Kingdom Hearts - War of Light and Darkness von abgemeldet (Secret Section) ================================================================================ Kapitel 30: Viele Fragen ------------------------ Da er es in seiner Wohnung nicht mehr aushielt, entschloss er sich einen Spaziergang zu machen. Lustlos schlenderte er durch die Straßen, besah sich die Schaufenster und war in Gedanken doch immer woanders. Sein Traum ließ ihn einfach nicht mehr los. Angst durchfuhr ihn jedes Mal aufs Neue, wenn er sich erinnerte, wie Ami von der Finsternis regelrecht verschlungen wurde. Was hatte dieser Traum nur zu bedeuten? Sollte er ihm überhaupt Bedeutung beimessen? Oder war es letztlich nur das was es ja eigentlich auch war...ein Traum. Mit wirren Gedanken setzte Terra einen Schritt vor den anderen. Jedoch achtete er gar nicht darauf wohin ihn seine Füße eigentlich trugen. Irgendwann hob Terra den Blick. Suchend sah er sich um. Wo war er denn jetzt gelandet? Definitiv nicht in einer Gegend die ihm bekannt vorkam. Eine Wiesenfläche, durchbrochen von einer Baumallee umgab ihn. Am Ende der Allee befand sich ein großer Turm, erbaut aus mehreren, orangen und auch weiß gestreiften Stahlträgern. Jeder in Tokio kannte diesen Turm, es handelte sich um den Tokio-Tower, eines der Wahrzeichen der Stadt. Genutzt wurde es zur Ausstrahlung von Fernseh- und Radioprogrammen. Terra hatte ihn bisher immer nur aus der Ferne gesehen und wusste nicht worum es sich bei diesem Bauwerk handelte. Langsam sah er zu der Spitze hinauf. Dort oben schienen Menschen zu sein, er konnte sie als winzige Pünktchen ausmachen. „Beeindruckend nicht wahr?“, fragte eine weibliche Stimme hinter ihm. Erschrocken fuhr Terra herum. „Rei!“ Lächelnd stand sie hinter ihm, in einer Hand eine Plastiktüte. Ihre Hände waren von schneeweißen Verbänden bedeckt, wegen der Verletzungen, die sich zugezogen hatte, als sie halb wahnsinnig auf den Sailor - Schild eingeschlagen hatte.„Hallo.“ Sie kam ein Stück näher und stand nun unmittelbar vor ihm. „Überrascht?“ Terra nickte. „Ja in der Tat. Verzeih meine Reaktion. Ich hatte dich nur nicht kommen hören.“ Rei sah ihn prüfend an. „Warst wohl in Gedanken?“ Seufzend stimmte Terra ihr zu. „Kann man wohl sagen.“ Für einen kurzen Augenblick wurden seine Augen leer, als wenn seine Gedanken wieder in die Ferne schweifen würden. Doch so schnell wie der Moment kam, ging er auch wieder und er richtete seinen Blick wieder auf Rei. „Wie geht es dir? Konntest du dich schon einigermaßen erholen?“ „Ja, ein wenig zumindest. Es wird wohl noch ein paar Tage dauern. Aber das wird schon.“ Rei verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken und tippte mit einer Fußspitze auf den Boden. „Weißt du ich wollte dir noch einmal danken Terra. Du hast wirklich viel für uns...für mich getan.“ „Gern geschehen. Ihr würdet dasselbe wahrscheinlich auch für mich tun. Auch wenn wir uns noch nicht sehr lange kennen...wir sind Freunde...oder?“ Ein breites Lächeln erhellte Reis Gesicht. „Na klar.“ Terra lächelte zurück. „Danke übrigens für das Foto. Aber warum jetzt?“ Nervös sah Rei an ihm vorbei. „Naja...ich dachte es würde euch daran erinnern...wie schön ihr beide es hattet...zu zweit...und wie glücklich ihr dabei ausgesehen habt. Ich dachte vielleicht hilft es euch wieder zueinander zu finden.“ Terra stutzte und sah sie scharf an. „Euch daran erinnern? Hast du Ami auch ein Foto zukommen lassen?“ Ihr Gesicht lief puterrot an. „Also....ähm....“ „Du hast es Bunny, Mamoru und ChibiUsa mitgegeben oder? Unter anderem deswegen sind sie zu Ami gegangen nachdem sie mich besucht hatten.“ Eine Bestätigung war nicht nötig, ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. „Du hast es getan.“ „Tut mir Leid.“ Terra schüttelte den Kopf. „Das muss es nicht. Ich sollte dir sogar dankbar sein. Womöglich könnte uns das wirklich helfen.“ Dann drehte er sich um und suchte nach einer Möglichkeit das Thema zu wechseln. Sein Blick fiel wieder auf den Turm. „Kannst du mir sagen, was das für ein Turm ist?“ Rei sah ihn sichtlich überrascht an. Seine Frage hatte die gewünschte Wirkung nicht verfehlt. „Weißt du das nicht?“ „Würde ich sonst fragen?“ „Touché.“, lachte Rei und erklärte ihm worum es sich bei diesem Stahlkoloss handelte. Sie deutete auf die Spitze des Turmes. „Dort oben befindet sich eine Aussichtsplattform. Von dort hat man einen phantastischen Blick auf die Stadt. Wollen wir hinauf gehen?“, fragte sie. „Gerne.“ Gemeinsam gingen sie gemächlich los. „Was machst du eigentlich hier?“, fragte Terra plötzlich Schulterzuckend hob Rei kurz ihre Tüte an. „Ein paar Materialien besorgen.“, erklärte sie. „Unsere Glücksbringer gehen allmählich aus, wir müssen neue fertigen.“ „Du meinst die Glücksbringer die ihr in eurem Tempel verkauft? Für Beruf, Freundschaft, Liebe und alles wofür man sonst noch die Unterstützung der Götter haben möchte?“ Bestätigend nickte sie. „Genau die. Wir stellen sie selbst her. Es ist zwar eine ganz schöne Arbeit so etwas zu flechten, aber es macht Spaß und die Menschen freuen sich darüber.“ „Das kann ich mir vorstellen. Glücksbringer sind ja sehr beliebt und manchmal helfen sie einem sogar. Vielleicht sollte ich mir auch einmal einen kaufen.“ Rei kramte auf einmal hektisch in ihrer Tüte herum. „Hier.“, sagte sie plötzlich und reichte ihm ein bereits fertig gestelltes Band. Terra nahm es entgegen und betrachtete es neugierig. So wie es da so in seiner Hand lag, wirkte es von Form und Farbe her wie ein länglicher, blauer Kristall. Rei hatte es mit einem kompliziert aussehenden Muster geflochten, es war fast unmöglich festzustellen wo welcher Faden verlief. Mal gingen sie untereinander, dann seitwärts, dann wieder untereinander und kreuz und quer. Auf der Hälfte des Bandes prangte eine kleine Holzscheibe auf der ein noch kleineres Symbol zu sehen war. Ein Kanji, dessen Bedeutung er nicht kannte. „Wofür ist dieses Band?“, fragte Terra und hielt es ihr entgegen. Rei nahm es ihm ab, packte es jedoch nicht wieder ein sondern griff mit der anderen Hand nach seinem rechten Handgelenk und zwang ihn damit ebenfalls stehen zu bleiben. „Es ist ein Wunschband. Nicht für einen kategorisch festgelegten Wunsch wie zum Beispiel unsere Freundschaftsbänder, sondern für deinen selbst gewählten Wunsch.“, erklärte sie und nestelte an dem Band herum. „Das kann alles Mögliche sein. Sei es eine gute Note in einer Klausur oder Glück bei einem Wettbewerb, alles was du willst. Man wickelt es um sein Handgelenk und wenn es irgendwann zerreißt, weiß man das der Wunsch in Erfüllung gehen wird.“ Zufrieden betrachtete sie noch einmal den Knoten und ging dann wieder einen Schritt zurück. „Ich schenke es dir. Sieh es als ein kleines Dankeschön an.“ Lächelnd nickte Terra. „Vielen Dank.“ „Jetzt musst du dir etwas wünschen. Im Geiste, sprich den Wunsch nicht aus.“ Terra schloss die Augen und überlegte einen Moment. Was sollte er sich wünschen? Zugegeben fiel ihm im ersten Moment nichts Sinnvolles ein…dann schweiften seine Gedanken zu dem Wunschband und seiner blauen Farbe…blau…wie die Farbe von Amis Haaren…Ami… Still für sich äußerte er dem Band seinen Wunsch. Zwar kam er sich dabei ein wenig albern vor, aber was machte das schon. Es hörte ja niemand. Terra öffnete wieder die Augen und atmete einmal tief durch. „Fertig?“, fragte Rei ihn. In ihren Augen konnte er Neugierde lesen, doch sie fragte nicht um den Sinn des Bandes nicht zu zerstören. „Ja. Wollen wir weiter?“ Sie nickte und ging voran. „Du hast ihn also angenommen. Das freut mich.“, sagte sie plötzlich. „Wen?“ „Den Pager.“ Terra hob die Hand und betrachtete die Uhr. „Oh ja. Habe ich. Er wird sich bestimmt als nützlich erweisen.“ Eine Weile lang redeten sie über Belanglosigkeiten wie die Schule und die Arbeit und das sie es kaum erwarten konnten, das bald Ferien waren. Als sie dann den Tower erreichten, verfielen sie in Schweigen, solange wie das Rumpeln des Aufzuges anhielt. Nach einer Weile öffneten sich die Türen und gleißender Sonnenschein verbunden mit kaltem Wind schlug ihnen entgegen. Dafür war die Aussicht atemberaubend. Zwar war der Tokio Tower nicht das größte Gebäude in Japan, aber es war dennoch so groß, dass sie fast die ganze Stadt überblicken konnten. Tokio erstrahlte im Licht der Sonne. Ihr Schein spiegelte sich vereinzelt in Fenstern wieder, sodass es aussah, als wäre die Stadt mit mehreren leuchtenden Kristallen durchzogen. Terra konnte sogar einen Park sehen, in dessen Mitte ein blauer See das Licht der Sonne reflektierte. War es vielleicht der Park, in dem er Bunny und ChibiUsa zum ersten Mal kennen gelernt hatte? „Wunderschön oder?“, fragte Rei ehrfürchtig. Für sie war es kein unbekannter Anblick, sie hatte diese Aussicht schon ein paar Mal genossen. Doch er verschlug ihr jedes Mal aufs Neue die Sprache. Terra nickte. „Ja. Tokio ist wirklich eine schöne Stadt. Schade, dass sie ständig durch die Dunkelheit bedroht wird.“ Eine Weile schwiegen sie. Plötzlich sagte Rei: „Weißt du…ich habe noch einmal über diese Herzlosen nachgedacht.“ Sie druckste ein bisschen herum und überlegte wie sie das, was sie beschäftigte ausdrückte, ohne dass er es falsch verstand. „Und worüber hast du nachgedacht?“, versuchte Terra ihr zu helfen. Aufmerksam sah er sie an. „Naja…diese Herzlosen sind hier vorher noch nie aufgetaucht. Erst seitdem du…“, verunsichert brach sie den Satz ab. „Erst seitdem ich in diese Welt gekommen bin? Ist es das was du sagen willst?“ Zögernd nickte Rei. Terra dachte einen Moment nach. „Normalerweise sind die Herzlosen allgegenwärtig. Es gibt praktisch keine Welt, die sie nicht versuchen zu unterwerfen und zu verschlingen. Wenn es wirklich so ist wie du sagst, sollten wir versuchen herauszufinden, warum sie jetzt erst aktiv geworden sind.“, erklärte er nachdenklich. „Entschuldige Terra, ich hoffe ich habe dich nicht beleidigt. Es ist nur…naja seltsam…das du und die Herzlosen gleichzeitig in diese Welt kommen.“ Terra legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Schon in Ordnung ich verstehe das.“, sagte er und nahm die Hand wieder zurück. „Allerdings glaube ich nicht, dass es was mit meinem Erscheinen zu tun hat. Diese Welt war gar nicht mein Ziel. Der Weltentunnel hat mich hier einfach herausgeschleudert, auf das Ziel der Reise hatte ich keinerlei Einfluss. Vielleicht hat das Schicksal mich hierher gebracht. Weil die Invasion der Herzlosen hier seinen Anfang nahm. Wer weiß…“ Mit seinen Fingern spielte er mit dem Anhänger seiner Kette herum. Dies war ihm inzwischen zu einer Art Reflex geworden. Er tat es immer wenn ihn etwas beschäftigte. „Jetzt wo ich so darüber nachdenke, gibt es noch ein paar Dinge die seltsam sind.“, murmelte er. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. „Welche denn?“, fragte Rei. „Herzlose tauchen in der Regel in großer Anzahl auf. Und sie scheinen sich wie die Pest zu vermehren, wenn sie erstmal eine viel versprechende Welt gefunden haben. Das wir in der ganzen Zeit so wenige Herzlosen gesehen haben ist…ungewöhnlich.“ „Also ehrlich gesagt kann ich mich nicht darüber beklagen. Die beiden letzten waren für mich schon schlimm genug.“, meinte Rei. Doch Terras Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er ganz anderer Meinung war. „Oder nicht?“, fragte sie verunsichert nach. „Ich weiss nicht. Die einzige Erklärung die mir einfällt ist, dass jemand sie kontrolliert und zurück hält um sie gezielt einzusetzen. Hoffentlich irre ich mich. Jemand der mächtig genug ist, um Herzlose zu kontrollieren, kann unvorstellbares Chaos anrichten. Da sind mir die unkontrollierten Herzlosen ehrlich gesagt lieber. Unkontrolliert folgen die meisten von ihnen keiner logischen Denkweise und sind leichter zu besiegen. Wenn man die Herzlosen jedoch kontrolliert und strategisch einsetzen würde...werden sie noch gefährlicher als sie es eh schon sind. Das andere was mich beunruhigt ist die Tatsache, dass ich hier noch niemanden von der Organisation begegnet bin. Sonst kann ich mich vor ihnen gar nicht retten. Ständig haben sie mich angegriffen. Aber hier…Mal angenommen jemand hält die Herzlosen zurück, dann könnte es durchaus jemand von der Organisation sein. Bisher waren sie als einzige dazu in der Lage. Dann wiederum stellst sich mir die Frage: Warum hat die Organisation noch nicht gehandelt? Warum bleibt sie in verborgenen?“ Seufzend ließ Terra die Kette wieder los. „So viele Fragen, doch so wenige Antworten.“ Nachdenklich sah Rei ihn an. „Weißt du…ich könnte versuchen die Flammen zu befragen.“ „Die Flammen zu befragen? Wie meinst du das?“, fragte Terra verwundert. Rei erklärte es ihm. „Es ist eine besondere Art der Meditation, bei der es mir manchmal möglich ist in den Flammen des Feuers das Schicksal zu deuten. Während der Meditation erreiche ich eine spirituelle Ebene auf der es mir manchmal gelingt noch kommendes zu erahnen oder Auren ausfindig zu machen. Dazu lese ich die Formen der Flammen. In der Vergangenheit hat uns das schon öfters bei unseren Kämpfen geholfen. Vielleicht kann ich so ja herausfinden ob diese Organisation hier ist. Klar die Deutung des Feuers ist schwierig und nur selten verständlich. Manchmal kann man nur Bruchstücke der Antwort sehen. Aber einen Versuch wäre es wert.“ Fragend sah Rei ihn an. „Wollen wir es versuchen?“ Terra nickte. „Kann jedenfalls nicht schaden.“ Sie machten sich wieder auf den Weg nach unten. Am Fuße des Towers fragte Terra plötzlich: „Sag mal kannst du damit auch Träume deuten?“ „Träume deuten?“, fragte Rei verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel. „Ja Träume deuten. Wenn jemand einen Traum hatte, er aber nicht versteht was der Traum bedeuten soll, kannst du dann durch Meditation den Sinn des Traumes erfassen?“ Neugierig geworden sah Rei ihm tief in die Augen. Tief in ihnen konnte sie Unsicherheit erkennen, vielleicht sogar eine winzige Spur von Angst. „Du hattest einen solchen Traum oder?“ Es war nicht wirklich eine Frage, eher eine Feststellung. Zögernd nickte Terra. „Letzte Nacht. Es war etwas…beunruhigend.“ „Erzähl mir davon.“ Und Terra tat es. In seiner Erzählung ließ er nichts aus, schilderte alles woran er sich erinnern konnte. An einer roten Ampel hielten sie an. Nachdenklich starrte Rei auf das rotglühende Ampelmännchen. „Du hast Recht der Traum ist wirklich beunruhigend. Hattest du diesen Traum schon öfters?“ Verneinend schüttelte Terra den Kopf. „Das war das erste Mal.“ Endlich sprang die Ampel auf Grün und sie gingen weiter. „Vielleicht war es ja wirklich nur ein Traum aber…“ „Du glaubst nicht daran oder?“, hakte Rei nach. „Nicht wirklich. Mein Instinkt sagt etwas anderes. Wenn ich darüber nachdenke schrillen in meinem Kopf alle Alarmglocken. So als wäre der Traum eher…ich weiß auch nicht…eine Warnung oder so.“ Bestätigend nickte Rei. „Ich kann nicht genau sagen warum, aber ich glaube auch das mehr dahinter steckt. Eine Warnung?...Vielleicht auch eine Vision des kommenden. Wir sollten es wirklich mit der Meditation versuchen, möglicherweise erfahren wir ja etwas. Aber ich werde deine Hilfe brauchen.“ „Danke Rei.“ „Gerne.“ Nach einer ganzen Weile wo jeder seinen eigenen Gedanken hinterher hing, hatten sie endlich die Stufen des Hikawa - Tempels erreicht und machten sich an den Aufstieg. Plötzlich krächzte etwas über ihnen auf und Rei und Terra hoben die Köpfe. Zwei große Raben zogen hoch in der Luft ihre Kreise. Erfreut streckte Rei die Arme aus und rief: „Phobos! Deimos!“ Mit einem weiteren lauten Krächzen gingen die Raben in den Sturzflug, bremsten ruckartig ab und landeten. Der eine auf Reis Schulter und der andere auf ihrem rechten Arm. „Na habt ihr mich vermisst?“, fragte Rei lachend, setzte ihren Beutel ab und streichelte dann das schwarze Gefieder des auf dem Arm sitzenden Raben. Verblüfft hatte Terra die Szenerie verfolgt. Solch zutrauliche Raben hatte er noch nie gesehen. Als dann auch noch der zweite Rabe anfing fast liebevoll mit Reis Haaren zu spielen, steigerte sich seine Verwirrung noch mehr. „Phobos und Deimos?“, fragte er. Rei sah ihn erst fragend, dann verstehend und schließlich lachend an. „Stimmt ja. Du kennst die beiden ja noch nicht oder?“ Langsam, um die Vögel nicht zu erschrecken, drehte Rei sich zu Terra um. Phobos und Deimos starrten Terra durchdringend an. Einer der beiden krächzte warnend, oder alarmiert? „Die beiden sind schon seit meiner Kindheit meine Freunde. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, wusste ich einfach dass sie Phobos und Deimos heißen. Seit damals sind sie so etwas wie die Wächter des Tempels. Und sie haben ein gutes Gespür für übernatürliches. Manchmal warnen sie mich, wenn sich etwas Böses nähert.“ Ohne Vorwarnung flatterte einer der Raben auf und stieß auf Terra zu. Reflexartig hob Terra den Arm um sich zu schützen. Doch der Rabe griff ihn nicht an. Stattdessen flatterte er um Terra herum und schien ihn zu begutachten. „Terra strecke deinen Arm aus!“, sagte Rei gespannt. Langsam streckte Terra wie ihm geheißen seinen rechten Arm aus. Erneut krächzte der Rabe, senkte sich hinab und landete auf dem Arm. Die Krallen gruben sich in das Fleisch, doch Terra gab keinen Laut von sich, rührte keinen Muskel. „Das ist Phobos.“, sagte Rei fast schon flüsternd. Phobos sah Terra tief in die Augen. Dieser fühlte sich nicht besonders wohl in seiner Haut. Fast schien es ihm, als sähe das Auge des Raben tief in seine Seele, rissen sogar den verborgenen Dämon ans Licht. Nun flatterte auch Deimos auf und setzte sich neben Phobos auf Terras Arm. Und ebenso wie sein Gefährte musterte auch er ihn eingehend. Schwer lastete das Gewicht der beiden Vögel auf Terras Arm, doch noch schwerer lastete ihr Blick auf ihm. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der niemand von ihnen sich regte, hob Terra seine linke Hand und hielt sie Phobos und Deimos entgegen. Rei und Terra hielten gespannt den Atem an. Deimos betrachtete die Hand noch einen Moment misstrauisch, dann näherte er ihr sich mit seinem Schnabel...und schmiegte ihn in die Handfläche. Vorsichtig fing Terra an den Schnabel zu streicheln. Deimos krächzte wohlwollend. Nun streckte auch Phobos den Schnabel aus und ließ sich von Terra streicheln. „Sie mögen dich. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise sind sie anderen Menschen über sehr skeptisch und lassen sich nur von mir anfassen.“, sagte Rei nachdenklich. Mit lauten Flügelschlag erhoben die Raben sich und verschwanden in den noch immer nackten Bäumen des Waldes. „Ehrlich gesagt würde ich nicht so weit gehen und sagen dass sie mich ´mögen´. Sie haben mich wohl eher akzeptiert sind aber immer noch skeptisch.“, meinte Terra und rieb über die blutenden Kratzer. „Wie kommst du darauf?“ Terra zuckte mit den Achseln. „Nur so ein Gefühl.“ Mit einem letzten Nachdenklichen Blick den Raben hinterher hob Rei ihren Beutel wieder auf und wandte sich dem Tempel zu. Über die Schulter hinweg fragte sie: „Kannst du die Kratzer heilen oder soll ich dich verarzten?“ „Meine Magie reicht noch nicht zum Heilen, wenn du ein wenig Verbandsmaterial hast, verarzte ich mich schon selbst.“, sagte Terra und folgte ihr. Während des kurzen Marsches besah er sich die Umgebung genauer. Spuren des letzten Kampfes waren überall zu sehen. Sämtliche Bäume waren verkohlt und kahl, die Erde verbrannt und schwarz. Terra konnte sogar die beiden tiefen Löcher erkennen, die das Feuer von Mars verursacht hatte um ihren Sturz zu bremsen. Doch ab und wann konnte er zwischen den Wurzeln und der Asche etwas grünes Aufblitzen sehen. Terra wendete und hockte sich vor einen umgestürzten Baumstamm. Dort zwischen den gebrochenen Wurzeln war eine winzige Pflanze zu sehen, welche wohl gerade erst aus dem Boden gesprossen sein musste. Die Natur arbeitete bereits daran ihre Wunden zu heilen und sich dieses Gebiet zurück zu erobern. Dies würde allerdings noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, bis es wieder so schön aussehen würde wie früher. Im Moment jedoch sah es bei dem Hikawa-Tempel eher gespenstisch aus, die Kulisse schien direkt einer Horror-Geschichte entsprungen zu sein. Der alte ehrwürdige Tempel, drum herum Bäume mit ihren dünnen, morschen Ästen die wie gierige Hände und Klauen aussahen und natürlich die schwarzen Raben, die mit ihrem Gekrächze von Tod und Verderben verkünden könnten. Das einzige was noch fehlte waren dunkle Wolken sowie ab und wann ein Blitz und vielleicht noch das Heulen eines Wolfes um die Szenerie komplett zu machen. Kopfschüttelnd erhob Terra sich und wandte sich wieder dem Tempel zu. Er hatte in letzter Zeit eindeutig zu viele Gruselbücher gelesen. Offenbar konnte Rei nur unschwer erraten was er dachte, denn sie sagte: „Es hat viel von seinem Glanz verloren, aber irgendwann kommt der Tag an dem dieser Ort wieder so friedlich und schön ist wie früher.“ „Ganz bestimmt.“, bestätigte Terra. „Es tut mir trotzdem leid. Viele Tiere die hier gelebt haben müssen sich ein neues zu Hause suchen und der Tempel wird vermutlich auch weniger Besucher haben als früher. Auch für euch muss es schwer sein jetzt hier zu leben. Wenn ich wieder über meine vollen magischen Kräfte verfüge, könnte ich zwar einen Zauber wirken, welcher den Wachstum der Pflanzen beschleunigt aber…das würde zu viele Fragen bei den Menschen aufwerfen, wenn der Wald sich wieder so schnell erholen würde, wo er doch sonst so lange braucht um sich zu regenerieren. Das wäre ein zu großes Risiko.“ Zustimmend nickte Rei. Ihr Blick streifte über die Bäume. „Wir werden schon damit zu Recht kommen. Viele Menschen machen sich nicht viel aus der Umgebung. Klar werden es weniger Besucher sein als sonst, aber es wird schon gehen. Was mich viel mehr ärgert ist die Tatsche, dass ich im Prinzip dafür verantwortlich bin wie es hier aussieht. Es waren meine Kräfte, die dieses Unglück über uns gebracht haben.“ „So darfst du das nicht sehen.“, mahnte Terra sie und schüttelte energisch den Kopf. „Du wusstest nicht was du tust, der Herzlose hatte die Kontrolle über deinen Körper und deinen Geist. Du selbst hättest so etwas niemals getan das weiß ich.“ „Aber wenn ich nur ein wenig stärker gewesen wäre hätte ich vielleicht…“ Terra überbrückte die letzten Meter zwischen ihnen schnellen Schrittes und legte ihr seine Hände auf die Schultern. „Manchmal gibt es Gegner, die man aus eigener Kraft nicht bezwingen kann, bei denen man die Hilfe seiner Freunde braucht. Dich trifft keine Schuld Rei, keiner von uns wäre alleine mit ihm fertig geworden. Eigentlich kannst du sogar stolz auf dich sein. Dass der Herzlose so lange gebraucht hat um deinen Körper zu übernehmen, zeigt nur was für ein starkes Herz und was für einen starken Willen du hast. Hättest du ihm nicht so lange widerstanden, wäre alles vielleicht noch viel schlimmer gekommen.“ Ein zögerliches, dennoch traurig wirkendes Lächeln breitete sich auf Reis Gesichtszügen aus. „Danke Terra. Das ist wirklich nett von dir.“ Tief in ihr zerbrach ein Widerstand, den sie in den letzten Tagen aufgebaut hatte. Und dann tat sie etwas, was sie normalerweise niemals tun würde: sie umarmte ihn und grub ihr Gesicht in seinen Brustkorb. Überrascht stand Terra einen Moment mit leicht erhobenen Händen da. Als er seine Überraschung überwunden hatte, erwiderte er die Umarmung und legte Rei tröstend eine Hand auf den Kopf. Kurz darauf merkte er wie Tränen sein Shirt benetzten. Die ganze Geschichte hatte Rei doch mehr mitgenommen als er bisher geahnt hatte. Zwar hatte Bunny behauptet, Rei wäre so gut gelaunt wie eh und je, doch Terra fragte sich ob Rei den anderen nur nicht zeigen wollte, wie sehr sie das alles beschäftigte. Für Rei selbst war es auch mehr als überraschend was sie da tat. Diese Blöße hatte sie sich bisher noch bei keinem Mann gegeben, doch ihr Körper hatte wie von selbst reagiert. Seine Worte hatten etwas in ihr ausgelöst und sie hatte das Gefühl jetzt dringend eine Umarmung zu brauchen...und da ihre Freundinnen gerade nicht da waren… Seit dem Kampf hatte Rei sich sehr verletzlich und schwach gefühlt, ihr Selbstvertrauen hatte durch die Übermannung der Dunkelheit sehr gelitten. Für sie war das eine völlig unerwartete und unangenehme Erfahrung, da Selbstbewusstsein bisher immer ihr unerschütterliches Antriebsrad gewesen war. Auch im Kampf…oder vielleicht lag es auch daran, dass sie fast gestorben wäre, jedenfalls kam ihr nach dem Kampf irgendwie alles viel düsterer vor. Jetzt sah sie wieder ein kleines Licht in ihrer Seele. Terra hatte Recht, sie konnte sich immer auf ihre Freundinnen verlassen, wenn sie einmal zu schwach wäre um zu kämpfen…Irgendwie hatte Terra genau die Worte gefunden, welche in der Lage waren ihr zu helfen sich wieder ein wenig aufzurichten. Rei verstand immer mehr, warum Ami sich in ihn verliebt hatte… Behutsam löste Rei sich wieder aus einer Umarmung und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dankbar sah sie ihn an, beugte sich plötzlich vor und küsste ihn auf die Wange. „Ein kleines Dankeschön für die Aufmunterung.“, sagte sie lächelnd. „Ami hat sicher nichts dagegen.“ Bei der Erwähnung ihres Namens huschte für einen flüchtigen Moment ein Schatten über Terras Augen, bevor sich wieder ein Lächeln auf sein Gesicht stahl. „Gern geschehen.“ Jetzt fast wieder die alte, packte Rei Terras Arm und zog ihn durch die geöffneten Tore des Tempels. „Also dann, wollen wir anfangen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)