Something Worth Fighting For von SocialDistortion (»[AcexOC]«) ================================================================================ Kapitel 20: Inside Out ---------------------- Abwesend drehte Nikira das kleine Stück Papier mit ihren Fingern hin und her. Das Material wies keine Risse oder andere Einwirkungen auf, die aufgrund von Unachtsamkeit entstehen hätten können. Auch die Schrift darauf war akkurat und kam ihr unheimlich vertraut vor. Dennoch hatte sie seit einer geraumen Zeit aufgehört sich zu viel über den Verfasser dieser kurzen Notiz Gedanken zu machen. Es nervte sie, dass ihr die Antwort auf der Zunge lag, aber nicht über ihre Lippen kommen wollte. Nachdenklich runzelte sie deshalb die Stirn, stützte den Unterarm auf der Reling ab und sah hinab auf den mittlerweile leeren Hafen der Insel Clover Island. Der kühle Wind wirbelte ihre Haare auf und verursachte eine leichte Gänsehaut auf ihren Armen, doch ihr war nicht kalt. Hinter sich vernahm sie Gelächter und Musik. Zum Feiern war ihr absolut nicht zumute. In letzter Zeit hatte sie viel über ihre Mission nachgedacht. Sie konnte nicht leugnen, dass sie die enorme Bedeutung ihres Auftrags abtat und stattdessen diese familiäre Atmosphäre, welche sie auf der Moby Dick zu spüren bekam, mit all ihren Sinnen aufsog. Anfangs war sie sich sicher, dass sie ihre Pflichten ohne Probleme erledigen konnte. Sie hatte nicht einmal daran gezweifelt und der Gedanke daran, dass sie jemals Sympathie für Piraten empfinden würde, war einfach nur absurd. Er war ihr zuwider gewesen, doch mittlerweile sah die Sache anders aus. Ihr gefiel es, wenn man sie hier auf dem Schiff brauchte. Sei es am Wachposten, bei der Inventur der Vorräte oder nur als Mitspieler der gängigen Pokerrunden. (Sie war sichtlich stolz gewesen, als sie dieses Spiel nach kurzer Zeit beherrschte und sogar Fossa eine kleine Menge Berrys abnehmen konnte) Für viele waren dies nur banale Dinge, aber für Nikira waren sie von Bedeutung. Stets verspürte sie dieses angenehme und neue Gefühl in ihrem Inneren, wenn man sie wie ein Familienmitglied behandelte. Bei der Marine hingegen wurde sie gemieden und ihr Alltag bestand daraus, dass sie andere trainierte, oder sich selbst einem harten Training unterzog. Ab und zu war sie auch in der Stadt, aber dort nervte sie das Getuschel der Bewohner. Kurz gesagt waren die letzten 13 Jahre ihres Lebens nicht besonders aufregend und durch ihren Vater sehr eingeschränkt. Dies war, neben ihrer Verachtung gegenüber Piraten, ein Grund für ihre Freude gewesen, als sie von ihrer Mission erfahren hatte. Nach langer Zeit durfte sie endlich weg von der Marinebasis. Seufzend nahm sie zur Kenntnis, dass sie den Zettel in zwei Hälften gerissen hatte, als sie in ihren Gedanken versunken war. Plötzlich ertönten neben ihr schwere Schritte und eine Person stellte sich neben sie. Die Rothaarige brauchte nicht aufzusehen um zu wissen, wer ihr Gesellschaft leistete. Seine enorme Präsenz hatte sie bereits vor einiger Zeit wahrgenommen. Wie konnte sie auch nicht bei einem der vier Kaiser? „Warum so nachdenklich, mein Kind?“ Whitebeards Stimme klang tief und selbst bei diesen einfachen Worten jagte ein Schauer über ihren Rücken. Trotz seines geschwächten physischen Zustandes schaffte er es, all ihren Respekt zu erhalten. Sie konnte nur erahnen, wie stark er gewesen sein musste, als ihm gesundheitlich nichts fehlte. Nikira wechselte ihr Standbein und sah kurz auf. Sein Blick war wie ihrer zuvor auf die kleine Stadt gerichtet. „Sieht man mir es so sehr an?“, stellte die Rothaarige eine Gegenfrage und spielte wieder mit den zwei kleinen Papieren in ihrer Hand. Sie hatte die Nachricht bewusst auf die andere Seite gedreht. Dabei versuchte sie das wachsende schlechte Gewissen zu unterdrücken, welches seit geraumer Zeit immer stärker wurde. Sie hätte nie gedacht, dass ihr das Lügen so unheimlich schwerfallen würde… „In der Tat“, lachte der Hüne, „Normalerweise bist du immer in Gesellschaft meiner Kommandanten. Besonders oft sehe ich dich mit Ace.“ Belustigt sah er sie von oben herab an und trank aus seiner Sakeflasche, die ihr erst jetzt auffiel. Nikira musterte sie kurz und wandte den Blick wieder ab. „Eher unfreiwillig“, antwortete sie nüchtern. Als der Kaiser anfing laut zu lachen, zuckte sie zusammen. „Gurarara. Du verbringst also nicht gerne Zeit mit ihm?“ Schalk schwang in seiner Stimme mit und es war klar, dass er auf etwas Bestimmtes hinauswollte. Bei seiner gerissenen Frage erhitzten sich die Wangen der Rothaarigen und prompt fühlte sie sich unwohl. Sie sah auf die Holzdielen zu ihren Füßen und zerknitterte das Papier in ihren Händen. Mit so einer direkten Frage hatte sie nicht gerechnet. „Ich…eh.…naja so schlimm ist es nicht…keine Ahnung“, brachte sie heraus und kam sich blöd vor. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie gestottert und bei einer solch unsinnigen Frage brachte sie keinen normalen Satz zustande? Wie erbärmlich, aber er hatte sie schlichtweg überrumpelt. Wieder lachte er, doch prompt wurde sein Blick sanft. „Sei ruhig ehrlich zu dir selbst, Nikira. Ich denke es ist leicht die Zeit mit Ace zu genießen, oder?“ „Ja. Ich glaube schon“, gab sie langsam zu. Er hatte nicht Unrecht. Jedes Mal, wenn sie mit dem Teufelsfruchtnutzer unterwegs war, vergaß sie den Grund warum sie hier war und das, obwohl sich die gesamte Mission um ihn drehte. Sie mochte es Zeit mit ihm zu verbringen. Sie mochte es sogar sehr. „Weißt du? Ace denkt immer mit seinem Herzen. Das ist wirklich beeindruckend." „Er denkt mit seinem Herzen?“, hakte sie etwas verwirrt nach. Sie verstand nicht ganz, worauf der alte Mann hinauswollte. Whitebeard schmunzelte über den ratlosen Blick der jungen Frau. „Ja, mit dem Herzen. Er entscheidet intuitiv. Er entscheidet, wie es sich für ihn richtig anfühlt und nicht, wie es laut Logik richtig wäre.“ Nikira runzelte die Stirn und dachte über seine Worte nach. Ace handelte nach Gefühl. Er tat das, was für ihn richtig war und ging nicht nach dem, was die Norm vorschrieb. Das hatte sie bereits gemerkt, konnte es aber zum Teil nicht nachvollziehen. Seit sie bei der Marine war, hatte sie nicht mehr nach Gefühl gehandelt. Dafür hatte sie sich im Inneren viel zu leer gefühlt. Wie war es, das zu tun was das Herz einem sagte? „Ich sehe schon, dass ich dir etwas zum Nachdenken gegeben habe.“ Whitebeard lachte belustigt und setzte fort: „Jetzt mag es dir noch unlogisch erscheinen, aber irgendwann wirst du es verstehen.“ Mit diesen Worten trank er seine Flasche aus und starrte in den Himmel. Nikira musterte den Kaiser währenddessen von der Seite. Er schien plötzlich in Erinnerungen zu schwelgen und die Rothaarige fragte sich, ob er gerade an Layla dachte und wie es war zu wissen, dass der Mörder einer geliebten Person für sein Vergehen nicht bestraft wurde. Wie es war zu wissen, dass er sich stattdessen von der Marine feiern ließ. Bei dem Gedanken wurde ihr übel und ein Gefühl stieg in ihr auf, welches sie sonst nur von damals kannte, als sie alle Piraten abgrundtief hasste. Das Gefühl war pure Verachtung. Die 18-Jährige ballte ihre Hände zu Fäusten, atmete einmal ganz tief ein und versuchte sich wieder zu entspannen. Es funktionierte auch besser als sie gedacht hatte. Sie seufzte und stützte sich mit ihren beiden Unterarmen auf der Reling ab. „Ich gebe Bescheid, wenn ich es verstanden habe“, meinte sie mit einem leichten Lächeln im Gesicht und brachte Whitebeard dazu, sie amüsiert anzusehen. „Sehr schön. Allerdings muss ich jetzt leider unser Gespräch beenden. Meine abendlichen Untersuchungen stehen an.“ Er grinste und schmiss seine Flasche achtlos auf die Straße des Hafens, wo sie mit einem lauten Klirren in unzählige Teile zersprang. „Eine Sache noch, Nikira“, fing er auf einmal ruhig an und drehte sich halb zu ihr um, „Ich toleriere die Privatsphäre meiner Kinder, aber Geheimnisse akzeptiere ich nicht.“ Seine Gesichtszüge wirkten plötzlich hart und machten deutlich, wie ernst er eben Gesagtes meinte. Nikira hatte jedoch keine Zeit auch nur ansatzweise auf diese überraschende Aussage zu reagieren, denn er hatte sich bereits umgedreht und ging nun zu einer Krankenschwester, die ihn prompt an der Hand packte und nicht so aussah, als wäre sie begeistert davon, dass er sich dem Saufgelage angeschlossen hatte. Die Rothaarige stand währenddessen wie versteinert da, starrte ihm fassungslos nach und versuchte seine Worte zu verarbeiten. Ihr Herz hatte urplötzlich angefangen schneller zu schlagen und ihr wurde unnatürlich heiß. Wieso hatte er das gesagt? „Nein“, murmelte sie, „Er weiß es nicht. Er kann es gar nicht wissen.“ Sie schluckte ihre Angst hinunter und fuhr sich durch die Haare. Wenn er etwas wusste, dann hätte er doch schon längst etwas gesagt, oder? Er hätte kein normales, ja sogar vertrautes Gespräch geführt, wenn er etwas wusste. Nervös sah sie zu der Gruppe von Piraten, die lachend beisammensaßen und sich prächtig zu amüsieren schienen. Keiner von ihnen sah aus, als hätte er etwas von dem Gespräch mitbekommen. Zu vertieft waren sie in den Alkohol, der wie so oft in Strömen floss. Nikira umklammerte mit ihrer linken Hand ihren rechten Oberarm. Das beklemmende Gefühl wollte nicht verschwinden. Im Gegenteil. Es wurde größer, je mehr sie an seine Worte dachte. Ihr war klar, dass es eine Art Drohung an sie gewesen war. Er wusste etwas und sie hoffte inständig, dass es sich dabei nicht um ihre Mission handelte. Angespannt stieß sie die Luft aus und versuchte sich zu beruhigen. Sie sollte sich jetzt nicht verrückt machen und stattdessen ihre Emotionen wieder ins Gleichgewicht bringen. Kurz schloss sie die Augen um sich wieder zu sammeln und betrachtete anschließend die kleine Notiz in ihrer Hand. So sehr sie auch wollte, sie konnte das Stück Papier nicht ignorieren. Sie hatte eine vage Ahnung, von wem die Nachricht war und sollte ihre Vermutung stimmen, sollte sie sich schnellstmöglich auf zum Treffpunkt machen. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend sah sie noch einmal zu der Gruppe hinter ihr und verließ mit einem versteinerten Gesicht das Schiff. Mit schweren Schritten durchquerte sie die leeren Straßen der kleinen Stadt sowie den kurzen Waldweg. Erst als ihr Blick den feinen Sand unter ihren Boots wahrnahm, hob sie ihren Kopf. Die Kulisse hätte sie als idyllisch bezeichnet, wäre da nicht eine Sache, die das kitschige Bild störte. Mit einer düsteren Mimik war sie stehengeblieben und betrachtete kurz das imposante Marineschiff, welches friedlich Anker gelichtet hatte. Sie war nicht überrascht darüber, denn damit hatte sie bereits gerechnet. Wer sonst sollte sich mit ihr treffen wollen? Die Frage war nur, welcher Offizier sich dazu bereit erklärt hatte. Aber egal wer es war – es würde kein erfreuliches Gespräch werden. Mit geringer Motivation überbrückte sie den Abstand zwischen dem Waldrand und dem Schiff. Einige Soldaten hielten davor Wache und sahen sie mit unergründlicher Miene an. Nikira würdigte die Männer keines Blickes und setzte ihren Weg stur fort. Sie wusste wo sie hinmusste. Alle Kampfschiffe der Marine waren gleich aufgebaut. Keine fünf Minuten später stand sie vor der Tür, die sie zum Befehlshaber führen würde. Nikira hob langsam ihren Arm, zögerte aber kurz. Sie hatte keine Ahnung, wer sich in dem Raum befand. Bei Garp würde sie sich beinahe freuen. Bei allen anderen nicht. Sie holte noch einmal mit geschlossenen Augen tief Luft und öffnete dann eilig die Tür. Es dauerte genau drei Sekunden, bis sie realisierte wer hinter dem Schreibtisch saß. In dieser Zeit hatte ihr Herz für einen kurzen Moment aufgehört zu schlagen. So kam es ihr vor. „Vater“, kam es ihr atemlos über die Lippen und sie hatte Mühe, ihre Gesichtszüge zu kontrollieren. Dabei hielt sie die Türklinke fest umklammert, als das lebensnotwendige Organ das Blut schnell durch ihren Körper pumpte. Sie hatte jeden erwartet, aber nicht ihren Erzeuger, der sie ausdruckslos musterte. Nie hätte sie gedacht, dass er die Marinebasis verlassen würde nur um sie zu treffen. Das war alles andere als gut. Verkrampft löste sie den Griff und schloss langsam die Holztür hinter sich. Sie versuchte ihre schnelle Atmung regulieren und ihre chaotischen Gedanken zu ordnen. Es gelang ihr nur schlecht, denn dafür war sie zu aufgewühlt. Dennoch straffte sie ihre Schultern und verfiel in eine respektvolle Haltung. Auch wenn sie bereits seit Wochen auf dem Piratenschiff war, so hatte sie die Regeln, die bei der Marine herrschten, nicht vergessen. Allerdings fiel es ihr unheimlich schwer sich so unterwürfig zu zeigen. Vor allem ihrem Vater gegenüber. Es…fühlte sich plötzlich falsch an. „Nikira“, ertönte seine tiefe Stimme und es war, als würde sie die Luft zerschneiden. Ein unangenehmer Schauer jagte über ihren Rücken und ließen alle Alarmglocken bei ihr schrillen. Ihr Name aus seinem Mund klang verächtlich und abwertend. Schlimmer als vor ihrer Mission. Nach außen hin ruhig, beobachtete die Rothaarige den Admiral dabei, wie er aufstand und seinen Tisch umrundete. Er musterte sie einen Moment und wandte dann den Blick ab. Langsam ging er auf das Bullauge zu und verschränkte seine Hände hinter dem Rücken. „Ich bin nicht sehr zufrieden mit dem Verlauf deiner Mission.“ Er klang emotionslos und eiskalt. Wie sie es von ihm kannte. Sie legte gedanklich ihre Antwort zurecht und meinte konzentriert: „Es besteht kein Grund dazu. Ich bin-“ „Versuch nicht mich zu belügen, Tochter!“, unterbrach er sie zischend und schlug mit seiner Faust gegen die Wand, die durch die Wucht splitterte. Wie als wäre nichts gewesen, wischte er sich die Holzsplitter von der geballten Hand und verschränkte dieses Mal die Arme vor der Brust. Die junge Frau war sofort verstummt und wandte nun mit angespanntem Kiefer den Blick ab. Vehement starrte sie stattdessen auf den Boden. Aus dem Augenwinkel achtete Nikira wachsam auf seine Bewegungen. Sie war nicht dumm. Sie wusste, dass er skrupellos war. Selbst zu ihr. „Weißt du? Ich dachte wirklich, dass diese Mission wie geschaffen für dich wäre. Immerhin bist du meine Tochter.“ Das letzte Wort spuckte er förmlich auf den Boden und machte ihr klar, dass sie für ihn nur Mittel zum Zweck war. Nikira ballte bei dieser Erkenntnis ihre Hände zu Fäusten und sah langsam auf. Sie musste sich zusammenreißen, um ihm kein Konter zu geben. Auf der Moby Dick hätte sie widersprechen können, ohne dafür ernsthafte Konsequenzen tragen zu müssen. Bei ihrem Vater sah das anders aus. Ganz anders. „Aber anscheinend…bemühst du dich nicht wirklich und ich frage mich, wieso? Wieso bist du eine verdammte Enttäuschung, Nikira?“ Akainu drehte sich zu ihr und sah sie an. Seine dunklen, gefühlskalten Augen trafen ihre, die so viel mehr Emotionen ausstrahlten als zu Beginn ihrer Mission, aber dies bemerkte weder Akainu, noch Nikira selbst. Sie zwang sich standhaft zu bleiben und nicht unter seinem Blick einzuknicken. Doch seine Worte machten es ihr nicht leicht. „Du hattest nur eine Aufgabe. Eine einzige, welche du nicht gelöst und stattdessen Schande über mich gebracht hast.“ Er schlich langsam auf sie zu. Unter seinem Blick fühlte sich Nikira klein. Klein, bedeutungslos und unwürdig zur Marine zu gehören. Auch fühlte sie sich unwürdig auf dieser Welt und vor allem unwürdig seine Tochter zu sein. Er hatte sie schon oft so angesehen, aber noch nie lag so viel Verachtung in seinen Augen. Aber das schockierende an all dem war, dass es sie tatsächlich störte. Es störte sie, dass er sie als Enttäuschung ansah. Es störte sie, dass er keine aufmunternden Worte für sie übrighatte und es störte sie, dass er sie nicht so behandelte wie Whitebeard es tat - wie ein richtiger Vater. Unweigerlich musste sie dabei an Ace‘ Worte denken. Er meinte sie wären eine Familie und erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass er recht hatte. Vom ersten Tag an wurde sie von den anderen behandelt wie eine Schwester. Sie wurde aufgenommen, ohne dass jemand ihre Vergangenheit kannte. Niemand hatte ein Problem damit, dass sie distanziert und unhöflich war. Im Gegensatz zur Marine, bei der sie aufgrund ihres Vaters und ihrer kalten Art gemieden wurde. Jahrelang hatte sie sich eingeredet, dass sie keine Freunde brauchte. Dass es ihr egal war, wenn ihr Vater sie nicht wie sein eigen Fleisch und Blut behandelte. Aber es störte sie und tat weh. Mehr als sie gedacht hatte und diese Erkenntnis traf sie hart und unvorbereitet. Es war wie eine enorme Welle, die krachend über sie einbrach und ihr die Luft abschnürte, indem sie sie gewaltvoll auf den Boden drückte. Die Gefühle, die sie jahrelang zurückgehalten hatte, drohten Überhand zu nehmen. Es war für sie ein komplett neues Gefühl, mit welchem sie nicht umgehen konnte. Fest biss sie sich auf die Lippe und vernahm augenblicklich den typischen metallischen Geschmack. Das lenkte sie kurz ab und verhinderte, dass sie etwas Dummes sagte und es anschließend bereute. Akainu stand ein wenig weiter weg von ihr, als er fortfuhr: „Spätestens nach deinem Brief war ich mir sicher, dass du nicht scheitern würdest. Du hast mir ein paar Informationen geliefert und mir versichert, dass du nicht länger als zwei Monate brauchen würdest. Also wieso verdammt nochmal, ist dann dieser Bastard von Gol D. Ace nach drei Monaten noch immer auf der Moby Dick?“ Der Admiral spannte seine Arme an. Die Sehnen traten deutlich hervor und unterstrichen seine Wut über ihr Versagen. Nikira sah ihm mit hartem Ausdruck direkt in die Augen. Sie wusste, dass sie die folgenden Worte stark bereuen und damit der Geduldsfaden ihres Vaters endgültig reißen würde, aber sie hatte schlichtweg genug. Sie hatte genug davon von ihm niedergemacht zu werden. Sie hatte genug davon, dass er sie für den Tod ihrer Mutter verantwortlich machte und sie hatte genug davon, dass er sie nicht wie seine Tochter behandelte. Deswegen sagte sie kalt und mit einer Spur Verachtung: „Vielleicht liegt es daran, dass die Marine eine 18-Jährige losschicken muss, um eine Aufgabe zu erledigen, für die sie selbst anscheinend zu inkompetent ist.“ Der enorme Schmerz, den sie kurz darauf verspürte kam nicht überraschend. Die Wucht des Schlages war allerdings so heftig, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnte und stolperte. Fest presste sie ihre Hand auf ihre Wange, die brannte und gleichzeitig glühte. Mühsam rappelte sie sich wieder auf und sah mit angespanntem Kiefer stur auf den Holzboden. Das Pochen nahm stetig zu, doch sie hatte gelernt mit körperlichen Schmerzen umzugehen. Viel schlimmer waren die psychischen Qualen, die für die Rothaarige komplett neu waren. Sie versuchte sich auf das Brennen zu konzentrieren um jenes im Inneren zu entgehen. Und es funktionierte. Zu gut. Trotzig sah sie auf und hob ihr Kinn. Ihr Vater stand mit einem vor Wut verzerrtem Gesicht da und zeigte keinerlei Reue seine Hand gegen seine Tochter erhoben zu haben. „Du vorlautes, unnützes Miststück!“, zischte er, „Pass auf was du sagst!“ Seit dem Schlag durchfluteten Nikira Unmengen an Adrenalin und veranlassten sie dazu, kaum noch Respekt gegenüber dem Admiral zu verspüren. Diese Tatsache war gefährlich; das wusste sie. Trotz dem Wissen konnte sie folgende Worte nicht zurückhalten. Auch wenn sie nur leise über ihre Lippen kamen. „Wieso? Tötest du mich dann etwa auch? So wie Layla und die gesamten Inselbewohner?“ Der Rothaarigen war klar, dass sie ihn provozierte, aber es war ihr egal. Sie fühlte sich innerlich leer; fühlte keinen Schmerz und hatte keine Angst vor Konsequenzen. Ehe sie sich versah, war Akainu im rasanten Tempo auf sie zugegangen und hatte mit seiner Hand ihren Hals umgriffen. Er drückte so fest zu, dass er Nikiras Luftröhre zuschnürte. Röchelnd und mit geweiteten Augen umgriff sie mit beiden Händen seinen Arm. Sie bekam keine Luft. Hektisch versuchte sie seinen Griff zu lösen; scheiterte allerdings kläglich. „Du solltest jetzt besser deinen Mund halten, denn ich bin kurz davor dich zu töten, Nikira“, meinte er gefährlich ruhig. Sie schnappte nach Luft und richtete ihren Blick auf seine Schulter vor ihr, die langsam zu Magma wurde. Mit den Augen verfolgte sie die heiße Substanz, die langsam auch den Oberarm hinabwanderte. Sie spürte deutlich die extreme Hitze in ihrem Gesicht und musste blinzeln, um ihre Augen vor der Trockenheit zu bewahren. War es das? Würde ihr Vater sein eigen Fleisch und Blut töten? Nur weil sie einmal in ihrem Leben das gesagt hatte, was sie wirklich dachte? Fest senkte sie die Lider, als ihr Gehirn immer weniger Sauerstoff bekam. Zu wenig. Kurz bevor sie das Bewusstsein verlor, verschwand der Druck um ihren Hals. Er hatte sie losgelassen. Unsanft fiel sie dadurch abermals auf den Boden, da ihre Beine sie nicht tragen konnten. Sie hustete wie wild und zog immer wieder gierig die Luft ein. Dabei hielt sie ihren Hals, der sich anfühlte, als wären seine Finger noch immer um ihn geschlossen. Verständnislos sah sie von unten hinauf zu ihrem Vater, der sie spöttisch musterte. „Solltest du noch länger als zwei Wochen für deine Mission benötigen, brauchst du gar nicht daran zu denken jemals wieder zur Marine zurückzukehren. Ich will keine Enttäuschung als Tochter haben. Hast du verstanden? Und bedank dich bei Kuzan. Ihm verdankst du dein Leben.“ Mit diesen Worten drehte er ihr den Rücken zu und begab sich wieder hinter den Schreibtisch. Er hatte die Ellbogen abgestützt und sein Kinn auf die verschränkten Hände gelegt. Dabei verdeckte seine Marinekappe die Hälfte seines Gesichts. Nikira hatte sich währenddessen umständlich aufgerappelt und schwankte gefährlich, als der Raum anfing sich heftig zu drehen. Kurz hielt sie inne, um das Schwindelgefühl abzuschwächen. Schwer atmend warf sie dem Admiral einen letzten, verstörten Blick zu, ehe sie sich umdrehte und eilig aus dem Raum verschwand. Die Soldaten, die sie auf den Weg nach draußen traf, sahen sie skeptisch an, doch niemand wagte es sie anzusprechen. Ihr Gesichtsausdruck war verwirrt, genauso wie ihr Inneres. Sie hatte sich bei seinem Anblick gedacht, dass das Gespräch, wenn man es denn so nennen konnte, schlimm werden würde, aber es hatte all ihre Erwartungen übertroffen. Seit geraumer Zeit hatte allerdings ein Gedanke die Oberhand gewonnen. Und zwar, dass er sie umgebracht hätte. Daran zweifelte sie nicht. Ohne Reue hätte er sie mit seinen Teufelskräften getötet. Aber er hatte es nicht getan. Nicht, weil er vielleicht doch so etwas wie Vatergefühle für sie übrighatte, sondern weil sie Teil dieser Mission war und anscheinend Aokiji seine Finger mit im Spiel hatte. Sie wusste nicht was das zu bedeuten hatte, aber darüber machte sie sich jetzt keine Gedanken. Je weiter sie sich von dem Schiff entfernte, desto größer wurde die Wut. Denn sie war wütend darüber, dass ihr Vater nicht wie Whitebeard war. Sie war wütend darüber, dass sie ihre Gefühle und ihre Mission nicht voneinander trennen konnte. Sie war wütend darüber, dass sie Ace nicht der Marine ausliefern wollte und sie war wütend darüber, dass sie anfing sich auf der Moby Dick wohl zu fühlen. Dabei stand sie durchgehend im Zwiespalt. Sie gehörte noch immer zur Marine, aber fühlte sich bei den Whitebeard-Piraten unheimlich wohl. Wohler als auf der Marinebasis, wenn sie ehrlich war. Dennoch verabscheute sie Freibeuter, die wahllos töteten, vergewaltigten und raubten. Aber tötete die Marine nicht auch unschuldige Leute? Plötzlich blieb sie stehen, als ihr etwas klar wurde. „Er hat es nicht abgestritten“, flüsterte sie und starrte fassungslos auf den Boden. Der kleine Hoffnungsschimmer, dass die Piraten ihr eine erfundene Geschichte aufgetischt hatten, war endgültig verschwunden. Bis zum Schluss hatte ein Teil von ihr gehofft, dass es nicht stimmte. Doch sie haben es getan. Sie haben eine ganze verfluchte Insel ausgelöscht, wegen einer einzigen Person! Wie oft ist dies bereits vorgekommen, ohne, dass die Bevölkerung davon Wind bekommen hatte? Wütend ballte sie ihre Hände zu Fäusten und rammte dadurch ihre Nägel in die empfindliche Haut. Mit einem Mal riss sie ihren Kopf hoch und setzte energisch ihren Weg fort. Sie wollte alles vergessen. Sie wollte nicht mehr an die verhängnisvolle Begegnung denken. Viele Möglichkeiten, um ihre missliche Lage zu verdrängen, spielten sich in ihrem Kopf ab. Dabei hatte sie nicht mitbekommen, dass sie sich bereits wieder auf der Moby Dick befand. Abermals blieb sie stehen und löste ihre verkrampften Fäuste. Sie beobachtete kurz die kleine Gruppe, die zum Großteil aus den Kommandanten bestand. Dabei stach ihr etwas besonders ins Auge. Ein kleines Grinsen stahl sich in ihr Gesicht. Es war weder von fröhlicher Natur, noch verhieß es etwas Gutes. Zielstrebig ging sie auf die Piraten zu. Bevor jemand reagieren konnte, griff sie nach der grünen Flasche auf dem Tisch, setzte sie an und nahm einen großen Schluck daraus. Sie verzog keine Miene, denn das dezente Brennen in ihrem Hals tat überraschend gut und die aufkeimende Idee, ihre Wut und Probleme mit Alkohol wegzuschwemmen, gefiel ihr immer mehr. Sie erntete einige fassungslose Blicke, die sie allerdings nicht richtig wahrnahm. Stattdessen schluckte sie das Gebräu hinunter, besah sich kurz die weitere Auswahl vor Marco und entschied sich für zwei weitere Flaschen, die mit Sicherheit Hochprozentiges beinhalteten. „Was ist denn mit dir passiert?“ Marco sah sie argwöhnisch an. Dabei starrte er auf ihre Wange, die rot leuchtete und sich bereits bläulich verfärbte. Auch an ihrem Hals sah man deutlich die Druckstellen. Nikira warf ihm einen kurzen Blick zu. „Kleine Auseinandersetzung“, antwortete sie finster und trank abermals einen kräftigen Schluck von dem Rum. „Woah, Nikira! Mach mal langsam!“, meinte Thatch skeptisch, der selbst einen Krug in der Hand hielt. Er wirkte leicht besorgt, als er ebenfalls ihre Wange und ihren Hals musterte. Wäre die Rothaarige nicht so in ihren Gedanken vertieft, wäre ihr durchaus aufgefallen, dass Ace bis jetzt kein Wort über ihr Verhalten verloren hatte und stattdessen wütend auf die roten Abdrücke starrte. Dabei umklammerte er seine Sakeflasche, als wollte er sie mit Absicht zerdrücken. „Entschuldigt mich. Ich habe noch etwas Wichtiges zu tun“, kam es plötzlich von der jungen Frau. Sie bemühte sich nicht mal den eisigen Unterton zu vermeiden. Mit den Flaschen in der Hand entfernte sie sich mit großen Schritten von der Gruppe. Erst unter Deck fiel ihr auf, dass sie mit ihren Händen viel zu fest die Flaschenhälse umgriff und dass ihr jemand folgte. Kurz vor ihrer Kajüte wurde es ihr dann zu blöd. „Wenn du mitgekommen bist, nur um mich zu nerven, dann kannst du auch gleich wieder gehen.“ Nikira war stehengeblieben und hatte sich zu Ace gewandt, der mit verschränkten Armen dastand. „Eigentlich wollte ich dir sagen, dass es bestimmt eine bessere Lösung gibt, als sich zu betrinken.“ Ernst sah er sie an und wirkte dabei alles andere als entspannt. Die Rothaarige schnaubte. „Wenn das dann alles war…“, brachte sie heraus und wollte ihren Weg fortsetzen, jedoch hatte sie nicht mit der Feuerfaust gerechnet, die sie an ihrem Handgelenk zurückhielt. „Nein, war es nicht. Was auch immer los ist – du kannst mit jedem von uns reden. Das weißt du. Du musst das nicht tun.“ Er deutete auf den Sake in ihrer Hand und machte mit seiner Aussage Nikira rasend. Unwirsch riss sie sich los und fing wütend an: „Lass den Mist, ok? Hör auf, ständig mit diesen sinnlosen Sprüchen anzukommen. Hör auf mich immer anzusehen, als würdest du dir bei jeder Kleinigkeit sorgen um mich machen. Hör auf damit!“ Ohne es zu bemerken, hatte sie angefangen zu zittern. Sie war einfach so unglaublich wütend. Auf ihren Vater, auf die Marine und auf sich selbst. Und Ace, der nichts erwiderte und ihr ruhig zuhörte, half ihr nicht wirklich. „Du nervst mich, Ace! Alles hier nervt mich! Die Vertrautheit, die Unbeschwertheit, die gute Laune. Das bin ich alles nicht gewohnt und ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. Und du machst es nicht besser, indem du mich so ansiehst. Und weißt du wieso? Weil ich es mag so angesehen zu werden.“ Außer Atem ließ sie ihre angespannten Schultern sinken und sah ihm direkt in die Augen. Und Ace? Der handelte mit seinem Herzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)