Something Worth Fighting For von SocialDistortion (»[AcexOC]«) ================================================================================ Kapitel 16: Anniversary ----------------------- Es gab für Nikira eine Zeit im Jahr, in der ihre sonst so sorgfältig verschlossenen Gefühle die Oberhand gewannen. Diese Zeit war schmerzhaft, denn es war schwer die starken Emotionen zu unterdrücken. Vor allem, wenn rundherum unzählige besorgte Blicke zu sehen waren. Um diese zu vermeiden, lag sie mit einem nichtssagenden Blick in ihrem Bett und starrte die Decke an. In ihrem Inneren herrschte ein gewaltiges Chaos und doch fühlte sie sich merkwürdig leer. Nur ihr regelmäßiger Herzschlag erinnerte sie daran, dass sie keine inhaltslose Figur war. Das und der enorme seelische Schmerz, der beinahe unerträglich war. Mit einem dumpfen Gefühl in ihrem Körper krallten sich Nikiras Nägel in das weiße Laken. Dabei schloss sie kurz ihre Augen. Ein Fehler. Wie als würde es gerade vor ihr passieren, flackerten die Bilder vor ihren Augen auf. Zähneknirschend presste sie die Augen fester zusammen und legte ihren Arm über das Gesicht; in der Hoffnung, dass diese Bilder verschwinden würden, aber das taten sie nicht. Stattdessen spielte sich die Tragödie von vor 13 Jahren immer wieder in ihrem Kopf ab. Immer wieder hörte sie den Schrei ihr Mutter; das panische Rufen ihres Vaters und sah ihr fünfjähriges Ich mit weit aufgerissenen Augen vor sich. „Verschwindet aus meinem Kopf“, murmelte Nikira leise und presste ihren Arm fester auf ihre Augen. „Verschwindet aus meinem Kopf“, wiederholte sie mit Nachdruck, zog ihre Beine an und stieß ihre Nägel in die nackte Haut ihres Beines. Sie wollte körperlichen Schmerz spüren, um dem seelischen zu entgehen. Es funktionierte aber nicht. Nachgiebig ließ sie ihren Arm schlaff auf die Seite fallen, um sich auf die Seite zu drehen. Ihr Gesicht vergrub sie im Kissen. „Verschwindet.“ Ihre Stimme klang brüchig und sie verspürte das seltene Brennen, welches sich von ihrer Nase zu den Augen bahnte. Verbissen weigerte sie sich zu weinen. Sie wollte nicht schwach, sondern für ihre Mutter stark sein. Nikira wusste nicht wie lange sie so dalag. Die Minuten waren einfach so an ihr vorbeigezogen. Erst die aufkeimende Übelkeit machte ihr klar, dass sie wieder etwas zu sich nehmen musste. Schwerfällig erhob sie sich und schlurfte zum Waschbecken, welches sich in der kleinen Kajüte befand. Mit beiden Händen umklammerte sie den Keramikrand und hob ihren Kopf. Ihre Haare waren durcheinander und hingen ihr glanzlos ins Gesicht. Auch ihre Augen waren geschwollen, obwohl sie keine Träne vergossen hatte. Ausdruckslos betrachtete sie sich noch eine Weile im Spiegel, ehe sie sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht spritzte und anschließend das Zimmer verließ. Lustlos machte sie sich auf den Weg zum Speisesaal und setzte sich tonlos auf ihren üblichen Platz. Langsam aß sie ein paar Bissen und ignorierte die heimlichen Blicke der anderen. Es war kaum zu übersehen, dass sie keinen großen Drang verspürte mit jemandem zu reden. Deswegen hielten sich die Piraten zurück und dachten sich ihren Teil über ihr Verhalten. Auch Ace sah der Rothaarigen grüblerisch nach, als diese wortlos ihren Teller wegschob und wieder aus dem Saal verschwand. Erst, als Marco ihm auf die Schulter klopfte, wandte sich der Schwarzhaarige zu den Anwesenden am Tisch. „Ich hab gefragt, ob du schon den heutigen Wachdienst eingeteilt hast.“ Auf seine Frage schüttelte Ace den Kopf. „Nein. Ich übernehme ihn selbst.“ Er erhielt ein leichtes Nicken und wandte sich damit wieder seinem Essen zu. Es war spät abends, als Ace gähnend den schwach beleuchteten Gang entlangging. Er hatte einige Stunden auf dem Krähennest verbracht und war dabei beinahe eingeschlafen. Es war definitiv Zeit für eine Portion Schlaf. Träge bog er um die Ecke und betrat den Flur, den er selbst im schlimmsten Rausch erkennen würde. Seine Schritte trugen ihn wie automatisch an den unzähligen Kajüten seiner Divisionsmitglieder vorbei, wurden schlussendlich langsamer und stoppten endgültig, als er an Nikiras Kajüte vorbeikam. Kurz richtete er seinen Blick auf die hölzerne Tür, ehe er seinen Weg seufzend fortsetzte. Er sollte aufhören sich seinen Kopf über die Rothaarige zu zerbrechen. Bereits in den letzten Stunden waren seine Gedanken immer wieder zu der 18-Jährigen gedriftet. Es war zwar nicht so, dass er nicht gerne an sie dachte, aber ihr derzeitiges Verhalten bereitete ihm Kopfschmerzen. Mit gerunzelter Stirn wollte er gerade seine Tür öffnen, als auf einmal ein lautes Scheppern ertönte. Irritiert zog Ace seine Hand zurück und drehte sich um. Das kam doch gerade aus Nikiras Kajüte. Skeptisch überbrückte er die paar Meter und lauschte vor dem Zimmer angestrengt. Nichts. Anscheinend hatte er sich das gerade nur eingebildet und stand jetzt bescheuert vor der Tür herum. „Was tu ich hier eigentlich?“, fragte er sich murmelnd und wollte sich kopfschüttelnd abwenden. Plötzlich ertönte ein Schrei und legte in Ace einen Schalter um. Alarmiert drehte er sich um und riss ohne zu zögern die Tür auf. Mit wachsamen Augen musterte er zuerst die Scherben auf dem Boden und anschließend das Bett. Fassungslos betrachtete er die junge Frau. „Was…?“ Die Rothaarige wälzte sich in ihrem Bett unruhig hin und her. Ihre Haare klebten ihr an der Stirn und ihr Gesicht war zu einer schmerzhaften Maske verzogen. Zwischendurch verließ ein panischer Laut ihre Lippen. Doch das war nicht das, was Ace dazu veranlasste überrascht inne zu halten. Es waren die Tränen, die nasse Spuren auf ihren Wangen hinterließen. Schnell fasste er sich wieder und ging eilig auf sie zu um sich auf das Bett zu knien. Sachte umfasste er ihre Schultern. „Nikira? Wach auf. Du hast einen Alptraum. Hast du gehört?“ Er versuchte sie wachzukriegen, doch sie reagierte nicht. „Nikira! Komm schon! Wach auf!“, zischte er und rüttelte etwas fester an ihrer Schulter. Wieder nichts. Etwas überfordert sah Ace auf sie herab und überlegte, ob er nicht einfach ein Glas Wasser holen sollte, als die Rothaarige sich plötzlich keuchend aufrichtete. Panisch wanderten ihre Augen durch den Raum. Unzählige Gedanken schossen ihr durch den Kopf und ihr Herz raste. Es wollte sich nicht beruhigen und verursachte einen unangenehmen Druck in ihrer Brust. Erst, als Ace sanft ihr Gesicht mit seinen Händen umfasste, begann ihr Puls zu sinken und auch ihr Herz wieder im normalen Rhythmus zu schlagen. „Alles ok?“, fragte der Schwarzhaarige sachte und suchte besorgt in ihrem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen, was sie geträumt haben könnte. Natürlich vergebens. „Was…?“ Die Rothaarigen war verwirrt und suchte leicht abwesend den Blickkontakt zu Ace, der keine dreißig Zentimeter von ihr entfernt saß. Seine Hände verursachten ein angenehmes Prickeln auf ihrer Haut und für einen kurzen Moment verschwand das beklemmende Gefühl. Allerdings nicht für lange, denn Ace zog seine Arme zurück und schaffte ein wenig Abstand zu der Frau. Zur selben Zeit war das Chaos in ihrem Inneren zurück. „Du hast schlecht geträumt und geschrien“, erklärte er ihr und musterte sie prüfend. Ihre Augen waren leer. Kein Anzeichen von der Nikira, die er kannte und das beunruhigte ihn. Und es wurde nicht besser, als sie ihren Kopf senkte und eilig aufstand, ohne etwas zu sagen. Die Tränen waren bereits getrocknet, als sie sich langsam in Bewegung setzte und aus der Kajüte verschwand. Verwirrt und gleichzeitig besorgt, ging Ace ihr hinterher. In diesem Zustand konnte und wollte er sie nicht alleine lassen. Stumm folgte er ihr aufs Deck und beobachtete Nikira mit einem Abstand dabei, wie sie auf den Walkopf stieg und sich einfach hinsetzte. Er haderte mit sich selbst, da er nicht wusste, ob er es ihr gleichtun sollte. Wirklich helfen konnte er ihr nicht, aber wenn er daran dachte, dass sie in den letzten Tagen oft genug alleine war, wurde ihm schwer ums Herz. Entschlossen ging er auf Nikira zu, die gar nicht richtig wahrnahm, dass er sich ebenfalls auf den Walkopf setzte. Ace sagte nichts; wollte sie nicht dazu zwingen ihm zu erzählen, was hinter dem ganzen steckte. Deswegen wartete er einfach. Untypisch geduldig für den Piraten, lauschte er einfach dem Meeresrauschen und hing seinen Gedanken nach. Keine Ahnung wie lange es dauerte, aber irgendwann fing sie an zu erzählen. Ihre Stimme war dabei leise. „Vor genau 13 Jahren ist meine Mutter gestorben. Meinetwegen.“ Ohne etwas zu erwidern, sah Ace sie von der Seite an. Ihm kam es vor, als würde Nikira ihn gar nicht richtig wahrnehmen. Als wäre sie gerade in ihrer eigenen Welt, die voller Trauer und Schmerz war. Er konnte nur erahnen, wie sie sich fühlen musste. Tonlos setzte sie schließlich fort: „Es war ein ziemlich warmer Sommertag und mein Vater war seit längerem wieder mal zuhause. Aufgrund seiner Arbeit war er oft unterwegs, deswegen wollten wir den Tag auskosten und in die Stadt gehen. Es war ziemlich viel los.“ Kurz machte sie eine Pause, zog ihre Knie an ihren Körper und umschlang diese mit beiden Armen. Es hatte etwas Tröstendes an sich, fand sie. „Meine Mutter…Minako. Sie wollte nie, dass ich mich mehr als zehn Meter von ihr entferne. Das hat mich immer furchtbar genervt. Immerhin haben sich meine Eltern einfach nicht beeilt.“ Nikira lächelte bitter, wurde aber gleich wieder ernst. „Irgendwann bin ich dann einfach vorausgelaufen und habe die Rufe meiner Eltern ignoriert. Wenn es um Ballons ging, habe ich schon immer alles stehen und liegen gelassen. Als ich fasziniert die verschiedenen Formen betrachtet habe, hörte ich auf einmal lautes Geschrei. Naiv wie mein 5-jähriges Ich war, mied ich nicht den Lärm, sondern suchte ihn. Ihn und meine Eltern. Ich drängte mich durch die Menge. Es war nicht einfach mit meiner Größe durch all die Erwachsenen zu kommen und wenn ich recht überlege, wäre es mir lieber gewesen, ich wäre nie bis nach vorne gekommen.“ „Du musst nicht weitererzählen“, meinte Ace auf einmal sachte, doch Nikira ignorierte ihn einfach bewusst. Sie musste es einfach erzählen. „Ich weiß noch wie ich dort stand. Mit großen Augen sah ich ihn die Mitte des Kreises, wo ein großer Mann meine Mutter mit einer Waffe bedrohte. Sie stand mit dem Rücken dicht bei ihm und umklammerte panisch den Arm des Mannes, der sich um ihren Hals gelegt hatte. Mein Vater hat währenddessen alles versucht ihn zu beruhigen und eine Lösung auszuhandeln, aber er hörte nicht. Ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken, nahm ich den erstbesten Gegenstand vom Boden und schmiss ihn an den Kopf des Mannes der meine Mutter bedrohte. Natürlich wurde er dadurch noch wütender, aber das verstand ich nicht wirklich. Deswegen blickte ich ihm trotzig ins Gesicht. Nur meine Tränen verrieten meine Furcht. Aber das war nichts im Vergleich zu der Angst, die meiner Mutter ins Gesicht geschrieben war. Plötzlich hatte nämlich ich die ungeteilte Aufmerksamkeit des Mannes.“ Nikiras Stimme klang bitter und Ace hatte eine ungefähre Ahnung was als nächstes kam. „Er schrie mich an, fuchtelte mit seiner Pistole herum und auf einmal zeigte der Lauf der Waffe in meine Richtung. Das war der Moment, indem meine Mutter sich dafür entschied, ihr Leben für meines zu geben. Unfähig mich zu bewegen sah ich zu, wie sie sich losriss und sich ihm einfach in den Weg stellte. Wie sie einfach beschloss zu sterben, ohne auch nur einmal zu fragen, ob das für meinen Vater und für mich in Ordnung war.“ Die Rothaarige wurde zum Schluss hin wütend. „Sie war weg. Einfach so. Und es war meine Schuld“, brachte sie abwesend heraus. Ace wollte seinen Arm um sie legen, überlegte es sich aber anders. „Es war nicht deine Schuld, Nikira.“ „Versuch nicht mich vom Gegenteil überzeugen zu wollen, Ace“, fing sie an und wandte anschließend ihren Kopf zu ihm. Der Schwarzhaarige erwiderte ihren Blick und war überrascht über den Ausdruck in ihren Augen. „Ich weiß wie die Realität aussieht und in dieser Realität ist es nun Mal mein Verschulden. Das seh ich so und mein Vater erst recht.“ Der Blick von Nikira war voller Überzeugung und Ace fragte sich wieso. Mag sein, dass sie unüberlegt gehandelt hatte, aber sie war verdammt nochmal ein Kind gewesen! Es war nicht ihr Fehler und doch nahm sie all die Schuld auf sich. Aber ihr Vater sah das anscheinend anders. Der Schwarzhaarige seufzte. Er hatte so viele Fragen an die junge Frau neben ihm, doch dafür war nicht der richtige Zeitpunkt und deswegen saßen sie stumm nebeneinander und genossen einfach die Brise und das Rauschen des Meeres auf dem Blauwalkopf der Moby Dick. 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