Don´t fuck the Company von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 17: Trust Issues ------------------------ I had a dream I got everything I wanted But when I wake up, I see You with me. And you say, „As long as I’m here No one can hurt you.“ Billie Eilish – Everything I wanted Ein neuer goldener Morgen zog über Konoha auf. Der Wind raschelte in den Topfpflanzen auf Sasukes Dachgarten und verteilte den Kaffeeduft über die Stadt. In der Bucht nutzten die ersten Surfer die grandiosen Wellen, während Sasuke mit seiner Tochter und seinem Freund frühstückte. „Also den Ausblick werde ich vermissen“, sagte Naruto, wehmütig auf seinem Nutella Brot kauend. Sarada fiel fast der Saft aus der Hand. „Wieso? Wo gehst du hin?“ „Na ja, mal schauen, wenn die Saison endet.“ „Aber ich dachte…“ Sie sah zwischen den Männern hin und her und Naruto lächelte. „Ne, das bleibst erstmal. Aber ich kann ja nicht immer in meiner ein Zimmer Bude wohnen, oder?“ Sarada entspannte sich ein wenig. „Nein. Vermutlich nicht.“ „Und vielleicht geh ich noch mal zur Schule, wie deine Mom.“ Diese war mit einer alten Freundin verabredet, weshalb sie hier fehlte. Ansonsten hätte Sasuke das Frühstück anders gestalten müssen. Es war anstrengend, seine Beziehung zu tarnen. Zumal Sakura ständig fragte, wer sein Freund denn nun wäre. Vielleicht sollte er es ihr einfach sagen. Er wollte ehrlicher zu ihr sein, und Naruto hatte er versprochen, die Stacheln einzufahren. Das galt schließlich nicht nur für ihre Beziehung. Das Problem war, dass alte Muster nicht so leicht zu brechen waren. Er merkte es im Umgang mit Naruto. Ihm fiel es schwer, konstruktiv mit Problemen umzugehen. Zwar benannte er sie – er hatte noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Seine Devise war es bisher gewesen, alles einzureißen, wenn ihn etwas störte. Wenn es nicht passte, musste man nicht daran festbeißen wie an einem fleischlosen Knochen. Außerdem war er enorm stur und bildete sich ein, immer Recht zu haben. Das war schwierig, da Naruto fast genauso stur war wie er. Sasuke hätte es dann gut sein lassen, aber sein Freund konnte das nicht. Und Sasuke konnte ihn umgekehrt nicht mit falschen Ansichten rumlaufen lassen. Jetzt war er immerhin offiziell sein Freund. Diesen Freund begleitete Sasuke, als er später mit Sarada zur Surfstunde aufbrach. „Ich werde dich vermissen, wenn du wieder zur Schule gehst, Kleine“, jammerte Naruto im Aufzug. „Ein paar Wochen sind es ja noch“, erwiderte das Mädchen. „Und du hast doch Gesellschaft.“ „Ja, aber du bist viel cooler. Sasuke mosert nur“, erzählte Naruto vertraulich und sie kicherte. „Ich höre euch“, sagte Sasuke. Naruto sah ihn mürrisch an, redete aber weiter mit Sarada. „Siehst du? Nur am Mosern.“ „Hast du nicht einen Wassergymnastikkurs zu leiten?“, erwiderte Sasuke kühl. Fast hätte Naruto sich an der gezuckerten Milch verschluckt, die er Kaffee nannte. „Was kann ich dafür, dass deine zu alt für was Cooleres sind?“ Cool oder nicht, er musste den Kurs halten. Während sie die Zelte abbrachen, beschwerte Naruto sich, sehr zu Saradas Amüsement. Das Mädchen wollte sich mit Menma am Strand treffen. Sasuke sperrte die Tür hinter ihnen zu. Als er sich ihnen zuwandte, sah er seinen Freund und seine Tochter verschwörerisch lachen wie die besten Freunde. Er schloss zu ihnen auf und schob die Hand in Narutos. Dieser sah ihn kurz überrascht an, bevor er grinste. Gemeinsam nahmen sie die Treppe über den Westflügel des Hotels, die direkt ins Foyer führte. Naruto und Sasuke hätten andere Wege gehen können, um schneller zu Büro und Pool zu gelangen. Vermutlich hatten sie dieselben Gründe, den Umweg auf sich zu nehmen. Mit den aufgeregten Stimmen, die aus dem Foyer zu ihnen drangen, hatten sie jedoch nicht gerechnet. Kurz sahen sie sich an, dann lösten sie ihre Hände, um in die Eingangshalle zu gehen. Diese war mit Uniformen gefüllt. Die Rezeptionistin redete mit dem älteren Polizisten, mit dem Sasuke schon das Vergnügen gehabt hatte. Er gebot seiner Tochter und seinem Freund zu warten und trat auf die sichtlich überforderte Frau und den Beamten zu. „Was passiert hier?“, verlangte er zu wissen. Die Antwort erhielt er in Form eines Zettels, der ihm vor die Nase gehalten wurde. Viel Text war darauf nicht zu sehen, aber das Wichtigste sprang Sasuke gefettet ins Auge. Durchsuchungsbefehl. „Mit welcher Begründung wollen Sie mein Hotel durchsuchen?“ „Es geht erstmal nur um eine Wohnung“, sagte der Polizist. „Und wie ich sehe, haben Sie deren Bewohner mitgebracht.“ Er schnippte Naruto heran wie einen Hund. Der folgte mit verwirrten Welpenaugen, nachdem er Sarada etwas zugeraunt hatte. Sie legte die Arme um sich selbst, den Blick sorgenvoll auf das Szenario geheftet. Sasuke wollte ihr versichern, dass alles in Ordnung war, aber zunächst musste er dafür sorgen, dass das auch zutraf. In dem Moment tauchte Menma neben ihr auf. Als er ihr etwas zuraunte und sie nicht reagierte, legte er die Hand auf ihren Rücken. Sasuke wusste nicht, was er von dem Bild hielt, aber gerade war es gut, dass Sarada nicht alleine war. Unter den Blicken aller im Foyer führte er die Beamten und Naruto zu dessen Wohnung. Die Unterkünfte der Mitarbeiter lagen im Westflügel im dritten Stock. Nicht jeder nahm das Angebot an, für Saisonarbeiter war es aber praktisch. Inzwischen sah Naruto sich aber nach Wohnungen in der Stadt um. Einige Gäste kamen ihnen entgegen, sonst war der Weg unbehelligt. Schweigend sperrte Naruto die Tür auf, durch die sie so oft getreten waren. Die Wohnung war gewohnt unordentlich. Kleidung stapelte sich auf einem Stuhl. Leere Plastikbecher lagen in den Ecken. Und unter dem übervollen Schreibtischmüllereimer kämpfte sich ein oranger Kater hervor. Dessen Fell glänzte im Kontrast zu allem anderen gepflegt, fiel Sasuke auf. Sasuke und Naruto traten zurück, während die Beamten das Zimmer durchsuchten. Kurama biss einem in die Hand, als er seinen Korb durchsuchte. Danach hob Naruto ihn auf den Arm, wodurch der buschige Schweif der Katze wie ein rasiermesserscharfes Pendel schwang. Sasuke inspizierte Narutos Gesicht. Wo er sonst lesen konnte wie in einem Buch, begegnete ihm jetzt eine Steinmauer, umringt von einem Burggraben des Schweigens. Kalte Luft schlug ihm vom Wasser entgegen. „Was ist?“ „Nichts. Die Polizei durchsucht nur gerade mein Zimmer.“ Sasuke legte Naruto die Hand auf die Schulter. „Wenn sie fertig sind, sind wir sie endgültig los.“ Kurz sah Naruto ihn verblüfft an, ehe das schüchterne Lächeln, das Sasuke so gefiel, seine Mauern einstürzen ließ. „Also glaubst du nicht, dass sie etwas finden?“ „Ein bisschen Gras vielleicht.“ Er zuckte die Schultern und Naruto lachte. Fast hätte Sasuke sich vorgebeugt, um ihn zu küssen. In letzter Sekunde entsann er sich der Beamten, sodass er nur Narutos Schulter drückte und dann von ihm abließ. Sie hatten eine Weile gewartet, als eine Frau sagte: „Sir, ich habe etwas.“ Zuerst verstand Sasuke nicht, was das bedeuten sollte. Was war 'etwas'? Dreckige Wäsche? Die Packung Instantramen, welche die Beamte herantrug, mutete kaum weniger albern an. Erst, als ihre behandschuhte Hand die Folie wegzog und darunter weißes Pulver zu sehen war, wurde die Tragweite klarer. Naruto wurde so weiß wie die Substanz. „Das ist nicht meins!“ „Komisch, dass wir es in Ihrem Schrank gefunden haben“, erwiderte der Einsatzleiter. „Wir werden es konfiszieren und untersuchen. Und Sie müssen uns begleiten, Herr Uzumaki.“ „Aber das ist nicht meins!“, widerholte Naruto schwach. Hilfesuchend sah er Sasuke an, doch der war wie betäubt. Nicht mal, als Narutos Blick dem eines getretenen Hundes ähnelte, war er fähig, zu reagieren. Schweigend führte der Leiter Naruto ab, während die anderen weiter das Zimmer durchsuchten. Wie in Zeitlupe sah Sasuke die Beamten Fotos machen und Beweise in Plastiktüten füllen und Möbel verschieben. Es musste Lärm machen, aber er konnte nichts hören. Er hatte Naruto geglaubt. Ihn unterstützt und gefördert – und sich in ihn verliebt. Und das hier war der Dank? Wobei, dachte er bitter, als die Polizisten das Zimmer absperrten; es war als Tatort noch gesperrt. Er hatte es besser wissen müssen. Ein fast dreißigjähriger Animateur, ohne zu Hause, ohne Familie, ohne festen Job, kam zufällig hierher, kurz bevor die Stadt sich zum landesweiten Hotspot für Drogengeschäfte entwickelt hatte. Er hatte durchgeknallte Ideen und Kontakte zu zwielichtigen Leuten, aber selbst hatte er nichts mit ihren Geschäften zu tun. Zumindest hatte Naruto das wieder und wieder gesagt. Und Sasuke war naiv genug gewesen, wes zu glauben. Er hatte Naruto so nah an seine Tochter rangelassen. Das Bild von Sasuke und Sarada in der Teetasse stand inzwischen gerahmt auf seinem Schreibtisch. Sakura hatte es ihm geschenkt, ebenso wie das von ihr selbst und ihrer Tochter, das er im Geldbeutel trug. Darauf standen sie vor blühenden Bäumen in dem Park, in dem Sasuke und Sakura ihr erstes Date gehabt hatten. Sie waren schweigend spazieren gegangen. Er hatte Sakura Waffeln an einem Stand gekauft, sie nach Hause begleitet und später in demselben Park gefragt, ob sie ihn heiraten wollte. Die Zeit war voller Lügen und Mauern und Stille, hinter denen etwas hockte, das keiner von ihnen sehen wollte. Damals waren es Sasukes Lügen und Mauern und seine Stille, sein etwas gewesen. Er hatte sich gesagt, dass es Stärke war, die er zeigte, aber eigentlich hatte er sich selbst bemitleidet. Daran, wie Sakura sich auf der anderen Seite fühlte, hatte er keinen Gedanken verschwendet. Er war so entrückt von ihr gewesen, selbst als sie seine Frau war. In diesem Moment spürte er die volle Tragweite des Außenvorgelassenseins. Er legte das Bild weg und griff nach dem Telefon. Seine Eltern sollten nicht durch die Presse von der Durchsuchung erfahren. „Schatz! Wie geht es dir?“, begrüßte seine Mutter ihn. „Ist Vater da?“ Es knackte in der Leitung. „Was ist passiert, Sasuke? Geht es Sarada gut? Ist etwas mit Sakura oder Naruto?“ Sasukes Magen zog sich zusammen. Mikoto hatte schon öfter nach Naruto gefragt, aber in dieser Situation? Zumal Sasuke nicht an ihn denken wollte. „Ich weiß nicht. Ich denke, die Polizei behandelt ihn angemessen“, sagte er kühl. Verdammt, er ließ sich zu sehr anmerken, dass es ihm naheging. „Die Polizei? Was ist passiert?“ Seufzend rieb er sich die Stirn, bevor er erzählte. Eigentlich hatte er das mit Fugaku klären wollen, aber seine Mutter war stark genug. Sie war Teilhaberin der Hotelkette und hatte ein Recht darauf, alles zu erfahren und, wenn er ehrlich war, war seine Mutter Sasuke gerade die bevorzugte Gesprächspartnerin. „Oh, Liebling“, sagte sie, als er geendet hatte. „Das tut mir so leid.“ Er hatte sich in seinem Bürosessel zurückgelehnt. Bei ihren Worten schloss Sasuke die Augen und schnaubte. „Ich bin selbst schuld. Für die Saisonarbeiter habe ich keinen Hintergrundcheck angeordnet … Ich werde mich darum kümmern.“ „Ich meine nicht sein Arbeitsverhältnis, Sasuke Uchiha.“ Mikoto klang aufgebracht. Das war selten. „Du musst so durcheinander sein. Aber ich bin mir sicher, er erklärt dir alles, sobald ihr redet.“ „Warum sollte ich mit ihm reden? Eine Kündigung tut es.“ „Du wirst doch nicht deinen Freund einfach davonjagen“, begehrte Mikoto auf. Etwas an der Art, auf die sie ‚Freund‘ sagte, beschleunigte Sasukes Herzschlag. „Du siehst so glücklich aus mit ihm.“ Sasuke schluckte sein ungutes Gefühl runter. Sein Beziehungsstatus war egal, wenn es um das Hotel ging. „Sie verdächtigen ihn, Drogen im Hotel umzusetzen, Mutter.“ „Genau: Sie verdächtigen ihn“, stimmte seine Mutter zu. „Das heißt, noch ist nichts bewiesen.“ Sasuke rieb sich die Augen. Er wünschte, er hätte doch mit seinem Vater gesprochen. Die Naivität seiner Mutter überraschte ihn, da sie sonst sehr rational war. Sie drückte ihre Wahrheiten nur sanfter aus als die Männer der Familie. „Du wirst tun, was du für richtig hältst“, brach Mikoto das Schweigen. „Aber ich glaube, du solltest etwas Gutes nicht so leicht aufgeben.“ Bisher hatte Sasuke ignoriert, wie seine Mutter über Naruto sprach. Doch langsam wurde es zu auffällig dafür. „Was für Gutes soll das sein?“ Sie seufzte tief. „Ach Schatz, es ist doch in Ordnung. Ich bin froh, dass du jemanden hast, der dir so gut tut.“ Sasuke war wie in die Luft katapultiert. E war schlimmer als bei Sakura, die immerhin mit ihm verheiratet gewesen war. Sie hatte sein mangelndes Interesse am eigenen Leib gespürt. Aber Mikoto? Vor seinen Eltern hatte er es immer geheim gehalten. Sie waren der Grund für seine Ehe, für Sarada, für seinen und Sakuras Umzug hierher. So vieles, das er getan hatte – für Nichts? „Seit wann?“ Sein abgeklärter Ton schien Mikoto zu verunsichern. „Ich habe es geahnt, seit du ein Teenager warst, Liebling. Als du mit Sakura zusammen kamst, dachte ich, du würdest vielleicht beides mögen. Ich kann nicht leugnen, dass ich froh war …“ Sie wählte ihre Worte vorsichtig, bitter waren sie dennoch. „Aber es war schon bald klar … Nur Männer, oder?“ „Ich bin schwul. Ja.“ Es hatte etwas Befreiendes, es auszusprechen. Trotz allem, was gerade passierte, breitete eine Leichtigkeit sich in ihm aus, die er so noch nie gespürt hatte. Er hatte es noch nie ausgesprochen, noch nie seine Identität für sich beansprucht. Und jetzt waren die Worte eine Waffe. Als er seine Mutter vor ihnen wegzucken spürte, hob sein schlechtes Gewissen den Kopf. „Wir wollten dir dein eigenes Tempo lassen, Sasuke. Es tut mir leid.“ „Vater?“ „Er weiß es nicht, denke ich. Ich meinte Itachi“, erklärte Mikoto, und plötzlich machte vieles Sinn, das Sasukes Bruder zuletzt gesagt hatte. Sasuke rieb sich den Nasenrücken. Musste sie das ausgerechnet jetzt sagen, wo sein sogenannter ‚Freund‘ von der Polizei befragt wurde? Wahrscheinlich war dieser Status nicht mehr relevant, zumindest für eine Weile. Oder für immer, denn Sasuke wusste nicht, ob er sich den Stress einer Beziehung noch mal antun wollte. „Du brauchst sicher erst Mal Zeit, das zu verarbeiten“, sagte Mikoto sacht, als Sasuke nicht antwortete. „Melde dich, wenn du soweit bist, ja, Schatz?“ „Ja, Mutter“, versprach er geschlagen. Vielleicht dauerte das nochmal 33 Jahre. „Gut. Ich sage deinem Vater wegen der Durchsuchung Bescheid. Und – Sasuke?“ „Ja, Mutter?“ „Ich habe dich sehr lieb. Egal, was passiert.“ Sasuke schluckte einen Kloß runter und versprach, sie anzurufen, wenn er etwas Neues hörte, dann legte er auf. Er stützte das Gesicht in die Hände, um seine pulsierenden Schläfen mit den Daumen zu massieren. Wenn er das alles nur ausschalten könnte. Seine wirbelnden Gedanken, die tosenden Gefühle, die nagenden Zweifel – einfach alles. Wie in dieser Nacht im Oto, an die er sich kaum erinnerte. Er löste das Gesicht aus den Händen. Vermutlich sollte er seinen Geschäftspartner vorwarnen. Die Presse stürzte sich auf alles rund um die Drogendelikte, da die Polizei aus Ermittlungsgründen Informationen zurückhielt. Wenn sie hörten, was im Sensu passiert war, würden sie die Verbindung zum Oto im Nu ausgraben. Es war gerade 11.30 Uhr und Sasuke könnte wieder ins Bett. Müde zwang er sich, einige Anrufe hinter sich zu bringen und die Nachrichten anzusehen. Hinata wies er an, keine Journalisten durchzustellen und so viele Anrufe wie möglich abzuwimmeln. Am Nachmittag meldete Fugaku sich, um das Vorgehen zu besprechen. Während der ganzen Zeit hatte Sasuke nicht auf sein Handy gesehen. Er wollte nicht wissen, ob Naruto sich meldete. Eigentlich wollte er niemanden sehen, weshalb er genervt grunzte, als es an seiner Tür klopfte. Die Person ließ sich davon nicht aufhalten, und schon stand Sarada vor seinem Tisch, dicht gefolgt von ihrer Mutter. Die Augen des Mädchens waren rot und glasig. Ihre Nasenflügel bebten unter dem Versuch, Tränen zurückzuhalten. In Sakuras Hals pochte eine Vene von der Größe und Farbe einer Aubergine. Sasuke hätte die Tür absperren sollen. „Warum gehst du nicht an dein Handy?“, blaffte seine Exfrau. „Es hätte sonst was los sein können!“ „Was ist passiert?“, fragte er kühl. Jetzt bebten auch Sakuras Nasenflügel vor Zorn. „Oh, ich weiß nicht. Der Dealer in deinem Hotel, vielleicht?“ „Naruto ist kein Dealer!“, platzte Sarada hervor. Voll gerechtem Zorn sah sie Sasuke an. „Sag es ihr, Papa!“ Sie hatte keine Ahnung, wie sehr er sich wünschte, das zu können. „Die Polizei wird herausfinden, was er ist.“ Sarada wich zurück, die Augen weit, als habe er sie geschlagen. Gerne hätte er sie beschwichtigt, aber nach allem, was passiert war, konnte er es nicht. Es war zu ihrem eigenen Schutz. „Wie kannst du das sagen? Er hält dir immer den Rücken frei, egal, wie gemein du gerade mal wieder bist!“ Die Wahrheit von Saradas Worten versetzte Sasuke einen Stich. Er dachte an den Blick, mit dem Naruto ihn angesehen hatte, als er abgeführt wurde. Als hätte Sasuke ihm ein Messer in den Rücken gerammt. „Das ist anders“, fing Sasuke an, aber sie war wie ihre Mutter, wenn sie in Fahrt war. „es ist genau dasselbe. Du läufst vor etwas Gutem weg! Das hat er nicht verdient.“ Sarada sah persönlich verletzt aus und Sasuke verstand nicht, wieso. Sicher, sie verstand sich gut mit Naruto. Aber sie kannten sich keine drei Monate. Es gab keinen Grund, so emotional zu reagieren. „Du verstehst das nicht, Sarada“, sagte Sakura. „Du bist diejenige, die nichts versteht, Mama, weil du nie zuhörst, wenn du etwas nicht wissen willst!“ Sakuras Faust knallte so hart auf den Schreibtisch, dass Sasukes Stiftbecher umfiel. „So wirst du nicht mit mir reden!Du wirst in diesem… Drogenpfuhl nicht bleiben. Morgen reisen wir ab“, bellte Sakura, als Sarada einen Moment wie festgefroren dastand. „Mama!“, japste Sarada entsetzt, doch ihre Mutter wollte nichts hören. „Geh auf dein Zimmer. Jetzt sofort!“ Hilfesuchend blickte das Mädchen zu ihrem Vater, der nur die Arme verschränken konnte. Saradas erster Schritt war steif, dann stürzte sie aus dem Büro. Die Tür knallte hinter ihr ins Schloss. „Das war nicht nötig“, sagte Sasuke milder, als er sich fühlte. Er kannte Sakuras Temperament, obwohl sie es an ihm nie ausgelassen hatte. Wenn sie so auf Konflikte mit ihrer Tochter reagierte, war es kein Wunder, dass diese weglief. „Es ist auch nicht nötig, so mit mir zu sprechen“, schnappte Sakura, obwohl sie erschöpft am Tisch lehnte. Sie rieb sich die Augen. „Manchmal treibt sie mich zur Weißglut mit ihrer neunmal klugen Art!“ „Es ist nicht leicht für sie. Sie hatte sich mit Naruto angefreundet“, argumentierte Sasuke für seine Tochter, während er seine Stifte einsammelte. Sakuras Augen flammten auf. Offenbar war die Weißglut noch nicht erloschen. „Wie konntest du sie in die Nähe dieses Verbrechers lassen?“, warf sie ihm vor. Sasuke ließ die Stifte in ihren Käfig zurückfallen. „Noch wissen wir nicht, was er getan hat.“ „Wie kannst du ihn in Schutz nehmen? Sie haben Beweise in seinem Zimmer gefunden!“ Wieder sah er die Beamten in Narutos Zimmer, wie sie seine Schränke öffneten, das Bettzeug von der Matratze zogen, auf der er selbst schon geschlafen hatte … Er wandte sich ab. „Wir sollten warten, bis wir mehr wissen“, mahnte er sie ebenso wie sich selbst. Sakura schwieg einen Moment. Als er sich nach ihr umwandte, waren ihre grünen Augen scharf und klar wie lange nicht. „Er ist es“, sagte sie völlig ohne Zweifel. „Er ist dein Freund. Deshalb hast du ihn hier geduldet, und bei Sarada.“ Sasuke holte tief Luft, bevor er nickte. Vermutlich hatte Sakura das schon länger geahnt und nur verdrängt. Denn sonst ließ Sasuke niemanden so nah an sich heran. Selbst Sakura hatte er seinen Eltern erst vorgestellt, als sie verlobt waren. Sakura war kurz so starr wie Sarada vorhin, dann ging sie zu Sasukes Kühlschrank und holte den teuren Cognac hervor. Sie goss sich ein Glas ein und trank. Erst danach bot sie Sasuke etwas an, doch er lehnte ab. „Du wolltest es nicht wissen, weil er dein Freund ist“, schnaubte sie und schenkte sich nach. Zum Glück hatte sie es nicht so weit in ihr Zimmer. „Vielleicht“, gestand Sasuke nachdenklich. Er hatte Zeichen gesehen, die jetzt mehr Sinn zu ergeben schienen. Aber hieß das, dass Naruto ein Verbrecher war? Zwei Wünsche stritten in Sasukes Brust. Der eine wollte an den Idealisten in Naruto glauben, der andere wollte ihn auf der Stelle aus seinem Leben streichen. Sasuke nannte sie Vernunft und Liebe. Welchen er siegen sehen wollte, wusste er noch nicht. „Und was gedenkst du, jetzt zu tun?“, bohrte Sakura nach. Ihre Wangen waren rot vom Cognac. „Weiter den Kopf in den Sand stecken für deinen Toy Boy?“ „Sakura.“ Sasukes schneidender Ton ließ sie zusammenfahren, obwohl er die Stimme nicht gehoben hatte. Unbehaglich verlagerte sie das Gewicht. „Es war nicht so gemeint. Es ist nur … Gerade so viel, mit dir und ihm, und ich habe Angst um Sarada. Sie hängt sehr an ihm.“ „Und er an ihr.“ Sakura schnaubte, doch in all dem war Sasuke noch immer sicher: „Er vergöttert sie. Er hätte sie nie in irgendwas mit reingezogen.“ Zwar schien Sakura noch immer misstrauisch, doch nickte sie ergeben. Ihr Zorn war immer heftig, verrauchte aber schnell. „Ich sollte mich bei ihr entschuldigen.“ „Findest du?“ Sakura warf ihm einen ‚Du brauchst gar nicht reden‘-Blick zu. „Ich kann ihr wohl nicht verübeln, dass sie sich an diesen … An Naruto hängt“, sagte sie und leerte ihr Glas erneut. „Er ist so … Warm. Nervig und laut und dumm wie Brot aber er …“ Sie wusste nicht, wie sie sich ausdrücken sollte, aber Sasuke nickte. „Ich weiß.“ Sakura nickte langsam, bevor sie tief Luft holte. „Ich will nicht, dass sie das hier verliert. Es hat ihr gut getan. Zu Hause brütete sie ständig über ihren Büchern, aber hier ist sie wieder ein Kind.“ Sasuke hatte nicht erwartet, etwas so Positives von Sakura zu hören. Er räusperte sich. „Sie liest noch ausreichend.“ Sakura lachte leise und ließ sich in den Stuhl von Sasukes Tisch sinken. „Sie ist wie du mit 15, 16“, sagte sie in neckendem Ton. „Dann wundert es mich, dass du es nicht warst, die sie weggeschickt hat“, erwiderte Sasuke trocken und schenkte ihr Wasser ein. Sakura spielte mit dem neuen Glas, statt sich auszunüchtern. „Bist du nicht auch mal weggelaufen? Kurz bevor wir zusammen kamen?“ „Für zwei Wochen“, nickte Sasuke. Er Erinnerte sich an ein unordentliches Apartment und einen viel zu alten Mann. Sie waren kaum vor die Tür gegangen und er wäre geblieben, hätte Kakashi ihn nicht heimgeschickt, nachdem er den Fahndungsaufruf gesehen hatte. Mikoto war außer sich vor Glück, als Sasuke wieder vor der Tür stand. Fugaku hatte ihm Hausarrest aufgebrummt. Itachi war nicht da, wie so oft zu der Zeit. Eingesperrt in seinem Zimmer hatte Sasuke sich seinen Plan mit Sakura zurechtgelegt. Jetzt wünschte er, er könne sein Teenager-Selbst ohrfeigen. „Lange her.“ „Aber es war so“, grinste Sakura neckend, offenbar wieder mehr sie selbst. Sie zückte ihr Handy und tippte Saradas Nummer, legte aber nach einer Weile stirnrunzelnd auf. „Mailbox.“ „Sie ist sauer. Gib ihr Zeit.“ „Ich hätte nie gedacht, dass du mir mal Erziehungstipps geben würdest.“ „Hättest du mir im Frühjahr gesagt, dass das passiert, hätte ich es nicht geglaubt.“ Sakura lachte, aber es stimmte. Diesen Sommer war so viel passiert, mit dem er nie gerechnet hatte. Sarada und Naruto und Sakura und seine Mutter und sein Bruder. Er war sehr glücklich, obwohl es anstrengend gewesen war. Das jetzt einfach hinter sich zu lassen, erschien unmöglich. „Was wirst du jetzt wegen ihm machen?“, fragte Sakura. Sie hatte Sarada geschrieben und steckte das Handy wieder weg. „Abwarten, was die Polizei rausfindet“, sagte Sasuke. „Dann mit ihm reden.“ „Abwarten und reden … Klingt nicht nach dir.“ „nach ihm auch nicht“, gab Sasuke zu. „Aber es wäre vernünftig.“ Sakura sah skeptisch aus – zu Recht. Wie Sasuke sie kannte, würde es einen riesen Krach geben und er wusste nicht, ob er und Naruto ihn diesmal einfach wegvögeln könnten. Wenn wirklich nichts war, hatte er Naruto umsonst verdächtigt und wenn doch etwas war, könnte Sasuke nicht einfach darüber hinwegsehen. Davon abgesehen, dass Naruto dann im Gefängnis landen würde. Er wollte nicht darüber nachdenken, was sein Vater sagen würde. Schließlich hatte Sasuke Naruto nicht nur angestellt, sondern ihn in die Nähe ihrer Familie gelassen. Sakura stand auf und hielt sich am Tisch fest. „Ich lege mich etwas hin … Und nachher entschuldige ich mich.“ „Gute Idee“, nickte Sasuke. Er bot ihr an, sie in ihr Zimmer zu begleiten, aber sie schüttelte den Kopf. Ein wenig besorgt sah er ihr sie aus seiner Bürotür wanken. Nun, sie war nicht der erste betrunkene Gast des Sensu. Sasuke arbeitete ein paar Stunden, um Sarada die Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen. Dann ging er zu seiner Wohnung, um mit ihr zu sprechen – nur, dass sie nicht da war. Sie war nicht der Typ, nicht zu gehorchen. Andererseits kam sie langsam in die Pubertät, also fing das jetzt wohl an. Oder sie war bei Sakura. Zu deren Apartment ging Sasuke zuerst. Es dauerte, bis seine Exfrau öffnete. Ihre Augen waren unterlaufen und ihr Haar stand ab, als sie sich an die Tür lehnte. „Ist Sarada bei dir?“, fragte Sasuke, obwohl Sakuras Aussehen Antwort genug war. Sofort waren ihre müden Augen besorgt. „Sie sollte doch in deiner Wohnung sein.“ „Ist sie nicht“, sagte Sasuke und zückte sein Handy, um Sarada anzurufen. Wie vorhin bei Sakura sprang die Mailbox an. „Ich frage Sasuke, ob…“, fing er an, bevor ihm einfiel, dass sein Liebhaber im Verhörraum wohl kaum wusste, wo das Mädchen war. Er rieb sich die Augen. „Wenn sie weggelaufen ist, weil ich sie angeschrien habe …“, sagte Sakura tonlos. Das war sehr wahrscheinlich der Fall, aber es brachte nichts, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. „Ich frage am Empfang nach. Mach du dich fertig und geh zum Pool“, wies er sie an. Sie nickte, sichtlich erleichtert, dass er das Heft in die Hand nahm. Minuten später war Sasuke im Foyer des Hotels und fragte, ob man Sarada gesehen hätte. „Sie ist vor ein paar Stunden raus, hat aber nicht gesagt, wo sie hingeht“, antwortete die Rezeptionistin. „Ist alles in Ordnung?“ „Rufen Sie mich an, sollte sie zurückkommen“, wies Sasuke sie an und wandte sich ab. Er nahm den Aufgang zur Poollandschaft, wo er auf Sakura stieß. Ihr beunruhigter Gesichtsausdruck machte Fragen überflüssig. „Oh Gott … Was, wenn ihr etwas passiert ist? Ich bin schuld, ich habe sie schon wieder davongetrieben …“ Sasuke legte Sakura die Hand auf die Schulter. „Konzentrieren wir uns darauf, sie zu finden“, sagte er. Sakura holte tief Luft und rieb sich über die Augen. Dann nickte sie entschlossen. Sie entschieden, jeweils am Strand und der Promenade zu suchen und dann nochmal in den Zimmern, falls sie Sarada nicht finden sollten. Es war an Sasuke, die Geschäfte an der Promenade abzuklappern. An je mehr der Lieblingsgeschäfte seiner Tochter er vorbeikam, ohne sie zu finden, stieg der Druck in seiner Kehle. Er wusste, dass sie klug war und auf sich aufpassen konnte. Aber sie war erst 13 und sie kannte in Konoha kaum jemanden. Wobei sie durchaus Freunde gefunden hatte. Natürlich hatte er Borutos Nummer nicht gespeichert, aber ein Anruf bei Shikamaru, seinem Personalleiter, behob das Problem. Kurz darauf hatte er den Jungen am Apparat. „Ist Sarada bei dir?“ „Ja, Ihnen auch hallo“, schmollte Boruto, bevor er begriff, was Sasuke gefragt hatte. „Nein, ist sie nicht. Wieso, was ist?“ Sasuke zögerte. Ihre Familienprobleme gingen den Teenager nichts an. Andererseits wüsste er vielleicht eher, wo ein Teenager mit Elternproblemen hinlaufen würde. „Sie und ihre Mutter hatten Streit“, entschied er kurzfristig. „Weißt du, wo sie sein könnte?“ „Shit … Ne, keine Ahnung. Aber ich helf suchen!“ „Nicht nö …“ „Sie ist eine Freundin, ich helfe“, stellte er klar. „Und … Ich ruf Menma an. Vielleicht weiß der was.“ Der Gedanke war Sasuke unangenehm, deshalb hatte er ihn verdrängt. Aber es machte Sinn, Menma zu fragen. Schließlich waren er und Sarada ausgegangen. Vielleicht war sie zu ihm gegangen. „Gut. Sag mir, wenn du etwas hörst.“ Nach dem Auflegen rieb Sasuke sich müde die Augen. Womöglich sollten sie die Polizei kontaktieren, aber er wollte sie nicht nochmal im Hotel haben. Sie hatten den Streit erst ausgelöst, wenn man es genau nahm. Bloß, dass Schuldzuweisungen sein Kind nicht zurückbrachten. Er versuchte nochmal, sie anzurufen, aber wieder erfolglos. Auch Sakura, die wenig später zu ihm stieß, hatte Sarada nicht finden können. Noch bevor sie anfing zu weinen, sah Sasuke am Zittern ihrer Nasenflügel, dass die Tränen gleich kommen würden. Er reichte ihr eine Serviette von der Poolbar, wissend, dass sie zu riesigen Krokodilstränen und etwas Rotz neigte. Aber so schlimm wie Naruto war sie nicht, bei dem bei jeder traurigen oder romantischen Stelle in Filmen die Sintflut losbrach. Genervt davon, schon wieder an ihn zu denken, rieb Sasuke sich den Nacken. Er musste sich damit befassen, aber gerade hatte Sarada Priorität. Es brachte keinem der beiden etwas, das zu vermischen. Während Sakura sich schnäuzte, trafen Menma und Boruto ein. Letzterer lief unruhig auf und ab, während ersterer sich mit verschränkten Armen neben einem der grauen Sofas postiert hatte. Einzig Sakura saß, die Hände nervös den Rand der Couch knetend. „Habt ihr Ideen, wo sie sein könnte?“, kam Sasuke direkt auf den Punkt. „Vielleicht am Strand beim Surfen?“ Sasuke nickte. Er machte selbst Sport, um seine Probleme abzuschütteln. „Wir haben schon am Strand gesucht, aber vielleicht ist sie inzwischen dorthin gegangen. Geht sie am Wasser suchen.“ Boruto fiel das Gesicht runter. „Ich kann alleine …“ „Der Stadtstrand ist lang und voll. Ihr geht zu zweit“, sagte Sasuke endgültig. Die Jungs trollten sich, der blonde missmutig grummelnd, der schwarzhaarige stoisch schweigend. Sakura sah aufgelöst aus, aber er kannte sie zu gut, um vorzuschlagen, sie solle hier bleiben. Sie hasste es, zurückgelassen zu werden, weil man sie für schwach hielt. Dass sie das nicht war, wusste Sasuke. „Schau dich in der Einkaufsstraße um. Ich nehme den Wagen und fahre die Stadt ab.“ Sakura nickte und sah ihn aus glänzenden Augen an. Er legte die Hand auf ihre Schulter. Sie nickte und Entschlossenheit überzog ihr Gesicht, als sie aufstand. Sasuke sah ihr nach, bis sie aus dem Foyer getreten war, dann ging er zur Tiefgarage. Sakura hatte schon immer Selbstzweifel gehabt, die ihre Intelligenz, Ausdauer und Fürsorglichkeit außer Acht ließen. Als Teenager hatte sie gehofft, Sasuke würde sie davon befreien, doch hatte sie das selbst geschafft. Sie war stark und unabhängig und das wusste sie inzwischen selbst. Sasuke hatte sich in den Verkehr eingefädelt und ließ den Blick über die hitzeflirrenden Straßen gleiten. Sein erstes Ziel war der Bahnhof. Er fand die Züge, die in die Stadt fuhren, in der Sarada und Sakura lebten, die zu seinen Eltern oder Itachi. Seine Tochter fand er aber nicht. Danach fuhr er durch Konoha, klapperte Bushaltestellen ab, Restaurants, Tankstellen. Immer mit der Hoffnung, Sakura, Boruto oder Menma würden ihm schreiben, dass sie Sarada gefunden hatten. Inzwischen war früher Nachmittag. Die Hitze lief zu Hochtouren auf und er spürte, dass er den Tag über weder gegessen noch getrunken hatte. Also parkte er vor dem Laden, in dem Naruto an ihrem Date Tag für sie eingekauft hatte, und holte sich etwas zu Essen. Als er bezahlte, fiel ein Zettel aus dem Portemonnaie. Er hob ihn auf und erblickte das abgegriffene Foto von Sakura und Sarada, das er immer mit sich führte. Die beiden sahen so glücklich aus. Er wünschte, er hätte ihnen das Glück für immer geben können. Doch es war lediglich eingefroren, in dem kleinen Bild, das sie in dem Park zeigte, in dem sie so oft gewesen waren – meist ohne Sasuke. Er hielt das Bild noch, als er die Imbissbude verließ. Der Park … Sie war so klein gewesen, aber vielleicht … Minuten später parkte er neben einer Grünfläche im Stadtkern. Er hatte sein Mittagessen mitgenommen. Wenn er sie nicht finden sollte, könnte er sich wenigstens kurz ausruhen. Das Eisentor zur Parkanlage war glühend heiß, als er sich hindurch schob. Die Asphaltwege waren gesäumt von verwahrlosten Rhododendronbüschen. Pinke und weiße Blüten trotzen dem rotbraun der sonnenverbrannten Umgebung. Zikaden knatschten in den dunklen Blättern und öffneten sich zu einem Spielplatz, der kaum mehr war, als eine Betonfläche in der prallen Sonne. Als er Sarada entdeckte, sah sie klein aus zwischen den hohen, halbverbrannten Büschen des Parks, ihr Kleid eine letzte rote Blüte im spätsommerlichen Braun. Er schrieb Sakura, dass er Sarada gefunden hatte, bevor er das Handy wegsteckte. Vielleicht wäre es klüger, Mutter und Tochter das klären zu lassen. Es war ihr Streit, und nicht der erste dieser Art. Doch hatte er das Bedürfnis, mit Sarada zu sprechen. Ihre Mundwinkel sanken herab, als sie ihren Vater entdeckte. Sie verschränkte die Arme und wandte sich ab. „Schon gut, ich komme …“ „Trink etwas.“ Sarada sah ihn misstrauisch an, nahm aber die Wasserflasche von ihrem Vater. In gierigen Schlucken leerte sie sie fast ganz, dann nahm sie das Sandwich, das er ihr hinhielt. Das Zirpen der Zikaden sowie das ferne Verkehrsrauschen füllten die Luft. Es roch nach Gras in der Sonne, mit dem ersten Hauch Herbst. „Als du noch klein warst, sind wir immer hierhergekommen“, sagte Sasuke, den Blick auf eine Baumreihe am Rand des Spielplatzes gerichtet. Inzwischen waren ein Klettergerüst und eine Schaukel aus dem Boden unter den Zweigen gewachsen, aber Sasuke deutete nach oben. „Siehst du den Rest der Seile? Das war eine Schaukel.“ Während sie seinem deutenden Finger folgte, holte er sein Portemonnaie hervor. Er zog das Bild von Sarada auf Sakuras Schultern hervor. Seine Tochter nahm es und strich über die kindlichen Rundungen ihres jüngeren Gesichts. „Das war hier.“ „Wir sehen glücklich aus“, sagte Sarada leise. Deshalb hatte er das Bild nie weggeschmissen. Er war niemand, der an alten Erinnerungsstücken hing. Aber das Foto stand für das Glück, das Sarada und Sakura verdient hatten. Das er ihnen vorenthalten hatte. Natürlich war das nichts, mit dem er seine Tochter belasten würde. Er blickte hinauf ins Laub, zwischen dem die Sonne golden hervorblitzte. „Als ich ein bisschen älter war als du, bin ich von zu Hause weggelaufen“, fing er nachdenklich an. Er spürte Saradas Blick auf sich und sein Mundwinkel zuckte. „Das hast du wohl von mir – obwohl ich mich mit deinem Großvater gestritten habe.“ „Mit Opa? Aber er ist so ruhig!“ „Wir sind beide älter geworden“, sagte Sasuke, obwohl das nur die halbe Wahrheit war. Er hatte einen Teil von sich verkauft, als er Sakura heiratete. Und sein Gewinn war Frieden mit seinen Eltern. „Ich war so sauer, dass ich Geld genommen habe und in die nächste Stadt gefahren bin. Ich hatte nicht vor, nochmal zurückzukommen. Und ich dachte, dass sie so glücklicher wären.“ Sarada beobachtete ihn misstrauisch und nahm schweigend einen weiteren Bissen. Sie wusste nicht, worauf er hinauswollte, außer, dass sie sich ähnlich waren. Das wusste sie schon, sagte ihr Blick. Der nächste Teil war nicht so leicht in kindgerechte Form zu bringen. Und wäre Sarada in Sasukes damaliger Situation gewesen, hätte er Kakashi ohne zu zögern erschossen. Bei sich warf er es dem älteren Mann nicht vor. Zum einen war er der Meinung, es aushalten zu können. Sasuke hatte die Kontrolle gehabt. Sasuke hatte es initiiert. Zum anderen hatte Kakashi ihn sicherlich für älter gehalten, als er war. Immerhin waren sie in einer Bar, und Sasuke hatte schon früh eine alte Seele gehabt. Natürlich änderte das nichts daran, dass er 17 und Kakashi Ende 20 gewesen war. „Ich… Habe einen Mann kennengelernt“, sagte er vage. „Und was …“, fing sie an, wurde dann aber rot, als sie verstand. „Oh. Ja.“ Sasuke nickte seinem klugen Mädchen zu. „Ich bin das ganze Wochenende bei ihm geblieben. Meine Eltern haben mich angerufen und sogar deinen Onkel dazu gebracht, sich bei mir zu melden – er studierte damals im Ausland. Aber ich wollte nichts von ihnen hören.“ Er dachte, er wüsste endlich, wieso er nie gut genug für sie war. Er dachte, dass sie recht gehabt hatten. Sie waren Uchiha, die verdienten nicht weniger als das Beste. Wenn er schon nicht extraordinär sein konnte wie Itachi, hätte er wenigstens normal sein sollen. Das hatten sie verdient. Ehrlich zu sein, ohne seine Traumata bei Sarada abzuladen, war gar nicht so leicht. Sasuke holte tief Luft, um fortzufahren. „Kakashi – der Mann – fand schließlich raus, dass ich weggelaufen war, und überredete mich, nach Hause zu gehen. Ich weiß wirklich nicht, wie er mich dazu gebracht hat, auf ihn zu hören. Ich war ein richtiger Dickschädel … Und ein Idiot“, fügte er hinzu und stimmte leise mit ein, als Sarada lachte. Mikoto war erleichtert, als er heimkam, Fugaku zeigte seine Wiedersehensfreude auf andere Weise. Aber Sasuke wollte die Beziehung von Großeltern und Enkelkind nicht belasten, nachdem sie sich gerade wiedergefunden hatten. „Deine Großeltern haben mich wieder aufgenommen, aber ich habe nicht mit ihnen darüber geredet, was passiert ist“, kam er langsam dem Punkt näher, den er mit dieser für ihn ungewöhnlich langen Geschichte erreichen wollte. Sarada schien noch nicht zu verstehen, hing aber an seinen Lippen zu jedem Wort über die Vergangenheit ihres Vaters. „Ich habe mich in meinem Zimmer eingesperrt und darüber nachgedacht, was ich tun sollte. Und ich entschied mich, deine Mutter zu heiraten.“ Saradas Faszination war von ihrem Gesicht gefallen. Sie starrte Sasuke ungläubig an. „Aber … Wieso?“, verstand sie nicht. „Weil ich normal sein wollte“, gestand er, müde vom vielen Reden. „Ich wollte so sein wie meine Eltern, damit wir uns endlich verstehen und aufhören konnten, zu streiten. Das haben wir. Aber wir haben auch aufgehört, wirklich miteinander zu reden, weil ich ihnen nie alles sagen konnte.“ Sarada schwieg lange, während sie die Information und die darunterliegende Botschaft verarbeitete. „Aber ich habe Mama doch gesagt, was ich denke“, sagte sie schließlich leise. „Du läufst weg, wenn sie nicht reagiert, wie du möchtest“, erklärte Sasuke mit einer Geduld, die ihn selbst überraschte. „Aber sie … Wir wollen nur das Beste für dich. Und das ist nicht immer das, was du möchtest. Wir müssen lernen, dir nach und nach mehr Entscheidungen zu überlassen. Das ist auch nicht so leicht. Aber im Moment musst du uns noch vertrauen.“ „Tue ich doch.“ Sie schürzte die Lippen auf eine Art, die Sasuke seltsam vertraut vorkam. „Aber manchmal ist sie so … Frustrierend!“ Sasuke lachte leise. Er hatte den Arm hinter Sarada auf die Lehne der Bank gelegt. Jetzt berührte er ihre Schulter. Zu seiner Überraschung lehnte sie sich an ihn und eine Wärme, die nichts mit der Spätsommerhitze zu tun hatte, durchflutete ihn. „Tut mir leid, Papa“, sagte sie nach einem Moment der Stille. „Du solltest darüber mit deiner Mutter reden.“ Es war ihr Streit, obwohl er das Gefühl hatte, den beiden vielleicht ein wenig geholfen zu haben. Es war ein neues Gefühl, das er erst verarbeiten musste. Sasuke stand auf und nickte seiner Tochter auffordernd zu. Gemeinsam schweigend verließen sie den Park in die Richtung, in der er sein Auto geparkt hatte. Erneut schrieb er Sakura, die ihn in der Zwischenzeit einige Male angerufen hatte. Er sagte ihr, sie solle den Jungs Bescheid sagen und ihn und Sarada in der Hotellobby treffen. „Menma und Boruto haben beide nach dir gesucht“, bemerkte er mit einem beiläufigen Blick auf das Mädchen. Sie wurde rot und schob ihre Brille hoch. Wegen wem von den beiden, konnte er nicht sagen. Er wusste nicht, ob er eine Vorliebe hatte, aber es ging ihn auch nichts an. Ihm kam der Gedanke, dass Naruto stolz auf ihn wäre. Im selben Moment zog ein schmerzhafter Stich von seiner Brust durch den ganzen Körper. Wie könnte er mit Naruto zusammen sein, wenn solche Vermutungen über ihn im Raum standen? Sakura war sauer und hatte Angst um ihre Tochter, als sie all das sagte. Sie mochte Naruto selbst, hatte sich schnell mit ihm angefreundet. Aber was, wenn sie in ihrer Eifersucht und Angst und Wut Recht gehabt hatte? Wenn Sasuke ihre Tochter in Gefahr gebracht hatte wegen eines hübschen Lächelns? „Papa …?“, fragte Sarada auf dem Weg zum Auto leise. Er brummte, um sie zum Sprechen aufzufordern, aber sie schwieg zunächst. Von sich selbst überrascht bemerkte Sasuke, dass er geduldig wartete, bis sie schließlich sagte: „Verlässt du ihn wirklich einfach so?“ Sasuke brauchte einen Moment, bis er verstand. Dann war sein erster Impuls, zu sagen, dass es sie nichts anging. Und dann dachte er darüber nach, wieso sein Kind solche Angst davor hatte, dass er jemanden zurücklassen könnte, davon dem sie wusste, dass er Sasuke viel bedeutete. Er schluckte den Stich runter, den ihm diese Erkenntnis versetzte, und legte die Hand auf ihren Kopf. „Das hängt davon ab, was die Polizei über ihn rausfindet, Sarada“, erklärte er sacht. Sie sah noch immer unglücklich aus, sodass er fortfuhr: „Ich kann dich und unsere Familie nicht in Gefahr bringen, indem ich mit bösen Leuten zusammen bin. Es ist meine erste Priorität, euch zu schützen, damit wir uns sehen können.“ Sie weitete die Augen, doch dann senkte sie den Blick und nickte. Schon wieder musste er so viel Verständnis von ihr erbitten. Im Stillen verfluchte er Naruto, für was auch immer er sich da wieder reinmanövriert hatte. Und er hoffte, es würde sich als Missverständnis herausstellen. Nicht nur um Saradas Willen. 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