Yajuu 3 von Avyr (-battles against insanity-) ================================================================================ Kapitel 20: Eine letzte Warnung ------------------------------- Luca ging es, milde gesagt, furchtbar. Kei hatte ihn furchtbar zugerichtet und auch wenn Luca dieses Mal selbst die Kontrolle über sich zurückerlangen konnte, war er gerade mehr als ausgebrannt. Zwar waren alle Wunden mittlerweile verheilt, doch fit war Luca noch lange nicht. Nun saß er einsam und verlassen in seinem Hauptquartier. Shirai und ihr Bruder waren auf die Krankenstation gebracht worden, nachdem Kei sie mit nur einem Schlag gekonnt außer Gefecht gesetzt hatte. Bisher waren beide noch immer nicht wieder bei Bewusstsein. Die Nachricht von Keis Betrug hatte sich wie ein Lauffeuer im Lager verbreitet und obwohl sofort duzende von Yajuu die Verfolgung aufgenommen hatten, war noch immer keine Nachricht gekommen, dass man Kei gefunden hatte. Obwohl Luca wusste, dass er ihn tödlich getroffen hatte, zweifelte er daran, dass er ihn auch getötet hatte. Er konnte sich das Gefühl nicht erklären, aber dennoch war er sich sicher, dass Kei es irgendwie geschafft hatte, sein Gift zu überlisten. Wie im Dämmerzustand ließ Luca also die Nacht an sich vorbeiziehen. Er duldete keinen Besuch und in diesem Zustand wagte es auch niemand, ihn zu stören. Irgendwann war Luca eingeschlafen. Seine Träume waren wie immer dieses wirre durcheinander aus Gedanken, Erinnerungen und schlichtweg Kauderwelsch. Schließlich fand er sich jedoch in einem Raum wieder, den er nicht kannte. Es handelte sich um einen kleinen Raum von vielleicht 5x5 Metern Größe. Außer einem Stuhl und einer Couch waren keine Gegenstände zu sehen. Die Wände waren kahl und strahlten eine unwillkommene Stimmung aus, die Luca wünschen ließ, von hier zu verschwinden. Plötzlich hörte er eine Stimme. „Oha, Besuch.“ Vorsichtig blickte sich Luca um und erkannte, dass auf der Couch jemand saß. Warum er die Person vorher nicht bemerkt hatte, war ihm ein Rätsel. Er näherte sich vorsichtig und sah… sich. Um genau zu sein, sein etwa 13 Jahre altes Ich. Perplex starrte Luca sein anderes Ich an und sagte nichts. „Was ist? Willst du hier Wurzeln schlagen? Setz dich doch.“, ertönte es nun und der Junge zeigte auf den Stuhl. Etwas widerwillig folgte Luca der Aufforderung und setzte sich. „Wer bist du?“, fragte Luca schließlich mit seiner üblichen kühlen Miene. „Wer ich bin? Ist das nicht eine unnütze Frage? Immerhin weißt du die Antwort doch bereits.“, gab sein Gegenüber belustigt zurück und lehnte sich zurück. „Sollte die wichtigere Frage nicht sein: Was mache ich hier?“ Ein kurzer Blickwechsel fand stand. Lucas junges Ich wirkte gewieft und das missfiel ihm sehr. „Gut, dann klär mich auf.“, brummte er schließlich. „Oh man… warum bist du immer so schlecht gelaunt? Ist ja wie eine Seuche mit dir. Wann hattest du das letzte Mal eigentlich gute Laune?“ Der Junge verdrehte genervt die Augen und starrte einen Moment ins Nichts. „Was geht es dich an? Ich bin oft glücklich.“, konterte Luca. Irgendwie brachte er sich selbst auf die Palme. Ging das überhaupt? „Schon klar.“, seufzte der Junge wieder und richtete den Blick zurück auf Luca, „Aber gut. Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Was mache ich hier? Nun, wir haben dich eingeladen, weil wir mit dir reden wollten.“ „Wir?“ Luca hob fragend eine Augenbraue, sah er doch nur den Jungen und sonst niemanden. „Ja, wir.“ „Ich sehe aber niemanden außer dir.“, meinte Luca genervt und schaute sich erneut um, nur um sicher zu gehen, dass er nichts übersah. „Wie du meinst. Dann halt nur ich.“, kam es gelangweilt zurück. „Ich bin hier, um dich zu warnen.“ „Und wovor?“ Langsam ging Luca die Geduld für diesen merkwürdigen Traum aus. Was sollte der Blödsinn? „Davor.“ Nun schnipste der Junge mit den Fingern und die Wände des Raumes kippten weg, als wären sie ein Kartenhaus. Dahinter kam eine abartige Welt zum Vorschein, die Luca kaum beschreiben konnte. Alles wirkte finster, wie giftiger, schwarzer Nebel, der die ganze Zeit umherwirbelte, den Raum jedoch nicht traf. Manchmal konnte Luca in dem Nebel einzige Schatten erkennen oder Silhouetten, konnte jedoch nichts davon scharf sehen. „Willkommen in deiner Welt. Oder in unserer Seele, wie du es zu nennen wünschst.“, verkündete der Junge nun und ließ den Blick nicht von Luca ab, während der weiterhin versuchte, im Nebel etwas zu erkennen. „Meine… Seele?“, fragte dieser ungläubig. „Ganz genau. Vielleicht fällt dir ja auf, dass es hier etwas… düster aussieht. Um genau zu sein befinden wir uns im letzten Ort deiner Seele, die noch nicht von den Schatten verschlungen wurde, wenngleich dies natürlich auch nur eine Frage der Zeit ist.“ „Ich verstehe nicht…“ Luca blickte sich unsicher um. Sollte das wirklich seine Seele sein? „Zugegeben, das hier war noch nie ein besonders schöner Ort, aber immerhin hatten wir unseren Verstand noch für uns. Aber das geschieht mit dir, seit du diesen Vertrag mit dieser Hexe abgeschlossen hast. Ihre Magie zerfrisst diesen Ort. Sie verschlingt deine Erinnerungen und deinen Verstand. Ich meine, im Prinzip macht es ja genau das, was du dir immer gewünscht hast. Joker befreit dich von allen negativen Erinnerungen, von allem, was dir je Unglück bereitet hat. Aber hey, übrig bleibt aber auch nichts Gutes. Nur Elend und Hass, Gier und Neid. Bist du überhaupt noch dazu fähig, etwas Positives zu fühlen?“ Nun schwieg der Junge für einen Moment und ließ die Szenerie auf sein anderes Ich wirken. „Aber ich bin nicht hier, um dich zu bekehren, um ehrlich zu sein.“, erklärte er nun und Luca horchte auf. „Tatsächlich bin ich nur gekommen, um mich zu verabschieden.“ „Verabschieden?“, fragte Luca ungläubig. „Jup, meine Zeit neigt sich dem Ende entgegen. Du kannst dir vielleicht denken, dass ich alles bin, was noch von deinem wahren Ich übrig ist. Ich bin der letzte Rest von dem „Luca“, der früher diesen Körper geführt hat. Ich bin die Menschlichkeit, die du so sehr hasst. Acht Jahre habe ich versucht zu kämpfen, aber da du dein Bestes tust, mich zu zerstören, geht mir nun die Kraft aus. Herzlichen Glückwunsch also. Du hast dein Ziel fast erreicht.“ Erst jetzt fiel Luca auf, dass der Junge furchtbar blass wirkte. Tatsächlich schien er irgendwie durchsichtig, als könnte er jeden Moment verschwinden und das machte ihm plötzlich Angst. „Warte und was wird dann aus mir?“, fragte Luca nun beunruhigt, während er weiterhin auf den dicken Nebel starrte, der alles zu verschlingen drohte. „Was fragst du mich das?“, lachte der Junge finster, „Du hast doch diesen Weg gewählt. Es ist doch genau das, was du wolltest. Also was fürchtest du dich jetzt? Wenn du mich fragst, sind Verzweiflung, Hass und Jähzorn nicht die besten Begleiter, aber du scheinst dich ja bereits prächtig an sie gewöhnt zu haben.“ Wieder schwiegen sich beide an. Luca war sprachlos. Langsam wusste er nicht mehr, ob das wirklich nur ein Traum war oder ob das wirklich geschah. „Nun denn.“, meinte der Junge nun und sprang von der Couch auf. Er streckte kurz seine Glieder dann ging er zur Tür hinüber, die nach dem Fall der Wände als einziges noch stehen geblieben war. Mit einer Hand auf der Klinke hielt der Junge noch einmal inne und meinte: „Eine Sache noch zum Schluss. Ich verabscheue dich nicht. Es ist nicht so, dass ich deine Entscheidung nicht nachvollziehen könnte, immerhin bin ich du. Auch ich habe falsche Entscheidungen getroffen, als ich noch Herr im Hause war. Dennoch bin ich etwas enttäuscht, denn aus mir ist dank dir, wirklich ein Feigling geworden. Ich habe mich eigentlich als Kämpfer gesehen. Wann immer man mich zu Boden warf, bin ich wieder aufgestanden und habe weitergekämpft und das aus eigener Kraft. Dass du dich nun auf diese falsche Macht dieser Hexe verlässt und damit offensichtlich den leichtesten Weg wählst, finde ich schade. Jedoch was das angeht, musst du dich vor mir nicht rechtfertigen. Da gibt es jemand anderen, den das durchaus mehr stört.“ Luca wollte gerade fragen, was das zu bedeuten hatte, als der Junge mit Schwung die Tür öffnete. Ein letztes Mal drehte er sich zu Luca um, sagte jedoch nichts, als er hinaus in den Nebel trat. Fassungslos starrte Luca ihm nach. Er wollte etwas tun oder sagen, aber er war wie gelähmt. Die Tür fiel ins Schloss zurück, doch da keine Wände mehr da waren, konnte Luca gut erkennen, wie der Junge unbeirrt weiter in den Nebel hineinging, immer blasser wurde und letztlich verschwand. „Weg ist er.“, raunte es nun und Luca zuckte zusammen. Er hatte gedacht, jetzt allein zu sein, doch das war ein Trugschluss. Blitzschnell fuhr er herum, nur um dort, wo eben noch die Couch gestanden hatte, in das Antlitz der Chimäre zu starren. Mit ihren eisigen Augen durchbohrte sie Luca regelrecht. „Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass sich der Rest deines alten Ichs gerade verabschiedet hat, besser gesagt, aufgegeben hat?“, fragte die Chimäre nun mit ihrer dunklen Stimme. Sie wirkte ruhig und doch hörte Luca den unterschwelligen Zorn in ihrer Stimme. „Du kannst reden?“, war das erste, was Luca durch den Kopf schoss. „Natürlich.“ Obwohl die Chimäre saß, überragte sie ihn ein Stück. „Er meinte doch, WIR müssen reden. Er hat gesagt, was er zu sagen hatte und ist jetzt fort. Jetzt bin ich dran.“ Luca seufzte und ließ sich auf den Stuhl zurückfallen, von dem er aufgesprungen war, als sein anderes Ich zur Tür gegangen war. „Also gut… Ich höre.“, meinte Luca nun missmutig. Schlimmer konnte es ja kaum werden. „Verabschiedest du dich jetzt auch noch?“ „Keineswegs.“, meinte die Chimäre kühl, „Zumindest noch nicht.“ „Noch nicht?“ „Ich, im Gegensatz zu deiner besseren Hälfte, habe noch nicht aufgegeben. Solange dieser Raum nicht zusammenbricht, werde ich weiterexistieren.“ „Ok toll.“, brummte Luca nun zynisch, „Und was willst du dann bequatschen?“ „Ich habe eine Warnung an dich. Wie der Junge schon meinte, sehe ich die Macht die du benutzt, nicht so locker. Um genau zu sein, hasse ich es. Diese Hexe hat es gewagt, mich zu benutzen. Sie hat mir meine Macht geklaut, sie manipuliert und damit geschändet.“ „Wie meinst du das?“, fragte Luca verwirrt, „Ich dachte, es ist eh meine Macht, weil ich zur Chimäre geworden bin oder nicht?“ „Nicht ganz.“, knurrte die Chimäre, „Ich bin genauso Teil deiner ursprünglichen Seele, wie der Junge es gewesen ist. Wir haben zusammen gearbeitet, harmoniert, doch die Hexe hat alles zerstört. Jetzt benutzt du zwar noch meine Macht, aber du bist nicht mehr Ich. Lass es mich so formulieren, dass du es verstehst. Für mich bist du ein Parasit. Dank dir, habe ich fast keine Macht mehr, sie hat mir alles geklaut um dich zu erschaffen. Du bist nicht mehr, als die Schattenseiten von beiden Teilen deiner eigentlichen Seele. Wärst du geduldig gewesen, hättest du schon früh genug gemerkt, dass ich mehr als nur eine Affinität habe, aber da du ja die Hexe geholt hast, hat sie alles beschleunigt. Jetzt ist es kein Wunder, dass du deine Macht kaum im Griff hast, dass du ständig die Kontrolle verlierst, wenn du länger kämpfst und dass du niemals satt wirst, wenn du jagen gehst. Das liegt alles daran, dass ich kein Teil mehr von dir bin.“ Verächtlich schnaufte die Chimäre nun und sie peitschte mit dem Schwanz auf den Boden. „Heißt das also.“, meinte Luca perplex, „Dass ich was bin? Eine falsche Seele oder was?“ „Falsch.“, korrigierte mich die Chimäre, „Du bist weder der Junge noch Ich. Du bist auch keine falsche Seele. Du bist einfach nur das, was übrig bleibt, wenn man alles Gute einer Seele zerstört. Du bist der schmierige, finstere Rest, der zwar zu uns gehört, aber niemals ein Anrecht hatte, zu Wort zu kommen. Die Hexe hat das geändert. Ich hoffe du fühlst dich jetzt gut. Wobei ups, das geht ja gar nicht. Denn alles Gute ist mit dem Jungen gerade verschlungen worden.“ Langsam wurde Luca sauer. Was erlaubte sich die Chimäre da eigentlich? Sie beleidigte ihn in einer Tour. Im Prinzip bezeichnete sie ihn als Parasiten und als Dreck, was ihm so gar nicht passte. „Sei still!“, herrschte Luca die Chimäre nun an, „Du kannst mir hier gar nichts sagen, kapiert?“ Daraufhin schnaufte die Chimäre verächtlich und fletschte die Zähne. „Schweig, Parasit! Noch hast du die Chance, alles wieder gerade zu biegen. Solange ich noch existiere, ist auch der Junge nicht völlig verschwunden, denn unser beider Schicksale sind miteinander verknüpft, seit Seraphis mich zu einem Teil von dir machte. Doch sei gewarnt, auch meine Geduld verlässt mich, zusammen mit meiner verbliebenen Kraft, die die Hexe mir nicht stehlen konnte. Vor dir liegt ein bodenloser Abgrund, wenn du deinen Weg weiterbeschreitest. Noch hast du die Wahl ob du hinein springst oder nicht. Du magst es nicht wahrhaben wollen, aber du wirst kein Glück in diesem Abgrund finden. Das weißt du auch irgendwo, ganz tief in dir drinnen, doch leugnest es.“ „Was weißt du schon?“, zischte Luca genervt von dieser Moralpredigt. „Dummer Mensch.“, knurrte die Chimäre stattdessen. Es missfiel Luca sehr, so genannt zu werden, doch bevor er etwas dazu sagen konnte, spürte er einen merkwürdigen Zug an sich. „Verschwinde nun von hier. Ich habe keine Lust mehr, länger mit dir zu reden.“ Im selben Moment wurde Luca regelrecht davongerissen. Er hatte keine Chance sich dagegen zu wehren, konnte nicht protestieren. Er sah noch, wie die Chimäre den Blick von ihm abwandte, dann war er nur noch von Dunkelheit umgeben. Luca schreckte hoch. Sein Puls schlug verdammt schnell und er atmete heftig. Der Traum hatte ihn mehr mitgenommen, als er sich eingestehen wollte. Mit einer Hand fasste er sich an die Stirn und versuchte sich zu beruhigen, während kalter Schweiß sein Gesicht herabtropfte. Nur ein Traum, nur ein Traum, redete er sich innerlich ein. Als ob seine Seele wirklich so ein Chaos sein konnte. So ein Blödsinn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)