Wechselherz von Fiamma ================================================================================ Kapitel 22: Kapitel 21 ---------------------- Panikartig rannte Mamoru durch den Park. Er hatte ein ganz ungutes Gefühl. Dass er sie nicht erreichen konnte, machte die ganze Sache nicht besser. Er hätte sie nie alleine loslaufen lassen dürfen. Sauer auf sich selbst, probierte er es erneut über den Kommunikator. Doch wieder nichts. „Usako?“, schrie er lautstark und lief einfach immer weiter. Die Blicke der Passanten waren ihm ziemlich egal. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Für ihn zählte nur, dass er sie schnell finden würde, bevor nachher noch ein Unglück geschah. „Verdammt, wo bist du nur?“, murmelte er leise, als er die Parkanlage beinahe wieder verlassen hatte. Er wollte gerade weiterlaufen, als es ihm plötzlich eiskalt den Rücken herunterlief. Das konnte nichts Gutes heißen. Schlagartig drehte er sich auf dem Absatz herum und rannte zurück. Er wusste nicht warum, aber seine Beine trugen ihn, ganz automatisch, zu einer großen Lichtung zurück. „Nein“, erstarrte er für einen winzigen Moment, bevor er sofort wieder seine Beine in die Hand nahm und so schnell er konnte, weiter rannte. Usagi war dabei einen jungen Mann würgend gegen einen Baumstamm zu drücken. „Lass ihn los“, brüllte er und stolperte dabei beinahe über einen Stein. Allerdings reagierte sie überhaupt nicht und machte gar keine Anstalten ihn loszulassen. „Nicht. Hör auf!“, schrie er erneut und hatte sie fast erreicht. In null Komma nichts hatte er die letzten Meter überwunden und versuchte sie von dem Mann wegzuziehen. „Hey, was soll das?“, schimpfte sie, drehte ihren Kopf zu ihm und funkelte ihn böse an. „Lass ihn los.“ Diese kleine Ablenkung nutzte der Mann, schlug Usagi mitten in den Bauch, wodurch sie ihn losließ und er keuchend am Baumstamm herunterrutschte. „Na toll. Nun ist er mir aus der Hand gerutscht.“ Sofort sah Mamoru zu dem Mann herunter und hielt Usagi fest. „Los. Lauf!“ Das ließ er sich wohl nicht zwei Mal sagen, stemmte sich auf seine Füße und eilte davon. Mamoru merkte, wie Usagi begann zu zittern und ihre Hände zu Fäusten ballte. „Kannst du mir mal erzählen, was das sollte?“, knurrte sie und begann ihn zu fixieren, „Jetzt ist er abgehauen, bevor ich ihm eine Lektion erteilen konnte.“ „Das bist nicht du. Komm zu dir. Du willst das doch gar nicht.“ „Der Typ hat es nicht anders verdient. Was bildest du dir ein?“ Wütend schlug sie seine Hände weg, doch auf der Stelle packte er sie an ihren Schultern und begann sie zu schütteln. „Bitte. Komm doch zu dir. Ich bin es doch.“ „Ja und? Wenn du nicht auf meiner Seite bist, kannst du verschwinden!“ Ruckartig hob sie ihre Arme und schlug ihn mit so einer Wucht von sich weg, dass er rücklings auf dem Boden landete. Das war kein normaler Schubs, schoss es ihm durch den Kopf. Sein gesamter Körper schmerzte, als hätte er einen schlimmen Stromschlag abbekommen. Sie hatte also wirklich irgendwelche dunklen Mächte, die sie auch benutzte. Er hatte es zwar schon geahnt, nachdem er die Akte gelesen hatte und wusste, wie die Opfer zugerichtet waren, hatte allerdings immer noch gehofft, dass er sich irren würde. Aber leider lag er damit richtig. „Jetzt erzähl ich dir mal was“, zischte sie mit einem Mal und schritt auf ihn zu. Langsam beugte sie sich zu ihm herunter, legte ihre Hand um seinen Hals und drückte zu. „Ich sag dir das nur noch ein Mal. Komme mir nie wieder in die Quere. Sonst …“ Lachend ließ sie ihn wieder los, richtete sich wieder auf und entfernte sich wieder einige Schritte. „U-usa … b-bitte …“, stammelte er, schnappte nach Luft und versuchte wieder aufzustehen. Seine Beine machten aber einfach nicht mit und zitternd rutschte er etwas vorwärts. Er konnte sehen, wie sie sich wieder herunterbeugte und nach einer Tasche griff. Sie hatte sie also gefunden. Doch plötzlich hielt sie in ihrer Bewegung inne und er konnte sehen, wie ihr Körper abermals zu zitternd begann. Ganz langsam sah sie über ihre Schulter zu ihm zurück. Dicke Tränen kullerten ihr die Wangen herunter und erleichtert pustete er aus. Sie war zurück. „Usako“, flüsterte er leise und allmählich bekam er die Kontrolle über seinen Körper zurück. Wankend stand er auf, lief torkelnd zu ihr herüber und zog sie in seine Arme. „Es … oh mein … nicht.“ Weinend versuchte sie ihn von sich wegzuschubsen, doch dieses Mal ließ er sie nicht los. „Tschh. Alles gut. Ich bin hier.“     Nachdenklich lehnte sie Usagi gegen die Balkonbrüstung und blickte in den wolkenbedeckten Himmel hinauf, der sich langsam durch die Abendsonne rot färbte. Stumm liefen ihr die Tränen das Gesicht herunter und immer wieder wischte sie mit dem Ärmel über ihre Wangen. Seit über einer Stunde war Mamoru nun schon fort. Sie alle trafen sich im Tempel und er wollte die anderen auf den aktuellen Stand bringen. Doch sie konnte einfach nicht mitgehen. Sie konnte ihren Freundinnen jetzt nicht in die Gesichter blicken. Sie wusste, sie musste sich dem stellen, aber nicht heute. Nicht jetzt. Sie hatte heute keine Kraft dazu. Also verschanzte sie sich lieber hier in Mamorus Wohnung. Seufzend blickte sie zurück, als erneut ihr Handy klingelte. In einer Tour versuchten ihre Eltern sie zu erreichen, was kein Wunder war. Sie sollte schon vor Stunden zu Hause sein. Wie sollte sie ihnen das nur erklären? Sie konnte nicht mehr in ihrer Nähe sein. Sie durfte ihre Eltern und Shingo nicht in Gefahr bringen. Sofort schossen ihr dabei auch wieder die Bilder in den Kopf, wie sie Mamoru gewürgt hatte und wimmernd schlang sie die Arme um den Körper. So etwas durfte nie wieder passieren. Aber wie konnte sie das verhindern? Schwer atmend ging sie wieder herein. Sie sollte sich etwas frisch machen. Mamoru war mit Sicherheit bald zurück. Ein Schritt nach dem anderen ging sie herüber zum Badezimmer und knurrend meldete sich auch ihr Magen zurück. Sie hatte schon eine Weile nichts gegessen, doch runter bekam sie einfach nichts. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Tief atmete sie noch mal ein, drückte die Klinke herunter und betrat das kleine Badezimmer. Immer noch liefen ihr die Tränen, sie konnte gar nichts dagegen machen. Gab es überhaupt noch Hoffnung für sie? Jetzt griff sie sogar schon Mamoru an. Wie weit sollte das alles noch gehen? Schluchzend stellte sie sich vor das Waschbecken, stützte sich mit ihren Händen am Beckenrand ab und hielt ihren Kopf gesenkt. Leise tropften die Tränen herunter und landeten auf dem weißen Porzellan. Seufzend drehte sie den Hahn auf. Sie musste sich langsam beruhigen. Sie musste eine Lösung finden und das ging nur mit einem klaren Kopf. Flink stellte sie das Wasser auf kalt, beugte ihren Kopf herunter und benetzte ihr Gesicht mit Wasser. Mit geschlossenen Augen griff sie nach einem Handtuch, richtete sich wieder auf und tupfte sich das Gesicht trocken. In einer Handbewegung hängte sie das Handtuch zurück und sah danach in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Sie sah in ein blasses Gesicht, das mit trüben Augen und tiefen Augenringen zurückblickte. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Struppig hingen ihre Haare an ihrem Körper herunter. Doch auf ein Mal erschrak sie. Ihr Spiegelbild begann plötzlich zu grinsen. Schlagartig riss sie die Augen auf und ging einen Schritt zurück. Sie grinste nicht. Warum grinste dann ihr Spiegelbild? „Wir sind eins … du und ich … “ „Nein!“, schrie sie ihrem Spiegelbild entgegen und schüttelte den Kopf. „Du willst es. Tief in deinem Herzen weißt du es …“ Ihr Spiegelbild begann noch breiter zu grinsen und deutete auf ihre Brust. Augenblicklich senkte sie ihren Blick, krallte ihre Finger in den Stoff ihres Shirts und merkte, wie ihr Herz bestätigend gegen ihren Brustkorb klopfe. „Wehr dich nicht länger. Es hat keinen Zweck.“ Wütend drückte sie ihre Hände auf ihre Ohren und schüttelte immer wieder den Kopf. „Wir sind nicht eins!“ „Dir gefällt dieses berauschende Gefühl von grenzenloser Macht. Ich weiß es, ich bin du. Es ist alles vorbereitet und der Aufstieg der Dunkelheit steht unmittelbar bevor.“ Mit geweiteten Augen ging sie wieder einen Schritt auf den Spiegel zu. Der Aufstieg der Dunkelheit? Das war der Plan? Doch mit einem hatte es recht. Wenn das Blut durch ihre Venen gepumpt wurde und der Zorn die Oberhand gewann, fühlte es sich so gut an. Dieses grenzenlose Gefühl von Macht, was sich ihrer bemächtigte, war unbeschreiblich. Das durfte einfach nicht sein. Es durfte nicht gewinnen. „Ich werde das niemals zu lassen!“ „Du hast es doch schon. Und es gefällt dir. Warum auch nicht? Wir sind eins und ich weiß, was uns gefällt.“ Trotzig stellte sie sich nun wieder dicht vor den Spiegel und fixierte ihr Spiegelbild. „Ich werde das nicht zulassen.“ „Es ist zu spät. Das weißt du selbst. Es hat längst begonnen.“ Laut lachte die Stimme in ihrem Kopf los und weinend schlug sie, ohne groß nachzudenken auf den Spiegel ein. „Das werde ich verhindern“, wimmerte sie und schlug immer wieder mit beiden Händen auf den Spiegel ein. Laut knackte das Spiegelglas und zerbrach in viele Stücke, wovon einige scheppernd auf dem Boden fielen. Doch sie hörte nicht auf. Den brennenden Schmerz auf ihren Handflächen ignorierte sie und riss mit ihren Fingern die restlichen Spiegelstücke von der Wand herunter. Dass sich dabei die Scherben tief in ihre Handflächen bohrten, war ihr ziemlich egal, und warf die Splitter schreiend auf den Boden. „Es ist zu spät.“ Wieder ertönte das schallende Gelächter in ihrem Kopf und mit tränen verschleiertem Gesicht griff sie wahllos nach Gegenständen auf dem Waschbecken und schmiss sie ebenfalls zu Boden. Laut klirrend zerschlug dabei ein Glas und vermischte sich mit den Spiegelscherben. „Dein Herz hat längst die Seite gewechselt. Du weißt es. Du musst es dir nur eingestehen.“ Es hatte recht. Sie hatte es doch längst zugelassen. Heute hatte sie sogar Mamoru angegriffen. Weinend drückte sie ihre blutverschmierten Hände auf ihre Ohren. „Hör auf. Bitte … hör auf.“ Wimmernd sackte sie auf dem Boden zusammen und landete mitten in dem Scherbenhaufen. Weinend rollte sie sich zusammen, blieb einfach auf den Splittern liegen und um sie herum verschwamm alles mehr und mehr, bis sie sich in völliger Dunkelheit befand.     Erschöpft drückte Mamoru auf den Knopf des Fahrstuhls und wartete, dass sie die Tür öffnen würde. Lange hatte er mit den anderen zusammengesessen, ihnen alles erzählt, was passiert war und was er wusste. Auch warum Usagi nicht mitkommen wollte. Sie waren natürlich genauso geschockt, wie er selbst gewesen. Sie mussten sich wirklich beeilen. Auch wenn er es Usagi nicht sagte, er wusste selbst, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb, bis … Das Knarzen der Aufzugtür riss ihn wieder aus seinen Gedanken und sofort sah er auf. Geschwind betrat er mit einer kleinen Tüte die Kabine, drückte auf sein Stockwerk und langsam verschlossen sich wieder die Türen. Er hatte extra noch mal beim Supermarkt gehalten, damit er etwas fürs Abendessen besorgen konnte. Sie musste dringend etwas essen, auch wenn sie nicht wollte. Immerhin war die Frage geklärt, wie sie es ihrer Familie verklickern konnten, dass sie nun bei ihm wohnen würde. Luna war gerade auf den Weg mit Setsuna zu ihr nach Hause und würde die Gedanken ihrer Familie manipulieren. Sie taten es nicht gerne, aber sie hatten keine andere Möglichkeit. Nachdem sie etwas gegessen hatte, würde er Usagi dann schnell nach Hause fahren, damit sie ihre Sachen packen konnte. Hoffentlich hatte sich bis dahin auch einer der anderen gemeldet, was mit Takuya und Yukiko passiert war. Sie hatten bisher keinen Anhaltspunkt, ob sie nachher auch … Laut piepte es und erneut öffnete sich die Fahrstuhltür. Seufzend verließ er wieder den Aufzug. Was konnten sie nur machen? Selbst Setsuna konnte nichts sagen, die Zukunft hüllte sich in Dunkelheit. Hoffend, dass die Reise zum Mond etwas herausbringen würde, überwand er die wenigen Meter zu seiner Haustür. Flink schloss er auf und betrat die Wohnung. „Bin wieder da“, rief er hinein, schlüpfte aus seinen Schuhen und lief durch den Flur. Doch es kam keine Antwort. „Usako?“ Verwundert betrat er das Wohnzimmer. Wo war sie? Mit gerunzelter Stirn stellte er die Tüte auf den Tisch und sah, dass die Balkontür offen stand. War sie etwa draußen? Schnellen Schrittes eilte er herüber und blickte hinaus. Aber hier war sie auch nicht. Hatte sie sich vielleicht noch mal hingelegt? Rasch ging er weiter zum Schlafzimmer und öffnete leise einen kleinen Spalt die Tür. Wenn sie schlief, wollte er sie auf keinen Fall wecken. Vorsichtig streckte er seinen Kopf hindurch und öffnete dann ganz die Tür. Hier war sie auch nicht. Wo konnte sie nur stecken? Die Wohnung verlassen haben, konnte sie eigentlich nicht. Ihre Schuhe standen noch im Schuhregal. Das hatte er gesehen. Schnellen Schrittes verließ er wieder das Zimmer. „Usagi?“ Doch es kam keine Antwort. Langsam aber sicher machte er sich ziemliche Sorgen. Wo steckte sie? Und dann entdeckte er, dass die Tür zum Badezimmer etwas offenstand. Rasch lief er herüber und klopfte gegen die Tür. „Usagi? Bist du hier?“ Doch wieder keine Antwort. Sachte schob er die Tür etwas auf und bekam augenblicklich große Augen, als er zwei Füße entdeckte. Mit einem Ruck schubste er die Tür komplett auf und für einen kurzen Moment setzte sein Herz aus, als er sie regungslos, zwischen lauter Scherben, auf dem Boden liegen sah und das Blut an ihren Händen entdeckte. „Usa!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)