieser packte ihn mit erstaunlicher Kraft im Haar und überstreckte seinen Nacken nach hinten, sodass er ihn ansehen konnte. „Ich kenne deine Sorte Mann, Bastard. Du spielst den Eisklotz, weil es dir Angst macht, andere an dich ranzulassen. Du dominierst andere nicht, um dich stark zu fühlen, sondern um sie von dir fernzuhalten. Du wedelst mit Knochen vor ihren Nasen herum – egal, ob es Aufmerksamkeit oder Zuneigung oder dein Scheiß guter Sex ist, das sie wollen. Und wenn du sie am Haken hast, lässt du sie nach deiner Pfeife tanzen.“ Sasuke hatte sich diese kleine Ansprache angehört, weil er zu überrascht war, um zu reagieren. Jetzt verengte er die Augen und schupste Naruto von sich, sodass dieser ihn losließ. Sasuke sah ihn hochnäsig an und knurrte: „Wag das nie wieder.“ Der Blonde lachte humorlos. „Ach komm, gib endlich zu, dass du drauf stehst, wenn einer mal Konter gibt… Und ich sag‘s dir gleich: Ich bin nich dein Spielzeug.“ Bevor sein Chef etwas erwidern konnte, war ein Geräusch von der Treppe zu hören. Er trat einen Schritt von Naruto weg, doch nach wenigen Sekunden erschien lediglich Kurama in der Tür. Misstrauisch beäugte der Kater die Szene. Er setzte sich, ohne sie aus den Augen zu lassen, gerade so, als würde er darauf warten, dass die Menschen sich an die Gurgel gingen. Schnaubend wandte Sasuke sich ab, öffnete endlich den Kofferraum und wuchtete erst Narutos, dann sein eigenes Gepäck heraus. Er sperrte ab und ging auf das Tier zu, obwohl er das Gefühl hatte, es würde ihn am liebsten anspringen. Kurz starrten sie sich in die Augen, doch dann war er vorbei und stieg ohne ein weiteres Wort die Treppe hoch. Oben angekommen, schloss er einen Moment die Augen. Es wäre wohl zu leicht gewesen, wenn Naruto die Sache einfach auf sich beruhen gelassen und so getan hätte, als wäre das alles nie passiert. Nicht die Flirts, nicht die Spaziergänge im Park, nicht das Lachen an der Hotelbar oder Narutos Wunsch, ein Bett zu teilen – und ganz sicher nicht die gemeinsam verbrachte Nacht. Seine Worte hallten in Sasuke nach. ‘Spielzeug‘ – hatte er Naruto (und andere Liebhaber) tatsächlich so behandelt? Schnaubend schob er den Gedanken beiseite. Er nahm und gab genauso viel, wie er selbst wollte. Wer damit nicht zurechtkam, musste sich einen anderen Partner suchen. Und es wäre für alle Beteiligten das Beste, wenn Naruto es genau so hielt. In den folgenden Tagen war Sasuke zu eingespannt, um über sein ‚Liebesleben‘ (in extra großen Anführungsstrichen) nachzudenken. Obwohl er während des Wochenendes ein paar Mal mit dem Sensu telefoniert hatte und per Mail erreichbar gewesen war, hatte sich natürlich einiges angesammelt, das er jetzt abarbeiten musste. Erleichtert stürzte er sich in die Arbeit – und belud gleichzeitig Naruto mit so vielen Aufgaben, dass dieser gar nicht auf die Idee kam, ihn zu behelligen. Da er keine Lust hatte, mit dem Blonden zu sprechen, schickte er ihm seine Aufträge per Mail oder ließ sie durch andere Angestellte ausrichten, meistens Karin oder Shikamaru. Letzterer roch natürlich die Lunte und zog die Brauen hoch, als er mal wieder einen Aktenberg an Naruto überbringen sollte. „Warum rufen Sie Uzumaki nicht einfach hierher? Ich meine, klar ist er nervig, aber die Instruktion dauert doch nur fünf Minuten.“ „Wenn der zu Instruierende keine unnötigen Fragen stellt“, stimmte Sasuke zu, ohne von seinem Computerbildschirm aufzublicken. Er spürte Shikamarus eindringlichen Blick, doch schließlich erhob der Brünette sich mit einem Seufzen, das verdächtig nach: „So anstrengend…“, klang. „Ich richte es ihm aus. Aber ihr solltet das mal klären, was immer da zwischen euch gärt.“ Shikamaru ging zur Tür und wollte diese öffnen, wobei er fast in den nächsten Gast des Büros gelaufen wäre. Boruto wünschte ihnen guten Morgen und schob sich in den Raum. „Perfekt“, meinte Shikamaru und drückte dem Praktikanten die Unterlagen in den Arm. „Bring das für mich zu Uzumaki – du kennst ihn bestimmt, er… Sieht eigentlich aus wie du in groß“, fiel dem Personaler auf. „Eh?! Ich habe anderes zu tun!“, beschwerte der Junge sich und sah vorwurfsvoll Sasuke an. Der blickte noch immer nicht von seinem Computer auf, als er meinte: „Dann solltest du dich mit Herr Naras Auftrag beeilen.“ Das passte Boruto natürlich gar nicht, doch nachdem er sich eine Weile lautstark beschwert hatte, verschwand er aus dem Büro – nicht, ohne dessen Tür einen Tritt mitzugeben. Mit hochgezogenen Brauen sah Shikamaru seinen Chef an. „Er ist wirklich ein kleiner Klon von Naruto, oder sehe das nur ich?“ Sasuke fand das bis auf gewisse Details auch, doch da er nicht zugeben wollte, wie gut er den Animateur kannte, blockte er ab. „Das kann ich nicht beurteilen.“ „Schon klar… Bis dann“, verabschiedete Shikamaru sich jetzt doch endlich, wodurch er Sasuke einen außergewöhnlichen Moment der Ruhe ließ. Neben seiner gewöhnlichen Arbeit kümmerte er sich inzwischen nämlich um Boruto. Der Junge war zwar nach wie vor in anderen Abteilungen, um Erfahrung zu sammeln, doch zwischendurch bestand er immer wieder darauf, den Hotelbesitzer persönlich zu unterstützen. Sasuke war das als zusätzliche Arbeit ganz recht, die ihn von anderen Problemen ablenkte, weshalb er darauf einging. Heute würde Boruto allerdings darauf verzichten müssen, denn sein Arbeitgeber hatte eine Verabredung zum Lunch. Er verließ das Büro, um sich kurz frisch zu machen, dann ging er in die Stadt, in ein inzwischen vertrautes Lokal an der Promenade. Die Kellner kannten ihn mittlerweile und führten ihn direkt zu Orochimaru. Sasukes Geschäftspartner stand auf und hielt ihn etwas zu eng an sich gepresst, während er ihm Küsse auf die Wangen drückte. „Wie schön, sie zu sehen. Sie sehen großartig aus“, machte er sein fast schon obligatorisches Kompliment. Wie immer überging Sasuke die Floskel und nahm den ihm angebotenen Platz ein. Kurz darauf wurden bereits Wein und ihr Essen gebracht, die Orochimaru offenbar zuvor bestellt hatte. „Eine Flasche Wasser“, orderte der Uchiha, der keine Lust auf Alkohol hatte. Ohne auf den leicht enttäuschten Blick seines Geschäftspartners zu achten, kehrte Sasuke zu ihrem Arbeitsgespräch zurück, das der Kellner kurz unterbrochen hatte. „Ich bin nicht überzeugt. Meine Hotelbar ist keine Werbefläche.“ „Natürlich nicht. Aber der Snake Bite wäre eine kreative Erweiterung für Ihr Angebot und ein subtiler Hinweis auf das Oto.“ „Hn.“ Um sich Zeit zu verschaffen, nahm Sasuke einen Bissen seines vorzüglichen Steaks. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, etwas aus dem Club seines Partners in sein Hotel zu lassen. Doch ihm fiel kein rationales Gegenargument ein, also gab er schließlich nach. „Wir versuchen es.“ „Sehr schön! Ich bin sicher, wenn Sie gelegentlich im Oto vorbeischauen würden, wüssten Sie den Snake Bite zu schätzen. Er ist wirklich beliebt.“ Wieder beschied Sasuke sich mit einem unbeeindruckten: „Ich habe keine Zeit, auszugehen.“ Diese Zuckerpampe mochte in einer Disco gut ankommen, aber nicht in seiner Hotellobby. Er wollte dort keine Betrunkenen sitzen haben. „In Ihrem Alter muss man sich die Zeit nehmen. Sie sind nur ein Mal jung, Sasuke.“ Der Uchiha fühlte sich schon jetzt nicht mehr besonders jung. Genau genommen schlief er seit Tagen schlecht und war entsprechend reizbar. Doch das ging seinen Geschäftspartner nichts an. Dieser musterte ihn besonders intensiv und meinte schließlich lächelnd: „Wissen Sie, Sie sehen heute besonders gut aus. Ist etwas Erfreuliches vorgefallen?“ Unwillkürlich dachte Ssauke an die Nacht im Hotel mit Naruto – und ärgerte sich sofort über sich selbst. Nur deswegen sah er nicht anders aus, und besser schon gar nicht. Dieser Vorfall war nichts Gutes gewesen, sondern extrem unprofessionell, und Orochimarus Bemerkung eine seiner hohlen Schmeicheleien, sonst nichts. Er hatte zwar das Gefühl, der Alte würde es ernst meinen, verdrängte diesen Eindruck aber. „Nein“, antwortete er also kühl. Orochimaru grinste, als wüsste er es besser. „Wie schade für Sie… Trotzdem denke ich, dass Sie mal bei uns vorbeischauen sollten. Dann lässt sich auch unsere gemeinsame Party besser planen – die ich übrigens für eine hervorragende Idee halte.“ „Gemeinsame Party?“, musste Sasuke nachfragen, obwohl er es hasste, uninformiert über sein eigenes Unternehmen zu wirken. Überrascht zog sein Gegenüber die Brauen hoch. „Die Kissenschlacht Party? In Schlafanzügen?“ Sasuke hatte von dieser Idee noch nie gehört, und er fand sie bescheuert. Seine Gäste waren Mitglieder der High Society, keine Kinder auf einer Pyjamaparty. Niemand würde mitmachen, und er würde auf den Kosten sitzenbleiben, von seinem Ruf ganz abgesehen. „Wessen Idee war das?“, fragte er beherrscht, obwohl er bereits mit dem Gedanken spielte, sein ganzes Marketingteam zu feuern. „Ich muss gestehen, ich bin überrascht, Sie nicht informiert zu sehen“, erklärte Orochimaru. „Der junge Mann sagte, er riefe in Ihrem Auftrag an.“ Sasuke bekam ein ganz schlechtes Gefühl. Unmöglich. Das hätte er nicht gewagt… „Welcher junge Mann?“ „Unser Freund Naruto Uzumaki.“ Unter den zahlreichen Bezeichnungen, die Sasuke inzwischen für Naruto hatte, war „Freund“ nicht vertreten. In diesem Moment schoss ihm viel eher „anmaßende Nervensäge“ durch den Kopf. Wie konnte er sich erdreisten, ohne Sasukes Einwilligung ein solches Projekt zu organisieren? Sasuke legte das Besteck beiseite und erhob sich. „Entschuldigen Sie mich. Ich werde dieses Missverständnis sofort klären.“ Lachend griff Orochimaru nach Sasukes Handgelenk, um ihn aufzuhalten. „So arbeitswütig wie immer – das finde ich bemerkenswert. Aber die Vorbereitungen sind bereits abgeschlossen.“ „Ich ersetze Ihnen alle Ausgaben.“ „Die Feier findet diesen Samstag statt, Sasuke“, erklärte Orochimaru amüsiert und fing an, beruhigend Sasukes Hand mit dem Daumen zu streicheln. „Diese Veranstaltung wird stattfinden, und ich persönlich denke, dass sie ein großer Erfolg wird. Vertrauen Sie dem Jungen erstmal. Ich bin sicher, er wird Sie positiv überraschen.“ Ein Vertrauensvorschuss… Als ob Naruto das verdient hätte, nachdem er Sasuke dermaßen hintergangen hatte. Doch ließ er sich seinen nach wie vor schwelenden Zorn nicht anmerken, als er wieder platznahm. Es war unprofessionell, sich seiner Wut hinzugeben. Und außerdem saß nicht der Richtige vor ihm. Später würde er noch ein Mitarbeitergespräch führen müssen. Die Damen am Empfang warfen sich alarmierte Blicke zu, als ihr Chef wortlos an ihnen vorbeirauschte, anstatt auf ihr geflötetes: „Willkommen zurück, Herr Uchiha!“, zu reagieren. Aber Sasuke war wirklich nicht in der Stimmung für bedeutungslose Höflichkeiten. Und noch viel weniger für seine Exfrau, deren Namen er auf der Anrufliste sah, als er sein Handy aufklappte. Er drückte die entgangenen Anrufe weg und schrieb einer gewissen blonden Nervensäge: „13 Uhr. Mein Büro.“ Das gab Naruto ungefähr zehn Minuten, um zu beenden, was immer er tat, und am Treffpunkt zu erscheinen. Natürlich war das utopisch. Genau genommen war Sasuke sogar recht sicher, dass der Animateur um diese Uhrzeit einen seiner Kurse leitete – Wasseraerobic oder Standardtanz oder was er eben so anbot. Aber das war Sasuke nur recht. Er wollte noch mehr Gründe, um auf seinen Angestellten sauer zu sein. Zu seiner größten Verärgerung schaffte Naruto es jedoch, um kurz nach eins außer Atem vor seiner Tür zu erscheinen. Schade eigentlich. „Setzen“, blaffte er trotzdem. Naruto zog die Brauen hoch und fragte: „Was für ne Laus is dir denn über die Leber gelaufen?“, während er dem Befehl nachkam. Sasuke ignorierte den unpassend-vertrauten Tonfall, während er ebenfalls platznahm. „Der Geschäftspartner des Sensu, Orochimaru, erwartet am Samstag eine Feier in seinem Haus. Unter dem Motto ´Kissenschlacht`.“ Sasuke verstummte, um seinem Angestellten die Möglichkeit zu einer Erklärung zu geben. Narutos Augen leuchteten auf und er rutschte aufgeregt an den Rand seines Stuhles. „Ja. Ist das nicht cool?“ „Warum weiß ich davon nichts?“, wollte der Hotelier kalt wissen, und sein schneidender Ton filetierte Narutos Grinsen zu einem dümmlichen, verwirrten Lächeln. „Du warst so beschäftigt, und da dachte ich…“ „Du dachtest, du setzte einige Tausende in den Sand“, unterbrach Sasuke ihn. „Falsch gedacht.“ Naruto verzog ärgerlich das Gesicht. „Hör mal, du warst derjenige, der mich ständig weggeschickt und Anrufe ignoriert hat. Wie hätte ich dir das bitte mitteilen sollen, wenn du Schiss hast, mit mir alleine zu sein oder auch nur mit mir zu reden?“ „Wieso sollte ich Angst vor dir haben?“ Die beiden sahen sich an, dann stand Naruto langsam auf. Während er den Tisch umrundete, legte sich ein dämliches, gewinnendes Lächeln auf seine Züge. „Komm schon, Sasuke. Vertrau mir. Das ist eine super Idee.“ Da war es schon wieder, dieses Wort ´Vertrauen`. Aber wieso sollte Sasuke ihm das gewähren? Die ganze Situation sprach nicht für Naruto als Vertrauten, und außerdem brauchte der Hotelier keine Hilfe. „Scheinbar lässt sich nichts mehr daran ändern“, blockte er daher ab. „Aber darum geht es nicht. Du wirst keine Schnapsideen in die Wege leiten, ohne mich um Erlaubnis zu bitten. Das hier ist mein Hotel.“ „Das ist keine Schnapsidee“, schmollte Naruto beleidigt und lehnte sich an den Tisch, direkt vor Sasuke, dem es nicht sonderlich gefiel, zu seinem Angestellten aufblicken zu müssen. „Und wenn du willst, dass man sich mit dir abspricht, solltest du nicht alle Gesprächsversuche abblocken.“ Sie wussten beide ganz genau, wieso Sasuke ein Gespräch bisher vermeiden hatte, doch er hatte keine Lust, es laut zu sagen, also drehte er abweisend das Gesicht zur Seite. „Es steht dir nicht zu, meine Methoden zu kritisieren, Uzumaki.“ „Wieso nicht?“, fragte der und griff nach dem Kinn seines Chefs, um Sasuke dazu zu zwingen, ihn anzusehen. „Hast du Angst, dass ich was Sinnvolles sagen könnte?“ „Darum muss ich mir bei dir keine Sorgen machen“, knurrte Sasuke, ohne sich von dem anderen loszumachen. Sein ganzer Körper war angespannt und bereit zum Angriff. „Arschloch“, knurrte Naruto ein wenig halbherzig, während sein Blick in den von Sasuke verbohrt war. Dann, fast so, als hätten sie sich abgesprochen, griffen sie nacheinander und küssten sich. Dieselbe Erregung wie am Tagungswochenende brannte durch Sasukes Körper. Ohne es zu merken war er aufgestanden und presste den anderen gegen seinen Schreibtisch, ein Knie zwischen Narutos Beinen, der sich willig an ihm rieb. Und was für Geräusche dieser vorlaute Mund von sich geben konnte! Das Stöhnen des anderen, gedämpft von ihren ineinander verschlungenen Zungen, machte ihn fast wahnsinnig. Mit Sicherheit hätte Sasuke alle Vorsicht fahren lassen und den anderen noch auf seinen offenliegenden Dokumenten gefickt, hätte nicht in diesem Moment sein Handy in der Hosentasche geklingelt. Als Sasuke sich schwer atmend von Naruto löste, griff der Blonde nach seiner Krawatte und zog ihn wieder näher. „Geh nich ran…“, verlangte er und wollte ihn wieder küssen, doch der Uchiha schob ihn von sich. Er trat einen Schritt zurück und musterte den völlig zerzausten Mann auf seinem Schreibtisch, dann wandte er sich ruckartig ab, zog das Handy aus der Hose und blaffte: „Ja?“, ohne zu schauen, wer überhaupt anrief. „Wenn du so eine Laune hast, hättest du mich lieber weiter ignoriert.“ Sasuke schloss die Augen und holte tief Luft. Seine Exfrau hatte ihm gerade noch gefehlt. „Was ist?“, fragte er knapp. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Naruto sich wieder halbwegs präsentabel machte, nachdem er kurz gewartet hatte, ob Sasuke nicht doch zu ihrer vorigen Beschäftigung zurückkehren würde. „Es geht um Sarada…“ „Schon wieder?“ „Stell dir vor, deine Tochter ist seit unserem letzten Gespräch nicht gestorben.“ Es war nun wirklich nicht seine Schuld, dass er keinen Kontakt zu dem Mädchen hatte. Doch Sasuke hatte keine Lust, darüber zu diskutieren. Er sah zu, wie Naruto ihn schulterzuckend angrinste und das Büro verließ. Der Anblick seines Hinterns in den perfekt sitzenden Jeans, als er ging, steigerte Sasukes Frustration extrem. „Ich bin beschäftigt, Sakura.“ „Sie ist weggelaufen“, erklärte diese kurz. Effektvoll schwieg sie genau so lange, wie Sasuke brauchte, um diese Information zu verarbeiten, bevor sie erklärte: „Die Polizei hat sie am Hauptbahnhof gefunden. Sie wollte nach Konoha.“ Sasuke war in diesem Alter selbst ein paarmal von zu Hause ausgebüchst. Weil er sich ungerecht behandelt fühle, aus Minderwertigkeitskomplexen gegenüber seinem Bruder, weil er anfing zu verstehen, dass er anders war, als er sein sollte, und sich missverstanden fühlte. Ob das normal für Jugendliche war, konnte er nicht sagen, immerhin war er nie normal gewesen. Allerdings war Sasuke durchaus bewusst, worauf Sakura hinauswollte. Sie war mit ihrer Tochter aus Konoha weggezogen, nachdem das Paar sich getrennt hatte. Jetzt lebten Sarada und seine Exfrau in einem Ort etwa zwei Stunden entfernt von der Hauptstadt. Soweit er wusste, hatte die jüngste Uchiha ihren Geburtsort seither nicht mehr besucht. „Was will sie von mir?“, fragte Sasuke, da die einzig logische Erklärung für dieses Reiseziel ein Besuch bei ihrem Vater zu sein schien. „Sie wollte ihren Vater kennenlernen, Sasuke-kun“, erklärte Sakura resigniert. „Ist das wirklich so schwer zu verstehen?“ „Ich verstehe.“ Sie wartete, fuhr aber fort, als sonst nichts mehr kam: „Ich dachte… Bald sind ja Sommerferien, und da könnte sie dich doch besuchen. Ihr könntet ein oder zwei Wochen miteinander verbringen – oder erstmal nur ein Wochenende.“ Sasuke hörte auf, an der Mail zu schreiben, die er gerade verfasst hatte, und setzte sich auf. Es war Sakura gewesen, die ihm den Kontakt zu Sarada verboten hatte. Sie hatte nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, nachdem sie sich getrennt hatten, und das Mädchen sogar ihren Großeltern und ihrem Onkel vorenthalten. Es war nicht so, als hätte Sasuke diese Maßnahme nicht verstanden; Sakura hatte sich und ihre Tochter schützen wollen. Doch dass sie ihm den Kontakt zu einer inzwischen völlig fremden Dreizehnjährigen aufzudrängen versuchte, nervte ihn. Und was anderes als aufdrängen war dieses ´Angebot`? Wenn er ablehnte, wäre er immerhin der Böse. Er konnte den vorwurfsvollen Blick seiner Mutter schon ganz genau vor sich sehen, ignorierte ihn aber, als er sagte: „Während der Saison habe ich keine Zeit für Besuch.“ „Also ist dir die Arbeit immer noch wichtiger als die Familie“, schlussfolgerte Sakura bitter, womit ihr Exmann schon gerechnet hatte. Sie gab ihm kurz Zeit, sich zu rechtfertigen oder einzulenken, was er natürlich nicht tat, dann resignierte sie. „Na schön… Dann vielleicht im Herbst, wenn du mehr Zeit hast.“ „Ja.“ „Weißt du…“ Sie zögerte, bevor sie ihren Gedanken aussprechen konnte. „Ich bin sicher, sie würde sich darüber freuen. Also lass diese Idee nicht im Sande verlaufen.“ Sasuke gab ein undefinierbares Geräusch von sich, um anzudeuten, dass er sie gehört hatte. „War das alles?“ „Wa…? Oh, ja… Ja. Danke, dass du dir Zeit genommen hast. Bis dann, Sasuke-kun.“ Sie legte auf und er starrte kurz genervt sein Handy an, bevor er sich wieder seiner Arbeit widmete. Dieses nutzlose Gespräch hatte ihn fast eine halbe Stunde und den Fick seines Lebens gekostet. Dicke Rauchschwaden zogen in den Himmel und verhingen den violetten Sonnenuntergang über dem Meer. Sasuke nahm noch einen Zug von seiner Zigarette und wunderte sich, dass er überhaupt etwas ausblies, so tief, wie er einatmete Er ließ den Kopf gegen die Lehne seiner bequemen Gartenliege aus schwarzem Rattan sinken und schloss die Augen. Was für ein Tag. (Das dachte er zurzeit ziemlich oft, fiel dem jungen Geschäftsmann auf.) Kurz nach diesem unbefriedigenden Gespräch mit Sakura war Boruto wieder aufgetaucht und hatte Beschäftigung gewollt, was hieß, dass er seine Arbeit nicht in Ruhe hatte erledigen können. Am Nachmittag hatte er eine Beschwerde wegen Ruhestörung bekommen und das Zimmer eines Gastes aufsuchen müssen. Bei diesem handelte es sich um einen alternden Rapper, der auf die Fragen und Bitten des zunehmend gereizten Hoteliers ständig in Reimen geantwortet hatte. Sasuke hatte ihn bereits ein paar Mal in Begleitung einer gewissen blonden Nervensäge gesehen, was seine Meinung über „Killer B“, wie er sich selbst nannte, nicht gerade verbesserte. Und da war schon das letzte und brisanteste Problem: Naruto. Diesmal hatten sie zwar keinen Sex gehabt, aber das war nur einem Zufall und Sakuras schlechtem Timing zu verdanken. Naruto wusste ganz genau, was er tat, und es ließ Sausuke die Kontrolle verlieren. Allerdings nicht nur im Bett, sondern über die gesamte Situation, und das gefiel dem Hotelier gar nicht. Normalerweise war sein Wort Gesetz. Wenn er sagte, dass etwas vorbei war, war es das. Aber etwas in Narutos Wesen riss in unwiderstehlich mit sich. Inzwischen verstand er wirklich gut, was all diese Frauen an dem chaotischen, lauten, frechen Mann fanden. Doch da eröffnete sich eine weitere Dimension des Problems (als würde es nicht reichen, dass er Sasukes Angestellter war): Das im besten Fall als „ausschweifend“ zu bezeichnende Liebesleben des Animateurs ekelte seinen Chef an. Er sah es als Privileg, wenn er jemandem erlaubte, ihn anzufassen, und die Vorstellung, dass sein Partner seine Finger ständig sonst wo hatte, war abturnend. Wobei das wohl so ziemlich das einzige war, das er im Entferntesten „abturnend“ an Naruto nennen konnte. Nichts an dem Blonden war sein Typ, von der unordentlichen Kleidung über die schlechte Rasur bis hin zu den ungekämmten Haaren, doch er machte Sasuke einfach wahnsinnig an. So hatte er sich nicht mal als Teenager gefühlt, und es kratzte an seinem Stolz. Genervt stieß er den Rauch zwischen den Zähnen aus. Er brauchte dringend Ablenkung von diesem Thema. Außerdem war er überarbeitet. Das wurde ihm klar, als er später beim Abendessen erfolglos versuchte, sich auf ein Buch zu konzentrieren. Seine letzten freien Tage waren an dem Wochenende gewesen, als er vor Saisonbeginn seine Eltern besucht hatte, aber bei ihnen fiel es ihm immer schwer, sich zu entspannen. Seine Mutter war zwar die perfekte Gastgeberin und sein Vater war weitestgehend zufrieden mit Sasukes Lebenswandel. Doch fühlte er sich in ihrer Finka immer an den Leistungsdruck seiner Kindheit erinnert. Jetzt konnte er damit umgehen, doch als Junge und Teenager wäre er beinahe daran zerbrochen, vor allem, als er merkte, dass er nicht das sein konnte, was die Gesellschaft als ´perfekt` bezeichnete. Er konnte mit guten Noten glänzen (wenn auch nie so hervorragenden wie die von Itachi) und wurde ein kompetenter Geschäftsmann. Doch zu einem Leben als Ehemann und Vater hatte er sich zwingen müssen – was nicht sonderlich lange geklappt hatte, wie man an der Scheidung kaum sieben Jahre nach der Hochzeit dachte. Über all das hatte Sasuke schon seit Jahren nicht mehr so intensiv nachgedacht. Er hatte sich den Umständen angepasst und jetzt keine Lust, weiter darüber zu grübeln. Er brauchte einen freien Kopf, und obwohl er seine Probleme normalerweise nicht mit Alkohol ersäufte, erschien ihm die Aussicht auf einen Drink extrem verführerisch. Also zog er ein lockeres, lilanes Shirt, schwarze Jeans und Lederschuhe an, bevor er sein Haar vor dem Spiegel gekonnt unordentlich zu Recht zupfte. Als er nach einer schlichten Silberkette und einem schwarzen Lederarmband griff, fiel sein Blick auf seinen Ehering, der bei seinem anderen Schmuck lag. Während sein Ring in schlichtem Gold gehalten war, hatte Sakuras Pendant einen Brillanten in der Mitte. Er hatte Silber schon immer bevorzugt, doch es war ihm zu kalt erschienen für seine Exfrau. Resolut klappte Sasuke die Schatulle zu und verließ das Hotel. Niemand beachtete ihn auf dem Weg nach draußen; er sah aus wie jeder andere halbwegs wohlhabende Urlauber, zumal keiner seiner Angestellten ihn je in Freizeitkleidung gesehen hatte – von Schmuck ganz zu schweigen. Sein Weg führte ihn auf Konohas Partystraße. Obwohl er sich hier nicht oft aufhielt, verfügte er über gute Ortskenntnisse. Er konnte jedem Gast einen Club empfehlen, je nach Budget, Partylaune, Gästeliste und sexueller Orientierung. Einen Moment überlegte Sasuke, in einen Schwulenclub zu gehen, doch wenn er darüber nachdachte, hatte er keine Lust, jemanden aufzureißen. Sein kleines Abenteuer mit einem gewissen Blondschopf zeigte ihm, dass er alleine besser aufgehoben war. Liebschaften machten ja doch nur Ärger. Also lenkte er seine Schritte zu seinem ursprünglichen Ziel; der verglasten Wendeltreppe des Oto. Er war ein wenig überrascht, als die Kassiererin ihn durchwinkte, ohne ihm den stolzen Eintrittspreis abzuknöpfen. Doch als er an der Bar mit Namen angesprochen wurde, ging ihm auf, dass Orochimaru seine Angestellten darauf getrimmt haben musste, Sasuke als Geschäftspartner zu erkennen. Einerseits hatte Sasuke natürlich nichts gegen Gratisdrinks. Andererseits war ihm das zu viel Aufmerksamkeit. Doch bevor er zu einem Urteil kommen konnte, saß er bereits an einer Bar und ein extra großer Bloody Mary stand vor ihm. Da es dumm gewesen wäre, seinen Lieblingscocktail zurückgehen zu lassen, nickte er der knapp gekleideten Barfrau zu. Immerhin war er hier, um sich zu betrinken. Nach ein paar Schlucken wandte Sasuke sich von der Bar ab, um das Publikum zu beobachten. Es waren hauptsächlich junge Leute aus gutem Hause da, die sorglos das Geld ihrer Eltern vertranken, aber auch ein wenig Prominenz. Das bedeutete, dass alle diskret feiern wollten, und Sasuke sich keine Sorgen machen musste, besonders beachtet zu werden. Nachdem sein Glas geleert war, war Sasuke betrunken genug um zu überlegen, ob er nicht Naruto in seine Wohnung bestellen sollte. Bei dem Animateur konnte er immerhin sicher sein, sexuell auf seine Kosten zu kommen, was bei einer neuen Eroberung fragwürdig war. Sasuke war ziemlich anspruchsvoll, auch in sexueller Hinsicht. Doch als er ausgetrunken hatte und aufstehen wollte, stellte man ihm bereits das nächste Glas hin. Inzwischen war Sasuke dieser Zwang zu trinken angenehm egal. Mit dem Drink in der Hand wandte er sich wieder der Tanzfläche zu. Genau im richtigen Moment, um zu beobachten, wie ein junger Mann sich zielstrebig in seine Richtung schob. Sasuke trank einen Schluck und überlegte, ob die Bezeichnung ‚Mann‘ überhaupt zutraf, denn er schätzte, dass der Fremde, der sich gerade selbstsicher vor ihm aufbaute, noch nicht volljährig war. „Orochimaru lädt dich ins Séparée“, verkündete das Jüngelchen, ohne mit einer Begrüßung Zeit zu verschwenden. Er hatte schwarze Haare, intensiv-blaue Augen und kam Sasuke vage bekannt vor. Allerdings dauerte es ein wenig, bis ihm einfiel, dass der Junge bei der Saisoneröffnungsparty als Barkeeper gearbeitet hatte. Als Sasuke aufstand, schob der andere sich mit verblüffender Selbstverständlichkeit unter seinen Arm und führte ihn durch die Feiernden. Niemand beachtete die beiden eng umschlungenen Männer, und Sasuke ging auf, dass so etwas hier ein normaler Anblick war. Offensichtlich war es Orochimaru gelungen, jenseits der einschlägigen Viertel einen Club zu gründen, in dem Heteros, Schwule, Lesben und alles dazwischen ohne schräge Blicke friedlich koexistieren konnte. In dieser Hinsicht war das Oto eine Art Utopie, und Sasuke war ein wenig beeindruckt. Seinen jungen Führer hätte Sasuke eigentlich nicht gebraucht. Er hatte den Club eingehend begutachtet, bevor er sich zu der Zusammenarbeit mit Orochimaru entschlossen hatte. Gegenüber der Bar, an der Sasuke gesessen hatte, jenseits der zwei Tanzflächen, befand sich der VIP-Bereich, in dem besonders gut betuchte Gäste oder Stars in Ruhe feiern konnten. Von dort aus führte eine Tür in Orochimarus Privaträume und Büros. Der Gorilla im Anzug, welcher den Aufgang bewachte, beachtete Sasuke und den Jungen nicht, als sie durch die Tür in ein enges, schummrig beleuchtetes Treppenhaus traten. Sein Begleiter nahm die Hand des Uchiha und ging voraus, bis sie zu einer Galerie gelangten. Diese zog sich auf Höhe des ersten Stocks um den ganzen Tanzbereich. Von hier aus konnte man den Gästen zusehen, ohne selbst entdeckt zu werden, denn die bodentiefen Fenster waren verspiegelt. Der Flur war schmal, tunnelartig und düster. Schließlich gelangten sie zu einem Raum, an dessen Tür der Junge klopfte. Sie wurden hereingebeten und fanden sich in Orochimarus Büro wieder. Sasuke erinnerte sich düster, bereits hier gewesen zu sein, aber seine Gedanken fühlten sich seltsam unzusammenhängend an. Es fiel ihm sogar schwer, den Clubbesitzer hinter seinem imposanten Schreibtisch im Fokus zu behalten. Neben dem Arbeitsplatz gab es eine schwarze Ledercouch, und die Wände waren mit pseudo-orientalischem Golddekor behangen. Die schwarz gestrichenen Wände wurden von indirektem lilanen Licht erhellt und waren mit Fotos des Inhabers mit diversen Berühmtheiten behangen. Die meisten von ihnen waren junge, sehr attraktive Männer, wie Sasuke auffiel. „Ah, Sasuke!“, rief Orochimaru und kam um den Schreibtisch, um seinen Gast zu begrüßen. Ein wenig missbilligend sah er von Sasukes leeren Händen zu dem Jungen, der abwartend neben der Tür stand. „Wie ich sehe, haben Sie gar nicht zu trinken.“ „Er hat sein Glas an der Bar gelassen“, erklärte der Bursche kühl. „Erlauben Sie Menma, Ihnen einen neuen Drink zu mischen. Er ist in vielerlei Hinsicht begabt.“ Als Sasuke nickte, ging der Junge zu einer gut ausgestatteten Bar in der Zimmerecke, während die älteren Männer sich auf der Couch niederließen. Orochimaru fing an, über das Geschäft zu reden, doch sein Gast beobachtete Menma. Erst jetzt fiel ihm die Kleidung des Barkeepers auf. Er trug nur halb geschnürte Stiefel, enge Destroyed Jeans und ein Oberteil aus durchsichtigem Stoff, unter dem seine Nippelpiercings zu sehen waren. Zwischen diesen baumelte eine Kette. Um seinen noch kindlich schlanken Hals schlang sich ein breites Lederband mit einem Silberring, an dem der Junge immer wieder zupfte, als wäre das Schmuckstück ihm zu eng. „Gefällt er dir?“, fragte Orochimaru unvermittelt und lächelte Sasuke nachsichtig an. „Natürlich ist er mit 16 eigentlich etwas jung, um bei uns zu arbeiten, aber er ist sehr begabt, wie du feststellen wirst, wenn du ihn gekostet hast.“ Sasuke runzelte die Stirn wegen dieser Ausdrucksweise, doch da hielt Menma ihm stumm einen Drink hin, der Orochimarus Worte einen normalen Sinn gab. Ohne den Jungen aus den Augen zu lassen, nahm Sasuke einen Schluck. Er hatte nie viel für Süßes oder Alkohol übrig gehabt, doch er kannte sich gut genug aus, um zu merken, dass der Kleine Talent hatte. Mit seinem Aussehen könnte er ein Vermögen hinter der Bar verdienen, sobald er 18 war. Vermutlich wusste Orochimaru das. Sobald die Getränke serviert waren, zog Menma sich an die Tür zurück. Sasuke trank noch einen Schluck, bevor er sich seinem Gastgeber zuwandte, wobei er feststellte, dass dieser ihn beobachtete. Normalerweise hatte er ein untrügliches Gespür dafür, wenn man ihn anstarrte, und dass er Orochimarus Blick nicht bemerkt hatte, irritierte ihn. Er war wohl betrunkener als er selbst bemerkt hatte. „Was?“, fragte Sasuke gereizt und sah zur Seite. „Nicht doch!“, rief Orochimaru und fasste an sein Kinn, um sein Gesicht wieder zu sich zu drehen. Normalerweise hätte Sasuke ihn zurechtgewiesen, doch jetzt starrte er nur in das blasse, attraktive Gesicht des anderen. Sein Kopf fühlte sich schwer an, und er war fast froh um die Stützte, welche die Finger des anderen ihm boten. „Verzeih mein Starren, aber du hast mir schon immer ausgesprochen gut gefallen, Sasuke.“ „Ich weiß“, lallte der Angesprochene. Er blinzelte, um Orochimaru nicht mehr doppelt zu sehen, aber es half nichts. Sein lachendes Gesicht schien an den Rändern zu verwischen, und der Finger, der über Sasukes Lippen strich, fühlte sich unwirklich an. „Sogar deine Arroganz steht dir. Du bist in jeder Hinsicht perfekt, Sasuke.“ Sasukes Kopf schlingerte zur Seite, doch Orochimarus Griff um sein Gesicht wurde fast schmerzhaft fest, um ihn auf Position zu halten. Dabei schnalzte der Ältere missbilligend mit der Zunge. „Nana, etwas mehr Beherrschung. Ich wollte das hier eigentlich nicht tun, Sasuke. Mir gefällt dein Widerwille und Stolz. Aber wenn du dich freiwillig hierher begibst, muss ich davon ausgehen, dass du es eigentlich willst.“ „Nein“, antwortete Sasuke instinktiv und kniff die Augen zusammen, als die Nägel des anderen plötzlich unangenehm fest in seine Haut schnitten. „Ah, deine Widerspenstigkeit ist wirklich anregend. Sie bringt mich dazu, dich… Erziehen zu wollen.“ Sasuke öffnete den Mund, obwohl er nicht wusste, was er sagen sollte. Aber bevor er seinen Widerwillen ausdrücken konnte, hatte Orochimaru sich vorgebeugt und die Lippen auf seine gepresst. Als hätte er darauf gewartet, fielen dem Uchiha die Augen zu und sein halb artikulierter Protest wurde ein williges Stöhnen. Orochimarus Zunge schob sich wie ein Fremdkörper in seine Mundhöhle, aber in diesem Moment begrüßte Sasuke sie. Die Gänsehaut, die sich gerade auf seinen Armen bildete, brachte er nicht mit dem unerwünschten Speichelaustausch in Verbindung. Er hatte keine Lust, darüber nachzudenken, was er wollte – dazu war sein Kopf sowieso viel zu konfus. Viel einfacher war es, dem anderen die völlige Kontrolle über sich zu überlassen. Das nächste, an das Sasuke sich erinnerte, war eine knochige Schulter, die ihn durch den viel zu heißen Clubraum des Oto schleifte. Die Kontaktlinsen brannten ihm in den Augen und er musste mehrmals blinzeln, um richtig sehen zu können. Dicht neben ihm nahm er schwarzes Zottelhaar wahr. Viel zu dicht, sodass er versuchte, sich aufzurichten. Allerdings schienen seine Glieder nicht so recht gehorchen zu wollen, und die schlanke Hand an seiner Seite hatte keine Schwierigkeiten, ihn an Ort und Stelle zu halten. Sasukes Zunge fühlte sich schwer an, als er lallte: „Lass mich los…“ Der Junge schnaubte und zog tatsächlich den Arm zurück. Sie waren gerade auf der Treppe, die zur Straße führte, und jetzt, wo Sasuke versuchte, die Stufen alleine zu bewältigen, wurde ihm bewusst, dass seine Beine die Konsistenz von Marshmallows hatten. Menma versuchte nicht, nach ihm zu greifen, als sich Sasuke mit zusammengepressten Lippen Stufe um Stufe nach unten kämpfte. Er beobachtete ihn schweigend aus seinen Eisaugen, offensichtlich bereit, ihn mit seinen dünnen Armen aufzufangen, sollte es nötig sein. Doch Sasuke biss die Zähne zusammen und gelangte nach einer gefühlten Ewigkeit auf die sichere Straße vor dem Otogakure. Zu dieser Zeit war die Straße beinahe ausgestorben, sodass niemand Sasukes Eiertanz bemerkt hatte. Nur der schwarz gekleidete Fahrer eine Limousine beobachtete sie. Als er die Augen leicht zusammenkniff, erkannte Sasuke ihn als Kabuto. „Ach, ist die Prinzessin erwacht?“, schnarrte der Brillenträger. Menma öffnete die Tür des Wagens und befahl Sasuke einzusteigen, als der sich nicht rührte. Etwas sanfter fügte er hinzu: „Komm. Du kannst nicht laufen.“ „Ein Spaziergang täte ihm sicher gut“, mischte Kabuto sich ein. Er packte Sasuke am Kopf und schob ihn einfach ins Wageninnere, ohne sich von der schwachen Gegenwehr beeindrucken zu lassen. Auf der Rückbank sackte Sasuke in sich zusammen wie eine Gummipuppe, aus der man die Luft gefickt hatte. Gegen das Drehen in seinem Kopf schloss er die Augen. Dann rührte er sich nicht mehr. Sasuke wusste nicht, wie viel Zeit verging, bis die Fahrertür geöffnet wurde. Aber als der Motor schnurrend zum Leben erwachte, fühlte sich die sanfte Vibration an, als wäre das Auto ein wildes Tier, das versuchte, ihn abzuschütteln. Am liebsten hätte er sich im Fußraum zu einer Kugel zusammengerollt, aber er kratzte sein letzte Bisschen Würde zusammen und richtete sich auf. Kabuto beobachtete ihn im Rückspiegel. „Ich verstehe wirklich nicht, was er an dir findet. Du bist nichts als ein störrisches Riesenbaby.“ So direkt hatte Kabuto das noch nie gesagt, obwohl Sasuke wusste, dass er so dachte. Gerade war s ihm sogar noch gleichgültiger als sonst. Er wollte nur ins Bett. Als er keine Antwort bekam, schwieg der Fahrer. Sasuke schlief fast sofort ein und wachte erst auf, als der Wagen hielt. „Sieht aus, als würdest du gebraucht werden“, kommentierte Kabuto feixend das Blaulicht, das sie auf der Straße begrüßten. Das Flimmern verstärkte Sasukes Kopfschmerzen, und es dauerte lange, bis er realisierte, was es bedeutete. Polizei. Vor seinem Hotel. Am liebsten hätte er es ignoriert und sich in sein Bett geschlichen, doch selbst in dieser Situation hob sein Pflichtbewusstsein träge den Kopf. Irgendjemand schien ihm heute wirklich keine Ruhe zu gönnen. Während sein Fahrer ausstieg, um ihm die Tür zu öffnen, zählte Sasuke angestrengt drei Streifenwagen. Es musste etwas Größeres vorgefallen sein, und das erste, das ihm einfiel, war, dass dieser dumme Junge von einem Praktikanten sich doch noch umgebracht hatte, indem er in den Pool gesprungen war. Kabuto öffnete die Tür und blickte zum Hoteleingang, während Sasuke sich aus dem Wagen kämpfte. „Ich wäre ja fast versucht, mit hochzukommen und zu sehen, was da los ist… Aber ich schätze, das erfahre ich morgen früh aus der Zeitung. Eine geruhsame Nacht, wünsche ich.“ Sasuke sah ihm nicht nach, als er wieder in den Wagen stieg, sondern machte sich daran, die drei Stufen zur Tür zu erklimmen. Im Foyer hatten sich Schaulustige versammelt, sodass er etwas brauchte, bis er erkannte, wie die Polizisten einen Mann abführten, den er als Gast des Hotels erkannte. Er versuchte, seine sprunghaften Gedanken zu sammeln, und trat zu einer Gruppe am Rand der Ansammlung, um niemand bestimmten zu fragen: „Was ist passiert?“ Zuerst verkam er nur unverständliches Gemurmel von seinen Angestellten, die überrascht und verwirrt davon schienen, dass ihr Chef plötzlich vor ihnen stand. Normalerweise wäre er ungeduldig geworden, doch jetzt sah er seltsam gleichgültig der Verhaftung zu. Er fühlte sich losgelöst von der Szene, als würde sein Geist beobachten, wie der farbige Mann sich lautstark und wortreich den Beamten widersetzte. „Das ist dieser Rapper, auf den die Teenager gerade so stehen“, wagte schließlich eine Empfangsdame zu erklären. „Man hat Drogen in seiner Suite gefunden.“ Alle sahen Sasuke an, als erwarteten sie einen gesalzenen Wutanfall, aber Sasuke nickte nur. Die Polizisten waren inzwischen an der Tür angekommen, und er hoffte, bald ins Bett zu können, wenn sie weg waren. „Willst du nichts sagen?“ Erst fühlte Sasuke sich von der vorwurfsvollen Stimme nicht angesprochen, dann spürte er den vorwurfsvollen Blick auf sich. Blinzelnd fokussierte er den Blick und sah Naruto direkt vor sich. Dieser hatte ihm gerade noch gefehlt. „Er ist unschuldig!“, platzte der Blonde so laut heraus, dass seinem Chef der Kopf zu platzen schien. Dabei wies er auf die Tür, durch die die Polizisten mit dem Musiker verschwunden waren. „Jemand hat ihm das untergejubelt! B würde sowas nicht anrühren!“ „Ah“, machte Sasuke, der schon wieder blinzeln musste, weil Naruto an den Rändern auszufransen schien. Seine Beine fühlten sich schwach an, und er fasste nach dem Tresen hinter sich, griff aber daneben und stolperte. Sofort war eine Hand an seiner Schulter, die ihn stützte, und in diesem Moment waren ihm die Blicke egal, die das Zeichen der Schwäche sahen, als er die Finger nicht wegstieß, sondern sich gegen sie stützte. ~*~ „Sas?“, fragte Naruto, dessen Stimme innerhalb von Sekunden von Wut zu Sorge umschlug. Er war bissige Antworten und unerschütterliches Selbstvertrauen von seinem Chef gewohnt, und jetzt konnte der Uchiha nicht mal geradeaus schauen. Als er keine Antwort bekam, trat er näher und schob den Arm um Sasukes Taille. Fiebrige Augen blickten zu ihm auf, obwohl ihr Besitzer eigentlich der Größere war, so zusammengesunken war er. Er sah aus, als würde er sich gleich übergeben. „Was hast du denn gemacht?“, fragte Naruto, belustigt, weil er nie im Leben damit gerechnet hätte, seinen Chef mal derart betrunken zu erleben. „Bett“, war alles, was Sasuke dazu zu sagen hatte. Naruto verzog das Gesicht. Solange der arrogante Sack noch Befehlen konnte, konnte es ihm gar nicht so schlecht gegen. Bevor er das jedoch sagen konnte, trat ein Beamter auf sie zu. „Sasuke Uchiha?“ Der Angesprochene richtete sich ein wenig auf, nickte. „Sie sind hier Geschäftsführer, wurde mir gesagt. Können Sie einige Fragen beantworten?“ Sasuke wollte zustimmen, aber Naruto ging dazwischen. „Sehen Sie nicht, dass es ihm nicht gut geht? Sie können doch morgen mit ihm reden.“ „Und Sie sind?“, fragte der Polizist, mit kühl hochgezogenen Augenbrauen Narutos Arm musternd, der noch immer um Sasuke gelegt war. „Naruto Uzumaki. Ich bin ein Freund.“ Sasuke warf ihm einen verwirrten Blick zu, den er ignorierte. Der Uchiha war sowieso zu erschöpft, um gegen die Bezeichnung zu protestieren. Der Polizist musterte Sasuke, wobei er wohl einsah, dass eine Befragung im Moment wenig Sinn hatte. Ein wenig genervt nickte er schließlich. „Schön. Wir kommen morgen auf Sie zurück… Wahrscheinlich bringen Sie ihn am besten ins Bett“, fügte er an Naruto gewandt hinzu, bevor er seinen Kollegen folgte, die das Hotel räumten. Naruto wäre ihnen am liebsten gefolgt, um weiter gegen Bs Verhaftung zu protestieren, aber Sasuke schien ihm das dringlichere Problem. Bs Anwälte würden sich um den Rapper kümmern, aber sein Chef wirkte nicht, als könnte er es alleine in sein Appartement schaffen. Sasuke hing an seinem Arm und versuchte, gerade zu stehen, so lange die Polizisten im Haus waren und seine Angestellten aufgeregt tuschelten. Dass er sie nicht zur Arbeit antrieb, war für Naruto der beste Beweis dafür, wie schlecht es seinem Arbeitgeber wirklich ging. Bevor die Hotelbelegschaft bemerken konnte, dass Sasuke betrunken war, fasste Naruto einen Entschluss. „Hier wird nix mehr passieren“, bemerkte er an ein Grüppchen in der Nähe gewandt, das besonders neugierig gaffte. „Ich glaube, ich pack’s mal ins Bett.“ Eine Frau hatte den Anstand, rot zu werden, doch ihre männlichen Umstehenden fühlten sich angegriffen und warfen ihm wütende Blicke zu. Nur Sasuke neben ihm ließ sie die Klappe halten. Die Gruppe löste sich auf und das Foyer leerte sich langsam. Naruto nutzte die Gelegenheit, sich Sasuke zu schnappen und im nächsten Aufzug zu verschwinden. Trotz seiner Position als Angestelltenvertreter hatte Naruto so etwas schon öfter erlebt. Am Anfang hatten viele nicht akzeptieren wollen, dass ein Neuling eine Führungsposition zugesprochen bekam, noch dazu ein Animateur. Inzwischen war es besser. Aber so locker, wie er sich das am Anfang der Saison vorgestellt hatte, war es nicht, und ein bisschen beeindruckt war er schon davon, wie Sasuke das alles schaffte. Vor allem, weil der Hotelier alles andere als sozialkompetent war. Naruto verfestigte den Griff um Sasukes Hüfte, während er auf die Knöpfe des Lifts starrte. Er wusste, dass der Hotelbesitzer im Haus wohnte – das hatte Shikamaru Nara erzählt, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten. Er und Naruto verstanden sich ausgezeichnet, und sie verbrachten die exzessiv langen Raucherpausen des Personalchefs oft zusammen, häufig auch mit Temari Sabakuno. Naruto war nicht sicher, was zwischen den beiden vorging, aber es war immer lustig mit ihnen. „Hey, wo wohnst’n du?“, fragte Naruto seinen Chef, der sich von ihm löste und an die Aufzugwand lehnte. Sasuke öffnete die Augen, die ziemlich böse dreinschauen konnten, dafür, dass sie aus einem grüngrau angelaufenen Gesicht blickten. „Das geht Sie nichts an.“ Naruto verdrehte die Augen. „Ich kann dich nich ins Bett bringen, wenn du mir nich sagst, wo es is." Widerwillig starrte Sasuke ihn an, bis in sein vernebeltes Hirn vordrang, dass sein Begleiter Recht hatte. Also erklärte er, wie sie in sein Stockwerk gelangten, und Naruto machte sich mit ihm auf den Weg. Unterwegs betrachtete der Animateur seinen Chef, welcher die Augen geschlossen hatte. Er wurde wirklich nicht schlau aus dem Mann. Aber wenn er ehrlich war, machte das den Reiz dieses sturen Bocks aus. Das, und sein hübsches Gesicht, und der Arsch, der sich in den perfekt sitzenden Hosen abzeichnete. „Ich hätte nich gedacht, dass du der Typ bist, der sich einfach mal so die Kante gibt“, sagte Naruto, um sich ein bisschen abzulenken, während sie aus dem Aufzug stiegen und den verlassenen Korridor durchquerten. Er war noch nie hier oben gewesen und hätte sich neugierig umgesehen, wenn es etwas Interessantes zu sehen gegeben hätte. Aber sie kamen lediglich an etwas vorbei, das wir ein Lagerraum aussah, vermutlich für Wäsche. „Ein Geschäftstermin“, brummte Sasuke, sogar in seinem Zustand noch in rechthaberischem Ton. „Mhm, nen Termin mit ner Flasche Wodka“, stichelte Naruto und grinste über den mürrischen Blick, den sein Chef ihm zuwarf. Sie erreichten die einzige andere Tür dieses Stockwerks und Naruto murmelte: „Vorsicht“, bevor er in Sasukes Tasche griff. Eigentlich hatte er mit Empörungsstürmen gerechnet, doch stattdessen keuchte der Dunkelhaarige auf und drückte sich so eng an ihn, dass Naruto den Alkohol in seinem Atem riechen konnte. Außerdem roch er stark nach Seife, obwohl er feiern gewesen war. „Du kannst ja ganz anschmiegsam sein“, stellte er belustigt fest und zog den Schlüssel hervor. Die Tür öffnete sich zu einem großen, aber ziemlich leeren Wohnzimmer. Darin befand sich eine dunkelgraue Couch vor einem Couchtisch aus Chrom und Glas. Gegenüber stand ein riesiger Fernseher auf ebenfalls schwarzen Möbeln. In der Ecke fristete eine verloren wirkende Zimmerpflanze ihr einsames Dasein neben einem offenen Regal, in dem ordentlich aufgereiht ein paar Bücher und hässliche Kunstgegenstände aus Stahl standen. Fotos oder Bilder konnte Naruto nirgends entdecken. Alles sah aus wie aus einem noch nicht fertig eingerichteten Anschauungszimmer bei IKEA. Naruto fragte sich, wie lange sein Chef hier schon wohnte. Dieser löste sich von ihm und torkelte ins Badezimmer. Sekunden später hörte Naruto das Röcheln und Plätschern, mit dem sich sein Abendessen und seine Drinks in die Toilette verabschiedeten. Um die sicher ergreifende Abschiedsszene nicht zu stören, suchte Naruto in der Küche etwas zu Trinken. Die Arbeitsflächen waren so sauber, dass er sich fragte, wieso Sasuke überhaupt Teller besaß. Süßigkeiten oder Fastfood entdeckte er nirgends, genauso wenig wie Alkohol. Scheinbar hatte Sasuke nicht mal die obligatorische Flasche Wein, die man seinem Besuch anbot, oder Bier. Umso mehr wunderte Naruto sich über den Zustand seines Chefs. „Na, geht’s wieder?“, fragte Naruto, als Sasuke aus dem Bad kam. Er drückte seinem Gastgeber eine Wasserflasche in die Hand. Sasukes rot unterlaufene Augen musterten Naruto skeptisch. Mit viel Mühe hatte er gerade erst seinen Magen entleert, und er war wohl nicht sicher, ob er wieder etwas hineinfüllen wollte. Dann schenkte er zwei Gläser Wasser ein. Eines davon leerte er in einem Zug und füllte es gleich wieder. Da er das andere nicht beachtet auf eine Anrichte stellte, ging Naruto davon aus, dass es eine seltsame Art von Gastfreundschaft war und griff zu. „Danke.“ „Hn.“ „Du könntest auch mal danke sagen“, motzte der Blonde. „Ich hab dich grad praktisch hier raufgetragen!“ „Worum ich nicht gebeten hatte.“ Inzwischen sprach Sasuke etwas klarer, wenn auch nach wie vor erschöpft. Unausstehlich war er jedenfalls wie immer, sodass Naruto beschloss, dass es Zeit war zu gehen. Er stellte sein Glas weg und schickte sich an, die Küche zu verlassen. Damit, dass Sasuke ihn aufhalten würde, hatte er nicht gerechnet. Genauso wenig wie der Uchiha, der verwirrt auf seine Finger an Narutos Handgelenk starrte. Es war vermutlich das zweite Mal, dass Sasuke ihn von sich aus berührte, und beim ersten Mal hatte er ihn gewürgt. Das hatte Naruto zwar nicht gestört, ganz im Gegenteil, aber der Kontrast zu dieser unsicheren, fast verletzlichen Geste war überraschend. Offenbar brachte Sasuke kein Wort heraus, sodass Naruto sich räusperte und fragte: „Soll ich… Keine Ahnung… Bleiben?“ Noch immer auf seine Hand blickend, zuckte Sasuke mit den Schultern. Dann, ganz langsam, nickte er. „Wenn du…?“ „Ja. Also, wenn du auch…?“ „Ja.“ „Oh.“ Die beiden Männer sahen sich an, und etwas in Sasukes Blick ließ Narutos Herz schneller schlagen. Nicht, weil er doch noch auf Sex hoffte, sondern weil dieser stolze, verschlossene Mann sich ihm ein Stück weit öffnete – und weil sich dabei herausstellte, dass er Naruto gar nicht hasste, obwohl er immer so tat. Dann wandte Sasuke sich mit einem gemurmelten: „Was auch immer…“, ab und verließ die Küche. Verwirrt zögerte sein Gast, bevor er ihm folgte. Dabei entdeckte er eine offene Tür neben dem Fernseher und betrat ein großzügiges Schlafzimmern mit dunklen Möbeln und einer verglasten Fensterfront wie im Wohnzimmer. Das Bett war schon groß, doch der Kleiderschrank rechts daneben war regelrecht gigantisch. Besonders, da es sich um einen Single Haushalt handelte. Allerdings wurde Narutos Aufmerksamkeit rasch vom Mobiliar abgelenkt, da Sasuke gerade das Shirt über den Kopf zog. Die feinen Muskeln unter der blassen Haut ließen ihn an den festen Griff des anderen denken. Zuerst zögerte Sasuke – er war sich Narutos Blick offenbar sehr bewusst – doch dann öffnete er langsam die Hose und schob sich von den Hüften. „Zieh dich aus“, befahl er in einer Tonlage, die Narutos Kehle eng machte. „Aber…“ „Mit Straßenklamotten kommst du nicht in mein Bett“, stellte Sasuke klar, bevor er unter die Decke schlüpfte und sich demonstrativ von seinem Gast wegdrehte. Naruto wusste nicht, wann er zugestimmt hatte, über Nacht zu bleiben. Dennoch warf er seine Kleider auf den Boden, die in der penibel ordentlichen Wohnung wie ein Fremdkörper wirkten. Er kletterte zu Sasuke unter die einzige Decke, wo er den Arm um den anderen legte. Sein Blick fiel auf die Stelle, an der Sasukes Nacken in seine Schulter überging, und er fragte überrascht lachend: „Was is‘n das?“ Sofort schoss die Hand des Schwarzhaarigen zu der kleinen, runden Tätowierung, die wie drei einander zugewandte Klauen aussah. „Schlaf endlich“, murrte Sasuke. Naruto ignorierte den Befehl und schob die Finger weiter auseinander, um das Bild sehen zu können. „Ich hät nich gedacht, dass du so ne Jugendsünde hast“, kommentierte er grinsend. Dann, mit Fingern, die die Tätowierung nachfuhren, fügte er hinzu: „Aber es is ziemlich cool.“ Sasukes obligatorisches: „Hn“, war alles, was er als Antwort bekam. Naruto äffte das Geräusch nach, sah aber ein, dass sein Gastgeber den Schlaf brauchte und hielt den Mund. Außerdem musste er zugeben, dass er selbst müde war. Hätte ihm am Morgen jemand gesagt, dass ein Freund verhaftet werden und er die Nacht in Sasukes Bett verbringen würde, hätte er ziemlich laut gelacht. Er musterte den Dunkelhaarigen, dessen langsamer Atem darauf schließen ließ, dass er bereits eingeschlafen war. Naruto fragte sich, was ihn dazu getrieben hatte, sich zu betrinken. Außerdem hatte er sich komisch verhalten, selbst für einen Betrunkenen – also, noch komischer, als Sasuke Uchiha sich sowieso immer verhielt. Eigentlich war Naruto noch sauer auf ihn. Der Scheißkerl vögelte ihn so gut, dass er seit Tagen an nichts anderes denken konnte, und dann ignorierte er ihn einfach und lud ihn mit Arbeit voll, bis er nicht mal mehr Zeit hatte, um aufs Klo zu gehen und dort in Ruhe zu wichsen. Außerdem behandelte er ihn scheiße, um seine offensichtlichen Bindungsängste zu vertuschen. Aber jetzt floss sein seidiges, dunkles Haar über seinen blassen Nacken, wie Wasser, das sich im Mondschein seinen Weg über reinen Marmor suchte. Sasukes sonst so ernstes, abweisendes Gesicht war entspannt und sah sogar noch hübscher aus als sonst. Naruto konnte nicht aufhören, an diesen Moment vorhin im Foyer zu denken, als der drahtige Körper sich erschöpft gegen ihn lehnte, ausnahmsweise ohne die Mauer, mit der Sasuke sich normalerweise umgab. Wie hübsch sein Chef war, war ihm schon damals auf dieser Raststättentoilette aufgefallen, und es hatte dazu geführt, dass er sich wie ein Vollidiot benommen hatte. Dann hatte er Sasuke kennengelernt und gemerkt, was für ein arroganter Snob er war. Aber er war auch intelligent und zielstrebig, direkt und fair seinen Angestellten gegenüber. Narutos Abneigung war einem gewissen Respekt gewichen – durchaus beschleunigt durch sein sexuelles Interesse. Er wünschte nur, Sasuke hätte seinen Respekt für ihn nicht nach ihrer gemeinsamen Nacht verloren. Naruto war nicht sicher, wo das alles hinführen würde, aber für den Moment beschloss er, bei seinem anstrengenden Chef zu bleiben. Dessen Gesicht am Morgen wollte er sich nicht entgehen lassen, und er hoffte wirklich, dass Sasuke sich an alles erinnerte. ~*~ Sasukes Schädel tat so weh, dass er sich wünschte, niemals aufgewacht zu sein. Durch die zugezogenen Vorhänge fiel nur schwaches Licht in sein Schlafzimmer, aber es brannte trotzdem in Sasukes Augen. Zuerst dachte er, er hätte vergessen, die Kontaktlinsen rauszunehmen, aber dann wäre es noch schlimme gewesen. Da hatte er wohl nochmal Glück gehabt. Mit wabbeligen Armen stemmte er sich im Bett hoch und sah sich um. Die Laken auf der anderen Seite waren leer, aber eindeutig in der Nacht benutzt worden. Er bildete es sich also nicht nur ein, dass Naruto hier oben gewesen war. Es überraschte Sasuke nicht, mit einem Mann im Bett aufzuwachen. Er konnte nur nicht rekonstruieren, wann er Menma gegen Naruto eingetauscht hatte – und ob er mit einem oder beiden geschlafen hatte. Die Möglichkeit, schon wieder etwas mit Naruto gehabt zu haben, nervte Sasuke, hatte er doch genau das vermeiden wollen. Zuerst war Sasuke wütend, aber dann beschloss er, dass Naruto keine Schuld trug. Neben dem Bett stand das Nachtkästchen, und darauf eine große Wasserflasche und eine Packung Aspirin. Sasuke griff zu beidem, bevor er aufstand. Lust, sich mit seinem Gast auseinanderzusetzen, hatte er nicht. Fast hoffte er, Naruto wäre verschwunden, doch als er ins Wohnzimmer trat, hörte er Lärm aus der Küche. Er folgte den Geräuschen und sah Naruto, nur in Unterhose, am Herd stehen und Omelett braten. Er bemerkte Sasuke und drehte ihm sein lächelndes, bärtiges Gesicht zu. „Na, haste Hunger? Ich hab auch Kaffee gemacht. Der Vollautomat ist sau geil!“ Unbekümmert plapperte der Blonde weiter, während er Ei auf zwei Teller häufte, die er auf den Tisch stellte. Sasuke war sich nicht sicher, wie er über die Selbstverständlichkeit dachte, mit der sein Gast sich hier bewegte, aber es war schwer, Naruto böse zu sein, wenn dieser halbnackt war. Außerdem tat das Frühstück Sasukes flauem Magen gut. Als Naruto verstummte, blickte Sasuke von seinem Teller auf und bemerkte, dass sein Gast ihn beobachtete. „Was?“, fragte der Uchiha leicht gereizt und setzte sich gerader hin. „Ich frag mich nur, warum du gestern so abgestürzt bist“, erklärte Naruto, woraufhin sein Chef den Kopf abwandte. „Das geht dich nichts an.“ „Aber…“ „Willst du unnötig reden oder gehen wir wieder ins Bett?“ Völlig verdatterte blaue Augen starrten ihn an, während Sasuke seine Mahlzeit beendete und das Geschirr wegbrachte. Die Entscheidung, wieder mit Naruto zu schlafen, hatte er spontan getroffen. Naruto lachte leise, als er seine erste Überraschung überwunden hatte. Sein Stuhl scharrte über den Boden, als er zu Sasuke ging, um die Hände auf seine Hüften zu legen und ihm ins Ohr zu raunen: „Du bist ein komischer Kauz, Chef.“ Sasuke überlegte, zu protestieren, drückte aber stattdessen lieber Körper und Lippen an die von Naruto. Wenn er ihn schon hier hatte, konnte er das nutzen. Allerdings kam es nicht dazu, denn in dem Moment klingelte es an der Tür. Narutos Griff um seine Hüften verfestigte sich, und sein geknurrtes: „Geh nicht“, war sehr verführerisch, aber Sasuke wusste, wie selten jemand hier hoch kam, sodass es sich um einen Notfall handeln musste. Also löste er sich von dem Blonden, befahl: „Warte im Schlafzimmer“, und ging zur Tür. Erst dort fiel ihm auf, dass er lediglich Unterwäsche trug, doch wenn es dringend war, konnte Kleidung warten. Mit einem letzten Blick in die Wohnung überzeugte Sasuke sich davon, dass sein Gast nicht zu sehen war, dann öffnete er die Tür – und stand einem kleinen Mädchen gegenüber. Sie reichte ihm kaum bis zur Brust, war zaundürr wie alle Mädchen in ihrem Alter (Sasuke schätzte sie auf 14 oder 15) und trug eine rote Brille über den schwarzen Augen. Diese schob sie etwas verlegen auf die Nase, als sie realisierte, dass der Mann vor ihr halbnackt war. Allerdings fing sie sich erstaunlich schnell wieder und sagte dann geschäftsmäßig: „Guten Morgen. Sind Sie Uchiha Sasuke?“ „Wer will das wissen?“ Die Kleine holte tief Luft, schob erneut ihre Brille zurecht und erklärte ernsthaft: „Ich bin Sarada Uchiha. Ihre… Deine Tochter.“ Sasuke musterte sie, hob langsam die Hand… Und schlug dann die Tür vor ihrer Nase zu. Kapitel 8: Überraschungsgast ---------------------------- Excuse me for a while While I'm wide eyed And I'm so damn caught in the middle London Grammar ~ Strong Kopfschüttelnd wandte Sasuke sich von der geschlossenen Tür ab. Er hatte keine Ahnung, wer dieses Mädchen war, oder wie sie hier hochgekommen war. Vermutlich war sie das Kind irgendeines Hotelgastes. Seine eigene Tochter war bei ihrer Mutter in der nächsten Großstadt, und sie trug keine Brille. Er hatte heute jedenfalls keinen Nerv für solche Spielchen. Genervt ging er zurück zu seinem Schlafzimmer, wo er Naruto, inzwischen ganz nackt, in seinem Bett vorfand. Sein Blick glitt über den attraktiven Körper, aber ihm war die Lust vergangen. Vielleicht später. „Wer war das?“ „Niemand… Ich gehe duschen“, verkündete er und ignorierte den Protest des Blonden. Das Wasser auf seiner Haut tat unglaublich gut, wusch die Müdigkeit ab und gab ihm einen klareren Kopf. Und einen klaren Kopf wünschte Sasuke Uchiha sich an diesem Morgen wie nie zuvor. Seit er aufgewacht war, versuchte er, den letzten Abend zu rekonstruieren – ohne Erfolg. Er wusste, dass er ins Otogakure gegangen war, und an den hübschen Jungen, der ihn von der Bar weggeholt hatte, konnte er sich auch erinnern. Aber danach herrschte Chaos in seinem Kopf. Waren sie tanzen gegangen? Hatten sie den Club verlassen? Sasuke wusste es nicht, und dieser Kontrollverlust machte ihn nervös. Außerdem tat sein Hintern weh, und er konnte sich einfach kein Szenario vorstellen, in dem er einem Teenager erlauben würde, ihn zu toppen, egal, wie attraktiv besagter Teenager war. Zu allem Überfluss meinte er, irgendwo gehört zu haben, dass der Junge erst 16 war – wodurch Sasuke sich strafbar gemacht hatte, wenn er tatsächlich mit Menma geschlafen haben sollte. Gott, was war nur los mit ihm gewesen letzte Nacht? Sasuke hatte erst ein Mal so viel getrunken, dass er die Geschehnisse nicht mehr unter Kontrolle hatte. Damals war er 16, hatte den Ausweis seines Bruders gestohlen und war alleine ausgegangen. An den Verlauf des Abends konnte er sich nicht erinnern, aber am nächsten Morgen war er im Bett eines attraktiven Mannes mit stacheligem, silbergrauem Haar aufgewacht. Sasuke hatte den noch Schlafenden gemustert, nicht mal überrascht von der Erkenntnis, sein erstes Mal mit einem wesentlich älteren, völlig fremden Mann gehabt zu haben. Dass er sich überhaupt nicht daran erinnerte, war ein wenig unschön, aber nicht weiter tragisch. Immerhin erklärte das einige Dinge über ihn selbst. Beispielsweise hatte Sasuke nie darüber nachgedacht, wieso er kein Interesse an all den Mädchen hatte, die für ihn schwärmten – er hatte andere Prioritäten gehabt. Doch als er die Decke zurückschlug und Kakashis nackten Körper sah (den Namen hatte er später erst rausgefunden), war ihm klar gewesen, wie sein Interesse gelagert war. Von der Kälte war Kakashi wach geworden, und Sasuke überprüfte seine Theorie, indem er sich auf den Schoß des Älteren schwang und ihn küsste. Ein paar Stunden später wusste er, dass er schwul war, und dass es nicht in Frage kam, diese Präferenz auszuleben. Nach einem sehr zurückgezogenen Wochenende trat Sasuke am Morgen auf eine seiner Klassenkameradinnen zu und erklärte ihr, dass sie zusammen zu Mittag essen würden. Eine Woche später gab es kein anderes Thema mehr in der Schule, als dass Sasuke Uchiha und Sakura Haruno jetzt ein Paar waren. In ihrem letzten High-School-Jahr verlobten sie sich, um noch vor ihrem ersten Unisemester zu heiraten. Kaum zehn Monate später wurde Sarada geboren. Sakura hatte ihr Medizinstudium abgebrochen, und die junge Familie war irgendwie über die Runden gekommen. Schon damals hatte Sasuke neben seinen Seminaren extrem viel gearbeitet, weil er keine Hilfe von seinen Eltern annehmen wollte. Nach seinem Abschluss hatte sich das nur wenig geändert. Sasuke dachte gerade, dass das alles unmöglich schon 13 Jahre her sein konnte, als es erneut an der Tür klingelte. Um was für eine Katastrophe es auch gehen mochte, er beschloss, dass seine Angestellten sich selbst darum kümmern würden. Dennoch schaltete Sasuke die Dusche aus, da er sich daran erinnerte, dass er einen Gast hatte. Er überlegte gerade, was er so alles mit ihm anstellen wollte, als es erneut an der Tür klingelte. Wie zuvor hätte er es ignoriert – wenn nicht das Geräusch der sich öffnenden Tür gefolgt wäre. Sasuke wäre fast das Handtuch runtergerutscht, das er sich gerade um die Hüfte gebunden hatte, als er Narutos Stimme sagen hörte: „Na, wer bist du denn?“ „Ich bin Sarada Uchiha und möchte meinen Vater sprechen.“ Und so kam es, dass das erste, was seine Tochter seit sechs Jahren von Sasuke sah, war, wie er halbnackt aus seinem Badezimmer stampfte, um einen anderen halbnackten Mann zusammenzustauchen: „Was fällt dir ein, fremde Leute in meine Wohnung zu lassen?“ „Häh? Sie ist doch gar nicht drinnen!“, protestierte Naruto und wies auf die Grenze des Türrahmens, die das Mädchen in der Tat nicht passiert hatte. „Darum geht es nicht.“ „P-Papa“, unterbrach die Kleine das Gezanke so laut, dass beide Männer gezwungen waren, sie anzusehen. In dem Moment, als sie aus tränenglänzenden, aber fest entschlosseneren Augen zu Sasuke aufstarrte, hätte sie den Ausweis nicht gebraucht, den sie in der Hand hielt. Es war, als stünde Sakura vor ihm. „Ich bin es wirklich, Papa. Und er glaubte ihr. Sie war Sarada Uchiha. Seine Tochter. Zuletzt hatte er sie vor sechs Jahren bei der Trennung von Sakura gesehen. Seine Exfrau hatte auf das alleinige Sorgerecht bestanden, und er hatte sich nicht mit ihr gestritten. Also hatte er vor dem Vormundschaftsgericht ein letztes Mal ihren Kopf gestreichelt und sich dann von ihren tränenglänzenden, verständnislosen Augen abgewandt, die damals noch brillenlos in die Welt geblickt hatten. Das siebenjährige Kind hatte noch etwas Babyspeck mit sich herumgeschleppt. Den war sie jetzt los, sodass sie etwas älter als ihre 13 Jahre wirkte. Das war wohl einer der Gründe, aus denen Sasuke sie nicht sofort erkannt hatte. Doch inzwischen saß sie in seiner Küche und starrte ihn über das Orangensaftglas hinweg an, das Naruto ihr hingestellt hatte. Sie wusste scheinbar genauso wenig, was sie sagen sollte, wie ihr Vater. Zum Glück fehlten Naruto selten die Worte, sodass er fragte: „Also, Sarada… Solltest du nicht in der Schule sein oder so?“ Das Mädchen errötete ertappt und sah auf ihr Glas. Als sie nicht antwortete, kam Sasuke ein Verdacht, und er stand auf, um sein inzwischen halb geladenes Handy aus dem Schlafzimmer zu holen. Darauf waren zig Anrufe und Nachrichten von Sakura und seinen Eltern und Itachi. „Hab sie“, schrieb er allen von ihnen knapp, dann kehrte er in die Küche zurück. Naruto und Sarada sahen ihn ein wenig verwirrt an, weil er einfach so kommentarlos gegangen war, aber Sasuke legte nur das Handy vor seine Tochter, um ihr zu zeigen, was sie angerichtet hatte. „Warum hast du das getan?“, fragte er ruhig, doch Sarada funkelte ihn an, als habe er sie tödlich beleidigt. Bevor er noch etwas sagen konnte, klingelte sein Telefon, und Sasuke hob mit einem tonlosen: „Es geht ihr gut“, ab. „Hast du nicht ein bisschen mehr zu sagen?“, blaffte Sakura, deren verschnupfte Stimme Bände sprach. Sie holte tief Luft und Sasuke hörte, wie sie sich schnäuzte. Dann verlangte sie, mit ihrer Tochter zu sprechen. Als Sasuke Sarada das Telefon hinhielt, wandte sie das Gesicht ab und verschränkte die Arme. Ihr Vater schloss kurz die Augen, bevor er Sakura erklärte: „Sie will nicht mit dir reden.“ Sakura brach sofort wieder in Tränen aus. Weiber… Sasuke ließ sie heulen und musterte Sarada. Es wäre ihm recht, wenn Sakura das geregelt hätte. So hatten sie die Erziehungsbelange immer gehandhabt: Er zahlte, was nötig war, und Sakura kümmerte sich um das Kind. So war es in Sasukes Kindheit gewesen. Er kannte keine andere Art von Vaterschaft. Es war nicht so, als wären Sakura oder Sarada ihm gleichgültig, nur war die Arbeit für ihn wichtiger. Nur so konnte er sie schließlich mit dem versorgen, was sie brauchten. Doch jetzt hatte er keine Wahl, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, also sagte er: „Sag meinen Eltern Bescheid. Ich rufe nachher wieder an“, und legte auf. Saradas Blick versuchte, ihre Angst unter Ärger zu verbergen, als ihr Vater sich ihr wieder zuwandte. Dieser fragte jedoch lediglich: „Wieso bist du hier?“ „Alter, um dich zu sehen natürlich!“, mischte Naruto sich ein. „Das war auch wirklich Zeit, wenn du dein eigenes Kind nich erkennst, Mann!“ Sasuke hatte nie gewusst, dass schlechtes Gewissen wie Säure schmecken konnte, aber Naruto ließ ihn einen Tropfen davon kosten, und es verbrannte ihm die Zunge. „Das geht dich nichts an“, stellte er klar, sobald er die Sprache wiedergefunden hatte. „Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nicht betreffen.“ „Ach so, dann soll ich dich nächstes Mal besoffen in der Hotellobby liegen lassen?“ „Wie kannst du es wagen…“ „Hör auf, auf deinem Freund rumzuhacken, nur, weil du dein Leben nicht auf die Reihe kriegst!“, unterbrach Sarada den Streit, woraufhin Naruto fuchsienrot anlief und irgendetwas stammelte, während Sasuke fast an seiner Spucke erstickte. „Er ist nicht mein Freund“, war alles, was er schließlich darauf erwidern konnte. Sarada verdrehte die Augen. „Ja, klar. Hier laufen bestimmt ständig irgendwelche Angestellten morgens nur in Unterwäsche rum.“ Also hatte Sasuke diese Fehleinschätzung Naruto zu verdanken. Er warf seinem Liebhaber einen tadelnden Blick zu, den dieser mit hochgerissenen Händen beantwortete. „Hey, tu nich so, als wär das meine Schuld. Du wolltest, dass ich bleib und…“ „Sei einfach still“, seufzte Sasuke, der langsam Kopfschmerzen bekam. Er wollte nur ins Bett, aber selbst wenn seine ungebetenen Gäste weg waren, konnte er sich nicht hinlegen. Nie wieder Alkohol, das schwor er sich. „Mit dem würde ich gar nich zusammen sein wollen“, erklärte Naruto Sarada, die ihrer Mutter wahnsinnig ähnlich sah, als sie zum ersten Mal lächelte. Der Animateur grinste zurück, dann erhob er sich. „Na ja, ich lass euch mal allein. Ihr habt sicher viel zu besprechen.“ Im Vorbeigehen wuschelte er Sarada durch die Haare und meinte: „Wenn er zu sehr nervt, kannst du ja zu mir kommen.“ Dann waren Vater und Tochter alleine. Die beiden musterten sich aus Augen, die sich glichen wie ein Ei dem anderen. Es war seltsam für Sasuke, life und in Farbe vor sich zu sehen, dass das wirklich sein Kind war, sein Fleisch und Blut. Vor allem, da ihm alles außer ihrem Äußeren so völlig fremd erschien. „Was ist zwischen dir und deiner Mutter passiert?“, fragte er schließlich, als das Mädchen unbehaglich den Blick abwandte. Sie rollte ihr Saftglas zwischen den Händen herum, ohne ihren Vater anzusehen. „Mama versteht einfach nichts. Sie meckert nur die ganze Zeit wegen allem.“ „Also bist du weggelaufen.“ Das Mädchen zuckte die Schultern und Sasuke rieb sich über die Augen. Die Situation überforderte ihn, und plötzlich wünschte er, Naruto wäre nicht gegangen. Er hätte sicher gewusst, was man einem nörgeligen Teenager sagen konnte, der sich von allen missverstanden fühlte, weil er sich selbst nicht verstand. „Die ist doch froh, wenn sie mich los ist“, rechtfertige Sarada sich. „Und deswegen ruft sie mich hundert mal an, nur wegen der kleinen Möglichkeit, dass du hier sein könntest“, erwiderte Sasuke, genervt von ihrem Jammern, das sich sehr nach einer verwöhnten Göre anhörte, die nicht mal wusste, was alles für sie getan wurde. „So klein war die Möglichkeit nicht“, murrte Sarada und erklärte auf den auffordernden Blick ihres Vaters hin: „Wir haben uns gestritten, weil ich dich sehen wollte. Sie kapiert nicht mal, wieso das so wichtig für mich ist. Sie ist so… Ugh!“ Die Information, dass seine Tochter Kontakt zu ihm wollte, hatte Sasuke in seinem letzten Gespräch mit Sakura erhalten. Allerdings schien das schon länger ein Problem zwischen den beiden zu sein, und die Mutter war offenbar nicht bereit, von ihrer Meinung abzurücken, wonach es besser für das Mädchen wäre, ihren Vater nicht zu sehen. Sasuke konnte nicht sagen, dass er sich über Saradas Eigeninitiative in dieser Sache freute. „Hier kannst du nicht bleiben. Du hast Schule.“ Sasuke erhob sich, um sich noch einen Kaffee einzuschenken. Aber als er sich Sarada wieder zuwandte, sah sie unglaublich jung und unglaublich verletzlich aus. „Willst du mich gar nicht kennenlernen, Papa?“, fragte sie leise. Er hätte sagen können, dass es alleine Sakuras Schuld war, dass er seine eigene Tochter seit sechs Jahren nicht mal auf Fotos gesehen hatte. Sie hatte einen glatten Bruch nach dem Eheleben gewollt, und den hatte Sasuke ihr gewährt. Die Wahrheit war jedoch, dass diese Entscheidung mehr als bequem für ihn gewesen war. Er hatte nie wirklich gewusst, was er mit dem Kind anfangen sollte. Sie war ihm nicht gleichgültig oder zuwider, er verstand nur nicht, warum alle vor Begeisterung über einen Menschen zerflossen, der nicht mal sprechen konnte, von Nützlichkeit ganz abgesehen. Sasuke hatte immer getan, was als Vater von ihm verlangt wurde: Windeln wechseln, füttern, ins Bett bringen, spielen, vom Kindergarten abholen, Schulaufführungen besuchen… Aber er hatte es mit stoischer Routine getan, nicht aus überschwänglicher Liebe für das sich so rasch verändernde Menschlein. Jetzt saß ein fast ausgewachsenes Mädchen vor ihm, und er wusste noch immer nichts mit ihr anzufangen, vielleicht noch weniger als vor sechs Jahren, denn jetzt gab es keinen Verhaltensrahmen, an den er sich halten konnte. „Du kannst in den Ferien kommen“, erklärte Sasuke schließlich nach längerem Schweigen, woraufhin sich Saradas Gesicht aufhellte. „Aber wir machen schon gar nichts mehr im Unterricht. Wir schauen nur Filme. Kann ich nicht doch bleiben? Das Zeugnis können sie mir doch schicken.“ Kurz schob sich das Gesicht ihrer 13-järhigen Mutter vor das Antlitz seiner noch immer argumentierenden Tochter, dann blinzelte er es weg. Erschöpft rieb er sich die Augen, denn er wusste, dass er aus der Sache nicht mehr rauskommen würde, bis Sarada es sich anders überlegte. Und das, wo er dringend wieder ins Bett sollte. „Nur, wenn Sakura zustimmt“, unterbrach Sasuke die Argumente des Mädchens. „Mama erlaubt das bestimmt nicht“, murmelte Sarade und stocherte enttäuscht in ihren Cornflakes. Wahrscheinlich würde sie es erlauben, nur, um Ruhe vor ihrer Tochter zu haben – zumindest wäre es Sasuke so gegangen, wenn er diesem Genörgel dauerhaft ausgesetzt gewesen wäre. „Wenn sie nein sagt, musst du damit leben“, stellte er klar. „Sie hat das Sorgerecht.“ Unter der Brille blitzten ihn schwarze Augen scharf an. „Das hat sie nur, weil du mich nicht wolltest, oder?“ „Wieso möchtest du bleiben, wenn du das glaubst?“ Betreten senkte Sarada den Blick, und Sasuke fragte sich, was ihn geritten hatte, sie hierher einzuladen. Was tat man wochenlang mit einem Teenager? Zumal er nur wenig Zeit hatte. Bevor er jedoch eine Strategie ersinnen konnte, klingelte sein Telefon und er musste sich entschuldigen. Eine seiner Rezeptionistinnen erklärte merklich verunsichert, dass zwei Herren von der Polizei auf ihn warteten, die ihn wegen der Sache von gestern sprechen wollten. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Sasuke konnte sich nur vage an die Verhaftung erinnern, versprach aber, in die Lobby zu kommen. „Ich habe jetzt einen Termin, den ich nicht verschieben kann“, erklärte er Sarada, und fügte, als er ihren enttäuschten Blick bemerkte, hinzu: „Danach gehen wir Mittagessen.“ Lächelnd sah sie ihrer Mutter sogar noch ähnlicher. Die beiden verließen die Wohnung, nachdem Sasuke sich einigermaßen präsentabel gemacht hatte. Er hatte angeboten, dass sie auf ihn warten konnte, aber das Mädchen hatte sich lieber im Hotel umsehen wollen. Sasuke wies ihr an, zuerst in den Aufzug zu steigen, dann stellte er sich neben sie. Mit einem leisen ‚Pling‘ glitt die Fahrstuhltür vor ihnen zu, und machte zwei Spiegelbilder sichtbar, die beide die Arme vor der Brust verschränkt hatten, die Beine gerade wie Säulen unter ihnen. „Ruf deine Mutter an, während ich beschäftigt bin“, verlangte Sasuke, wofür er ein trotziges Schnauben kassierte. Sarada wagte allerdings nicht, noch etwas zu sagen, als der Aufzug im Erdgeschoss hielt. Der Polizist vom letzten Abend und einer seiner Kollegen erhoben sich von den Sesseln im Foyer und kamen herüber, um Sasuke die Hand zu reichen. „Können wir ungestört reden?“, fragte der Beamte, ohne Sarada zu beachten. „Gleich.“ Unter den verdutzten Blicken der Polizisten begleitete Sasuke seine Tochter zum Empfang, an dem die Concierge sie begrüßte. Der Hotelier orderte ein lilanes Band für seine Tochter, mit dem sie an den Hotelbars und im Restaurant alles bekommen würde, was sie wollte - abgesehen von Alkohol, natürlich. Seine Angestellte warf dem Mädchen neugierige Blicke zu, beschied sich aber auf höflichen Smalltalk mit ihr, während sie der Aufforderung nachkam. „Wir treffen uns um halb zwei wieder hier“, erklärte Sasuke nach einem Blick auf seine Uhr. Das gab ihm eine Stunde, um diese Männer abzuservieren und ein wenig Arbeit zu erledigen. „Sei pünktlich.“ Er ließ Sarada am Tresen zurück und bedeutete den Polizisten mit einer Handbewegung, ihm zum Aufzug zu folgen. In seinem Büro bot Sasuke ihnen Sitzplätze und Getränke an, bevor er sie über den Tisch hinweg auffordernd anblickte. „Sie haben gestern die Festnahme eines Gastes gesehen“, begann der ältere Beamte. „In seiner Suite wurden Drogen gefunden – unter anderem Ecstasy und andere Partydrogen. Was können Sie uns diesbezüglich sagen?“ „Nichts.“ „Herr Uchiha, Sie werden sich kooperativer zeigen müssen angesichts der steigenden Zahlen von Drogendelikten in Konoha. Wollen Sie eine Razzia in Ihrem Haus riskieren?“ „Sehen Sie sich um, wenn Sie wollen“, erwiderte Sasuke kalt. „Es gibt hier nichts, das Sie finden könnten.“ Der Alte öffnete den Mund, doch bevor er Sasuke anschnauzen konnte, ging sein junger Kollege dazwischen: „Vielen Dank für das Angebot, auf das wir wenn nötig noch zurückkommen. Für den Moment haben wir den Tatort gesichert, das sollte genügen. Wir müssen aber fragen, ob Ihnen ungewöhnliches Verhalten bei Herrn Kilabee aufgefallen ist. Hat er andere Personen getroffen? Wurde er in seinem Hotelzimmer besucht, oder haben Gäste sich über ihn beschwert?“ „Ich hatte mit dem Gast keinen persönlichen Kontakt. Mit wem er sich getroffen hat, weiß ich nicht, aber ich werde die Frage an das Personal aus den Restaurants und Bars weiterleiten“, sagte Sasuke, während er seinen Laptop hochfuhr und das Programm startete, mit dem die Zimmerbelegung abgewickelt wurde. Dort wurde auch vermerkt, welche Services der Gast in Anspruch genommen hatte – und ob er das Zimmer alleine belegte. „Herr Kirabii hatte keinen Besuch, und es liegen keine Beschwerden vor.“ „Soweit wir informiert sind, unterhalten Sie geschäftliche Beziehungen mit dem Otogakure Nachtclub“, mischte sich der erste Polizist wieder ein. „Ist Ihnen bekannt, ob der Verdächtige Kontakt mit dessen Besitzer hatte oder dort öfter verkehrte?“ „Was wollen Sie damit andeuten?“, fragte Sasuke scharf, doch der Beamte sah ihn nur gleichgültig an. „Beantworten Sie die Frage, Sir.“ „Ich bin nicht über private Belange meiner Gäste informiert.“ Die Polizisten warfen sich nicht zu deutende Blicke zu, ließen dieses Thema jedoch fallen. Sie stellten Sasuke noch einige Fragen bezüglich Killer Bee – ob er schon mal im Hotel untergekommen war, wie er gezahlt hatte und dergleichen – bevor sie schließlich aufbrachen. Als er schließlich alleine in seinem Büro war, starrte Sasuke den Computer an, ohne sich zu rühren. Sein Kopf dröhnte, seine Augen schmerzten und wenn er versuchte, sich zu konzentrieren, verwischten seine Gedanken zu einem undeutlichen Nebel. Irgendwo im Hotel wartete Sarada auf ihn, aber er musste noch ein bisschen arbeiten. Wenn nur nicht ständig verschwommene Gedanken an die letzte Nacht vor sein inneres Auge treten würden. Er konnte sich nur noch an wenig erinnern, aber die spärlichen Erinnerungsfetzen verstärkten das flaue Gefühl in seinem Magen. Beim besten Willen konnte er sich nicht daran erinnern, genug getrunken zu haben, um so einen Kater zu rechtfertigen. Ärgerlich rieb er sich über die Schläfen. Es war nichts passiert. Vielleicht war Orochimaru etwas zudringlich gewesen – aber wann war er das nicht? Und dieser halbnackte Junge, der ihn aus dem Club getragen hatte, war sicherlich nicht erst 16, wie Sasuke gehört zu haben glaubte. Über einem Haufen unerledigter Arbeit und noch mehr unangenehmen Überlegungen schlief Sasuke schließlich an seinem Schreibtisch ein. Das Hämmern an der Tür ließ ihn auffahren, wobei ein Blatt, das an Sasukes Wange geklebt hatte, sanft auf seinen Schreibtisch hinunterschwebte. Verwirrt strich er einige Haare aus den Augen und versuchte, sich zu erinnern, wo er eigentlich war – als ihm Sarada einfiel. Leise fluchend kam er auf die Beine und bellte ein ungeduldiges: “Ja!“, als es erneut klopfte. „Siehst du? Ich habe dir doch gesagt, dass er hier ist“, meinte eine triumphierende Stimme und die Tür öffnete sich gerade rechtzeitig, damit Sasuke sehen konnte, wie seine Tochter die Augen verdrehte. Sie stand mit verschränkten Armen neben Boruto, wandte sich jetzt aber ihrem Vater zu, den sie anblickte, als wäre er ein Wurm zu ihren Füßen. Kein Wunder, denn Sasuke bemerkte mit einem verstohlenen Blick auf seine Uhr, dass es bereits kurz vor drei war. „'Sei pünktlich', ja?“, fragte Sarada. Sasuke rieb sich über die brennenden Augen und stand auf. „Es war ein langes Gespräch mit den Beamten. In zehn Minuten bin ich so weit.“ „Du sagtest, du wärst vor eineinhalb Stunden so weit.“ Boruto machte einen Schritt vorwärts, stellte sich zwischen Vater und Tochter. „Herr Uchiha hat eben viel zu tun, das hab ich doch gesagt. Und es hat nichts mit dir zu tun.“ „Ich denke, du hast ebenfalls viel zu tun“, bemerkte Sasuke, woraufhin der Junge sich verlegen am Nacken kratzte. Sein Chef sah zwischen Boruto und Sarada hin und her und fragte sich, wie lange die beiden auf der Suche nach ihm schon gemeinsam durch das Hotel gestromert waren. „Geh wieder an die Arbeit. Heute kannst du mir nicht helfen.“ Boruto schmollte, schob sich aber folgsam an Sarada vorbei aus dem Büro. Sasuke schaltete seinen Computer aus und kam um den Schreibtisch herum. Der Blick seiner Tochter begegnete ihm wie eine Wand, gegen die er rannte. „Ich habe die Polizisten gehen sehen. Das war vor zwei Stunden. Wenn dir die Arbeit wichtiger ist als ich, lüg mich wenigstens nicht an“, verlangte sie, bevor sie dramatisch auf dem Absatz kehrt machte und den Raum verließ. ‚Teenager‘, dachte Sasuke erschöpft und folgte ihr schweigend. Als sie am Empfang vorbeigingen, grüßten die Damen sie höflich, aber Sasuke konnte ihre neugierigen Blicke im Nacken spüren. Kein Wunder, musste er doch am letzten Abend völlig betrunken hier vorbeigetorkelt sein, während die Polizei in seinem Haus stand. Und jetzt war ein Mädchen aufgetaucht, das nicht offensichtlicher mit ihm hätte verwandt sein können. „Was hast du gesagt, damit sie dich nach oben lassen?“, wollte Sasuke wissen, als sie auf der Straße waren. „Die Wahrheit“, erklärte Sarada schlicht und schob ihre Brille zu Recht. „Als ich ihnen meinen Ausweis gezeigt habe, wollten sie dich rufen, aber du bist nicht ans Telefon gegangen, also haben sie mich hochgebracht.“ Nun, zumindest wusste Sasuke jetzt, wer das penetrante Telefonklingeln ausgelöst hatte. Nach dieser kurzen Unterhaltung kehrte wieder Schweigen ein. Zuerst hatte Sasuke das Restaurant an der Uferpromenade angestrebt, in dem er des Öfteren mit Orochimaru gegessen hatte. Doch die Bruchstücke von Erinnerungen aus der letzten Nacht trieben ihn anderswohin. Er wusste nicht genau, was am letzten Abend passiert war, aber er wollte das Mädchen nicht mal in der Nähe irgendwelcher Orte, die mit dem alten Mann zu tun hatten. Er wählte ein anderes Lokal mit Meerblick und ließ sich mit seiner jungen Begleiterin in einem Tisch vor der großen Fensterfront nieder. Der Kellner versuchte, scherzhaft ein wenig mit Sarada zu flirten, worauf diese jedoch kein bisschen einging. Sie wusste, was sie wollte. Das gefiel Sasuke. Er fragte sich, ob sie so auch auf die Jungen aus ihrer Klasse reagierte und ob das überhaupt schon ein Thema war in ihrem Alter. Allerdings war das nichts, das man ein junges Mädchen fragte, welches man kaum kannte. So wählten und bestellten Vater und Tochter weiterhin schweigend ihr spätes Mittag- oder frühes Abendessen. Sie beobachteten die Leute am Strand für eine Weile, doch als ihre Getränke kamen (Sasuke hatte einen doppelten Espresso und eine große Flasche Wasser beordert), beschloss er, etwas sagen zu müssen. „Wie läuft die Schule?“, erkundigte er sich in einer Tonlage, mit der er sonst Geschäftstermine abwickelte. Sarada zuckte zusammen, als hätte er sie angeschrien, und setzte sich aufrecht hin, die Hände im Schoß verkrampft. „Gut“, presste sie nervös hervor. Sakura war in diesem Alter wesentlich mitteilsamer gewesen, was es Sasuke leicht gemacht hatte. Er brauchte nur zwischendurch eine halbherzige Frage einzuwerfen, dann lief das Gespräch von selbst. Um Sarada würde er sich mehr bemühen müssen. „Hast du ein Lieblingsfach?“ Sie sah ihn aus ihren intelligenten Augen an, als wäre er eine dieser lästigen Tanten, die auf Familienfeiern unnötige Fragen stellten. Genau so fühlte Sasuke sich, und die Tatsache, dass es nicht seine Schuld war, dass er so gut wie nichts über das Mädchen wusste, machte es nicht besser. Schließlich entschloss Sarada sich, doch zu antworten: „Ich mag Wirtschaft und Recht und Sozialkunde. Nach der Schule will ich Jura studieren.“ Bei diesen Worten sah sie ihn so eindringlich an, dass Sasuke nicht fragen musste, wie sie in ihrem zarten Alter auf so eine Idee gekommen war. Sie hielt ihn für den allein Schuldigen an der Trennung von Sakura und glaubte, dass er seine Tochter nie hatte sehen wollen. Die Frage war nur, wieso sie ihn hatte kennenlernen wollen, wenn sie ihn für ein verantwortungsloses Monster hielt. „Mama hat mir nie gesagt, dass du schwul bist“, unterbrach Sarada die Stille, indem sie abrupt ein Thema vom Morgen aufgriff. Ihr Vater ließ langsam sein Wasserglas sinken, und sie beobachtete ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue. „War das ein Geheimnis? Ich dachte, wenn halbnackte Männer in deiner Wohnung rumlaufen, wärst du recht offen damit.“ Ah. Ja, das war doch ein recht eindeutiges Indiz. Allerdings hatte Sasuke nicht vor, so leicht zu gestehen, immerhin wollte er nicht, dass Sakura und der Rest seiner Familie davon erfuhren. „Das war ein Angestellter.“ „Der Morgens ohne Hose deine Küche putzt. Verstehe.“ „Das war Zufall.“ „Mhm.“ Die beiden so ähnlichen Augenpaare begegneten sich, dann stießen ihre Besitzer gleichzeitig ein amüsiertes Schnauben aus. Die ganze Situation war einfach surreal, und ausgerechnet heute hatte Sarada auftauchen müssen. Sie gehorchte wohl Murphys Gesetz. „Ist das der Grund, aus dem ihr euch getrennt habt?“ „Nein.“ Ihr Essen kam und unterbrach dieses höchst spannende Gespräch. Sasukes Magen rebellierte gegen den Geruch des Fisches, aber er konnte vor seiner Tochter schlecht zeigen, dass er den Kater seines Lebens hatte. Also begann er zu essen, und nach einigen Bissen fühlte er sich tatsächlich besser. Er spülte alles mit Wasser und Kaffee runter, bis er sich wieder halbwegs menschlich fühlte, aber eigentlich wollte er nur ins Bett. „Und… Das Hotel gehört dir?“, begann Sarada mühsam. „Ja. Es ist ein Ableger der Hotelkette deines Großvaters.“ „Ah. Und…“ Sarada stocherte auf ihrem Teller herum. „Und wohnen er und Großmutter auch in Konoha?“ „Nein. Aber sie werden sich freuen, dich zu sehen. Sie waren sehr besorgt, als sie hörten, dass du verschwunden warst.“ Beschämt senkte das Mädchen ihren Blick und ihre Gabel. „E-Es tut mir leid…“ „Das wirst du ihnen und deinem Onkel selbst sagen, wenn du sie siehst.“ Sarada sah ihn überrascht an, dann nickte sie lächelnd. „Mein Onkel heißt Itachi, oder? Ist er auch in der Hotelbranche?“ Es versetzte Sasuke einen Stich, dass Sakura offenbar nicht mal über seine Familie hatte sprechen wollen. Seine Eltern und sein Bruder konnten schließlich nichts dafür, dass es zwischen ihnen nicht geklappt hatte. Dieses Urteil verkniff er sich jedoch und beantwortete stattdessen die zahlreichen Fragen des Mädchens. Während des Essens entstand so keine unangenehme Stille. Danach schlug Sarada vor, noch ein wenig am Pier spazieren zu gehen, wo ihr Vater ihr ein Eis kaufte. Dieses ließ sie aber sinken, als sie bemerkte, wie Sasuke auf seine Uhr blickte. „Du kannst ruhig zu deiner Arbeit gehen, wenn dir das lieber ist.“ Langsam reichte es Sasuke mit ihrem Genörgel, und sie zuckte vor seinem strengen Blick weg. „Ich habe ein Hotel zu leiten. Das bedeutet, ich bin für meine Angestellten verantwortlich, unabhängig davon, was ich lieber machen würde.“ „Wenn du keine Zeit hast, kann ich auch nach Hause fahren“, murmelte Sarada leise. „Ich habe Mama vorhin schon angerufen und ihr gesagt, dass ich bleibe, aber…“ „Ich habe dich eingeladen, also werde ich mir die Zeit für dich nehmen“, unterbrach Sasuke das Mädchen. „Aber ich werde nicht den ganzen Tag Zeit für dich haben. Verstehst du das?“ „Ja…“ „Gut. Ich muss jetzt zurück ins Hotel. Möchtest du noch hier bleiben?“ „Ja.“ „Findest du alleine wieder zurück?“ „Ja.“ „Ich werde mit deiner Mutter sprechen. Du hast ihr wirklich gesagt, dass du hier bleiben willst?“ „Jahaa“, widerholte Sarada trotzig. Sasuke gab auf, reichte ihr noch 20 Euro und machte sich mit einer schuldbewussten Erleichterung auf den Weg zu seinem Büro. Zuerst musste er sich wohl einem unangenehmen Telefonat widmen. Ausnahmsweise war es Sasuke, der die Nummer seiner Ex-Frau wählte. Sie hatte ihn sowieso schon wieder einige Male angerufen, während er mit dem Mädchen essen war, und jetzt hob sie sofort ab. "Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist", war ihre Begrüßung. "Ihr kennt euch doch gar nicht. Wir sollten das alles langsamer angehen lassen." Der Meinung war er auch, dennoch merkte er an: "Es ist, was sie will." "Woher willst du wissen, was sie will? Du kennst sie nicht." Sasuke lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück und starrte auf einen Flecken Wand ihm gegenüber. Schweigen legte sich über die Leitung, und dieses eine Mal schien Sakura nicht gewillt, ihrem Exmann nachzugeben. "Du brauchst mich jetzt nicht mit Stille zu bestrafen, Sasuke", machte Sakura klar, dass sie seine Taktik sehr wohl durchschaute, obwohl sie meistens trotzdem tat, was er wollte. Warum sie sich ausgerechnet heute sperren musste, wo er wirklich nicht die Kraft für einen Streit hatte, war ihm schleierhaft. "Es ist die Wahrheit, und das weißt du. Ich will nur nicht, dass sie enttäuscht wird. Das hat sie nicht verdient." "Wenn du willst, dass sie nach Hause kommt, hol sie." "Warum beharrst du so sehr darauf? Du willst sie doch gar nicht haben. Wir haben sie nur bekommen, weil man das eben so macht", warf Sakura ihm vor, und langsam dämmerte es Sasuke, was eigentlich das Problem war. "Es geht nicht um dich, Sakura", erklärte er sachlich. Sie holte scharf Luft, aber bevor sie protestieren konnte, fuhr er fort: "Lass sie selbst rausfinden, wieso du gegangen bist." "Genau davor habe ich Angst", gestand Sakura mit schwacher Stimme, in der alles lag, was sie in den letzten sechs Jahren nicht ausgesprochen hatten. Oder vielleicht schon länger, seit sie zusammengekommen waren. Sie hatte Angst, dass ihr Kind so verletzt wurde wie sie, und Sasuke konnte es ihr nicht verübeln. Er hatte Sakura ausgenutzt, genauso wie ihr Kind, um ein Bild von sich selbst zu zeichnen, das die Öffentlichkeit sehen wollte. Irgendwann war die Farbe der realen Person, seiner Ehefrau, immer dünner, immer schwächer geworden, und sie hatte gehen müssen, um nicht hinter dem zu verschwinden, was sie für ihn sein musste. Sakura holte tief Luft. "Okay", sagte sie langsam. "Aber wenn sie gehen will, wirst du sie nicht aufhalten." "Nein." "Ich kann sie besuchen." Sasuke zögerte, bevor er nickte. Was sollte schon passieren. "Ja." "Wenn ich merke, dass du ihr irgendwie wehtust, breche ich dir deine hübsche Nase. Hast du das verstanden?" Ein wenig überrascht blinzelte Sasuke, bevor ein schmales Lächeln seine Lippen teilte. "Jedes Wort." Damit waren die Grundlagen der nächsten Wochen abgesteckt, und nachdem sie noch einige Details geklärt hatten, beendeten sie das Gespräch. Endlich konnte Sasuke sich seiner eigentlichen Arbeit zuwenden, aber er war unkonzentriert. Er hoffte wirklich, dass es in den nächsten Tagen leichter würde, wenn er nicht verkatert und übermüdet war und die ganze Sache mit Bee sich eingepegelt hatte. Aber eigentlich glaubte er nicht wirklich daran. And a lion, a lion, roars would you Not listen If a child, a child, cried Would you not listen Kapitel 9: Exklusivvertrag -------------------------- I couldn’t find what I was missing In the open sea. I saw so many sharks out where I’m fishing But maybe you’re the one for me. Good Thing – Tritonal „Du musst nicht mit mir aufstehen.“ „Ich bin hier, um dich kennenzulernen.“ Sarada blickte ihren Vater über ihren Kakao hinweg ungeduldig an. „Wie soll ich das, wenn du die ganze Zeit arbeiten bist?“ Da hatte sie Recht, aber Sasuke hatte ihr bereits erklärt, dass er seine Verantwortung nicht hintanstellen konnte, weil sie jetzt hier war. Trotzdem sollte er sich mehr Mühe geben, sodass er erneut vorschlug, sie sollten zusammen Mittagessen. Das war zwar nicht sehr kreativ, aber Saradas Gesicht hellte sich auf. Diese Genügsamkeit hatte das Kind von seiner Mutter. Ihr Vater erhob sich und kündigte an, jetzt arbeiten zu müssen. „Du kannst dich im Hotel aufhalten, wo du willst. Mit dem Band bekommst hier alles, was du brauchst.“ „Ich weiß. Danke, Papa.“ „Komm um 12 ins Foyer.“ „Ich hole dich aus deinem Büro“, widersprach Sarada, die wohl aus dem letzten Tag gelernt hatte. Sasuke glaubte zwar nicht, dass er heute verschlafen würde, stimmte aber zu. Dann verließ er die Wohnung. Sarada hatte in dem Zimmer übernachtet, das er Itachi und seinen Eltern zur Verfügung stellte, wenn sie hier waren. Vor einer halben Stunde war sie dann vor der Tür gestanden, um mit ihm zu frühstücken. Die Konversation verlief allerdings schleppend, denn keiner der beiden wusste, was er sagen sollte. Außerdem war Sarada wohl genauso wenig ein Morgenmensch wie ihr Vater. In seinem Büro erwartete Sasuke einen ganzen Haufen Arbeit – aber es war zu seiner Überraschung nicht halb so schlimm wie gedacht. Hinata hatte ihm wie immer einen ordentlichen Stapel mit Papieren hingelegt und außerdem seinen Kalender auf dem neusten Stand gehalten, aber es quoll nicht über. Bevor er herausfinden konnte, was es mit all dem auf sich hatte, klopfte es bereits an der Tür. Es war Naruto, der auf Sasukes Ruf eintrat. „Morgen. Na, wieder fit?“, begrüßte er seinen Chef gut gelaunt und ignorierte dessen unwilliges Grunzen. „Wie geht’s der Kleinen?“ „Was willst du?“, blockte Sasuke ab. „Ich habe Arbeit zu erledigen.“ „Deswegen bin ich hier.“ Naruto trat näher und tippte auf den Dokumentenstapel auf dem Tisch. „Ich hab mich drum gekümmert, dass an deinem, hm, 'Urlaubstag' alles erledigt wird, was ich so machen konnte. Aber stress dich nich, ich hab dir ne Mail geschrieben, dass du dein Okay zu allem geben kannst“, fügte er hinzu, da er sich offensichtlich daran erinnerte, wie sauer Sasuke wegen dieser dämlichen Kissenschlachtparty geworden war. „Was ich nich machen konnte, hat Hinata dir zusammengefasst.“ Baff von dieser Extraarbeit, wusste Sasuke nicht, was er sagen sollte. Naruto verdrehte die Augen, grinste aber. „Ein Danke wäre zu viel verlangt, oder? Na ja, egal. Ich muss noch wissen, wer von uns bei der Party im Oto dabei sein soll. Die Leiter der verschiedenen Abteilungen und…“ Daraufhin verbrachten die beiden Männer ein paar Stunden damit, das Konzept der Kissenschlachtparty durchzugehen, die Naruto angeleiert hatte. Er hatte sich dabei mit dem Marketing auseinandergesetzt und einen richtigen Plan erstellt. „Warum biste so überrascht?“, fragte Naruto, als ihr Gespräch sich langsam dem Ende näherte. Er saß neben Sasuke auf dessen Seite des Schreibtischs und lümmelte auf seinem Stuhl wie auf der heimischen Couch. „Ich hatte nicht erwartet, dass jemand, der mit Ende zwanzig noch als Animateur jobbt, etwas halbwegs sinnvolles auf die Beine stellen würde“, erklärte Sasuke unverblümt. Naruto schmollte. "Es kann halt nicht jeder mit einem goldenen Löffel geboren werden wie du mit einem Daddy, der einem einfach mal ein Hotel überträgt. Aber er hat ja genug andere, wenn du das in den Sand gesetzt hättest." "Wenn er das erwartet hätte, hätte mein Vater mir keine Verantwortung gegeben", erwiderte Sasuke kalt. Er wurde nicht gerne für seine Arbeit kritisiert, denn darin war er verdammt gut. "Stimmt, das kann man sich bei dir irgendwie nich vorstellen", gab Naruto zu. Er spielte mit der Ecke eines Papierstücks vor sich. "Bei mir war das anders. Ich war als Teenager richtig schlimm, hab nie gemacht, was man mir gesagt hat und bin jedem auf'n Sack gegangen." Sasuke hätte einen Witz darüber gemacht, dass das immer noch so war, aber es schien dem Blonden ernst zu sein. Das überraschte seinen Chef ein wenig, aber er hörte weiter zu. "Na ja, jedenfalls hab ich dann irgendwann eine Ausbildung angefangen, als Eventkaufmann. Das hat eine Weile richtig gut geklappt, bis dann meine Eltern gestorben sind." Er lächelte besonders breit, wie um Sasukes Mitleid von vorn herein im Keim zu ersticken. "Da war ich 17, und meine Noten sind richtig in den Keller gefallen... Verständlich, oder?" Naruto lachte, aber es klang so hohl, dass Sasuke das Echo in seinem eigenen Magen zu spüren glaubte. "Mein damaliger Chef hat sich echt Mühe gegeben und war geduldig, aber nach n paar Monaten war es nich mehr tragbar und er hat mich rausgeschmissen. Danach hab ich in verschiedenen Firmen versucht, die Ausbildung fertig zu machen, bin aber nie lang geblieben, und irgendwann wurd mir klar, dass das sowieso nix für mich is. Dieses ewig am selben Ort hocken, dieselben Fressen jeden Tag sehen... Es is viel cooler, ab und zu einfach mal was Neues zu machen. Da lernt man auch viele interessante Leute kennen. Am besten fand ich es immer, auf Schiffen zu arbeiten. Da haste jeden abend sogar ne neue Location", endete Naruto mit einem breiten, falschen Lächeln. Sasuke schwieg nachdenklich. Während er schon geahnt hatte, dass Naruto seine fehlende Ausbildung nicht so leicht nahm, wie er gerne tat, hatte er damit nicht gerechnet. "Du könntest die Ausbildung noch immer fertig machen", sagte er schließlich langsam. Naruto sah ihn verblüfft an, dann schnaubte er. "Als ob... Außerdem hab ich dir doch gerade erklärt, dass ich auf so nen festen Job gar nich steh. Ich bin lieber frei." "Wenn du das sagst." Sasuke hatte allerdings eher das Gefühl, dass Naruto verdammt anhänglich war und etwas suchte, in das er sein Herzblut schütten konnte. Deshalb gab er sich so viel Mühe mit allen Kollegen und sogar Projekten wie dieser dämlichen Party. Aber Sasuke bekam selbst ungern gesagt, was er für eine Person war, also hielt er den Mund. "Das versteht jemand, der immer in seinem Familienunternehmen gearbeitet hat, wahrscheinlich nicht." Sasuke blinzelte überrascht, ehe er lächeln musste. "Du hast dich ja über deinen Arbeitgeber schlau gemacht." Naruto lachte, leise für seine Verhältnisse, und legte die Hand auf die von Sasuke. „Na ja… Jetzt weiß ich, dass er's wert is“, erklärte er, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Als er sich vorlehnte, zog sich Sasukes Kehle ein wenig zusammen, und er wollte nichts lieber, als die Augen schließen und diese weichen Lippen zu empfangen. Aber er konnte nicht, sodass er den Kopf wegdrehte. Kurz sah Naruto ihn verwirrt an, dann rückte er schnaubend seinen Stuhl weg. „Sarada?“ Sasuke brummte. Sarada, und ihr Angestelltenverhältnis, und die Tatsache, dass er closeted war und das nicht ändern wollte, und diese verrückte Nacht im Oto, an die er sich nicht richtig erinnern, die er aber auch nicht wirklich vergessen konnte, und die Tatsache, dass Naruto etwas in ihm auslöste – trotz all ihrer Zankereien und der Schwierigkeiten und ihrer völlig gegensätzlichen Charakter in ihm auslöste, das Sasuke mehr Angst machte, als er zugeben konnte, und so viele andere Gründe, die ihm nicht über die Lippen wollten. „N bisschen spät, den besorgten Daddy zu spielen, meinste nich? So, wie du mich immer angesehen hast, wenn ich mit jemandem zusammen war, dacht ich, du wärst so n ober-Korrekter, der nie Scheiße baut.“ Ziemlich abrupt stand Naruto auf, ließ die entspannte Stimmung der letzten Stunden hinter sich, indem er um den Tisch ging. „Dass du dein eigenes Kind im Stich lässt…“ „Wir waren beide der Meinung, es wäre das Beste für das Mädchen.“ „Sarada“, betonte Naruto kalt. „Sie heißt Sarada.“ „Du sprichst von Dingen, die du nicht verstehst.“ „Dann klär mich doch auf!“, fauchte Naruto. „Alles, was ich weiß, ist, dass plötzlich dieses weinende Kind vor deiner Tür steht, das du offensichtlich nich mal erkannt hast. Wahrscheinlich biste sogar noch verheiratet. Wenn du rumhuren willst, is das dein Bier, aber du hättst mich ruhig warnen können, bevor du mich in deinen Mist reinziehst. Fuck, ihr habt sogar n Kind… Fuck, fuck, fuck…“ „Nein“, sagte Sasuke und fragte sich noch im selben Moment, was das alles Naruto eigentlich anging. Aber irgendwas in dem verletzten Blick des anderen ließ ihn weiter sprechen. „Wir sind geschieden. Seit sechs Jahren.“ „Und in der Zeit is dir nich eingefallen, deine Tochter zu besuchen? Daddy of the year.“ „Sakura… Meine Exfrau wollte das so.“ Naruto schnaubte. „Also ist sie die Böse, natürlich.“ Sasuke rieb sich die Stirn, den Blick auf die Ecke seines Laptops gerichtet. Er hatte noch nie mit jemandem darüber geredet, aber Naruto sprach genau das an, was schon seit langem an seinem Gewissen nagte und er zu verdrängen suchte. Er sah zu Naruto auf, der offensichtlich auf eine Erklärung wartete, ein Zeichen, dass Sasuke nicht so ein Arschloch war, wie es gerade den Anschein hatte. Aber genau das war er. Er hatte Sakura ausgenutzt und ihr immer nur das gegeben, was von ihm verlangt wurde, was sie gerade so bei der Stange hielt. Und das war nicht viel. „Es ist nicht alleine ihre Schuld, aber sie hat es wirklich so gewollt. Sakura ist eine starke Frau mit einer hohen Schmerzgrenze“, fing Sasuke langsam an. „Sie hat mich nie so sehr gebraucht, wie sie selbst geglaubt hat... Und in dem Glauben wollte sie sich selbst beweisen, dass sie es alleine schafft.“ Er schwieg, überrascht, wie viel er sich zu sagen erlaubt hatte. Jetzt war es aber zu spät, noch einen Rückzieher zu machen, also holte Sasuke tief Luft und endete: „Wie Sarada das sieht, weiß ich nicht.“ Narutos Ärger sank langsam in sich zusammen, wie bei einem Feuer, dem das Holz ausging, nicht wirklich bereit, einfach so zu verfliegen, aber ohne Substanz. „Du solltest es wissen“, erklärte er trotzdem noch. „Ja.“ „Ich will nich glauben, dass es dir egal is, aber… Fuck, Sasuke, es fühlt sich echt so an, und ich will gar nich wissen, was die Kleine durchmacht.“ „Denkst du, dass es so ist?“, fragte Sasuke, langsam die Stärke in seiner Stimme wiederfindend. Naruto musterte ihn mit seinen durchdringenden Augen, und für einen Moment hatte Sasuke das Gefühl, er könne seine Gedanken lesen. Dann, langsam, schüttelte Naruto den Kopf. „Ich hab das Gefühl, du hättst gern, dass es dir egal wär.“ „Das würde vieles einfacher machen.“ Sasuke realisierte, dass er vor Naruto saß wie ein Schüler vor seinem Lehrer, und stand abrupt auf. Der Schlafmangel der letzten Tage musste ihn noch fester im Griff haben, als er gedacht hatte, sonst hätte er all das nie gesagt. „‘Einfach‘ is im Elternschaft-Paket nich enthalten“, grinste Naruto, der langsam wieder zu seiner üblichen Leichtherzigkeit zurückkehrte. „Umtausch ausgeschlossen.“ Sasuke verdrehte die Augen, sagte aber nichts dazu. So standen sie sich eine Weile gegenüber, bis Naruto fortfuhr: „Ich will sie kennenlernen.“ „Was?“ „Sarada. Sie scheint n süßes Kind zu sein, und ich will wissen, wie das bei so nem Vater geschafft hat.“ Sasuke schnaubte ein: „Nein“, dessen Endgültigkeit Naruto allerdings ignorierte. „Wieso nich? Sie mag mich.“ Erneut schnaubte Sasuke. Wer mochte diesen Idioten nicht? „Kommt nicht in Frage. Ich kann ihr nicht meinen…“ Sasuke stoppte, kämpfte mit einem Wort für ihre Beziehung, bis er schließlich aufgab. „Ich kann ihr dich nicht vorstellen.“ „‘Deinen mich‘, ja?“ Sasuke schnaubte, denn Naruto wusste genau, was er meinte. Wäre er irgendein Angestellter, hätte Sasuke ihn und Sarada irgendwie zusammenführen können. Aber das Mädchen hatte Naruto in Unterwäsche in den privaten Räumen ihres Vaters gesehen. Er konnte seiner Tochter nicht seinen Liebhaber vorstellen. „Nein.“ Naruto zog einen lächerlichen Flunsch, der deutlich machte, dass seine Wut verflogen war. „Warum bist du so gemein? Haste Schiss, dass sie mich lieber mag als dich? Vorwerfen könnt man es ihr nich.“ „Du spinnst“, brummte Sasuke und zog seinen Laptop zu sich, um vermeintlich weiter zu arbeiten, während Naruto sich lautstark beschwerte. Zugegeben, die Stimmung in der Küche an Saradas erstem Tag hier war sofort um ein paar Grad kühler geworden, als Naruto den Tisch verlassen hatte. Er hatte so eine nonchalante Leichtigkeit, mit den Eigenheiten der Leute umzugehen. Er war charmant, eine Eigenschaft, die Sasuke sich mühsam für seine Geschäftsbeziehungen anerzogen hatte und die er im privaten Umfeld nie bemühte. Es fühlte sich an, als würde sein Gesicht verkrampfen, wenn er diese Fassade zu lange aufrechterhielt. „Wann hast du Pause?“ „Eh?“ „Wann du Mittagspause machst.“ Sasuke sah auf und in Narutos völlig verwirrtes Gesicht, bevor der Blonde schmollte. „Wechsel gefälligst nicht das Thema! Sarada…“ „Sarada und ich essen um zwölf zu Mittag“, unterbrach Sasuke die Nörgelei. Gott, wieso tat er das? Er war ja jetzt schon genervt. Aber als Naruto verstand, worauf Sasuke hinauswollte, erhellte sein Gesicht sich zu seinem hundert-Volt-Lächeln. Sasuke hatte es nicht gesehen, seit sie von ihrem Ausflug zurückgekommen waren, fiel ihm in diesem Moment auf. „Das wird bestimmt cool… Wo gehen wir hin?“ Sasuke zuckte die Schultern und sah auf die Uhr. Sarada müsste jeden Moment hier sein. Ob sie einverstanden war, dass noch jemand mitkam? Immerhin hatte sie erst am Morgen gesagt, dass sie ihren Vater kennenlernen wollte. Aber so konnte sie wenigstens direkt sehen, dass er und Naruto nicht zusammen waren. „Hey, wir können zu diesem geilen Ramenladen gehen“, schlug der Animateur vor. Sein Chef runzelte die Stirn, aber bevor er widersprechen konnte, klopfte es bereits an der Tür und Sarada trat ein. „Hi, Sarada, wie geht’s dir?“, begrüßte Naruto sie strahlend und wuschelte ihr durch die Haare. Das Mädchen strich ihre Frisur zurecht und nickte, aber Naruto ließ sich nicht beirren. „Sasuke hat gesagt, dass ihr essen geht und ich hab jetzt auch Pause. Stört’s dich, wenn ich mit euch mitkomme?“ Sie warf ihrem Vater einen überforderten Blick zu, zuckte dann aber nur die Schultern. „Warum nicht?“ „Klasse!“ Narutos Lächeln machte deutlich, dass er sich wirklich darauf freute, was Sarada dazu brachte, verlegen an ihrer Bluse herumzuzupfen. Sasuke hätte das auch gerne gemacht, riss sich aber zusammen. Er erhob sich, nachdem sein Laptop ausgeschaltet war, und geleitete seine Gäste aus dem Büro. „Hey, ich hab deinem Daddy grad von so nem Laden erzählt, in dem es die geilste Nudelsuppe gibt. Was hältst du davon, wenn ich euch den zeige?“, fragte Naruto auf dem Weg zu den Aufzügen. Ein wenig verlegen sah Sarada zu Sasuke, bevor sie ihre Brille zurechtschob. „In Ordnung“, stimmte sie schlicht zu, womit die Sache entschieden war. Das ungewöhnliche Trio verließ das Hotel gemeinsam, unter den stets neugierigen Blicken der Rezeptionistinnen. Draußen war zu dieser Stunde nicht viele Touristen unterwegs. Die meisten aßen irgendwo oder hatten sich für eine Siesta in ihre Unterkünfte zurückgezogen. „Warst du schon mal in Konoha, Sarada?“, fragte Naruto, der die Führung übernommen hatte. „Nein, das ist das erste Mal.“ „Beeindruckend, dass du das Sensu gefunden hast. Ich hab ewig gebraucht, bis ich in dieser komischen Hintergasse war.“ Sasuke schnaubte. „Im Gegensatz zu dir kann sie eine Karte lesen.“ „Im Gegensatz zu dir würd sie bestimmt nie ein Hotel an den Arsch der Welt bauen“, schoss Naruto zurück und streckte seinem Chef die Zunge raus, womit er Sarada zum Kichern brachte. „Die Gäste genießen die Ruhe“, erklärte Sasuke würdevoll, woraufhin Naruto die Augen verdrehte. „Von wegen! Nach Konoha kommt man zum Party machen, und das weißt du… Hey, Sarada, wir planen eine Kissenschlacht-Party. Du kommst doch auch, oder?“ „Sie ist dreizehn“, intervenierte ihr Vater sofort. „Ja, und es is ne Kissenschlacht-Party“, belehrte Naruto unbeeindruckt. „Sowas machen Dreizehnjährige doch, oder?“ Dagegen konnte Sasuke nicht wirklich argumentieren, weshalb er lieber schwieg. Aber eigentlich war es keine schlechte Idee. Vermutlich kam Boruto mit, der ebenfalls früher gehen musste und sie nach Hause begleiten könnte. Sarada stimmte jedenfalls zu, an der Party teilzunehmen und schien nicht überrascht zu erfahren, dass das Narutos Idee gewesen war. Der war übermäßig stolz auf sich und erzählte alles haargenau. Eigentlich hätte Sasuke erwartet, dass das Mädchen sich langweilte, doch die schien an Narutos Lippen zu hängen. Ihr Vater wandte das Gesicht ab. Sogar seine eigene Tochter... Nicht zu fassen! Als sie eine Weile später bei dem Restaurant ankamen, das Naruto ausgesucht hatte, war Sasuke froh, aus der Mittagshitze in den gekühlten Raum zu treten. Er kannte den Laden nicht, aber der Besitzer begrüßte Naruto wie einen alten Freund. Eine junge Frau führte die drei Gäste zu einem Sitzplatz und nahm ihre Getränkebestellungen auf. "Das Übliche, Naruto?", lächelte die Bedienung und er strahlte. "Klar doch!" "Ich nehme dasselbe", erklärte Sarada nach einem kurzen Blick in die Karte. "Das tust du nicht", erwiderte Sasuke, ohne von dem Menü aufzublicken. Trotzdem spürte er, wie irritiert die anderen ihn ansahen, weshalb er sich zu erklären genötigt fühlte: "Er isst wie ein Scheunendrescher." Während Naruto sich lautstark empörte, kicherte die Bedienung, die sich als Ayame vorgestellt hatte. "Na ja, aber über seinen Geschmack kann man sich nicht streiten. Sie müssen es ja nicht in der Extra-große Portion wählen. Wir haben alles auch in normal." Letztendlich verließen die Uchiha sich also auf Naruto und orderten dasselbe wie er. Ayame ließ die drei mit dem Versprechen zurück, ihre Getränke gleich zu bringen. Naruto wandte sich an Sarada. „Cool, dass du hiergeblieben bist! Bist du jetzt die ganzen Ferien da?“ „Das ist noch nicht entschieden“, antwortete Sasuke, als seine Tochter ihn unsicher ansah. Scheinbar hatte er etwas Falsches gesagt, denn sie senkte offensichtlich enttäuscht den Blick. Naruto warf ihm einen wütenden Blick zu, als hätte Sasuke das mit Absicht gemacht, und wechselte rasch das Thema: „Hey, wenn du noch nie hier warst, müsst ihr euch von den Klippen aus den Sonnenuntergang ansehen. Ich war da mit Hinata. Es war wirklich toll!“ „Klingt mehr nach einem Date“, stellte Sarada mit der üblichen Direktheit fest. „Vielleicht geht lieber ihr beiden da hin.“ „Wenn‘s dich nich stört, komm ich gern mit!“, strahlte Naruto. Sasuke wusste nicht, ob er Saradas Botschaft bewusst ignorierte oder nicht verstanden hatte, aber sie konnten nicht weiter reden, denn da klingelte das Telefon des Blonden. Er warf einen Blick darauf, wollte es offensichtlich ignorieren, doch als er den Namen darauf sah, zögerte Naruto. Schließlich erhob er sich. „Sorry, aber ich muss da kurz ran. Dauert nich lang!“, versprach er und entfernte sich vom Tisch. Sasuke und Sarada waren beide ein wenig überfordert damit, plötzlich alleine miteinander zu sein. Beinahe synchron griffen sie nach ihren Gläsern, um einen Schluck zu trinken. „Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“, wollte Sarada wissen und nickte in die Richtung, in die Naruto verschwunden war. Sasuke sah ebenfalls dorthin und seufzte tief. Kaum zu glauben, dass das erst etwas mehr als einen Monat her sein sollte. „Ich hatte deine Großeltern besucht und war auf dem Heimweg. An einer Raststätte hat er gefragt, ob ich ihn mitnehmen kann. Er kommt nicht von hier“, fügte Sasuke erklärend hinzu. „Zu dem Zeitpunkt wussten wir aber noch nicht, dass er für mich arbeiten würde.“ „Es überrascht mich, dass du ihn mitgenommen hast“, meinte Sarada, und ihr Vater zuckte die Schultern. „Naruto ist nicht der Typ, der sich leicht abwimmeln lässt.“ Als Sarada lachte, ertappte Sasuke sich nicht zum ersten Mal dabei, erleichtert zu sein. Es war zwar ihre Entscheidung, hier zu sein, aber er wollte nicht, dass sie schreckliche Ferien hatte, weil er nicht mit Kindern umgehen konnte. Als kurz darauf die Bedienung mit der Suppe kam, war von Naruto noch nichts zu sehen. So scharf, wie er darauf gewesen war, hier zu essen, überraschte das Sasuke doch sehr. Er forderte Sarada auf, schon mal anzufangen, während er selbst nach seinem Animateur suchen ging. Dieser war vor der Tür des Lokals schnell gefunden. Er lehnte an der Wand des Restaurants, einen Arm vor die Brust gelegt, den Ellbogen des anderen darauf abgestützt, damit er bequemer telefonieren konnte. „Ich hab euch gesagt, dass Kotetsu und Izumo sich darum kümmern… Keine Ahnung, warum du sie nich erreichst… Nein.“ Naruto schwieg kurz, und Sasuke wollte den Moment nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch in der Sekunde veränderte sich etwas in Narutos Gesicht, das ihn innehalten ließ. Es war, als verschöben seine Züge sich, würden härter. Gefährlicher. Seine Stimme war ein tiefes Knurren, als er fortfuhr: „Es geht dich nichts an, was ich hier sonst mach. Kümmer dich um deinen Job und lass mich meinen machen. Kapiert?“ Er schwieg, während sein Gesprächspartner wohl noch etwas sagte, blaffte dann nur noch ein: „Gut“, und legte schließlich auf. Als er sich von der Wand abstieß, war er wieder ganz der Alte, und als er Sasuke entdeckte, war er zwar überrascht, aber das Lächeln, das seine Zähne aufblitzen ließ, wirkte ganz natürlich. „Hey! Sorry, dass ich so lang weg war.“ „Kein Problem.“ Sasuke suchte nach dem anderen, wilden Gesicht hinter Narutos Lächeln, aber es war verschwunden. „Die Suppe ist da.“ „Klasse, ich verhungere!“, rief Naruto und legte die Hand auf Sasukes Rücken, um ihn ins Lokal zu schieben. Er entschuldigte sich bei Sarada und wuschelte ihr sanft durch die Haare. Sie wich errötend zurück und strich sich die Frisur zurecht. Das Mädchen hatte auf die Männer gewartet, und sie fingen schnell zu essen an, bevor die Suppe noch kalt wurde. Narutos riesige Portion lenkte Sasukes Aufmerksamkeit jedenfalls von dem ungewöhnlichen Gespräch ab, das er gerade gehört hatte. „Glaub nicht, dass ich das bezahle“, stellte Sasuke klar, nachdem sie sich guten Appetit gewünscht hatten. „Hey, das ist ein Geschäftsessen! Das is deine Pflicht!“, beschwerte Naruto sich. „Das Argument funktioniert nicht jedes Mal, wenn wir essen gehen“, erklärte Sasuke und fischte elegant einige Nudeln aus der Schüssel. Es war leichter, sich mit Sarada zu unterhalten, wenn Naruto dabei war, musste Sasuke zugeben, während die Zeit verging. Er erfuhr, dass sie sehr erfolgreich an Leichtathletikwettbewerben teilnahm, rot ihre Lieblingsfarbe war und sie die Nachmittage oft bei ihren Großeltern verbrachte, wenn Sakura bei der Arbeit war. Im Winter würde sie im Skilager zum ersten Mal länger von zu Hause weg sein – abgesehen von der Zeit, die sie jetzt in Konoha verbrachte – und dass es ihre beste Freundin gewesen war, die sie zu diesem Besuch überredet hatte. „Jedes Mal, wenn sie Streit mit ihren Eltern hatte, behauptet sie, sie wäre adoptiert und sucht ihre ‚richtigen Eltern‘“, verdrehte Sarada die Augen, als sie später zu dritt am Pier entlang zurück zum Sensu liefen. „Dabei ist sie ihrer Mutter aus dem Gesicht geschnitten und hat die Figur ihres Vaters.“ Naruto fand das zum Schießen, und selbst Sasuke musste schmunzeln. Man sah Sarada an, dass ihr diese Freundin wichtig war und sie sie gern hatte, obwohl sie etwas seltsam war. Außerdem war ihr ihre Meinung wichtig, sonst wäre Sarada immerhin gar nicht hier. Die drei erreichten das Hotel in guter Stimmung. Dort musste Sasuke sich jedoch entschuldigen, da er noch Arbeit zu erledigen hatte. Naruto lud Sarada ein, an einem Wasseraerobic-Kurs teilzunehmen, sodass ihr Vater sich keine Gedanken um die Gestaltung ihres Nachmittags machen musste. Als sie zur Treppe lief, um ihre Badesachen zu holen, blieb Naruto mit in die Hüften gestemmten Händen und einem breiten Grinsen stehen. „Ich sag’s doch: ein süßes Kind!“, verkündete er so stolz, als wäre das sein Verdienst. „Und sie is dir echt aus dem Gesicht geschnitten.“ „Das sind nur die Haare und Augen“, erklärte Sasuke. „Sie sieht aus wie ihre Mutter.“ „Dann musst du mir die mal vorstellen.“ Sasuke schoss ihm einen bösen Blick zu, der Naruto jedoch nur zum Lachen brachte. Dann wurde er langsam wieder ernst und warf einen Blick zu den Empfangsdamen, die jedoch außer Hörweite und in ihre Arbeit vertieft waren. „Sas… Wegen unserm Streit“, fing er schließlich an und rieb sich unbehaglich den Nacken. „Ich wollt mich entschuldigen. Ich mag dich echt gern und fand’s scheiße, dass du so die Reißleine gezogen hast. Aber du schuldest mir ja nix oder so, und ich hab überreagiert.“ Sasuke war zu überrascht, um etwas zu sagen. Nachdem sie in den letzten Tagen wieder normal miteinander umgegangen waren und Naruto sogar bei ihm übernachtet hatte, war er davon ausgegangen, dass das erledigt war. Aber er hätte damit rechnen müssen, dass Naruto nicht der Typ war, der so etwas einfach im Sande verlaufen ließ. „Okay“, seufzte er schließlich und wollte sich abwenden. „Hey!“ Instinktiv griff Naruto nach seiner Hand, ließ aber sofort los, als er Sasukes warnenden Blick sah. „Du könntest ruhig auch was sagen.“ Mit verschränkten Armen wandte er sich Naruto wieder zu. „Und was?“ Er war es schließlich nicht, der völlig ausgeflippt war, nur, weil sie Sex gehabt hatten. Na ja, zumindest nicht so offensichtlich wie Naruto. Denn dass er den anderen so grob von sich gestoßen hatte, war eindeutig eine Abwehrreaktion. Er hätte ihm schließlich auch einfach sagen können, dass das mit ihnen nicht weitergehen konnte. Das Problem war nur, dass Sasuke nicht wollte, dass es endete. „Na ja, wie das hier“ – Naruto machte eine vage Geste, die beide einschloss – „weitergehen soll. Du hast mir grad erlaubt, deine Tochter kennenzulernen und alles. Sieht nich aus, als würdst du den Kontakt abbrechen wollen.“ „Das kann ich nicht. Du arbeitest hier“, verdrehte Sasuke die Augen, obwohl das natürlich nicht das Problem war. „Ich hab keine Ahnung, was in deiner Vergangenheit war oder wie das mit Sarada und ihrer Ma passiert is. Aber langsam glaub ich, ich versteh dich besser.“ Das bezweifelte Sasuke, und sein mürrischer Blick entlockte Naruto ein Lachen. „Doch, echt. Ich würd mir das mit uns zwar anders wünschen, aber manchmal gibt‘s einfach Dinge, die wichtiger sind… Obwohl du dir gar nich vorstellen kannst, was ich grad alles am liebsten mit dir anstellen würde“, endete Naruto mit einer rauen Tonlage, die etwas in Sasukes Magengegend vibrieren ließ. Dieser Mann würde noch sein Untergang werden. „Also?“, hakte Naruto nach. Sasuke fuhr sich durch die Haare, ohne den Blick von Naruto abzuwenden. „Du bist mein Angestellter.“ Naruto zuckte die Schultern. „Ich arbeite viel.“ „Keine Sorge, ich helf dir, dich endlich mal zu entspannen“, grinste Naruto selbstbewusst. „Sarada ist den Sommer über hier.“ „Sie mag mich jetzt schon lieber als dich.“ Sasuke hatte noch nie so viel Sturheit erlebt, und langsam gingen ihm die Argumente aus. „Ich bin nicht gut in diesen Dingen.“ „Hab ich gemerkt“, brummte Naruto mürrisch. „Aber wir haben Zeit zu üben.“ „Bis die Saison endet“, erinnerte Sasuke, und zum ersten Mal sah er Zweifel in den scheinbar unbeirrbaren blauen Augen. „Vielleicht… Ist es bis dahin ja gar nichts mehr“, sagte Naruto langsam. Seine Stimme klang, als zweifelte sie an ihren eigenen Worten, doch er zwang sie, weiter zu sprechen: „Lass uns doch einfach sehen, wohin das führt. Kein Zwang. Keine Verpflichtungen. Einfach… Ein Test. Okay?“ Sasukes Tochter, seine Exfrau, seine Eltern, sein Bruder, sein Hotel, seine Freiheitsliebe – all das ließ ihn zögern. Er wusste nicht, wo er Naruto in all das noch hineinquetschen sollte, und ob er das überhaupt wollte. Wie er es wollte und konnte. Naruto schwieg, ließ Sasuke Zeit, bis dieser schließlich tief Luft holte, wie um sich zu einem Marathon bereit zu machen. „Ich bin nicht der Typ für Beziehungen.“ „Wir müssen ja auch keine führen. Wir genießen einfach die Zeit zusammen und sehen, was passiert.“ Der Knoten in Sasukes Magen löste sich ein wenig, und er ließ die Schultern sinken, die er unbewusst angezogen hatte. „Wenn das hier weitergehen soll, wirst du aufhören, rumzuhuren“, erklärte Sasuke endgültig. Selbst wenn sie nicht zusammen waren, war das für ihn nicht diskutabel, und er hatte gerne alle Karten auf dem Tisch. Narutos Gesicht erhellte sich durch ein schelmisches Grinsen. „Wieso? Biste eifersüchtig?“ „Ts… Ich habe nur keine Lust, mir irgendwelche Krankheiten einzufangen. Außerdem bin ich mehr als genug für dich.“ Naruto lachte nur über Sasukes gerümpfte Nase, doch dann fiel ihm noch etwas anderes ein und er fragte: „Und was soll ich zu dem Greis sagen, der dir ständig nachsabbert?“ Unangenehmer Weise wusste Sasuke sofort, wer gemeint war. Erinnerungsfetzen von seiner Nacht im Oto trieben durch seine Gedanken, aber er unterdrückte sie. So, wie er auch den seltsamen Drang unterdrückte, in den Club zurückzukehren. Er wollte lieber gar nicht herausfinden, was passiert war, und er weigerte sich schlicht, diesem nagenden, sehnsüchtigen Schmerz im Hintergrund seines Bewusstseins Beachtung zu schenken. „Orochimaru ist ein Geschäftspartner“, erklärte er Naruto nach einer zu langen Pause. Daher war es nicht verwundert, dass der Blonde schnaubte. „Ich kann mir vorstelln, was der für ‚Geschäfte‘ mit dir machen will.“ „Ich habe nicht vor, mit ihm zu schlafen.“ „Umso besser“, schnaufte Naruto, der sich aber wie immer schnell fing. Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf seine Züge und er trat ein wenig näher zu Naruto. „Ok, dann haben wir… Sowas wie nen Exklusivvertrag?“, versuchte er in Worte zu fassen, was hier gerade vor sich ging. Genervt verdrehte Sasuke die Augen und sah auf seine Armbanduhr. „Du bist zu spät für deinen Kurs“, erklärte er. „Ich dulde nicht, dass… Das deiner Arbeit im Weg steht.“ „Das?“, widerholte Naruto grinsend und ignorierte, dass er gehen sollte. Stattdessen trat er noch etwas näher zu Sasuke. „‘Wir‘ meinst du?“ Sasuke leckte sich über die Lippen und schluckte. Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt, und er musste den Impuls unterdrücken, die Distanz zwischen ihnen zu überbrücken und Naruto einfach zu küssen. Stattdessen machte er einen Schritt zurück und wandte sich ab. „Mach deine Arbeit, dann sehen wir weiter“, sagte er und ignorierte Narutos Genörgel, als er zu den Treppen zu seinem Büro ging. Sasuke war wirklich froh, dass man seiner Stimme nicht anhörte, was er fühlte. The only good thing I see is you. Good thing it’s only me and you. I know you’re good for me, I think I’m good for you. So let’s see what tonight brings – maybe it’s a good thing, too. Kapitel 10: Sandmann & Co. KG ----------------------------- Friday night and everything is a-OK We are living like we've always known a different way We are taking on our different roads before our goal It'll bring you back around to the one you know Jamie Cullum ~ Wheels Narutos und Saradas Gesichter strahlten mit der Sonne um die Wette, die in den Innenhof und auf den Pool des Sensu schien. Der Animateur jagte das Mädchen und ein paar andere Kinder durchs Wasser und lachte dabei selbst wie ein Junge. „Total bescheuert“, kommentierte Boruto, der neben Sasuke stand. Sie waren im Gebäude und beobachteten das Geschehen durch eine Fensterfront. Sasuke hätte die Augen über die Eifersucht des Jungen verdreht, hätte er nicht etwas Ähnliches empfunden. Er war froh, dass Naruto und Sarada sich verstanden, und es erleichterte ihm die Arbeit ungemein. Aber Sasuke war sich bewusst, dass er es sein sollte, der mit dem Mädchen im Wasser tollte und sich die Geschichten aus der Schule anhörte oder auch nur herausfand, was ihre Lieblingseissorte war. Und er wusste, dass er es aus purer Gewohnheit und Bequemlichkeit nicht tat. Sasuke wandte sich ab, denn er hatte anderes zu tun, als seine Tochter zu beobachten. Der Junge folgte ihm wie ein kleiner Hund. Boruto schien nicht so betroffen von Sasukes Distanziertheit wie Sarada, eher im Gegenteil. Aber er war auch nicht sein leibliches Kind und hatte kein Recht auf diese emotionale Nähe. „Mama… Meine Mutter hat mir übrigens erlaubt, auf die Party zu gehen“, erklärte Boruto nach kurzem Schweigen. „Gut.“ Sasuke würde trotzdem nochmal mit Hinata sprechen, denn er traute dem Jungen zu, deswegen zu lügen. „Meine Tochter wird auch dort sein. Du kannst ihr Gesellschaft leisten.“ „Ich bin doch nicht der Babysitter!“, beschwerte Boruto sich. Er war stehengeblieben und funkelte seinen Chef wütend an, was wohl bewies, dass Sarada reifer war als er und sie den Babysitter spielen würde. „Du kannst auch bei deiner Mutter bleiben“, zuckte Sasuke die Schultern, bevor er seinen Weg fortsetzte. Natürlich wollte der Junge das nicht. In seinem Büro angekommen, bemerkte Sasuke, dass er einen entgangenen Anruf, sowie diverse Mails von Orochimaru. Seufzend legte er das Handy beiseite. Die Angelegenheiten mit seinem Geschäftspartner waren noch etwas, das er dankenswerterweise an Naruto outsourcen konnte. Auf der Party im Otogakure würde er einer Begegnung jedoch nicht aus dem Weg gehen können. Sasuke schaltete seinen PC ein und öffnete die Excell-Tabelle mit dem Ablaufplan der Party, den Boruto ihm geschickt hatte. Sie rechneten gegen halb elf mit den ersten Gästen, aber der Aufbau würde schon am Nachmittag beginnen. Der Junge hatte genau aufgelistet, wer die Kissen annehmen und verteilen würde, wer für den Aufbau der Deko zuständig war und dergleichen mehr. Den finalen Check des Oto würde Naruto mit Orochimaru durchführen. Sasuke erklärte Boruto ein paar Änderungen, die er und Naruto an dem Plan vorgenommen hatten. Viel hatte der Hotelier nicht mit dem Projekt z tun, wie er überrascht feststellte, jetzt, wo es in die Endphase ging. Er war Perfektionist, und hatte sonst in allem die Finger, was so großen Einfluss auf den Ruf seines Hotels haben konnte. Aber hier hatte er so gut wie nichts getan und trotzdem das Gefühl, als wäre alles auf dem richtigen Weg. Sasuke misstraute diesem Eindruck. Er hatte immer alles sehr gut alleine hinbekommen, selbst wenn es manchmal etwas viel geworden war. Sich jetzt auf jemand anderen zu verlassen, wiedersprach seiner Natur. Noch dazu, wenn es Naruto Uzumaki unter allen Leuten war. Er war nur ein Animateur, und das mit fast dreißig Jahren – egal, was für eine tragische Kindheit er als Ausrede vorschob. Und doch musste Sasuke sagen, dass er in seine Aufgabe gewachsen war. Am Anfang war er chaotisch, kam oft zu spät zu seinen Kursen oder vergaß sie vollkommen. Die Leute mochten ihn, weil er charismatisch und amüsant war, nicht wegen seiner Kompetenz. Doch inzwischen leitete er nicht nur seine eigenen Kurse, sondern koordinierte die aller Animateure und schlug neue Aktivitäten vor. Die Kissenschlacht-Party war nicht das einzige Event, das auf seinem Mist gewachsen war. Die Angestellten vertrauten ihm ihre Probleme an, und er half tatsächlich dabei, sie zu lösen. Er war beliebt bei seinen Kollegen und den Gästen, und Sasuke stellte fest, dass er positiv überrascht, wenn nicht sogar ein wenig beeindruckt war. „Sir?“ Boruto hatte ihn glücklicherweise aus seinen Gedanken gerissen, denn Sasuke war kurz davor gewesen, Naruto anzurufen. „Ja. Du kannst gehen. Gute Arbeit.“ Strahlend stand der Junge auf, blieb dann aber unschlüssig stehen. „Sir… Sarada… Ihre Tochter hat erzählt, dass sie bei ihrer Mutter wohnt und gerade zum ersten Mal hier ist.“ Mit diesem Thema hatte Sasuke nicht gerechnet. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete Boruto abwartend. „Na ja… Haben Sie sie nie… Vermisst oder so?“ Eine Weile blickte Sasuke schweigend in die zweifelnden blauen Augen. Er hatte Sarada nicht gut genug gekannt, um sie zu vermissen. Nicht nur das Mädchen, das sie jetzt war, und das es nie gegeben hätte, wenn Sakura nicht gegangen wäre. Sondern auch das Kind, das sie damals war, zu jung, um wirklich jemand zu sein – so hatte zumindest Sasuke gedacht. Doch das war nicht, was dieses vaterlose Kind hören wollte, und es war nichts, das er ertragen sollte. „Jeden Tag“, sagte Sasuke und schickte den Jungen weg in der Hoffnung, dass diese Worte keine Lüge mehr sein würden, wenn Sarada ihn verließ. Sasuke wurde aus dem Schlaf gerissen, als etwas schweres, weiches sich genau auf seinem Gesicht platzierte. Instinktiv riss er die Arme hoch und wollte das Ding wegreißen, doch jemand schien gegen ihn zu drücken. Als würde man ein Kissen gegen sein Gesicht pressen. Schließlich schaffte Sasuke es, das Ding von sich zu reißen. Eigentlich wollte er es durch das ganze Zimmer schleudern, aber es war so schwer, dass es mit einem dumpfen Geräusch auf das Fußende des Bettes plumpste. Kurama sah ihn empört an, völlig unbeeindruckt von Sasukes panisch rasendem Herzen. Als hätte der Mensch gerade versucht, ein Nickerchen auf dem Gesicht der Katze zu machen, nicht umgekehrt. Neben Sasuke regte sich etwas und ein Arm schob sich träge um seine Körpermitte. „Was’n los…“, murmelte Narutos halbwache Gestalt aus den Kissen hervor. „Schaff dieses Ding aus meinem Schlafzimmer. Sofort“, fauchte Sasuke und schob den Arm von sich. „Baby…?” "Es hat versucht, sich auf mein Gesicht zu legen und zu ersticken!” Verständnislos richtete Naruto sich auf, rieb sich die Augen und entdeckte Kurama, der inzwischen angefangen hatte, sich zu putzen. Sasuke starrte ihn finster an, gefolgt von Naruto, als der die Frechheit besaß zu lachen. „Baby, er ist eine Katze. Katzen ersticken keine Menschen.“ Sasuke schmollte über Narutos nur schlecht verhohlenes Grinsen. „Dein persönliches Monster hat es jedenfalls versucht. Und jetzt raus mit ihm.“ Jetzt konnte Naruto sein Lachen endgültig nicht mehr zurückhalten. Er wuchtete sich auf einen Arm, beugte sich vor und küsste Sasuke. Dann strahlte er ihn mit seinen Meeraugen an. „Du bist so süß, wenn du den Morgenmuffel rauslässt, weißt du das?“ Sasuke konnte nicht lange beleidigt sein, als Naruto dafür sorgte, dass sein Kater das viel zu unruhige Bett ganz freiwillig verließ. Er lag auf der Couch, als die Männer später duschen gingen, und auch noch, als es an der Tür klingelte und Sarada zum Frühstücken auftauchte. Sie war nicht überrascht davon, Naruto hier zu sehen. Im Gegenteil verstand sie sich ganz hervorragend mit dem Liebhaber ihres Vaters. Außer ihr wusste niemand im Hotel von dieser Affäre. Als Sasuke ihr sagte, sie solle das für sich behalten, hatte sie nur überheblich ihre Brille zurechtgeschoben und gemeint: „Ich bin doch nicht dumm.“ Dem konnte er nur zustimmen. „Ich bin echt schon gespannt, wie du die Party findest“, grinste Naruto Sarada über seine Cornflakes-Schüssel hinweg an. „Es war richtig viel Aufwand, aber ich glaub, es wird geil.“ „Die Idee ist… Interessant?“, erwiderte das Mädchen ein wenig zögerlich. „Ja, nich? Zuletzt hab ich bei so ner Cateringfirma ausgeholfen, und wir ham eine Studentenparty bedient, bei der das gemacht wurde. Daher hab ich die Idee. Aber ich hatte nich damit gerechnet, solche Profis dabei zu haben.“ „Profis?“ Sarada hatte Kurama entdeckt, der in die Küche stolziert gekommen war, und stand auf. Das riesige Tier reichte ihr bis zu den Knien, als es sich schnurrend um ihre Beine schlängelte. Lächelnd schob sie das Tier vor sich her zu einem der Hängeschränke. Sasuke blinzelte, als sie eine Dose Katzenfutter hervorzauberte, und warf Naruto einen bösen Blick zu. Der tat, als hätte er nichts davon gemerkt, und erklärte unschuldig: „Na ja, du und deine Freundinnen machen doch bestimmt öfter Kissenschlachten auf euren Pyjamapartys, oder?“ Sarada kniete neben Kurama, der sich über sein Frühstück hermachte, und warf Naruto einen hochnäsigen Blick zu. „Wir sind 13 und keine Babys mehr, weißt du?“ „Ah? Das wollte ich auch gar nich sagen! Himawari fand es eine super Idee!“, erklärte Naruto offenbar tief getroffen von der Kritik. Sasuke schnaubte amüsiert und beendete sein Frühstück nach einem Blick auf seine Armbanduhr. „Die Veranstaltung findet so oder so statt.“ „Darum geht’s doch grad gar nich! Warum bist du eigentlich immer so fies, hah? Kein Wunder, dass Kurama Sarada lieber mag als dich“, nörgelte der Animateur, dessen Haustier es sich gerade auf dem Schoß des Mädchens bequem machte, nachdem er zu Ende gespeist hatte. Die kleine Gruppe verließ inklusive dem Kater die Wohnung. Sasukes Gewohnheit folgend nahmen sie die Treppe nach unten. Naruto und Sarada unterhielten sich, während Sauske den ersten Anruf des Tages bekam. „Guten Morgen, Mutter“, grüßte er Mikoto, sich der neugierigen Blicke seinen Begleiter bewusst. „Sasuke, Schatz. Wie geht es dir?“ „Gut. Ich habe aber viel zu tun“, blockte er ein längeres Gespräch sofort ab. Seine Mutter hatte die Angewohnheit, tagsüber anzurufen und ewig zu plaudern. Als hätte er nichts zu tun, nur, weil er sein eigener Chef war. Meistens nahm er sich die Zeit für sie, aber nicht, wenn heute eine große Veranstaltung anstand. „Wie immer“, lachte Mikoto unbeeindruckt. „Aber du wirst dir ein bisschen Zeit nehmen müssen. Dein Vater und ich kommen nach Konoha, solange Sarada bei dir ist.“ Damit hatte Sasuke gerechnet. Sein Blick begegnete Narutos und er holte tief Luft. Das würde eine interessante Woche werden. „Für wann habt ihr das geplant?“ Bis sie an seinem Büro ankamen, klärte Sasuke die Details des Besuchs. Merklich zufrieden ließ Mikoto sich abwimmeln. Bevor sie jedoch auflegte, sagte sie noch: „Und, Schatz… Ich weiß, die Situation ist schwer für dich, aber du schaffst das. Sei einfach du selbst, und gib euch beiden ein bisschen Zeit, okay?“ Sasuke öffnete kurz den Mund, schloss ihn, um zu schlucken und sagte: „Ja, Mutter“, bevor er auflegte. Seufzend schob er das Telefon weg und rieb sich den Nacken. Hätte er es mal lieber gar nicht erst zur Hand genommen. „Deine Großeltern kommen nächstes Wochenende hierher“, unterbrach Sasuke das Gespräch seiner Begleiter recht abrupt. „Wenn er es zeitlich einrichten kann, begleitet dein Onkel sie.“ „Was heißt ‚wenn er es einrichten kann‘? Sollte er nicht glücklich sein, seine Nichte endlich mal kennenzulernen?“, beschwerte Naruto sich laut, wofür Sasuke ihn finster anstarrte. „Es eilt nicht. Sarada wird ab jetzt öfter hier sein.“ Das Mädchen sah überrascht aus, dann lächelte sie. „Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen!“ Als sie Sasukes Büro erreichten, wartete davor bereits Boruto. Ganz cool fragte er, ob Sarada ihn begleiten wolle – die Lieferung für die Küche müsse geprüft werden. Sasuke sah ihnen stirnrunzelnd hinterher, als sie sich gemeinsam trollten. Gerade noch so erhaschte er einen Blick auf Kuramas Schweif, der hinter ihnen die Treppe hinunterverschwand. „Awww, bist du eifersüchtig?“, grinste Naruto und stupste Sasuke mit dem Ellbogen in die Seite. „Er ist zu alt für sie.“ „Das sind doch nur drei Jahre. Wenn das zu viel wär, wärst du ja viiiiel zu alt für mich“, stichelte Naruto, weil Sasuke vier Jahre älter als der 28-jährige Animateur war. „Außerdem neigen Mädchen mit schwierigen Verhältnissen zu ihren Vätern doch dazu, sich ältere Männer zu suchen.“ Sasuke sah ihn böse an wegen dieses Kommentars, konnte aber nicht wirklich wiedersprechen, weshalb er stattdessen behauptete: „Sie interessiert sich noch nicht für Jungs.“ Naruto verdrehte nur die Augen. „Als hättest du sie danach gefragt!“ In der Tat war das noch kein Thema zwischen seiner Tochter und ihm gewesen, und er hätte dieses Gespräch gerne bis auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Naruto nutzte es, dass Sasuke kurz abgelenkt war, um ihm einen Kuss aufzudrücken. Das Lächeln auf seinen Lippen, als er sagte: „Du bist süß, wenn du schmollst“, prickelte in Sasukes Magengegend und ließ ihn vergessen, sich über die Unvorsicht seines Liebhabers zu beschweren. „Bevor du mich mal wieder wegschickst: Ich geh schon“, lachte Naruto und machte ein paar Schritte rückwärts den Flur runter. „Wir sehn uns dann heut Abend… Trag wieder dieses schwarze Hemd, okay?“ Bevor Sasuke noch etwas sagen konnte, war er um die nächste Ecke verschwunden. Den Kopf schüttelnd betrat sein Chef das Büro. Er hatte jetzt wirklich keine Zeit, sich zu fragen, wie Naruto es schaffte, so süß zu sein. Wie immer aßen Sasuke und Sarada zusammen zu Mittag. Heute war es jedoch nur ein kurzer Imbiss an der Poolbar. „Tut mir leid, Papa, aber ich habe versprochen, Boruto beim Aufbau zu helfen“, erklärte sie und nickte dem Kellner zu, der ihr einen Obstsalat und ihrem Vater ein Tomate-Mozarella-Ciabatta auf den Tisch stellte. „Alleine würde er das nie hinkriegen. Er ist so arrogant und mischt sich überall ein, aber selbst bekommt er nie etwas auf die Reihe.“ „Von meinen Angestellten habe ich anderes gehört“, merkte Sasuke an und musterte sein Kind, das hochnäsig schnaubte. Woher sie das nur hatte? „Da hat er sich irgendwie durchgemogelt. Wobei… Vielleicht hätte er ja Talent, wenn er sich für irgendwas begeistern könnte. Aber er zockt am liebsten den ganzen Tag dieses dumme Videospiel. Gestern haben wir…“ Sie verstummte, als ihr klar wurde, dass sie Borutos Chef so etwas lieber nicht hätte sagen sollen. Eigentlich sollte er auf diese Information reagieren. Vor zwei Monaten hätte er es noch getan. Aber Boruto machte seinen Job gut, und man solange die Leistung stimmte, sollte er sich nicht an den Methoden aufhängen. Bei Naruto funktionierte es doch auch. Und außerdem war der Junge inzwischen der Freund seiner Tochter, egal, was er davon hielt. Nun, so würde Boruto sich zumindest nicht beschweren, dass er Sarada nach der Party nach Hause bringen sollte. „Gestern habt ihr?“, forderte Sasuke gelassen und griff nach seiner Serviette, um die Finger zu säubern. Sarada zögerte kurz, bevor sie weitererzählte, wie Boruto ihr ein Videospiel gezeigt hatte. Jetzt wählte sie ihre Worte mit mehr Bedacht. Einerseits wusste Sasuke das zu schätzen, denn er wusste nicht, wie viele Eskapaden seines Praktikanten er wortlos hätte hinnehmen können, gute Vorsätze hin oder her. Andererseits zeigte das auch, dass das Mädchen ihm nach wie vor nicht traute. Sie hatten erst knapp zwei Wochen miteinander verbracht, nachdem sie sich sechs Jahre nicht gesehen hatten. Er hatte ihr Gesicht vor zwei Wochen nicht mal erkannt. Es war normal, dass die Distanz zwischen ihnen nicht von einem Tag auf den anderen verschwand. Sasuke sollte geduldiger sein – doch das war nicht seine Stärke. Insbesondere, wenn er sah, wie schnell Naruto dem Mädchen näherkam. Sie war seine Tochter, und es war seine Aufgabe, für sie da zu sein, dachte er, als er ihr nach dem Mittagessen hinterherschaute. Doch er hatte wirklich keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Als er sich am Abend auf den Weg zum Otogakure machte, hatte er noch keine zündende Idee gehabt. Er trug schwarze Jeans und ein blaues Shirt, dessen Ausschnitt gerade so das Tattoo an seinem Nacken verdeckte. Auf der Einladung hatte gestanden, dass man im Pyjama kommen konnte, wenn man wollte, aber keine zehn Pferde würden Sasuke Uchiha im Schlafanzug aus seiner Wohnung bekommen. Zumal er sowieso zu den Menschen gehörte, die nur in Unterwäsche schliefen. Ihm war eigentlich immer zu heiß. Sasuke hoffte trotzdem, dass ein gewisser Animateur zufrieden mit dem Outfit war, denn Naruto hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, sich über die Farblosigkeit seiner Garderobe zu beschweren. Eine Viertelstunde später erreichte Sasuke den Club, vor dem sich bereits eine Schlange gebildet hatte. Etwas in seiner Magengegend verkrampfte sich unangenehm, als er die gläserne Wendeltreppe sah. Sasuke ignorierte das Gefühl, denn der Türgorilla hatte ihn bereits erkannt und winkte ihn durch. Die lilane Beleuchtung des Oto war wie immer, sonst waren die Räumlichkeiten kaum wiederzuerkennen. Die Sofas, die sonst am Rand der kleineren Tanzfläche standen, waren durch Betten ersetzt worden. In einer Ecke stand ein riesiger Teddybär, vor dem einige Gäste Fotos machten – nicht wenige von ihnen waren tatsächlich im Schlafanzug gekommen. Bereits als er eintrat versuchte ein junges Mädchen in Boxershorts und Tanktop – das sollte wohl ihren Pyjama darstellen –, Sasuke ihm ein Kissen anzudrehen, das er jedoch ignorierte. Er entdeckte Hinata zwischen den Kuscheltieren auf einer Bar und gesellte sich zu ihr. Während sie Belanglosigkeiten austauschten, warf er einen Blick auf die Karte, und stellte fest, dass die Drinks ebenfalls themenbezogene Namen bekommen hatte: Insomnia, Sandmann und Dornröschen waren nur drei Beispiele. Für Gäste im Pyjama beziehungsweise mit eigenem Kissen oder Kuscheltier gab es Gratisgetränke, doch weder Sasuke noch Hinata gehörte zu dieser Gruppe. „Naruto hat wirklich ein Händchen für so etwas, nicht?“, lächelte Hinata, als eine Gruppe lachender junger Frauen mit bunter Zuckerwatte vorbeizog. Auf der Galerie war eine Candybar eingerichtet worden, an der es außerdem Donuts und Popcorn gab. „Er wäre ein guter Eventmanager.“ Sasuke nippte an seinem Getränk in dem verschließbaren Plastikbecher, der verhindern sollte, dass später Federn oder Konfetti in den Drinks der Gäste landeten. Er hatte Naruto befohlen, niemandem von ihrer Affäre zu erzählen, und ging davon aus, dass sein Liebhaber sich daran hielt. Hinata wusste also sehr wahrscheinlich nichts von ihnen. Dennoch hatte er das irrationale Gefühl, ihr den Freund ausgespannt zu haben. Natürlich war das lächerlich. Die beiden waren nicht zusammen gewesen, und es war Narutos Entscheidung, wen er vögeln wollte. Doch es war offensichtlich, wie sehr seine Sekretärin den Animateur noch immer mochte, und gegen alle Rationalität hatte er ein schlechtes Gewissen. „Er hat das nicht alleine bewältigt“, erinnerte Sasuke Hinata, die errötete. Offenbar war sie ebenso sehr hier, um die Arbeit ihres Schwarms zu sehen wie die ihres Sohnes. „N-natürlich nicht“, stimmte sie rasch zu. „Alle haben sich so angestrengt und etwas Besonderes auf die Beine gestellt. Ihre Tochter war auch gleich mit dabei.“ „War sie das?“ „Na ja, sie hat Boruto geholfen“, meinte Hinata und sah ihn ein wenig verunsichert hat. „Das ist doch verständlich, immerhin ist er der einzige hier ungefähr in ihrem Alter… O-oder stört Sie das?“ Sasuke schüttelte den Kopf und ließ den Blick auf der Suche nach seiner Tochter über die Menge schweifen. Er hatte eher an gesetzliche Regularien gedacht, nach denen Minderjährige nicht arbeiten sollten. Doch konnte niemand Sarada verbieten, mit dem Praktikanten zu spielen. „Ich… War überrascht, dass sie uns dieses Jahr besucht“, wagte Hinata vorsichtig zu sagen. „Kommt ihre Mutter auch hierher?“ „Vielleicht.“ „Heißt das dann…?“ „Nein“, blockte Sasuke ab, und Hinata verstummte mit einem Nicken. Es war angenehm, dass sie die Grenzen der Menschen intuitiv zu spüren und zu respektieren schien. „Ich… E-Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, aber… Es ist schön, Sie mit Sarada zu sehen. Man merkt, dass sie Sie vermisst hat.“ Sasuke hatte eher das Gefühl, alle Erwartungen zu enttäuschen, die das Mädchen an ihn gehabt hatte – ebenso wie die Erwartungen, die er an sich selbst in der Vaterrolle gehabt hatte. „Das glaube ich kaum.“ „Weil Sie zu streng mit sich sind“, erklärte Hinata mit einem sanften Lächeln. „Es ist für niemanden leicht, Vater oder Mutter zu sein, und Sie hatten sechs Jahre weniger Übung als andere. Geben Sie sich ein bisschen Zeit.“ Er dachte an das Gespräch mit seiner Mutter. Vielleicht hatten die Frauen Recht. Wie oft hatte Sakura ihn angerufen, um sich Trost und Rat in einem Streit mit ihrer Tochter zu holen? Und er erwartete von sich, das alles in wenigen Wochen besser hinzubekommen als seine Exfrau. Manchmal war er wirklich ziemlich arrogant. Während Sasuke geschwiegen hatte, hatte Hinata ihren Sohn entdeckt und winkte ihm zu. Er drehte sich um und Sarada tauchte hinter ein paar Gästen auf, die das Mädchen neugierig musterten. Als sie ihren Vater entdeckte, zögerte sie kurz, bevor sie ihn anlächelte und sich mit Boruto zu ihnen herüberkämpfte. „Sie müssen sich nicht zu sehr anstrengen oder verstellen. Geben Sie ihr einfach die Zeit, Sie kennenzulernen“, schlug Hinata vor, bevor die Kinder schon bei ihnen waren. Dann, an die Teenager gewandt, lächelte sie: „Das habt ihr wirklich toll gemacht. Ich habe so eine Feier noch nie gesehen.“ Boruto duckte sich unter der Hand seiner Mutter weg, die ihm liebevoll durchs Haar strich. Ein selbstzufriedenes Lächeln konnte er allerdings nicht verhindern. „Du bist auch keine Expertin, was Partys angeht, Mom.“ „Sie hat recht“, fügte Sasuke hinzu. Als alle drei ihn ansahen, räusperte er sich. „Eure Arbeit hat sich ausgezahlt.“ Beide strahlten, und sogar Hinata lächelte zufrieden. Wieder räusperte Sasuke sich und sah auf seine Armbanduhr. „Gut… Ihr geht dann bald.“ „Was?!“, beschwerten die Kinder sich wie aus einem Munde. „Aber die Kissenschlacht fängt erst um Mitternacht an!“ „Das ist wohl ein organisatorischer Fehler“, erwiderte Sasuke trocken. Boruto presste die Lippen aufeinander und Sarada starrte ihren Vater wütend an. „Wir haben beim Planen geholfen und sollen jetzt nicht mal sehen, wie das Hauptevent abläuft? Das ist unfair“, verkündete das Mädchen mit mühsam unterdrückter Leidenschaft. In solchen Momenten sah sie ihrer Mutter wirklich unglaublich ähnlich. „Gibst du mal wieder den Spielverderber?“, beschwerte Naruto sich, der sich von Sasuke unbemerkt genähert hatte. Als er sich neben seinen Chef schob, striff seine Hand wie zufällig den Hintern seines Chefs. Als dieser ihn warnend ansah, grinste er nur schelmisch. „Sie ist dreizehn“, war alles, was er dazu zu sagen hatte. „Also darf ich bleiben?“, freute Boruto sich, wofür er einen entrüsteten Blick von Sarada kassierte. „Es sind doch Ferien. Da wäre es doch möglich, eine Ausnahme zu machen“, mischte sich jetzt sogar Hinata ein. Gegen diese Übermacht blieb Sasuke wohl nichts anderes übrig, als sich geschlagen zu geben. „Schön. Aber nach der Kissenschlacht gehst du nach Hause.“ „Das gilt auch für dich“, fügte Hinata zu, die sich trotz des Protestes ihres Jungen nicht erweichen ließ. Sie sah so zartbesaitet aus, aber in solchen Momenten merkte man ihr an, dass sie 16 Jahre Erfahrung als Mutter hatte. „Ihr zwei, wir sollten langsam anfangen, die Kissen zu verteilen“, meinte Naruto, der einfach nach Sasukes Arm gegriffen hatte, um auf seine Uhr zu sehen. Er grinste leicht verlegen, als sein Chef sich losmachte, schien aber nicht reumütig. Sie würden nochmal darüber reden müssen, wie geheim ihre Affäre eigentlich sein sollte. „Du kannst ruhig hier bleiben. Wir wissen ja, wo alles liegt“, meinte Sarada, die ihrem Vater wohl großzügig etwas Zeit mit seinem Liebhaber geben wollte. Sie brachte ihn dadurch ziemlich in Verlegenheit, doch bevor Sasuke protestieren konnte, war sie schon mit Boruto im Schlepptau davongestapft. Ihren Tatendrang hatte sie auch von Sakura. Tief seufzend wandte Sasuke sich wieder seinen erwachsenen Gesprächspartnern zu, die belustigt die kleine Szene beobachtet hatten. „Ich bringe Sarada später ins Hotel. Sie haben hier sicher noch einiges zu tun“, bot Hinata an. Alleine dafür hatte sie eine Gehaltserhöhung verdient, doch Sasuke nickte nur. „Du könntest dich ruhig mal bedanken!“, beschwerte Naruto sich, aber Hinata wehrte mit verlegen gehobenen Händen ab. Es war überraschend unkompliziert, sich mit seinem Liebhaber und dessen Ex zu unterhalten, wie Sasuke daraufhin feststellen durfte. ~ Sarada ~ „Der Alte hätte ruhig mithelfen können, statt zu faulenzen.“ „So viel älter als wir ist Naruto nicht“, widersprach Sarada Boruto, während sie sich ihren Weg durch die Gäste bahnten. Inzwischen war es ganz schön voll in dem Club. Einerseits war sie stolz, andererseits hatte sie damit nicht wirklich gerechnet. Immerhin war es eine Kissenschlachtparty. Das machten doch sonst kleine Mädchen. „Das sagst du nur, weil du auf ihn stehst“, schoss Boruto zurück. Sarada wurde flammendrot und wäre fast gestolpert, fing sich aber im letzten Moment. Sie räusperte sich und schob würdevoll die Brille zurecht. „Gehen wir einfach die Kissen holen, bevor du noch mehr Quatsch von dir gibst“, verlangte sie. Boruto verdrehte die Augen, führte sie aber weiter durch den Club. Die meisten Gäste warfen ihnen neugierige bis verwirrte Blicke zu. Sarada hatte sich daran gewöhnt, wie an so vieles in Konoha. Sie wusste nicht mehr so recht, was sie erwartet hatte, als sie hierhergekommen war. Ein Vater wie der, den sie gefunden hatte, war es jedenfalls nicht gewesen. Blinzelnd schob sie den Gedanken zur Seite. Jetzt hatte sie andere Aufgaben. Allerdings war es gar nicht so leicht, diese zu erfüllen, denn die Tür zu den oberen Lagerräumen war verschlossen. „Na super. Menma weiß doch, dass wir die Kissen jetzt dann brauchen“, beschwerte Boruto sich, während Sarada auf ihre Handyuhr blickte. „Gehen wir ihn suchen“, hielt sie sich nicht lange auf. Glücklicherweise war es leicht, den Aufenthaltsort eines Barkeepers zu sondieren. Er bediente an der Hauptbar unter der Galerie und war so konzentriert, dass er die beiden nicht bemerkte. Sarada zögerte, doch Boruto duckte sich einfach unter der Absperrung durch und war hinter dem Tresen. Als sie folgte, hatte ihr Begleiter Menma bereits mit einem forschen: „Hey!“, angesprochen. „Was ist?“, fragte der Barkeeper, ohne von seiner Arbeit aufzublicken. Er trug ein weites, schwarzes Shirt mit einer lilanen Schlange darauf sowie passende lilane Schlafanzughosen. Das war offensichtlich die Arbeitskleidung, die Orochimaru seinen Angestellten zur Verfügung gestellt hatte. An Menmas Hals hing zudem das Lederband mit der Hundemarke, ohne das Sarada ihn noch nie gesehen hatte. „Wir brauchen den Schlüssel für oben“, erklärte sie. „Ich komme.“ „Brauchst du nicht“, winkte Boruto ab. „Gib uns einfach den Schlüssel. Hast hier ja mehr als genug zu tun, und wir wissen, wo alles ist.“ Menma kassierte den Kunden ab und wandte sich ihnen zu. „Aber ihr wisst nicht, was sonst noch da oben ist“, sagte er geheimnisvoll und schob sich an ihnen vorbei hinter der Bar hervor. Sarada sah Boruto an und zuckte die Schultern, als der die Augen verdrehte. Jungs spielten sich wohl einfach gerne auf. Immerhin sperrte Menma ihnen die Tür zum Obergeschoss auf und führte sie die enge Treppe hoch. Ein seltsamer Duft, den Sarada schon öfter bemerkt hatte, erfüllte die Luft auf dem Flur. „Was ist das?“, fragte Sarada und schnüffelte ein wenig. Sie sah eines von Menmas Augen durch das fahle Licht zu sich herunter blitzen. „Ich würde nicht zu tief einatmen“, warnte er, und Sarada ertappte sich dabei, kurz die Luft anzuhalten. „Weil der Alte auf Weihrauch steht?“, schoss Boruto zurück, doch Menma zuckte lediglich die Schultern. „Wenn du das sagst“, erwiderte er und verschwand am oberen Treppenabsatz. Boruto schob schnaubend die Hände in die Hosentaschen und starrte ihm grummelnd hinterher. „Blöder Wichtigtuer.“ „Da kenne ich noch einen“, sagte Sarada und beobachtete, wie Boruto knallrot wurde. Oben führte ein Flur nach rechts. Sarada wusste, dass man durch die Fenster auf die Tanzfläche blicken konnte. Ihre Aufmerksamkeit lag allerdings auf einem jungen Mann mit Brille, der einer Frau die Hand schüttelte. Als er die drei entdeckte, öffnete er eine Tür und bat seine Gesprächspartnerin in den Raum. Mit einer Verbeugung entschuldigte er sich bei ihr und kam herüber. „Was macht ihr hier?“, fragte er, wobei er Sarada und Boruto herablassend musterte. „Die Kissen holen“, erwiderte Menma unbeeindruckt. „Und du?“ Kabutos Brillengläser blitzten, als er den Blick auf seinen jungen Kollegen lenkte. „Das sind die Besprechungsräume. Was glaubst du, was man dort macht?“, fragte Kabuto mit einem überheblichen Lächeln, das Sarada nicht verstand. Menma offenbar schon, denn sein Körper neben ihr verhärtete sich. Allerdings blieb seine Stimme tonlos, als er erwiderte: „Dann mach deine Arbeit und lass mich meine erledigen.“ Damit wandte er sich wieder der Tür zu. Kabuto blieb kurz stehen und beobachte, wie jeder von ihnen einen Arm voll Kissen heraustrug. Dann ging er endlich zu seinem Termin. Genervt und mit Bettzeug beladen sah Sarada ihm hinterher. „Komischer Kerl.“ „Sind doch alle hier“, meinte Boruto mit einem vielsagenden Blick auf Menma. Sarada blieb auf der Treppe stehen und funkelte ihn von oben herab an. „Kannst du das mal lassen?“ „Was?“, fragte der Blonde verwirrt, während Menma ein paar Stufen weiter unten die Szene ebenfalls beobachtete. „Dich als etwas Besseres aufspielen, weil du eifersüchtig bist. Das ist total kindisch!“, verkündete sie und schubste ihn mit ihren Kissen zur Seite, als sie sich an ihm vorbeischob. Das gebrummte: ‚Weiber…‘, das sie hörte, als sie ein paar Schritte weiter unten war, ignorierte Sarada. Die Jungs waren beide lächerlich, sodass sie nicht auf sie wartete, sondern alleine anfing, die Kissen zu verteilen. So richtig bedacht hatte sie das allerdings nicht, denn jetzt stand sie mit ihren Kissen alleine da und wusste nicht, was sie tun sollte. Sarada wünschte, Chocho wäre hier. Sie hätte einfach irgendwelche Männer angesprochen, ihren Charme spielen lassen und in Null Komma nichts alle Kissen vertickt. Kurz stand sie ein wenig hilflos herum, als sie einen Blick auf sich spürte und sich umblickte. Schnell entdeckte sie ihren Vater, der sie vom Rand der Menge aus beobachtete. Als er ihr zunickte, raffte Sarada ihre Kissen zusammen, nickte zurück und wandte sich mit entschlossenem Blick ab. Ganz sicher würde sie nicht die Jungs die Arbeit machen und sich bei Vati verstecken, nur, weil er hier der Chef war. Sie hatte ihn noch nie gebraucht, und das würde sie ihm zeigen. Sie entdeckte eine Gruppe junger Partygäste, die noch keine Kissen in den Händen hielten. Zwar hatten sich nur zwei von ihnen in Schlafanzüge geworfen, doch Sarada entschied, dass sie so vielversprechend wie jede andere Gruppe waren. Entschlossen straffte sie die Schultern und stapfte direkt in ihre Mitte. „Entschuldigung…!“ Alle sahen sie überrascht an, und sie spürte ihre Wangen heiß werden, aber jetzt war es zu spät, um zurückzuweichen. „D-Die Kissenschlacht fängt bald an. Wenn ihr mitmachen wollt, könnt ihr bei mir Kissen kaufen.“ Zuerst schwiegen die fünf überrascht, aber dann quietschte eine der drei Frauen entzückt. „Du bist ja niedlich! Bist du sowas wie ein Maskottchen oder so?“, fragte sie begeistert und stupste den Mann neben sich an, der folgsam sein Portemonnaie zückte. Sarada musste dann zwar Fotos mit der Truppe vor dem riesigen Teddybär machen, strich aber immerhin ihre ersten Gewinne ein. Letztlich nahmen alle fünf ein Kissen, sodass sie sich zufrieden lächelnd nach Menma umsah, um mehr zu holen. „Oto-Gakure, bist du noch wach?!“, schrie plötzlich jemand in ein Mikrofon. Sarada zuckte zusammen, doch der halbe Club brüllte zustimmend. Sie entdeckte den DJ, der sein Equipment auf der Bühne vor der Haupttanzfläche aufgebaut hatte. Er trug einen scheußlichen neongrünen Pyjama, während ein paar halbnackte Mädchen in lilanen Hotpants und schwarzen Tanktops mit Schlangenprint vor ihm mit Kissen nacheinander haschten. „Sehr gut, denn heute wird nicht geschlafen! In einer halben Stunde geht die Kissenschlacht in der Main Area los, also besorgt euch jetzt noch eure Kissen bei unseren kleinen Helferlein! Und danach geht die Party richtig weiter!“ Als die Musik wieder einsetzte, realisierte Sarada, dass sie eines der kleinen Helferlein war. Sie sollte sich beeilen und Menma finden, doch der Barkeeper war nirgends zu sehen. Selbst seine Kollegen hinter dem Tresen wussten nicht, wo er abgeblieben war. Ein wenig verunsichert ließ Sarada den Blick über die Menge wandern, bis ihr Blick auf die Tür nach oben fiel. Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, machte einen langsamen Schritt nach vorne. Dann schob sie ihre Brille zurecht, straffte die Schultern und machte sich auf den Weg zur Tür. Obwohl sie sich das eingeredet hatte, war sie ein wenig überrascht, dass die Tür nach oben sich tatsächlich öffnen ließ. Sie warf noch einen letzten Blick in den Clubraum, dann stieg sie die Treppen hoch. Auf halbem Wege drangen Stimmen zu ihr runter und sie runzelte verärgert die Stirn. Wahrscheinlich waren Boruto und Menma oben und holen neue Kissen oder faulenzten ganz einfach. Um die beiden auf frischer Tat zu ertappen, stieg sie die letzten Stufen leise hoch. Dabei erkannte sie rasch, dass es sich nicht um die beiden Jungs handelte und sie blieb stehen. „… angefangen, Fragen zu stellen“, sagte Kabutos Stimme, und Sarada rümpfte genervt die Nase. Nach der vorigen Begegnung hatte sie kein Bedürfnis, ihn erneut zu sehen. „Dann löse das wie immer“, erwiderte ein zweiter Mann, der ihr vage bekannt erschien. „Dafür brauche ich mehr Geld“, stellte Kabuto klar. „Und wir müssen uns endlich konzentrieren, statt irgendwelchen Spielchen nachzujagen.“ Das Klatschen von Haut auf Haut ließ Sarada den Atem anhalten. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in das Halbdunkel über sich. Was war da gerade passiert? „Meine anderen Projekte sind nicht dein Problem“, sagte die zweite Stimme freundlich. Unmöglich. Jemand der gerade einen anderen Menschen geschlagen hatte, konnte unmöglich so unbeteiligt klingen. Sarada jagte ein kalter Schauer den Rücken runter und sie machte einen Schritt rückwärts. Dabei vergaß sie, dass sie auf einer Treppe stand, und geriet ins Straucheln. Sie konnte sich zwar noch fangen, doch ihre Schritte waren so laut gewesen, dass die Männer am oberen Treppenabsatz sie sicherlich gehört hatten. Ohne nachzudenken wandte sie sich um und eilte die Treppe runter. Vor der Tür waren so viele Leute, die zwei würden nie herausfinden, dass sie das Geräusch gemacht hatte. Vage flackerte das Bild ihres Vaters vor ihren Augen, wurde jedoch schnell von Narutos Gesicht ersetzt. Sie wollte eine seiner Bärenumarmungen und sein warmes Lächeln, das einem das Gefühl gab, das alles in Ordnung kommen würde. Die untere Tür war verdammt schwer, und Sarada hörte bereits Schritte, als sie noch mit dem Weg nach draußen kämpfte. Sie wagte es nicht, sich umzublicken, sondern schob sich durch den engsten Spalt nach draußen, durch den ihr schlanker Leib passte. Weg. Sie musste weg… Ihr entkam ein halblauter Schrei, als plötzlich eine Hand an ihrem Handgelenk lag. „Wen haben wir denn da?“, fragte der Mann mit den langen Haaren, dem der Club gehörte. Hinter ihm tauchte Kabuto auf, der sie ansah wie ein Insekt. „Wenn das nicht unsere kleine Uchiha-Prinzessin ist.“ „Ich heiße Haruno“, erwiderte Sarada aus purer Gewohnheit. In ihrem Ausweis stand zwar der Name ihres Vaters, aber wenn sie konnte, stellte sie sich mit dem Mädchennamen ihrer Mutter vor. Sasuke hatte absolut nichts getan, um sie zu einer Uchiha zu machen, abgesehen davon, ihr seine Haare und Augen zu vererben. Orochimaru lächelte trotz Saradas ängstlich aufgerissenen Augen. „Ah, und genauso stur wie der Herr Papa. Das gefällt mir.“ Eine Gänsehaut lief Sarada den Rücken runter und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Allerdings musste sie das auch nicht, denn als hätte man ihn beschworen, tauchte plötzlich Sasuke aus der Menge auf. Naruto war hinter ihm wie ein blonder Schatten. Als Sasukes Blick wortlos von der Hand am Arm seiner Tochter zu Orochimaru wanderte, ließ der Clubbesitzer sofort los. „Sasuke! Wie schön, dass ich endlich Ihre bezaubernde Tochter kennenlernen durfte“, sagte er und beobachtete, wie sein Geschäftspartner an Saradas Seite trat. Ihr Vater ignorierte Orochimaru und fragte sie recht brüsk: „Was ist passiert?“ Sie zuckte ein wenig vor der unerwarteten Schärfe in seiner Stimme zurück. Sonst war er immer so ruhig… „N-nichts. Ich habe Menma gesucht, um noch mehr Kissen zu holen, das ist alles.“ „Na, die können wir dir holen“, sagte Orochimaru und lächelte in die Runde. „Wenn alle ein paar runter tragen, sollten wir genug Vorräte haben. Wir lagern sie einfach hinter einer Bar, nicht wahr.“ Keiner der Herren schien sonderlich begeistert, doch letztlich machte sich die ungewöhnliche Truppe auf den Weg nach oben. Orochimaru öffnete die Tür höchstpersönlich, machte aber keine Anstalten, selbst einzutreten. Mit Narutos Hand auf ihrem Rücken schob Sarada sich an ihm vorbei in das Lager und holte einen Arm voll Kissen heraus, ebenso wie der Animateur und Kabuto. Als sie draußen waren, fiel die Tür knallend zurück ins Schloss. „Kabuto, du und unsere jungen Freunde hier könnt noch mehr Kissen holen“, ordnete Orochimaru an, ehe er sich mit einem Lächeln an Saradas Vater wandte, bei dem ihr Mund sich ganz klebrig anfühlte. „Sasuke, wir haben einige Dinge zu besprechen. Wenn Sie mich in mein Büro begleiten.“ Kurz herrschte Schweigen auf dem Flur, bevor Sasuke nickte. „Ja“, sagte er. „Nein“, sagte Naruto gleichzeitig. Niemand hatte gesehen, wie die Hand des Animateurs an das Handgelenk seines Chefs gekommen war. Sasuke sah kurz ein wenig verblüfft zu den Fingern auf seiner Haut, bevor er seinen Angestellten ungeduldig musterte. „Was ist, Uzumaki?“ In der Tonlage hatte er seinen Freund nicht mehr angesprochen, seit Naruto halbnackt vor Sarada herumgelaufen war. Es verfehlte seinen Effekt nicht. Naruto ließ los. „Ich…“ Unbeholfen kratzte er sich den blonden Bartschatten, der sein Kinn bedeckte. „Die Kissenschlacht geht bald los, und ich dacht, du willst auf dem Hauptevent nich fehlen“, saugte er sich schließlich aus den Fingern. „Dachtest du ernsthaft, ich würde an einer Kissenschlacht teilnehmen?“ Sasukes Stimme klang wieder ein wenig sanfter, und ein Lächeln erhellte Narutos Züge. „Nah, stimmt. Du bist ne scheiß Spaßbremse.“ „Pass auf, was du sagst, Uzumaki“, mahnte Sasuke, allerdings eher spielerisch. Sein Blick fiel auf Sarada, und nach kurzem Zögern nahm er ihr die Kissen aus dem Arm. „Wir sprechen ein anderes Mal“, erklärte er Orochimaru und erntete ein strahlendes Lächeln von seiner Tochter. Sie huschte an dem Alten und der Brillenschlange vorbei, um noch mehr Kissen zu holen, dann ging sie ihrem Vater und seinem Liebhaber voran die Treppe runter. „Wo sollen wir sie dir hinlegen?“, fragte Sasuke, wofür Naruto ihm ein Kissen gegen den Hinterkopf schlug. „Wir legen die nirgends hin. Die müssen verkauft werden, und es is wenig Zeit. Was bist du denn für‘n Geschäftsmann?!“, beschwerte er sich. Sasuke sah ein wenig baff aus, seufzte dann aber und ergab sich seinem Schicksal. „Schön. Falls ihr Boruto seht, schickt ihn nochmal hoch, um mehr zu holen. Die übrigen Kissen soll er dann zum DJ-Pult bringen, bevor es losgeht“, fasste er den Plan zusammen. „Sarada, du bleibst bei mir.“ „Eh? Du willst sie nur benutzen, um mehr Kissen zu verkaufen!“, beschwerte Naruto sich, worüber der Sasuke die Augen verdrehte. „Das ist kein Wettbewerb.“ „Und wieso nicht? Das wäre doch witzig! Der Gewinner lädt die anderen morgen auf ein Eis ein.“ Die Uchihas sahen sich skeptisch an, seufzten dann synchron und zuckten die Schultern. Dennoch begleitete Sarada ihren Vater durch den Club. Sie hätte gedacht, dass er sich mit so einer Aufgabe schwer tun würde, aber ganz im Gegenteil. Er suchte sich gezielt Gruppen junger Frauen aus, denen er sein Anliegen höflich darlegte und die ihm praktisch aus der Hand fraßen. Sarada wusste nicht, ob sie beeindruckt oder ein wenig abgestoßen sein sollte. Auf jeden Fall war es effektiv. Sie war so darin gefangen, ihn zu beobachten, dass sie fast vergaß, ihre eigenen Kissen loszuwerden. Erst, als Sasuke seine Ladung losgeworden war, machte sie sich rasch wieder an die Arbeit. Obwohl das hier ein Wettbewerb war, wartete er in einiger Entfernung und beobachtete, wie sie ihre Kissen an den Mann brachten. Als sie sich schließlich auf den Rückweg zum Lagerraum machten, war sein Blick fokussiert auf das Ziel gerichtet, wie sie es inzwischen von ihm gewohnt war. Er hätte vermutlich alles werden können. „Papa?“ Sie zögerte, als er fragend: ‚Mhm?‘, brummte. Es fühlte sich für ihn noch immer komisch an, so genannt zu werden, das spürte sie. Doch er hatte sie nicht gebeten, ihn Sasuke zu nennen, also würde sie es nicht tun. „Wolltest du schon immer Hotelier werden?“, fragte sie, als er ihr die Tür nach oben aufhielt. „Mit den Hotels deines Großvaters gab es nie wirklich eine Option.“ Sie musterte ihren Vater, der kurz den Flur zu Orochimarus Büro runterblickte, bevor er das Lager betrat. Man sah ihm nicht an, ob er enttäuscht war von diesem vorgeschriebenen Weg, ob er ihn gerne gegangen war oder sich einfach keine Gedanken darum gemacht hatte. Letzteres konnte Sarada sich nicht vorstellen. „Eine zeitlang wollte ich um die Welt reisen, mir verschiedene Länder ansehen“, fuhr er nach kurzem Schweigen fort. „Aber dann haben deine Mutter und ich geheiratet und du hast dich angekündigt.“ „Aber… Könntest du das nicht immer noch machen?“, fragte Sarada. Genug Geld hatte er ja. Auf dem Weg nach unten schüttelte Sasuke den Kopf. „Ich habe jetzt Verantwortung.“ Das hatte ihn nicht davon abgehalten, sechs Jahre lang keinen Kontakt zu ihr zu suchen, doch darüber schwieg Sarada gerade lieber. „Wir könnten das machen“, schlug sie vor. „Wenn du Urlaub hast und ich Ferien, können wir in verschiedene Länder fahren. Naruto kann auch mitkommen. Der hat schon viel gesehen und kann uns rumführen.“ Sie hatten den Club erreicht, und Sasuke blieb stehen, um sie überrascht anzusehen. Dann schlich sich ein Lächeln auf seine Züge, und zu ihrer Überraschung stupste er mit zwei Fingern gegen ihre Stirn. „Klingt gut“, sagte er, bevor er sich abwandte. „Komm. Werden wir die Kissen los.“ Die zweite Ladung machte keine größeren Probleme als die erste. Um kurz vor Mitternacht trafen sie Naruto, der Boruto im Schlepptau hatte. Er weigerte sich, Sasuke und Sarada zu glauben, dass sie jeweils über 15 Kissen verkauft hatten. Schließlich zog er mit dem Praktikanten davon, um die restlichen Kissen zum DJ-Pult zu bringen. „Du solltest etwas trinken, bevor es losgeht“, beschloss Sasuke, der noch vier Kissen im Arm hielt. Für sich hatte er eigentlich keines gewollt, aber Naruto hatte ihm keine Wahl gelassen. Sarada meinte zwar, das sei nicht nötig, doch ihr Vater bestand darauf. Sie gingen zur Hauptbar, und Sarada lächelte, als sie Menma gegenüberstanden. „Und? Alles losgeworden?“, erkundigte er sich, während er eine Bestellung fertig machte. „Ja. Boruto und Naruto bringen gerade die letzten Kissen zum DJ“, antwortete das Mädchen. „Macht ihr eigentlich auch mit bei der Kissenschlacht?“ „Die, die das wollen, können mitmachen.“ „Und du?“ „Wahrscheinlich nicht. Ist nicht so mein Ding“, zuckte Menma die Schultern. „Das wird bestimmt lustig. Du solltest mitmachen“, fand Sarada. „Ein Wasser und eine Cola“, unterbrach Sasuke das Gespräch recht rüde. Seine Tochter sah ihn überrascht an – sonst war er immer so übermäßig höflich – doch Menmas Blick konnte man nicht deuten. „Heute kein Snakebite, Herr Uchiha?“, fragte er in einer ebenso rätselhaften Stimme. „Nur Wasser“, wiederholte Sasuke schlicht. Menma grinste, als er unter die Theke griff und zwei Flaschen hervorzauberte. Erst, als Sarada den ersten Schluck Cola trank, merkte sie, wie durstig sie wirklich war. Sasuke hatte ihr gerade noch eine Flasche bestellt, als Boruto und Naruto sich wieder zu ihnen gesellten. Der Animateur klaute ihr die Cola, und obwohl Sasuke sich beschwerte, teilten schließlich alle vier das Getränk. Das war gut so, denn sie waren gerade fertig geworden, als der DJ verkündete: „Ich hoffe, ihr habt alle die Waffe eurer Wahl besorgt, denn die Schlacht geht gleich los! Alle, die mitmachen wollen, kommen jetzt in die Main Area – aber lasst eure Drinks in sicherer Entfernung. Alle, die sich retten wollen, können von der Galerie aus zusehen.“ Während die Menge in Bewegung geriet, verteilte Sasuke die Kissen an die Umstehenden. „Bis später“, wollte er sich aus der Affäre ziehen, aber die Rechnung hatte er ohne Naruto gemacht. „Kommt nicht in Frage!“, verkündete der Animateur, packte seinen Chef an der Hüfte und schleppte ihn in Richtung Tanzfläche davon. „Sarada, Boruto, kommt schnell, bevor er flüchtet!“, verlangte er laut. Die Teenager sahen sich an, grinsten und liefen hinterher. Auf der Tanzfläche hatte Naruto sein Opfer inzwischen runtergelassen und den Arm um Sasukes Taille gelegt. Der Animateur redete grinsend auf ihn ein, während sein Chef schmollte. „Alle da?! Dann auf mein Kommando. 3… 2… 1… Kampf!“, brüllte der DJ so laut ins Mikro, dass es fiepte. Bevor Sarada die Möglichkeit hatte, sich albern zu fühlen, sah sie, wie Naruto ihrem Vater ein Kissen mitten ins Gesicht knallte. Sie kam kaum dazu, darüber zu lachen, als der Animateur bereits sie angriff. Blitzschnell duckte sie sich und schlug mit dem Kissen zurück. Dabei erwischte sie allerdings Boruto, der bis dahin nur rumgestanden hatte. Vermutlic, weil er sich zu cool für das Spiel fühlte. „Hey!“, beschwerte er sich, und irgendwie jagte er Sarada im nächsten Moment mit dem Kissen über die Tanzfläche. Es war chaotisch, laut, und mehr als ein Mal bekam sie einen Ellbogen ab. Ihren Vater und Naruto verlor sie nach Minuten aus den Augen, aber ihr Herz raste nicht aus Sorge. Sie wünschte, Chouchou wäre hier, und sie schickte ihr ein Video von dem ganzen Tumult. Dabei hätte ihr jemand fast das Handy aus der Hand geschlagen, sodass sie es lieber rasch wieder wegsteckte, bevor sie sich erneut in den Kampf stürzte. Es kam ihr wie Sekunden vor, bis die Musik verstummte und die Stimme des DJs ertönte: „Was für eine Schlacht! Aber jetzt wird es Zeit, die Waffen niederzulegen und die Tänzer zurück auf die “ Und er hatte Recht. Die Tanzfläche war übersäht mit Federn. Vereinzelt schlugen ein paar Gäste noch lachend mit ihren Kissen nacheinander, aber größtenteils kehrte wieder Ruhe ein. Eine Hand legte sich auf Saradas Schulter, doch als sie die Person zurechtweisen wollte, blickte sie in Narutos lächelndes Gesicht. „Zeit zu gehen“, meinte Sasuke, der neben ihm auftauchte. Er nickte zu der Wendeltreppe, welche zur Galerie über der Bar führte, an der Menma arbeitete. Diese stieg gerade Hinata herab. Am Fuß traf sie auf ihren Sohn, dem sie sanft durchs Haar streichelte. „Du bist so ein Spielverderber, Sas“, beschwerte Naruto sich, doch ihr Vater war unerbittlich. „Sie ist dreizehn.“ Damit war die Diskussion beendet, und die drei boxten sich an den Rand der sich langsam wieder mit Feiernden füllenden Tanzfläche. „Na, hast du alle fertig gemacht?“, lächelte Naruto sie unterwegs an. Sie wusste nicht, was es an seinem Lächeln war, das sie erröten ließ, doch grinste sie wie von selbst zurück. „Klar!“ „Super!“ Lächelnd strich er ihr durchs Haar. „Ich hab deinem Dad eine nette Frisur verpasst“, fügte er verschwörerisch leise hinzu und deutete auf einige Federn, die sich in Sasukes Haar verfangen hatten. Offenbar spürte ihr Vater, dass er beobachtet wurde, denn er drehte sich mit skeptischem Blick nach ihnen um. Sie versuchten, ihn unschuldig anzulächeln, lachten dann aber beinahe zeitgleich los. Sasuke seufzte nur und führte sie kommentarlos weiter zu Hinata. Gemeinsam mit ihr und Boruto verließen sie den Club. „Ist das wirklich in Ordnung?“, fragte Sasuke seine Assistentin, die lächelte. „Natürlich. Das Hotel liegt auf unserem Heimweg. Haben Sie noch einen schönen Abend.“ Er nickte, bevor er sich an Sarada wandte. „Hör auf Frau Hyuga.“ Als auch sie nickte, sah sie, wie ihr Vater Naruto einen fragenden Blick zuwarf. Der lächelte ermutigend, und zu ihrer Überraschung legte Sasuke daraufhin kurz den linken Arm um sie. „Gute Nacht“, sagte er seiner verdutzten Tochter noch, dann trat er einen Schritt zurück, wie um sie zu entlassen. Während alle sich verabschiedeten, lächelte Sarada, und nicht mal, als sie später im Bett lag, wollte das Glück von ihren Lippen weichen. Woah, is this something that I never, something that I never had Woah, is this something that I never, something that I never had Tell you what I've heard The wheels are falling off, the wheels are falling off the world Kapitel 11: Family Portrait --------------------------- „Wir haben bisher ausschließlich positives Feedback bekommen. Die Umsätze stimmen und aus Marketingsicht war es ein voller Erfolg.“ Sasuke nickte und blätterte durch die Unterlagen zur Kissenschlachtparty. Eine Woche war das jetzt fast schon wieder her, kaum zu glauben. Er musste zugeben, dass Naruto untertrieben hatte, als er nach der Party feixte: „So schlimm war es doch gar nicht, oder?“ Davon abgesehen, dass die Gäste begeistert gewesen waren, hatte Sasuke ganz persönlich sich gut amüsiert. Es hatte Spaß gemacht, sich von Narutos Spieltrieb anstecken zu lassen, und zum ersten Mal hatte es sich natürlich angefühlt, Zeit mit Sarada zu verbringen. Das hatte allerdings nichts mit dem Erfolg des Events zu tun, sodass er es Orochimaru nicht mitteilte. Der Clubbesitzer saß ihm gegenüber an einem üppig gedeckten Frühstückstisch. Hinter ihm glitzerte das Meer im Licht des Vormittags und die ersten Touristen liefen über die Strandpromenade. Die Atmosphäre passte nicht zu dem unruhigen Flattern in Sasukes Magengegend. Ihm wäre es lieber, Naruto oder Sarada würden dort sitzen. „Ihr Animateur hat das organisiert, nicht wahr?“, fragte Orochimaru, als habe er Sasukes Gedanken gelesen. „Als Eventmanager würde er sich nicht schlecht machen.“ „Er hat keine Ausbildung.“ „Aber Talent.“ Orochimaru nahm einen Schluck Kaffee und lehnte sich zurück, um sein Gegenüber zu mustern. „Sie schätzen Naruto sehr.“ Sasuke runzelte die Stirn. „Ich wüsste nicht, was das mit dem Event zu tun hat.“ „Oh, ich denke, das wissen Sie sehr genau“, erwiderte der Clubbesitzer ungewöhnlich kühl, bevor er zu seinem üblichen wissenden Lächeln zurückkehrte. „Aber keine Sorge. Ihr kleines Geheimnis ist sicher bei mir.“ „Ich weiß nicht, wovon Sie reden.“ „Sicherlich.“ Das vielsagende, überhebliche Lächeln des Clubbesitzers verkrampfte etwas in Sasukes Mundwinkeln. Eine leichte Gänsehaut schlich seinen Nacken hoch und brachte vage Erinnerungen an eine halbvergessene Nacht mit sich. Irgendetwas wusste dieser Mann. Und er genoss es, Sasuke diese Informationen vorzuenthalten, wohlwissend, dass er ihn damit am Haken hatte. Abrupt stand Sasuke auf. Orochimaru lächelte weiter, doch einige andere Gäste sahen sie misstrauisch an. In einer rechtfertigenden Geste sah Sasuke auf die Uhr an seinem Handgelenk. „Ich habe noch einen Termin.“ „Wie bedauerlich.“ Der Ältere erhob sich, um Sasuke die Hand zu reichen. „Ich bin sicher, wir werden unser Gespräch bald schon fortsetzen.“ „Ich übernehme die Rechnung“, überging Sasuke die Implikation. „Essen Sie zu Ende.“ Damit verließ er den Tisch. Er drückte dem Kellner eine Bezahlung mit großzügigem Trinkgeld in die Hand und ging, bevor Orochimaru ihm folgen konnte. Was der Clubbesitzer gesagt hatte, war lächerlich. Das zwischen ihm und Naruto war rein körperlich. Denn in dieser Hinsicht hatte Orochimaru recht: Sasuke hatte keine Zeit für Gefühle. Noch weniger, seit Sarada bei ihm wohnte. Sie hatten darüber gesprochen und Naruto hatte sich einverstanden erklärt, dass es keine Beziehung war, die sie da hatten. Von seinem Heimweg hatte Sasuke nichts mitbekommen. Es war, als wäre die Hotelpforte einfach plötzlich vor ihm aufgetaucht. Einen Moment kam er aus dem Tritt, dann strafte er die Schultern und ging rein. Die kühle Luft der Lobby tat ihm gut. Er wollte in sein Büro und sich in der Arbeit vergraben, dieses Gespräch mit Orochimaru hinter sich lassen und sicherlich nicht weiter über Naruto nachdenken. Wie immer nickte Sasuke den Empfangsdamen zu und wollte an ihnen vorbeieilen. Doch dieses Mal hielten sie ihn auf. „Ihr Termin wartet im Konferenzraum, Sir.“ Natürlich ließ Sasuke sich nicht anmerken, dass er keine Ahnung hatte, von welchem Termin sie sprachen. Er bedankte sich und änderte seinen Kurs in Richtung des angegebenen Raums. Bereit, sich mit einem Lieferanten oder Anbieter herumzuschlagen, strich Sasuke sein Hemd glatt. Doch als er den Raum betrat, saßen dort keine Geschäftskontakte. „Mutter. Vater." Seiner Stimme hörte man nichts von seiner Überraschung an, als er näher trat, um sie zu begrüßen. Verdammt, er hatte unter allem, was passiert war, völlig vergessen, dass Seine Mutter sich angekündigt hatte. Jetzt, wo sie vor ihm stand, meinte er, sich vage an ein Telefonat in einem Aufzug zu erinnern. Verdammt. Er musste dringend konzentrierter werden. "Schön, dass ihr hier seid", begrüßte er die beiden und ließ sich von Mikoto umarmen. Dann, während er seinem Vater die Hand schüttelte, fügte er hinzu: "Ich hatte noch einen Termin.“ „Den hast du doch immer“, lächelte seine Mutter, die ihn neugierig musterte. Er trug taubenblaue Stoffhosen und ein weißes Hemd, dessen kubanischer Kragen vielleicht ein wenig zu weit offen stand für die Arbeit. Sasuke unterdrückte den Impuls, ihn zuzuziehen. „Gut siehst du aus!“, lobte Mikoto freundlich. „Danke, Mutter.“ „Nein, wirklich.“ Sie strich ihm über die Wange und durch das Haar, dann nahm sie seine Hände. Neugierde glitzerte in ihren Augen, doch sie hielt sich zurück. „Es freut mich, dass es dir gut geht, mein Schatz.“ Er wusste nicht wirklich, was er sagen sollte. Auf der Suche nach einer Antwort fiel sein Blick auf den Konferenztisch, auf dem bereits eine offene Wasserflasche und zwei Gläser standen. „Wollt ihr Kaffee? Einen Drink?“, wechselte er rasch das Thema. Sie nickten und er brachte sie zur Poolbar, die doch deutlich gemütlicher als der Konferenzsaal war. Kurz darauf machten sie es sich an der Bar gemütlich, die im schattigen Innenhof des Hotels lag. Hinter ihnen plantschten Gäste im Pool, aber hier waren sie sicher vor allen Spritzern. Während sie auf ihre Getränke warteten, schickte er Sarada eine Nachricht mit der Bitte, ebenfalls zur Poolbar zu kommen. „Kommt Itachi auch?“, fragte er beiläufig und nippte an seinem Wasser, das naturgemäß am schnellsten ausgegeben wurde. Seine Mutter hatte abgelehnt, sich zu setzen. Das hatte sie auf der Autofahrt hierher schon genug getan, hatte sie gesagt, und sich mit dem Rücken zur Bar gelehnt. Sie beobachtete die Gäste im Wasser, lächelte aber, als Sasuke ihr ihren Cocktail reichte. „Ja, aber er schafft es erst morgen Nachmittag.“ Sasuke nickte. In dem Moment entdeckte er Sarada, die den Innenhof betrat und sich fragend umsah. Er entschuldigte sich bei seinen Eltern, um sie zu holen. „Heute essen wir nicht zu zweit“, antwortete er auf ihren fragenden Blick, als er sie zur Bar führte. „Was…?“, fing sie an, doch dann bemerkte sie ihre Großeltern und verstand. Sie sah kurz zu Sasuke, dann standen sie vor Mikoto und Fugaku. Ihre Großmutter war sofort bei Sarada. „Wie groß du geworden bist!“, sagte sie und strich sanft über die Wange des Mädchens. „Und wie hübsch. Ihr beiden sehr euch wirklich ähnlich.“ Bevor Sarada sie auch nur begrüßen konnte, hatte Mikoto sie in ihre Arme geschlossen. Das Mädchen hielt still, bis die ältere Frau sich löste. Sasukes Mutter blinzelte ein wenig Feuchtigkeit aus den Augen und winkte ihrem Mann, der diesem Gefühlsausbruch zusammen mit dem Barkeeper von der Seitenlinie aus zugesehen hatte. „Es freut mich, dich zu sehen“, verkündete Fugaku und reichte der 13-Jährigen würdevoll die Hand. „Mich auch. Also, Sie… Euch zu sehen“, stammelte Sarada ungewöhnlich scheu. Mikoto beobachtete die Szene lächelnd, bevor sie sagte: „Ich weiß nicht, wie es mit euch steht, aber ich könnte nach der Fahrt etwas zu Essen vertragen! Sarada, Schatz, hast du in Konoha schon ein Lieblingsrestaurant, das zu uns zeigen willst?“ Sasuke würde sowieso nichts essen, also beschloss er, sich aus der Diskussion auszuklammern. „Ich lasse euer Gepäck in euer Zimmer bringen", erklärte er und machte einen halben Schritt aus dem Gesprächskreis heraus. „Wie stellst du dir das vor?“, fragte Fugaku mit verschränkten Armen. „Deine Empfangsdame meinte, das wäre belegt.“ Sasuke blinzelte, bevor er sich erinnerte, dass Sarada in dem Raum wohnte, in dem er sonst seine Familie unterbrachte. Wenn Itachi auch noch kam, würde das ziemlich eng werden. „Eigentlich sollte deine Tochter bei dir schlafen“, fand Mikoto. „Das kannst du, wenn dir die Couch zusagt“, bot er seiner Tochter schulterzuckend an. Diese hob rasch die Hände. „N-Nein, das ist schon okay. Es sei denn, Sie… Ähm, ihr müsstet dann auf die Couch?“ „Ach was, Liebes“, winkte Mikoto ab. „Dein Vater hat ein Hotel. Wir finden schon ein Zimmer. Das sollen die zwei Herren mal suchen und wir schauen in deinem Internetz, wo wir essen gehen, ja?“ Mikoto schob das Mädchen sanft auf einen der Barhocker und orderte ihr einen Orangensaft. Sarada sah ihren Vater fragend an. Er nickte, bevor er sich abwandte, um mit Fugaku zu gehen. Ungewöhnlicher Weise fragte sein Vater bereits auf der ersten Treppe: „Wie läuft es mit ihr?“ Smalltalk war noch nie Fugakus Ding. Das hatte Sasuke von ihm. „Mühsam“, gab er zu und rieb sich den Nacken. „Ich habe das Gefühl, sie kann mich nicht sonderlich leiden.“ „Kannst du es ihr verübeln? Du warst sechs Jahre lang nicht für sie da.“ Schweigend verließ Sasuke das Treppenhaus und führte seinen Vater zur Rezeption. Die Damen begrüßten Fugaku höflich und erkundigten sich, wie lange er und seine Frau bleiben würden. Sasuke war nicht sicher, was er von der Woche hielt, die sie als Antwort bekamen. Immerhin wussten die Damen sich dem Mann gegenüber zu benehmen, unter dessen Label dieses Hotel lief. Sasuke ließ das beste freie Zimmer für seine Eltern reservieren und ihr Gepäck nach oben bringen. Unterdessen schrieb er Sarada, dass sie und Mikoto kommen könnten. „Wir gehen Sushi essen“, verkündete diese kurz darauf, während sie bereits zu viert das Hotel verließen. Sie liefen über hitzeflirrende Pflastersteine, die nach Sonne rochen. Sasuke sehnte sich bereits nach wenigen schweigend zurückgelegten Schritten zurück in die Hotellobby. Mikoto dagegen hielt die Stille nicht lange aus. „Und hast du schon einen Freund, Sarada?“, wollte sie wissen. Sasuke dachte unwillkürlich an Boruto, doch Sarada wurde nur ein wenig rot. „N-Nein“, stammelte sie unsicher. „Das ist auch gut so“, nickte Fugaku. „Konzentriere dich auf die Schule. Alles andere kommt später.“ „Habt ihr das Papa damals auch gesagt?“ Die Worte fielen wie Steine in das Schweigen der Erwachsenen und zerbarsten auf dem glühenden Boden. Nicht mal Mikotos umgängliche Fröhlichkeit konnte der plötzlichen Frage des Teenagers standhalten. „Deine Eltern waren älter als du jetzt“, war es schließlich Fugaku, der das Schweigen brach. „Und vielleicht wäre vieles anders gekommen, wenn sie noch ein paar Jahre mehr gewartet hätten.“ „Haben sie aber nicht“, erwiderte Sarada endgültig. Die Uchiha erreichten das Restaurant unbehaglich schweigend. Es war noch recht früh und entsprechend nicht viel los. Während seine Familie ihr Mittagesen bestellte, beschied Sasuke sich auf Wasser. Nach seinem Frühstück war er wirklich nicht hungrig. Sobald der Kellner weg war, ließ Mikoto das höfliche Lächeln fallen, das sie für ihn aufgesetzt hatte. Mit ernstem Gesicht wandte sie sich an die Jüngste am Tisch, die trotzig vor sich hin starrte. „Sarada… Ich weiß, dass wir lange nicht für dich da waren. Zu lange“, begann Mikoto und legte die Hand auf die ihrer Enkelin, die neben ihr saß. „Es hättest nicht du sein dürfen, die den ersten Schritt machen muss. Nichts kann das entschuldigen. Aber Erwachsene sind manchmal so in ihren Gewohnheiten verfangen, dass sie andere Möglichkeiten nicht sehen. Ich kann nur sagen, dass wir umso glücklicher sind, dich jetzt zu sehen.“ Sarada zuckte, als wolle sie ihre Hände wegziehen, ließ sie dann aber doch liegen. „Tut mir leid… Ich bin auch froh, euch endlich zu treffen. Ich wollte die Stimmung nicht kaputtmachen.“ Mikotos Augen glitzerten vor Glück. Sie umarmte das Mädchen und zog ihre Männer gleich mit an sich. Sasuke begegnete dem Blick seines Vaters. Sie seufzten zeitgleich, bevor sie je einen Arm um den Uchiha-Haufen legten. Sasuke schloss für einen Moment die Augen und erforschte das Ziehen in seiner Magengegend. Er war noch nicht sicher, was er davon hielt, als das Räuspern des Kellners mit den Getränken den Moment unterbrach. „Dann… Auf deinen Besuch hier – und auf alle, die noch kommen!“, verkündete Mikoto nach einem Räuspern. Die Familie stieß an und spülte den unangenehmen Geschmack des vorigen Gesprächs von ihren Zungen. Bevor das unbeholfene Schweigen sich ausbreiten konnte, rief Mikoto: „Ach ja!“, und begann, in ihrer Tasche zu kramen. Sie förderte ein hübsches dunkelrotes Büchlein zutage, das sie Sarada zuschob. „Als wir gehört haben, dass du hier bist, haben wir unsere alten Fotoalben durchsucht und einige Bilder von dir gefunden. Du warst so ein süßes Baby“, lächelte sie und klappte das Album auf. Die ersten Bilder zeigten Sarada als Neugeborene auf Sakuras und Sasukes Arm. Er erinnerte sich, wie winzig sie gewesen war – und wie müde er und Sakura. Es gab ein Bild der ganzen Familie, auf dem Sakuras Eltern Freudentränen weinte, während Mikoto elegant in die Kamera lächelte und Fugaku stoisch daneben stand. Auf einem anderen Foto hielt Itachi eine zweijährige Sarada auf dem Arm, die sich offenbar vor den Ziegen im Streichelzoo fürchtete. „Immer, wenn ich damals klassische Musik hörte, habe ich dir Geschichten dazu erzählt“, erinnerte Mikoto sich. Inzwischen war ihr Sushi gekommen und sie lehnten sich immer wieder zurück, um etwas zu essen. „Ich habe mir Geschichten zu Fuchs und Reh ausgedacht, die Freunde geworden sind. Die hast du geliebt.“ „Stimmt. Bei mir hat sie sich immer beschwert, dass ich nicht so gut erzählen kann wie du“, berichtete Fugaku, und die andren lachten. Sasuke erinnerte sich, dass seine Mutter dem Mädchen sogar ein Bild von Fuchs und Reh gemalt hatte. Es hing noch in ihrem Kinderzimmer, als Sakura und er sich getrennt hatten. Er fragte sich, ob sie es noch hatte. Sakura hatte es immer gemocht, aber vielleicht hatte sie es zusammen mit dem Rest ihres gemeinsamen Lebens zurückgelassen, als sie Konoha verließ. Der zweite Teil des Essens verlief besser als der Anfang. Die Erwachsenen erzählen Geschichten aus Saradas Kindheit und das Mädchen ergänzte sie um Anekdoten ihres jetzigen Lebens. Als das Essen beendet war, beschlossen sie, noch ein wenig am Strand spazieren zu gehen. Während Mikoto, Fugaku und Sarada schon rausgingen, beglich Sasuke die Rechnung. Als er vor dem Restaurant zu ihnen stieß, begrüßte Fugaku ihn mit den Worten: „Hast du heute nicht noch Arbeit zu erledigen?“ „Sei still! Wenn er schon einmal hier ist“, schimpfte Mikoto ihren Mann, während Sasuke auf die Uhr sah und überrascht feststellte, dass es weit später war, als er gedacht hätte. „Vater hat recht“, stimmte er zu. „Geht ihr ruhig spazieren. Wir sehen uns heute Abend. Sarada kennt den Weg zum Hotel inzwischen.“ Er legte seiner Tochter kurz die Hand auf die Schulter, woraufhin sie bestätigend nickte. Nach einer kurzen, einseitigen Diskussion - Mikoto war die Einzige, die darauf bestand, dass Sasuke mitkommen sollte - zog er sich zurück. Er war nicht überrascht, diverse Anrufe auf seinem Handy zu sehen. Die meisten stammten von Naruto, doch er verdrehte die Augen und kümmerte sich um wichtige Dinge. Sein Engagement schien dem Schicksal jedoch egal zu sein. Als er durch die Flure seines Hotels hastete, war es wie so oft Kurama, den er zuerst sah. Sasuke unterdrückte den albernen Impuls, in den nächsten Gang zu flüchten, und kurz darauf stand Naruto vor ihm. „Hey!“ Der Animateur strahlte heller als die Mittagssonne auf den Straßen. „Ich dachte schon, du gehst mir mal wieder ausm Weg.“ Sein Lächeln schwand nicht mal, als Sasuke nicht erlaubte, dass er seine Hände nahm. „Nicht wirklich“, erklärte der Uchiha. „Ich werde dieses Wochenende nur keine Zeit für dich haben.“ Jetzt sanken Narutos Mundwinkel doch herab. „Wieso?“, schmollte er. Sasuke zögerte, denn eigentlich ging Naruto diese Information nichts an. Es nützte ihm nichts, das zu wissen. Doch dann seufzte er und erklärte: „Meine Eltern und mein Bruder sind übers Wochenende hier, um Zeit mit Sarada zu verbringen.“ Das Misstrauen schwand sofort aus Narutos Gesicht, als hätte er noch nie etwas von einer Lüge oder Ausrede gehört. Nun, in diesem Fall war es ja sogar die Wahrheit. „Wie cool! Ich will sie kennenlernen“, verlangte er mit absoluter Selbstverständlichkeit. „Nein“, sagte Sasuke ebenso selbstverständlich, und zwar in derselben Sekunde, in der Naruto das Wort erhob. Damit hatte er schon gerechnet. Diesmal war Narutos Schmollen anbiedernd. „Wieso nicht? Ich will wissen, wer dich so versaut hat.“ „Diese Diskussion hatten wir schon bei Sarada.“ „Und du hast sie verloren“, grinste Naruto, doch dann wurde sein Gesichtsausdruck weicher. „Schon gut, ich versteh das“, sagte er und strich über Sasukes Wange. Dieser schwieg, überrascht von so wenig Aufdringlichkeit. Als wolle er dann doch nicht so aus seinem Charakter fallen, fügte Naruto spielerisch hinzu: „Aber dafür schuldest du mir was.“ Obwohl Sasuke die Augen verdrehte, konnte er ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Was willst du?“ „Einen Tag“, erwiderte Naruto sofort. Sasuke blinzelte ungläubig. „Was?“ Er hatte mit etwas Sexuellem gerechnet und war mehr als bereit gewesen, darauf einzugehen. „Ein Tag nur für uns“, erklärte Naruto. Er sah sich um, bevor er die Hände auf Sasukes Hüfte legte. „Ich find schon ewig, dass du mal Urlaub brauchst.“ „Naruto…“ „Ich weiß, das geht gerade nicht“, wehrte der Blonde ab. „Deswegen… Nur ein Tag. Und wir bleiben in Konoha, falls irgendwas sein sollte. Okay?“ Hoffnungsvolle Augen starrten ihn an, doch er wusste nicht, was er sagen sollte. Es stimmte, die Saison war wirklich anstrengend. Aber konnte sich nicht vorstellen, dass es helfen sollte, sich vor der Arbeit zu drücken. „Du kriegst Burnout, wenn du dich nie entspannst“, erklärte Naruto, als habe er gehört, dass Sasuke auf der Suche nach einem rationalen Gegenargument war. Unwillkürlich lächelte der Hotelier und legte die Hand auf Narutos Unterarm. „Ganz schön aufwendig, um nach einem Date zu fragen.“ Naruto errötete ertappt, bevor er sich lachend im Nacken kratzte. „Na, sonst würdest du dich nur wieder drücken. Also?“ Sasuke zögerte einen Moment, bevor er seufzte. „Einverstanden.“ Mit dem Aufschrei und der Umarmung, die darauf folgten, hatte er nicht gerechnet. Zögernd legte der die Hände auf Narutos Rücken und schloss kurz die Augen. Sonst fassten sie sich nur an, wenn sie Sex hatten. Aber das hier war eigentlich auch in Ordnung. Naruto lächelte ihn an und Sasukes Herzschlag setzte einen Moment aus. Er räusperte sich und machte einen Schritt rückwärts. „Ich muss los.“ „Okay. Ich denk mir was für uns aus. Lass dich überraschen!“ Sasuke sparte sich den Kommentar, dass er keine Überraschungen mochte, und eilte den Flur entlang. Als er vor seinem Computer saß, schloss er die Augen und atmete tief durch. Wieso musste der Idiot ihn plötzlich verliebt ansehen? Ihre körperliche Beziehung hatte doch bisher wunderbar funktioniert. Wie sagte man so schön? Never change a winning team. Doch er hatte jetzt keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Vermutlich hatte er es sich sowieso eingebildet. Sasuke war zum Glück jemand, der seine Emotionen wegarbeiten konnte. Er versenkte sich in seinem Büro, bis es Abends an der Tür klopfte. „Stören wir?“, fragte Mikoto, als sie und ihr Mann bereits im Zimmer standen. „Natürlich nicht“, seufzte Sasuke und schloss ergeben seinen Laptop. „Hattet ihr einen schönen Tag?“ „Herrlich!“ Mikoto schob beiläufig ein paar Ordner in Sasukes Regal zurecht. Fugaku stand mit verschränkten Armen hinter ihr und sah sich um. Plötzlich war Sasuke froh, dass Hinata dafür sorgte, dass hier regelmäßig abgestaubt wurde. „Bei dem Spaziergang haben wir Surfer gesehen und Sarada meinte, sie habe das gelernt. Beeindruckend, nicht wahr?“ „Na ja, ich lerne es noch“, widersprach Sarada verlegen und geschmeichelt zugleich. Sie sah Sasuke an. „In Narutos Surfkurs.“ Ihr Vater nickte, um zu zeigen, dass er darüber informiert war, während Mikoto fragte: „Das ist der junge Mann, den wir vorhin kennengelernt haben, nicht wahr? Er ist bezaubernd.“ „Ist er das.“ Als hätte sie Sasuke an der Nasenspitze abgelesen, dass er nicht begeistert davon war, dass Naruto seine Familie kennengelernt hatte, sagte Sarada: „Wir sind ihm auf dem Weg hierher zufällig begegnet. Er wollte mir nur hallo sagen.“ Mikoto beobachtete den Blickwechsel zwischen Vater und Tochter, bevor sie meinte: „Wie dem auch sei. Er hat vorgeschlagen, dass wir in das Open Air Theater am Strand gehen könnten.“ „Ich bin nicht sicher, ob ich Zeit habe.“ „Wir sollten auch über das Geschäft sprechen“, schloss Fugaku sich ihm an „Schluss mit den Ausreden“, ignorierte Mikoto ihren Mann. „Ihr zwei redet immer nur über das Geschäft. Heute Abend nicht.“ Vater und Sohn seufzten gleichzeitig schicksalsergeben. Hilfe bekamen sie von überraschender Seite, als Sarada vorschlug: „Wie wäre es, wenn wir das morgen machen? Dann haben Papa und Opa Zeit, ihre Angelegenheiten zu klären, und Onkel Itachi kann mitkommen.“ „Das ist eine großartige Idee“, stimmte Mikoto zu und streichelte Sarada über den Kopf. „Dann gehe ich einkaufen und koche bei dir. Solange könnt ihr ja reden“, gestand sie den Männern zu. Mehr Widerrede wurde nicht geduldet. Sarada bot an, ihrer Großmutter bei den Einkäufen zu helfen. Mikoto sagte zwar, dass sie es nicht musste, doch das Mädchen bestand darauf. Sie verabschiedeten sich und ließen die Männer zurück. Sasuke bot seinem Vater einen Platz und Wasser an. Er hatte zwar keine Präsentation vorbereitet, aber ein generelles Gespräch sollte er hinbekommen. Zu seiner Überraschung stieg Fugaku nicht sofort mit der Arbeit ein. "Du und Sarada scheint doch miteinander auszukommen", setzte er das Gespräch von zuvor fort. "Wir gewöhnen uns aneinander." Sasuke stellte das Wasserglas vor seinen Vater und setzte sich ihm gegenüber an den Schreibtisch. „Ich fürchte, das Sprichwort, dass die Kinder einem zurückzahlen, was man seinen Eltern angetan hat, stimmt.“ „Sie ist in einem schwierigen Alter. Es wird leichter.“ Fugaku hatte auf seine Uhr geblickt, als er das sagte. Als er den Kopf hob, begegnete er dem überraschten Blick seines Sohnes. Fragend zog der Vater die Brauen hoch, doch Sasuke nickte lediglich. „Womöglich hofft sie, dass du und ihre Mutter wieder ein Paar werdet“, fuhr Fugaku fort. Jetzt runzelte Sasuke die Stirn. „Glaubt Mutter das?“ Seufzend ließ er sich in den Stuhl zurücksinken und klappte den Laptop auf. „Dem ist nicht so. Ich habe Sakura nicht gesehen und ich denke nicht, dass sie plant, hierher zu kommen.“ „Du solltest sie einladen.“ Sasuke wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Sein Vater hielt sich sonst umsichtig aus dem Liebesleben seiner Söhne heraus. Eine Eigenschaft, die Sasuke stets sehr geschätzt hatte. Er war nicht sicher, ob Mikoto ihn als Cupido aufgehetzt hatte, aber es gefiel ihm nicht. „Es würde Sarada nicht guttun, ihr falsche Hoffnungen zu machen.“ Fugaku nahm einen langen Schluck Wasser, bevor er antwortete. „Dann solltest du in Betracht ziehen, es nicht bei einer falschen Hoffnung zu belassen.“ „Es war Sakura, die sich damals trennen wollte“, erklärte Sasuke schlicht. Er hätte das nie getan, aus Pflichtbewusstsein und Sorge um den Ruf ihrer Familie. Sakura war mutiger gewesen als er. „Und sie hatte Recht damit. So ist es besser.“ „Für wen? Das Mädchen wünscht sich offensichtlich eine Beziehung zu dir. Sakura scheint keinen Mann zu haben und sie wird auch nicht jünger. Und für dich wird es langsam Zeit, dich zu binden.“ Unwillkürlich dachte Sasuke an Naruto, doch er schob das Bild beiseite. „Danke für deine Meinung dazu. Sollen wir anfangen?“ Fugakus Schweigen fühlte sich nach einem Gewitter an, doch schließlich nickte er. Die folgenden Minuten waren angespannt und es brauchte eine Weile, bis sie sich auf die Arbeit konzentrierten. Die folgenden zwei Stunden verbrachten sie mit einem Rückblick auf die laufende Saison. Da keiner von ihnen vorbereitet war, lagen ihnen keine genauen Zahlen vor. Dennoch schien Fugaku zufrieden, als Sarada ihr Gespräch später für das Abendessen unterbrach. Das Thema Sakura kam nicht mehr auf, sodass Sasuke sich bei Tisch entspannter fühlte als während des ganzen Tages. In den letzten Monaten war so viel passiert, das ihn von seinem Job abgelenkt hatte. Dass seine Arbeit trotzdem funktionierte, nahm einen großen Druck von ihm. Vielleicht zum ersten Mal seit seine Eltern hier waren – vielleicht zum ersten Mal seit Jahren – genoss er ihre Anwesenheit. Außerdem würde Itachi morgen zu dem Familientreffen stoßen. Da konnte dieses nur gut werden. Sasuke wusste auf Anhieb nicht, wann er seinen Bruder zuletzt gesehen hatte. Vielleicht zu Weihnachten. Der Erstgeborene der Uchiha war schon immer ein Arbeitstier gewesen, wie alle Männer der Familie. Doch als er das Hotel betrat, sah er mit fast 40 ebenso gut aus wie schon immer. Selbst seine getönte Brille tat dem keinen Abbruch. Itachi lächelte, als er sein persönliches Empfangskomitee in der Lobby des Hotels entdeckte. Es bestand aus seiner Familie, die nebeneinander aufgereiht auf ihn wartete. „Das wäre nicht nötig gewesen“, begrüßte er sie. „Natürlich, wenn man dich schon mal zu Gesicht bekommt!“ Immerhin warf Mikoto nicht nur Sasuke vor, nicht oft genug vorbeizukommen. Sie umarmte ihren Erstgeborenen fest, bevor ihr Mann ihm die Hand reichte. Dann war Sasuke dran und Itachi stupste ihm mit zwei Fingern gegen die Stirn. „Schön, dich zu sehen, kleiner Bruder.“ „Wirst du irgendwann damit aufhören?“, seufzte Sasuke, obwohl es ihn nicht wirklich störte. Die Brüder lächelten sich einen Moment an, bevor Itachi sich der letzten Anwesenden zuwandte „Und du musst Sarada sein“, stellte er fest. Sie hielt sich ein wenig scheu an ihren Vater, während ihr Onkel sie musterte. „Du bist deiner Mutter aus dem Gesicht geschnitten“, stellte er schließlich fest und reichte ihr die Hand. Damit war Itachi der einzige, der das wie Sasuke sah. Alle anderen behaupteten, sie sähe aus wie er, obwohl das nur an Haar- und Augenfarbe lag. „Ich bin froh, dass du hier bist. Wir waren alle besorgt um dich.“ „Tut mir leid…“, murmelte Sarada und zupfte an ihrem Rock. „Das ist einen Monat her. Lass es gut sein“, mischte Mikoto sich ein, eine Hand auf dem Rücken ihrer Enkelin. „Wir wollen ein schönes Wochenende mit der Familie.“ „Du hast recht, Mutter.“ „Sehr schön. Bring deine Sachen auf dein Zimmer. Wir wollen zum Strand. Und ja, es wäre schön, wenn ihr alle mitkommt“, fügte Mikoto hinzu, bevor eines ihrer drei Arbeitstiere auch nur den Mund aufmachen konnte. Sie fügten sich in ihr Schicksal und trafen sich später wieder in der Lobby. Sasuke ignorierte die neugierigen Blicke der Rezeptionistinnen und verließ mit seiner Familie das Gebäude. Für den Notfall hatte er wie immer sein Handy dabei. „Ich weiß nicht, wann wir so etwas zuletzt gemacht haben“, meinte Itachi, während sie die noch morgendlich kühlen Straßenschluchten zum Meer entlang gingen. Sie beobachteten Sarada, die zwischen Fugaku und Mikoto vorausging und lächelnd etwas erzählte. „Haben wir das je?“, fragte Sasuke fast melancholisch. „Als Sarada klein war“, meinte Itachi, musste aber gleichzeitig zugeben: „Aber vermutlich nicht alle zusammen.“ „Jetzt fehlt Sakura.“ „Stimmt.“ Eine Weile gingen sie schweigend über die Pflastersteine. Dann öffneten sich die Häuser zur Promenade und dahinter zum Meer. Warme Luft umfing sie, als sie ihr Lager am Strand aufbauten. Ihre blasse Haut war das einzige, das sie von den Familien zu unterscheiden schien, die hier gemeinsam Urlaub machten. Nachdenklich sah Sasuke zu, wie seine Mutter und Tochter miteinander in den Wellen planschten. Das hatte er ihnen sechs Jahre lang vorenthalten. Und wofür? Um sich noch mehr in der Arbeit zu verkriechen? Das hätte er auch mit Sakura tun können. Sie hatte nie viel von ihm verlangt und er hatte sie trotzdem enttäuscht. Und das, obwohl sie bei ihm geblieben wäre, wenn er sie nur gebeten hätte. Das hatte Sasuke bisher zumindest geglaubt. Aber jetzt war sie nicht hier. Früher hätte sie jede Gelegenheit genutzt, um ihn zu sehen. Vielleicht konnten Menschen sich doch ändern, anders, als er geglaubt hatte. Wie sonst sollte er sich erklären, dass sein emotional abwesender Vater sich von Sarada überreden ließ, für ein Selfie für Instagram mit der ganzen Familie zu posieren? Ein paar Passanten vor dem Strandtheater musterten die Familie bei ihren Bemühungen als Modells wohlwollend. Die meisten beachteten sie jedoch nicht. Schließlich war Sarada zufrieden und sie traten ein. Als sie ihre Plätze in den Rängen fanden, schlug ihnen eine sanfte Seebrise entgegen. Mikoto war entzückt. Das Ensemble führte eine recht abgedrehte Version des Sommernachtstraums auf – als wäre die Geschichte noch nicht verrückt genug. Doch das Ambiente war umwerfend, besonders, als die Sonne hinter der Bühne im Meer versank. Sasuke fragte sich, ob das hier Naruto gefallen hätte, wenn sie ihn mitgenommen hätte. Vermutlich hätte er sich total daneben benommen und ständig unangebrachte Kommentare gemacht. Es schien sehr uncharakteristisch, doch hatte der Animateur die Location Mikoto offenbar vorgeschlagen. Er dachte an Narutos Pläne für ein Date. Vielleicht hatte er sich über Freizeitangebote informiert, die Sasuke gefallen könnten. Er war in solchen Dingen sehr aufmerksam. „Sasuke? Kommst du?“ Sasuke sah zu Itachi auf, der auf ihn herabblickte. Die Ränge um sie herum leerten sich unter fröhlichem Geschnatter der Massen. Mikoto, Fugaku und Sarada standen am Rand der Sitzreihe und warteten auf sie. Sasuke stand auf, um ihnen in die Pause zu folgen. Während Mikoto gut gelaunt über das Stück plauderte, liefen ihre Söhn nebeneinander her. „Geht es dir gut?“, wollte Itachi wissen. „Du wirkst abgelenkt.“ „Sicher“, sagte Sasuke mit der Gewissheit eines Mannes, dessen Welt innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt worden war. Itachi runzelte die Stirn und sah zu den anderen Uchiha, die gerade Getränke an einem Stand kauften. „Du weißt, dass du mir vertrauen kannst, kleiner Bruder.“ Sasuke zögerte. Sie hatten sich zwar arbeitsbedingt lange nicht gesehen. Doch war es lange her, dass das die Beziehung der Brüder belastet hatte. Itachi war diskret und freundlich. Er würde es verstehen – und selbst wenn nicht, würde er es Sasuke überlassen, ob er ihre Eltern einweihen wollte. Sasuke öffnete eben den Mund, als eine Stimme sie unterbrach. „Ich hatte mir doch gedacht, dass ich Sie gesehen habe, Sasuke.“ Beide Uchiha-Brüder drehten sich um und sahen sich Orochimaru gegenüber. „Wie ungewöhnlich, Sie außerhalb Ihres Büros anzutreffen. Aber bei so illustrer Gesellschaft wundert es mich nicht. Es ist viel zu lange her, Herr Uchiha“, wandte er sich an Itachi, dem er die Hand reichte. „Es ist lange her“, stimmte Sasukes Bruder zu. „Sind Sie alleine hier?“ „Nicht doch. Ich versuche, meinen jungen Freund dort drüben für die Freuden der Kultur zu begeistern“, erklärte er und deutete auf Menma, der in einiger Entfernung an seinem Handy herumspielte. Das Lächeln des Clubbesitzers wurde ein paar Grad kälter, als er endete: „Doch scheinen diese Bemühungen an ihm abzuprallen.“ Als er den Blick der Männer auf sich spürte, sah der Junge auf. Sobald seine Augen die von Sasuke trafen, sah er sich weiter um, bis sie an Sarada hängenblieben. Sasuke wusste nicht, was er davon halten sollte, als Menma das Handy in die viel zu enge Jeans schob und herüberkam. „Hi“, sagte er und löste doch mal die Augen von Sarada, um deren Vater anzusehen. Irgendetwas an dem Blau dieses Blickes schnürte Sasuke jedes Mal den Atem ab und er räusperte sich, bevor er nickte. Itachi begrüßte den Neuankömmling höflich und erfuhr, dass er ein Angestellter bei Orochimaru war. War er überrascht von diesem jungen Arbeitnehmer, so ließ er es sich nicht anmerken. Inzwischen waren die anderen Uchiha auf die kleine Versammlung aufmerksam geworden. Sie kamen herüber und plauderten ein wenig über die laufende Saison. Die Teenager standen etwas abseits, und Sasuke hörte nicht, was sie besprachen. Das häufige helle Lachen seiner Tochter entging ihm aber nicht. Dann ertönte der Gong, der sie zurück zu ihren Plätzen scheuchte. „Viel Vergnügen“, wünschte Fugaku höflich und wandte sich mit seiner Frau ab. „Sasuke. Auf ein Wort?“, unterbrach Orochimaru den Aufbruch. Die Uchiha sahen ein wenig verwundert aus, doch dann sagte Fugaku: „Wir sind an unseren Plätzen“, bevor sie sich zurückzogen. Sasuke sah seinen Geschäftspartner abwartend an. Er hatte ihr Gespräch vom letzten Morgen nicht vergessen. „Ich hätte da eine Idee“, meinte Orochimaru. „Was würden Sie davon halten, wenn Menma und Sie die Plätze tauschen würden? So könnte die Jugend sich etwas besser kennenlernen und wir hätten Zeit, über das Geschäft zu sprechen.“ Menma schien genauso überrumpelt wie Sasuke. Der Teenager verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere. Sein Blick wanderte vorsichtig, abwartend, von seinem Chef zu Sasuke. „Ich bin hier, um einen Abend mit meiner Familie zu verbringen“, erklärte dieser schlicht. Orochimarus Lächeln war ungebrochen. „Das verstehe ich selbstverständlich“, sagte er großzügig. Bevor Sasuke sich allerdings verabschieden konnte, fuhr er fort: „Menma, geh zurück zu unseren Plätzen. Ich habe noch etwas mit Herrn Uchiha zu besprechen.“ Der Junge sah zwischen ihnen hin und her, kam der Aufforderung ansonsten aber ohne zu zögern nach. Sasuke sah ihm kurz nach, ehe er seinen Geschäftspartner auffordernd musterte. Er hatte jetzt keine Lust auf Spielchen. „Wissen Sie… Ich kenne Sie, seit Sie ein Junge waren, nicht älter als 13. Sie haben sich immer hinter Ihrer Mutter versteckt… So ein süßes Kind.“ Orochimarus lange Zunge glitt über seine Lippen. Seine Augen fixierten die von Sasuke, ohne zu blinzeln. „Sie haben mir schon damals gut gefallen. Ich wusste, dass Sie Potenzial haben. Und Sie haben alle Erwartungen übertroffen. Deshalb möchte ich Skandale für Sie natürlich vermeiden.“ Sasuke verschränkte die Arme. Er wusste nicht, worauf Orochimaru hinauswollte, aber es gefiel ihm nicht. „Sie müssen sich um mich keine Gedanken machen.“ „Bei der Gesellschaft, die Sie in letztere Zeit pflegen, habe ich das Gefühl, das müsste ich… Ihr Animateur“, fügte er auf Sasukes aufforderndes Stirnrunzeln hinzu. Langsam nervte das Thema den Hotelier und ihm gefiel nicht, worauf das alles hinauszulaufen schien. Waren er und Naruto zu offensichtlich gewesen? Er ließ den Animateur oft bei sich übernachten und auch sonst verbrachten sie mehr Zeit miteinander, als Narutos Position rechtfertigen würde. Allerdings spielte sich diese Zeit tagsüber rein professionell ab – meistens. Wie Orochimaru davon wissen sollte, war ihm so oder so schleierhaft. „Ich verstehe, dass Sie sich Ablenkung wünschen“, fuhr Orochimaru fort, als Sasuke schwieg. „Die Verantwortung für so viele Menschen zu tragen ist nicht leicht, besonders in Ihrem Alter. Ich weiß das. Aber Sie sind doch schon zu alt für solche Spielereien. Sie sollten sich auf ernsthafte Gesellschaft konzentrieren.“ „Wie Ihre.“ Lächelnd zuckte Orochimaru die Schultern. „Beispielsweise.“ „Verstehe.“ Sasuke blickte auf seine Uhr. Bald würde der nächste Akt des Stücks anfangen. „Ich bevorzuge ein professionelles Verhältnis zu Geschäftspartnern.“ „Für Angestellte gilt diese Einschränkung aber nicht?“, fragte Orochimaru mit ungebrochenem Lächeln und nahm Sasuke für einen Moment die Worte. Die Gelegenheit nutzte der Clubbesitzer, um fortzufahren: „In Ihrer Position können Sie sich keine Gefühle leisten, und die Ablenkung kann ich Ihnen bieten. Ohne Verpflichtungen. Ich kann dich alles vergessen lassen, Sasuke. Das weißt du.“ Bruchstückhafte Erinnerungen flogen an seinem inneren Auge vorbei und ließen ihn stumm zurück. Orochimaru sah das offenbar als Aufforderung um weiterzusprechen: „Übrigens hat Menma nach dir gefragt. Er hat sich gefreut, dich bei der Party zu sehen. Und es würde ihm gefallen, wenn du ihn mal wieder besuchen würdest.“ Die Implikation schnürte etwas in Sasukes Magen zu und andererseits… Andererseits konnte er das aufgeregte Flimmern nicht ignorieren, das sich bei dem Gedanken in ihm ausbreitete. „Er wirkte nicht, als hätte er mir etwas zu sagen.“ „Zugegeben, er ist nicht sehr gesprächig. Aber das kennst du doch. Ich mag diesen Typ.“ Orochimarus Lächeln wurde breiter, als könne er Sasukes wachsendes Unbehagen riechen. „Nun, ich denke, er hat dich bei eurem letzten Treffen gern gewonnen. Vielleicht sieht er dich als eine Art Vorbild.“ „Ich bin kein Barkeeper.“ „Aber ein erfolgreicher Geschäftsmann und mein Partner“, fiel Orochimaru ihm ins Wort. „Ist es nicht natürlich, dass er dich näher kennenlernen will?“ „Vielleicht.“ Ein leicht unzufriedener Zug legte sich um den Mund des Clubbesitzers. Er sah sich auf dem inzwischen leeren Gelände des Theaters um. Ein paar Budenbesitzer ignorierten sie, während sie ihre Stände aufräumten. Ansonsten stammten die einzigen Geräusche von den Theaterrängen und der Bühne. „Wir sollten zurück zu unseren Plätzen gehen“, stellte Orochimaru fest. „Aber Sie sollten sich bewusst machen, dass Geheimnisse nicht immer geheim bleiben. Was Sie tun, könnte Auswirkungen auf Ihre Familie haben… Genießen Sie den Abend mit ihnen und denken Sie darüber nach, was Sie wollen. Dann können wir weiter sprechen.“ Bit diesen Worten wandte der Clubbesitzer sich ab und schritt die Treppen zu den Logenplätzen hinauf. Der Gedanke daran, dass Menma alleine mit ihm war, behagte Sasuke nicht. Doch er redete sich ein, dass der Teenager nichts zu befürchten hatte, und kehrte zu seiner Familie zurück. Sie warfen ihm fragende Blicke zu, die er mit einer flüchtigen Handbewegung abwehrte. Er würde sie nicht mit seinen Sorgen behelligen. Denn Orochimaru hatte recht. Er hatte ihnen schon zu viel genommen, um weiter egoistische Entscheidungen zu treffen. Es war Zeit, seine Entscheidungen nach ihrem Wohl auszurichten, allen voran dem seiner Tochter. Selbst wenn das hieß, auf das zu verzichten, was er gerade am meisten wollte. Kapitel 12: Dreizehn und dreißig plus ------------------------------------- Oh, the habits of my heart. It’s ripping me apart. You get too close You make it hard to let you go. Der Sonntag zog warm über Konoha herauf. Sasuke begrüßte ihn wie so oft mit einer Zigarette auf seiner Dachterrasse. Seit seine Familie hier war, genoss er die seltener gewordenen Momente für sich noch mehr. Lange würde dieser hier auch nicht mehr anhalten, das wusste er. Der Blick über die goldgefärbten, noch so ruhig daliegenden Häuser hatte etwas Beruhigendes für ihn. Das konnte er bei der Woche gebrauchen, die ihm bevorstand. Seine Eltern und Itachi hatten beschlossen, die ganze Woche hier zu verbringen. Er war nicht sicher, was er davon hielt. Einerseits war er froh, die Verantwortung für Sarada an seine Mutter abgeben zu können. Sie tat sich so viel leichter mit dem Mädchen. Zudem konnten er, Itachi und ihr Vater so wichtige Dinge bezüglich der Hotels klären. Andererseits fühlte er sich erdrückt von der ungewohnten Nähe. Insbesondere, da Sarada momentan bei ihm eingezogen war. Es hatte kein Zimmer mehr gegeben. Am Dienstag würde wieder etwas frei werden, aber so lange bildeten Vater und Tochter eine Wohngemeinschaft. „Kommen Oma und Opa hoch?“ Sarada war noch im Schlafanzug, als sie auf die Terrasse kam. Sie rieb sich die Augen unter der Brille und warf seiner Zigarette einen bösen Blick zu. Daraufhin seufzte ihr Vater und drückte den Glimmstängel aus. „Sie wollten unten frühstücken“, antwortete er dann. „Mhm.“ Sarada stellte sich neben ihn und beobachtete, wie das Morgengold langsam von den Häusern wusch und die Straßen sich belebten. „Es ist schön hier“, sagte sie schließlich. „Mhm.“ „Also ist Mama nur wegen dir gegangen.“ Sasuke schloss kurz die Augen und atmete durch. Was sollte er dazu sagen? Sie hatte Recht. „Deine Großeltern hatten die Idee, Sakura hierher einzuladen“, erzählte er ihr. Als Sarada ihn mit großen Augen ansah, zuckte er die Schultern. „Wenn sie Zeit hat und es dir recht ist.“ Sarada biss sich auf die Lippe und suchte über den Dächern der Stadt eine Antwort. Sasuke hatte gedacht, sie und Sakura hätten ihre Differenzen inzwischen hinter sich gelassen. Er wusste, dass sie regelmäßig telefonierten und auch er sprach manchmal mit seiner Exfrau. Aber vielleicht hatte er sich geirrt. Das tat er wohl öfter, als ihm lieb war. „Du musst dich nicht jetzt entscheiden“, lenkte er schließlich ein. „Es war nur ein Vorschlag.“ Sarada nickte und lächelte zu ihm hoch. Er lächelte kurz zurück, bevor er vorschlug, zu gehen. „Ach Papa“, fing Sarada vor der Wohnung an. Als er brummte, fuhr sie fort: „Kann ich heute Abend auf das Musikfestival?“ „Wieso nicht. Deine Großmutter liebt Musik“, erwiderte Sasuke im Fahrstuhl. Er sah, wie ihr Spiegelbild in der Lifttür rot anlief und nervös an seinem Rock zupfte und runzelte die Stirn. „A-also eigentlich… Ich wollte mit Menma gehen.“ Irgendwas in Sasukes Magengegend verkrampfte sich, und er brachte nur ein kühles: „Aha“, hervor. Als Sarada die Stirn runzelte, räusperte er sich. „Wann habt ihr das ausgemacht?“ „Letztens im Theater…. Also darf ich nicht?“ Sasuke zögerte, bevor er nickte. „Doch… Sicher.“ Ihr Gesicht hellte sich auf und sie umarmte ihn stürmisch von der Seite. „Danke, Papa!“ Zögernd legte er die Hand auf ihren Rücken. „Weiß deine Mutter davon?“ Ihr Gesicht nahm ein verdächtiges Rot an, woraufhin er seufzte. „Vielleicht hätte ich sie zuerst fragen sollen.“ „Aber jetzt hast du schon ja gesagt!“, rief Sarada entsetzt. „Schon gut.“ Sasuke schob die Tür zum Speisesaal auf und sah sich um. „Das war ein Scherz.“ Seine Eltern hatte er schnell entdeckt, doch hielt Saradas Blick ihn davon ab, auf sie zuzugehen. Sie starrte ihn an, als habe er ihr ein Einhorn zum Geburtstag versprochen. „Ich wusste nicht, dass du Scherze machen kannst“, erwiderte sie schließlich, als sie sich ein wenig gefangen hatte. Sasuke vermied es, ihr mitzuteilen, dass sie kaum etwas von ihm wusste. „Um acht bist du spätestens zu Hause.“ „Aber da geht es gerade erst los!“, beschwerte das Mädchen sich, als sie am Tisch seiner Eltern ankamen. „Zehn wäre besser.“ „Du übertreibst“, erklärte Sasuke, bevor er Mikoto und Fugaku begrüßte. „Womit übertreibt sie?“, fragte seine Mutter neugierig. Sarada wurde rot und war offensichtlich froh, als ihr Onkel ebenfalls zu ihnen kam und damit das Gespräch verlagerte. Das Frühstück verlief danach entspannt. Mikoto beschwerte sich, dass Sasuke heute arbeiten wollte, statt den Tag mit ihr und ihrem Mann zu verbringen. Immerhin Fugaku verstand ihn. Er überzeugte Mikoto davon, Sasuke schließlich nach etwa einer Stunde ziehen zu lassen. Er verließ den Speisesaal, um den direktesten Weg zu seinem Büro einzuschlagen. Unterwegs nickte er einigen Gästen zu, die auf dem Weg zu Tagesausflügen oder dem Strand waren. Er hielt sich allerdings nicht auf, um mit jemandem zu sprechen. Erst, als ein roter Kater unerwartet vor seine Füße lief, geriet sein Schritt ins Stocken. Sasukes Herzschlag beschleunigte sich, und er ertappte sich mal wieder dabei, nach einem Fluchtweg zu suchen. Da – er könnte über den Seitenflügel zu seinem Büro… „Sas!“ Die begeisterte Stimme ließ ihn zusammenfahren. Dann holte er flach Luft und wandte sich Naruto zu. Der wäre fast in Naruto gerannt und musste die Hände auf seine Schultern legen, um sich abzufangen. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, seinen Chef breit anzugrinsen. „Hat Sarada dich schon gefragt wegen dem Date?“ Sasuke sah ihn baff an uns er zuckte die Schultern. „Sie wollte Tipps um dich zu überzeugen. Also?“ „Sie darf gehen“, seufzte Sasuke. Naruto jubelte, als wäre es sein eigenes Date. „Cool, dann bist du ja in großzügiger Laune. Dann machen wir doch gleich mit uns weiter. Wann treffen wir uns?“ Nartos Augen strahlten mit seinem Lächeln um die Wette. Ein seltsamer Knoten machte sich in Sasukes Magengegend bemerkbar, der vor ein paar Tagen noch nicht da gewesen war. Als hätte er das gespürt, runzelte Naruto die Stirn. Er öffnete den Mund, aber bevor er etwas sagen konnte, grätschte Sasuke dazwischen. „Meine Familie bleibt die Woche über hier.“ Narutos überraschtes Gesicht wurde schnell verständnisvoll „Das ist grad viel für dich, hm? Macht nix. Lass dir Zeit. Aber aufgeschoben is nich aufgehoben, damit das schon mal klar is!” Irgendwas in Narutos Grinsen weckte in Sasuke den Wunsch, ihn an sich zu ziehen und zu küssen, bis keiner von ihnen mehr klar denken konnte. Gleichzeitig zog sich der Knoten in Sasukes Magengegend fester zusammen, nur wegen dieses Gedankens. Das wäre verantwortungslos. Er sollte das hier beenden und Naruto nicht noch mehr Hoffnungen machen – oder sich selbst. Erstaunlicherweise akzeptierte Naruto sein plattes: „Ich muss los.“ Sie verabschiedeten sich und Sasuke konnte sich endlich in seinem Büro vergraben. Als er darauf wartete, dass sein Laptop hochfuhr, rieb er sich mit beiden Händen über das Gesicht. Er hatte jetzt keine Zeit, sich über das alles den Kopf zu zerbrechen. Zumal er doch von Anfang an gewusst hatte, dass das mit Naruto nie etwas Ernstes sein konnte. Er wollte gar keine Beziehung, und selbst wenn war der Animateur so überhaupt nicht sein Typ. Er war laut und vulgär und ungebildet und immer ein wenig zottelig. Das mit ihnen war ganz nett gewesen, so als Ablenkung. Der Sex war atemberaubend, da würde er sich nichts vormachen. Aber er sollte es beenden, bevor Naruto zu anhänglich wurde. Mit dieser Entscheidung stürzte er sich in die Arbeit. Er schaffte es, die Aufgaben des Wochenendes nachzuholen, aber vieles Neues blieb liegen. Gegen sechs beschloss seine Mutter, dass es jetzt Zeit für ein gemeinsames Abendessen war. Als Botschafter hatte sie Itachi auserwählt. „Sie sagt, es gibt keine Wiederrede“, meinte der ältere Uchiha-Sohn. Seinem kleinen Bruder blieb nichts übrig, als ihm zu folgen und die Arbeit auf später zu verschieben. Sie schwiegen auf dem Weg durch das Hotel eine Weile, bis Itachi sagte: „Vater und ich haben Assistenten, denen wir vertrauen.“ „Mhm“, machte Sasuke, der kaum zugehört hatte. Er dachte über die Kostentabelle nach, an der er bis eben gesessen hatte. „Wir können nicht alles selbst machen, und das sollten wir auch nicht.“ „Nein“, stimmte Sasuke zu und sah doch endlich auf. Dabei fiel sein Blick auf eine Gestalt, die um eine Ecke verschwand. Er hatte noch viel schwarze Kleidung und Springerstiefel aufblitzen sehen, bevor die Person sein Blickfeld verließ. Diese passten kein bisschen zum Klientel des Sensu. Wenn doch ein Gast so gekleidet wäre, wäre er aufgefallen. Auch Itachi hatte die Person bemerkt und er fragte: „Wer war das?“ Die Brüder sahen sich an und beschlossen einvernehmlich nickend, Itachis Frage auf den Grund zu gehen. Sie änderten ihre Richtung und beschleunigten ihre Schritte. Kurz darauf entdeckten sie einen jungen Mann in Schwarz am Ende des Flurs. Eine Ahnung flatterte in Sasukes Magen, noch bevor sie ihn erreichten. „Entschuldigung“, sprach Itachi den Jungen höflich an und als er sich umwandte, bestätigte sich Sasukes Verdacht. „Menma“, begrüßte er den unerwarteten Gast. Ob er sich entspannen sollte, weil er jetzt wusste, um wen es sich handelte, wusste er allerdings nicht. „Was tust du hier?“ „Ich suche Sarada. Wir sind verabredet. Sie sagte, Sie wüssten Bescheid.” „Das tue ich. Allerdings sagte sie mir nicht, dass ihr euch in ihrem Zimmer treffen wollt.“ Die eisblauen Augen des Jungen fixierten ihn, aber Sasuke ließ sich sicher nicht von einem Teenager einschüchtern. Sein lächerlicher Punkrock-Aufzug ganz in schwarz inklusive Nieten machte den Jungen nicht beeindruckender. „Am besten, wir sagen Sarada Bescheid und ihr trefft euch in der Lobby“, schlug Itachi vor. Menma nickte und sie machten sich auf den Weg. Sasuke spürte, wie der Blick seines Bruders ihn zu analysieren versuchte, und sein Mundwinkel verhärtete sich ein wenig. Er zog das Handy hervor, um Sarada zu schreiben und um das Gesicht abwenden zu können. Egal, wie sehr er Itachi vertraute, das unangenehme Gefühl, das er mit Menma in Verbindung brachte, konnte er ihm niemals erklären. Zum einen, weil es nichts bedeutete, wie er sich hartnäckig einredete. Zum anderen, weil es zu schrecklich wäre, wenn es doch etwas bedeutete. Keiner der drei war sonderlich gesprächig, sodass der Weg in die Lobby schweigsam verlief. Unten baten sie ihren Gast, sich zwischen ihnen auf eines der stilvollen, hellgrauen Stoffsofas im Eingangsbereich zu setzten. Sasuke befand sich in einer emotionalen Zwickmühle, während sie warteten. Einerseits war es ein seltsames Gefühl, seine Tochter auf ein Date gehen zu lassen. Er wusste nicht mal, ob das ihr erstes Rendezvous war, oder ob das in ihrem Alters schon normal war. Er hatte sich in der Hinsicht so anders entwickelt, dass er sich schwertat, das zu beurteilen. Vermutlich hätte er Sakura deswegen konsultieren sollen. Aber jetzt war es zu spät dafür. Andererseits wollte er diesen Jungen und das, was er in ihm auslöste, so schnell wie möglich aus seiner Nähe entfernen. Dafür wiederum schämte er sich, denn das hieß letztlich nur, dass er sein Unbehagen auf Sarada abwälzte. Dass sie nicht dasselbe empfand und sich sicherlich auf das Treffen freute, spielte dabei keine Rolle. Während er diese Dinge mental herumwälzte, unterhielt Itachi sich mit Menma. Lange mussten sie aber nicht auf Sarada warten. Sie lief in einem roten Kleid und schwarzen Sandalen aus einem der Seitenflure. Ihre Wangen waren vom Rennen ein wenig gerötet und ihr sicher mühsam gemachtes Haar ein bisschen durcheinander. Das tat aber der Tatsache keinen Abbruch, dass sie sehr hübsch aussah. „Hallo…”, begrüßte sie Menma mit einem schüchternen Lächeln und schob ihre Brille zurecht. „Können wir los?“, fragte er, woraufhin sie zu ihrem Vater blickte. „Ich denke schon?“ Sasuke nickte. „Sei um neun zu Hause.“ „Ja, Papa.“ „Wenn etwas ist, ruf mich an.“ „Papa…“, quengelte sie peinlich berührt und warf einen besorgten Blick zu Menma, der ein paar Schritte entfernt wartete. Sasuke beschloss, sie in Ruhe zu lassen. „Viel Spaß“, wünschte er ihr noch und stupste mit zwei Fingern gegen ihre Stirn. Sie rieb sich die Stelle, lächelte aber scheu zu ihm auf. „Danke“, sagte sie, dann eile sie davon zu ihrem Date. Sasuke sah ihr nach, bis die Schiebetür des Hotels sich hinter ihr schloss. Er spürte, wie sein Bruder ihn musterte und wusste zu schätzen, dass er einfach nichts sagte. Sasuke hätte selbst nicht erklären können, wie er sich gerade fühlte – selbst wenn er gewisse Dinge wegließ, von denen er unmöglich sprechen konnte. „Gehen wir an die Poolbar?“, schlug Itachi schließlich vor. Sasuke nickte in stummer Dankbarkeit ~ Sarada~ Sarada hatte es immer total albern gefunden, wenn Mädchen in Büchern oder Filmen nicht wussten, was sie einem Jungen sagen sollten, noch dazu, wenn sie ihn angeblich mochten. Jetzt bereute sie dieses voreilige Urteil. Während sie schweigend durch die lebhaften Straßen des abendlichen Konoha liefen, redete sie sich ein, dass es für ihre Nervosität gar keinen Grund gab. Menma hatte es ja nicht mal ‚Date‘ genannt, als er das Treffen vorgeschlagen hatte. Er hatte nur gesagt, dass das Fest stattfand und gefragt, ob sie mit ihm hingehen wollte. „Alles in Ordnung?“ „W-Was?“ Sarada blinzelte und schob ihre Brille zurecht. "Ja, sicher, ich meine…” Unerwartete schob sich eine warme Hand in ihre. Sarada sah in Menmas ruhige Augen und er sagte: “Es ist okay, nervös zu sein. Aber du kannst hier nichts falsch machen. Okay?“ “O-Okay…”, stammelte sie leise. Er nickte, dann setzten sie ihren Weg fort, Saradas Hand noch immer in der von Menma. Jetzt war es eine andere Art von Nervosität, die sie spürte, und diese genoss sie sehr. Als sie kurz darauf das Festgelände erreichten, fühlte sie sich schon besser. Das Fest fand auf den Straßen statt, die mit Lampions und Buden dekoriert worden waren. Sie schlängelten sich durch die Besucher, die ein Publikum der verschiedensten Altersklassen bildeten. Ganz kleine Kinder mit eisverschmierten Gesichtern tollten unter den schief stehenden Häusern vorbei, während ältere Leute einem Geiger zuhörten, der vor einem Brunnen auf einem Platz voller Restaurants spielte. Menma und Sarada holten sich an einem der zahlreichen Stände Hotdogs und Cola. Mit ihrer Beute machten sie es sich dann an einem kleinen Springbrunnen bequem. Das Fleckchen lag ein wenig abgelegen hinter einer Häuserecke, sodass die Massen sich nicht dorthin verirrten. Trotzdem wehten die Klänge einer Akustikgitarre und eine Frauenstimme zu ihnen herüber. „Spielst du ein Instrument?“, fragte Sarada Menma, da es zu ihm passen würde. Er schüttelte den Kopf. „Und du?“ “Klavir und Geige.” Sie lachte ein wenig verlegen. “Klischee-Gymnasiastin, ich weiß…” “Muss schön sein”, sinnierte Menma. Unter Saradas fragendem Blick stand er schweigend auf und wusch sich die Hände im Brunnen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, also tat sie es ihm gleich. Gerne hätte sie etwas gefragt oder gesagt, aber sie hatte Angst, noch mehr falsch zu machen. Als habe er gespürt, was sie dachte, griff Menma wieder nach ihrer Hand. Seine Finger waren eisig vom Wasser und auch in seinen blauen Augen schien etwas eingefroren zu sein. „Entschldige. Ich meinte nur, dass es schön sein muss, so viel Freizeit zu haben. Ich arbeite, seit ich jünger war als du jetzt. Da war für so etwas nie Zeit.“ „Das… Ist sehr jung“, stellte Sarada fest. Sie wollte nicht aufdringlich sein, aber zeigen, dass er reden konnte, wenn er wollte. „Ist es.“ Offensichtlich wollte er nicht. “Lass uns zurück auf die Hauptstraße gehen. Gleich tritt eine Band auf, die ich dir zeigen möchte.” „Was machen sie für Musik?“, ging sie rasch auf den Themenwechsel ein, und den Rest des Weges unterhielten sie sich über ihre Lieblingsbands. Bei Menmas Look hatte sie mit Rock und Metall gerechnet. Das mochte er ach, aber tatsächlich hatte er eine Vorliebe für unbekannte Indie-Bands mit tiefgründigen Lyrics. Eine solche war es auch, die am Straßenrand auftrat, zu dem Menma sie geführt hatte. Einige Passanten blieben mit ihnen stehen um der Musik zu lauschen. Sarada nahm sie kaum noch wahr, als Menma den Arm um sie legte. Sein angenehmer, sauberer Duft, die Melodien, die Straßenlaternen und Lampions um sie herum, die die Straße in ihr rötliches Licht tauchen – es war einfach alles magisch. Sie konnte kaum erwarten, Chouchou davon zu erzählen. „Darf ich dich etwas fragen?“, wollte Menma nach einer Weile wissen. Seine Finger streiften ihren Nacken, der leicht zu kribbeln begann. So etwas hatte noch nie jemand bei ihr gemacht. Es fühlte sich anders an, als wenn ihre Mutter sie streichelte, aber sie mochte es. “Ja“, hauchte sie atemlos. Alles. „Wieso bist du nach Konoha gekommen?“ Die Frage überrumpelte sie ziemlich. Sekundenlang starrte sie Menma glasig an, voll der vagen Hoffnung, er würde etwas anderes fragen. Aber das tat er nicht, sodass sie den Blick senkte. „Na ja…“ Sie schämte sich dafür, denn Menma hatte ja gar keine Eltern. Aber so war es eben gewesen, also sagte sie: „Ich hatte Streit mit meiner Mutter.“ „Wieso?“ „Verschiedene Sachen. Hauptsächlich wollte sie aber nicht, dass ich meinen Vater kennenlerne“, schnaubte Sarada genervt. Ihre Mutter wollte sie nur beschützen, das wusste sie. Aber dabei vergaß sie, dass Sarada kein Baby mehr war. Sie konnte ihre eigenen Entscheidungen treffen und sich ein Urteil über ihren Vater bilden. Sie hatte sogar ein Recht darauf, das zu tun. Sasuke war in der Hinsicht ganz anders. Er schien froh, wenn sie sich mit etwas – oder jemand – anderem beschäftigte. Anfangs hatte sie das verletzt. In letzter Zeit hatte sie aber das Gefühl, er würde eher darauf achten, wo sie mit wem war. So wie vorhin, als sie ihm von diesem Treffen erzählt hatte. Er hatte besorgt gewirkt – und über seine eigene Sorge überrascht. Manchmal war ihr Papa schon ziemlich süß. „Woran denkst du?” Erst jetzt fiel Sarada auf, dass Menma sie beobachtete. Auf ihren verdutzten Blick hin erklärte er: “Du lächelst so vor dich hin.” „Oh… Ah.“ Sie schob verlegen die Brille über ihrem roten Gesicht zurecht. „Ich habe an meinen Vater gedacht. Bevor ich hierhergekommen bin, konnte ich mich nicht mal an sein Gesicht erinnern.“ Sie stockte – wer redete auf einem Date bitteschön von seinem Vater? Doch Menma sah sie aus seinen klaren Augen interessiert an, sodass sie fortfuhr: „Ich glaube, er hat sich anfangs ziemlich schwer getan, aber jetzt gibt er sich echt Mühe und… Oh, e-entschuldige, ich rede wirklich zu viel von mir.“ Menma schüttelte auf seine eigene lässige Art den Kopf. „Kein Grund, dich zu entschuldigen.“ Er legte den Arm um sie. Sein Blick war auf die Bühne gerichtet, doch seine Fingerspitzen, die leicht über ihren Nacken streiften, kribbelten auf ihrer Haut. „Er kann froh sein, dass du jetzt hier bist. Du hilfst ihm sicher sehr, wie bei der Party im Oto.“ Sarada lächelte geschmeichelt. „Oh… Eigentlich nicht wirklich. Er will das nicht, weil ich noch zu jung bin.“ „Und wenn du älter bist?“ „Ich möchte Jura studieren und mich auf Familienrecht spezialisieren.“ Sarada mochte es, mit ihm über so erwachsene Themen zu sprechen. Er war so ernst und reif im Vergleich zu anderen Jungs, die sie kannte. „Also gibt es keine Nachfolge für das Resort?” „Nicht, dass ich wüsste“, runzelte Sarada die Stirn. Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. Vielleicht erwartete ihr Vater das, jetzt, wo sie hier war? Sie beschloss, darüber ein anderes mal nachzudenken. „Und was ist mit dir?“, fragte sie stattdessen Menma. „Was willst du später machen?“ „Irgendwas im Oto, schätze ich.“ Er zuckte die Schultern und ließ Sarada los, um sein Handy rauszuziehen. Als er sah, wie spät es schon war, fuhr er fort: „Ich muss noch arbeiten. Du kannst mitkommen, wenn du willst." "In einen Club?" Als er nickte, zögerte Sarada. Sie wollte nicht wie ein Baby wirken, aber sie war erst 13. Bei der Party, an der sie teilgenommen hatte, war ihr Vater anwesend gewesen. Das hier wäre etwas anderes. "Ich habe meinem Pa... Vater versprochen, um neun zu Hause zu sein." "Verstehe." Sein Ton war kühler, und sie fügte rasch hinzu: "Vielleicht nächstes Mal." "Vielleicht. Ich sollte dich heimbringen.“ Ein bisschen enttäuscht war Sarada schon, aber sie folgte Menma aus der wachsenden Menschenmenge hinaus. Die Stimmung schien geladen und es versprach, eine aufregende Nacht zu werden. Aber sie hatte ihrem Vater versprochen, pünktlich zu Hause zu sein, ein Versprechen, das sie halten wollte. Der Rückweg zum Hotel war der schweigsamste Teil des Abends. Menma war eigentlich der Typ Mensch, mit dem man gut schweigen konnte. Das mochte Sarada an ihm. Aber diese halbe Stunde gab ihr das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben und sie wusste einfach nicht, was. Um kurz nach neun erreichten sie das Sensu. Später erfuhr sie von Itachi, dass er Sasuke davon abgehalten hatte, sie um Punkt neun anzurufen und zu fragen wo sie blieb. Vor dem Hotel wandte Menma sich Sarada doch noch zu. „Es war ein schöner Abend“, sagte er und obwohl er so beherrscht klang wie immer, hatte Sarada das Gefühl, er meinte es ernst. Obwohl das unbehagliche Gefühl der letzten Minuten noch anhielt, lächelte sie ihn an. „Finde ich auch. Das sollten wir mal wieder machen.“ Der Schatten, der sie auf dem Weg hierher begleitet hatte, flog nochmal über sein Gesicht. Dann erhellte sich dieses zu einem Lächeln, das seine Augen erreichte. „Gerne“, sagte er und beugte sich vor, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. Mit klopfendem Herzen und rotem Gesicht sah sie zu, wie er sich abwandte und die schmale Straße zwischen den schiefen Häusern ihn verschluckte. So wenig sie Menma manchmal verstand – als sie nach drinnen ging, war ihr Schritt so leicht wie noch nie. ~ Sasuke ~ Sasuke hatte in der Lobby auf Sarada warten wollen. Er hatte keine Ahnung, wie seine Mutter ihn stattdessen zu ein paar Drinks an der Bar überredet hatte. Doch auf der kleinen Bühne im Innenhof des Hotels spielte eine Jazzband, deren Bassisten Naruto irgendwoher kannte. Sasuke hatte lieber nicht gefragt, woher. Die Musik und das Plaudern seiner Gäste, die über das stille Poolwasser plätscherten, und sein drittes Glas Wein schienen die laue Nachtluft wärmer zu machen. „Was machen wir eigentlich am Donnerstag?”, fragte Mikoto nach einer Weile. Sie und die anderen Männer am Tisch sahen Sasuke so eindringlich an, dass er das Glas senkte, ohne einen Schluck genommen zu haben. Hatte er die Planung ihrer Familienzeit zu sehr ihnen überlassen? Er würde Hinata bitten müssen, etwas auf die Beine zu stellen. „Ich glaube, er weiß es nicht, Mutter“, bemerkte Itachi mit einem amüsierten Unterton. „Das kann doch nicht sein“, erwiderte Mikoto, bevor sie Sasuke genauer musterte und ein glockenhelles Lachen hinter ihrer Hand verbarg. „Du liebes Bisschen… Er ist wirklich dein Sohn, mein Lieber“, kicherte sie und legte eine Hand auf die ihres Mannes. Fugakus Mund wurde ein noch härterer Strich als üblich. „Das ist mir nur einmal passiert.“ „Nun, das genügt, nicht wahr?“ „Würdet ihr mir erklären, womit ich euch derart amüsiere?“, warf Sasuke ein, als ihm das Geturtel seiner Eltern zu viel wurde. „Ah, mein Liebling.“ Mikotos Blick wurde sofort besorgt, doch sie sparte sich einen Kommentar und erklärte stattdessen: „Am Donnerstag ist der 23. Juli. Dein Geburtstag.“ Sasuke brauchte einen Moment, um diese Information zu verarbeiten. Dann legte er die Hand auf das Gesicht und seufzte. Was für ein peinliches Klischee war nur aus ihm geworden. Immerhin lachte der Rest der Familie gemeinsam, bevor sie den sogenannten Ehrentag planten. In Gedanken war Sasuke schon dabei, alles zu organisieren, als Sarada an der Treppe zur Lobby auftauchte. „Du siehst so hübsch aus, mein Liebes“, sagte Mikoto, als hätte sie nicht geholfen, das Mädchen für ihr Treffen fertig zu machen. Sakura war arbeiten gewesen und hatte nur ein Foto ihrer Tochter gesehen. Mikoto hielt ihrer Enkelin die Hand hin, um sie elegant auf einen der bequemen grauen Rattan Sessel zu führen, in denen sie saßen. „Wie war es?“, wollte sie gespannt wissen. Sarada errötete und ihr Lächeln sprach für sich selbst. „Ganz toll“, hauchte das Mädchen verträumt. Sie erzählte von den Musikern und dem Essen und dem Sonnenuntergang über dem Meer, aber lange hielt sie es nicht bei den Alten aus. „Schon?“, fragte Sasuke erstaunt, als sie in ihre Wohnung wollte. „Ich habe Chouchou versprochen, sie noch anzurufen.“ „Ah… Dann tu das.“ Strahlend wünschte Sarada allen eine gute Nacht und eilte davon. Während Mikoto etwas davon sagte, wie schnell sie doch groß geworden war, folgte Sasuke seiner Tochter mit den Augen. Am Aufgang zu den Treppen wurde sie von einer Gruppe junger Leute aufgehalten, die aus Hotelgästen und Personal bestand, soweit er das erkennen konnte. Als Sarada stehenblieb und mit jemandem redete, suchte Sasuke die Leute ab – und tatsächlich fand er Naruto im Zentrum des trauten Haufens. Er nahm Saradas Hände und sie lachte über etwas, das er sagte, schüttelte aber den Kopf. Als auch Schmollen nichts half, wuschelte Naruto ihr durch das Haar und ließ sie ziehen. Die Gruppe pilgerte zur Bar und Naruto verschwand aus Sasukes Blickfeld. Scheinbar war er nicht traurig darüber, dass Sasuke gerade wenig Zeit für ihn hatte. Sasuke meinte, Narutos Lachen aus den Stimmen der anderen herauszuhören, während er selbst bei seiner Familie blieb. Gegen zehn zogen seine Eltern sich zurück. Zu dieser Zeit hatte die Stimmung in dem kleinen Pulk an der Bar scheinbar ihren Höhepunkt erreicht. Naruto war nicht rübergekommen oder hatte Sasuke auch nur angesehen, obwohl er wissen musste, dass er hier war. Immerhin hatte er mit Sarada gesprochen. Itachi musterte das nächste Glas Wein, das Sasuke sich bestellte, wie er vorhin Menma angesehen hatte. „Sollen wir uns der Gruppe anschließen?“, fragte er unverfänglich. „Wieso sollten wir?“ Verdammt, Sasuke spürte, wie seine Zunge schwer wurde. Sein Bruder seufzte. „Es sind viele deiner Angestellten und einige Gäste. Etwas Sozialisation schadet nicht.“ Oh, wenn Itachi wüsste, wie sehr Sasuke mit Naruto ‚sozialisiert‘ hatte, würde er etwas anderes sagen. Aber keiner von ihnen wusste etwas davon. Er konnte seine Beziehung zu ihnen nicht riskieren, nicht für so etwas. Er wollte sich aus guten Gründen von Naruto zurückziehen. Und einer dieser Gründe war sein Bruder, der ihn musterte wie ein besonders anspruchsvolles Rätsel. „Sarada mag ihn“, verkündete Itachi schließlich. „Und Mutter auch.“ „Wen?“ Itachi seufzte und rieb sich die Stirn. „Den Animateur. Naruto.“ Sasuke schnaubte und spielte mit seinem Weinglas. Er hatte Naruto gebeten, sich von seiner Familie fernzuhalten, und stattdessen plauderte er offensichtlich in seiner Abwesenheit mit ihnen. Dass er nur Sarada begrüßt hatte, spielte keine Rolle. Es war besser, diesen respektlosen Menschen aus seinem Leben zu streichen. Am besten kündigte er ihm gleich am nächsten Tag. „Ich habe ihn nochmal getroffen, als ich Sarada zu ihrer Surfstunde begleitet habe“, erklärte Itachi, woraufhin Sasuke ein plattes: „Aha“, entkam. Er wusste immer noch nicht, warum sein Bruder ihn so ansah. Er konnte schließlich nicht wissen, dass etwas zwischen ihm und seinem Angestellten war – oder gewesen war. „Ihr scheint euch nahezustehen“, wagte Itachi noch einen Vorstoß. Sasuke zuckte die Schultern. „Er steht jedem nahe“, erwiderte er erbitterter als geplant. „Mag sein.“ Itachi klang aus irgendeinem Grund resigniert. Er leerte sein Weinglas und bat um etwas Wasser, als der Barmann fragte, ob er nachschenken durfte. Wenn er so darüber nachdachte, hatte Sasuke seinen Bruder noch nie betrunken gesehen. Von sich selbst konnte er das nicht behaupten. Von Naruto aber auch nicht, der lachend zwischen seinen ganzen sogenannten Freunden stand und Shots und Cocktails auf Kosten des Hotels genoss. „Außerdem ist er ein Angestellter“, fuhr Sasuke in ihrem Gespräch fort, um sich abzulenken. „Ja.“ „Ich sollte keinem Angestellten nahestehen.“ „Menschen treten mit einer gewissen Rolle in unsere Leben“, sagte Itachi ruhig. „Das heißt nicht, dass diese Rollen so bleiben müssen.“ Sasuke öffnete den Mund, schloss ihn aber angesichts von so viel Postkarten-Weisheit wieder. Als wäre Itachi mit seinem Freundeskreis komischer Gestalten da ein Ansprechpartner. „Sarada wohnt bei mir“, wandte Sasuke schließlich ein. Sein Blick lag noch immer auf der Gruppe an der Bar, die sich scheinbar zum Aufbruch bereitmachte. Die Menschen verschoben sich und er sah für einen Moment Naruto. Ihre Blicke blieben aneinander hängen, bis eine Frau an Narutos Arm zupfte und er ihr lächelnd das Gesicht zuwandte. Sasuke spürte seine Mundwinkel herabsinken. „In seinem Leben hat mehr als eine Person Platz”, sagte Itachi und langsam reichte es seinem Bruder mit den Kalendersprüchen. „Worauf willst du eigentlich hinaus?“ Itachi versuchte immer, ihm irgendwelche Einsichten zu eröffnen, anstatt einfach Klartext zu reden, und er hatte nicht die Geduld dafür. „Ich glaube nur, dass du dir mal wieder selbst im Weg stehst“, erklärte Itachi, wobei er Sasuke jedoch nicht sonderlich viel klarer vorkam. Vielleicht lag es am Wein. „Du ziehst Grenzen, die nicht sein müssten. Sei ehrlich zu dir selbst. Du bist alt genug, um deine eigenen Regeln zu machen.“ Wenn das so einfach wäre, dachte Sasuke resigniert. Wieder fiel sein Blick auf die Gruppe, die lachend davonzog in irgendeinen Club, natürlich mit Naruto in ihrer Mitte. Als sie weg waren, blieb das Zwischendeck still und beinahe verlassen zurück. Lediglich zwei alte Männer spielten in der Nähe des Pools Schach und eine Autorin, die wegen irgendeines Schmuddelbüchleins berühmt geworden war, tippte in einer stillen Ecke an ihrem nächsten großen Skandal. „Ich sollte auch gehen“, beschloss Sasuke und erhob sich. „Ich fürchte, ich hatte zu viel Wein.“ Itachi tat ihm den Gefallen und nickte nur. Die Brüder verließen die Bar und verabschiedeten sich in den Gängen des Hotels. Sasuke war froh, sich in seine Wohnung zurückziehen zu können – wenn er dort denn alleine gewesen wäre. Zu seiner Schande musste er zugeben, dass er seine Tochter vollkommen vergessen hatte. Eine Sekunde starrte er sie an, wie sie da ganz natürlich auf der Couch saß, auf der sie ihr Bett eingerichtet hatte, bis sie wieder ein eigenes Zimmer hatte. Dann blinzelte er und wandte sich ab, um in die Küche zu gehen. Ein, zwei Liter Wasser sollten seinen Kopf wieder klar bekommen. „Papa?“ Sarada war hinter hm aufgetaucht. Sie hatte das rote Kleid bereits gegen ihren Pyjama voller kleiner, gelber Katzen getauscht. Darin sah sie eher wieder wie das Kind aus, das sie war. Ihr Gesicht dagegen wirkte in seiner Besorgnis reifer. „Alles in Ordnung?“ „Ja.“ „Bist… Du böse, weil ich zu spät war?“ Er blinzelte, denn auch ihre kurze Verspätung hatte er schon wieder vergessen. „Nein.“ Sie sah noch ein wenig unsicher aus, nickte aber. Sasuke schenke ihnen Wasser ein und leerte sein Glas in einem tiefen Zug, bevor er sich nachschenkte. Er sollte es wirklich besser wissen, als seine Probleme mit Alkohol zu ertränken, besonders, nach dem, was im Oto passiert war – was auch immer was war. Menmas Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf. Er trank noch einen Schluck Wasser und musterte seine Tochter. Als sie die Stirn runzelte, fühlte Sasuke sich verpflichtet zu fragen: „Wie geht es dir?“ Sarada ließ ihr Glas sinken, ein wachsamer Ausdruck in den Augen. „Gut?“ Nun, Sasuke konnte wohl nicht erwarten, dass sie sich ihm öffnete, nur, weil er persönliches Interesse an diesem speziellen Thema hatte. So einfach darüber hinwegsehen konnte er aber nicht. „Wirst du dich wieder mit ihm treffen?“ Sarada wurde rot und drehte das Glas zwischen den Fingern. „Ich weiß nicht… Wenn er nochmal fragt? Warum willst du das alles wissen?“ „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, erwiderte Sasuke und bereute seine Worte noch im selben Moment, als ihr Gesicht runterfiel. „Wie kommst du darauf?“, fragte sie mit einer Stimme wie einer Wasserflasche, die man zu lange in den Gefrierschrank gestellt hatte. Sasuke konnte ihr kaum sagen, dass er Menmas Arbeitsplatz für gefährlich hielt, immerhin arbeitete er mit seinem Chef zusammen. Außerdem war da noch dieses spezielle Gefühl, das er mit dem Jungen verband. Selbst wenn er in der vergessenen Nacht mit Orochimaru geschlafen haben sollte, waren sie noch immer zwei Erwachsene. Es war ihre Entscheidung und obwohl Sasuke das nüchtern nicht getan hätte, war er doch selbst verantwortlich. Er hätte nicht so viel trinken müssen. Er war ab und zu ein wenig auf Orochimarus Flirts eingegangen, wenn ihm danach gewesen war. Vielleicht war das wieder passiert. Er hatte an dem Abend schließlich ganz gezielt Naruto aus dem Kopf bekommen wollen. Aber Menma war etwas anderes. Er war 16 – halb so alt wie Sasuke und minderjährig. Er fand ihn hübsch, aber auf eine neutrale Art, auf die man eben feststellte, dass ein Kind hübsch war. So, wie er seine Tochter hübsch fand. Nie wäre ihm etwas anderes in den Sinn gekommen und die bloße Vorstellung ließ ihm übel werden. Außerdem – und er schämte sich, daran überhaupt zu denken – könnte das sein Leben ruinieren. Wenn Menma ihn anzeigte, hätte er absolut keine Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. Eine Strafe wäre absolut richtig, denn es war falsch und ekelhaft, Sex mit einem Minderjährigen zu haben. Er wollte sich das nicht mal vorstellen, aber das unangenehme Gefühl jedes Mal, wenn er den Jungen sah, blieb. Hinzu kam die vage Ahnung, dass Orochimaru alles wusste und ihn absichtlich im Dunkeln ließ. Sasuke wollte nicht mal daran denken, was so ein Skandal für Sarada, Sakura und seine Familie bedeutet hätte. „Ich denke, dass er nicht zu dir passt“, floss all das in die falschen Worte. Das Eis in Saradas Augen sprengte endlich seine Fassung als sie fauchte: „Woher willst du das wissen? Du kennst mich kaum! Und Menma kennst du auch nicht. Falls es dich interessiert, er ist höflich und reif und immer bedacht in dem, was er sagt. Keine Ahnung, was dein Problem mit ihm ist, aber es geht dich auch nichts an.“ Er ließ sich den schmerzhaften Stich nicht anmerken, den diese Worte ihm versetzten. Kurz sah er zur Seite, auf die graue Granitplatte über seinen schwarzen Küchenschubladen. Darauf waren einige Flecken und Fingerabdrücke. Das kam öfter vor, seit Sarada hier lebte. Dann richtete er den Blick wieder auf sein Kind. Unter der Wut in ihren Augen flimmerte etwas, aber sie war nicht bereit, so leicht kleinbeizugeben. Sie war Sakura so ähnlich. „Du bist meine Tochter“, war alles, was er schließlich sagte. „Das hat dich früher auch nicht interessiert“, schnauzte sie ihn an und als könne sie nicht aufhören, fuhr sie fort: „Nur, weil du dein Liebesleben in den Sand setzt, musst du jetzt nicht durchdrehen, nur weil ich… also… e-einen Jungen treffe.“ Ihre flammende Gesichtsfarbe nahm den Worten nur wenig Schärfe. Sasuke war versucht, zu protestieren, dass das alles nichts mit Naruto zu tun hatte, verkniff es sich aber. Er würde sich jetzt nicht selbst zum Gesprächsthema machen. „Es geht nicht um einen Jungen, sondern um diesen Jungen.“ „Wer’s glaubt.“ Sarada knallte das Glas auf den Tresen, verkündete: „Ich schlafe bei Onkel Itachi“, und stapfte davon. Sasuke hielt sie nicht auf. Seufzend trank er sein Wasser und wünschte, es wäre etwas Stärkeres. Er fragte sich, ob es mit einem Jungen leichter gewesen wäre. Doch wenn er so an Boruto dachte, bezweifelte er das. You know I’d rather be alone But you’re fermented in my bones Kapitel 13: Birthday Boy ------------------------ I spend a long time Watering a plant made out of plastic And I cursed the ground for growing green. I spend a long time substituting honest with sarcastic And I cursed my tongue for being mean. Der nächste Tag zog nicht wirklich vielversprechender herauf als der letzte geendet hatte. Außerdem hatte Sasuke einen leichten Kater – schon wieder. Er würde es wohl nicht mehr lernen. Trotzdem zwang Sasuke sich dazu, mit seinen Eltern zu frühstücken. Itachi kam später alleine an den Frühstückstisch. Sasuke meinte, seinen abschätzenden Blick auf sich zu spüren. Er sagte sich, dass das Quatsch war, aber so richtig glaubte er sich selbst nicht. „Wo ist Sarada?“, fragte Mikoto, als keiner ihrer Söhne ihre Enkelin bei sich hatte. „Sie schläft noch“, erklärte Itachi. „Wenn ihr das zu oft durchgehen lasst, wird sie faul“, warnte Fugaku, der den Blickaustausch zwischen Itachi und Sasuke nicht bemerkt zu haben schien. „Ach, jetzt fang nicht bei ihr auch noch so an“, tadelte Mikoto und legte die Hand auf den Arm ihres Mannes. „Sie ist 13 und hat Ferien. Lass sie die Zeit genießen.“ Sasuke fragte sich, ob sie das je gesagt hatte, als er noch ein Kind war. Daran erinnern konnte er sich nicht. Die strengen Lektionen seines Vaters dagegen hatte er noch deutlich vor Augen, all die Nachmittage in seinem Zimmer mit seinen Schulbüchern, die zusätzlichen Stunden in Klassenräumen, und an das Gefühl, doch nie gut genug zu sein, weil Itachi jede Leistung schon vor ihm und besser erbracht hatte. Er trank sich den bitteren Geschmack mit schwarzem Kaffee von der Zunge. Fugaku gab nach und das Gespräch wandte sich anderen Themen zu. Sarada musste später alleine frühstücken, denn als ihre Familie nach einer Weile aufstand, war sie noch nicht da. Sasuke spielte mit dem Gedanken, sie aufzusuchen. Seine Eltern und Itachi waren in die Stadt aufgebrochen, sodass er alleine am Treppenabsatz stand, der ihn zum Zimmer seines Bruders – dem Versteck seiner Tochter – bringen würde. Doch dann wandte er sich ab und vergrub sich in seiner Arbeit. Oder er versuchte es zumindest, denn der Gedanke an Sarada trieb immer wieder an die Oberfläche. Dass er angetrunken gewesen war, spielte keine Rolle. Sie hatte ihr erstes Rendezvous gehabt und er hatte es in seiner weinseligen Redsamkeit kaputtmachen müssen. Er hätte seine Sorgen nicht auf sie projizieren dürfen. Es gab keinen Grund, dem Jungen etwas zu unterstellen. Insbesondere, da der Fehler bei Sasuke lag – wenn denn überhaupt etwas passiert war. Sonst war es bereits Nachmittag, wenn er sich zum ersten Mal vom Bildschirm losreißen konnte, aber heute war es nicht mal Mittag, als er aufgab. Er rieb sich die Augen und beschloss, dass er eine Pause brauchte. Auf dem Weg durch sein Hotel fühlte er sich wie ein Gespenst. Er wollte mit jemandem sprechen, konnte sich aber nicht dazu durchringen, zu seiner Familie zu gehen. Itachi würde in Rätseln sprechen und seine Mutter würde ihn traurig ansehen und indirekte Vorwürfe machen und sein Vater wäre weniger subtil und würde wieder damit anfangen, dass er es nochmal mit Sakura versuchen sollte. Er blieb in einem Flur stehen, dessen Fenster zum Innenhof hinausführten. Einige Leute lagen am Pool, aber einen blonden Haarschopf konnte er nicht entdecken. Seine Hand steckte schon eine Weile abwartend in seiner Hosentasche, als er schließlich die Augen über sich selbst verdrehte und er das Handy hervorzog. Eine Sekunde später hörte er Narutos strahlendes Lächeln durch den Hörer fluten. „Hey!“ „Hast du schon gegessen?“, kam Sasuke direkt auf den Punkt. „Freundlich wie immer“, motzte Naruto, stimmte aber trotzdem zu, sich mit Sasuke zu treffen. Er wollte unbedingt wieder in diesen Nudelsuppenladen und sein Chef stimmte gleichgültig zu. Kaum eine halbe Stunde später saßen sie in dem Lokal, in dem Naruto begrüßt wurde wie ein alter Freund. Naruto hatte draußen sitzen wollen, aber Sasuke war es zu heiß und schließlich bekamen sie einen Platz an den bodentiefen Fenstern zur Straße hin. Sasuke beobachtete, wie der Animateur mit der Tochter des Besitzers spaßte, bevor sie endlich ihre Bestellung aufgeben konnten. Naruto grinste noch, als er sich Sasuke zuwandte. Als er dessen Blick begegnete, zog er die Brauen hoch. „Was?“ „Nichts.“ Sasuke lehnte sich auf der Bank zurück und sah aus dem Fenster auf die hitzeflimmernde Straße davor. Das war eine blöde Idee gewesen. Er hatte gar nicht mehr privat mit Naruto verkehren wollen und jetzt hatte er ihn wegen Problemen mit seiner Tochter angerufen. Egal, wie gut Naruto sich mit Sarada verstand, das war dämlich. Er hatte nicht mal eigene Kinder. Wie sollte er ihm helfen? „Bist du eifersüchtig?“ Der neckende Ton in Narutos Stimme zog Sasukes Blick wieder an sich. Als sein Chef schnaubend die Augen verdrehte, lachte der Animateur. Unter dem Tisch schob er die Füße vor, bis sie die von Sasuke berührten. Spielfreude glitzerte in seinen Augen. „Bauchste nich. Ich halt mich an unsere Abmachung.” Sasuke blinzelte. Daran hatte er schon gar nicht mehr gedacht. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass Naruto fremdgehen könnte – wenn man das bei ihrem Arrangement überhaupt so nennen könnte. Der Animateur wirkte viel zu ehrlich für einen Seitensprung. Sasuke wusste nicht, was er von dieser Bestätigung halten sollte. Wollte Naruto ihn nur aufziehen oder hielt er ihn für so misstrauisch? Oder hatte er doch etwas getan und überkompensierte das durch eine Lüge? „Denk nich so viel. Du kriegst nur Kopfweh“, warnte Naruto und tippte gegen Sasukes gerunzelte Stirn. „Schließ nicht von dir auf andere“, schoss Sasuke zurück und schob die Hand beiseite. Naruto plusterte empört die Wangen auf und eine Weile kabbelten sie sich spielerisch. Als Ayame ihre Getränke brachte, hatte Sasuke sich entspannt und als das Essen kam, wünschte er sich bereits nach Hause – mit Naruto. „Also?“, fragte dieser, als sie später das Lokal verließen. Er hatte Sasuke überzeugt, seine übergroße Portion Nudelsuppe zu bezahlen und sah sehr zufrieden aus, wie er sich in der Sonne streckte. Dabei blitzte sein gebräunter Bauch unter dem orangen Tanktop hervor. Was unter dem Stoff lag, war eindeutig schöner als das Shirt. Blaue Augen blitzten Sasuke frech an, als haben sie seine Gedanken gelesen. „Worüber wolltest du mit mir reden?“ Sofort war jeder Muskel in Sasukes Körper wieder angespannt. Er ging los, vage in Richtung des Hotels. Am Ende kamen sie aber am Meer raus und schlenderten die Promenade entlang. Hier gab es einige Konkurrenz für Sasuke, deren Fassaden er musterte, als habe er sie noch nie gesehen. Überraschend ließ Naruto ihm die Zeit, obwohl Sasuke die Ungeduld in seinem Gesicht sehen konnte, das sich in den Glasflächen der Geschäfte spiegelte. „Es geht um Sarada”, gestand er schließlich ein. „Oh, wegen dem Date?“, erkannte Naruto erstaunlich scharfsinnig. Als Sasuke nickte, wackelte er dümmlich grinsend mit den Augenbrauen. „Eifersüchtig?“ Sasuke verdrehte die Augen und nahm sich einen Moment, um über seine Worte nachzudenken. Während Naruto ihm die Ruhe ließ, kamen sie bei der Straße an, die zum Sensu führte. Sasuke war überrascht, den Weg zu sehen. Etwas in ihm wollte weitergehen, weiter mit Naruto reden. Doch die Vernunft siegte, sodass sie den sanft ansteigenden Weg erklommen. „Vielleicht ist Eifersucht ein Teil davon“, fing Sasuke wieder an. Er hatte Sarada sechs Jahre nicht gesehen und jetzt erst seit einigen Wochen bei sich. Sie mit einem Jungen zu teilen, war schwer. Aber natürlich war es nicht ihre Schuld, dass sie nicht mehr Zeit gehabt hatten. Er schuldete Sarada den Freiraum, den er sich selbst genommen hatte. Es war unangenehm, darüber nachzudenken. Vermutlich hätte er diese Überlegungen jetzt unter einem Berg Arbeit begraben, hätte Naruto nicht gedrängt: „Und weiter? Das ist doch noch nich alles!“ „Es geht mehr um das Oto“, sagte Sasuke, der die Halbwahrheit auf der Zunge zu schmecken meinte wie ein Stück Kohle. Aber es war ein Anfang. Ein Anfang war gut. Wenn Narutos fragender Blick jetzt nur nicht um die Fortsetzung gebeten hätte. „Orochimaru ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Unsere Zusammenarbeit ist bisher gut verlaufen. Aber ich halte seine Methoden für fragwürdig.“ Naruto runzelte die Stirn. „Aber was hat das mit Sarada zu tun? Sie geht doch nicht mit dem Alten aus.“ „Aber mit seinem Angestellten.“ „Und?“, zuckte Naruto die Schultern. „Man kann nich vom Chef auf den Arbeiter schließen. Ich hab auch keinen Stock im Arsch, nur, weil ich für dich arbeite.“ Er lachte über seinen eigenen Kommentar, während Sasuke die Augen verdrehte. „Er ist 16.“ „Boruto auch.“ Er hielt an, als Sasuke stehenblieb, um eine Zigarette anzuzünden. Stirnrunzelnd musterte er seinen Chef, bevor er sagte: „Du solltest deine Meinung zu Orochimaru nich auf den Jungen projizieren. Er is nich sein Boss, und was ich auf der Party mitbekommen hab, is er ein fleißiger Junge.“ „Er könnte Sarda trotzdem verletzen.“ „Und?“, fragte Naruto und grinste, als Sasuke die Stirn runzelte. Seine Augen schienen in der Mittagssonne zu leuchten, die die schmale Gasse flutete. „Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Sie wird selbst ein paar Herzen brechen. Das kannste nich verhindern.“ Sasuke wusste nicht, was er mit der Antwort anfangen sollte. Wie Naruto das sagte, klang es so normal. Als wäre es selbstverständlich, die Verliebtheit eines Mädchens auszunutzen, um seine eigenen Geheimnisse zu verbergen. Als wäre er kein Abschaum für die Fehler, die er als Teenager begangen hatte. „Es wäre ein trauriges Schicksal, wenn wir dazu verdammt wären, denjenigen wehzutun, die wir an uns heranlassen“, sagte er schließlich langsam. „Die Alternative is, niemanden ranzulassen“, zuckte Naruto die Schultern. „Und es is schöner, andere um sich zu haben, als allein zu sein. Selbst, wenn’s manchmal wehtut.“ Sasuke dachte an seine Familie und die anstrengende Woche, die hinter ihm lag, und sein erster Impuls war es, Naruto zu wiedersprechen. Er war gerne alleine. Er brauchte das, um Kraft zu tanken und zu atmen. Seit sie hier waren, stahl er sich kleine Momente alleine, sei es in seinem Büro oder der Wohnung. Aber dann fragte er sich, wie viel davon der Tatsache geschuldet war, dass er nie ehrlich zu ihnen sein konnte. Er zeigte ihnen nur, was sie sehen wollten. Mit Sarada war es anders. Roher. Offener. Aber auch näher. Als er keine Antwort bekam, schmollte Naruto. „Hey, ich geb dir hier grad super Tipps. Sonst würdest du ein Vermögen für einen Psychiater ausgeben, Mann!“ „Jaja“, sagte Sasuke und drückte die Zigarette an einem nahegelegenen Aschenbecher aus. Naruto beschwerte sich, doch Sasuke beachtete das Gemecker nicht weiter. „Gehen wir rein.“ In der Hotelhalle saßen noch ein paar Gäste, die telefonierten oder sich unterhielten. Sasuke sah, wie der Rezeptionist hastig das Handy wegsteckte, als er seinen Chef bemerkte, doch er ignorierte es. Es war Nachmittag, die meisten Gäste dürften Siesta halten. Sollte er doch Candy Crush spielen, oder was man zur Zeit so tat, wenn man Langeweile hatte. Sasuke kannte dieses Problem nicht. Die Männer stiegen die Treppe hoch und Naruto scherzte, dass Sasuke noch mit zu ihm kommen sollte. Sein Chef ertappte sich bei dem Wunsch, ihm nachzugeben. Aber eigentlich war es schon mehr, als er hatte tun wollen, dass sie ihre Mittagspause zusammen verbracht hatten. Das schlechte Gewissen hob seinen hässlichen Kopf in ihm. Er sollte nicht mit Naruto spielen. Dafür meinte der es viel zu ernst mit ihnen. Sich das einzugestehen, war nicht leicht gewesen, musste Sasuke zugeben. Es war so bequem gewesen, Naruto als Spielkind abzutun, das nur Sex im Sinn hatte. Die Wahrheit war jedoch, dass Sasuke derjenige gewesen war, der ihre Beziehung auf das Körperliche reduziert hatte. Nicht, dass es ihm sonderlich gut gelungen wäre, wie schon ihr heutiger Ausflug zeigte. „Hey.“ Narutos besorgte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er strich Sasuke eine Strähne aus den Augen. „Alles klar?“ Als Sasuke nur nickte, runzelte Naruto die Stirn und rieb sich den Nacken. „Noch wegen Sarada? Haste eigentlich schon mal mit ihrer Mama darüber gequatscht?“ Sasuke öffnete den Mund, doch die Wucht dieser einfachen Frage brachte ihn zum Schweigen. Sakura. Wie hatte er nicht an die Frau denken können, die Sarada geboren und großgezogen hatte? Er wollte gar nicht wissen, wie dämlich er gerade aussah. Als ihm klar wurde, dass Sasuke das noch nicht getan hatte, es ihm noch nicht mal in den Sinn gekommen war, brach Naruto in schallendes Gelächter aus. Mitfühlend, aber amüsiert klopfte er seinem Liebhaber auf die Schulter. „Ich schätze, ich kann mich geschmeichelt fühlen, dass du zuerst an mich denkst, aber ich glaub, deine Ex wüsste da mehr Rat“, grinste er selbstzufrieden. „Ja…“ Sasuke zögerte, bevor er sich ein kleines Lächeln erlaubte. „Danke, Naruto.“ Narutos Grinsen wurde breit und verlegen. Er versuchte, seine roten Wangen hinter der Hand zu verbergen, als er sich an der Nase kratzte. Sasukes Herz stolperte bei dem Anblick. Er wollte diese Hand wegziehen und Naruto küssen, flüchtete aber davor, indem er sich verabschiedete und ging. Genug Arbeit war sicher liegengeblieben. Er zog sich in sein Büro zurück, wo er eine Weile arbeitete. Erneut schluckte der Computerbildschirm sein Zeitgefühl, denn als er auf die Uhr blickte, hatte er nicht erwartet, dass es schon nach sechs wäre. Müde rieb er die Augen und schaltete den Rechner aus. Erst jetzt erlaubte er sich, wieder an sein Gespräch mit Naruto zu denken. Sakura… Er war echt bescheuert. Er zog das Handy hervor und suchte den Chat mit Sakura auf WhatsApp. Sie hatte gefragt, ob sie Sarada neue Klamotten schicken solle. Er hatte geantwortet, seine Mutter habe für sie eingekauft. Seine Ex ließ schön grüßen. Das war alles. Er klickte auf ihr Profilbild. Darauf lächelte sie aus einem Blumenfeld in die Kamera. Das 17-jährige Mädchen von damals kam ihm in den Sinn, mit ihren unschuldig leuchtenden Augen und dem Herzgesicht. Ihre Tochter würde in ein paar Jahren genauso aussehen, und mit 30 würde sie der heutigen Sakura ähneln. Er würde Zeit und Trauer Falten in ihr Gesicht graben sehen. Vermutlich würde er selbst so einige hinzufügen, wenn er so weitermachte. Sein Blick fiel auf die Uhr und er schob das Handy unverrichteter Dinge weg. Er musste zum Abendessen mit seiner Familie. Sakura würde er später anrufen. Natürlich hatte er seine Ex nicht angerufen. Er hatte es sich nach dem Abendessen überlegt, aber dann zu einem lang ignorierten Buch auf seinem Nachttisch gegriffen. Es war schon zu spät für Anrufe. Das Buch lag aufgeschlagen neben ihm, als er am nächsten Morgen aufwachte. Es war nicht der Wecker, sondern der Klingelton seines Handys, der ihn weckte. „Sakura…?“, fragte er verschlafen, als abnahm. „Sir, entschuldigen Sie, dass ich Sie wecke.“ Seine Empfangsdame klang unsicher, ob wegen des falschen Namens oder dem Grund für ihren Anruf konnte er nicht sagen. Der Ton genügte, um Sasuke gerade im Bett sitzen zu lassen. „Hier sind zwei Polizisten, die Sie sprechen wollen.“ „Ich komme.“ Sasuke rieb sich die Augen und stieg aus dem Bett. Hätte seine Angestellte nicht darunter leiden müssen, hätte er jetzt erstmal eine ausgiebige Dusche genommen. So wählte er rasch schlichte schwarze Anzughosen und ein weißes Hemd, bevor er sich auf den Weg nach unten machte. Seine Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach einem Grund für das Auftauchen der Polizei. Sie waren nicht hier gewesen, seit dieser Rapper verhaftet worden war. Das Gespräch damals war nicht sonderlich erbaulich gewesen und seine Lust, es fortzusetzen, hielt sich in Grenzen. Dennoch erlöste er die sichtlich nervöse Empfangsdame, indem er den Beamten die Hände schüttelte und sie in sein Büro einlud. Er bat seine Angestellte, Kaffee hochbringen zu lassen, dann führte er die Polizisten weg. Sie hatten sich kaum gesetzt, als ihr Gastgeber bereits nach dem Grund ihres Besuches fragte. „Sind Ihnen ungewöhnliche Vorkommnisse in Ihrem Haus aufgefallen, Herr Uchiha?“, fragte der Mann, mit dem er beim letzten Mal schon gesprochen hatte. Seine Begleiterin dagegen war neu, eine dunkelhaarige Frau, deren kurzer Zopf von ihrem Hinterkopf abstand. Sie war größer und jünger als ihr Partner und ihre Augen wirkten groß vor Neugierde. Lange war sie wohl noch nicht im Job. Sasuke wandte sich ihrem Kollegen zu. „Stellen Sie Ihre Fragen direkter.“ Aus dem Augenwinkel sah er, wie die Mundwinkel der jungen Frau zuckten. Ihr Kollege dagegen schien nicht begeistert. Für den Moment kam er um die Antwort herum, als es an der Tür klopfte und Hinata Kaffee hereinbrachte. Sie sah Sasuke besorgt an, als sie den Beamten den Rücken zugewandt seine Tasse abstellte, doch er nickte ihr nur bestätigend zu. Sie lächelte schüchtern und verließ das Zimmer. „Was wissen Sie über Tayuya Shu?“, führte der Polizist das Gespräch fort, als hätte es die Unterbrechung nicht gegeben. „Ich habe diesen Namen noch nie gehört.“ „Tatsächlich.“ Der Beamte kramte Fotos aus der Jackentasche, auf denen eine Frau in Sasukes Alter zu sehen war. Sie hatte blassrotes Haar und schien auf jedem der zehn, fünfzehn Bilder mit jemandem zu streiten. Sie trug auf fast jedem ein anderes Outfit, was darauf schließen ließ, dass sie an verschiedenen Tagen abgelichtet worden war. Sasukes Kiefer verkrampfte sich, als er erkannte, wo sie sich auf den Bildern befand. „Sie ist Stammkundin im Club Ihres Geschäftspartners“, bestätigte der ältere Beamte, was Sasuke bereits geahnt hatte. „Das sind viele Menschen. Es ist ein beliebtes Lokal“, ignorierte Sasuke das flaue Gefühl in seiner Magengegend. „Würde mich nicht wundern, wo es ein Umschlagplatz für Drogen ist“, meldete sich jetzt die Polizistin zu Wort. Sie schien unberührt von dem mahnenden Blick ihres Kollegen. „Wir haben Frau Shu gestern verhaftet. Sie weigert sich, eine Aussage zu machen. Aber unsere Spuren zeigen, dass sie in letzter Zeit hier in der Gegend war.“ Sasuke nippte an seinem Kaffee, bevor er antwortete. „Sie ist nicht das Klientel meines Hauses.“ „Wohl nicht“, stimmte der Alte zu. „Aber offenbar das Ihres Geschäftspartners.“ „Warum sprechen Sie nicht mit Orochimaru? Nachdem Sie seine Gäste fotografieren, gehe ich davon aus, dass Sie die Adresse kennen.“ „Nun, das Problem ist, dass wir, wenn wir dort etwas finden, auch Sie durchleuchten müssen.“ Die junge Polizistin sah ihn aus wachen, braunen Augen an und plötzlich bezweifelte er, dass darin jugendliche Naivität leuchtete. „Wenn Sie uns bei den Ermittlungen helfen, wäre das etwas anderes. Sasuke schätzte Erpressungsversuche nicht sonderlich. Er erwog es überhaupt nur zu antworten, weil seine Familie von möglichen Folgen betroffen wäre. „Ich kenne diese Frau nicht“, erwiderte er schließlich schlicht. „Ich weiß nicht, wieso Sie sie suchen.“ Die Beamten warfen sich Blicke zu und der Alte seufzte genervt. „Erinnern Sie sich an den Rapper ‚Killer B‘, der vor einer Weile wegen Drogenbesitzes hier festgenommen wurde?“ Sasuke nickte. Als wäre es alltäglich, dass jemand in seinem Hotel verhaftet wurde… „Nun, wir haben seine Verbindung zu Tayuya zurückverfolgen können. Wir wissen, dass sie einer Gruppe von Dealern angehört, die in der Stadt unterwegs ist. Er scheint auch Kontakte außerhalb von Konoha zu haben, die wir momentan untersuchen.“ „Es scheint auffällig, dass beide Personen mit dem Sensu und dem Otogakure in Verbindung gebracht werden können“, führte die Polizistin aus. „Der Rapper auch?“ „Er hatte ein paar Konzerte im Oto und sollte bald wieder auftreten.“ „Verstehe.“ Sasuke leerte seinen Kaffee und dachte nach. Ihm gefiel das nicht. Er würde mit Orochimaru reden müssen, was er seit jener Nacht und dem Theaterbesuch vermieden hatte. Doch jetzt ging es um Sarada und den Rest seiner Familie. Wie auf ein Stichwort klopfte es an der Tür und seine Tochter steckte den Kopf herein. Sie hatte ihm noch nicht verziehen, doch ihre mürrische Fassade bröckelte von ihrem Gesicht, als sie die Beamten sah. „Einen Moment, Sarada“, bat Sasuke, doch die Frau erhob sich lächelnd. „Nicht doch. Wir haben Sie lange genug aufgehalten. Wenn Ihnen doch etwas einfallen sollte, melden Sie sich bei uns.“ Sasuke nahm ihre Karte und sah ihnen nach. Sarada trat einen Schritt zur Seite, um sie rauszulassen, bevor sie ihren Vater musterte. „Die Polizei?“ „Ja. Wie kann ich dir helfen?“ Sie schürzte die Lippen und verschränkte die Arme. „Oma sagt, ich soll dich zum Frühstück holen.“ „Ich komme gleich.“ „Sie sagt, du sollst jetzt kommen“, erwiderte Sarada und funkelte ihn auf eine endgültige Art an, die sie von ihrem Großvater abgeschaut haben musste. Sasukes Mundwinkel zuckte amüsiert, doch er erhob sich. Schnaubend wandte seine Tochter sich ab und lief voraus. Während er das Büro absperrte, wartete Sarada am Treppenabsatz, sodass sie gemeinsam runtergehen konnte. Sasuke erkannte das durchaus als die Gesprächsaufforderung, die es war. Immerhin hätte sie ihm auch auf WhatsApp schreiben können. Allerdings war er nicht sicher, was er sagen sollte. Er wollte es nicht noch schlimmer machen. Jetzt wünschte er, er hätte Sakura angerufen, als er die Gelegenheit gehabt hatte. „Wegen unseres Gesprächs“, fing er schließlich an. Sarada lief plötzlich merklich aufrechter, doch ihre Stimme blieb beherrscht. „Ja?“ „Ich wollte dich nicht verletzen“, sprach Sasuke die erste Wahrheit aus, die ihm auf die Zunge spülte. „Es ist nur schwer, dich plötzlich mit einem Jungen ausgehen zu sehen.“ „Ich bin kein Baby mehr.“ „Nein, aber du bist meine Tochter, und ich werde mich immer um dich sorgen.“ Ihre Augen wurden groß und mit der Röte auf den Wangen sah sie Sakura mal wieder zum Verwechseln ähnlich. Er fragte sich wirklich, wie Leute darauf kamen, Sarada sähe wie er aus. „Es gab aber keinen Grund dazu“, erwiderte das Mädchen, sich das Haar hinters Ohr streichend. „Menma ist wirklich nett. Er interessiert sich für mich und meine Pläne für die Zukunft. Man kann echt gut mit ihm reden.“ Inzwischen waren sie in dem Flur vor dem Speisesaal. Sasuke blieb stehen und wandte sich seinem Sprössling zu. Er wollte das klären, bevor sie sich ihrer Familie anschlossen. Noch ein Essen unter den vorwurfsvollen Blicken von Mutter und Bruder brauchte er nicht. „Ich möchte nicht mit dir streiten, solange du hier bist. Ich wollte dich nicht verletzen. Können wir die Sache vergessen?“ Saradas Augen glänzten hinter der Brille, aber sie blinzelte es rasch weg. „Ich habe auch überreagiert. Es war nur so ein schöner Abend und ich wollte ihn nicht hinterfragen.“ „Und ich wollte ihn dir nicht verderben“, erwiderte Sasuke und legte einen Arm um sie. Als sie sich anspannte, dachte er, er wäre zu weit gegangen. Aber dann legte sie die Arme um ihn und kuschelte sich an. Er lächelte und drückte sie an sich, erleichterter, als er selbst erwartet hatte. Mit ihr zu streiten, zehrte an seinen Nerven. „Okay. Lass uns reingehen, ich habe Hunger“, sagte Sarada, als sie sich löste. Sie nahm seine Hand, um ihn in den Speisesaal zu ziehen. „Er ist da!“, rief irgendjemand, bevor Sasuke irgendetwas wahrnehmen konnte – und dann sang der ganze Saal plötzlich ‚Happy Birthday“. Perplex sah er zu seiner Tochter, die leicht verlegen lächelte. „Alles Gute zum Geburtstag, Papa“, sagte sie und stieg in den Gesang mit ein. Sie war also der Lockvogel gewesen, das verschlagene kleine Ding. Seine Mundwinkel krochen nach oben und er wuschelte ihr durch die Haare. Dann besah er sich die Singenden. Die meisten waren Hotelgangestellte, die klatschten, als das Lied vorbei war, sich dann aber ihrem Frühstück zuwandten. An einem speziell dekorierten Tisch an den bodentiefen Fenstern zum Meer war jedoch seine Familie versammelt. Und zwischen seinen Eltern stand Sakura. Sie trug ein rotes Wickelkleid, Sandalen, große Armbänder und sah wirklich hübsch aus. Perplex folgte er Sarada zu der Gruppe. Seine Mutter war die Erste, die ihn küsste und umarmte, gefolgt von einem Händedruck seines Vaters. Itachi drückte ihn kurz, dann stand er vor dem pinken Elefanten im Raum. „Hallo, Sasuke“, sagte sie leicht errötend. „Alles Gute zum Geburtstag.“ „Ja… Danke.“ „Ich dachte, es wäre eine schöne Idee, zusammen zu feiern, wo Sarada jetzt hier ist“, erklärte Mikoto und lotste alle auf ihre Plätze. Als sie Sasuke seinen Stuhl wies, erklärte sie halblaut: „Ich hatte Naruto eingeladen, aber er sagte, er habe keine Zeit.“ Plötzlich war Sasuke froh um den Stuhl unter ihm. „Naruto?“ „Ja. Der Blonde mit dem hübschen Lächeln. Du hast ihn bestimmt schon gesehen“, neckte sie und stupste ihm sacht gegen die Nase. Dann setzte sie sich selbst. „Auf Sasuke!“, sagte sie und alle hoben ihre Sekt- oder Orangensaftgläser, um anzustoßen. Sasuke nahm einen tiefen Schluck, der die anderen zum Lachen brachte. Er fand das jedoch weniger amüsant. Wie kam es, dass seine Mutter Naruto so beiläufig erwähnte? Wieso sollte sie glauben, dass er auf einer Familienfeier sein sollte? Zum Glück war der Animateur so klug, die Einladung abzulehnen. Nicht auszudenken, wenn er hier neben Sakura sitzen sollte. Sie war zu seiner Rechten, Sarada zu seiner Linken platziert worden. Merklich verlegen strich seine Ex einige Strähnen aus den Augen, als Mikoto einen freundlichen Kommentar zu ihrer Frisur machte. Sakura trug ihr Haar jetzt kürzer und es stand ihr gut. Sagen tat er das allerdings nichts. Er hatte jenes unangenehme Gespräch noch nicht vergessen, das er mit seinem Vater über sie geführt hatte. Sie bestellten ihr Frühstück, dann klatschte Mikoto in die Hände. „Du solltest deine Geschenke auspacken, Liebling.“ Seine Eltern hatten ihm eine teure Sonnenbrille mit Sehstärke gekauft. Fast war er überrascht, wie gut sie ihm gefiel. Andererseits war seine Mutter schon immer modebewusst gewesen. Mit Itachis Geschenk hatte er nicht gerechnet. Es handelte sich um einen Kurzurlaub für zwei in einem Skigebiet. „Du musst nicht mit mir fahren“, meinte sein Bruder und sein Blick schien Sasuke etwas sagen zu wollen, das er geflissentlich ignorierte. Ihre Getränke kamen und zusätzlich zu seinem schwarzen Kaffee erhielt Sasuke das Geschenk seiner Ex. Eine Flasche seines liebsten Weins. „Ich hoffe, du magst ihn noch“, sagte sie mit leicht roten Wangen. Er spürte Saradas Blick auf seinem Gesicht, als er ihrer Mutter zunickte. „Danke, Sakura.“ Sein ernsthafter Ton ließ sie blinzeln und verlegen glucksen. „Es ist nur Wein!“, lachte sie, aber er war sicher, dass sie wusste, was er meinte. „Also…. Ich habe nichts so Tolles“, fing Sarda an und griff nach einem blau verpackten Geschenk. „Wenn du es schon hast oder ein anderes willst, kannst du es zurückgeben.“ Sakura fasste um Sasuke, um die Hand auf die Schulter ihrer Tochter zu legen. Während sich das Mädchen beruhigte, packte ihr Vater den nächsten Teil der Krimi-Serie aus, dessen Vorgänger er auf seinem Nachttisch liegen hatte, seit das Mädchen hier wohnte. Unwillkürlich musste er lachen. „Jetzt habe ich einen Anreiz, den zweiten Teil endlich fertig zu lesen“, sagte er, woraufhin sie grinste. Er stippste ihr gegen die Stirn und bedankte sich, froh, dass sie sich vorhin ausgesprochen hatten. Er spürte einen Blick auf sich und sah zu Sakura, die die Szene beobachtete. Als ihre Augen sich trafen, sah er all die Male vor sich, als sie alleine mit Sarada zum Spielen und zu Schulaufführungen und Geburtstagen und zum Spielplatz und zum Kindergarten und zu ihren Freunden und sogar zu seinen Eltern gegangen war. Er sah, wie sie alles trug, weil sie geglaubt hatte, er würde ihr irgendwann die Hand reichen. Weil sie nie so sehr etwas gewollt hatte wie ihn. Und er sah sich selbst, der sich einredete, ihr mit dieser Ehe ihre Wünsche erfüllt zu haben, wie er die Augen davor verschloss, dass er sie mit einem kalten Ring und einem leeren Haus verheiratet hatte. Er hatte es nicht verdient, ihre Tochter im Arm zu halten, der zuliebe sie das ertragen hatte. Doch als Sakura lächelte, war keine Bitterkeit in ihren Augen. Sie war stark, das hatte er immer gewusst, doch das Ausmaß ihrer Kraft erstaunte ihn stets aufs Neue. Mikoto plauderte inzwischen über die Pläne des Abends. Sie hatte Konzertkarten für die ganze Familie besorgt und davor würden sie essen gehen. Am liebsten hätte sie den ganzen Tag verplant, doch hatte ihr Mann sie abgehalten. So konnte Sasuke nach dem Frühstück zur Arbeit aufbrechen. Sakura und Sarada machten sich gemeinsam auf den Weg. Sie wollten an den Strand. Sasuke sah ihnen nach, als sie lachend in den Fluren des Hotels verschwanden. Er war froh, dass sie ihren Streit beigelegt hatten, obwohl er es diesem verdankte, seiner Tochter jetzt näher zu sein. Der Tag kam ihm jetzt schon ewig vor. Zu gerne hätte er sich in seiner Arbeit versenkt, doch alle paar Minuten klopften Gratulanten an der Tür. Schließlich brach er die Zelte ab, um sich für den Abend bereit zu machen. Sakura trug ein rotes Kleid mit Beinschlitz, als sie am Abend zu Sasukes Familie stieß. Ihm fielen die Blicke der Männer auf, die ihr durch die Lobby folgten, als sie zu ihnen eilte. Ein zarter Blumenduft flog mit ihrer Entschuldigung für die Unpünktlichkeit herüber. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Überraschenderweise war es Fugaku, der dafür sorgte, dass Sasuke beim Essen und später beim Konzert neben seiner Ex saß. Sie betrieb höflichen Smalltalk, aber er spürte, dass sie nervös war. Sasuke hatte fast vergessen, dass sie das früher in seiner Gegenwart ständig gewesen war. Sie hatte dann immer so viel wie möglich geplappert, um die Stille zu vertreiben. Offenbar hatte sie diese Angewohnheit beibehalten. Jetzt, wo er nicht mehr für ihr Wohlbehagen verantwortlich war, konnte er es mit einem gewissen Amüsement hinnehmen. Besonders, da Sarada ihre Mutter regelmäßig dafür schalt, zu viel zu reden. „Kann man in Konoha eigentlich immer noch so gut tanzen gehen wie früher?“, fragte Sakura, als die Familie nach dem Konzert noch einen Wein an der Bar des Theaters trank. „Die Stadt ist für ihre Partymeile bekannt“, erinnerte Sasuke sie. „Wieso?“ Sie zuckte die Schultern. „Ich hätte Lust, mal wieder ein bisschen abzuzappeln.“ „Mama, du bist peinlich!“, beschwerte Sarada sich. Ihre Eltern warfen sich über ihren Kopf hinweg belustigte Blicke zu. „Ich kann dir ein paar Clubs empfehlen, wenn du möchtest“, bot Sasuke an. „Du solltest Sakura begleiten“, fand Fugaku. Seine Frau war begeistert. „Das ist eine wundervolle Idee, mein Lieber. Wir bringen Sarada heim und ihr drei macht ein bisschen die Stadt unsicher.“ „Bitte?“, fragte der sichtlich perplexe Itachi. Sasuke schmunzelte, stellte aber fest, dass er trotz der Spontanität der Idee tatsächlich Lust darauf hatte. So half er Mikoto, ihren ältesten Sohn zum Mitkommen zu überreden. Sie verabschiedeten sich vor dem Theater und machten sich zu dritt auf den Weg zur Partymeile. Sasuke machte einen großen Bogen um das Oto. Es mangelte nicht an Auswahl, sie mussten daraus keinen Geschäftstermin machen. Außerdem wollte er seine Familie von Orochimaru fernhalten, noch mehr seit dem Gespräch mit den Polizisten heute Morgen. Die Straßen füllten sich und es gab mehr als genug Locations für Feierwillige. Sasuke führte seine Begleiter zu dem höchsten Gebäude der Straße und zahlte den stolzen Eintrittspreis für Sakura. Das unterste Stockwerk war weiß eingerichtet und pink beleuchtet. An der Bar in der Mitte des Raums holten sie sich Drinks, dann machten sie es sich in einer der Sitzecken gemütlich. „Ich hätte nicht gedacht, nochmal deinen Geburtstag mit euch zu verbringen“, stellte Sakura fest, die nachdenklich die anderen Gäste beobachtete. Man sah ihnen an, dass sich keiner von ihnen je Sorgen um Geld gemacht hatte. „Es ist lange her“, stimmte Itachi zu. „Damals war noch keine drei vor der Zahl… Und bei Sarada keine eins.“ Sie redeten über vergangene Geburtstage, wie Sasukes siebzehnten, den ersten, den sie als Paar verbracht hatten. Sakura hatte eine Überraschungsparty organisiert, aber Sasuke war einfach gegangen. Oder sein zwanzigster, der erste als verheiratete Eltern. Sakura hatte alles alleine gemacht und es hatte perfekt sein sollen, doch es war alles schiefgegangen, was nur hatte schiefgehen können. „Wisst ihr noch, wie Sarada in der Torte saß?“, lachte Sakura, als hätte sie all den Stress und den Kummer von damals vergessen. Sasuke hoffte für sie, dass sie es wirklich nicht mehr wusste. „Es hat lange gedauert, die Sahne aus ihren Haaren zu waschen“, erinnerte er sich. Sakura lächelte und hielt ihnen ihr Glas hin. „Na dann, aufs Älter werden!“ Itachi stieß mit ihnen an, doch als Sakura auf die Tanzfläche wollte, lehnte er ebenso wie Sasuke ab. Sie schmollte ein wenig, leerte dann aber ihr Glas und ließ sie auf der Couch zurück. „Hat Mutter das eingefädelt?“, fragte Sasuke, während er beobachtete, wie Sakura in der Menge verschwand. Sein Bruder musterte Sasuke nachdenklich. „Es war Vaters Idee“, gab er zu. „Aber es läuft doch gut.“ „Sie ist erwachsener geworden.“ „Sagst gerade du?“ Sie sahen sich todernst an, bevor sie beide lachen mussten. Humor war ein seltenes Gut bei Itachi und Sasuke genoss es, so entspannt mit ihm umgehen zu können. Er nahm sich vor, mehr Zeit mit seinem Bruder zu verbringen – wohl wissend, wie schwer solche Pläne umsetzbar waren. Vielleicht schaffte er es, ihren Onkel mit Sarada zu besuchen. Dann würde Itachi sehen, wie ablenkend ein Familienbesuch sein konnte. „Ich möchte nicht, dass sie sich Hoffnungen macht – oder Sarada“, sagte Sasuke dann ernster. Er hatte gemerkt, mit was für leuchtenden Augen seine Tochter ihn und ihre Mutter den ganzen Tag beobachtet hatte. Diese entdeckte er jetzt auf der offenen Wendeltreppe in der Raummitte, die in die oberen Stockwerke führte. Sie hielt an, die schmalen Hände auf das weiße Geländer gestützt, und ließ den Blick durch den Raum gleiten. Als sie Sasuke und Itachi entdeckte, bedeutete sie ihnen winkend, ihr nach oben zu folgen. Dann verschwand sie aus ihrem Blickfeld. „Wie du sagtest, Sakura ist erwachsener geworden. Ich glaube, inzwischen kommt sie alleine zurecht.“ „Das ist sie immer.“ Sakura war eine starke Frau. Sie vergaß es nur manchmal, wenn es um Sasuke ging. „Sollen wir trotzdem nach ihr sehen?“, schlug Itachi vor und Sasuke nickte. Sie leerten ihre Gläser, bevor sie die Wendeltreppe hochstiegen. Jede Ebene war in einer anderen Farbe beleuchtet und mit anderer Musik beschallt. Da der Club ziemlich exklusiv war, war er nicht übervoll. Dennoch dauerte es eine Weile, bis sie Sakura im obersten Stockwerk in mintfarbenem Licht zu gemixten 90er Songs tanzen fanden. Itachi bot an, ihnen Drinks zu holen und Sasuke entschuldigte sich, um auf dem Dachgarten zu rauchen. Auf der großzügigen Außenfläche standen hochwertige Gartenmöbel, auf denen Gäste plauderten. Sasuke schob sich zwischen einer Liege und einer niedrigen Palme zur Balustrade. Die Lichter der Clubs waren zu hell, um die Sterne zu sehen und zwischen den Häusern konnte er das Meer nicht ausmachen. Der Rauch der Zigarette flog in den Nachthimmel und trug den Gedanken an Naruto mit sich fort. Wäre er heute dabei gewesen… Sasuke schob die lächerliche Überlegung beiseite, zückte aber das Handy. Tatsächlich hatte Naruto geschrieben und ihm einen schönen Tag gewünscht. Sasuke war überrascht, dass nicht mehr gekommen war. Fast, als würde er Grenzen einhalten, was eine ganz neue Entwicklung wäre. „So habe ich dich ja noch nie grinsen sehen.“ Sasuke zuckte ein wenig, denn er hatte nicht gehört, wie Sakura neben ihn getreten war. Er nahm den Cocktail, den sie ihm hinhielt, und stieß mit ihr an. Dann blickten sie auf die Feierfreudigen in den Gassen unter ihnen. Zum ersten Mal fragte Sasuke sich, ob Sakura jemand neuen hatte – oder ob sie das überhaupt wollte. Sie wirkte glücklich und das freute ihn, doch fiel es ihm schwer, Anteil daran zu nehmen. Als könne seine Nähe verderben, was seine Abwesenheit Sakura Gutes getan hatte. „Hey…“ Sakuras Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Alles in Ordnung?“ „Hn.“ Sie lachte leise und blickte wieder auf die Straße unter ihnen. „Weißt du, wie cool und mysteriös ich dieses ‚hn‘ früher immer fand, als wir Kinder waren? Ich habe immer so getan, als könnte ich nur daran ablesen, was du wirklich denkst.“ Sie sah ihn an, als würde sie es nochmal probieren, doch dann wandte sie sich ab. „Ich habe immer nur reingelesen, was ich hören wollte.“ „Irgendwann nicht mehr.“ „Ja. Und dann hat mir nicht mehr gefallen, was ich gehört habe.“ Erbittert trank sie ihren Cocktail. Sasuke fiel auf, dass er bereits wieder fast leer war, was ihre Offenheit erklärte. Er überlegte, sie nach Hause zu bringen, aber es schien ihr nicht schlecht zu gehen. Außerdem verdiente sie es, ehrlich sein zu können. „Es ist verrückt, sich vorzustellen, dass Sarada jetzt in dem Alter ist, in dem wir uns kennengelernt haben. Sie hat sogar schon Pläne, was sie nach der Schule machen will.“ „Anwältin für Familienrecht.“ Den Stich hatte er noch nicht vergessen. „Nimm es nicht persönlich“, lachte Sakura. „Sie ist 13 und wütend… Aber ich glaube, inzwischen mag sie dich.“ „Hn.“ „Außerdem ist doch noch gar nicht sicher, ob es überhaupt etwas wird. Das Leben hat manchmal andere Pläne als wir.“ Sasuke trank selbst, da er nicht wusste, was er sagen sollte. Ohne ihn wäre Sakura sehr wahrscheinlich erfolgreiche Ärztin. Er hatte ihr Leben seiner fixen Idee von Normalität geopfert. „Schau nicht so“, beschwere sie sich und schlug ihn gegen die Schulter. Es war liebevoll gemeint, aber die Stelle brannte. Sie war schon immer stärker gewesen, als sie aussah. „Wie?“ „Als wärst du persönlich für jedes Unglück der Welt verantwortlich. Bist du nicht. Dank dir habe ich Sarada.“ Sie klaute ihm den Drink aus der Hand, als wären sie damit quitt. Sasuke spürte seine Mundwinkel nach oben ziehen und fragte sich, wann er in Sakuras Nähe je so offen gewesen war. Sie erwartete zum ersten Mal nicht von sich selbst, zu sein, was Sasuke von ihr wollte. Es tat gut, sie so frei zu sehen. „Vielleicht muss man manche Sachen einfach seinen Lauf nehmen lassen und sehen, wie es kommt.“ Unwillkürlich dachte Sasuke an Naruto. Sasuke hatte sich so gegen ihn gespreizt - gegen sie und das, was sie sein könnten. Vielleicht hatte er Angst gehabt, Naruto dasselbe zu nehmen wie damals Sakura. Nur, dass Naruto kein verliebtes Mädchen war, sondern ein erwachsener Mann. Er hatte noch nie versucht, für Sasuke eine Rolle zu spielen. Vielleicht war es deshalb so leicht, bei ihm zu sein. Vielleicht hatte Sakura Recht und es wurde Zeit, die Dinge einfach ihren Lauf nehmen zu lassen. „Weißt du…“ Sakura zögerte, doch Sasukes auffordernder Blick und der dritte Cocktail ließen sie weitersprechen. „Ich habe überlegt, doch noch mein Medizinstudium zu beenden.“ Davon hatte er noch nichts gehört und es machte ihn einen Moment sprachlos. Er dachte an den Tag, an dem sie rausfand, dass sie schwanger war und wie sie ihm zwei Monate später sagte, sie würde ihr Studium unterbrechen. Nach der Geburt würde sie es fortsetzen, hatte sie gesagt, aber dann hatte sie gestillt und dann war es schwer, Sarada an den Brei zu gewöhnen und dann hatte sie angefangen zu laufen und irgendwann hatten Sakura und Sasuke aufgehört, über das Medizinstudium der jungen Mutter zu reden. Es war nicht nötig. Sasuke konnte sie versorgen. Und wiedermal hatte Sakura sich mit dem Notwendigen zufriedengegeben. „Ich meine, wenn Sarada jetzt öfter bei dir oder deiner Familie ist, würde das gehen“, fühlte Sakura sich von seinem Schweigen zu erklären gezwungen. „Das ist eine gute Idee“, brachte Sasuke schließlich hervor. „Braucht ihr andere Unterstützung?“ Sakura strich sich das Haar hinters Ohr. Sie hob das Glas zum Mund, überlegte es sich anders und schwenkte nur den Rest ihres Drinks hin und her. Ein Strudel, wie ihre Gedanken. „Ich werde vermutlich nur noch Halbzeit arbeiten, also die Hälfte meines Gehalts.“ Sasuke war überrascht, dass sie offenbar bereits darüber nachgedacht hatte. Ihm gegenüber war sie manchmal so naiv, dass er vergaß, wie klug sie eigentlich war. Zudem war sie fair, ebenso wie realistisch in ihrem Vorschlag. Sasuke hatte bei all seinen Fehlern nie mit dem Unterhalt geknausert. Das war kein Ersatz für einen Vater, hatte aber sein Gewissen beruhigt. „Gut.“ „Und es wäre gut, wenn du Schulausflüge und so etwas in der Zeit alleine zahlst.“ „Natürlich.“ „Den Rest kriege ich schon gestemmt. Wie immer.“ Jetzt trank sie doch ihr Glas leer, dann verlangte sie, dass er mit ihr auf die Tanzfläche kam. Seufzend folgte er ihr, wobei er sich nach seinem Bruder umsah. Als er Itachi nicht fand, sah er auf sein Handy und entdeckte eine Nachricht von vor einer Stunde. „Sprecht euch aus. Ich gehe nach Hause. Itachi.“ Nun, das hatten sie, dachte Sasuke, als er Sakura auf die Tanzfläche führte. Sie hatte kaum etwas von den Schritten aus ihren Tanzkursen vergessen und es machte Spaß, sie im Salsa Bereich übers Parkett zu wirbeln. Die Sonne ging bereits auf, als sie ins Hotel zurückkamen. Sasuke dachte daran, in Narutos Bett zu schlüpfen, als Sakura ihn mit einem Kuss auf die Wange ins Hier und jetzt zurückholte. „Danke für den schönen Abend, Sasuke.“ Sie lächelte ihn mit trunkenen Augen an, aus denen eine unausgesprochene Erwartung leuchtete. Sasuke kannte den Blick, genau wie die unschuldig hinter dem Rücken gefalteten Hände. Als müsse sie sich zwingen, ihn nicht anzufassen. Er fragte sich, ob sie jemals davon frei sein würde. „Gute Nacht, Sakura“, sagte er ernsthaft und wandte sich ab, um in ein ebenso leeres Bett zu gehen wie sie. Would reach and grab the moon if I should ask or just imply That I want you to be more light So I could look inside his eyes and get the colors just right Just righ. Kapitel 14: Teetassenkarussell ------------------------------ Fate placed us together. Oh tell me why, oh tell me why. If you can't face forever then tell me lies, oh, tell me lies. Nico Santos - Safe Lampions erhellten Sasukes Dachgarten in rot, rosa und lila. Sarada hatte sie aufgehängt, zusätzlich zu Kerzen, welche die Mücken vertreiben sollten. Die praktische Seite musste das Mädchen von ihm haben. Die Luft war schwanger vom Duft von Mikotos und Sakuras Kochküsten. Aber das Verrückteste war nicht das pastellfarbene Licht oder die Kochkünste zweier Frauen in seiner Junggesellenbude. Es war Naruto, der auf Itachi einredete, während sie den Tisch deckten. Mikoto hatte vorgeschlagen, ihn einzuladen. Sie seien doch so gute Freunde, hatte sie gesagt. Etwas Ähnliches hatte sie schon an seinem Geburtstag vorgeschlagen, und Sasuke wusste langsam nicht mehr, was er davon halten sollte. Allerdings konnte er nicht leugnen, dass ihm das Bild seines Liebhabers unter seiner Familie… Irgendwie gefiel. Er schien sich natürlich dort einzufinden – Wobei Naruto immer einen Draht zu den Menschen zu finden schien, egal, wer es war. Er hatte Sakura und Mikoto von Saradas Surfstunden erzählt. Fugaku berichtete er von seinen bisherigen Jobs und den Kursen für Eventmanagement, die er gerne besuchen wollte. Er und Sasuke hatten darüber gesprochen und ein paar Angebote gefunden, die gut für ihn in Frage kommen könnten. Sasuke hatte ihm angeboten, das finanziell zu unterstützen - als duales Studium oder auf andere Art - aber das war ihm unangenehm. Sie würden das noch klären müssen. Jetzt hielt er Itachi einen leidenschaftlichen, wenn auch nicht sehr informierten Vortrag über die Umverteilung von Gütern. Sasuke wandte sich ab, als seine Mutter ihn bat, die Töpfe auf den Tisch zu stellen. Bei Tisch fand Sasuke sich irgendwie zwischen Naruto und Sakura wieder und kalter Schweiß lief ihm den Nacken runter. Sarada saß ihm gegenüber, die Brauen leicht gefurcht. Im Gegensatz zu Naruto verstand sie, wie ihr Vater sich fühlte. Naruto war zu Beginn nervös gewesen, hatte sich aber schnell in die Situation gefunden. Er war einfach gut mit Menschen. Doch für Sasuke war es nicht so leicht. Er könnte seine Familie nicht einfach nicht mehr sehen, wenn etwas schiefgehen sollte. Doch entgegen Sasukes Sorge verlief das Essen ebenso friedlich wie das Kochen. Sakura beschwerte sich ein paar Mal über Sasukes Kopf hinweg, dass Naruto beim Reden nicht so schreien sollte, woraufhin er sagte, das wäre eben seine Stimme, und dann diskutierten sie, als würden sie sich schon ewig kennen. Nach einer Weile teilten sie sogar Geschichten über Sasuke miteinander. Angesichts Narutos verplanter Art hatte Sasuke Sorge, dass er sich verplappern und etwas über ihre Affäre preisgeben könnte, aber das tat er nicht. Alles, was er sagte, war angemessen für ein freundschaftliches Arbeitsverhältnis, und mit der Zeit entspannte Sasuke sich langsam. „Wir fahren morgen gegen Abend nah Hause“, verkündete Fugaku, als die Teller leergeputzt waren. „Es war schön, so viel Zeit mit euch allen zu verbringen.“ Mikoto griff mit glänzenden Augen die Hand der sichtlich verlegenen Sarada. „Das sollten wir wiederholen… Und nächstes Jahr kommst du früher dazu, Sakura, Liebes.“ „Oh… Kann ich gerne“, lächelte sie überrascht. „Ich muss sehen, wie ich es mit dem Studium schaffe, aber… Gerne.“ Sie hatte den Rest der Familie bereits für ihre Pläne informiert. Sarada war fast geplatzt vor Stolz und hatte ihre Mutter umarmt. Sakura hatte Sasukes Blick aufgefangen und war leicht errötet. Er wusste nicht, was sie gesehen zu haben glaubte, aber es war nicht, was sie sich erhoffte. Er hatte nur das Gefühl gehabt, etwas zu sehen, das nicht für seine Augen bestimmt gewesen war. Sarada und Sakura hatten etwas, das er nie teilen würde, egal, wie wütend Sarada gerade auf ihre Mutter war. Er hätte Teil davon sein sollen, es aber nicht gekonnt. Er fragte sich, ob es ihm mit Naruto gelingen würde. Doch er war bereit, es zu versuchen. „Aaah, es ist so cool, dass du das machst!“, rief Naruto und grinste Sakura breit an. „Du wirst bestimmt eine geniale Ärztin.“ Sakura nippte bescheiden lächelnd an ihrem Wein. Sasuke war erleichtert, dass sein Liebhaber nicht der Typ war, einen Zickenkrieg vom Zaun zu brechen. Dass er sein Lob und seine Begeisterung ernst meinte, half auch. Wenn Sasuke eines Tages bereit war, Sakura gegenüber offen zu sein, wären das gute Voraussetzungen – aber das war Zukunftsmusik. „Ihr solltet noch etwas Großes zusammen machen, bevor ihr fahrt!“, fand Naruto. „Wie zum Beispiel?“, blinzelte Mikoto ein wenig verblüfft, aber nicht abgeneigt. „Äh… Keine Ahnung.“ Lachend kratzte Naruto sich am Nacken. „Sarada, auf was hättest du denn Lust?“ „Ist mir eigentlich egal“, zuckte das Mädchen lethargisch die Schultern. „Was haltet ihr von einem Freizeitpark?“, schlug Sakura vor. „Es ist nicht so heiß und die meisten Leute müssten an einem Freitag arbeiten.“ „Nun, vielleicht finden wir etwas ein wenig… erhebenderes“, warf Fugaku ein. Sakura wurde rot, doch Mikoto beachtete ihren Mann nicht. „Ich mag die Idee. Aber lassen wir Sarada entscheiden.“ Als alle Blicke auf sie gerichtet waren, rutschte das Mädchen nervös auf ihrem Stuhl herum. Ihr Blick traf Sasukes, der ihr bestätigend zunickte. Sie schob ihre Brille hoch und sagte: „Ich hätte Lust darauf.“ Und damit war die Sache beschlossen. Mikoto hatte versuchte, Naruto zum Mitkommen zu überreden, aber er hatte dankend abgelehnt. Sasuke hatte sich erlaubt, ihn kurz an der Schulter zu berühren, als er gegangen war. Naruto hatte ihn angelächelt, den Wunsch, dass es anders sein können, in die Grübchen an seinem Mund gegraben. Aber er ließ Sasuke die Entscheidung. Und Sasuke brauchte noch Zeit. Trotzdem waren sie inzwischen zu viele, um in einem Auto zu fahren. Sakura und Sarada stiegen zu Sasuke ins Auto, während seine Eltern Itachi mitnahmen. „Weißt du noch, als wir das zuletzt gemacht haben?“, fragte Sakura lächelnd. Sasukes Gesicht krampfte ein wenig, als er zu ihr linste. War das ihr Ernst? Doch sie sah ihn erwartungsvoll an, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als: „Nicht wirklich“, zuzugeben. Sakura fiel das Lächeln aus dem Gesicht. Wie Sarada aussah, wollte er gar nicht wissen. Seine Ex musste wohl die empathieloseste Krankenschwester der Welt sein. Vermutlich würde sie einen Waisen auslachen, weil er keine Eltern hatte, oder sich vor ihm über ihre Eltern beschweren. Zum Glück war das Thema gestern vor Naruto nicht darauf gekommen. „Es ist wirklich schon lange her2, lachte Sakura ein wenig schrill. Den verletzten Ton ihrer Stimme konnte sie nicht ganz ausblenden. „Sarada, du warst fünf und wir wollten mit dir ins Disneyland, bevor du zur Schule gegangen bist. Du hattest Angst vor Donald Duck.“ Die schwache Erinnerung eines verweinten Kleinmädchengesichts und einer winzigen Hand in seiner tauchte aus der Vergangenheit auf. Er hatte sie auf die Schultern genommen und Sarada hatte sich geweigert, wieder runterzukommen, bis sie ganz sicher war, dass die Ente sie nicht mehr erwischen konnte. „War das, als sie stundenlang in diesen Teetassen fahren wollte?“ „Ja!“, strahlte Sakura. Triumphierend sah sie zu Sarada. ‚Er ist kein Monster, ich age es doch‘, frohlockten ihre Augen. „Ich muss mal die alten Fotoalben raussuchen. Du sahst so niedlich aus mit deinen Minnie Maus Ohren.“ „Mamaaaaa!“, jammerte der Teenager. „Schon gut, schon gut“, ergab Sakura sich. „Aber ihr könntet wieder Teetassen fahren. So ein Karussell gibt es doch in jedem park.“ „Das ist doch für Babys.“ Die beiden diskutierten, welche Fahrgeschäfte ‚cool‘ waren und welche nicht, bis sie auf dem Parkplatz des Vergnügungsparks hielten. Sakura zauberte Sonnencreme aus ihrem Rucksack und zwang Sarada, sie aufzutragen, obwohl das Mädchen nicht wirklich die blasse Uchiha-Haut geerbt hatte. „Sasuke“, sagte Sakura, die Tube noch in der Hand. „Du solltest dich auch schützen.“ „Nicht nötig.“ „Es ist nicht gut für die Haut!“ „Hör auf die zukünftige Ärztin“, mischte Mikoto sich ein, als sie sich vor den Wartesschlangen am Eingangsbereich wiedertrafen. Unter den amüsierten Blicken der Umstehenden musste Sasuke es zulassen, dass seine Mutter ihm einen dicken Klecks auf die Nase schmierte und in seinem Gesicht verteilte. Immerhin entkamen auch die anderen Uchiha-Männer dem Prozess nicht. Als schließlich alle gegen die Sonne geschützt waren, waren sie schon fast an der Kasse. Mikoto reichte Sakura die Tube zurück. „Oh, Liebes, es tut mir leid. Ich hatte gar nicht gefragt, ob das in Ordnung ist.“ „Sicher. Der Anblick war es wert“, kicherte Sakura hinter vorgehaltener Hand. Gut geschützt betrat die Familie den Park. Die Menschen quetschten sich auf den wegen aneinander vorbei, Kinder mit Zuckerwatte wurden von ihren Eltern verfolgt und ein paar Leute hatten gestresste Hunde oder Kinderwägen dabei. Sasuke wusste bereits nach fünf Minuten wieder, wieso er seit jenem Tag mit Sarada und Sakura nicht mehr in einen Freizeitpark gegangen war. Doch die beiden genossen den Ausflug so offensichtlich, dass er sich nicht anmerken ließ, wie sehr die Menschenmassen ihn in sein stilles, kühles Büro wünschen ließen. Er fuhr mit ihnen in einer Hochbahn um den Park, saß neben Sarada in der Achterbahn und kaufte ihr das Foto von der wasserrutsche, auf dem sie lachend die Arme hochriss, Sakura und Mikoto kreischten und Sasuke Itachis nasse Haare ins Gesicht klatschten. Was sie aber zum Lachen brachte, war Fugakus, der sich stoisch dreinblickend am Bügel festhielt. „Oh, wir brauchen auch eines“, kicherte Mikoto und besorgte Itachi ungefragt auch einen Abzug. „Ich weiß nicht, was daran so amüsant ist“, verkündete ihr Mann ernsthaft. „Nicht so wichtig, mein Lieber.“ Mikoto legte ihm die Hand auf den Unterarm. „Was haltet ihr von Mittagessen?“ Die Familie suchte auf einem der großen Plätze nach einem geeigneten Restaurant. Nach einigem Hin und Her entschieden sie, dass jeder sich holen sollte, was er wollte, und sie auf einer der Grünanlagen im Freien essen würden. „Sarada und ich gehen Pommes und Burger holen. Itachi, begleite deiner Mutter. Sasuke, du und Sakura geht zur Parkanlage und sucht uns Plätze“, wies Fugaku alle an, als wären sie seine Belegschaft. Da ziemlich viel los war, war an dem Plan nichts auszusetzen. Allerdings war ziemlich offensichtlich, was Fugaku bezweckte. So fühlte Sasuke sich etwas merkwürdig, während er sich neben Sakura seinen Weg durch den Park bahnte. Sie spürte es wohl auch, denn sie schwieg und lächelte ihn nervös an, wann immer ihre Blicke sich begegneten. Das Ufer des künstlichen Sees, an dem sie essen wollten, war mit hohen Laubbäumen bestanden. Darunter tummelten Familien sich an Picknicktischen und auf dem Rasen. Sasuke und Sakura bahnten sich ihren Weg durch zuckergeschockte Kinder, bis sie einen Tisch fanden, der groß genug für ihre Gruppe war. Sakura holte eine Wasserflasche und Becher aus ihrem Rucksack. Sie lächelte, als sie ihm das Getränk gab. „Du magst es immer noch nicht, Flaschen zu teilen, oder?“ Verblüfft darüber, dass sie das noch wusste, nickte er. Schweigend tranken sie ihr Wasser, das Lachen und Schwatzen der anderen Menschen bedeutungsloses Rauschen um sie herum. „Ich war überrascht, als dein Vater mich eingeladen hat“, gestand Sakura nach einer Weile. Sie wurde rot und spielte mit ihrem Becher. „Er sagte, du bräuchtest… 'weibliche Führung' oder so…“ „Sakura…“ Er verschluckte sich an ihrem Namen und allem, was er für ihn bedeutete. Sie war die Mutter seiner einzigen Tochter. Sie war ein Mensch, den er seit seiner Kindheit kannte – und mit dem er befreundet sein könnte, wie ihm die letzten Tage klargemacht hatten. Aber sie war auch die Erinnerung dessen, was er am meisten bereute. Er wollte ihr nicht noch mehr wehtun. Nicht nur wegen seines schlechten Gewissens. Sie hatte mehr verdient, als er ihr geben konnte. „Schon gut“, brach Sakura das Schweigen. „Ich weiß doch, dass du keine Führung brauchst. Weibliche oder sonst wie.“ Das Lächeln, mit dem sie ihn ansah, war aufrichtig. Liebevoll, ohne zu fordern. Auf der Suche nach den richtigen Worten trank er einen Schluck – und hätte das Wasser fast über den ganzen Tisch gespuckt, als sie fragte: „Und? Wie heißt er?“ Belustigt sah sie zu, wie er wieder zu Atem zu kommen versuchte und schließlich heiser: „Was…?“, fragte. Unwillkürlich flog sein Blick über die Menge, aber seine Familie war nicht zu sehen. Sie verdrehte die Augen. Das Kinn hatte sie in die Hand gestützt und machte mit der anderen eine vage Geste. „Oh, bitte! Wir kennen uns seit zwanzig Jahren, davon waren wir zehn Jahre zusammen. Glaubst du ernsthaft, ich weiß das nicht?“ Sasuke wusste nicht, was er sagen sollte. Er war wie in die Luft katapultiert. Sie war klug, sicher. Aber wenn es um ihn ging, wurde sie so schrecklich naiv, dass er mit so etwas im Leben nie gerechnet hätte. „Seit wann…“ Sie zuckte die Schultern. „Vermutlich habe ich es schon immer geahnt“, überlegte sie. Dann grinste sie frech. „Sicher war ich mir aber nicht.“ Sasuke presste die Lippen aufeinander, bevor er die Stirn in die Hand legte. „Wundervoll.“ „Stell dich nicht so an. Du bist alt genug, zu dir zu stehen.“ Zwischen den Fingern linste er zu ihr. Sakura lächelte. Sie hatte ihren Frieden damit geschlossen, wie es aussah. Vielleicht war da sogar Erleichterung, dass es nicht an ihr lag. „Also?“, bohrte sie nach. Dass sie wusste, dass er auf Männer stand – und sogar jemanden sah – das aber nicht mit Naruto in Verbindung brachte, obwohl sie ihn kennengelernt hatte, war genau die Naivität, die Sakura so oft in Bezug auf Sasuke zeigte. Sie hatte es nicht sehen wollen. Obwohl sie wusste, dass er nicht einfach irgendeinen ‚Freund‘ mit zu seinem Familienessen bringen würde. Nun, er beklagte sich nicht über diesen Rest Privatsphäre. Zumal sie ihn nicht mehr in Ruhe gelassen hätte, wenn sie es wüsste. „Es ist nichts Ernstes.“ „Aber es ist etwas!“ Ihre Augen leuchteten begierig, währen Sasuke trotz des Schattens immer heißer wurde. Sein Mund war ein verstopftes Rohr. Die Worte schienen festzustecken. Es war vollkommen anders als mit Sarada. Seine Tochter brachte kein Leben voller enttäuschter Erwartungen an Sasukes Sexualität mit. Dass sie Naruto direkt halbnackt kennengelernt hatte, hatte ihr keine Wahl gelassen, als zu sehen, was da war. Aber Sakua… „Ich will ihn kennenlernen“, drängte sie. „Nein.“ Sie schmollte. „Wieso nicht?“ „Es ist… Noch nicht so weit, es der Familie zu sagen.“ Sie wurde rot und spielte mit ihrer Wasserflasche. „Okay“, gab sie leise nach. Beide spülten den Kloß in ihren Hälsen mit Wasser herunter. Ihr Schweigen war laut zwischen all den schwatzenden Familien und Paaren und Freunden um sie herum. „Weißt du… Ich verstehe, wieso du als Teenager lügen musstest“, sagte Sakura nachdenklich. „Ich weiß, wie viele schwule und lesbische und… Sonst was Kinder von ihren Familien verstoßen oder verprügelt werden. Du hast dich geschützt und ich nehme dir das nicht übel.“ Wie großzügig, dachte Sasuke, schwieg jedoch. Offensichtlich hatten ihr diese Worte schon länger auf der Seele gelegen und sie brauchte Zeit, um es loszulassen. "Aber wir sind über dreißig. Hättest du nicht irgendwann mal was sagen können? Wenigstens Sarada und mir.“ „Wann hätte das sein sollen?“, fragte Sasuke. Wann hätte er dieses Geheimnis sicher mit der Frau teilen können, die jeden Grund der Welt hatte, ihn zu hassen? Oder mit einem Kind, das nicht wusste, was es sagte? Das nur wusste, dass er sie alleine ließ deswegen? Sakura tat zwar verständnisvoll, aber sie war nie in seiner Situation gewesen. Sie würde es nie verstehen – und Sasuke war froh darüber. Sie öffnete den Mund, sagte dann aber doch nichts. Es Sakura nach allem zu erklären, was er ihr dadurch genommen hatte, war, als hätte er sich ein Messer in die Zunge rammen müssen. Und sie hätte er dabei gleichzeitig verletzt. Er war zu feige gewesen. Es war leichter, zu schweigen. Und bei seiner Familie... Niemand von ihnen war der Typ, seine Gefühle breitzutreten. Der Gedanke, sich mit ihnen hinzusetzen, und ihnen zu eröffnen, dass er auf Männer stand, war schlicht absurd. Vielleicht hätten sie es nicht mal geglaubt, weil er so lange mit Sakura zusammen gewesen war. Zumal es sie eigentlich nichts anging. „Ich weiß es nicht, Sasuke.“ Ihre Stimme war schwer, als hätte sie das alles schon zu lange mit sich herumgetragen. „Aber nicht, wenn wir es selbst rausfinden. Das haben Sarada und ich und deine Familie nicht verdient. Und du auch nicht.“ Sie griff nach seiner Hand, konnte seine Gedanken aber nicht bei sich halten. Seine Familie… Ihre Worte rissen einige staubige Kartons aus seiner Weltvorstellung. Als wolle sie helfen, Platz für die neue Box über sie zu machen. Vielleicht hatte sie Recht und es wurde Zeit. „Es geht niemanden etwas an“, verteidigte Sasuke sich. Sakura winkte ab. „Als hätte das was mit Privatsphäre zu tun. Was soll schon passieren, so lange deine Freunde erwachsen sind?“ Seufzend fuhr er sich durch das Haar. Was passieren sollte? Er könnte seine Familie verlieren und das Hotel, für das er so hart gearbeitet hatte, und seinen Ruf. „So leicht ist es nicht.“ „Ich glaube, du machst es dir nur schwer.“ So etwas Ähnliches hatte Itachi ihm schon gesagt. Vielleicht stimmte es doch. ‚Den Dingen ihren Lauf lassen‘ umfasste nicht nur die Beziehung zu Naruto. „Weiß Sarada davon?“, ließ Sakura das Thema fallen. Als er nickte, schwieg sie erneut eine Weile. Ihre Gedanken waren sicher genauso zerstreut wie seine. Sasuke versuchte, irgendwo Platz zu machen für die neue Information, aber das Kästchen in Kirschblütenform wollte sich nicht in sein Weltbild fügen. Er würde umbauen müssen. Ihr Gespräch endete, als der Rest der Familie ihren Tisch entdeckte. Sie verteilten Pommes, Pizza und fettige Burger zwischen Softdrinks und ihre Stimmen klangen, als hätte sich nichts geändert. Vermutlich stimmte das sogar. Sakura würde seiner Familie nichts erzählen. Das hätte sie längst getan, wenn sie es gewollt hätte. Damals, nach dem Gerichtstermin, als sie und Sarada an den Uchiha vorbeigegangen waren, die nichts mehr mit ihnen zu tun hatten außer ein paar Schecks und Geschenken. Sie hatte nicht vor, ihn zu verraten. Und bald wäre sie weg, ebenso wie seine Eltern. Er würde über vieles nachdenken müssen, sobald er den Kopf dafür hatte. Nach dem Mittagessen schipperten sie in einer Gondel über den künstlichen See. Sasukes Mutter wollte ins Varieté und danach bestand Sarada darauf, Achterbahn zu fahren. Nachmittags kauften sie Waffeln mit Schlagsahne und Kirschen für die Damen. Essend schlenderten sie durch den sonnigen Park, als sie auf einen kleinen Platz kamen. Die äußeren Buden verkauften Lose, man konnte Preise schießen und es gab einen Hau-den-Lukas, dessen Besitzer fast die Augen rausfielen, als Sakura das Gewicht ganz nach oben schlug. „Im Krankenhaus braucht mach Kraft“, lächelte Sakura über Saradas große Augen. Sie setzte ihrer Tochter den Kranz aus Plastikrosen auf den Kopf, den sie gewonnen hatte. Dann nickte sie zur Mitte des Platzes, wo weiße Teetassen mit blauem Muster sich im ewigen Kreis drehten „Wollt ihr fahren? Wie früher?“ Sasuke und Sarada sahen sich an und nickten. Was schadete es, sich ein wenig durch die Vergangenheit zu drehen, wenn es Sakura glücklich machte? Der Rest der Familie machte es sich auf der Bank vor dem Teetassenkarussell gemütlich. Sasuke folgte seiner Tochter in eines der blaugeblümten Gefährte und setzte sich ihr gegenüber. Als das Karussell zu drehen begann, sagte Sarada: „Mama und du, ihr versteht euch gut.“ Die Worte stachen in Sasukes Herz. Genau da hatte er nicht gewollt. „Sarada…“ „Nein, ich weiß schon. Du hast ja auch Naruto“, blockte sie ab und griff nach dem Rad zwischen ihnen, um sie schneller um sich selbst wirbeln zu lassen. „Ich dachte nur… Vielleicht können wir so wie jetzt etwas machen, ohne, dass ihr ganz still werdet, wenn man den anderen nur erwähnt.“ Sasukes Hals wurde eng von der Reife, die sie ihrer Tochter abverlangt hatten. Es war nicht fair, sie für ihre Fehler büßen zu lassen. Sie schuldeten ihr mehr, egal, wie gut Sarada ihre Menschlichkeit zu verstehen schien. „Ja. Das werden wir“, versprach er. Sie suchte nach leeren Floskeln in seinen Worten, entdeckte aber nur Ehrlichkeit. Das reichte, um ihr ein Lächeln zu entlocken. Sasuke griff ebenfalls nach dem Rad und drehte es in die andere Richtung, schneller und schneller, bis seiner lachenden Tochter die Haare ins Gesicht flogen. Als sie am Abend den Park verließen, nahm er sich vor, diesen Moment nicht wieder zu vergessen – und zwar nicht nur wegen des guten Dutzend Fotos, das Sakura von ihnen im Teetassenkarussell gemacht hatte. Am nächsten Tag reisten Fugaku, Mikoto und Itachi gegen elf ab – später als geplant, wie das immer so lief. Sie verabschiedeten sich in der Lobby von Sasuke, Sarada und Sakura. „Du besuchst uns noch vor Ende der Ferien, nicht wahr?“, versicherte Mikoto sich nochmal, als sie ihre Enkelin ein letztes Mal drückte und ihr die Stirn küsste. Sarada nickte artig und Mikoto strich ihr zärtlich einige Haare hinters Ohr und legte die Hand auf ihre Wange. Die beiden hatten wirklich einen Draht zueinander gefunden, aber das überraschte Sasuke nicht. Seine Mutter hatte ein Händchen für so etwas. Sein Vater dagegen war eher steif und reichte dem Mädchen die Hand. Diese ignorierte sie aber und drückte ihren Opa. Ein wenig verlegen tätschelte er ihr den Rücken, aber Sasuke konnte sehen, dass ihn die Geste freute. Der alte grummelige Bär. Er steckte ihr dann noch ein wenig Taschengeld zu, da es ihm so leichter fiel, seine Zuneigung auszudrücken. Auch Itachi bekam eine Umarmung von den Zurückbleibenden, dann halfen er und sein Bruder ihren Eltern, das Gepäck in die Garage zu bringen. „Pass auf dich auf, Liebling“, sagte Mikoto und küsste Sasukes Wange. „Und grüß Naruto von mir.“ „Ich… Ja. Mache ich.“ Sie lächelte zufrieden und stieg mit Fugaku ins Auto, nachdem er seinen Söhnen die Hände geschüttelt hatte. Sasuke sah zu, wie sie aus der Tiefgarage steuerten. Wäre die Luft hier unten nicht voller Abgase, hätte er tief durchgeatmet. Die letzte Woche war viel gewesen. Eigentlich waren die letzten zwei Monate viel gewesen, über den normalen Saison-Stress hinaus. Seit Sarada hier aufgetaucht war, war nichts mehr, wie er es gewohnt war. Und dann war da noch Naruto – und die seltsamen Kommentare, die seine Mutter ständig über ihn abgegeben hatte… Sarada und Sakura waren noch, wo er sie zurückgelassen hatte. Er war zugegebener maßen erleichtert, als sie verkündeten, den Tag zu zweit verbringen zu wollen. Vielleicht machten sie das absichtlich. Er wünschte ihnen viel Spaß bei ihrem Strandtag und zog sich in sein Büro zurück, um ein bisschen Arbeit nachzuholen. Er wusste nicht, wann er zuletzt eine Minute für sich gehab hatte und er kostete sie aus. Allerdings hielt die Ruhe nicht lange an und fast war er versucht, das Klopfen an seiner Tür zu ignorieren. Als er: „Ja?“, rief, wurde er von einem 1000 Volt Lächeln geblendet und musste ein paar Mal blinzeln. „Können wir los?“, fragte Naruto mit aller Begeisterung, die in seine 180 Zentimeter Muskeln passten. Tell me, is this live for living? Oh, ease my mind, ease my mind. Tell me I'm forgiven. Ease my mind, ease my mind. Kapitel 15: Date Day -------------------- I don’t wanna run from it This is the happiest I’ve ever been I’d rather excape with these memories Than worry about losing him „Können wir los?“, fragte Naruto mit aller Begeisterung, die in seine 180 Zentimeter Muskeln passten. Es war viel, und Sasuke war wie überrannt. „Bitte?“ „Na, unser Date. Und ich schulde dir ein Geburtstagsgeschenk.“ Er schob die Unterlippe vor. „Du hättest mir übrigens ruhig sagen können, dass du Geburtstag hast!“ „Ich habe es vergessen“, gestand Sasuke, was Naruto zum Lachen brachte. „Es ist nicht wichtig. Und meine Familie…“ „Ist heute beschäftigt“, unterbrach Naruto ihn. „Alles geregelt. Du musst nur mitkommen.“ Sasuke sah auf die sonnengeküsste Hand, die sein Liebhaber ihm hinhielt, und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Du konspirierst mit meiner Tochter gegen mich.“ „Nur zu deinem Besten! Und jetzt komm.“ Am Ende erlaubte er Sasuke dann doch, den Bademantel gegen lockere Hosen und ein weites Shirt zu tauschen. Sie hielten kurz in Narutos Zimmer, aus dem er eine abscheuliche orange Strandtasche hervorzauberte. Kurama strich kurz um Sasukes Beine, bevor er in den Tiefen des Hotels verschwand. Vielleicht suchte er Sarada. Die zwei schienen sich gut zu verstehen. „Brauche ich noch etwas?“, fragte Sasuke, als Naruto die Tür absperrte. „Nope. Sarada hat alles eingepackt.“ Grinsend hob er die Tasche. Sasuke war ein wenig besorgt, ob eine 13-Jährige und ein Mann mit derselben geistigen Reife wie sie einen ganzen Tag planen konnten, aber er beschloss, Naruto eine Chance zu geben. Das bereute er kurz darauf in der Garage, als sie vor seinem Auto standen und Naruto die Hand ausstreckte. „Niemals“, sagte er endgültig. Der Animateur schob die Unterlippe vor. „Komm schon! Es soll eine Überraschung sein!“ „Du willst nur mein Auto fahren.“ „Vielleicht?“, sagte Naruto unschuldig und grabschte nach den Schlüsseln. Seufzend ließ Sasuke sie in seine Hand fallen. „Du bezahlst jede Delle“, warnte er, bereits auf den Beifahrersitz gleitend. Er verdrehte die Augen über Narutos kleines Siegestänzchen, aber irgendwie war es ganz süß. Sasukes persönlicher Chauffeur drehte die Musik auf – irgendeine nichtssagende Rock Playlist – und sie verließen die Stauhitze der Stadt für die flirrend rote Landstraße. Die fernen Hügel verschwommen im Dunst mit dem Azurhimmel. Sasuke hörte Naruto zu, der schrecklich mit den Radioliedern grölte. Spielerisch zankten sie über den Text eines Songs und redeten über die Klavierstunden aus Sasukes Jugend und Narutos gescheiterten Gitarrenunterricht. Er hatte einfach nie Sinn aus den Noten machen können. „Aber du kannst mir Klavier beibringen!“, schlug Naruto begeistert vor. „Wenn du für die Gitarre zu ungeduldig warst, bezweifle ich, dass das funktionieren wird.“ „Mit dem richtigen Lehrer klappt es schon!“, ließ Naruto sich nicht unterkriegen. Sasuke hatte die Ausfahrten beobachtetet, an denen sie vorbeikamen. Jetzt bog Naruto in eine ab. Sein Fahrstil war schnell, mit vielen Spurwechseln und mancher Hupe für „Schnarchnasen!“, wie er Menschen nannte, die sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielten. Sie waren eine Stunde gefahren, als der Raser endlich die Autobahn verließ. Naruto linste zu Sasuke, um dessen Reaktion auszuloten, aber Sasuke sagte nur: „Augen auf die Straße. Sein Fahrer gehorchte schmollend. „Du könntest dich ruhig freuen“, sagte er, während sie einer Küstenstraße am Rand eines Naturschutzgebietes folgten. Zu ihrer Rechten brandete Wald gegen den Wagen, zur Linken das Meer und Sasuke fragte sich schon, was sie vorhatten. Allerdings tat er Naruto nicht den Gefallen, seine Neugierde zu zeigen. Schließlich hielten sie auf einem kleinen, ziemlich vollen Parkplatz. Dort bekam Sasuke endlich zu sehen, was Naruto in seinem Kofferraum versteckt hatte. „Tada!“, rief er und präsentierte stolz ein oranges Surfboard, auf dem vorne ein roter Kringel prangte. Sasuke hatte das Emblem schon öfter bei Naruto gesehen, fiel ihm in dem Moment auf. „Ich dachte, ich bringe dir das Surfen bei. Dann bekommst du vielleicht ein bisschen Farbe“, grinste Naruto und stipste Sasuke gegen die Nase. „Also ist es eigentlich ein Geschenk für dich“, schlussfolgerte dieser. Naruto fiel das Gesicht runter und seine Wangen wurden fuchsrot. „Nein! Ich dachte, das wäre cool. Aber wenn du nich willst...“ „Hn“, machte Sasuke amüsiert. Es dauerte einen Moment bis Naruto die Implikation verstand, doch dann ging er auf wie Hefeteig. „Mann, verarsch mich nich! Ich hab mir für heute total Gedanken gemacht!“ „Deshalb mache ich mir ja Sorgen“, neckte Sasuke und erstickte weiteren Protest mit einem Kuss. Große blaue Augen glotzten ihm entgeistert entgegen, als sie sich lösten. Sasuke tippte ihm gegen die Stirn, um Naruto aus seiner Trance zu erwecken. „Lass uns gehen.“ Sofort erhellten sich Narutos Züge wieder. Sie zogen sich in Holzkabinen um, wobei Sasuke Naruto nur mit Mühe abhalten konnte, in seine zu schlüpfen. Dann sperrten sie Geldbeutel, Autoschlüssel und Handys in Spinde am Strand und es konnte losgehen. „Warst du schon mal auf dem Brett?“, fragte Naruto, als sie den Sand unter ihren Füßen spürten. Sasuke schüttelte den Kopf. „Kein Problem, dann fangen wir ganz von vorn an.“ Sasuke spürte deutlich, wie sehr es Naruto gefiel, ihm die Teile des Boards zu erklären. Er blühte richtig auf, als er im Sand kniete und ein Surfbrett malte. An diesem zeigte er Sasuke, wo er Hände und Füße platzieren musste. Am Anfang beschrieb Naruto, wie er richtig auf dem Board lag, damit er nicht vorne runterfiel oder die Nase sich aufstellte. Naruto war dabei wirklich süß, aber Sasuke hatte ein schlechtes Gewissen, so von ihm zu denken. Dann erinnerte er sich an sein Gespräch mit Sakura und beschloss, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Es würde kommen, wie es kam, und er konnte nur sein Bestes tun, Naruto nicht sein großes Herz zu brechen. Schließlich ließ der Surflehrer seinen Schüler ein wenig durch die Brandung paddeln. Es war anstrengender, als Sasuke gedacht hatte, aber natürlich ließ er sich das nicht anmerken. Trotzdem schlug Naruto eine Trinkpause vor, bevor sie den nächsten Schritt angingen. Man merkte ihm an, dass er nicht zum ersten Mal Unterricht gab und Sasuke gefiel diese geduldige Seite von ihm. „Du hast genauso viel Talent wie Sarada. Das liegt wohl in der Familie“, stellte Naruto fest, als sie am Strand saßen. Sie ließen eine Wasserflasche hin und hergehen und beobachteten die anderen Surfer. „Du hast auch Talent“, sagte Sasuke, doch Naruto lachte verlegen. „Nah, ich hab nur ewig geübt“, sagte er bescheiden. „Is bei mir immer so. Ich brauch viel länger als alle anderen, bis ich was kann.“ „Aber du hast das Durchhaltevermögen, es trotzdem zu lernen.“ Naruto sah ihn einen Moment mit offenem Mund an, bevor sein Gesicht in Flammen aufging und er ein lautes, nervös wieherndes Lachen ausstieß. „Alter, was los mit dir?! Du warst noch nie nett zu mir! Haste Krebs oder sowas?“ Sasuke verdrehte die Augen. „Ich habe Sex mit dir. Das ist nett genug.“ Naruto lachte, leiser diesmal, und rückte näher. „So nett warst du auch schon länger nich mehr zu mir“, schnurrte er verspielt. Sasuke zog die Augenbrauen hoch. „Ich dachte, das alles hier ist ein übergroßer Plan, mich ins Bett zu kriegen.“ Naruto grinste, aber wie er sich an der Nase kratzte, zeigte deutlich seine Verlegenheit. „Na klar! Was’n sonst?“ Sasuke wusste, dass mehr dahintersteckte. Narutos Gefühle waren fast schon schmerzhaft offensichtlich, aber irgendwie fand er es sogar recht niedlich. Wären sie alleine gewesen, hätte er ihn wohl geküsst, aber so schlug er vor, zurück ins Wasser zu gehen. Naruto ließ es sich nicht nehmen, ein wenig anzugeben. Unter dem Vorwand, die richtige Haltung zu zeigen, nahm er ein paar Wellen und Sasuke musste zugeben, dass er für sein Laienauge eine gute Figur auf dem Board machte. „Die Wellen sind ein bisschen stark für einen Anfänger“, gab Naruto zu, als er schließlich zu Sasuke zurückkehrte. „Willst du es trotzdem versuchen?“ Sasuke zog das Board zu sich. „Was muss ich tun?“ Narutos berühmtes 1000-Volt-Lächeln flammte über sein Gesicht. „Aber ärger dich nicht, wenn du im Wasser landest!“ Sie setzten ihre Surfstunde fort und Naruto brachte Sasuke bei, sich auf der Welle zurück zum Strand tragen zu lassen. Er bekam schnell ein Gefühl dafür und wollte es im Stehen versuchen. Allerdings stellte er schnell fest, dass es sich im Meer anders anfühlte als auf dem Sandboard. Das Board lag viel höher und die Wellen zogen an ihm und er musste sich konzentrieren, um den richtigen Moment auf der Welle abzupassen. Trotzdem stemmte er den Oberkörper hoch, schob den rechten Fuß darunter, drückte sich nach oben… Und verlor das Gleichgewicht, was ihn platschend ins Wasser beförderte. Als er auftauchte, hatte Naruto das Board weggezogen, damit er sich nicht den Kopf daran stieß. Er grinste, doch Sasuke zog ihm schweigend das Brett aus den Armen und versuchte es nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Das Ergebnis blieb das Gleiche. „Zeig es mir nochmal“, verlangte er schließlich von Naruto, der seinem Wunsch schulterzuckend nachkam. „Mach dir nix draus, das is normal am Anfang“, rief er, während er elegant an Sasuke vorbeiglitt. Dieser beobachtete jede seiner Bewegungen und analysierte seinen Stand auf dem Brett. Als er wieder an der Reihe war, machte er Naruto nach, und diesmal schaffte er es, kurz oben zu bleiben. „Du blöder Angeber, war ja klar, dass du das super schnell hinbekommst!“, beschwerte Naruto sich glühend vor Stolz. Sasuke schnaubte leise. „Es war noch nicht richtig.“ Sein Privatlehrer lachte. „Du bist genauso verbohrt wie Sarada… Hey, ihr könnt zu Hause gemeinsam üben“, schlug Naruto begeistert von seiner eigenen Idee vor. Sasuke runzelte die Stirn. An ein gemeinsames Hobby mit seiner Tochter hatte er nicht gedacht – und sicher nicht an dieses hier. Aber sie mochte surfen und er musste zugeben, dass es seinen Reiz hatte. Sarada sollte nicht das Gefühl haben, er würde sich aufdrängen oder ihr ‚ihr Ding‘ wegnehmen, aber vorschlagen könnte er es. „Vielleicht“, stimmte er zu, bevor er sich wieder auf den Wellengang konzentrierte. Er konnte nicht wie ein blutiger Anfänger aussehen, wenn er es mit Sarada versuchen sollte. Endlich schien Sasuke den Dreh rauszuhaben. Er landete zwar noch immer im Wasser, aber weniger oft. Zudem verstand er nach und nach, was er falsch gemacht hatte, wenn es nicht klappte. Narutos neckende Kommentare konnten seine bewundernden Blicke nicht verbergen und Sasuke musste zugeben, dass es ihm gefiel, so angehimmelt zu werden. „Sollen wir langsam die Zelte abbrechen?“, fragte Naruto nach ein paar Stunden. „Ich hab noch was anderes vor und langsam wird’s spät.“ Sasuke nickte und folgte ihm aus dem Wasser. Erst am Strand spürte er, wie ausgelaugt er war. Dennoch war er zufrieden mit sich selbst, als er unter einer Stranddusche das Salzwasser abwusch. Am Auto holte Naruto eine Wasserflasche und ein paar Müsliriegel hervor. Stolz hielt er Sasuke den Proviant hin. Er quengelte, dass sie im Auto essen sollten, um schneller an ihr nächstes Ziel zu kommen, aber Sasuke ließ nicht mit sich reden. So beobachteten sie Surfer und Badegäste im Wasser, während sie sich stärkten. „Weißte, was so im Nachhinein ziemlich witzig ist?“, fragte Naruto nach einer Weile. „Hn?“ „Dass du mir gesagt hast, ich soll die Finger von Hinata lassen wegen ihrer Kinder. Und jetzt haben wir was, obwohl du auch ne Tochter hast.“ „Im Gegensatz zu Hinatas Sohn mag Sarada dich“, sagte Sasuke würdevoll. Grinsend stieß Naruto ihm in die Seite. „Komm schon, gib zu, dassde nur eifersüchtig warst!“ Sasuke zerknüllte das Papier des Riegels. „Du hast einen Sonnenstich bekommen.“ Naruto lachte und stichelte, während sie ihre Pause beendeten. Es war nicht mehr so viel los wie früher am Tag und schließlich brachen auch sie auf. „Sagst du mir diesmal, wohin wir fahren?“ „Keine Chance!“, grinste Naruto selbstzufrieden, als er den Motor anließ. Sasuke lehnte sich zurück, de blick gefesselt vom Glanz der tiefstehenden Sonne auf den Wellen. Jemand anderes fuhr seinen Wagen, er hatte keine Ahnung, wohin… Und es kam ihm nicht schlimm vor. Naruto würde sie schon ans Ziel bringen, dachte er noch, bevor sein Kopf gegen die warme Fensterscheibe sank. Sasuke wachte von der Stille des Motors auf. Blinzelnd sah er sich im Wagen um, doch er war alleine. Sie parkten vor einem Imbiss auf einer gut besuchten Geschäftsstraße. Der Unterschied zu Wald und Meer von vorhin paralysierte Sasuke einen Moment, bevor er sich aufrichtete. Er ließ die steifen Schultern kreisen und rieb sich den Nacken. Das war nicht die beste Schlafposition gewesen. Naruto verließ den Imbiss und strahlte, als er Sasuke sah. Die Arme hatte er voll Tüten, die er auf dem Rücksitz verstaute. Der Duft erinnerte Sasuke daran, dass er seit dem Frühstück nur ein paar Müsliriegel gegessen hatte. „Kein schickes Restaurant?“, fragte er, während Naruto sich anschnallte. „Du bist so eine Zicke beim Aufwachen“, lachte Naruto und parkte aus. Er zwinkerte Sasuke zu. „Mach dir keinen Kopf. Ich habe die beste Aussicht der Stadt für dich ausgesucht.“ Sasuke hatte inzwischen erkannt, dass sie wieder in Konoha waren und ahnte bereits, wo es hingehen sollte. Doch er ließ Naruto den Spaß. Die Zeit nutzte er, um sich präsentabel zu machen. Beim Schlafen hatten seine Haare sich gegen die Fensterscheibe gepresst und standen jetzt in unmöglichen Winkeln ab. Naruto lachte über den Anblick und Sasukes Eitelkeit und mit dem hin- und herfliegen neckender Sprüche dauerte die Fahrt dauerte nicht lange. Sie hielten auf einem kleinen, baumbestandenen Parkplatz und folgten einem schmalen Weg unter dem sommertrockenen Laub hindurch. Die Luft war erfüllt vom Zirpen der Grillen und roch nach der Hitze des Tages. Ihre Schritte auf dem Kiesweg mischten sich mit dem Rascheln der Tüten in Narutos Hand und dem Rauschen des Windes in den Blättern. Schließlich erreichten sie einen Platz, über dem sich das Wahrzeichen Konohas erhob. Die Köpfe sahen auf sie herab, während sich am Rand der Aussichtsplatzform niederließen. Tagsüber wimmelte es hier vor Touristen, aber inzwischen waren die meisten in ihren Hotels beim Abendessen. Naruto hatte ihr eigenes Menü mitgebracht. Dumplings und Ramen („Es ist zwar nicht Ichirakus, aber es wird genügen!“) und Gioza und andere Leckereien. „Das hätte für meine ganze Familie gereicht“, seufzte Sasuke, der sich einen Dumpling nahm. „Mehr ist mehr!“, verteidigte Naruto sich. Natürlich griff er zuerst nach der Suppe. Als er den Deckel aufgemacht hatte, hielt er inne. „Ich hab nich erwartet, dass du so eine große Familie hast… Muss schön sein.“ Sasuke zuckte die Schultern. „Wir sehen uns nicht oft.“ „Wieso das?“ Sasuke aß seinen Dumpling, um etwas Zeit zu gewinnen. Dann blickte er über die Stadt und das rotgolden schimmernde Meer. Ein wenig dauerte es noch bis zum Sonnenuntergang, aber das Licht war schwer, als drücke die tiefstehende Sonne auf das Land. „Sie waren nicht glücklich, als das mit Sakura vorbei war“, antwortete er schließlich. „Sie wirken wie so Leute, denen es wichtig is, was andere denken“, mutmaßte Naruto weise. „Und ihr hattet Sarada.“ „Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie gerade in die Schule gekommen.“ Die Worte waren über seine Lippen, bevor er darüber nachgedacht hatte. Als hätten sie nicht nur die Stadtmauern hinter sich gelassen. Sasuke genoss den Wind auf der Haut und im Haar und Narutos lauschendes Schweigen. „Sie war alt genug um zu verstehen, dass ich gehe, aber nicht, wieso.“ Er schwieg einen Moment. „Ich glaube, sie versteht es immer noch nicht.“ „Und wieso hast du es gemacht? Ich meine, abgesehen vom Offensichtlichen“, fragte Naruto lachend und deutete mit seinen Stäbchen zwischen ihnen hin und her. „Sakura ist eine kluge, starke Frau.“ Sasuke zögerte, unsicher, wie er sich in Worte fassen sollte. Er hatte das alles noch nie ausgesprochen und Zeit und Schuld klebten ihm die Wörter an den Gaumen. Er wollte nicht, dass Naruto ihn dafür hasste. „Sie scheint es nur zu… Vergessen, wenn es um mich geht. Und ich habe das ausgenutzt.“ Er wusste nicht, wie Narutos Bemerkung über Sarada zu einem Gespräch über seine größte Schande geworden war. Sein Herz raste, obwohl sie in der friedlichsten Umgebung saß, die er sich vorstellen konnte. „Wieso?“, wollte Naruto wissen. „Weil ich es konnte.“ Sasuke klang bitter und er musste sich zwingen, weiterzusprechen. Er erzählte Naruto von Kakashi, von seiner Entscheidung, dass es nicht in Frage kam, dass er Männer liebte und davon, wie er mit Sakura zusammengekommen war. Er erzählte von der frühen Heirat, nachdem Sarada sich angekündigt hatte, von der Wohnung und dem kleinen Menschen, der eines Tages da war. „Sakura hat sie vergöttert und ich war froh, nicht mehr der einzige Gegenstand ihrer Liebe zu sein.“ Irgendwann hatten sie die Reste ihres Essens eingepackt. Jetzt lehnten sie an der Brüstung und beobachteten den Sonnenuntergang. Von hier aus sah das Wasser blauer aus als im Hafen. Wie Narutos Augen. „Ich dachte, ich hätte ihr einen angemessenen Ersatz gegeben, der sie so liebt, wie sie es verdient. Danach habe ich mich immer mehr in der Arbeit vergraben, bis sie gegangen ist.“ Naruto war seit einer Weile still. Sasuke hatte gedacht, er würde zuhören, aber das Schweigen legte sich wie eine Schneedecke auf sie. Er hätte das alles nicht sagen sollen. Seit wann redete Sasuke eigentlich so viel? „Weißt du… Ich bin irgendwie froh, das zu hören“, sagte Naruto schließlich. Sasukes ungläubiger Blick brachte ihn zum Grinsen und er brachte den Schnee rasant zum Schmelzen. „Ich dachte immer, dir wäre das egal und du würdest Sarada hinnehmen, weil du gerade musst. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Aber jetzt macht alles mehr Sinn.“ „Für dich vielleicht“, seufzte Sasuke und blickte wieder auf die Stadt. Das Licht schwand jetzt schnell und verwandelte die Wellen aus Jade und Smaragd in Onyx. „Für dich wird es das auch noch“, versprach Naruto mit einer Sicherheit, um die Sasuke ihn beneidete. Dann blitzte der Schalk in seinen Augen und er fragte: „Aber du weißt schon, dass es voll peinlich is, dass du ständig einen Waisen um Rat wegen deiner Familie fragst?“ Darüber hatte Sasuke noch gar nicht nachgedacht und er musste unwillkürlich lachen. Die letzten Monate waren so absurd gewesen, dass ihm das noch nicht mal merkwürdig vorgekommen war. Es war so natürlich, mit seinen Problemen zu Naruto zu kommen. Damit hätte er nie gerechnet, als sie sich auf diesem Rastplatz begegnet waren. Inzwischen hatte das Meer die Sonne geschluckt. Der Mond war hinter dem Monument, auf dem sie saßen, aber das Sternenlicht glänzte auf dem Wasser unter ihnen. Eine tiefe Ruhe floss durch Sasuke, die er nach einem Tag mit Naruto nicht erwartet hatte. Dieser machte zwei rasche Schritte zu ihm und streckte sich beim Gähnen, um den Arm um Sasukes Schulter zu legen. Sasuke verdrehte belustigt die Augen. „Spinner“, sagte er sanft und lehnte sich an Naruto. Der gab sein kleines, verlegenes ‚Hehehhe‘-Lachen von sich und schmiegte das Gesicht an Sasukes Kopf. „Hat’s dir gefallen?“, fragte er leise, als könnten laute Worte den Moment zerbrechen. „Mhm.“ „Hey, du könntest ruhig…!“, fing Naruto an, jetzt ohne Rücksicht auf die Stimmung. Sasuke unterbrach ihn, indem er die Lippen auf seine legte. Überrascht stockte Naruto, bevor er den Kuss erwiderte. Sein Griff um Sasukes Schulter wurde etwas fester und Sasuke legte die Hand auf seine. Als sie sich lösten, lächelten beide. „Danke“, sagte Sasuke. „Es war perfekt.“ Narutos Gesicht glühte bis zu den Ohren, aber noch mehr strahlte sein verlegenes Grinsen. „Fand ich auch.“ Sie küssten sich nochmal und genossen den Ausblick eine Weile. Sasuke hatte nicht gedacht, dass Naruto fähig wäre, zu schweigen, aber es ging eine Ruhe von ihm aus, die Sasuke erlaubte, zum ersten Mal diese Woche durchzuatmen. Er gestattete sich den Gedanken daran, wie es wäre, wirklich mit Naruto zusammen zu sein. Wenn seine Eltern und Sarada und Sakura nicht wären und er entscheiden könnte… Ja, dann könnte er es sich vorstellen, dieses Experiment zu wagen. Und vielleicht war es sogar unter den gegebenen Umständen den Versuch wert, dachte er, als sie Hand in Hand zurück zum Auto liefen. In der Dunkelheit sah niemand ihre verschränkten Finger. Und selbst wenn, wäre es egal. Sasuke war überrascht, so zu fühlen, aber hier kannte ihn niemand. Niemand erwartete etwas von ihm. Am wenigsten Naruto, der selig lächelnd schwieg, weil er Sasukes Hand halten durfte. „Sind wohl die letzten“, meinte er, als sie den schlecht beleuchteten Parkplatz erreichten. „Mhm.“ Sasuke streckte die Hand aus. „Schlüssel.“ „Häh, wieso? Das hat doch den ganzen Tag geklappt!“ Naruto löste die Finger aus Sasukes und flüchtete einige Schritte weg. Sasuke beschleunigte seine eigenen. „Keine Chance. Du fährst meinen Wagen nicht im Dunkeln den Hügel runter.“ „Vertrau mir doch mal!“, jammere Naruto und lief vor Sasuke weg, der ihn über den Parkplatz jagte. Am Auto fing er den Schlüsseldieb, der sich an die Fahrertür lehnte, zwischen seinen Armen. „Oh nein, was soll ich jetzt nur tun?“, grinste Naruto und überbrückte die wenigen Zentimeter zwischen ihnen für einen Kuss. Spielerisch biss er Sasuke in die Unterlippe und leckte darüber. Sasuke erwiderte den Kuss, die Hände inzwischen auf Narutos Hüften. Ihre Küsse wurden schnell feuriger und Naruto entkam ein Keuchen, als Sasuke ihn fester an sich presste. „Ich dachte, wir warten bis im Hotel“, brummte er, die Münder nur Millimeter voneinander entfernt. „Wieso?“ Naruto zuckte die Schultern. „Ich hät nich gedacht, dass draußen dein Ding is… Spießer“, grinste er mit blitzenden Augen. „Ich habe einen Ruf zu verlieren.“ „Ich weiß.“ Narutos Hand in seinem Nacken hinterließ eine warme Gänsehaut. „Dann lass uns gehen.“ „Ungeduldig?“ „Sehr.“ Narutos unverhohlene Ehrlichkeit machte Sasuke noch immer manchmal sprachlos, aber er mochte sie. Er war selbst so – wenn er es sich erlauben konnte. Sasukes Blickflog über die Zikadenstille des Parkplatzes, auf dem nur noch sein Auto stand. Allerdings hatten sie genau in der Mitte unter einer Laterne geparkt. „Fahr da hinter“, nickte er zu einer abgelegeneren Stelle am Ende des Parkplatzes. „Eh?!“ „Oder willst du ins Hotel?“ Narutos Gesicht flammte auf, aber er stieg ins Auto. Sasuke legte die Hand auf sein Knie, als er nach dem Schalthebel griff. Naruto zuckte zusammen und ließ die Kupplung schnalzen. „Vorsicht“, schnalzte Sasuke mit der Zunge, ohne die Hand zurückzuziehen. „Das haste doch absichtlich gemacht!“, funkelten blaue Augen ihn empört an und brachten ihn zum Grinsen. „Fahr jetzt.“ Seine Fingerspitzen erkundeten den Stoff von Narutos Jeans. Darunter spürte er den Muskel, der sich bewegte, wenn Naruto aufs Gas trat. Sasuke folgte der Bewegung nach oben, bis seine Hand den Schritt erreichte. „Fuck, Sasuke…“ „Was?“, fragte er unschuldig, die flache Hand langsam über den Stoff reibend. „Du kannst es ja kaum erwarten!“ Ohne zu antworten, zog Sasuke den Reißverschluss runter. Naruto machte ein überraschtes Geräusch, als er plötzlich eine Hand in der Hose hatte. Sasuke nahm es als Einladung, mit den Fingerspitzen über die Boxershorts zu kreisen, unter denen er die Konturen des langsam härter werdenden Schwanzes spürte. Ziemlich ruckartig parkte Naruto das Auto an einer dunklen Stelle des Parkplatzes. „So wichtig scheint dir die Sicherheit der Karre doch nich zu sein, Alter.“ Sein Griff verfestigte sich um Narutos Schwanz um zu zeigen, was passiert wäre, hätte das Auto Schaden genommen. Seltsamerweise erschien Narutos Schlucken eher erregt als beängstigt. „Fahr den Sitz zurück.“ Hastige Finger tasteten nach dem Hebel, der Sasukes Befehl ausführte. Sein Blick huschte nochmal über den Parkplatz, bevor er sich über Naruto beugte. Als er die Boxershort runterschob, hob sein Penis sich ihm erwartungsvoll. Naruto fluchte, als Sasuke seinen Schaft umfasste, um an der Spitze zu lutschen. Er schmeckte ihn, warm und lüstern, und er wollte mehr davon. Langsam schloss Sasuke den Mund weiter um ihn, bis er blondes Schamhaar an der Nase spürte. Narutos leises Keuchen spornte ihn an, fester zu saugen, bis er Bitterkeit schmeckte. „Man… Das sollte doch eigentlich dein Tag sein“, keuchte Naruto halb lachend. Sasuke löste sich, ließ die Fingerspitzen sanft über Narutos Schaft gleiten und funkelte ihn an. „Was meinst du? Ich genieße jede Sekunde… Aber ich kann auch aufhören.” “Bloß nicht!”, schnaufte Naruto. Er legte die Hände um Sasukes Gesicht, um ihn in einen Kuss zu ziehen, dessen Süße angesichts der Umstände überraschte. Sasuke bewegte die Lippen ebenso sanft wie die Hand, kostete das Gefühl voll aus. Seine freie Hand wanderte in Narutos Nacken, hielt ihn bei sich. Er würde ihn nicht gehen lassen. Er wollte das hier nicht gehen lassen. Mit einem leisen Schmatzen teilten sich ihre Lippen. „Gleitgel?“ „Wa… Oh, äh, ja. Hinten in der Badetasche.” Sasuke schnalzte die Zunge über die schlechte Vorbereitung. Er ignorierte Narutos Beschwerde, als er ausstieg. Erst beim Laufen merkte er, dass er völlig hart war – nur von Narutos Geschmack. Irgendwas machte dieser Mann doch mit ihm. Sekunden später war er wieder vorne und drückte Naruto die Tube in die Hand. Dieser sah sprachlos zu, wie er sich aus der Hose wand. Sasuke konnte selbst nicht so recht glauben, was er da tat. Er war doch nicht mehr 20! Und zog sein ganzer Körper vor Lust, als er auf Narutos Schoß stieg, die Hände in seinem Haar vergrub und die Zunge in seinen Mund schob. Endlich fanden Narutos Hände seinen Körper, umfassten seinen Arsch, massierten ihn. Seine Begierde war deutlich, als er Sasuke rotbäckig ansah. „Uh… Willst du wirklich hier?“ „Nein. Ich bin auf deinen Schoß geklettert, weil ich es nicht will.” „Arsch!“, knurrte Naruto und zwickte ihn in den Arsch. Ganz weg war seine Verlegenheit aber noch nicht. „Ich meinte nur, weil du deine Karre doch so liebst und wenn sie dreckig wird…“ Sasuke schnaubte amüsiert – aber auch ein wenig berührt davon, dass Naruto sich solche Gedanken machte. Er küsste ihn und streichelte ihm durch die Haare. „Dann musst du dafür sorgen, dass es nicht dreckig wird“, sagte er leise. Sein kleiner Blondschopf wurde rot von der Implikation, nickte dann aber entschlossen. „U-und wie willst du es?“ Die Frage war berechtigt, denn bisher hatte Sasuke immer den aktiven Part übernommen. „Ich will, dass du mich fickst, Naruto.“ Naruto rutschte unter ihm herum und Sasuke spürte seinen Schwanz gegen sich drücken. Er hatte keine Ahnung, wie lang es her war, hatte sich vorher keine Gedanken darüber gemacht, aber er wollte ihn in sich spüren. Jetzt. Er griff nach dem Gleitgel, das er vorhin auf den Beifahrersitz gelegt hatte, und drückte es Naruto in die Hand. Dann beugte er sich vor, um in Narutos Ohr zu beißen. „Los.” Ein atemloses Lachen entkam Naruto, als er dessen Backen teilte und über sein Loch rieb. Er murmelte etwas davon, dass er doch Sasuke hatte verwöhnen wollen – aber das tat er doch. Sasukes Muskeln zuckten unter den Fingern erwartungsvoll, die sich in ihn schoben. Er legte die Arme um Narutos Hals und den Kopf an seine Schulter. Naruto hatte ihn schon gefingert, aber in dem Bewusstsein, dass es diesmal weitergehen sollte, war es anders. Besser, stellte er fest. Sasuke stieß die Hüften nach hinten, um Naruto zu animieren. „Ich steh drauf, wenn du so ungeduldig wirst“, lachte Naruto und biss ihn sacht ins Ohr. „Dann hör auf, rumzuspielen, und finger mich richtig.“ Naruto lachte, aber Sasuke spürte sofort seinen zweiten Finger an seinem Loch, der über den Muskelring rieb, bis dieser nachgab. Zuerst war Naruto vorsichtig. Sasuke hatte ihn das selten tun lassen und noch nie mit dem Ziel, weiterzugehen. Er wollte keine Grenzen überschreiten. Doch Sasukes Stöhnen und seine willige Körpersprache gaben ihm schnell Selbstsicherheit. Er bewegte die Finger scherenförmig, um ihn zu weiten, stieß sie mal schnell, mal langsam in ihn. Seine freie Hand massierte seinen Arsch. Sasuke hätte es nie zugegeben, aber jedes Mal, wenn Naruto ihm einen Klaps gab, wurde sein Schwanz feuchter. Gut, dass Naruto es selbst merkte. Sasuke war verschwitzt und rotgesichtig, als er: „Stopp“, keuchte. Naruto gehorchte sofort. Kurz kam er zu Atem, dann beugte Sasuke sich leicht seitlich, um die Lehne runterzufahren. Naruto quietsche überrascht, hörte aber schnell auf, sich zu beschweren, als Sasuke nach seinen Schwanz griff und ihn zu seinem Loch führte. Er biss sich auf die Unterlippe, als die Eichel seinen Muskelring dehnte. Er hatte das so lange nicht gemacht, trotzdem hatte das Ziehen etwas Vertrautes. Er spürte, wie die Hitze ihn ausfüllte, je weiter er sich nach unten sinken ließ. Es brannte. Es… „Baby, warte.“ Narutos Hände lagen auf Sasukes Hüften, hielten ihn in Position. Sein Gesicht war rot, aber es waren seine Augen, die am meisten glühten – vor Begierde. „Mach langsam.“ Sasuke schluckte. Er hatte nicht gemerkt, wie angespannt er gewesen war. Tief durchzuatmen, löste seine Muskeln, und als Naruto die Hände auf sein Gesicht legte, und mit dem Daumen seine Wange streichelte, während er ihn küsste, hätte er schmelzen können. Ihre Lippen lagen noch aufeinander, als er anfing, sich langsam auf und ab zu bewegen. Naruto entkam ein knurrendes Stöhnen. Seine Zähne schabten über Sasukes Lippen und er zischte warnend, zog sich aber nicht zurück. Stück für Stück arbeitete er sich weiter runter, bis Naruto ganz in ihm war. „Wow“, keuchte Naruto fast andächtig. Seine Augen waren geschlossen, sodass Sasuke die von Sonne und Salz gebleichten Wimpern auf seiner gebräunten Haut sehen konnte. Er beugte sich vor, um sie zu küssen. Als er sich zurückzog, blinzelten ihm blaue Augen verlegen zu. „Das war jetzt unerwartet süß.“ Sasuke schnaubte und hob probehalber das Becken, womit er Naruto ein Stöhnen entlockte. Es war ungewohnt, so voll zu sein, aber er genoss das Gefühl und Narutos Erregung machte ihn selbst an. Sein Arsch klatschte immer wieder gegen Narutos muskulöse Schenkel, während er sich tief in ihn bohrte. Sein eigener Schwanz wippte im Takt. Die Spitze rieb ab und zu über Narutos Buch und verteilte Feuchtigkeit auf der gebräunten Haut. Er neigte das Becken ein wenig und Narutos Griff verfestigte sich um Sasukes Hüfte. Als Sasuke zufrieden schnaubte, funkelten Naruto ihn herausfordernd an. „Brauchst gar nicht so grinsen. Nächstes Mal besorg ich’s dir richtig.” „Wer sagt, dass du das je wieder darfst?“ „Der hier“, grinste Naruto und griff nach Sasukes hartem, pulsierendem Schwanz. Sasuke stöhnte, als er anfing, ihn zu wichsen. Seine Hand wanderte in Narutos Nacken, wo sie sich in das dicke Haar krallte. Seine Beine zitterten ein wenig von der Anstrengung, aber er bewegte sich schneller auf und ab. Sein Lock schmatzte feucht, wenn es Naruto gierig schluckte. „Genau so, Baby. Stoß ihn dir schön tief rein“, keuchte Naruto. Er hob ihm die Hüften entgegen und massierte mit der freien Hand Sasukes Arsch. „Fuck… Sasuke, darf ich in dich spitzen?“ Sasuke biss sich auf die Lippe. Sie mussten noch nach Hause und es konnte sein, dass er Sarada sah. Aber… „Ja.“ “Echt?” Narutos Augen leuchteten, als Sasuke nickte. „Shit, du bist so geil.“ Naruto zog ihn enger an sich, sodass Sasuke nach hinten gegen das Lenkrad kippte. Die Hände auf seinen Hüften, fing er an, fester in ihn zu stoßen. Stöhnend kam er ihm entgegen. Seine eigene Hand lag auf seinem Schwanz, der pochend den nahen Orgasmus ankündigte. „Gleich, Baby…“ Naruto rieb sich schneller härter, unkontrollierter in ihn, bis er sich grunzend an Sasuke presste und seinen Saft in ihn spritzte. Sasuke wimmerte auf, als er selbst nur Sekunden später in seiner Hand kam. Dabei gaben ihm endgültig die zitternden Beine nach. Sein Arm rutschte ab und traf die Hupe, deren lautes Grölen ihn fast von Narutos Schoß hätte springen lassen. Schockiert sahen die beiden sich an, bevor Naruto in schallendes Gelächter ausbrach. „‘Ich komme‘ hätte es auch getan.“ „Idiot“, sagte Sasuke selbst grinsend. Er legte beide Hände auf Narutos Wangen und küsste ihn. Der Geruch von Sonne und Meer und Naruto und sein Geschmack auf den Lippen entspannten jeden Muskeln in Sasuke. Raue Hände streichelten seine Seiten, hinterließen auf ihrem Weg zu seinem Nacken eine sanfte Gänsehaut und spielten mit seinem Haar. Sie saßen in seinem Auto auf einem abgelegenen Parkplatz und Sperma lief ihm aus dem Arsch und doch fühlte er sich irgendwie… Angekommen. „Sasuke, ich…“ Naruto lehnte die Stirn an die von Sasuke. Er sah seine Salz- und sonnenblonden Wimpern auf der braunen Haut, dann schloss er die Augen. „Ich weiß, du stehst nicht auf so Zeug, aber… Ich habe mich echt ziemlich in dich verknallt.“ „Ach was“, sagte Sasuke ironisch. „Hey, ich schütte dir hier mein Herz aus, Arsch!“ „Ich weiß.“ Sasuke strich ihm über die Wange, die ziemlich warm wurde. „Und ich bin glücklich darüber. Ich… Habe mich nur so an das Allein-Sein gewöhnt, dass ich nicht mehr wusste, wie es sich anfühlt, wenn es mit jemandem gut läuft.” Naruto klebte an seinen Lippen, aber es fiel Sasuke schwer, weiterzusprechen. Bestätigend rieb Naruto ihm über die Hüften. „Ich hatte außer Sakura noch nie einen festen Partner, aber mit dir zusammen zu sein ist… Wie es sein sollte.“ Er wusste es einfach. Er sah in diese wunderschönen blauen Augen und die Wärme darin spülte die letzten Zweifel weg. „Und wenn du bereit dazu bist, will ich mit dir zusammen sein. Keine eingelegten Bremsen mehr, einfach… Ein normales Paar.“ „Du bist kitschiger, als man meinen könnte“, schniefte Naruto mit einem dümmlichen Grinsen und ein paar Tränen in den Augen und dann küsste er zum ersten Mal seinen frischgebackenen Freund. I’m not great at love, but I’m open And out of all of the prayers out there, mine was chosen You’re unbelievable How can I trust this? I can’t even find the words Kapitel 16: Igel ---------------- Up come my fists And I say I’m only playing but The truth is this I’ve never seen a mouth that I would kill to kiss And I’m terrified, but the truth is this… Finally I Beautiful stranger – Halsey Irgendetwas neben Sasuke strahlte eine unangenehme Hitze aus. Blinzelnd öffnete er die Augen – und wurde von einem blonden Haarwust begrüßt. Ah. Richtig. Naruto. Sein fester Freund. Er kam sich albern vor, dass sein Herz bei dem Gedanken schneller schlug. Er war 33, wirklich zu alt für so etwas. Aber es war eine Tatsache, dass Naruto ihn einfach unglaublich glücklich machte. Er war für ihn da, selbst wenn er nicht wirklich eine Lösung für seine Probleme hatte, er brachte ihn zum Lachen, selbst wenn er schlecht gelaunt war und er schien ihn auf einer Ebene zu verstehen, die Sasuke nie für möglich gehalten hätte. Und zu all dem war er sein erster richtiger ‚Freund‘, den man als solchen bezeichnen konnte. Sasuke hatte ein paar langwierigere Affären gehabt, aber nie etwas Ernstes. Er hatte keine Zeit… Und er hätte vor demselben Dilemma gestanden wie jetzt: Wie erklärte er es seiner Familie? Also war er jedes Mal abgehauen, bevor irgendetwas daraus hatte werden können. Wenn er ehrlich war, war er aber nicht traurig darüber, denn es hatte sich nie angefühlt wie jetzt bei Naruto. So natürlich richtig. Selbst wenn sie stritten, selbst wenn sie anderer Meinung waren. „Ich wusste gar nicht, dass du so anhänglich bist.“ Sasuke löste sich ein bisschen, um Naruto ansehen zu können. Sein Versuch, ihm das Haar glatt zu streichen, scheiterte glorreich. Der Kuss, den er ihm gab, funktionierte dagegen umso besser. „Konntest du nicht schlafen?“ „Doch, schon.“ Naruto war ein bisschen rot. „Ach man, sei nicht so süß, wenn ich dich ärgern will.“ Sasuke schnaubte amüsiert und küsste Naruto nochmal. „Ich habe mir umsonst Gedanken gemacht. Ich bin auch darin, eine Beziehung zu führen, ein Naturtalent.“ „Du arroganter Sack!“, lachte Naruto und warf sich auf Sasuke, um ihn zu kitzeln. Der wehrte sich gegen ihn und ein kleines Gerangel entstand, bis Naruto auf seinem Schoß saß. Sasuke ließ die Hände über Narutos nackte Brust und seine Seiten wandern, bis er seine Hüften erreichte. Er genehmigte sich einen ausgiebigen Griff um Narutos Arsch. Der Blonde keuchte leise, was Sasuke dazu veranlasste, die kräftigen Backen zu massieren. Sie hatten es gestern nochmal gemacht, als sie in Sasukes Wohnung gekommen waren, trotzdem rieselte erneut Erregung durch seinen Körper. Sacht stieß er das Becken nach oben. Naruto kam ihm entgegen und beugte sich zu ihm runter, um ihn zu küssen. Der knackige Arsch an seinem Schwanz, die Hände auf seiner Brust ließen Sasukes Körper kribbeln… Oder war es doch etwas anderes? Plötzlich merkte er, dass er sich beobachtet fühlte, und öffnete die Augen. Sein erster Blick ging zur Tür, in der er fast Sarada erwartete, aber zum Glück war dort niemand. „Was?“, fragte Naruto verdutzt. „Nichts. Ich dachte nur… Ah“, zuckte er zusammen, als er doch entdeckte, wessen neugierige Augen er da gespürt hatte. Kurama saß hockte am Bettende, die klugen Augen auf die beiden Männer fixiert. Sasuke hatte öfter das Gefühl, der Kater wüsste ganz genau, was um ihn herum vorging. Er wusste noch, wie das Biest sich am Anfang ihrer Affäre hereingeschlichen und des Morgens auf sein Gesicht gelegt hatte. Naruto hatte über die Vorwürfe gelacht, aber Sasuke war nach wie vor überzeugt, das Tier hatte ihn mit Absicht ersticken wollen. „Huh… Oh, da bist du ja, Baby“, gurrte Naruto und lockte Kurama aufs Bett. Er streichelte die Katze zwischen den Ohren, die es sich schnurrend bequem machte. Stirnrunzelnd sah Sasuke zu, wie Naruto mit seiner Katze schmuste. Man merkte ihm an, dass er Kurama über alles liebte, und wen wunderte es? Er war schließlich das letzte Geschenk von Narutos an seinen Sohn. Schließlich bemerkte Naruto, dass er beobachtet wurde. „Was?“ „ich hatte mir den Morgen anders vorgestellt.“ „Ach, wirklich?“ Naruto grinste und hob Kurama hoch. Er kraulte ihn am Bauch, was der Kater entgegen des Klischees liebte. Was er weniger liebte, war, dass sein Herrchen ihn vor der Tür absetzte und diese hinter ihm schloss. „Dann zeig mir mal, was du dir vorgestellt hast.“ Und das tat Sasuke. Es war riskant, da er nicht wusste, was Sakura und Sarada heute vorhatten. Seine Tochter hatte einen Schlüssel und könnte das kleine Intermezzo peinlich enden lassen. Aber sie hatten Glück. Nun, bis sie danach duschen wollten. Im Badezimmer wurden sie von einem beißenden Gestank fast umgeworfen. Sasuke würgte und Naruto wirbelte fluchend herum. „Du kleines Mistvieh!“, schimpfte er Kurama, der sie höchst zufrieden vom Sofa aus beobachtete. Da er sein angerichtetes Chaos jetzt gesehen hatte, streckte der Kater sich genüsslich und schlüpfte durch die offene Tür der Dachterrasse. Er hatte einen Weg gefunden, um über die Dächer des Hotels zum Innenhof zu kommen und seitdem tauchte er bei Sasuke auf, wann es ihm gefiel. Bisher hatte ihn das nicht gestört. Aber bisher hatte sein Bad auch nicht gerochen wie eine Kloake. „Tut mir leid, ich kümmer mich drum“, grummelte Naruto und holte den Mopp aus der Abstellkammer. Obwohl er Sasuke versicherte, das alleine zu übernehmen, packte der den Badezimmerteppich in die Waschmaschine, während Naruto den Boden wischte. Später standen sie zusammen unter der Dusche, die jetzt noch nötiger war. Naruto lehnte die Stirn an die von Sasuke und lachte leise. „Was für ein toller Start für uns beide.“ „Fand ich auch.“ Seine Ernsthaftigkeit ließ Naruto aufblicken. Die Wärme, die Sasuke spürte, als er ihm so nah war, dass er die einzelnen Wassertropfen an seinem blonden Bart sehen konnte, war nicht sexuell. Sie füllte ihn aus und er lehnte sich in einen Kuss, um ein bisschen davon zurückzugeben. Er war so glücklich wie noch nie, und daran ändere ein bisschen Katzenurin auf dem Teppich nicht das Geringste. „Wie lange willst du noch bleiben?“ „Hast du mich schon satt?“ Sakura erwiderte Sasukes Blick, bevor sie anfing zu kichern. „Oh, schau nicht so. Das war ein Scherz!“ Seufzend trank er einen Schluck Kaffee. Sie saßen an einem Café am Strand. Zwischen den retro-schicken Polstermöbeln raschelten Palmen in der Brise, und Schlingpflanzen an der Laube über ihnen hielten die Nachmittagssonne ab. Neben ihnen waren ein sonnenverbranntes Touristenpaar und eine über ein Notizbuch gekrümmte junge Frau die einzigen Gäste. Inzwischen näherte die Saison sich dem Ende, außerdem waren am späten Nachmittag die meisten Leute am Strand oder zogen sich in ihren Unterkünften für das Abendessen um. Ihre Tochter gehörte zur ersten Sorte. Durch die Gläser seiner Sonnenbrille mit Stärke beobachtete Sasuke sie auf dem Surfbrett. Obwohl er nicht viel Erfahrung hatte – ihre Surfstunde hatten er und Naruto seither nur einmal wiederholen können – sah er, dass sie eine der besten Schülerinnen war. Naruto sagte, dass man ihr auf dem Brett nicht ansah, dass das ihre erste Saison war. Dann glühte Saradas Gesicht immer vor Stolz. Sasuke war froh, dass die beiden sich so gut verstanden. Genauso hätte Sarada ihn als Bedrohung für die Zeit mit ihrem Vater oder als Grund für die Trennung ihrer Eltern sehen können. Natürlich war Naruto einfach gut mit Menschen. Darauf wies Sarada ihren Vater hin, wenn sie versuchte, ihn zu überreden, Sakura von seiner Beziehung zu erzählen. Sie würden weiterhin gut miteinander auskommen, glaubte seine Tochter. Und vermutlich hatte sie Recht. Seine Exfrau und sein Freund (es war noch komisch, als solchen von Naruto zu denken) verstanden sich blendend. Nachdem Sarada ihre Mutter zu einer Surfstunde mitgeschleppt hatte, waren die beiden zusammen etwas trinken gegangen. Seither waren sie praktisch die besten Freunde. Sasuke wusste nicht so recht, was er darüber denken sollte. Sakura wusste nicht, mit wem sie sich da gerade anfreundete, und es war nie gut, mit verdeckten Karten zu spielen. Er wollte nicht, dass sie seinetwegen erneut verletzt wurde. Und er wusste, dass ihr Verhalten Naruto gegenüber sich ändern würde, wenn sie von ihrer Beziehung erfuhr. Sasuke hatte keinen Zweifel daran, dass sie über ihn hinweg war. Aber sie bauten sich ihr freundschaftliches Verhältnis gerade erst auf, nach einem halben Leben enttäuschter Erwartungen. Vielleicht war es zu viel, sie so bald mit seinem neuen Glück zu konfrontieren. "Ich habe diese Woche noch frei. Eigentlich müsste ich Samstag schon heim, um noch ein bisschen aufzuräumen." Sie verzog das Gesicht bei dem Gedanken an Hausarbeit. Sasuke konnte sich noch eine Zeit kurz nach ihrer Hochzeit erinnern, als sie regelrecht in der Rolle der Hausfrau aufgegangen war. Sie hatte es genossen, dieses Schauspiel für ihn aufzuziehen - und vermutlich auch für sich selbst. Irgendwann war sie dessen müde geworden. „Sie haben schon wieder eine Razzia durchgeführt“, wechselte Sakura das Thema. Sie hatte durch die Gläser ihrer pink getönten Sonnenbrille einen Zeitungsbericht auf ihrem Handy gelesen. „Aber sie finden immer nur Einzeltäter, die nie das ganze Netzwerk entlarven.“ In der letzten Woche hatte Sasuke davon nichts mitbekommen, weil er mit seiner Familie beschäftigt war. Dass es sofort wieder Thema wurde, gefiel ihm nicht. Wenn sie keine Antwort von ihm bekam, plapperte Sakura oft einfach drauflos. Die Angewohnheit hatte sie nach all den Jahren noch immer. „Sie glauben, dass der Drogenring Saisonarbeiter als Kuriere nutzt, die nicht tief in den Systemen drin sind und wieder verschwinden. So gibt es nicht viele Anknüpfungspunkte zu den Drahtziehern.“ „Klingt nach Sommerloch“, meinte er. „Sie haben nichts anderes zu erzählen und hängen sich daran auf.“ „Ich weiß nicht. Dafür scheint mir die ganze Sache schon zu lange zu gehen.“ „Kann sein.“ Sakura senkte den Kopf, um ihn über den Rand ihrer Brillengläser hinweg ansehen zu können. „Sarada meinte, dass im Sensu jemand verhaftet wurde. Ist da noch was rausgekommen?“ Ach, verdammt nochmal. Sasukes Kiefer spannte sich an. Er konnte nicht erwarten, seine Privatsphäre mit einer 13-Jährigen so zu wahren wie zuvor. Es war schon beeindruckend, dass sie die Sache mit Naruto für sich behalten hatte. Aber das konnte er gerade nicht gebrauchen. Bilder von Polizisten in seinem Büro, von Blaulicht vor seinem Hotel, von Orochimaru, von diesem Barjungen, diesem Rapper kamen ihm in den Sinn, die er nicht sehen wollte. Nicht jetzt, wo gerade alles so gut lief. „Ich habe nichts weiter gehört.“ Bevor Sakura die Arbeit der Ermittler übernehmen konnte, unterbrach sie ein lauter: „Hey!“ Narutos und Saradas Haar glänzte noch nass von der Brandung. Während Sasuke sich um die Rechnung kümmerte, stellte Sakura besorgt fest, dass ihre Tochter einen leichten Sonnenbrand bekommen hatte. Sie versuchte, das Mädchen davon zu überzeugen, sie jetzt sofort mit Aloe Vera einschmieren zu lassen – „Das ist der Einstieg für Hautkrebs!“ – aber Sarada weigerte sich. Sie diskutierten noch, als die Familie das Café verließ. Naruto und Sasuke liefen hinter den beiden und warfen sich Blicke zu, während sie versuchten, ihr Lachen zu unterdrücken. „Du solltest wirklich auch mal an den Stunden teilnehmen“, sagte Naruto, um sie abzulenken. „Sarada hat doch gesagt, dass es sie nicht stören würde.“ „Ich muss arbeiten.“ „Ach was, du hast Kaffee getrunken!“ Sasuke hielt seine Laptoptasche hoch. „Ich treffe mich jetzt für eine Besprechung.“ Naruto runzelte die Stirn und öffnete den Mund, wurde aber von einer Stimme unterbrochen: „Was für eine bezaubernde Familie Sie haben, Sasuke.“ Dieser wandte sich Orochimaru zu, der eine der Querstraßen herunterkam. Seine graue Hose wurde von einem Gürtel mit auffälliger Schnalle in Schlangenform gehalten. Darüber trug er ein lilanes Hemd. „Sie müssen die Mutter unserer kleinen Prinzessin sein. Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen“, begrüßte er Sakura. „Oh… Ähm, ganz meinerseits.“ Sie warf Sasuke einen hilfesuchenden Blick zu, der erklärte: „Das ist Orochimaru, ein Geschäftspartner. Einer der beliebtesten Nachtclubs in Konoha gehört ihm, das Otogakure.“ „Wir treffen uns, um das nächste gemeinsame Event zu planen. Ich hoffe doch sehr, du wirst uns wieder tatkräftig unterstützen“, lächelte Orochimaru Naruto an. „Ich werde dabei sein.“ Sasuke runzelte die Stirn über den kühlen Ton seines Freundes. Als sie zuletzt gesprochen hatten, schienen sie gut genug miteinander auszukommen. Darum würde er sich später kümmern. „Das habe ich mir bereits gedacht.“ Der alte Mann ließ seinen Blick zwischen Naruto und Sasuke schweifen. Der Hotelier wusste nicht, ob es paranoid von ihm war, aber er hatte das Gefühl, der Alte wolle damit andeuten, dass er Bescheid wüsste. „So ungerne ich Sie von Ihrer bezaubernden Familie trenne, würde ich vorschlagen, wir kommen zur Sache. Ich habe später noch andere Termine“, sagte Orochimaru und wies die Straße entlang zu dem Restaurant, das sie stets zusammen besuchten. Als Sasuke sich von den dreien verabschiedete, berührte Naruto kurz sein Handgelenk. Es war eine beiläufige Berührung, doch als er sich Orochimaru zuwandte, schienen dessen Augen auf den Kontakt fixiert. So wunderte es Sasuke nicht, als sein Geschäftspartner auf dem Weg zum Restaurant: „Sie und Herr Uzumaki scheinen sich nahezustehen“, sagte. „Er hat sich als verlässlicher Mitarbeiter herausgestellt.“ „Den Sie Ihrer Frau und Ihrem Kind vorstellen?“ Lächelnd wies er Sasuke einen Sitzplatz. „Freunde sind nichts, für das Sie sich schämen müssten, Sasuke.“ „Das tue ich nicht.“ Ein schwarz gekleideter Kellner trat an ihren Tisch. Sasuke hatte es noch nie gemerkt, aber in diesem Restaurant hatten alle Angestellten dunkles Haar und waren überaus attraktiv. Nun war es nicht selten, dass gutaussehende Menschen im Service arbeiteten. Er selbst achtete darauf, dass seine Angestellten sich gepflegt präsentierten. Nichts, über das er weiter nachdenken müsste – wäre ihm da nicht ein gewisser hübscher, dunkelhaariger Junge eingefallen, der im Oto arbeitete. „Wir nehmen…“ „Ich brauche nichts“, wehrte Sasuke ab. „Nicht doch, ich bestehe darauf.“ „Ich bin versorgt.“ Völlig überfordert flüchtete der Kellner – sie können später bestellen, wenn er zurückkäme, sagte er. „Über was wollen Sie sprechen?“, ließ Sasuke Orochimaru keine Zeit, auf Privates zu sprechen zu kommen. „Ich hatte gesagt, dass Naruto die Organisation aller Events übernimmt.“ „Richtig. Herr Uzumaki steckt in letzter Zeit in vielen Angelegenheiten.“ Das kalte Lächeln des Alten verspannte alle Muskeln in Sasukes Nacken. „Er hat sich als verlässlicher Mitarbeiter erwiesen“, rechtfertigte er sich wider besseren Wissens. „Und das, wo er nie eine Ausbildung beendet hat.“ „In manchen Dingen kommt es auf das Gefühl an.“ „Das sahen Sie früher ganz anders.“ „Menschen verändern sich.“ „So sagt man.“ Der Kellner trat heran, um Sasuke Wasser und Orochimaru Wein einzuschenken. Beide griffen nach ihrem Glas, ohne zu trinken. „Die Frage ist, wieso sie das tun“, fuhr der Alte fort, als sie alleine waren. „Und ob es zu ihrem Besten ist.“ „Das bestimmen sie selbst.“ „Ihre Familien haben da oft auch Meinungen.“ Orochimaru hob zufrieden lächelnd das Glas, als er sah, dass sein Schlag getroffen hatte. Er genoss den Wein auf der Zunge, ehe er sagte: „Und Sie haben so eine bezaubernde Familie. Die junge Sarada scheint ein kluges Kind zu sein. Ganz die Eltern.“ „Ja. Ich bin froh, sie hier zu haben.“ „Das verstehe ich. Die Verbindung von Vater und Tochter ist so etwas Besonderes – und zerbrechlich, nicht wahr.“ „Nicht, wenn man offen ist.“ „Nun, da wissen Sie besser Bescheid als ich… Und ihre Mutter! Eine schöne Frau, ohne Frage. Stehen Sie sich nahe?“ „Langsam wieder.“ Orochimaru trank noch einen Schluck. „Wunderbar! Sie scheinen diese Saison viele persönliche Beziehungen verbessert zu haben. Und das während der vielen Arbeit. Sie beeindrucken mich, Sasuke.“ „Es war Zeit dazu.“ „Ich bin sicher, Sie sind mehr als geeignet dazu, sie vor den verrückten Dingen zu schützen, die in letzter Zeit in Konoha vor sich gehen.“ Nicht das schon wieder. Sasuke stellte sein Glas weg. „Wenn Sie über Privates sprechen wollen…“ „Oh, ich spreche über das Geschäft, und ich glaube, das wissen Sie auch.“ Die dunkel geschminkten Augen des Clubbesitzers fixierten ihn. „Wenn das so weitergeht, wird es Auswirkungen auf Konohas Attraktivität als Touristenziel haben. Ich meine, inzwischen gibt es sogar Gerüchte über einen Ring, der mit sexuellen Videos Minderjähriger handeln soll.“ „Kinderpornografie?“ Davon hatte Sasuke noch gar nichts gehört, und ihm wurde eiskalt bei dem Gedanken. Er schob den Gedanken an dunkles Haar und eisblaue Augen so weit weg wie möglich. „Sie sehen mitgenommen aus, Sasuke.“ Orochimaru tätschelte beruhigend Sasukes Hand. „Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Tochter. Sie verkehrt nicht in solchen Kreisen.“ Wieder dachte er an Menma, und sein: „Ja…“, war kaum zu hören. Der Junge war sehr freizügig gekleidet, aber Sasuke hatte das der Ästhetik des Otogakure und seiner jugendlichen Emo-Phase zugeschrieben. Und doch meinte er, sich schwach daran zu erinnern, wie der schlanke Körper des Jungen sich unter seine Schulter geschoben hatte, um ihn die Treppe rauf zu stützen. „Sicher haben Sie davon gehört, dass die Polizei Saisonarbeiter stärker prüfen möchte“, unterbrach Orochimaru seine Gedanken. „Das unterstütze ich. Man weiß schließlich nie, wer hier so angespült wird, nicht wahr.“ „Nein“, stimmte Sasuke nachdenklich zu. Er kannte Narutos Vergangenheit, aber was hieß das schon? Menschen logen, oder erzählten nur das, was sie andere wissen lassen wollten. Davon konnte er ein Lied singen. Und, dachte er mit kribbelndem Nacken, wäre es nicht praktischer für einen Dealer, mit einem Hotelier zu schlafen? Die neuen Kunden beschafften sich praktisch von selbst und im Sensu konnte man sich darauf verlassen, dass sie Geld hatten. „Sie verstehen also, dass ich in Zukunft wieder mit ihnen sprechen werde. Da ist einfach die persönlichere Note.“ Orochimaru stand auf und winkte dem Kellner. „Sie sagten, Sie seien beschäftigt. Dann will ich Sie nicht weiter aufhalten.“ Er ging und Sasuke wünschte plötzlich, er hätte vorhin doch Wein bestellt. Der Heimweg war ermüdend lang, und als er im Hotel ankam, lag seine Wohnung überraschend leise im Licht des frühen Abends. Sakura und Sarada waren zusammen unterwegs, während Naruto eine reiche Touristengruppe darauf einstellte, sie durch die Clubs der Stadt zu leiten. Komisch, wie schnell er sich an den Trubel gewohnt hatte. Er beschloss, die Stille in Arbeit zu ertränken. Das gelang einige Stunden ziemlich gut, bis ihm etwas auffiel. Die Zahlen, mit denen er sich beschäftigte, konnten nicht stimmen. Aber so oft er sie gegenprüfte, er kam immer wieder zu demselben Ergebnis: Seit dem letzten Monat war die Stornierungsrate für Zimmer im Sensu gestiegen. Er versuchte, es sich mit der endenden Saison zu erklären, aber als er den Zeitraum der letzten Jahre ansah, erkannte er dort keinen solchen Trend. Er klappte den Laptop zu und rieb sich die Augen. Morgen würde er das nachverfolgen und mit seinem Vater besprechen, aber jetzt konnte er keine einzige Zahl mehr lesen. Er griff nach seinem Handy und sah, dass Naruto ihm ein paar verwackelte Fotos und Videos geschickt hatte. Lächelnd sah er seinem tanzenden Freund zu, der in die Kamera brüllte, obwohl man ihn kaum verstand. Zwischen den Nachrichten waren mindestens zehn Emojis, die den Inhalt erklären sollten. Die letzte war klar genug: „Komm her!“, mit Herzaugen und flehendem Smiley. „Wo seid ihr?“, schrieb Sasuke zurück. Sekunden später klingelte sein Telefon. „Sollst du dich nicht um deine Gäste kümmern?“, nahm Sasuke ab. „Ich kann doch nich meinen Chef ignorieren!“, schrie Naruto. Durch den Bass der Musik hörte man ihn trotzdem kaum. Gerade spielte Tainted Love in einem Remix, dessen spezieller Sound Sasuke ahnen ließ, wo sein Freund war. „Das Oto?“ „Ja!“ Ein Klacken war zu hören, dann war die Musik gedämpfter. „Was ist los? Stressiger Tag?“ „Wie kommst du darauf?“ „Als hättest du mal freiwillig Spaß!“ Naruto lachte, aber Sasuke hörte ehrliche Sorge aus seiner Stimme. „War was mit dem Alten?“ Er hatte ja keine Ahnung – und das konnte auch so bleiben. „Ja. Ich will gerade nicht darüber reden.“ „Es würd dir aber gut tun! Komm schon.“ Sasuke massierte sich den Nasenrücken. Naruto konnte einfach kein ‚Nein‘ akzeptieren. Dennoch hatte Sasuke Sehnsucht nach ihm – und zwar nicht (nur) körperlich. Er wollte sein Lächeln sehen, von ihm hören, dass alles gut würde. Denn Naruto hatte so ein Urvertrauen darin, dass alles schon irgendwie klappen würde, dass er ihm nur glauben konnte. Und das brauchte er gerade. „Ich bin in zwanzig Minuten da.“ Naruto war begeistert und drängte ihn, sich zu beeilen anstatt ewig nach dem richtigen Outfit zu suchen. Grummelnd legte Sasuke auf, nur, um doch zu gehorchen. Er warf das erste schwarze Shirt über, das ihm in die Finger kam, und tauschte die Anzughosen gegen dunkle Jeans. Dann machte er sich auf den Weg. Er war so auf Naruto fixiert gewesen, dass er nicht mehr daran gedacht hatte, wohin er unterwegs war. Erst, als er vor dem Oto stand, hielt er inne. Die lilane Neonschlange wand sich unangenehm eng um die Wendeltreppe. An deren oberem Treppenabsatz spie sie jemanden aus, den Sasuke so gar nicht sehen wollte. „Sie waren lang nicht hier“, grüßte Menma. „Viel zu tun.“ „Klar.“ In einer Hand hielt er eine Bierflasche, mit der anderen deutete er auf Sasukes Hosentasche. „Krieg ich eine Kippe?“ „Du bist zu jung. Menma zuckte die Schultern und sah ihn abwartend an. Seufzend produzierte Sasuke zwei Zigaretten. Das würde Naruto nicht gefallen, dachte er, während er seine anzündete. Sein fitnessbegeisterter Animateur küsste nicht gerne Aschenbecher, sagte er. „Der Blonde ist drinnen.“ „Ich weiß.“ „Wieso dann Sie nicht?“ „Du wolltest rauchen“, sagte Sasuke, obwohl sie beide wussten, dass das nicht alles war. Menma drängte ihn nicht und eine Weile rauchten sie schweigend. „Seit wann arbeitest du schon für Orochimaru?“, fragte er schließlich. „Hatten wir das nicht schon?“ Ohne den Blick von ihm zu wenden, trank der Junge sein Bier. „Paar Jahre. Wieso?“ „Weil ein paar Jahre mit 16 sehr viel sind. Du wärst in der Schule besser aufgehoben als an einer Bar.“ „Sagen Sie das, weil sie einen kleinen Vorzeigeehemann für Sarada wollen?“, lächelte er herablassend. „Du bist zu klug, um Drinks für einen alten Mann zu mixen.“ Das Eis in seinen Augen funkelte, als er näher trat. „Aber manche alten Männer zahlen richtig gut dafür.“ Sasuke wurde schlecht. Er dachte an Sarada und Narutos jüngeres Selbst und wünschte, er könnte diesem Kind helfen. Wahrscheinlich müsste er Orochimaru dafür anzeigen. Oder zum Jugendamt? So oder so wäre es nicht gut für sein eigenes Geschäft. „Oh bitte, schauen Sie nicht so.“ „Wie denn?“ „Mitleidig.“ Er trat einen Schritt zurück und warf seine Zigarette zum Austreten auf den Boden. Es war nicht die erste, die dort ihr Ende gefunden hatte. „Brauch ich nicht, mir geht’s gut. Ich mach einfach meinen Job – wie sie auch. Und damit sollte ich jetzt wieder anfangen. Bis dann.“ Er verschwand in den Club, ließ Sasuke alleine mit seinen rauchgrauen Gedanken. So kurz darauf, wie Naruto auftauchte, fragte Sasuke sich, ob der Junge ihn geschickt hatte. Naruto legte die Hand auf Sasukes Oberarm. Man sah ihm an, dass er ihn küssen wollte, und seine Diskretion gefiel Sasuke. Dafür tätschelte er unauffällig seinen Hintern, als sie reingingen. Blaue Augen funkelten ihn erregt an, aber Naruto sagte nichts. Was sie nachher miteinander anstellen würden, war ihr kleines Geheimnis. Sasuke bekam seinen Wein gratis, wie immer im Otogakure. Obwohl er für Naruto bezahlte, beschwerte der sich. „Was hast du gemacht, dass der deine Drinks zahlt?“ „Eifersüchtig?“ „Ja!“, schmollte Naruto. Sasuke wollte seine vorgeschobenen Lippen gerne küssen. Stattdessen trank er seinen Wein. „Das ist rein geschäftlich und das weißt du. Und ich will nicht darüber reden.“ 2Du kannst jetzt nicht mehr alles in dich reinfressen. Wir sind ein Paar, oder nicht?“ Sasuke sah ihn scharf an und er zuckte schuldbewusst zusammen. Er sah sich verschwörerisch um, aber natürlich hatte bei dem Lärm niemand etwas gehört. „Also nicht?“ Naruto klang so besorgt, dass Sasuke nachgab. „Doch. Natürlich.“ Wenn er etwas sagte, meinte er es so. Und er hatte sich das mit ihnen wirklich lang genug überlegt. Das würde er jetzt keinen alten Mann zerstören lassen. Seufzend drehte er den Wein im Glas. „Er hat von diesen Drogenrazzien gesprochen. Und vorhin habe ich einige Zahlen gesehen, die andeuten, dass das alles sich negativ auf das Sensu auswirkt.“ „Werden wir schließen müssen?!“, fragte Naruto und griff nach seiner Hand. „Wir schaffen das! Du kannst mein Gehalt behalten, wenn du willst, und…“ Obwohl er ihn unterbrach, lächelte Sasuke über den Enthusiasmus. „Ich werde nichts dergleichen tun. Aber ich weiß es zu schätzen.“ Er drehte ihre Hände, sodass er mit den Fingern über Narutos Handrücken streicheln konnte. Die Gänsehaut, die daraufhin den Arm seines Freundes hochkroch, entging ihm nicht. „Und jetzt will ich wirklich Feierabend.“ „Oh… Klar, sorry!“ „Ich habe dich wohl damit angesteckt, nur über die Arbeit zu reden.“ Naruto legte dramatisch die Hand an die Stirn. „Was ist nur aus mir geworden?“ „Ein funktionsfähiger Erwachsener“, schlug Sasuke vor und sie zankten sich spielerisch darüber, ob Naruto das nicht schon die ganze Zeit gewesen wäre. Die laute Musik gab ihnen einen guten Grund, nah beieinander zu stehen. Der Reiz, ein Geheimnis zu haben, war prickelnd, obwohl niemand sie beachtete. Hier tanzten Menschen aller sexuellen Orientierungen miteinander. Das war eine gute Sache. Konnte der Besitzer des Clubs also wirklich so zwielichtig sein? „Du grübelst schon wieder.“ Sasuke blinzelte seine Gedanken weg. „Es war viel los heute.“ „Dann solltest du deinem liebenden Freund davon erzählen“, drängte der liebende Freund und legte die Hand auf Sasukes. Dieser zog sie weg. „Nicht hier.“ Naruto schmollte, gehorchte aber. „Komm schon. Wir sind ein Team. Sag mir, was los is. Ich will helfen.“ Sasuke fühlte sich eingeengt, was Wut in ihm hochkochen ließ. „Ich denke an deinen Rapper Freund, den sie in meinem Hotel wegen Drogenbesitzes verhaftet haben. Ich denke an diese Anrufe, die du manchmal bekommst, bei denen du nicht mehr du selbst bist. Ich denke daran, dass seit Wochen mehr und mehr Buchungen im Sensu storniert werden.“ Er stürzte den Rest seines Weins runter und hielt dem hübschen, dunkelhaarigen Barkeeper nicht auf, ihm nachzuschenken. Eigentlich hatte er seine Wut nicht mehr an anderen auslassen wollen, Sarada zuliebe, aber auch für Naruto und ihre Beziehung. Aber aus seinen Mustern auszusteigen war gar nicht so leicht. Naruto war zum Glück selbst niemand, der seine Wut versteckte. „Und was soll das heißen?“ „Das muss ich rausfinden.“ „Ach so, und dein Ermittlungspartner is dieser zwielichtige Alte.“ Sasuke verdrehte die Augen. „Das hat nichts mit deiner unnötigen Eifersucht zu tun.“ Selbst im Neonlicht erkannte er, dass Naruto rot wurde. Zurückrudern tat er aber nicht. „Nein, sondern mit Vertrauen. Du hättest mich auch einfach fragen können, was los ist.“ „Menschen lügen.“ „Ich nicht. Aber schön zu wissen, wie mein Freund von mir denkt.“ „Warum betonst du das eigentlich ständig?“, verdrehte Sasuke die Augen. Als wäre Naruto ein verschwitzter Stubenhocker, der nicht fassen konnte, dass er einen Partner abbekommen hatte und es ständig sagen musste. Naruto war das genaue Gegenteil. „Weil ich mich darüber freue, okay? Hat ja lang genug gedauert.“ Gegen seinen Willen war Sasuke geschmeichelt. Er wusste, dass Naruto sich schnell etwas Festes zwischen ihnen gewünscht hatte. Trotzdem hörte er es gerne. „Dann machen wir es nicht mit dieser Diskussion kaputt.“ Naruto sah ihn erschrocken an. Er öffnete den Mund, schluckte seine Worte aber runter und nickte. Bevor Sasuke das Thema wechseln konnte, gesellte sich eine hübsche Blondine zu ihnen. Sie gehörte zu der Besuchergruppe, die Naruto hergebracht hatte, und wollte ihn zurück auf die Tanzfläche locken. „Geh ruhig. Ich mache mich auf den Heimweg“, sagte Sasuke. „Nah, ich bin auch müde.“ Überrascht sah Sasuke zu, wie sein Freund sich verabschiedete. Noch nie hatte er erlebt, dass sein Freund freiwillig eine Party frühzeitig verließ. Auf dem Weg nach draußen schwiegen sie. Der Luft vor dem Club schmeckte er den Herbst bereits an, obwohl die Tage noch heiß waren. Sasuke zündete beim Laufen eine Zigarette an. „Du rauchst heute ganz schön viel“, bemerkte Naruto. Sasuke war das nicht aufgefallen, aber es stimmte. Sarada mochte das genauso wenig wie Naruto, weshalb er es in den letzten Monaten eingeschränkt hatte. Bei der Ankunft seiner Eltern war er in alte Muster verfallen, aber es hatte sich schnell wieder eingependelt. Bis heute. „Ich habe dir gesagt, dass ich viel im Kopf habe.“ „In Bees Kreisen nimmt man eben bestimmte Substanzen.“ Naruto konnte nicht mehr leugnen, dass sein Rapper Freund schuldig war. Sie hatten Beweismaterial in seinem Zimmer gefunden. „Die Anrufe sind so ne… Sache, um die ich mich kümmern muss.“ ‚Sache‘… Und das sollte ihn jetzt beruhigen? Sasuke Beschied sich als Antwort damit, die Brauen hochzuziehen. Naruto tat, als würde er es nicht merken. „Und was die Stornierungen angeht, liegt das vielleicht an den ganzen Razzien in letzter Zeit? Is ja nicht grad super für den Ruf der Stadt.“ Diese Erklärungen hatte Sasuke selbst bedacht. Indem er mit Kollegen redete, könnte er sie leicht bestätigen lassen. Dieses dumpfe Gefühl pochte trotzdem weiter seit seinem Gespräch mit Orochimaru. „Vermutlich hast du Recht“, gestand er ein. „Hast du eigentlich mal gekifft?“ Sasuke hustete, was ihm nicht mehr passiert war, seit er mit 16 angefangen hatte zu rauchen. Naruto klopfte ihm gröber als notwendig auf den Rücken. „Hätte ich mir denken können, du Saubermann“, grinste Naruto. „Ich hab’s früher öfter gemacht. Beruhigt die Nerven.“ „Jetzt nicht mehr?“ Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und lächelte sein Lügen Lächeln. „Nö, jetzt komm ich ganz gut klar. Aber ich glaub, Gras is ungefährlicher als Alk. Von einem kriegt man Hunger, das andere macht aggressiv.“ „Reden wir von mir?“ Naruto schmollte ihn an. „Ja, schon. Fast jedes Mal, wenn du mir was erzählst, bist du betrunken und richtig arschig!“ Sasuke senkte den Blick und zuckte die Schultern. „Das ist nicht deine Schuld. Ich war nicht umsonst single.“ „Tja, jetzt bist du es nicht mehr.“ Am Rand eines nächtlich verlassenen Jahrmarktes nahm Naruto Sasukes Hände. Ein paar Lampen blinkten noch, und die glitzernden Budenschilder schimmerten im Zwielicht. Ein junges Paar knutschte auf einem stillstehenden Karussell, ohne sie zu bemerken. „Außerdem warst du allein, weil du dich total eingeigelt hast. Und es dauert eben, sich zu entigeln.“ Sasuke schnaubte über das Wort, aber Naruto ließ sich nicht aufhalten: „Du hast gesagt, du willst es mit uns versuchen. Das will ich auch. Deswegen… Ich wird versuchen, geduldiger zu sein, okay?“ Wärme füllte Sasukes Magen. Er trat näher, noch immer Narutos Händen in seinen. „Und ich versuche, schneller zu… Entigeln“, versprach er leise. Naruto lachte und lehnte die Stirn an seine. Sie hatten noch nicht mal angefangen, diese Hürde zu bewältigen, darüber machte Sasuke sich keine Illusionen. Aber er hatte das Gefühl, zusammen würden sie es schaffen. You stopped me in my tracks and put me right in my place Used to think that lovin’ meant a painful chase But you’re right her now and I think you’ll stay And I think it’s finally, finally, finally, finally safe For me to fall. Kapitel 17: Trust Issues ------------------------ I had a dream I got everything I wanted But when I wake up, I see You with me. And you say, „As long as I’m here No one can hurt you.“ Billie Eilish – Everything I wanted Ein neuer goldener Morgen zog über Konoha auf. Der Wind raschelte in den Topfpflanzen auf Sasukes Dachgarten und verteilte den Kaffeeduft über die Stadt. In der Bucht nutzten die ersten Surfer die grandiosen Wellen, während Sasuke mit seiner Tochter und seinem Freund frühstückte. „Also den Ausblick werde ich vermissen“, sagte Naruto, wehmütig auf seinem Nutella Brot kauend. Sarada fiel fast der Saft aus der Hand. „Wieso? Wo gehst du hin?“ „Na ja, mal schauen, wenn die Saison endet.“ „Aber ich dachte…“ Sie sah zwischen den Männern hin und her und Naruto lächelte. „Ne, das bleibst erstmal. Aber ich kann ja nicht immer in meiner ein Zimmer Bude wohnen, oder?“ Sarada entspannte sich ein wenig. „Nein. Vermutlich nicht.“ „Und vielleicht geh ich noch mal zur Schule, wie deine Mom.“ Diese war mit einer alten Freundin verabredet, weshalb sie hier fehlte. Ansonsten hätte Sasuke das Frühstück anders gestalten müssen. Es war anstrengend, seine Beziehung zu tarnen. Zumal Sakura ständig fragte, wer sein Freund denn nun wäre. Vielleicht sollte er es ihr einfach sagen. Er wollte ehrlicher zu ihr sein, und Naruto hatte er versprochen, die Stacheln einzufahren. Das galt schließlich nicht nur für ihre Beziehung. Das Problem war, dass alte Muster nicht so leicht zu brechen waren. Er merkte es im Umgang mit Naruto. Ihm fiel es schwer, konstruktiv mit Problemen umzugehen. Zwar benannte er sie – er hatte noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Seine Devise war es bisher gewesen, alles einzureißen, wenn ihn etwas störte. Wenn es nicht passte, musste man nicht daran festbeißen wie an einem fleischlosen Knochen. Außerdem war er enorm stur und bildete sich ein, immer Recht zu haben. Das war schwierig, da Naruto fast genauso stur war wie er. Sasuke hätte es dann gut sein lassen, aber sein Freund konnte das nicht. Und Sasuke konnte ihn umgekehrt nicht mit falschen Ansichten rumlaufen lassen. Jetzt war er immerhin offiziell sein Freund. Diesen Freund begleitete Sasuke, als er später mit Sarada zur Surfstunde aufbrach. „Ich werde dich vermissen, wenn du wieder zur Schule gehst, Kleine“, jammerte Naruto im Aufzug. „Ein paar Wochen sind es ja noch“, erwiderte das Mädchen. „Und du hast doch Gesellschaft.“ „Ja, aber du bist viel cooler. Sasuke mosert nur“, erzählte Naruto vertraulich und sie kicherte. „Ich höre euch“, sagte Sasuke. Naruto sah ihn mürrisch an, redete aber weiter mit Sarada. „Siehst du? Nur am Mosern.“ „Hast du nicht einen Wassergymnastikkurs zu leiten?“, erwiderte Sasuke kühl. Fast hätte Naruto sich an der gezuckerten Milch verschluckt, die er Kaffee nannte. „Was kann ich dafür, dass deine zu alt für was Cooleres sind?“ Cool oder nicht, er musste den Kurs halten. Während sie die Zelte abbrachen, beschwerte Naruto sich, sehr zu Saradas Amüsement. Das Mädchen wollte sich mit Menma am Strand treffen. Sasuke sperrte die Tür hinter ihnen zu. Als er sich ihnen zuwandte, sah er seinen Freund und seine Tochter verschwörerisch lachen wie die besten Freunde. Er schloss zu ihnen auf und schob die Hand in Narutos. Dieser sah ihn kurz überrascht an, bevor er grinste. Gemeinsam nahmen sie die Treppe über den Westflügel des Hotels, die direkt ins Foyer führte. Naruto und Sasuke hätten andere Wege gehen können, um schneller zu Büro und Pool zu gelangen. Vermutlich hatten sie dieselben Gründe, den Umweg auf sich zu nehmen. Mit den aufgeregten Stimmen, die aus dem Foyer zu ihnen drangen, hatten sie jedoch nicht gerechnet. Kurz sahen sie sich an, dann lösten sie ihre Hände, um in die Eingangshalle zu gehen. Diese war mit Uniformen gefüllt. Die Rezeptionistin redete mit dem älteren Polizisten, mit dem Sasuke schon das Vergnügen gehabt hatte. Er gebot seiner Tochter und seinem Freund zu warten und trat auf die sichtlich überforderte Frau und den Beamten zu. „Was passiert hier?“, verlangte er zu wissen. Die Antwort erhielt er in Form eines Zettels, der ihm vor die Nase gehalten wurde. Viel Text war darauf nicht zu sehen, aber das Wichtigste sprang Sasuke gefettet ins Auge. Durchsuchungsbefehl. „Mit welcher Begründung wollen Sie mein Hotel durchsuchen?“ „Es geht erstmal nur um eine Wohnung“, sagte der Polizist. „Und wie ich sehe, haben Sie deren Bewohner mitgebracht.“ Er schnippte Naruto heran wie einen Hund. Der folgte mit verwirrten Welpenaugen, nachdem er Sarada etwas zugeraunt hatte. Sie legte die Arme um sich selbst, den Blick sorgenvoll auf das Szenario geheftet. Sasuke wollte ihr versichern, dass alles in Ordnung war, aber zunächst musste er dafür sorgen, dass das auch zutraf. In dem Moment tauchte Menma neben ihr auf. Als er ihr etwas zuraunte und sie nicht reagierte, legte er die Hand auf ihren Rücken. Sasuke wusste nicht, was er von dem Bild hielt, aber gerade war es gut, dass Sarada nicht alleine war. Unter den Blicken aller im Foyer führte er die Beamten und Naruto zu dessen Wohnung. Die Unterkünfte der Mitarbeiter lagen im Westflügel im dritten Stock. Nicht jeder nahm das Angebot an, für Saisonarbeiter war es aber praktisch. Inzwischen sah Naruto sich aber nach Wohnungen in der Stadt um. Einige Gäste kamen ihnen entgegen, sonst war der Weg unbehelligt. Schweigend sperrte Naruto die Tür auf, durch die sie so oft getreten waren. Die Wohnung war gewohnt unordentlich. Kleidung stapelte sich auf einem Stuhl. Leere Plastikbecher lagen in den Ecken. Und unter dem übervollen Schreibtischmüllereimer kämpfte sich ein oranger Kater hervor. Dessen Fell glänzte im Kontrast zu allem anderen gepflegt, fiel Sasuke auf. Sasuke und Naruto traten zurück, während die Beamten das Zimmer durchsuchten. Kurama biss einem in die Hand, als er seinen Korb durchsuchte. Danach hob Naruto ihn auf den Arm, wodurch der buschige Schweif der Katze wie ein rasiermesserscharfes Pendel schwang. Sasuke inspizierte Narutos Gesicht. Wo er sonst lesen konnte wie in einem Buch, begegnete ihm jetzt eine Steinmauer, umringt von einem Burggraben des Schweigens. Kalte Luft schlug ihm vom Wasser entgegen. „Was ist?“ „Nichts. Die Polizei durchsucht nur gerade mein Zimmer.“ Sasuke legte Naruto die Hand auf die Schulter. „Wenn sie fertig sind, sind wir sie endgültig los.“ Kurz sah Naruto ihn verblüfft an, ehe das schüchterne Lächeln, das Sasuke so gefiel, seine Mauern einstürzen ließ. „Also glaubst du nicht, dass sie etwas finden?“ „Ein bisschen Gras vielleicht.“ Er zuckte die Schultern und Naruto lachte. Fast hätte Sasuke sich vorgebeugt, um ihn zu küssen. In letzter Sekunde entsann er sich der Beamten, sodass er nur Narutos Schulter drückte und dann von ihm abließ. Sie hatten eine Weile gewartet, als eine Frau sagte: „Sir, ich habe etwas.“ Zuerst verstand Sasuke nicht, was das bedeuten sollte. Was war 'etwas'? Dreckige Wäsche? Die Packung Instantramen, welche die Beamte herantrug, mutete kaum weniger albern an. Erst, als ihre behandschuhte Hand die Folie wegzog und darunter weißes Pulver zu sehen war, wurde die Tragweite klarer. Naruto wurde so weiß wie die Substanz. „Das ist nicht meins!“ „Komisch, dass wir es in Ihrem Schrank gefunden haben“, erwiderte der Einsatzleiter. „Wir werden es konfiszieren und untersuchen. Und Sie müssen uns begleiten, Herr Uzumaki.“ „Aber das ist nicht meins!“, widerholte Naruto schwach. Hilfesuchend sah er Sasuke an, doch der war wie betäubt. Nicht mal, als Narutos Blick dem eines getretenen Hundes ähnelte, war er fähig, zu reagieren. Schweigend führte der Leiter Naruto ab, während die anderen weiter das Zimmer durchsuchten. Wie in Zeitlupe sah Sasuke die Beamten Fotos machen und Beweise in Plastiktüten füllen und Möbel verschieben. Es musste Lärm machen, aber er konnte nichts hören. Er hatte Naruto geglaubt. Ihn unterstützt und gefördert – und sich in ihn verliebt. Und das hier war der Dank? Wobei, dachte er bitter, als die Polizisten das Zimmer absperrten; es war als Tatort noch gesperrt. Er hatte es besser wissen müssen. Ein fast dreißigjähriger Animateur, ohne zu Hause, ohne Familie, ohne festen Job, kam zufällig hierher, kurz bevor die Stadt sich zum landesweiten Hotspot für Drogengeschäfte entwickelt hatte. Er hatte durchgeknallte Ideen und Kontakte zu zwielichtigen Leuten, aber selbst hatte er nichts mit ihren Geschäften zu tun. Zumindest hatte Naruto das wieder und wieder gesagt. Und Sasuke war naiv genug gewesen, wes zu glauben. Er hatte Naruto so nah an seine Tochter rangelassen. Das Bild von Sasuke und Sarada in der Teetasse stand inzwischen gerahmt auf seinem Schreibtisch. Sakura hatte es ihm geschenkt, ebenso wie das von ihr selbst und ihrer Tochter, das er im Geldbeutel trug. Darauf standen sie vor blühenden Bäumen in dem Park, in dem Sasuke und Sakura ihr erstes Date gehabt hatten. Sie waren schweigend spazieren gegangen. Er hatte Sakura Waffeln an einem Stand gekauft, sie nach Hause begleitet und später in demselben Park gefragt, ob sie ihn heiraten wollte. Die Zeit war voller Lügen und Mauern und Stille, hinter denen etwas hockte, das keiner von ihnen sehen wollte. Damals waren es Sasukes Lügen und Mauern und seine Stille, sein etwas gewesen. Er hatte sich gesagt, dass es Stärke war, die er zeigte, aber eigentlich hatte er sich selbst bemitleidet. Daran, wie Sakura sich auf der anderen Seite fühlte, hatte er keinen Gedanken verschwendet. Er war so entrückt von ihr gewesen, selbst als sie seine Frau war. In diesem Moment spürte er die volle Tragweite des Außenvorgelassenseins. Er legte das Bild weg und griff nach dem Telefon. Seine Eltern sollten nicht durch die Presse von der Durchsuchung erfahren. „Schatz! Wie geht es dir?“, begrüßte seine Mutter ihn. „Ist Vater da?“ Es knackte in der Leitung. „Was ist passiert, Sasuke? Geht es Sarada gut? Ist etwas mit Sakura oder Naruto?“ Sasukes Magen zog sich zusammen. Mikoto hatte schon öfter nach Naruto gefragt, aber in dieser Situation? Zumal Sasuke nicht an ihn denken wollte. „Ich weiß nicht. Ich denke, die Polizei behandelt ihn angemessen“, sagte er kühl. Verdammt, er ließ sich zu sehr anmerken, dass es ihm naheging. „Die Polizei? Was ist passiert?“ Seufzend rieb er sich die Stirn, bevor er erzählte. Eigentlich hatte er das mit Fugaku klären wollen, aber seine Mutter war stark genug. Sie war Teilhaberin der Hotelkette und hatte ein Recht darauf, alles zu erfahren und, wenn er ehrlich war, war seine Mutter Sasuke gerade die bevorzugte Gesprächspartnerin. „Oh, Liebling“, sagte sie, als er geendet hatte. „Das tut mir so leid.“ Er hatte sich in seinem Bürosessel zurückgelehnt. Bei ihren Worten schloss Sasuke die Augen und schnaubte. „Ich bin selbst schuld. Für die Saisonarbeiter habe ich keinen Hintergrundcheck angeordnet … Ich werde mich darum kümmern.“ „Ich meine nicht sein Arbeitsverhältnis, Sasuke Uchiha.“ Mikoto klang aufgebracht. Das war selten. „Du musst so durcheinander sein. Aber ich bin mir sicher, er erklärt dir alles, sobald ihr redet.“ „Warum sollte ich mit ihm reden? Eine Kündigung tut es.“ „Du wirst doch nicht deinen Freund einfach davonjagen“, begehrte Mikoto auf. Etwas an der Art, auf die sie ‚Freund‘ sagte, beschleunigte Sasukes Herzschlag. „Du siehst so glücklich aus mit ihm.“ Sasuke schluckte sein ungutes Gefühl runter. Sein Beziehungsstatus war egal, wenn es um das Hotel ging. „Sie verdächtigen ihn, Drogen im Hotel umzusetzen, Mutter.“ „Genau: Sie verdächtigen ihn“, stimmte seine Mutter zu. „Das heißt, noch ist nichts bewiesen.“ Sasuke rieb sich die Augen. Er wünschte, er hätte doch mit seinem Vater gesprochen. Die Naivität seiner Mutter überraschte ihn, da sie sonst sehr rational war. Sie drückte ihre Wahrheiten nur sanfter aus als die Männer der Familie. „Du wirst tun, was du für richtig hältst“, brach Mikoto das Schweigen. „Aber ich glaube, du solltest etwas Gutes nicht so leicht aufgeben.“ Bisher hatte Sasuke ignoriert, wie seine Mutter über Naruto sprach. Doch langsam wurde es zu auffällig dafür. „Was für Gutes soll das sein?“ Sie seufzte tief. „Ach Schatz, es ist doch in Ordnung. Ich bin froh, dass du jemanden hast, der dir so gut tut.“ Sasuke war wie in die Luft katapultiert. E war schlimmer als bei Sakura, die immerhin mit ihm verheiratet gewesen war. Sie hatte sein mangelndes Interesse am eigenen Leib gespürt. Aber Mikoto? Vor seinen Eltern hatte er es immer geheim gehalten. Sie waren der Grund für seine Ehe, für Sarada, für seinen und Sakuras Umzug hierher. So vieles, das er getan hatte – für Nichts? „Seit wann?“ Sein abgeklärter Ton schien Mikoto zu verunsichern. „Ich habe es geahnt, seit du ein Teenager warst, Liebling. Als du mit Sakura zusammen kamst, dachte ich, du würdest vielleicht beides mögen. Ich kann nicht leugnen, dass ich froh war …“ Sie wählte ihre Worte vorsichtig, bitter waren sie dennoch. „Aber es war schon bald klar … Nur Männer, oder?“ „Ich bin schwul. Ja.“ Es hatte etwas Befreiendes, es auszusprechen. Trotz allem, was gerade passierte, breitete eine Leichtigkeit sich in ihm aus, die er so noch nie gespürt hatte. Er hatte es noch nie ausgesprochen, noch nie seine Identität für sich beansprucht. Und jetzt waren die Worte eine Waffe. Als er seine Mutter vor ihnen wegzucken spürte, hob sein schlechtes Gewissen den Kopf. „Wir wollten dir dein eigenes Tempo lassen, Sasuke. Es tut mir leid.“ „Vater?“ „Er weiß es nicht, denke ich. Ich meinte Itachi“, erklärte Mikoto, und plötzlich machte vieles Sinn, das Sasukes Bruder zuletzt gesagt hatte. Sasuke rieb sich den Nasenrücken. Musste sie das ausgerechnet jetzt sagen, wo sein sogenannter ‚Freund‘ von der Polizei befragt wurde? Wahrscheinlich war dieser Status nicht mehr relevant, zumindest für eine Weile. Oder für immer, denn Sasuke wusste nicht, ob er sich den Stress einer Beziehung noch mal antun wollte. „Du brauchst sicher erst Mal Zeit, das zu verarbeiten“, sagte Mikoto sacht, als Sasuke nicht antwortete. „Melde dich, wenn du soweit bist, ja, Schatz?“ „Ja, Mutter“, versprach er geschlagen. Vielleicht dauerte das nochmal 33 Jahre. „Gut. Ich sage deinem Vater wegen der Durchsuchung Bescheid. Und – Sasuke?“ „Ja, Mutter?“ „Ich habe dich sehr lieb. Egal, was passiert.“ Sasuke schluckte einen Kloß runter und versprach, sie anzurufen, wenn er etwas Neues hörte, dann legte er auf. Er stützte das Gesicht in die Hände, um seine pulsierenden Schläfen mit den Daumen zu massieren. Wenn er das alles nur ausschalten könnte. Seine wirbelnden Gedanken, die tosenden Gefühle, die nagenden Zweifel – einfach alles. Wie in dieser Nacht im Oto, an die er sich kaum erinnerte. Er löste das Gesicht aus den Händen. Vermutlich sollte er seinen Geschäftspartner vorwarnen. Die Presse stürzte sich auf alles rund um die Drogendelikte, da die Polizei aus Ermittlungsgründen Informationen zurückhielt. Wenn sie hörten, was im Sensu passiert war, würden sie die Verbindung zum Oto im Nu ausgraben. Es war gerade 11.30 Uhr und Sasuke könnte wieder ins Bett. Müde zwang er sich, einige Anrufe hinter sich zu bringen und die Nachrichten anzusehen. Hinata wies er an, keine Journalisten durchzustellen und so viele Anrufe wie möglich abzuwimmeln. Am Nachmittag meldete Fugaku sich, um das Vorgehen zu besprechen. Während der ganzen Zeit hatte Sasuke nicht auf sein Handy gesehen. Er wollte nicht wissen, ob Naruto sich meldete. Eigentlich wollte er niemanden sehen, weshalb er genervt grunzte, als es an seiner Tür klopfte. Die Person ließ sich davon nicht aufhalten, und schon stand Sarada vor seinem Tisch, dicht gefolgt von ihrer Mutter. Die Augen des Mädchens waren rot und glasig. Ihre Nasenflügel bebten unter dem Versuch, Tränen zurückzuhalten. In Sakuras Hals pochte eine Vene von der Größe und Farbe einer Aubergine. Sasuke hätte die Tür absperren sollen. „Warum gehst du nicht an dein Handy?“, blaffte seine Exfrau. „Es hätte sonst was los sein können!“ „Was ist passiert?“, fragte er kühl. Jetzt bebten auch Sakuras Nasenflügel vor Zorn. „Oh, ich weiß nicht. Der Dealer in deinem Hotel, vielleicht?“ „Naruto ist kein Dealer!“, platzte Sarada hervor. Voll gerechtem Zorn sah sie Sasuke an. „Sag es ihr, Papa!“ Sie hatte keine Ahnung, wie sehr er sich wünschte, das zu können. „Die Polizei wird herausfinden, was er ist.“ Sarada wich zurück, die Augen weit, als habe er sie geschlagen. Gerne hätte er sie beschwichtigt, aber nach allem, was passiert war, konnte er es nicht. Es war zu ihrem eigenen Schutz. „Wie kannst du das sagen? Er hält dir immer den Rücken frei, egal, wie gemein du gerade mal wieder bist!“ Die Wahrheit von Saradas Worten versetzte Sasuke einen Stich. Er dachte an den Blick, mit dem Naruto ihn angesehen hatte, als er abgeführt wurde. Als hätte Sasuke ihm ein Messer in den Rücken gerammt. „Das ist anders“, fing Sasuke an, aber sie war wie ihre Mutter, wenn sie in Fahrt war. „es ist genau dasselbe. Du läufst vor etwas Gutem weg! Das hat er nicht verdient.“ Sarada sah persönlich verletzt aus und Sasuke verstand nicht, wieso. Sicher, sie verstand sich gut mit Naruto. Aber sie kannten sich keine drei Monate. Es gab keinen Grund, so emotional zu reagieren. „Du verstehst das nicht, Sarada“, sagte Sakura. „Du bist diejenige, die nichts versteht, Mama, weil du nie zuhörst, wenn du etwas nicht wissen willst!“ Sakuras Faust knallte so hart auf den Schreibtisch, dass Sasukes Stiftbecher umfiel. „So wirst du nicht mit mir reden!Du wirst in diesem… Drogenpfuhl nicht bleiben. Morgen reisen wir ab“, bellte Sakura, als Sarada einen Moment wie festgefroren dastand. „Mama!“, japste Sarada entsetzt, doch ihre Mutter wollte nichts hören. „Geh auf dein Zimmer. Jetzt sofort!“ Hilfesuchend blickte das Mädchen zu ihrem Vater, der nur die Arme verschränken konnte. Saradas erster Schritt war steif, dann stürzte sie aus dem Büro. Die Tür knallte hinter ihr ins Schloss. „Das war nicht nötig“, sagte Sasuke milder, als er sich fühlte. Er kannte Sakuras Temperament, obwohl sie es an ihm nie ausgelassen hatte. Wenn sie so auf Konflikte mit ihrer Tochter reagierte, war es kein Wunder, dass diese weglief. „Es ist auch nicht nötig, so mit mir zu sprechen“, schnappte Sakura, obwohl sie erschöpft am Tisch lehnte. Sie rieb sich die Augen. „Manchmal treibt sie mich zur Weißglut mit ihrer neunmal klugen Art!“ „Es ist nicht leicht für sie. Sie hatte sich mit Naruto angefreundet“, argumentierte Sasuke für seine Tochter, während er seine Stifte einsammelte. Sakuras Augen flammten auf. Offenbar war die Weißglut noch nicht erloschen. „Wie konntest du sie in die Nähe dieses Verbrechers lassen?“, warf sie ihm vor. Sasuke ließ die Stifte in ihren Käfig zurückfallen. „Noch wissen wir nicht, was er getan hat.“ „Wie kannst du ihn in Schutz nehmen? Sie haben Beweise in seinem Zimmer gefunden!“ Wieder sah er die Beamten in Narutos Zimmer, wie sie seine Schränke öffneten, das Bettzeug von der Matratze zogen, auf der er selbst schon geschlafen hatte … Er wandte sich ab. „Wir sollten warten, bis wir mehr wissen“, mahnte er sie ebenso wie sich selbst. Sakura schwieg einen Moment. Als er sich nach ihr umwandte, waren ihre grünen Augen scharf und klar wie lange nicht. „Er ist es“, sagte sie völlig ohne Zweifel. „Er ist dein Freund. Deshalb hast du ihn hier geduldet, und bei Sarada.“ Sasuke holte tief Luft, bevor er nickte. Vermutlich hatte Sakura das schon länger geahnt und nur verdrängt. Denn sonst ließ Sasuke niemanden so nah an sich heran. Selbst Sakura hatte er seinen Eltern erst vorgestellt, als sie verlobt waren. Sakura war kurz so starr wie Sarada vorhin, dann ging sie zu Sasukes Kühlschrank und holte den teuren Cognac hervor. Sie goss sich ein Glas ein und trank. Erst danach bot sie Sasuke etwas an, doch er lehnte ab. „Du wolltest es nicht wissen, weil er dein Freund ist“, schnaubte sie und schenkte sich nach. Zum Glück hatte sie es nicht so weit in ihr Zimmer. „Vielleicht“, gestand Sasuke nachdenklich. Er hatte Zeichen gesehen, die jetzt mehr Sinn zu ergeben schienen. Aber hieß das, dass Naruto ein Verbrecher war? Zwei Wünsche stritten in Sasukes Brust. Der eine wollte an den Idealisten in Naruto glauben, der andere wollte ihn auf der Stelle aus seinem Leben streichen. Sasuke nannte sie Vernunft und Liebe. Welchen er siegen sehen wollte, wusste er noch nicht. „Und was gedenkst du, jetzt zu tun?“, bohrte Sakura nach. Ihre Wangen waren rot vom Cognac. „Weiter den Kopf in den Sand stecken für deinen Toy Boy?“ „Sakura.“ Sasukes schneidender Ton ließ sie zusammenfahren, obwohl er die Stimme nicht gehoben hatte. Unbehaglich verlagerte sie das Gewicht. „Es war nicht so gemeint. Es ist nur … Gerade so viel, mit dir und ihm, und ich habe Angst um Sarada. Sie hängt sehr an ihm.“ „Und er an ihr.“ Sakura schnaubte, doch in all dem war Sasuke noch immer sicher: „Er vergöttert sie. Er hätte sie nie in irgendwas mit reingezogen.“ Zwar schien Sakura noch immer misstrauisch, doch nickte sie ergeben. Ihr Zorn war immer heftig, verrauchte aber schnell. „Ich sollte mich bei ihr entschuldigen.“ „Findest du?“ Sakura warf ihm einen ‚Du brauchst gar nicht reden‘-Blick zu. „Ich kann ihr wohl nicht verübeln, dass sie sich an diesen … An Naruto hängt“, sagte sie und leerte ihr Glas erneut. „Er ist so … Warm. Nervig und laut und dumm wie Brot aber er …“ Sie wusste nicht, wie sie sich ausdrücken sollte, aber Sasuke nickte. „Ich weiß.“ Sakura nickte langsam, bevor sie tief Luft holte. „Ich will nicht, dass sie das hier verliert. Es hat ihr gut getan. Zu Hause brütete sie ständig über ihren Büchern, aber hier ist sie wieder ein Kind.“ Sasuke hatte nicht erwartet, etwas so Positives von Sakura zu hören. Er räusperte sich. „Sie liest noch ausreichend.“ Sakura lachte leise und ließ sich in den Stuhl von Sasukes Tisch sinken. „Sie ist wie du mit 15, 16“, sagte sie in neckendem Ton. „Dann wundert es mich, dass du es nicht warst, die sie weggeschickt hat“, erwiderte Sasuke trocken und schenkte ihr Wasser ein. Sakura spielte mit dem neuen Glas, statt sich auszunüchtern. „Bist du nicht auch mal weggelaufen? Kurz bevor wir zusammen kamen?“ „Für zwei Wochen“, nickte Sasuke. Er Erinnerte sich an ein unordentliches Apartment und einen viel zu alten Mann. Sie waren kaum vor die Tür gegangen und er wäre geblieben, hätte Kakashi ihn nicht heimgeschickt, nachdem er den Fahndungsaufruf gesehen hatte. Mikoto war außer sich vor Glück, als Sasuke wieder vor der Tür stand. Fugaku hatte ihm Hausarrest aufgebrummt. Itachi war nicht da, wie so oft zu der Zeit. Eingesperrt in seinem Zimmer hatte Sasuke sich seinen Plan mit Sakura zurechtgelegt. Jetzt wünschte er, er könne sein Teenager-Selbst ohrfeigen. „Lange her.“ „Aber es war so“, grinste Sakura neckend, offenbar wieder mehr sie selbst. Sie zückte ihr Handy und tippte Saradas Nummer, legte aber nach einer Weile stirnrunzelnd auf. „Mailbox.“ „Sie ist sauer. Gib ihr Zeit.“ „Ich hätte nie gedacht, dass du mir mal Erziehungstipps geben würdest.“ „Hättest du mir im Frühjahr gesagt, dass das passiert, hätte ich es nicht geglaubt.“ Sakura lachte, aber es stimmte. Diesen Sommer war so viel passiert, mit dem er nie gerechnet hatte. Sarada und Naruto und Sakura und seine Mutter und sein Bruder. Er war sehr glücklich, obwohl es anstrengend gewesen war. Das jetzt einfach hinter sich zu lassen, erschien unmöglich. „Was wirst du jetzt wegen ihm machen?“, fragte Sakura. Sie hatte Sarada geschrieben und steckte das Handy wieder weg. „Abwarten, was die Polizei rausfindet“, sagte Sasuke. „Dann mit ihm reden.“ „Abwarten und reden … Klingt nicht nach dir.“ „nach ihm auch nicht“, gab Sasuke zu. „Aber es wäre vernünftig.“ Sakura sah skeptisch aus – zu Recht. Wie Sasuke sie kannte, würde es einen riesen Krach geben und er wusste nicht, ob er und Naruto ihn diesmal einfach wegvögeln könnten. Wenn wirklich nichts war, hatte er Naruto umsonst verdächtigt und wenn doch etwas war, könnte Sasuke nicht einfach darüber hinwegsehen. Davon abgesehen, dass Naruto dann im Gefängnis landen würde. Er wollte nicht darüber nachdenken, was sein Vater sagen würde. Schließlich hatte Sasuke Naruto nicht nur angestellt, sondern ihn in die Nähe ihrer Familie gelassen. Sakura stand auf und hielt sich am Tisch fest. „Ich lege mich etwas hin … Und nachher entschuldige ich mich.“ „Gute Idee“, nickte Sasuke. Er bot ihr an, sie in ihr Zimmer zu begleiten, aber sie schüttelte den Kopf. Ein wenig besorgt sah er ihr sie aus seiner Bürotür wanken. Nun, sie war nicht der erste betrunkene Gast des Sensu. Sasuke arbeitete ein paar Stunden, um Sarada die Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen. Dann ging er zu seiner Wohnung, um mit ihr zu sprechen – nur, dass sie nicht da war. Sie war nicht der Typ, nicht zu gehorchen. Andererseits kam sie langsam in die Pubertät, also fing das jetzt wohl an. Oder sie war bei Sakura. Zu deren Apartment ging Sasuke zuerst. Es dauerte, bis seine Exfrau öffnete. Ihre Augen waren unterlaufen und ihr Haar stand ab, als sie sich an die Tür lehnte. „Ist Sarada bei dir?“, fragte Sasuke, obwohl Sakuras Aussehen Antwort genug war. Sofort waren ihre müden Augen besorgt. „Sie sollte doch in deiner Wohnung sein.“ „Ist sie nicht“, sagte Sasuke und zückte sein Handy, um Sarada anzurufen. Wie vorhin bei Sakura sprang die Mailbox an. „Ich frage Sasuke, ob…“, fing er an, bevor ihm einfiel, dass sein Liebhaber im Verhörraum wohl kaum wusste, wo das Mädchen war. Er rieb sich die Augen. „Wenn sie weggelaufen ist, weil ich sie angeschrien habe …“, sagte Sakura tonlos. Das war sehr wahrscheinlich der Fall, aber es brachte nichts, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. „Ich frage am Empfang nach. Mach du dich fertig und geh zum Pool“, wies er sie an. Sie nickte, sichtlich erleichtert, dass er das Heft in die Hand nahm. Minuten später war Sasuke im Foyer des Hotels und fragte, ob man Sarada gesehen hätte. „Sie ist vor ein paar Stunden raus, hat aber nicht gesagt, wo sie hingeht“, antwortete die Rezeptionistin. „Ist alles in Ordnung?“ „Rufen Sie mich an, sollte sie zurückkommen“, wies Sasuke sie an und wandte sich ab. Er nahm den Aufgang zur Poollandschaft, wo er auf Sakura stieß. Ihr beunruhigter Gesichtsausdruck machte Fragen überflüssig. „Oh Gott … Was, wenn ihr etwas passiert ist? Ich bin schuld, ich habe sie schon wieder davongetrieben …“ Sasuke legte Sakura die Hand auf die Schulter. „Konzentrieren wir uns darauf, sie zu finden“, sagte er. Sakura holte tief Luft und rieb sich über die Augen. Dann nickte sie entschlossen. Sie entschieden, jeweils am Strand und der Promenade zu suchen und dann nochmal in den Zimmern, falls sie Sarada nicht finden sollten. Es war an Sasuke, die Geschäfte an der Promenade abzuklappern. An je mehr der Lieblingsgeschäfte seiner Tochter er vorbeikam, ohne sie zu finden, stieg der Druck in seiner Kehle. Er wusste, dass sie klug war und auf sich aufpassen konnte. Aber sie war erst 13 und sie kannte in Konoha kaum jemanden. Wobei sie durchaus Freunde gefunden hatte. Natürlich hatte er Borutos Nummer nicht gespeichert, aber ein Anruf bei Shikamaru, seinem Personalleiter, behob das Problem. Kurz darauf hatte er den Jungen am Apparat. „Ist Sarada bei dir?“ „Ja, Ihnen auch hallo“, schmollte Boruto, bevor er begriff, was Sasuke gefragt hatte. „Nein, ist sie nicht. Wieso, was ist?“ Sasuke zögerte. Ihre Familienprobleme gingen den Teenager nichts an. Andererseits wüsste er vielleicht eher, wo ein Teenager mit Elternproblemen hinlaufen würde. „Sie und ihre Mutter hatten Streit“, entschied er kurzfristig. „Weißt du, wo sie sein könnte?“ „Shit … Ne, keine Ahnung. Aber ich helf suchen!“ „Nicht nö …“ „Sie ist eine Freundin, ich helfe“, stellte er klar. „Und … Ich ruf Menma an. Vielleicht weiß der was.“ Der Gedanke war Sasuke unangenehm, deshalb hatte er ihn verdrängt. Aber es machte Sinn, Menma zu fragen. Schließlich waren er und Sarada ausgegangen. Vielleicht war sie zu ihm gegangen. „Gut. Sag mir, wenn du etwas hörst.“ Nach dem Auflegen rieb Sasuke sich müde die Augen. Womöglich sollten sie die Polizei kontaktieren, aber er wollte sie nicht nochmal im Hotel haben. Sie hatten den Streit erst ausgelöst, wenn man es genau nahm. Bloß, dass Schuldzuweisungen sein Kind nicht zurückbrachten. Er versuchte nochmal, sie anzurufen, aber wieder erfolglos. Auch Sakura, die wenig später zu ihm stieß, hatte Sarada nicht finden können. Noch bevor sie anfing zu weinen, sah Sasuke am Zittern ihrer Nasenflügel, dass die Tränen gleich kommen würden. Er reichte ihr eine Serviette von der Poolbar, wissend, dass sie zu riesigen Krokodilstränen und etwas Rotz neigte. Aber so schlimm wie Naruto war sie nicht, bei dem bei jeder traurigen oder romantischen Stelle in Filmen die Sintflut losbrach. Genervt davon, schon wieder an ihn zu denken, rieb Sasuke sich den Nacken. Er musste sich damit befassen, aber gerade hatte Sarada Priorität. Es brachte keinem der beiden etwas, das zu vermischen. Während Sakura sich schnäuzte, trafen Menma und Boruto ein. Letzterer lief unruhig auf und ab, während ersterer sich mit verschränkten Armen neben einem der grauen Sofas postiert hatte. Einzig Sakura saß, die Hände nervös den Rand der Couch knetend. „Habt ihr Ideen, wo sie sein könnte?“, kam Sasuke direkt auf den Punkt. „Vielleicht am Strand beim Surfen?“ Sasuke nickte. Er machte selbst Sport, um seine Probleme abzuschütteln. „Wir haben schon am Strand gesucht, aber vielleicht ist sie inzwischen dorthin gegangen. Geht sie am Wasser suchen.“ Boruto fiel das Gesicht runter. „Ich kann alleine …“ „Der Stadtstrand ist lang und voll. Ihr geht zu zweit“, sagte Sasuke endgültig. Die Jungs trollten sich, der blonde missmutig grummelnd, der schwarzhaarige stoisch schweigend. Sakura sah aufgelöst aus, aber er kannte sie zu gut, um vorzuschlagen, sie solle hier bleiben. Sie hasste es, zurückgelassen zu werden, weil man sie für schwach hielt. Dass sie das nicht war, wusste Sasuke. „Schau dich in der Einkaufsstraße um. Ich nehme den Wagen und fahre die Stadt ab.“ Sakura nickte und sah ihn aus glänzenden Augen an. Er legte die Hand auf ihre Schulter. Sie nickte und Entschlossenheit überzog ihr Gesicht, als sie aufstand. Sasuke sah ihr nach, bis sie aus dem Foyer getreten war, dann ging er zur Tiefgarage. Sakura hatte schon immer Selbstzweifel gehabt, die ihre Intelligenz, Ausdauer und Fürsorglichkeit außer Acht ließen. Als Teenager hatte sie gehofft, Sasuke würde sie davon befreien, doch hatte sie das selbst geschafft. Sie war stark und unabhängig und das wusste sie inzwischen selbst. Sasuke hatte sich in den Verkehr eingefädelt und ließ den Blick über die hitzeflirrenden Straßen gleiten. Sein erstes Ziel war der Bahnhof. Er fand die Züge, die in die Stadt fuhren, in der Sarada und Sakura lebten, die zu seinen Eltern oder Itachi. Seine Tochter fand er aber nicht. Danach fuhr er durch Konoha, klapperte Bushaltestellen ab, Restaurants, Tankstellen. Immer mit der Hoffnung, Sakura, Boruto oder Menma würden ihm schreiben, dass sie Sarada gefunden hatten. Inzwischen war früher Nachmittag. Die Hitze lief zu Hochtouren auf und er spürte, dass er den Tag über weder gegessen noch getrunken hatte. Also parkte er vor dem Laden, in dem Naruto an ihrem Date Tag für sie eingekauft hatte, und holte sich etwas zu Essen. Als er bezahlte, fiel ein Zettel aus dem Portemonnaie. Er hob ihn auf und erblickte das abgegriffene Foto von Sakura und Sarada, das er immer mit sich führte. Die beiden sahen so glücklich aus. Er wünschte, er hätte ihnen das Glück für immer geben können. Doch es war lediglich eingefroren, in dem kleinen Bild, das sie in dem Park zeigte, in dem sie so oft gewesen waren – meist ohne Sasuke. Er hielt das Bild noch, als er die Imbissbude verließ. Der Park … Sie war so klein gewesen, aber vielleicht … Minuten später parkte er neben einer Grünfläche im Stadtkern. Er hatte sein Mittagessen mitgenommen. Wenn er sie nicht finden sollte, könnte er sich wenigstens kurz ausruhen. Das Eisentor zur Parkanlage war glühend heiß, als er sich hindurch schob. Die Asphaltwege waren gesäumt von verwahrlosten Rhododendronbüschen. Pinke und weiße Blüten trotzen dem rotbraun der sonnenverbrannten Umgebung. Zikaden knatschten in den dunklen Blättern und öffneten sich zu einem Spielplatz, der kaum mehr war, als eine Betonfläche in der prallen Sonne. Als er Sarada entdeckte, sah sie klein aus zwischen den hohen, halbverbrannten Büschen des Parks, ihr Kleid eine letzte rote Blüte im spätsommerlichen Braun. Er schrieb Sakura, dass er Sarada gefunden hatte, bevor er das Handy wegsteckte. Vielleicht wäre es klüger, Mutter und Tochter das klären zu lassen. Es war ihr Streit, und nicht der erste dieser Art. Doch hatte er das Bedürfnis, mit Sarada zu sprechen. Ihre Mundwinkel sanken herab, als sie ihren Vater entdeckte. Sie verschränkte die Arme und wandte sich ab. „Schon gut, ich komme …“ „Trink etwas.“ Sarada sah ihn misstrauisch an, nahm aber die Wasserflasche von ihrem Vater. In gierigen Schlucken leerte sie sie fast ganz, dann nahm sie das Sandwich, das er ihr hinhielt. Das Zirpen der Zikaden sowie das ferne Verkehrsrauschen füllten die Luft. Es roch nach Gras in der Sonne, mit dem ersten Hauch Herbst. „Als du noch klein warst, sind wir immer hierhergekommen“, sagte Sasuke, den Blick auf eine Baumreihe am Rand des Spielplatzes gerichtet. Inzwischen waren ein Klettergerüst und eine Schaukel aus dem Boden unter den Zweigen gewachsen, aber Sasuke deutete nach oben. „Siehst du den Rest der Seile? Das war eine Schaukel.“ Während sie seinem deutenden Finger folgte, holte er sein Portemonnaie hervor. Er zog das Bild von Sarada auf Sakuras Schultern hervor. Seine Tochter nahm es und strich über die kindlichen Rundungen ihres jüngeren Gesichts. „Das war hier.“ „Wir sehen glücklich aus“, sagte Sarada leise. Deshalb hatte er das Bild nie weggeschmissen. Er war niemand, der an alten Erinnerungsstücken hing. Aber das Foto stand für das Glück, das Sarada und Sakura verdient hatten. Das er ihnen vorenthalten hatte. Natürlich war das nichts, mit dem er seine Tochter belasten würde. Er blickte hinauf ins Laub, zwischen dem die Sonne golden hervorblitzte. „Als ich ein bisschen älter war als du, bin ich von zu Hause weggelaufen“, fing er nachdenklich an. Er spürte Saradas Blick auf sich und sein Mundwinkel zuckte. „Das hast du wohl von mir – obwohl ich mich mit deinem Großvater gestritten habe.“ „Mit Opa? Aber er ist so ruhig!“ „Wir sind beide älter geworden“, sagte Sasuke, obwohl das nur die halbe Wahrheit war. Er hatte einen Teil von sich verkauft, als er Sakura heiratete. Und sein Gewinn war Frieden mit seinen Eltern. „Ich war so sauer, dass ich Geld genommen habe und in die nächste Stadt gefahren bin. Ich hatte nicht vor, nochmal zurückzukommen. Und ich dachte, dass sie so glücklicher wären.“ Sarada beobachtete ihn misstrauisch und nahm schweigend einen weiteren Bissen. Sie wusste nicht, worauf er hinauswollte, außer, dass sie sich ähnlich waren. Das wusste sie schon, sagte ihr Blick. Der nächste Teil war nicht so leicht in kindgerechte Form zu bringen. Und wäre Sarada in Sasukes damaliger Situation gewesen, hätte er Kakashi ohne zu zögern erschossen. Bei sich warf er es dem älteren Mann nicht vor. Zum einen war er der Meinung, es aushalten zu können. Sasuke hatte die Kontrolle gehabt. Sasuke hatte es initiiert. Zum anderen hatte Kakashi ihn sicherlich für älter gehalten, als er war. Immerhin waren sie in einer Bar, und Sasuke hatte schon früh eine alte Seele gehabt. Natürlich änderte das nichts daran, dass er 17 und Kakashi Ende 20 gewesen war. „Ich… Habe einen Mann kennengelernt“, sagte er vage. „Und was …“, fing sie an, wurde dann aber rot, als sie verstand. „Oh. Ja.“ Sasuke nickte seinem klugen Mädchen zu. „Ich bin das ganze Wochenende bei ihm geblieben. Meine Eltern haben mich angerufen und sogar deinen Onkel dazu gebracht, sich bei mir zu melden – er studierte damals im Ausland. Aber ich wollte nichts von ihnen hören.“ Er dachte, er wüsste endlich, wieso er nie gut genug für sie war. Er dachte, dass sie recht gehabt hatten. Sie waren Uchiha, die verdienten nicht weniger als das Beste. Wenn er schon nicht extraordinär sein konnte wie Itachi, hätte er wenigstens normal sein sollen. Das hatten sie verdient. Ehrlich zu sein, ohne seine Traumata bei Sarada abzuladen, war gar nicht so leicht. Sasuke holte tief Luft, um fortzufahren. „Kakashi – der Mann – fand schließlich raus, dass ich weggelaufen war, und überredete mich, nach Hause zu gehen. Ich weiß wirklich nicht, wie er mich dazu gebracht hat, auf ihn zu hören. Ich war ein richtiger Dickschädel … Und ein Idiot“, fügte er hinzu und stimmte leise mit ein, als Sarada lachte. Mikoto war erleichtert, als er heimkam, Fugaku zeigte seine Wiedersehensfreude auf andere Weise. Aber Sasuke wollte die Beziehung von Großeltern und Enkelkind nicht belasten, nachdem sie sich gerade wiedergefunden hatten. „Deine Großeltern haben mich wieder aufgenommen, aber ich habe nicht mit ihnen darüber geredet, was passiert ist“, kam er langsam dem Punkt näher, den er mit dieser für ihn ungewöhnlich langen Geschichte erreichen wollte. Sarada schien noch nicht zu verstehen, hing aber an seinen Lippen zu jedem Wort über die Vergangenheit ihres Vaters. „Ich habe mich in meinem Zimmer eingesperrt und darüber nachgedacht, was ich tun sollte. Und ich entschied mich, deine Mutter zu heiraten.“ Saradas Faszination war von ihrem Gesicht gefallen. Sie starrte Sasuke ungläubig an. „Aber … Wieso?“, verstand sie nicht. „Weil ich normal sein wollte“, gestand er, müde vom vielen Reden. „Ich wollte so sein wie meine Eltern, damit wir uns endlich verstehen und aufhören konnten, zu streiten. Das haben wir. Aber wir haben auch aufgehört, wirklich miteinander zu reden, weil ich ihnen nie alles sagen konnte.“ Sarada schwieg lange, während sie die Information und die darunterliegende Botschaft verarbeitete. „Aber ich habe Mama doch gesagt, was ich denke“, sagte sie schließlich leise. „Du läufst weg, wenn sie nicht reagiert, wie du möchtest“, erklärte Sasuke mit einer Geduld, die ihn selbst überraschte. „Aber sie … Wir wollen nur das Beste für dich. Und das ist nicht immer das, was du möchtest. Wir müssen lernen, dir nach und nach mehr Entscheidungen zu überlassen. Das ist auch nicht so leicht. Aber im Moment musst du uns noch vertrauen.“ „Tue ich doch.“ Sie schürzte die Lippen auf eine Art, die Sasuke seltsam vertraut vorkam. „Aber manchmal ist sie so … Frustrierend!“ Sasuke lachte leise. Er hatte den Arm hinter Sarada auf die Lehne der Bank gelegt. Jetzt berührte er ihre Schulter. Zu seiner Überraschung lehnte sie sich an ihn und eine Wärme, die nichts mit der Spätsommerhitze zu tun hatte, durchflutete ihn. „Tut mir leid, Papa“, sagte sie nach einem Moment der Stille. „Du solltest darüber mit deiner Mutter reden.“ Es war ihr Streit, obwohl er das Gefühl hatte, den beiden vielleicht ein wenig geholfen zu haben. Es war ein neues Gefühl, das er erst verarbeiten musste. Sasuke stand auf und nickte seiner Tochter auffordernd zu. Gemeinsam schweigend verließen sie den Park in die Richtung, in der er sein Auto geparkt hatte. Erneut schrieb er Sakura, die ihn in der Zwischenzeit einige Male angerufen hatte. Er sagte ihr, sie solle den Jungs Bescheid sagen und ihn und Sarada in der Hotellobby treffen. „Menma und Boruto haben beide nach dir gesucht“, bemerkte er mit einem beiläufigen Blick auf das Mädchen. Sie wurde rot und schob ihre Brille hoch. Wegen wem von den beiden, konnte er nicht sagen. Er wusste nicht, ob er eine Vorliebe hatte, aber es ging ihn auch nichts an. Ihm kam der Gedanke, dass Naruto stolz auf ihn wäre. Im selben Moment zog ein schmerzhafter Stich von seiner Brust durch den ganzen Körper. Wie könnte er mit Naruto zusammen sein, wenn solche Vermutungen über ihn im Raum standen? Sakura war sauer und hatte Angst um ihre Tochter, als sie all das sagte. Sie mochte Naruto selbst, hatte sich schnell mit ihm angefreundet. Aber was, wenn sie in ihrer Eifersucht und Angst und Wut Recht gehabt hatte? Wenn Sasuke ihre Tochter in Gefahr gebracht hatte wegen eines hübschen Lächelns? „Papa …?“, fragte Sarada auf dem Weg zum Auto leise. Er brummte, um sie zum Sprechen aufzufordern, aber sie schwieg zunächst. Von sich selbst überrascht bemerkte Sasuke, dass er geduldig wartete, bis sie schließlich sagte: „Verlässt du ihn wirklich einfach so?“ Sasuke brauchte einen Moment, bis er verstand. Dann war sein erster Impuls, zu sagen, dass es sie nichts anging. Und dann dachte er darüber nach, wieso sein Kind solche Angst davor hatte, dass er jemanden zurücklassen könnte, davon dem sie wusste, dass er Sasuke viel bedeutete. Er schluckte den Stich runter, den ihm diese Erkenntnis versetzte, und legte die Hand auf ihren Kopf. „Das hängt davon ab, was die Polizei über ihn rausfindet, Sarada“, erklärte er sacht. Sie sah noch immer unglücklich aus, sodass er fortfuhr: „Ich kann dich und unsere Familie nicht in Gefahr bringen, indem ich mit bösen Leuten zusammen bin. Es ist meine erste Priorität, euch zu schützen, damit wir uns sehen können.“ Sie weitete die Augen, doch dann senkte sie den Blick und nickte. Schon wieder musste er so viel Verständnis von ihr erbitten. Im Stillen verfluchte er Naruto, für was auch immer er sich da wieder reinmanövriert hatte. Und er hoffte, es würde sich als Missverständnis herausstellen. Nicht nur um Saradas Willen. I had a dream I got everything I wanted Not what you think And if I’m being honest It might’ve been a nightmare. Kapitel 18: Goldenes Band ------------------------- And isn’t it just so pretty to think All along there was some Invisible string Tying you to me? Invisible String – Taylor Swift „Wie haben Sie Herrn Uzumaki kennengelernt?” Sasuke erinnerte sich an Diskolichter auf verschwitzter, gebräunter Haut. Er erinnerte sich an ein trunkenes Grinsen und kräftige Hände auf seinen Hüften. An eine herausfordernde Stimme über dem Beat der Musik. „Bei einer Arbeitsveranstaltung“, antwortete er dem Polizisten. Dieser seufzte und machte eine Notiz. „Herr Uchiha, wir haben von verschieden Stellen gehört, dass sie Herr Uzumaki näher stehen, als es bei einem Saisonarbeiter üblich ist.“ Natürlich verstand Sasuke die Implikation, aber so leicht machte er es nicht. „Von welchen Stellen?“ Der Stift des Beamten klopfte zwei Mal auf sein Papier. Er schien zu dem Schluss zu kommen, dass die Information ihren Ermittlungen nicht schaden würde, denn er sagte: „Von Ihrem Geschäftspartner, Orochimaru Oto, aber auch von anderen Quellen.“ Sasuke meinte, den giftig süßen Hauscocktail des Oto seine Kehle runterkriechen zu spüren. Snakebite. Lähmendes Gift inklusive. „Ermitteln Sie nicht gegen Angestellte des Otogakure?“ „Dank Orochimaru konnten wir neben der Verdächtigen Tayuya noch drei weitere Verdächtige festnehmen. Sie nannten sich die „Oto Vier“, aber Orochimaru konnte uns überzeugend vermitteln, dass er sie nicht kannte. Sie haben sich seinen Club lediglich als Vertriebsstätte ausgesucht wegen des hochrangigen Klientel.“ Sasuke musterte den zweiten Mann im Verhörraum, der diese Erklärung gegeben hatte. Ganz schön wortreich für Sasukes einfache Frage. „Herr Uchiha, sie sollten sich kooperativer zeigen“, wechselte der andere Polizist das Thema. „Wir haben genug Hinweise, um Ihr Hotel zu durchsuchen.“ „Sie würden nichts finden“, sagte Sasuke und verschränkte die Arme. So gleichgültig war er aber nicht wirklich. In den letzten Monaten war die Polizei mehrfach im Sensu gewesen. Es hatte bereits zu stornierten Hotelzimmern geführt. Der Ruf seines Hauses stand unter Beschuss, und mit ihm der seiner Familie. Sein Vater hatte bereits klargestellt, dass Sasuke das ‚regeln‘ sollte, egal wie. Mehr sagte er sich jedoch um Sarada. Unmöglich, sie mit all den Gerüchten in drei Wochen zurück zur Schule zu schicken. „Ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß“, sagte Sasuke schließlich. Er wusste einiges von Narutos Vergangenheit, aber wer sagte, dass es nicht gelogen war? Mit den angeblichen Verbrechen seines Freundes hatte es sowieso nichts zu tun. Sarada war ein Kind. Leuchtender Optimismus stand ihr zu. Sasuke musste rationaler sein, egal, was er sich wünschte. In den Rücken fallen würde er ihm aber nicht. Unschuldig bis zum Beweis der Schuld und so. Der Befragungsleiter seufzte und klappte seine schwarze Mappe zu. „Gut, das war vorerst alles. Falls Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich bei uns.“ Sasuke nickte, dann wurde er zur Tür geleitet. „Was ist mit Nar … Herr Uzumaki?“ Die Beamten warfen sich Blicke zu, bevor einer antwortete: „Die Befragung und Sicherungshaft ist beendet. Heute Abend wird er entlassen. Er darf Konoha nicht verlassen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.“ Sasuke nickte und wandte sich ab. In seiner Magengegend braute sich ein Gefühlscocktail zusammen bei der Aussicht, von Naruto zu hören. Er vermisste ihn und wollte ihm beistehen, nach allem, was er in den letzten Tagen sicher erlebt hatte. Aber er war misstrauisch. Was, wenn er doch etwas mit den Vorkommnissen zu tun hatte, die in den letzten Monaten Konoha aufgewühlt hatten? Was, wenn er seine Arbeit im Sensu nur als Tarnung verwendet hatte? Wenn er Sasukes Gefühle ausgenutzt hatte, um ihn zu blenden? Er glaubte es nicht, wollte es nicht glauben. Nicht Naruto mit seinen Augen, so offen wie das Meer. Naruto mit seinem Lachen, so voller Ehrlichkeit. Naruto konnte nicht lügen, und wenn sein Leben davon abgehangen hätte. Und doch war da dieses seltsame Verhalten, das er manchmal an den Tag gelegt hatte. Telefonate, für die er Distanz von Sasuke suchte, die er in einer Stimme führte, die Sasuke nicht kannte. Treffen mit ‚alten Freunden‘ die er Sasuke nicht vorstellen wollte – obwohl er Sasuke sonst jedem vorführen wollte. Besonders, seit sie zusammen waren. Er wusste nicht, was er denken solle. Dass nicht nur seine Gefühle davon abhingen, machte die Sache nicht besser. Sarada hatte Stabilität verdient. Die Sicherheit, die Sasuke ihr bisher nicht geboten hatte. Einen Teil davon hatte sie bei Naruto gefunden, und Sasuke wünschte, sie könnte ihn behalten. Fast so sehr, wie er ihn für sich selbst wollte. „Herr Uchiha“, hielt die Rezeptionistin Sasuke auf, als er sein Hotel betrat. Er unterdrückte einen Fluch, als sie fortfuhr: „Sie werden im Besprechungsraum erwartet. Ich konnte ihn nicht wirklich aufhalten.“ Das Gute war, dass er schon wusste, dass es sich nicht um einen Polizisten handelte. Sonst wäre er wohl an die Decke gegangen. Allerdings war Orochimaru kein wesentlich willkommenerer Anblick an diesem Tag. „Habe ich ein Meeting übersehen?“ „Das wäre verständlich, bei allem, was gerade im Sensu vorgeht“, lächelte Orochimaru, ehe er den Kopf schüttelte. „Aber nein. Mein Besuch ist spontaner Natur. Ich hoffe, Sie können Zeit erübrigen.“ „Wir sind schon hier“, sagte Sasuke trocken. Er schenkte sich Wasser aus einer der Flaschen in der Mitte des Konferenztisches ein. Dann nahm er an dem Tischende Platz, das Orochimaru gegenüber lag. „Was führt Sie her?“ „Geschäftliche, fürchte ich.“ Für ‚Privates‘ hatte Sasuke gerade auch keine Nerven, doch den Sarkasmus verkniff er sich. „Dann wäre ein Termin hilfreich gewesen.“ „Sie wissen, ich schätze Ihre stets akkurate Art“, lächelte Orochimaru. „Aber in diesem Fall denke ich, ein inoffizielles Gespräch ist für uns beide von Vorteil.“ „Dann kommen Sie zur Sache. Wie selbst sagen, ich habe im Moment viel zu tun.“ „Und genau darüber möchte ich sprechen.“ Das verwunderte Sasuke nicht. Er hatte mit etlichen Geschäftspartnern gesprochen, seit diese ganze Sache angefangen hatte. Nur war keiner unangekündigt in seinem Hotel aufgetaucht und hatte eine Privataudienz erwartet. „Als wir unsere Zusammenarbeit begannen, war das Sensu für seinen tadellosen Ruf bekannt“, fing Orochimaru ausschweifend an. „Inzwischen assoziiert man Ihr Haus eher mit anderen Bildern.“ Der bullige Beamte von vorhin flackerte vor Sasukes innerem Auge auf, doch er schob die Verbindung vorerst beiseite. „Welche Bilder wären das?“ „Verhaftungen von Gästen, durchsuchte Zimmer Ihrer Angestellten, Sie, wie Sie das Hotel an der Seite Ihres Animateurs verlassen …“ „Es geht die Öffentlichkeit nichts an, wie ich mein Personal führe.“ Orochimaru machte eine abwehrende Geste. „Ich bitte Sie, Sasuke. Sie glauben doch nicht wirklich, dass man ihr kleines Techtelmechtel mit unserem gut gebauten, gebräunten Jüngling nicht mitbekommen hat.“ Nach dem letzten Gespräch mit seiner Mutter warf ihn diese Offenbarung nicht ganz so sehr aus der Bahn. Zumal er wusste, dass Orochimaru selbst an Männern – oder zumindest an Sasuke selbst – interessiert war. Vermutlich hatte man da einen besseren Radar. „Wir sind erwachsene Menschen. Ich wüsste nicht, was es irgendjemanden angeht“, erwiderte Sasuke kühl. „Unsere Zusammenarbeit ist dazu gedacht, Sie mit den richtigen Leuten in Kontakt zu bringen, Sasuke.“ Orochimarus Züge hatten sich verhärtet, als Sasuke nicht angemessen schockiert reagierte. „Bisher waren sie zu abgelenkt, diese Chance zu nutzen. Lassen sie sie nicht vorbeiziehen.“ Es gefiel Sasuke nicht, aber Orochimaru hatte Recht. Er war abgelenkt gewesen, von Sarada und seiner Familie und Sakura – und von Naruto. Dass Orochimaru sich so auf diesen fixiert hatte, störte Sasuke. Und dennoch … Obwohl Sasuke Sarada versprochen hatte, nicht zu überstürzen, war er im Zwiespalt. Ein Teil von ihm sehnte sich nach Naruto, wollte ihm glauben, was immer er sagen würde. Ein anderer Teil sagte ihm, dass er schon genug Drama in seinem Leben gehabt hatte. Er schuldete Sarada ein stabiles Umfeld. Und er selbst wollte nur in Ruhe sein Hotel leiten. Sasuke wünschte zum ersten Mal im Leben, er könnte eine Entscheidung aus der Hand geben. „Es könnte Ihre Tochter in Gefahr bringen“, fuhr Orochimaru fort und jeder Muskel in Sasukes Körper war augenblicklich gespannt. Orochimaru lächelte über die Reaktion. „So weit ich gehört habe, ist das bezaubernde Kind bereits weggelaufen wegen des Animateurs, nicht wahr?“ Sasuke hatte nicht gemerkt, wie er aufgestanden war, doch mit einem Mal blickte er auf Orochimaru herab. Der ältere Mann zuckte überrascht vor Sasukes brennenden Augen weg. „Meine Tochter geht Sie nichts an“, zog eine Trennlinie aus Eis. „Und woher wissen Sie das?“ Orochimaru erholte sich schnell, doch jetzt lag Härte unter seinem Lächeln. „Falls Sie es vergessen haben, auch ich kümmere mich um eine junge Seele. Und mein Menma und ihre Tochter haben sich angefreundet. Da hat er mich von der unglücklichen Intermezzo unterrichtet.“ Sasuke straffte die Schultern. „Wieso sollte er Ihnen davon erzählen?“ „Es hat ihn aufgewühlt und er suchte Rat bei mir“, zog Orochimaru die Brauen hoch. „Ist das so außergewöhnlich?“ Zweifel nagten an Sasuke, als er sich wieder setzte. Er kam sich paranoid vor, es zu denken – aber was, wenn Orochimaru Menma darauf angesetzt hatte, sich mit Sarada anzufreunden? Wenn er Sasuke über seine eigene Tochter ausspitzeln ließ? Doch dann machte er sich klar, dass es um ein 13-jähriges Mädchen ging. Sie hatte keine Informationen, die es auszuspitzeln lohnte. Zumal sie nicht in einem Mafiafilm war. Die ganze Sache mit der Polizei musste Sasuke wirklich zu Kopfe gestiegen sein. „Sie haben Recht. Diese Zusammenarbeit hat sich in eine andere Richtung entwickelt als erhofft“, sagte Sasuke schließlich, während er sich den Nasenrücken rieb. Er brauchte eine Aspirin und einen doppelten Espresso. Er sah zu Orochimaru und fragte sich, ob er einen Fehler machte. Sie hatten schon vor dieser Saison zusammengearbeitet, jedes Mal erfolgreich. Orochimaru war ein mächtiger Mann in Konoha. Rein logisch betrachtet war das, was Sasuke zu tun gedachte, absolut nicht zu vertreten. Doch wenn ihm die letzten Monate eines gelehrt hatten, dann, dass logische Entscheidungen nicht immer die richtigen waren. „Deshalb werden das Sensu und das Oto nach dieser Saison nicht weiter exklusive Kooperationspartner sein.“ Orochimarus sonst so glattes Gesicht bröckelte, bis eine Fassade aus Zorn darunter sichtbar wurde. „Ich hatte dich für klüger gehalten, Bursche“, knurrte er und erhob sich. „Dein Vater wird …“ „Mein Vater hat das Sensu meiner Leitung übertragen. Ich werde es führen, wie ich es für richtig halte“, unterbrach Sasuke. „Sie vergessen, dass Sie nur ein Kooperationspartner sind – waren.“ „Ich warne dich. Bisher hat mein Einfluss dich und deine Schabracke hier geschützt. Du wirst die Konsequenzen schon bald spüren.“ „Ich werde mich um sie kümmern“, sagte Sasuke schlicht und richtete sich auf. „Hatten Sie noch anderes zu besprechen? Ich bin beschäftigt.“ Mit einer schnellen Bewegung war Orochimaru um den Tisch und stand näher an Sasuke, als ihm lieb war. Seine Augen bohrten sich in Sasukes und ein Lächeln wie pures Gift teilte seine schmalen Lippen. „Ich kenne deine schmutzigen kleinen Geheimnisse. Als dein Geschäftspartner hätte ich sie mit ins Grab genommen, doch jetzt gibt es dafür keinen Grund mehr. Ich hoffe, das ist es dir wert“, sagte er, dann wirbelte er aus dem Besprechungssaal. Sasuke blieb aufgerichtet, bis die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Dann atmete er tief durch und ging zu einem der Aktenschränke an der Wand. Er musste einige Schubladen aufsperren, bis er die Zigarettenschachtel gefunden hatte, die er suche. Sonst rauchte er nie in Gebäuden, aber jetzt zündete er die Zigarette direkt an. Er nahm einen Zug, bevor er eines der Fenster aufmachte. Es blickte auf den Innenhof seines Hotels. Einige Gäste planschten im Pool, während andere auf den Liegen oder an der Bar entspannten. Im gegenüberliegenden Gebäudeteil sah er ein Zimmermädchen einen Praktikanten einlernen. Hinter dem Gebäude hörte er das Piepen eines LKW und Rufe, die anzeigten, dass neue Ware für die Küche geliefert worden war. Er hatte so viel von seinem Leben investiert, um all das in Form zu bringen. Sollte er es jetzt wirklich für einen Mann in Gefahr gebracht haben, den er nur ein paar Monate kannte? In den nächsten zwei Tagen legte sich die erste Aufregung um die Untersuchungshaft. Sasuke war nicht überrascht, dass mehrere seiner Angestellten bei ihm für Naruto vorsprachen. Sie beteuerten, dass er sicherlich unschuldig war. Es musste ein Missverständnis sein! Sasuke schickte sie weg in der Hoffnung, sie hätten Recht. Inzwischen hätte Naruto wohl Zugang zu einem Telefon erhalten haben müssen. Bei Sasuke hatte er sich jedoch nicht gemeldet, und es zehrte an seinen Nerven. Stimmten die Vorwürfe also doch? Hatte Naruto keine Ausrede für Sasuke, keine Erklärung? Meldete er sich deshalb nicht? Seine Gedanken waren anderswo, als er Sakura und Sarada zum Bahnhof fuhr. Er hob den Koffer seiner Exfrau aus dem Kofferraum und zog ihn hinter ihr und ihrer Tochter her. Die beiden plauderten über mögliche Ausflüge und andere Reisende. Sasuke fragte sich, wie es wäre, mit Sarada und Naruto zu verreisen. Wie aufgeregt und ungeduldig Naruto wäre. Wie er Sarada damit anstecken und sie zum Lachen bringen würde. Wie es wäre, seine Hand im Zug zu halten, wenn seine Tochter eingeschlafen wäre. Wie er und Naruto die Zweisamkeit im Hotelzimmer genießen würden, nachdem sie den Tag unterwegs verbracht hatten … „Abfahrt am Gleis 27 in wenigen Minuten. Passagiere begeben sich bitte an Board“, riss eine Bahndurchsage Sasuke grob zurück in die Realität. Er schüttelte die Gedanken ab. Es brachte nichts, Tagträumen von einem Mann nachzuhängen, der ihn scheinbar nicht sprechen wollte. Sakura und Sarada umarmten sich vor dem Abteil, in das Sakura einsteigen würde. Dann wandte Sakura sich Sasuke zu. „Danke, dass ich hier sein konnte. Es war auf jeden Fall … eine Erfahrung“, sagte Sakura und trotz allem anderen entkam Sasuke ein kurzes, schnaubendes Lachen. „Die war es.“ Sie gaben sich lächelnd die Hände und vielleicht zum ersten Mal hatte Sasuke das Gefühl, ihr auf Augenhöhe zu begegnen. Es war anstrengend gewesen, dennoch war er froh über ihren Besuch. Sie waren sich näher als zuvor. Das war gut für Sarada, doch er hatte gelernt, dass er Sakura auch als Person schätzte, unabhängig von ihrer Tochter und dem, was sie für ihn war und sein wollte. Einfach Sakura als Mensch. „Liebling, kannst du den Koffer für mich zu meinem Platz tragen?“, fragte Sakura Sarada. „Der ist etwas schwer für mich.“ Ihre Tochter sah zwischen ihnen hin und her. Seufzend trug sie den Koffer die vier Stufen hoch. Als sie im Zug stand, sah sie ihre Eltern über die Gläser ihrer Brille hinweg erhaben an. „Ich weiß, dass du Papa leicht hochheben könntest, wenn du es drauf anlegst“, verkündete sie. „Wenn ihr also alleine reden wollt, denk dir eine bessere Ausrede aus … Oder sag einfach die Wahrheit!“ Mit diesen Worten verschwand sie im Zug. Sasuke und Sakura waren kurz sprachlos, dann lachten beide. „Sie ist genau wie du in dem Alter!“, kicherte Sakura hinter vorgehaltener Hand. „Nun, sie ist meine Tochter“, lächelte Sasuke. Die Wärme, die er in solchen Momenten mit Sarada empfand, war noch neu für ihn, aber er genoss sie. Es fühlte sich wie etwas Wachsendes, Lebendiges an. Sakuras Lächeln hielt einen Moment, bevor sie ernst wurde. „Was hast du jetzt wegen ihm vor?“ Sasuke sah den Zug entlang, über das Abteil, in dem ihre Tochter sein musste. Sakura wollte sicherstellen, dass es Sarada gut ging. Das war Priorität. Was noch an Eifersucht und Bitterkeit und anderen komplizierten Gefühlen hinzukam, war zweitrangig, das wusste Sasuke. Deshalb hätte er ihr gerne eine befriedigendere Antwort gegeben als ein lahmes, aber ehrliches: „Ich bin mir noch nicht sicher.“ Sie öffnete den Mund, doch Sasuke fuhr fort: „Aber Saradas Gefühle haben Priorität, und sie hängt an ihm. Also … Werde ich wohl mit ihm reden.“ Sakuras Züge wurden weicher und sie legte die Hand auf Sasukes Schulter. „Ich bin stolz auf dich“, sagte sie. „Aber versuch, das mit euch nicht zu sabotieren. Du verdienst es, glück zu sein, weißt du.“ Nicht sicher, ob sie Recht hatte, schnaubte Sasuke nur. Sie gluckste, doch bevor sie etwas anderes sagen konnte, kehrte Sarada zurück. Die beiden umarmten sich tränenreich, als eine Durchsage Sakura zu ihrem Platz rief. Sie wandte sich Sasuke zu und er hielt ihr die Hand entgegen. Kurz flackerte die altbekannte Enttäuschung über ihre Züge. Sie hatte sich mehr erhofft von Sasuke, wie so oft. Doch dieses Mal nahm sie mit einem ehrlichen Lächeln, was er geben konnte, und schüttelte seine Hand mit festem, freundschaftlichem Druck. Dann bestieg sie den Zug, der sich kurz darauf aus dem Bahnhof wand. Sasuke und Sarada sahen ihm nach, bis er zwischen den Häusern verschwunden war, dann legte er seiner Tochter die Hand auf den Rücken. „Lass uns nach Hause gehen.“ Auf dem Heimweg war Sarada angespannt und still. Es erinnerte ihn an ihre erste gemeinsame Zeit und machte ihn selbst unruhig. Allerdings hatte seine Mutter ihm geraten, das Mädchen nicht zu bedrängen. Er solle ihr ‚sanft zu verstehen geben, dass er ihr zuhören würde, ohne sie zu nötigen‘, das habe bei ihm immer Wunder gewirkt. Wie zur Hölle er das anstellen sollte, wusste er nicht. Solche Eiertänze waren wirklich nicht Sasukes Stil. Er räusperte sich, als sie aus der Tiefgarage des Hotels in die Lobby traten. „Sarada … Ist alles in Ordnung?“ Sarada sah ihn überrascht an, bevor sie ihre Brille zurechtschob. „Ja. Ich wollte nur Chouchou anrufen. Brauchst du noch etwas?“ „Nein, nur …“ Erneut räusperte er sich unter ihrem abwartenden Blick. „Wenn du … Reden willst oder so … Bin ich für dich da.“ Für einen Moment stand ihr der Mund offen, dann sanken ihre Mundwinkel herab und sie stützte die Hand in die Hüfte. „Du brauchst dich nicht zwingen, so etwas zu sagen, weißt du?“ Er zuckte unter der Schärfe in ihren Worten zusammen. „Ich meine es ernst, Sarada. Ich weiß, ich bin nicht der Beste in so etwas, aber für dich …“ Ein kleines Lächeln flammte über ihr Gesicht und sie kicherte leise. „Ich weiß, Papa. Aber ich will lieber trotzdem mit Chouchou reden. Ist das okay?“ „Ja. Natürlich.“ Sie grinste ihn an, dann lief sie davon, die Treppe hoch zu ihrer Wohnung. Er seufzte und rieb sich den Nacken, während er ihr nachsah. Es war ein seltsames Gefühl, jetzt in ihr Leben zu treten, wo sie ihre Eltern weniger und weniger brauchen würde. Er wollte für sie da sein, sie schützen. Aber sie brauchte jetzt die Freiheit, die er sich jahrelang genommen hatte. Es war an ihr, zu entscheiden, welchen in Platz ihrem Leben er verdient hatte. Es war ein bittersüßes Gefühl von Verlust und Stolz. Seufzend wandte er sich ab, um sein Büro aufzusuchen. Sakuras Abreise hatte ihn schon genug Zeit gekostet. Gerade hatte er den Flur im dritten Stock betreten, als der Anblick einer gigantischen roten Katze ihn innehalten ließ, die mitten im Flur saß. Kuramas dunkle Augen sahen ihn klug und eindringlich an. Seit Narutos Verhaftung hatte Sarada sich um den Kater gekümmert. Sasuke selbst hatte das Tier gemieden. Es erinnerte ihn zu sehr an seinen Herren. Dass es jetzt vor ihm auftauchte, fiel in seinen Magen wie ein Stein. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er sah sich um, aber hier war Naruto nicht. Wie von selbst beschleunigten sich seine Schritte, bis er sein Büro erreichte. Er schloss auf, erwartete fast, von sommerhimmelblauen Augen begrüßt zu werden – doch der Raum war leer. Hinata hatte die Fenster zum Lüften geöffnet und der Windzug raschelte in Sasukes Dokumenten, das war alles. Ein Miauen ließ ihn aufblicken. Kurama saß noch immer an der Biegung des Flures. Jetzt stand er auf, streckte sich und tigerte davon. Sasuke zögerte. Es war doch albern. Der Kater streunte schon die ganze Saison über in seinem Hotel herum, egal wie oft Sasuke gesagt hatte, er sollte in einem Zimmer bleiben. Es war kein Zeichen oder so etwas … Und doch konnte er sich nicht davon abhalten, dem buschigen Schweif zu folgen. Bereits nach zwei Biegungen wusste er, wohin sie unterwegs waren. Wie erwartet, blieb Kurama schließlich vor Narutos Zimmertür stehen. Dahinter waren Geräusche zu hören. Sasuke schluckte seinen schweren Herzschlag herunter. Naruto hatte ihn nicht angerufen. Das hieß wohl, dass er ihn nicht sprechen wollte. Er würde sich ihm sicher nicht aufdrängen. Andererseits hatte er Antworten verdient. Er war wütend, und das zu Recht, wie er fand. Gleichzeitig … Bevor Sasuke seine wiederstreitenden Gefühle ordnen konnte, begann Kurama an der Tür zu kratzten und laut zu schreien. Sasukes Herz rutschte ihm in die Hose und ohne nachzudenken, stürzte er auf die Katze zu und riss sie von der Tür weg. Das Tier fauchte und wand sich in seinen Armen und Sasuke rang mit ihm wie mit einem Löwen. Und dann öffnete sich die Tür und ein sichtlich perplexer Naruto stand vor ihnen. Ihre Blicke trafen sich und für einen Moment beschleunigte Sasukes Herzschlag sich. Er sah nur noch das Meer in Narutos Augen Wellen schlagen. Doch dann sprang Kurama von seinem Arm und brach den Zauber. Der Kater schmiegte sich um Narutos Beine und stolzierte in die Wohnung. Naruto sah ihm nach und murmelte: „Hunger, huh?“ Ohne sasuke nochmal anzusehen, folgte er dem Tier. Allerdings ließ er die Tür auf, was Sasuke als Erlaubnis sah, hinterherzugehen. Während Naruto Kurama fütterte, sah Sasuke sich um. Zuletzt war alles unordentlich gewesen, weil die Polizisten Narutos Zimmer durchsuchten. Jetzt war es kaum ordentlicher – mit dem Unterschied, dass zwei große, halb gepackte Koffer das Bett einnahmen. Etwas in Sasukes Magen verknotete sich bei dem Anblick. „Was hast du vor?“, brachte er heraus. Naruto war scheinbar sehr interessiert daran, wie Kurama sein Futter verschlang, sodass er nicht aufblickte. „Brauchst dir keine Sorgen machen. Ich pack schon.“ „Das sehe ich“, schnappte Sasuke ungeduldig. „Willst du wirklich einfach so verschwinden? Ohne ein Wort? … wenigstens an Sarada …“ „Sarada?“, wiederholte Naruto verwirrt und sah jetzt doch auf. Schmerz flackerte über sein Gesicht, das er wieder abwandte. „Geht‘s ihr gut…?“ „Interessiert dich das wirklich?“ „Wa …? Natürlich interessiert mich das! Was soll das?“ „Du packst gerade deine Sachen“, sagte Sasuke kalt. „Für mich sieht es nicht danach aus, als würden dich ihre Gefühle interessieren, wenn du einfach verschwindest.“ „Na, ich hatte nicht gedacht, dass ich überhaupt zu ihr darf, okay?“, fauchte Naruto zurück, und jetzt war es Sasuke, der überrascht war. „Wieso solltest du nicht?“ Naruto hielt inne und warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Sonst benimmst du dich ihr gegenüber wie eine aufgeplusterte Glucke. Woher soll ich wissen, dass es Ausnahmen gibt?“ Genervt schnaubend verschränkte Sasuke die Arme. Er bereute es bereits, hergekommen zu sein. „Ich dachte, wir hätten geklärt, dass du meine Ausnahme bist.“ Blaue Augen wurden groß vor Überraschung, dann wurden Narutos Wangen tiefrot. Er kratzte sich im Nacken und sah auf einen Stapel seiner Hosen neben sich. Sasuke verdrängte den Gedanken, wie süß Naruto aussah, wenn er verlegen war. „Na ja, also … Dann gehe ich mich wohl von Sarada verabschieden?“, sagte er schließlich plump. Sasuke schnaubte. „Wenn du willst.“ „Wenn ich …? Also, willst du nich, dass ich gehe?“ „Ich wüsste nicht, wann ich das gesagt hätte.“ „Oh.“ Naruto kratzte sich am Nacken und lachte verlegen. „Ich war irgendwie davon ausgegangen, nachdem ich im Gefängnis war und so.“ Sasuke verdrehte die Augen. „Das ist mir durchaus bewusst. Und ich wüsste gerne, wieso die Polizei hier war, um meinen Freund abzuholen.“ Wieder gab Naruto einen überraschten Laut von sich, als hätte er nicht damit gerechnet, noch Sasukes Freund zu sein. Nun, jetzt wusste er es. Stillschweigend würde er Sasuke jedenfalls nicht loswerden. Nachdem seine erste Überraschung sich gelegt hatte, senkte Naruto den Blick, das Gesicht ungewöhnlich Ernst. „Das klingt bescheuert, aber es ist besser, wenn du weniger weißt.“ „Du hast Recht“, verschränkte Sasuke die Arme. „Das klingt wirklich bescheuert. Wir sind nicht in einem Mafiafilm.“ Naruto kratzte sich lachend am Nacken und das Geräusch hätte fast Sasukes Ärger weggewaschen. Wenn da nicht ein gewisser Unterton gewesen wäre, der ihn beunruhigte. „Es gibt ein paar Dinge, von denen ich dachte, ich hätte sie geklärt, bevor das mit uns ernster wurde. Ich war da aber wohl ein bisschen voreilig …“, erklärte Naruto und Sasuke verdrehte die Augen. „Was für eine Überraschung.“ Naruto funkelte ihn an, bevor er seufzte. „Ich meine es ernst, Sasuke. Ich will dich und Sarada nicht da mit reinziehen.“ Ihre Blicke verschränkten sich und die Einsicht, dass Naruto es hundertprozentig ernst meinte, sank wie ein Stein in Sasukes Magen. Bilder von Sarada schwappten in ihm auf. Er hatte Verantwortung für sie. Egal, in was Naruto da drinnen hing – Sasuke musste sie beschützen. Doch dann dachte er an ihr enttäuschtes Gesicht, als sie Sasukes Zweifel an Naruto gesehen hatte. Sicher, sie war ein Kind, sie konnte gewisse Dinge nicht richtig einschätzen. Trotzdem konnte es nicht sein, dass seine Tochter seinem Freund mehr vertraute als er. Schließlich hatte Naruto Sasukes Erwartungen an ihn wieder und wieder mit Leichtigkeit übertroffen: Er hatte sich in seiner Rolle als Animateur hervorgetan und das Vertrauen seiner Kollegen schnell gewonnen. Als Angestelltenvertreter hatte er ebenso geglänzt wie als Verantwortlicher für diverse Events der Saison. Aber nicht nur das. Auch Sasukes Privatleben hatte er mehr bereichert, als Sasuke je für möglich gehalten hätte. Ohne ihn wäre es Sasuke nicht gelungen, die Beziehung mit Sarada so aufzubauen, wie sie jetzt war. Ohne ihn hätte er diesen Sommer verbracht wie zahllose zuvor, gefesselt an seinen Schreibtisch, alleine in seinem Büro in einem der schönsten Urlaubsorte der Welt. Naruto hatte ihm gezeigt, wie man lebte. Und Sasuke hatte ihn dafür lieben gelernt. Er trat näher und nahm die Hände des überraschten Naruto. „Ich weiß nicht, was gerade passiert“, gab er zu, obwohl es ihn unbehaglich machte. „Aber … Ich vertraue dir, Naruto.“ Naruto sah ihn überrascht an, bevor ein trauriges, wissendes Lächeln seine Züge überzog. „Du hast mit Sara geredet, oder?“, schlussfolgerte er, obwohl Sasuke nicht geantwortet hatte. „Sie is n gutes Mädchen … Aber du musst vernünftig sein. Ich würd dem Ruf deines Hotels schaden.“ „Warst es nicht du, der gesagt hat, man müsse ab und zu unvernünftig sein?“, erwiderte Sasuke und drückte seine Hände. Wieder trafen sich ihre Blicke und in Narutos Augen lag die unausgesprochene Frage: ‚Bin ich das Wert?‘ Zur Antwort lehnte Sasuke sich vor und küsste ihn. Naruto war es wert, um seinetwillen die Welt brennen zu lassen. Und vielleicht hatte Sasuke gerade tatsächlich seine Welt für ihn in Brand gesteckt. Nach einem Moment löste Sasuke sich von Naruto, der mit einem schüchternen Lachen reagierte. „Damit hab ich jetzt nich gerechnet.“ Sasuke schnaubte amüsiert. „Sieht dir nicht ähnlich, unsicher zu sein.“ „Wa- Ich bin nicht unsicher, Blödmann!“ Naruto knuffte ihm gegen den Bauch und küsste ihn nochmal. „Ich kenne dich nur als Kontrollfreak, und das einfach so stehen zu lassen, passt nich zu dir.“ Zuerst wollte er protestieren, doch dann musste er Naruto seufzend Recht geben. Er hatte gerne die Kontrolle. „Es wäre mir lieber, du würdest mir sagen, was los ist“, gestand er ehrlich. „Aber wenn du sagst, es ist besser so und du regelst das, vertraue ich dir.“ Röte kroch über Narutos Wangen und er wippte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ...“ „Ganz was Neues“, schoss Sasuke zurück, aber Naruto ließ ihn gar nicht wirklich zu Wort kommen. „… Außer: Ich liebe dich.“ Jetzt war es Sasuke, der verblüfft innehielt. Er wusste nicht, wann er diese Worte zuletzt gehört hatte. Vermutlich von Sakura, vor langer, langer Zeit. Sie hatten sich immer wie eine Bürde angefühlt, Ketten, die er selbst um seine Existenz gelegt hatte. Aber auch um Sakuras, die nie wirklich von ihm hatte frei sein können. Das hier war anders. Ein goldenes Band, das die Fehler ihrer Vergangenheit umspannte und sie untrennbar verknüpfte, egal, was die Zukunft ihnen brachte. A string that pulled me Out of all the wrong arms right into that dive bar. Something wrapped all of my past mistakes in barbed wire. Chains around my demons, wool to brave the seasons. One single thread of gold tied me to you. Kapitel 19: Everything at once ------------------------------ ”The time I thought that we would have Was taken from red to black I said things that I can’t take back And I don’t know how to live with that There’s a darkness that I’ve known And it’s shaken me to stone. And it kills me you might not know Cause I know I don’t let you see But you mean the world to me.“ Freya Ridings – You mean the world to me Sarada stocherte in ihrem Müsli, das inzwischen eher Matsch ähnelte. Sie sah auf ihr Handy und schmollte. Er hatte das nur aus dem Augenwinkel beobachtet, doch als sie das fünfte Mal tief seufzte, schloss Sasuke seine Zeitung. „Was ist los?“, fragte er. Sarada zuckte zusammen und schob verlegen ihre Brille zurecht. „Was soll sein?“, fragte sie trotzig. „Du seufzt so laut, dass deine Mutter es noch hören kann“, erwiderte er, während er die Zeitung beiseitelegte. „Wenn du so weiter machst, glaubt sie noch, sie müsste dich doch abholen.“ Zuerst verdrehte Sarada die Augen, doch dann konnte sie ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. Sie mochte es, wenn Sasuke Humor zeigte. „Eigentlich ist es wirklich nichts“, wiederholte sie und sah nochmal auf ihr Handy. „Es ist nur… Menma antwortet seit ein paar Tagen nicht auf meine Nachrichten. Ich habe ihn sogar angerufen!“, fügte sie hinzu, als wäre ein Telefonat die intimste Art, seine Gefühle zu zeigen. Nun, für eine 13-Jährige war es das wohl. Sasuke fürchtete, nicht unschuldig an dem Dilemma seiner Tochter zu sein – mal wieder. Orochimarus Worte kamen ihm in den Sinn: ‚Du wirst die Konsequenzen schon bald spüren.‘ Heiße Wut kochte in Sasuke hoch, als er daran dachte, dass Orochimaru ihren Konflikt an Sarada und Menma auslassen könnte. Die Kinder hatten nichts damit zu tun. Doch Orochimaru hatte so zornig ausgesehen, dass es Sasuke nicht überraschen würde, wenn er diese Grenze überschritten hatte. „Ich habe die Zusammenarbeit mit dem Otogakure beendet“, eröffnete er daher Sarada. „Vielleicht hat es damit etwas zu tun.“ Sie weitete die Augen, und in der einkehrenden Stille hörte Sasuke das Geräusch der Dusche enden. Erleichterung stieg in ihm auf. Es war, als hätte Naruto gespürt, dass Sasuke ihn gerade brauchen könnte. „Aber … Wieso?“, verstand Sarada nicht. „Die Partys sind doch gut gelaufen!“ „Es gibt bei so etwas mehr zu beachten. Aber das hat nichts mit euch zu tun. Wenn du möchtest, spreche ich mit Orochimaru darüber.“ Sarada hatte wieder geschmollt und sah ihn jetzt verblüfft an. „… Wirklich?“ Sasuke nickte. In dem Moment spürte er eine Hand auf seiner Schulter und sah zu Naruto auf. Sein Freund war nur mit einem Handtuch bekleidet und sah zum Anbeißen aus. Rasch wandte Sasuke sich wieder Sarada zu. „Natürlich“, sagte er sanft. Sie lächelte und überlegte einen Moment, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, das wäre total peinlich.“ „Wie du möchtest. Aber du kannst deine Meinung noch ändern“, versicherte Sasuke sie. Er musste sowieso noch einige Dinge mit dem Otogakure klären, bevor ihre Partnerschaft offiziell beendet war. Vermutlich würde er in der Sache eher mit Kabuto kommunizieren, aber wenn es sein musste, würde er den Chef höchstpersönlich verlangen. „Um was geht’s?“, wollte Naruto wissen, der sich eine Schüssel Cornflakes gemacht hatte und jetzt zu Sarada und Sasuke setzte. „Jung sind doof“, fasste Sarada prägnant zusammen. „Allerdings“, gab Naruto ihr gewichtig Recht. „Und je hübscher sie sind, desto doofer sind sie auch.“ Während Sarada kicherte, verdrehte Sasuke die Augen. Unter dem Tisch jedoch berührte er mit dem Fuß den von Naruto. Er war ihm dankbar, dass es ihm in jeder Lage gelang, Sarada aufzumuntern. Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber er fand es tatsächlich attraktiv, wie gut Naruto mit seiner Tochter umgehen konnte. Naruto grinste ihn an, während Sarada von ihrem blinkenden Handy abgelenkt wurde. Ihr grummeliges Gesicht erhellte sich und sie stand rasch auf, um die Reste ihres Müslis in den Müll. „Ich gehe mit Boruto zum Strand, okay?“, fragte sie, als sie schon halb zur Tür raus war. Als Sasuke nickte und Naruto winkte, verschwand sie aus der Küche, um ihre Badesachen zu holen. Kurz darauf hörten sie die Tür zufallen. Naruto stupste Sasukes Fuß an, der seinen noch immer berührte. „Geht’s dir gut?“ „Wieso sollte es nicht?“ Grinsend fasste Naruto nach Sasukes Hand. „Weil du immer durchdrehst, wenn es um Sarada und Jungs geht.“ Sasuke wollte protestieren, schloss dann aber den Mund und wandte schnaubend den Kopf ab. Mit einem Lachen drückte Naruto seine Hand, sodass Sasuke sich schnell beruhigte. Er fuhr sich mit der freien Hand durch das Haar. „Es ist nur, weil es um Menma geht.“ „Ich dachte, wir wären uns einig, dass er ein guter Junge ist?“, fragte Naruto mit hochgezogenen Brauen. „Darum geht es nicht“, winkte Sasuke ab. „Er antwortet nicht auf Saradas Nachrichten, seit ich die Kooperation mit Orochimaru beendet habe. Ich will nicht, dass er sie für meine Entscheidungen bestraft.“ Narutos Gesicht verdüsterte sich. „Zuzutrauen wäre es der alten Schlange.“ Sasuke lächelte über Narutos hartnäckige Eifersucht, selbst jetzt, nachdem Sasuke mehr oder weniger wegen Naruto die Kooperation mit Orochimaru beendet hatte. Allerdings wusste er, dass es nicht nur Eifersucht war. Naruto hatte generell ein schlechtes Gefühl, was Orochimaru anging. „Rede doch mit ihm. Er sollte die Kinder da nicht mit reinziehen“, fand Naruto und Sasuke seufzte. „Das will Sarada nicht.“ „Hm, verzwickt.“ Nachdenklich hob er Sasukes Hand, um mit seinen Fingern zu spielen. „Vermutlich wollte sie sich einfach nur auskotzen. Und zum Glück hat sie ja noch einen Ersatzfreund“, grinste Naruto und lachte, als Sasuke wie erwartet das Gesicht unbehaglich verzog. Sasuke hätte gerne noch weiter geflirtet, aber er musste an die Arbeit, ebenso wie Naruto. Ein wenig überrascht sah er Naruto an, als dieser nicht wie sonst im zweiten Stock zur Poollandschaft abbog. Naruto kratzte sich am Nacken. „Die Gymnastikstunden macht jetzt jemand anderes. Ich hab nich mehr wirklich Zeit dafür mit der Mitarbeiterbetreuung und der Eventorganisation.“ „Bekommst du für deine neuen Aufgaben eigentlich das angemessene Gehalt?“, fiel Sasuke gerade auf. Er war immer beeindruckt von Narutos Arbeitsmoral und seinen Fortschritten gewesen. An die Bezahlung hatte er zu seiner Schande nie gedacht. Lachend winkte Naruto ab. „Shikamaru hat das mal angesprochen, aber is doch nich nötig. Ich wohn ja hier und bekomm Essen und alles, für was soll ich das brauchen?“ „Weil es dir zusteht“, sagte Sasuke schlicht und zückte sein Handy, um eine Notiz zu machen, sich um neue Verträge zu kümmern. Er würde über das Budget nachdenken müssen, aber und… „Machst du das jetzt, weil du mein Freund bist?“ Sasuke blickte auf und runzelte die Stirn. „Wäre das so schlimm?“ „Ja!“, begehrte Naruto sofort auf. „Die anderen hier tun auch alle ihr Bestes. Ich will keine Sonderbehandlung, nur, weil wir vögeln.“ Sasuke zuckte zusammen und sah sich um, aber es war niemand in der Nähe, der das gehört hätte. „Die anderen sind aber nicht von einer Aushilfsposition in eine Führungsposition aufgestiegen“, erwiderte er streng. „Du hast doch gemerkt, was deine Abwesenheit über die letzten Tage hier angerichtet hat. Ich … Wir brauchen dich hier. Und dafür solltest du angemessen bezahlt werden. Es geht nicht um unsere Beziehung.“ Naruto war mit jedem Wort röter geworden und kratzte sich jetzt mit einem verlegenen Lachen am Hinterkopf. „Also, so wichtig bin ich doch nicht …“ Naruto war so laut, dass Sasuke vergaß, dass er auch schüchtern sein konnte. Er fand es jedes Mal bezaubernd, und jetzt gerade verleitete es ihn dazu, seinen Freund zu küssen. Als sie sich lösten, nahm er Narutos Hand und stellte klar: „Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht so wäre.“ So gut sollte Naruto ihn inzwischen kennen. Narutos berüchtigtes 1000-Volt-Lächeln erhellte sein Gesicht. Seit der Untersuchungshaft hatte Sasuke es nicht gesehen und er hatte es vermisst. Am liebsten hätte er ihn wieder geküsst, aber sie hatten beide Arbeit zu erledigen. Auf dem Weg in sein Büro war Sasuke sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ob das die Schmetterlinge im Bauch waren, von denen alle immer sprachen? Nach den Skandalen der letzten Wochen hatte Sasuke noch immer mit schwindenden Besucherzahlen zu Kämpfen. Zimmer wurden storniert und Gäste reisten früher ab. Obwohl Sasuke genervt war, verstand er es. Da die meisten von ihnen im öffentlichen Leben standen, konnten sie es sich nicht leisten, mit dem Sensu in Verbindung gebracht zu werden. Er war müde, als es abends an der Tür klopfte und Naruto mit in Alufolie verpackten Portionen vom Hotelabendessen auftauchte. Zu zweit machten sie es sich wenig später in Sasukes Dachgarten bequem – Sarada war noch nicht zu Hause. Sie plauderten über ihren Tag und Naruto versuchte, ihn zu füttern und Sasuke vergaß beinahe den Stress seiner Arbeit. Als es jedoch immer später wurde, wurde er zusehends unruhig. Zuerst wusste er nicht, was es war, bis Naruto es in Worte fasste. „Sarada is heut ganz schön spät dran“, bemerkte er. Genau das hatte an Sasuke genagt, und er setzte sich unruhig auf. Sie hatten keine Zeit ausgemacht, zu der Sarada zu Hause sein sollte. Normalerweise kam sie aber immer zum Abendessen wieder. Wenn es länger dauerte, rief sie an und fragte, ob das okay war. Die beiden Male, als sie das nicht getan hatte, war sie weggelaufen. Aber dieses Mal hätte sie keinen Grund dafür, soweit Sasuke wusste. Er hatte sich nicht mit ihr gestritten, und wenn sie Probleme mit ihrer Mutter hatte, hätte sie auch keinen Grund, von hier wegzubleiben. Trotzdem rief Saradas Abwesenheit dieselbe innere Unruhe hervor wie vor ein paar Tagen, als sie ausgebüchst war. „Naja, sie kommt langsam in die Pubertät, oder?“, fragte Naruto beschwichtigend. Er hatte bereits nach seinem Handy gegriffen, um sie anzurufen. „Das wäre sehr plötzlich.“ Naruto zuckte die Schultern. „Bin kein Pubertätsexperte … Komisch, sie geht nicht hin“, sagte er nach kurzem Warten und legte auf. Sasukes innere Unruhe wuchs und als hätte er es gespürt, griff Naruto nach seiner Hand. Während auch Sasuke versuchte, seine Tochter zu erreichen, schrieb Naruto ihr, sie solle sich melden, sobald sie das las. Naruto nahm seine Hand. Sasukes eigene Sorge spiegelte sich in seinen Augen, aber auch eine feste Entschlossenheit, die Sasuke brauchte. Sofort fühlte er sich besser als vor ein paar Tagen, als Sarada weggelaufen war. Er biss sich auf die Lippe, dann erhellte sich sein Gesicht. „Wir könnten noch Boruto anrufen!“, platzte er aufgeregt heraus. „Mit dem wollte sie sich treffen, oder?“ Sasuke nickte und zückte sein Handy, um den Jungen anzurufen. Um diese Uhrzeit war er sicher schon zu Hause, aber er ging trotzdem ran. „Herr Uchiha, was gibt’s?“ Er klang, als würde er mühsam seine Nervosität unter einer coolen Fassade verstecken, aber Sasuke hatte gerade keine Nerven für die Befindlichkeiten seines Praktikanten. „Ist Sarada bei dir?“ „Häh, nein? Schon seit Stunden nicht mehr.“ Sasukes Körper verkrampfte sich noch mehr als zuvor. Naruto hatte die Worte über den Lautsprecher des Handys gehört und legte mitfühlend die Hand auf Sasukes Rücken. „Hast du sie vor dem Hotel abgesetzt?“, fragte Sasuke weiter. „Was ist eigentlich los?“, wollte Boruto wissen. „Haben Sie sich schon wieder mit ihr gestritten?“ „Beantworte die Frage“, verlangte Sasuke mit nur schwach unterdrücktem Knurren in der Stimme. Naruto sah ihn tadelnd an, aber Sasuke war es egal. Er musste seine Tochter finden. Kurz herrsche Schweigen in der Leitung, während Boruto sich sammelte. Er klang ernster, als er schließlich antwortete: „Wir sind Menma über den Weg gelaufen und sie ist mit ihm gegangen. Er wollte über irgendwas ‚reden‘. Keine Ahnung, was das sollte, aber …“ Sasuke ignorierte den schmollenden, versetzten Teenager. Alle Haare an seinen Armen stellten sich bei dieser Neuigkeit auf, obwohl er versuchte, rational zu sein. Menma und Sarada waren Freunde. Seine Tochter schwärme ein bisschen für den Jungen. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie sich unterhielten. Dieses unwirkliche Grinsen von Menma hatte nie Sarada gegolten, immer nur Sasuke. Es ging ihr gut, ganz sicher. Eine Hand legte sich auf Sasukes Rücken und er sah zu Naruto, der ihm ernst zunickte. „Boruto, hast du Zeit, uns suchen zu helfen?“, wandte er sich an Boruto. Dieser schnaubte überrascht, als er Narutos Stimme hörte, doch Sasukes Freund ignorierte es: „Es ist spät und wir machen uns Sorgen um sie.“ „Ich … Ja, sicher. Ich schreib mal rum, ob jemand was von ihr gehört hat.“ „Gut, danke. Melde dich bitte sofort, wenn du etwas hörst.“ Boruto grummelte etwas und legte dann auf. Naruto beugte sich herüber, um Sasuke beruhigend auf die Schläfe zu küssen. Sasuke schloss die Augen einen Moment, überrascht, dass es tatsächlich ein wenig half. „Schauen wir zuerst am Strand. Vielleicht hat sie nur die Zeit übersehen“, schlug Naruto vor. Sasuke nickte und erhob sich mit ihm. Fast zwei Stunden später hatten sie den Strand abgesucht, den Park, in dem Sasuke seine Tochter zuletzt gefunden hatte, ihre liebste Eisdiele und den Brunnen in der Stadtmitte, den sie so liebte. Außerdem hatten sie dem Hotelpersonal gesagt, sie sollten Sasuke anrufen, wenn seine Tochter zurückkehren sollte. Auch Boruto hatten sie nochmal angerufen. Sarada blieb verschwunden. „Sakura wird durchdrehen“, seufzte Sasuke, als er auf dem Rückweg zum Hotel das Handy hervorzog. Ihm blieb nichts übrig, als sie anzurufen. Es wurde dunkel und ihre 13-jährige Tochter war noch immer nicht in Sicht. Er wusste zwar nicht, was er getan hätte, um sie zu verscheuchen, aber vielleicht war sie wieder zu ihrer Mutter gelaufen. Leider fiel Sakura aus allen Wolken, als er ihr die Situation schilderte. Nur mit Mühe konnte er sie davon abhalten, sofort wieder nach Konoha zu reisen. Sie neigte immer zu Extremreaktionen, wenn sie unter Stress stand. Er rieb sich den Nacken und sah die Straße hinab. „Ruf du unsere Eltern und Itachi an, vielleicht ist sie bei einem von ihnen“, übernahm er das Heft. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und ignorierte Narutos tadelnde Blicke, als er den Rauch ausblies. „Außerdem bei der Familie ihrer Freundin, diesen …“ „Akimichis.“ „Genau. Ein hiesiger Freund von ihr hat schon rumgefragt, ob die Kinder etwas wissen, aber noch nichts gehört. Vielleicht ist sie zu ihren Freunden zu Hause gegangen.“ „Okay …“, sagte Sakura mit schwacher Stimme. Sasuke holte tief Luft, weil er wusste, wie sie auf seine nächsten Worte reagieren würde. Sagen musste er sie dennoch. „Ich gehe zur Polizei und gebe eine Vermisstenanzeige heraus.“ Sakuras Atem kam zitternd und er hörte sie schniefen. Für eine Sekunde war sie sprachlos, dann hatte sie sich offensichtlich gesammelt, und ihre Worte waren wie harte Faustschläge in seiner Magengrube. „Was hast du gemacht, damit sie wegläuft, Sasuke? Ich habe dir gesagt, wenn du sie verletzt, breche ich dir deine hübsche Nase, und dahinter stehe ich nach wie vor.“ Zorn kochte in Sasuke hoch und er richtete sich unbewusst auf. „Sie ist bisher zwei Mal deinetwegen weggelaufen“, erinnerte er sie schneidend und hörte sie scharf einatmen. Eine gewisse Genugtuung durchflutete ihn, direkt gefolgt von „Ruf unsere Eltern an“, befahl er und legte auf. Naruto sah ihn mit seinem: ‚Das hättest du nicht so grob sagen müssen‘-Blick an und Sasukes Wut kochte noch mehr hoch. Sakura hatte das nicht verdient, so, wie sie zuletzt über Naruto geredet hatte. Sie war zwar zurückgerudert und er wusste, dass größtenteils ihr angekratztes Ego gesprochen hatte. Dennoch hatte es ihm nicht gefallen. „Ich muss zur Polizei“, sagte Sasuke und drückte seine Zigarette an der Aschentonne vor dem Hotel aus. Schnell war Naruto an seiner Seite. „Ich komme mit.“ Mit hochgezogener Braue sah Sasuke ihn an. Naruto setzte sein Protest-Schmollen auf, doch dann verstand er, was Sasuke meinte. Verlegen lachend rieb er sich den Nacken. „Is nich, als könnten sie mich gleich wieder einbuchten!“ „Vermutlich nicht“, gab Sasuke seufzend zu. Wenn er ehrlich war, war er froh um die Stütze, aber das würde er Naruto natürlich nicht sagen. Vielleicht war es genug gesagt, dass er kurz seine Hand drückte. Eine Weile später kamen sie auf der Polizeiwache an. Wie der Zufall es wollte, hatte einer der Beamten Dienst, der Naruto vor ein paar Tagen mitgenommen hatte. Er lächelte schnippisch, als er Sasuke und Naruto entdeckte. „Hattest du Sehnsucht nach deiner Zelle?“, fragte er. Ohne darüber nachzudenken, streckte Sasuke schützend die Hand vor Naruto aus. „Er begleitet mich nur. Es geht um meine Tochter. Sie wird vermisst.“ Jetzt wanderte der abschätzige Blick des Beamten über ihn. „Ist das so … Dann setzen Sie sich erstmal da drüben. Jemand kommt zu Ihnen, um den Sachbestand aufzunehmen.“ Sasuke kam die Wartezeit noch länger vor, als sie tatsächlich war, weil die Plastikstühle, auf denen sie saßen, extrem unbequem waren. Mehr als eine halbe Stunde später wurde er schließlich von demselben Mann am Empfang aufgerufen. Als Naruto ebenfalls aufstand, schnaubte er. „Du kannst hier warten.“ „Er hat meine Tochter zusammen mit mir zuletzt gesehen und kennt sie gut. Er wird mitkommen und seine Aussage machen.“ Sasukes Blick begegnete dem des Beamten. Der andere Mann zuckte zusammen und schluckte seinen Protest herunter. Grummelnd winkte er sie schließlich beide weiter. Naruto grinste Sasuke an, der leise schnaubte und voranschritt. Der Beamte führte sie in einen Verhörraum, leer bis auf einen Tisch und vier Stühle. Das Aufnahmegerät in der Mitte wurde nicht angeschalten. Dennoch beäugte Sasuke es unbehaglich, als er sich setzte. Er war sich Narutos Präsenz neben sich deutlich bewusst. War er hier verhört worden? Hatte man ihn unter Druck gesetzt, ihm gedroht? Sasuke war nicht bei ihm gewesen. Jetzt hätte er gerne seine Hand genommen, doch der Beamte ergriff das Wort. „Sie sagten, Ihre Tochter sei verschwunden. Korrekt?“ Sasuke nickte und der Polizist schrieb etwas auf sein Formular. Er fragte generelle Informationen ab, wie Saradas vollen Namen, ihr Alter und ihren üblichen Wohnsitz. Als Sasuke Sakuras Adresse nannte, blickte der Beamte auf. „Das Kind ist nicht hier gemeldet?“ „Sie lebt bei ihrer Mutter. Über die Sommerferien ist sie hier“, erörterte Sasuke mit angespanntem Mund. Wie würde das helfen, seine Tochter zu finden? „Sie sind also nicht der Sorgerechtsinhaber?“ Sasuke spannte sich an. „Das ist ihre Mutter. Aber auch sie will, dass Sarada gefunden wird.“ „Wir werden sie danach fragen, wenn wir die Aufenthaltserlaubnis des Kindes bei Ihnen mit ihr besprechen“, sagte der Beamte und Wut schoss in Sasuke hoch. „Sie verschwenden Zeit. Meinte Tochter wird seit Stunden vermisst.“ „Das wird sie, weil Sie Ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.“ Befriedigt sah der Polizist zu, wie seine Worte Sasuke in sich zusammensinken ließen. „Sie haben angegeben, dass das Kind sich frei auf dem Hotelgelände und in der Stadt bewegen darf. Wo genau sie sich zuletzt aufgehalten hat, können Sie nur vermuten, wie Sie sagen. Das ist keine angemessene Betreuung für eine 13-Jährige. Darüber muss die Mutter unterrichtet werden. Danach geben wir eine Fahndungsanfrage raus.“ „Hören Sie mal, Sasuke ist ein toller Papa!“ Naruto sprang von seinem Stuhl auf. „Er macht es vielleicht noch nich so lang, wie er sollte, aber er gibt sich wirklich Mühe, und das ist, was zählt, nich?“ Der Beamte sah Naruto an, doch als er sprach, wandte er sich wieder an Sasuke: „Davon abgesehen, dass Sie das Kind einem mutmaßlichen Straftäter aussetzen.“ „WA-“ „Naruto, setz dich“, unterbrach Sasuke seinen Freund. Ihre Blicke trafen sich, stumme Verletztheit in beiden Augenpaaren. „Bitte.“ Narutos Gesicht wurde weicher und er gehorchte. Grummelnd verschränkte er die Arme und starrte den Beamten trotzig an. Dieser lächelte sichtlich befriedigt und setzte seine Befragung fort. Nach einer Weile rief er in den Vorraum und die junge Polizistin, mit der Sasuke bereits vor eine Weile wegen der Sache mit dem Rapper gesprochen hatte, erschien in der Tür. Sie musterte Sasuke, doch dann wies ihr Kollege sie an, Sakura anzurufen. Offenbar unzufrieden runzelte sie die Stirn, bevor sie ein falsches Lächeln aufsetzte und sich zurückzog, um die Aufgabe zu übernehmen. „Damit wäre das erledigt und wir können uns der ersten Spur des vermissten Kindes zuwenden.“ Er deutete mit dem Stift auf den sichtlich überraschten Naruto. „Wo warst du, als sie verschwunden ist?“ „Ich?!“, platzte Naruto laut heraus. Sasukes unter Scham halb erstickter Zorn kochte wieder hoch. „Er war bei mir, als wir meine Tochter zuletzt gesehen haben und während sie mit ihrem Freund in der Stadt war“, sagte er mit brennend kalter Stimme. Sein Blick forderte den Beamten heraus, zu fragen, was sie zusammen getan hatten, doch er wagte es nicht. „Herr Uzumaki ist ein enger Freund der Familie. Konzentrieren Sie Ihre Energie darauf, sinnvollen Spuren nachzugehen.“ „Es sind oft die ‚engen Freunde der Familie‘, von denen Gewalt gegen Kinder ausgeht“, sagte der Polizist. „Außerdem verstehen Sie sicher, dass wir jeder Spur nachgehen müssen, um das Kind zu finden. Und die offensichtlichste ist ein vorbestrafter Mann, der unbeaufsichtigten Zugang zu ihr hat.“ Diesmal war es Naruto, der Sasuke besänftigte. Er lächelte und legte ihm die Hand auf die Schulter. Jemand, der ihn weniger gut gekannt hätte, hätte die Wut nicht erkannt, die hinter Narutos scheinbar unbefangenem Gesicht brodelte. „Schon gut, sie müssen ja fragen. Und ich hab nix zu verbergen, oder?“ „Nein … Natürlich nicht“, gab Sasuke wiederwillig nach und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Gehen würde er aber nicht. Diesmal wäre er für Naruto da, egal, was passierte. „Dann können wir ja endlich fortfahren“, sagte der Beamte und wandte sich Naruto zu. „Wann warst du zuletzt alleine mit dem Kind und aus welchem Grund?“ „Uhm, ich glaube, das war, als wir Eis essen waren. Vorgestern oder so?“ Fragend sah er zu Sasuke, der nickte. Jede der folgenden Fragen machte ihn unbehaglicher. Wie hatten Sarada und er sich kennengelernt, wie viel Zeit verbrachten sie wöchentlich miteinander, unter welchen Umständen waren sie alleine miteinander, hatte ‚das Kind‘ Unbehagen dabei ausgedrückt? Der Mann schien mehr dazu wissen zu wollen als über Sarada selbst. Als sie das Polizeirevier schließlich verließen, war Sasuke ausgelaugt – und seiner Tochter keinen Schritt näher. Er rieb sich den Nacken und sah sich auf der Straße um. „Zeitverschwendung“, kommentierte er genervt. Er wünschte, sie hätten stattdessen weiter gesucht. Narutos Hand schob seine weg, um stattdessen seine Schulter grob zu kneten. Es tat überraschend gut. „Sie haben die Fahndung rausgegeben, das is es, was zählt, oder?“ Narutos Lächeln löste den Knoten in Sasukes Magengegend fast noch besser als seine Hände die Verspannungen in seinen Schultern. „Schau mal auf dein Handy, vielleicht hat sie angerufen. Oder sie ist inzwischen zu Hause!“ Leider hatte Sasuke keinen Anruf von seiner Tochter oder vom Hotel, um ihm mitzuteilen, dass Sarada zurückgekehrt war. Dafür tauchten die Nummern seiner Eltern, Ex-Schwiegereltern, Itachi und Sakura auf dem Display auf. Auf WhatsApp hatte er Nachrichten von Boruto, der sagte, er hatte noch nichts gehört und fragte, ob Sarada inzwischen aufgetaucht sei. Er war vielleicht anstrengend, aber ein guter Junge, dachte Sasuke. Er wollte sein Handy wegstecken – um die Rückrufe kümmerte er sich zu Hause – als ihm eine WhatsApp Nachricht von Sakura ins Auge fiel. „WAS IST DAS“, schrieb sie in Versalien. Stirnrunzelnd klickte er auf den Chat und wäre im selben Moment am liebsten tot umgefallen. Sakura hatte ein Foto geschickt, auf dem Sasuke Menma küsste. Von dem Anblick wurde ihm schlecht, und alle halb verdrängten Bilder aus der Nacht im Oto rasten auf ihn ein. Orochimarus dunkles Büro. Seine verschwitzte Wange, die gegen die Ledercouch gepresst wurde. Der Raum, der in einem seltsamen Rhythmus wackelte. Der Schmerz. Ein dunkel gefliestes Bad. Der halbnackte Junge, der plötzlich ganz nackt gewesen war. Ihm war schwindelig und plötzlich war Narutos Arm um seine Mitte geschlungen. Blaue Augen bohrten sich besorgt in seine. Als hätte Sasuke das verdient. Als wäre da nicht dieser Junge am Rand seiner Erinnerung. ”There’s a fear that I’ve known And it’s cut you to the bone And I’m so sorry I’ve never shown Just how much you hold. And I know that I can be pretty mean But you mean the world to me. Kapitel 20: Wild Sea -------------------- TRIGGER WARNUNG: ANGEDEUTETER SEXUELLER ÜBERGRIFF Es wird nichts explizit ausgeschrieben, aber seid vorsichtig, wenn euch solche Themen belasten.Die betreffende Stelle ist mit **** markiert, überspringt sie wenn nötig. Speeding down a silent shore Something tells me I’ve been here before By heart, I know this dark Wild Sea – Phildel **** Alles drehte sich, und so sehr Sasuke auch dagegen anblinzelte, die Farben des Raumes verliefen immer weiter zu schlieren. Sein Kopf schwankte gefährlich, bis sich zwei beruhigend feste Hände um seine Wangen schlossen und er in Orochimarus dunkel geschminkte Augen dicht vor sich schielte. „Was … Mit mir …?“, fragte er mit einer Zunge aus Blei. Automatisch griff er nach den Schultern des anderen, krallte sich hilfesuchend in dessen Yukata. „Was los…?“ „Du hast nur etwas viel Alkohol erwischt, das geht gleich wieder“, beschwichtigte Orochimaru. Sasukes träges Hirn fragte sich kurz, seit wann sie beim Du waren, doch da kippte sein Körper kraftlos in die Arme des anderen. Dieser fing ihn auf, ließ ihn jedoch vor sich auf die Knie sinken und sah von oben auf ihn herab. Fast liebevoll schob er einige Strähnen aus Sasukes Gesicht. „So ist gut, auf dem Boden kannst du nicht fallen… Gott, du bist so schön. Du bist perfekt, in der Hinsicht… Ich liebe Kunst, Sasuke. Ich besitze gerne schöne Dinge. Ich würde dich gerne besitzen, aber du sträubst dich, um die Fassade nicht zu zerstören… Vielleicht wirkst du nicht mehr perfekt, wenn die Maske mal ab ist?“ Seine Finger strichen über Sasukes Lippen, der verständnislos zu ihm auf sah. Was erzählte er da…? „Das ist das Risiko – Das unberührte Kunstwerk zu zerstören … Aber wenn du so vor mir kniest, bin ich, denke ich, bereit, dieses Risiko einzugehen.“ Sein Zeige- und Mittelfinger schob sich zwischen Sasukes Lippen, und obwohl er verwirrt war, öffnete er den Mund, damit Orochimaru über seine Zunge streichen konnte. Ein Teil von ihm verspürte Widerwillen: Wieso kniete er vor diesem Mann auf dem Boden? Doch er war viel zu träge, um auf seinen eigenen Körper zu hören, vom Aufstehen ganz zu schweigen. „Ah, so willig …“, stöhnte der Ältere, der die Finger mit einem Ruck tief in Sasukes Rachen schob. Dieser keuchte und wollte wegrutschen, doch Orochimarus freie Hand hielt ihn am Hinterkopf. Sie war alles, was ihm gerade Stabilität gab, sodass er willenlos zulassen musste, wie Zeige- und Mittelfinger in seinen Mund stießen und schließlich sogar noch der Ringfinger seinen Mund fickte. Speichel lief ihm aus dem Mundwinkel, und er suchte Halt an Orochimarus Yukata. Dabei schoben sich die Stoffbahnen auseinander, sodass das Glied des Älteren freigelegt war. Es war lang, dünn und bleich, wie eine Schlange. „Mach ihn sauber“, sagte eine Stimme im Dunkeln. Das nächste, an das Sasuke sich erinnerte, war ein dunkel gefliestes Bad und Wasser, das ihm Bitterkeit von der Zunge spülte. Er war so müde, aber kräftige, schlanke Hände hielten ihn auf den Beinen und säuberten ihn. Da war ein hübsches Gesicht mit großen Augen, aber sie hatten das falsche Blau. Ihre Kälte weckte ihn auf. Als Sasuke wankte, verfestigte Menmas Griff um ihn sich. „Nicht zu viel bewegen. Tut nur mehr weh“, sagte er überraschend sanft. Routiniert säuberte er Sasukes Körper, als habe er das schon unzählige Male getan. Sasuke ergab sich ihm, bis Menmas Finger seinen Arsch berührten. Er fuhr weg, aber die Hände an seinen Hüften verstärkten ihren Griff. „Ich muss es rausholen. Glaub mir, Durchfall kannst du morgen nicht auch noch gebrauchen.“ Sasuke schnaubte unzufrieden, aber er war zu schwach, um sich zu wehren. Dennoch kribbelten seine Lenden bei der Berührung und schließlich keuchte er gegen seinen Willen. „… Das Mittel ist wohl noch nicht abgeflaut“, stellte Menma fest, und schon war seine Hand um Sasukes Schaft geschlossen. **** „Sas …? Sasuke!“ Sasuke zuckte zurück in die Realität und sah sich mit besorgten blauen Augen konfrontiert. Er wandte den Blick ab. Er weigerte sich, die restlichen Erinnerungen zuzulassen. Doch dann lag eine Hand mit festem Griff auf seiner Schulter. Als würde Naruto sich weigern, ihn fallen zu lassen, wie schon seit Saradas Verschwinden. „Hey … Was ist passiert?“, drängte er sanft. Sasuke durfte ihn nicht mit sich in die Tiefe reißen. Er schob Narutos Hand weg, duckte sich von ihrer Wärme und ihrem Verständnis weg. „Eine wütende Nachricht von Sakura. Sie macht sich Sorgen.“ „Klar, aber schau mal, jetzt wird die Polizei sie suchen und finden!“, bestärkte Naruto ihn und Sasuke nickte, obwohl sein Körper mit jeder Sekunde mehr verkrampfte. Sarada. Sie würde nie wieder zu ihm kommen dürfen. Er hatte ihr Leben ruiniert, noch mehr als zuvor. Die über ihm zusammenschlagenden Erinnerungen ließen seinen Magen rebellieren. Normalerweise wusste Sasuke immer, was zu tun war. Er analysierte das Problem, überschlug Lösungsansätze und wählte den besten. Doch als er jetzt mit Naruto zu seiner Wohnung ging, war ihm schlecht, er war wie paralysiert. Willenlos ließ er sich von Naruto in die Badewanne lotsen. Er reagierte nicht, als sein Freund ihn massierte und seinen Nacken küsste und im Arm hielt. Naruto glaubte, das lag an Saradas Verschwinden und wusste nichts von dem zweiten Sturm, der in Sasuke tobte. Sasuke wollte sich ihm anvertrauen, seine beruhigenden Worte hören und seine Lösungen sehen. Aber er konnte nicht sprechen. Was sollte er sagen? ‚Ich habe mit einem Kind geschlafen, was soll ich tun?‘ Sasuke gehörte eingesperrt, noch in dieser Sekunde. Als er späer mit Naruto im Bett lag, starrte er reglos an die Decke. Er war ausgelaugt, konnte aber keine Ruhe finden. Sarada war irgendwo da draußen und niemand wusste etwas. Die Polizei tat, als wäre ein bisschen Gras in Narutos Nachtkästchen dramatischer als ein verschwundenes Kind. Und keiner von ihnen wusste, dass Sasuke ein Monster war. Gegen drei flüchtete Sasuke zum Rauchen auf die Dachterrasse. Er blickte über die nächtliche Stadt und überlegte, sich der Polizei zu stellen. Das wäre das einzig Richtige. Aber er war feige, wie schon immer. Er wollte eine Ausrede für seine Tat, eine Absolution von Naruto und seiner Familie. Du warst betrunken, nicht so schlimm. Wir lieben dich trotzdem. Und doch wäre es für immer ein Fleck auf ihrem Leben, noch dunkler, als Sasuke ihn bisher schon hinterlassen hatte. Er hatte den Schmerz und den Ekel verdient, welche die Erinnerungen an Orochimaru mit sich brachten. Naruto fand ihn auf einer Sonnenliege schlafend, neben einem übervollen Aschenbecher. Er hatte scheinbar beschlossen, Sasuke nicht aufzuwecken und stattdessen frühstück vorbereitet. Bewaffnet mit Kaffee und Obst kam er schließlich zurück. Der Duft aus der Tasse weckte Sasuke, der sich müde regte. Mit einem sanften Lächeln strich Naruto ihm das verwilderte Haar aus den Augen. „Na, konntest du etwas schlafen?“ Sasuke sah auf die Kaffeetasse, die er in die Hand gedrückt bekommen hatte. „Hn.“ Naruto strich ihm über die Wange, bevor er die Hand zurückzog. Er war besser darin geworden, Sasukes Grenzen zu spüren und zu respektieren. „Iss etwas, dann rufen wir bei der Polizei an, ob sie etwas rausgefunden haben, okay?“ Sasuke war noch immer schlecht, doch er gehorchte nickend. Er wollte Naruto nicht noch mehr beunruhigen, außerdem hatte er inzwischen eingesehen, dass Essen half, wenn er einen unruhigen Magen hatte. Das tat es auch jetzt. Zudem war die erste alles verschlingende Panik der letzten Nacht zu einer beständigen Unterströmung des Grauens geworden. Das ermöglichte es ihm, die darüber liegende Ebene zu betrachten, auf der Handeln möglich war. Auf dieser Basis wusste er, dass Naruto Recht hatte. Zuerst mussten sie klären, was der Stand bezüglich Sarada war. Das taten sie, nachdem Sasuke den Kaffee getrunken und mühsam ein paar Orangenstücke gegessen hatte. Sasuke holte sein Handy hervor und sah mehrere Anrufe von seiner Familie und Sakura. Außerdem hatte sie ihm geschrieben und klar gemacht, dass sie nicht über ihre Tochter hatte sprechen wollen. Sie wollte wissen, was es mit dem Foto auf sich hatte, das sich unangenehm an den Rand des Chatfensters drängte. Er schloss den Chat und wählte die Nummer auf der Visitenkarte, die der Polizist ihnen gestern gegeben hatte. Narutos Hand lag beruhigend in seiner, als er dem Freizeichen lauschte und der Beamte schließlich abnahm. Seit dem letzten Abend hatte sich nichts Neues ergeben, erklärte der Mann und beendete das Gespräch schnell. Sasuke blieb nichts anderes übrig, als die schlechten Nachrichten seiner Familie weiterzugeben. Noch immer lag seine Hand in Narutos, als er schließlich seine Eltern anrief und ihnen die unbefriedigenden Neuigkeiten berichtete. Itachi versuchte, ihm Mut zuzusprechen, ebenso seine Mutter. Fugaku dagegen war voller Vorwürfe. Etwas anderes hat der Sasuke nicht erwartet – und auch nicht verdient. „Was ist mit Sakura?“, fragte Naruto, als Sasuke das Handy wegsteckte. Dieser spannte sich an. Langsam gingen ihm die Ausreden aus, um nicht mit seiner Ex-Frau zu sprechen. Er schluckte und zog die Schultern hoch. „Naruto“, sagte er mit einem uncharakteristischen Zögern in der Stimme. Dieser blickte ihn aus großen blauen Augen an. „Ich … Will jetzt alleine sein.“ Narutos Schock war nicht zu übersehen, aber Naruto versuchte, ihn schnell unter einem Lächeln zu verbergen. „Ich … Okay“, sagte er verletzt. Es versetzte Sasuke einen Stich, aber es ging nicht um seine Gefühle. Auf diese achtete Naruto sowieso mehr, als Sasuke es verdiente. „Ich muss mich um Sarada kümmern“, erklärte er leise. Er konnte ihn nicht ansehen. Er konnte seine Hilfe nicht in Anspruch nehmen, wenn er selbst so schuldig war. „Dabei wollte ich dir helfen. Tut mir leid.“ „Das hast du“, sagte Sasuke rasch. Obwohl Narutos Hand das Einzige war, das ihn in der letzten Stunde festgehalten hatte, machte Sasuke ihm ein schlechtes Gewissen. Er hatte Naruto nicht verdient. Jetzt war es Sasuke, der Narutos Finger drückte, um ihn zu stützen. „Das hast du“, widerholte er sanft. „Aber ich muss mich jetzt darauf konzentrieren. Es tut mir leid.“ Und die letzten Worte spürte er bis in seine Knochen. Naruto furchte die Brauen über seinen Ton, beschied sich aber schließlich mit einem langsamen Nicken. „Okay. Wenn ich doch etwas tun kann …“ „Ja“, sagte Sasuke und beugte sich vor, um Naruto zu küssen. Wahrscheinlich zum letzten Mal. Wenig später hatte Sasuke kaum die Tür hinter Naruto geschlossen, als sein Handy erneut in seiner in der Tasche seiner Jogginghosen klingelte. Sakura. Er drückte sie weg und schaltete das Handy aus. Bevor er ihr sagen konnte, was zum Teufel auf dem Bild zu sehen war, musste er es selbst herausfinden. Dafür gab es nur eine Möglichkeit. Er musste zurück in die Schlangengrube. Zuerst musste er einige Dinge für das Hotel klären. Er hatte schon genug Unordnung gestiftet, mehr konnte er seiner Familie nicht zumuten, wenn er weg war. Der Gedanke, wohin er „weggehen“ würde, war wie eine Klinge in seinem Magen, doch er schob ihn beiseite. In seinem Büro ertappte er sich dabei, mit den Fingerspitzen über das Holz des Schreibtisches zu streichen und das Zimmer bewusster zu betrachten als zuvor. Vielleicht wäre es das letzte Mal, dass er hier war. Als es an der Tür klopfte, erwartete Sasuke Shikamaru, den er herbeordert hatte. Doch Boruto steckte den Kopf herein. Seufzend klappte Sasuke seinen Laptop zu, um dem Jungen zu verstehen zu geben, dass er sprechen konnte. „Sir, haben Sie Sarada gefunden?“, fragte Boruto ernst. Das Messer in Sasukes Körpermitte drehte sich. „Nein.“ „Wie können Sie dann hier sitzen und arbeiten?“, platzte Boruto heraus. Ärger blutete durch Sasuke, doch der Schmerz und die Angst des Jungen ließen ihn innehalten. Er wusste, dass Boruto ein bisschen verliebt war in Sarada. Unabhängig davon waren die beiden Freunde. Sasuke hätte ihn nicht in die Sachen reinziehen sollen. Aber jetzt war es zu spät dafür. Er sah die Sorge in den jungen Augen. Er ließ die Schultern sinken und schloss die Augen, um sich zu beruhigen. Nichts von all dem, was in ihm vorging, hatte irgendetwas mit Boruto zu tun. „Wir waren gestern auf dem Präsidium. Die Polizei kümmert sich darum. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ „Was soll das heißen?“, fuhr der Junge auf. „Natürlich machen wir es auch noch. Sie ist noch nicht zu Hause oder?“ „Nein. Aber du hast getan, was du konntest. Und dafür bin ich dir dankbar.“ Boruto sah ihn schockiert an und senkte den Blick, sodass Sasuke fortfuhr: „Im Moment können wir nichts weiter tun. Falls du noch etwas hörst, sag es mir. Ich kümmere mich darum. Versuch, dir nicht zu viele Gedanken zu machen. Es bringt nichts und es ist nicht deine Aufgabe.“ „Wenn das mal so leicht wäre“, grummelte Boruto in den Kragen seines Hemdes. Sasuke atme tief durch, ging um den Tisch herum und legte die Hand auf die Schulter des Jungen. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich würde die Sache auch gerne so schnell wie möglich beenden. Sobald ich mehr weiß, erfährst du es.“ Ein Räuspern unterbrach den Moment. Beide blickten auf und entdeckten Shikamaru an der Tür. In dem Gespräch mit seinem Praktikanten hatte Sasuke in den nächsten Terminen beinahe vergessen. „Danke, Boruto. Wir sind fertig.“ Der Junge nickte ungewöhnlich fügsam und schob sich an Shikamaru vorbei aus dem Büro. Dieser sah ihm hinterher, bevor er sich seinem Chef zuwandte. „Habe ich gestört?“ „Nein.“ Sasuke schüttelte den Kopf. „Es gab nichts mehr zu sagen.“ Er strich das Hemd glatt und berührte dabei das Uchiha Symbol an seiner Brust. Wie lange er es noch tragen können würde? Eigentlich war die Frage jedoch wenig relevant. Solange es noch an seiner Brust prangte, war es ein Zeichen der Zugehörigkeit zu seiner Familie. Sein Stolz, egal wie schwer es manchmal war. Und er würde diese Sache regeln, wie ein Uchiha. „Ich habe einige Angelegenheiten zu erledigen“, erklärte er für Shikamaru. „Sag Naruto Bescheid, dass er mich vertreten soll.“ Sein Personaler runzelte die Stirn. „Er ist im Urlaub und müsstest du das nicht als Erster wissen?“ Sasuke ignorierte die Implikation. „Urlaub?“ „Ja, er hat sich spontan freigenommen. Ich dachte, das hätte ja bestimmt mit dir geklärt.“ Sasuke schüttelte den Kopf und Shikamaru seufzte tief. „Soll ich ihn zurückpfeifen?“ „ „Nicht nötig. Gib die Aufgaben Hinata und verwalte den Rest unter den Teams.“ Er hatte Hinata schon gesagt, dass sie alle Termine für diese Woche canceln sollte. Sie war verwirrt gewesen, hatte es aber geregelt. Sasuke wusste nicht was passieren würde und mit ein paar Lieferanten konnte er sich währenddessen nicht auseinandersetzen. Es dauerte den ganzen Tag bis Sasuke und Shikamaru seine Termine und Aufgaben umverteilt hatten. Zwischendurch hatte er Gespräche mit Hinata, seinem Vater Itachi und anderen Führungspersonen aus dem Sensu. Als er am Abend schließlich mit Shikamaru auf einen Drink an die Poolbar ging und sie gemeinsam eine Zigarette anzündeten, war er ausgelaugt. Er sehnte sich danach, in Narutos Armen ins Bett zu gehen und die Welt für ein paar Stunden zu vergessen. Aber er war es gewesen, der seinen Freund weggeschickt. Im Laufe des Tages hatte Naruto Anrufe sowohl von Hinata als auch von Shikamaru ignoriert, die ihn geschäftlich kontaktieren wollten. Er war im Urlaub, also war es nicht so ungewöhnlich. Doch da er mit den beiden befreundet war, gab es ein ungutes Gefühl. Er war sonst immer für sie zu erreichen. Sasuke sah auf sein Handy. Noch immer keine Nachricht von Naruto. Das war ungewöhnlich und ließ den unangenehm Wiederhall in seiner Magengegend nur noch tiefer dröhnt. Normalerweise schrieb sein Freund ihm häufig. Sie waren besser darin geworden, das auch zu tun, wenn sie Konflikte hatten. Shikamaru legte den Kopf schief auf diese nervige Art, die indizierte, dass er mehr verstand, als er sollte. „Ich will nicht aufdringlich sein, aber geht es um Naruto?“ Sasuke atme tief durch. „Ich muss einiges regeln, das in den letzten Wochen liegengeblieben ist. Das war alles“, entließ er Shikamaru. Überrumpelt von dem harschen Ton, den Sasuke sich in den letzten Monaten abgewöhnt hatte, nickte sein Personalchef und rauchte seine Zigarette schweigend zu Ende, bevor sie sich trennten. Am nächsten Tag wanderte Sasuke durch sein Hotel wie ein Geist. Er hatte seine Aufgaben delegiert und ging nur noch ein letztes Mal in sein Büro, um alles final zu prüfen. Er schenkte sich von dem Cognac ein, den Sakura zuletzt getrunken hatte und nahm einen tiefen Schluck. Dabei wanderte sein Blick durch das durch Büro. Vielleicht zum letzten Mal. Immerhin würde er schon bald die Restlosigkeit besser verstehen, die ihn in den letzten Wochen umgetrieben hatte. Eigentlich schon seit der Nacht damals im Oto. Der Gedanke gab ihm eine neue Entschlossenheit, als er schließlich das Büro hinter sich absperrte und den Weg durch Konoha antrat. Unterwegs sah er auf sein Handy, aber zwischen all den Nachrichten von seiner Familie war keine von Naruto zu finden. Diese totale Funkstille konnte nichts Gutes bedeuten. Aber zunächst musste er sich auf das Gespräch vor ihm konzentrieren. Sein erstes Ziel war die Polizeistation, und dieses Mal wurde er nicht von dem Mann von zuvor begrüßt. Die Frau, mit der Sasuke sprach, wusste nicht einmal etwas von Saradas Verschwinden. Sie fragte ihren Kollegen, der am Schreibtisch saß, doch dieser war genauso ahnungslos. Schließlich griffen sie auf die Verhördaten des letzten Tages zu und fanden heraus, was Sasuke und Naruto zu Protokoll gegeben hatten. Offenbach hatte ihr Kollege sie nicht informiert. Entsprechende Maßnahmen waren noch nicht eingeleitet worden Schlangen wanden sich in Sasukes Magengrube, als er mit der Polizistin den Bericht durchging, den Naruto und er aufgesetzt hatten. Offenbar waren die zahlreichen Fragen nicht ausführlich protokolliert worden. Die einzigen peniblen Aufzeichnungen betrafen Narutos Verhältnis zu Sarada. Das schwarze Loch, in dem Sasuke sich seit vorgestern Abend zu befinden schien, riss weiter auf. Jeder wusste, dass in Vermisstenfällen Zeit essentiell war. Jede Sekunde konnte das Schlimmste bedeuten. Er wollte nicht daran denken, was das heißen könnte. Als die Beamtin ihn schließlich aus dem Revier komplementierte, fand er sich vor einem Zigarettenautomaten wieder. Er hatte in den letzten Monaten kaum geraucht, aber jetzt sog er das Nikotin in tiefen Zügen ein. Es gab nur eine andere Sache, die seine Nerven so beruhigte. Bevor er es verhindern konnte, schaltete er sein Handy an und öffnete den Chat mit Naruto. Er scrollte durch ihre Nachrichten und blieb schließlich an einem Selfie von ihnen mit Sarada bei einem gemeinsamen Spieleabend hängen. Sie waren auf Sasukes von Lampions behängtem Dachgarten, zwei Weingläser und ein Saft zwischen Snacks. Alle drei sahen unbeschwert aus, anders als die Fotos, die Sasuke mit seinen Eltern oder damals mit Sakura gemacht hatte. Sie sahen wie eine Familie aus. Das warme Gefühl, welches dieser Gedanke in Sasuke aufsteigen ließ, wurde davon geschwämmt, als er einen Anruf von Sakura bekam. Jetzt erinnerte er sich, wieso er das Handy ausgeschaltet hatte. Ihre Nummer erinnerte ihn an das Foto und ihm wurde schlecht. Rasch drückte er sie weg und schaltete das Gerät wieder aus. Er hatte kein Recht, glücklichen Familienträumen nachzuhängen, wenn er dazu beigetragen hatte, das Leben eines Kindes zu ruinieren. Ob das der Fall war, würde er jetzt herausfinden, dachte er und straffte die Schultern, um seinem nächsten Ziel entgegen zu gehen. Tagsüber war die Neonschlange an der Treppe des Oto kaum zu sehen. Sasuke stieg die verglaste Treppe hoch und wurde zum ersten Mal vom Türsteher aufgehalten. Er führte ein paar gedämpfte Telefonate, bevor er ihn schließlich einließ. Im leeren Clubraum wurde er von Kabuto begrüßt, dessen süßliches Lächeln sein ganzes Gesicht zeichnete. „So kommen Sie also wieder angekrochen, hm?“ Sasuke beachtete ihn nicht. Sein Blick war auf den Jungen hinter ihm gerichtet. War ihm zuvor unbehaglich gewesen bei Menmas Anblick, so schien er Sasuke jetzt regelrecht den Boden unter den Füßen wegzureißen. Hatte er ihn tatsächlich geküsst? War es nicht vielleicht doch photogeshopt? Was war sonst noch passiert? Musste der Junge noch mehr ertragen? Wieso hatte Sasuke nicht vorher reagiert und Nachforschungen betrieben? Wie hatte er dieses Kind hier alleine lassen können, obwohl er gespürt hatte, dass etwas nicht stimmte? Das schlechte Gewissen fraß ihn beinahe auf, und er hielt sich mühsam an den Rändern seiner Beherrschung fest. Es ging um Sarada. Zuerst musste er herausfinden, ob jemand hier etwas wusste. „Sarada ist verschwunden“, kam er direkt auf den Punkt. „Hast du etwas gehört?“ Die eisblauen Augen des Jungen schmolzen für eine Sekunde, bevor sie noch härter gefroren. „Boruto hat davon geschrieben. Mehr weiß ich nicht.“ „Wenn du noch etwas erfährst, sag es ihm. Er wird es mir weitergeben.“ Menma nickte, während Kabuto die Augen hinter den Brillengläsern aufriss. „Die junge Sarada ist schon wieder verschwunden? Ich bin untröstlich!“ „Die Polizei investigiert bereits“, sagte Sasuke und nahm überdeutlich den zuckenden Mundwinkel des anderen Mannes wahr. Lag es daran, dass er sich an Sasukes Unglück weidete, oder gab es tiefere Gründe? Hatte Sasuke es sich womöglich ganz eingebildet? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen und schob den Eindruck vorerst beiseite. „Das erleichtert mich. Aber falls sie hier sind in der Hoffnung, etwas über den Aufenthalt Ihrer Tochter zu erfahren, muss ich Sie enttäuschen. Wir wissen von nichts“, erklärte Kabuto. Menma entfernte sich ein wenig von ihnen, da die älteren Männer ihn nicht beachteten. Neben einer der ledernen Sitzecken tippte er scheinbar ziellos auf seinem Handy herum. Sasuke wandte sich wieder Kabuto zu und schüttelte den Kopf. „Ich habe etwas mit Orochimaru zu besprechen.“ „Ich fürchte, er hat keine Zeit für spontane Termine. Wenn Sie mir…“ „Es ist eine dringende Angelegenheit. Er wird Zeit finden.“ Kabuto schob die Brille über den geweiteten Nasenflügeln zurecht, nickte dann aber nach einem langen Schweigen. Als Kabuto ihm die Tür zu den Büroräumen öffnete, blickte Sasuke zurück zu Menma. All die Zeit hatte Sasuke ihn abweisend behandelt, weil er sich in seiner Nähe unwohl fühlte. Dabei war es der Junge, der jeden Grund hatte, ihn zu hassen. Sasuke schwor sich, es wiedergutzumachen. Ein weiterer Punkt auf seiner langen Liste. Er fragte sich, ob er nur mehr dazu rechnete, um das Ende hinauszuzögern – denn dann musste er sich den Behörden stellen. Doch was brächte es Menma, wenn Sasuke verhaftet würde, ohne dafür zu sorgen, dass er aus dem Oto wegkam, Therapie erhielt und sich eine Zukunft aufbauen konnte? Sasuke hatte schon eine Idee, wo sich diese abspielen könnte, doch eins nach dem anderen. Er wollte sich gerade abwenden, als sein Blick von etwas Glänzendem zu Menmas Füßen angezogen wurde. Mit gerunzelter Stirn erkannte er es als Brillengestell. Er bildete sich ein, dass es rot war, aber im schummrigen Licht des Clubs war es schwer zu sagen, und dann forderte Kabuto ihn, ihm zu folgen. Sie stiegen die Treppen hoch und passierten die verschlossenen Türen, die von der Galerie abführten. Kabuto hieß Sasuke, kurz vor Orochimarus Büro zu warten. Während er angekündigt wurde, blickte er durch das engmaschige Gitter in den Clubraum. Menma war verschwunden, und von hier aus konnte er nicht sehen, ob etwas unter den Tischen lag. Er sah den Flur entlang, in dem der süßliche Duft von Blaubeeren hing. Sein Magen rebellierte und eine Gänsehaut zog sich Sasukes Arme hinauf. Er zwang sich, ruhig zu atmen und zog schließlich sein Handy hervor, um sich abzulenken. Mehr Anrufe von Sakura und seiner Familie. Kein einziger von Naruto. Er war vollkommen allein. Der süßliche Duft wurde stärker, als die Bürotür sich öffnete und Kabuto ihn hinein winkte. Der Atem füllte Sasukes Lungen schwerer mit jedem Schritt vorwärts. Erinnerungen kratzten an seinem Bewusstsein wie Gefangene an den Türen ihres Verlieses. Das Quietschen von Leder, das an seiner Haut riss. Der Geschmack von Blaubeeren. Schmerz. Und eisblaue Augen. „Sasuke“, riss Orochimarus Stimme Sasuke aus dem dunklen Strudel, der ihn zu verschlingen drohte. „Ich gestehe, ich hatte nicht erwartet, Sie zu sehen.“ „Ich …“ Sasuke räusperte sich. Er hielt sich an Orochimarus Worten fest wie an einem Rettungsanker, der ihn ins Hier und Jetzt zurückzog. „Es gibt etwas, das ich Sie fragen muss.“ Orochimarus Lächeln wurde so süß wie der Duft in der Luft. Einladend verwies er auf den Sessel vor seinem Schreibtisch aus schwarzem Holz. „Bitte.“ „Alleine.“ Kabuto rührte sich, doch Orochimaru gebot ihm mit einer Geste, den Raum zu verlassen. Als Kabuto wiederwillig abgezogen war, wandte der Clubbesitzer sich Sasuke zu. „Was kann ich für Sie tun?“ Sasukes Herz raste und die Übelkeit drohte, ihn zu übermannen, und der schwarze Strudel in ihm wurde stärker. Doch er zwang seine Stimme zur Ruhe, als er sprach: „Vor einiger Zeit war ich privat hier im Otogakura, um zu feiern.“ „Ich erinnere mich. Sie hatten ein wenig zu viel zu trinken. Kabuto musste Sie in Ihr Hotel zurückbringen“, trug Orochimaru bei. Er hatte sich zurückgelehnt, die Hände lässig auf den Lehnen seines Sessels, die Beine unterschlagen. Sein ganzes Wesen strahlte selbstbewusste Eleganz aus. Warum meinte Sasuke dann, sich an den Geruch seines Atems in seinem Nacken zu erinnern? „Richtig.“ Sasuke schluckte trocken. „Meine Frage bezieht sich auf den Zeitraum davor.“ „Sie haben sich, soweit ich weiß, gut mit meinem jungen Barkeeper unterhalten“, sagte Orochimaru mit leicht schiefgelegtem Kopf und einem Lächeln. Sasuke hätte sich am liebsten übergeben. „Er sagte, Sie hätten dann irgendwann verlangt, mich zu sprechen, also hat er Sie hierher gebracht.“ „Und dann?“ „Was meinen Sie, Sasuke?“ Sasuke hatte sonst nie Probleme damit, etwas direkt auszusprechen. Im Gegenteil, Behutsamkeit fiel ihm schwer. Doch Scham und Ekel und Unsicherheit schienen ihm jetzt die Zunge zu verknoten. „Ich muss wissen … Ob in dieser Nacht etwas zwischen uns gewesen ist“, brachte er schließlich atemlos hervor. Schweigen blähte sich in der warmen Luft des Büros auf, bevor Orochimaru schließlich antwortete: „Nun, Sasuke, sie schienen … Sich nach Gesellschaft zu sehen. Allerdings wusste ich nicht, dass sie so betrunken waren, dass sie sich nicht erinnern würden. Sonst hätte ich natürlich Ihrem Drängen nicht nachgegeben.“ Ich besitze gerne schöne Dinge. Ich würde dich gerne besitzen. „Meinem …?“ „Ja. Sie sind zu mir gekommen.“ Orochimaru lehnte sich zurück, ohne Sasuke aus den Augen zu lassen. „Ich leugne nicht, dass ich mich über die Aufmerksamkeit eines so schönen Mannes wie Ihnen gefreut habe. Und es nahm mir die Sorgen über … Andere Vorlieben Ihrerseits.“ Sasukes Nackenhaare stellten sich auf, als seine Gedanken zu dem verdammten Foto schnellten. Wie hatte Sakura es überhaupt bekommen? Und wer hatte es sonst noch gesehen? Ihm graute vor der Möglichkeit, seine Eltern, Itachi oder Naruto könnten involviert sein. „Andere?“ „Nun, Sie verstehen sich gut mit jungen Männern wie meinem Barkeeper und unserem Freund Uzumaki.“ Sasuke musterte Orochimaru, doch dessen Lächeln ließ nicht durchblicken, was er wusste. Er fuhr fort: „Der Ruf des Sensu ist bereits geschädigt. Sie sollten Ihre zukünftigen Schritte vorsichtig planen, oder Sie könnten alles verlieren.“ Seine Tochter, sein Freund, sein Hotel – Sasuke wusste nicht, wie er noch mehr verlieren könnte. „Ihr Fragen und Ihr überraschender Besuch lassen auf ein Problem schließen“, fuhr Orochimaru fort, als Sasuke schwieg. „Warum sagen Sie mir nicht, was es ist?“ „Ich habe mich an vieles aus der Nacht erinnert und brauchte Bestätigung.“ Er erhob sich und strich seine Hosen glatt. „Ich vertraue auf Ihre Diskretion in dieser einmaligen Angelegenheit.“ „Aber sicher, mein Lieber“, sagte Orochimaru und stand ebenfalls auf, um Sasuke die Hand zu reichen. Als Sasuke sie ihm nach kurzem Zögern reichte, hielt er sie länger als nötig fest. „Mir ist bewusst, dass wir unsere Partnerschaft nicht unter dem besten Stern beendet haben. Unter besseren Voraussetzungen könnten wir sie wiederbeleben. Es wäre zum Vorteil des Sensu.“ Sasuke unterdrückte das ‚Absolut nicht‘, das ihm auf der Zunge lag. „Wie würden Sie sich das vorstellen?“ „Nun, nach den Skandalen der letzten Wochen und Monate brauchen Sie Kapital und gute Publicity. Beides kann ich Ihnen bieten.“ „Falls es nötig wird, sprechen wir darüber“, sagte Sasuke, dessen verspannte Nackenmuskeln eine andere Sprache sprachen. Orochimaru geleitete ihn zur Bürotür. „Warten Sie nicht zu lange. Solche Chancen bieten sich nicht immer“, sagte er, bevor er Sasuke hinausbeförderte. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, atmete Sasuke tief durch. Er wusste immerhin, dass sein Verstand ihm keine Streiche spielte. Er hatte mit Orochimaru geschlafen. Er war selbst schuld daran, nachdem er getrunken hatte. Es gab keinen Grund, für den Ekel, den er bei dem Gedanken empfand. Sie waren erwachsene Leute, die tun konnten, was sie wollten. Vielmehr sollte er sich schämen, seinen Geschäftspartner bedrängt zu haben. Es war Sasukes eigene Schuld. Er war kein Opfer. Von Kabuto ließ er sich nach unten bringen. Sein Blick suchte nach dem Tisch, unter dem er das rote Glänzen gesehen zu haben meine, doch dort war nichts, nur dunkler Holzboden. Vielleicht war es doch nicht so weit her mit seinem Verstand. Vor der Wendeltreppe zündete er eine Zigarette an und blickte in den grauen Sommerhimmel. Wie stimmungsvoll, dachte er zynisch, als er von dem Club weg schlenderte. Wenn er jetzt nur noch im strömenden Regen mit seinen Liebsten vereint werden würde. Als würde er auf den Regen warten, schlug er nicht die Richtung des Hotels ein, sondern folgte der Straße ins Vergnügungsviertel. Die Straßen waren verlassen bis auf ein paar Lieferwäge, die Alkohol für den Abend zu den Clubs brachten. Sasuke dachte an den Abend, den er mit Sakura und Itachi hier verbracht hatte, und seufzte tief. Damals war ihm schon alles kompliziert erschienen. Hätte er geahnt, was auf ihn zukommen würde … Ein lautes Miauen riss ihn aus seinen Gedanken. Es kam ihm bekannt vor, obwohl er die dazugehörige Katze auf den ersten Blick nicht entdecken konnte. „Kurama?“, rief er zögernd und kam sich im selben Moment dumm vor. Was sollte der Kater so weit vom Hotel entfernt tun? Dasselbe Maunzen antwortete auf seinen Ruf. Jetzt erkannte Sasuke, dass es aus einer Seitenstraße kam. Zwischen den Mülltonnen hing der Geruch verrottender Blaubeeren und Sasuke erkannte, dass er hinter dem Otogakure war. Erneut rief er nach Kurama und folgte dessen Miauen, bis er den Kater halb begraben unter zwei Müllbeuteln fand. Sein Fell stank erbärmlich, doch Sasuke durchkämmte es auf der Suche nach Verletzungen. Der Kater knurrte tief, als Sasuke seinen linken Hinterlauf berührte. Das war aber wohl kaum die einzige Verletzung. Sasuke zog sein Armani-Jackett aus und wickelte die Katze vorsichtig darin ein. „Du hast es noch geschafft, das Jackett zu ruinieren“, erinnerte Sasuke sich an ihre erste Begegnung. Er war so viel passiert, seitdem Kurama sein Auto vollgehaart hatte. Sasuke streichelte vorsichtig die Nase des Katers und dieser leckte ihm träge den Finger. Auf dem Weg zum Tierarzt überschlugen sich seine Gedanken. Naruto musste am Oto gewesen sein. Nur das erklärte Kuramas Anwesenheit. Doch wo war er? Denn er hätte nie zugelassen, dass dem Tier etwas passierte. Er brachte Kurama zur Tierärztin, die einen gebrochenen Hinterlauf sowie mehrere Prellungen diagnostizierte. Während Kurama geröntgt wurde, war Sasuke im Wartezimmer über sein Handy gebeut. Narutos Nummer war auf dem Display geöffnet. Er würde wissen wollen, dass seine Katze verletzt war. Vermutlich würde er minutenschnell hier auftauchen und eine Szene machen, die das ganze Personal aufhielt. Er würde weinen und Geschichten aus „Kuramas Jugend“ erzählen und ihn verwöhnen, sobald sie zu Hause waren. Wenn er ans Telefon gehen würde. Er hatte Sasukes Anrufe und Nachrichten noch immer nicht beantwortet. Und er war beim Otogakure gewesen. Was, wenn er etwas mit den dubiosen Geschäften dort zu tun hatte? So sehr Sasuke sie abwehren wollte, Erinnerungen von Naruto strömten auf ihn ein. Von heimlichen Telefonaten, ungewöhnlich ernst und leise, von umgedrehten Handys und geschlossenen Chats, sobald Sasuke näherkam. Von Gesprächen mit fremden Personen an dunklen Ecken der Strandpromenade. „Es gab etwas, das ich klären wollte, bevor das mit uns ernst wurde. Ich habe es scheinbar nicht geschafft.“ Die Erinnerung an Narutos erschöpften Ton war es, der Sasuke dazu brachte, den grünen Knopf zu drücken. Naruto brauchte ihn, egal, wo er war, und Sasuke würde ihn nicht im Stich lassen. Sasuke war nicht überrascht, als Naruto nicht ans Telefon ging. Er unterdrückte das aufkommende Grauen, all die Gedanken, die ihn in einen Strudel zu reißen drohten. Ihm blieb nichts anderes übrig. Er würde seinen Freund vermisst melden müssen, kurz nach dem Verschwinden seiner Tochter. Außerdem würde er seine Vermutung äußern, dass etwas im Oto geschehen sein könnte. Beweise hatte er nicht, nur Vermutung und unklare Blicke Schatten an der Wand. Aber was blieb ihm anderes übrig, als es zu versuchen? Er musste sie finden, die beiden Menschen, die in so kurzer Zeit zum Wichtigsten in seinem Leben geworden waren. Wie viel dieses Leben bald noch wert sein würde, stand in den Sternen. Doch sie musste er sicher wissen. Also ließ er Kurama zur Beobachtung bei der Tierärztin. Im Hotel konnte sich niemand um ihn kümmern. Kurz darauf war Sasuke wieder in der inzwischen viel zu vertrauten Polizeistation. Am Empfang sagte er, dass er neue Informationen zu Saradas Fall hatte. Damit hatte er den Beamten etwas voraus, die noch immer nichts wussten. Sasuke wurde wieder von dem Polizisten empfangen, der ihn und Naruto zuvor verhört hatte. Er hatte ein ungutes Gefühl, aber keine andere Wahl, als dem Mann in einen Verhörraum zu folgen. „Neue Infos, eh? Sie scheinen ja mehr in dem Fall zu arbeiten als wir.“ „Das Gefühl habe ich auch“, schnitt Sasuke den jovialen Ton des Beamten scharf ab. Ihm war schon aufgefallen, dass er dieses Mal viel freundlicher war als zuvor, als Naruto dabei gewesen war. Doch jetzt fiel ihm das vertrauliche Lächeln von den Lippen. „Dann erzählen Sie mal.“ Also berichtete Sasuke von der roten Brille im Clubraum des Oto und Kurama in der Straße hinter dem Club. Der Beamte hatte den Stift gehoben, jedoch kein Wort aufgeschrieben, als Sasuke angefangen hatte, zu sprechen. Jetzt sah er von seinem Block zu Sasuke. „Sie wissen also nicht, ob diese Brille da war“, fasste der Beamte zusammen. „Und Ihr anderer Hinweis ist eine entlaufene Katze.“ „Der Kater von Herrn Uzumaki – der seit heute ebenfalls vermisst wird“, spezifizierte Sasuke. Der Polizist legte das Notizbuch beiseite. „Ich kann keinen Club durchsuchen lassen, weil jemand vielleicht seine Brille verloren hat. Und Herr Uzumakis Abwesenheit ist bedenklicher als seine entlaufene Katze. Wir hatten explizit gesagt, dass er sich für Rückfragen bereithalten und die Stadt nicht verlassen soll.“ Eine Eischicht zog sich über Sasukes Magenwände. Er hasste es, das sagen zu müssen, doch zwang er die Worte über seine Lippen: „Kontaktieren Sie ihn. Vielleicht ignoriert er nur mich.“ „Das werden wir. Aber im Fall, dass wir ihn nicht erreichen sollten, werden wir nach ihm fahnden müssen.“ „Stecken Sie Ihre Energie lieber in die Suche nach meiner Tochter“, platzte Sasuke der Kragen. „Herr Uchiha, ich verstehe, dass Sie emotional sind, aber mäßigen Sie sich.“ Das süffisante Lächeln des anderen Mannes brachte sein Blut zum Kochen, doch Sasuke zwang sich zu einem knappen Nicken. „Wir müssen befürchten, dass Herr Uzumaki etwas mit dem Verschwinden des Kindes zu tun hat. Der Zufall wäre zu groß, dass er kurz nach ihr unabhängig verschwindet.“ „Deshalb sollten Sie herausfinden, ob ihm etwas passiert ist.“ „Sie scheinen Ihren Freund schlecht zu kennen.“ Als der Beamte sich zurücklehnte und die Arme hinter dem Kopf verschränkte, präsentierte er Schweißflecken in den Achseln. „Bevor er nach Konoha kam, lebte er alle drei Monate wo anders. Es kann sein, dass er einfach die Zelte abgebrochen hat.“ Die Eisschicht stockte zu einem soliden Klumpen. Das konnte nicht sein. Naruto würde nie ohne ein Wort gehen – oder? Genau genommen wusste Sasuke wenig von Narutos Leben vor dem Sensu. Was, wenn er zur nächsten Oase aufgebrochen war, nachdem die Sache mit Sasuke kompliziert geworden war? Doch nein, das konnte Sasuke nicht glauben. Nicht nach der Kraft, die Naruto in ihre Beziehung gesteckt hatte. Nicht, wenn Naruto und Sarada sich so gut verstanden. Nicht, wenn Naruto und Sasuke sich so geküsst hatten wie auf dem Aussichtspunkt über Konoha. Nicht, wenn ihre Körper sich beim Sex fanden, als wären ihre Körper füreinander gemach. Nicht, wenn Sasuke angefangen hatte, sich eine gemeinsame Zukunft auszumalen. Und diese würde er nicht so einfach aufgeben, wusste er, als er später das Präsidium unverrichteter Dinge verließ. Er würde Sarada und Naruto finden und sie würden gemeinsamen einen Weg vorwärts suchen, egal, was noch passierte. Speeding down a silent shore Something tells me we’ve been here before Where we’re going, I don’t want to see Every day you slip away from me I’d give you back I’d give you back Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)