Zwischen den Welten von Shizana (Das Mary Sue-Projekt) ================================================================================ Kapitel 20: Aussprache mit Ukyo ------------------------------- Ich kann noch immer nicht glauben, was passiert ist. Wie ist das möglich? War ich unvorsichtig, als ich die Schranktür geöffnet habe? Der laute Krach hat dafür gesorgt, dass auch Waka und Ikki auf den Unfall aufmerksam geworden sind. Die Küche ist zu klein, um so viele Personen zu beherbergen. Der Raum wirkt eng bei vier Leuten. Zum Glück bin ich ohnehin nicht imstande, mich groß von der Stelle zu bewegen. „Was ist passiert? Lagebericht!“, fordert Waka im schroffen Tonfall. Ich bezweifle, dass er sich wirklich Sorgen macht. „Wir haben die Inventur gemacht“, beginnt Kento zu schildern, seine Stimme ruhig und beherrscht wie immer. „Shizana hat die neuen Arbeitsmaterialien eingeräumt. Als sie an den oberen Schrank ging, um die neuen Schüsseln einzusortieren, kam die Eisenpfanne herunter. Ich habe es noch rechtzeitig gesehen und konnte sie vor Schlimmerem bewahren. Es war Glück.“ Glück? Wie kann Kento nur von »Glück« sprechen? Der Fußboden ist ein Massaker! Die Pfanne hat einiges an Geschirr mitgerissen und eine fiese Schramme am unteren Schrank hinterlassen. Vielleicht war das auch zum Teil meine Schuld, das weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall ist ein nicht geringer Schaden entstanden, der nicht zu ignorieren ist. Wir können höchstens von Glück reden, dass das Café noch nicht geöffnet hat. Ich will mir nicht ausmalen, wie viel des Lärms bis in den Vorderraum gedrungen ist. „Ist jemand zu Schaden gekommen?“ „Wir sind beide unversehrt. Es wurde nur Materielles beschädigt.“ „Gut.“ Waka nickt auf Kentos Erklärung hin. Anschließend senkt er den Blick und betrachtet das Ausmaß des Schadens, ohne eine Miene zu verziehen. „Als Erstes müssen die Scherben vorsichtig und sorgfältig aufgeräumt werden. Benutzt Hilfsmittel und Handschuhe dafür. Ich will nicht, dass sich jemand an ihnen verletzt. Die aufgeschlagene Bodenstelle muss sicher abgedeckt werden. Sie stellt ein Risiko dar, dass jemand stolpert und zu Fall kommt. Ich werde jemanden kommen lassen, der sich das ansieht. Anfallende Kosten trage ich.“ Mich befällt ein schlechtes Gewissen. Wie teuer ist wohl solch eine Reparatur? Bestimmt nicht billig, wenn sie von einem Spezialisten vorgenommen wird. Es sind zwar nur ein paar Fliesen beschädigt, aber trotzdem. „Die Hauptsache ist, dass niemand verletzt wurde“, verkündet Waka. Sein wacher Blick ruht auf uns. „Kento, du hast richtig reagiert.“ „Gut gemacht, Ken.“ Ich sehe, wie Ikki dem Freund ein anerkennendes Nicken zeigt. Anschließend sieht er zu mir. „Alles okay bei dir?“ Ich nicke knapp. „Alles okay, nichts passiert. Ich bin nur erschrocken.“ „Ich frage mich, wie so etwas passieren konnte“, überlegt Ikki laut. Seine Haltung ist abwehrend, wie er die Arme vor dem Körper verschränkt hält. Sein besorgter Blick ruht auf der felgengroßen Pfanne, deren gewölbte Form an die eines Wok erinnert. „Diese Pfanne wiegt einiges in der Hand. Wie konnte die einfach so herunterstürzen?“ „Die Frage ist doch, wie kommt es in erster Linie, dass sie auf einem so hohen Platz stand?“, wirft Kento ein. Ich beobachte von der Seite, wie er ebenfalls die Arme verschränkt und prüfend in die Runde sieht. „Meines Wissens gehört sie dort nicht hin. Eben genau aus diesem Grund, um einen Vorfall wie diesen zu vermeiden. Aufgrund ihres hohen Gewichts steht sie für gewöhnlich immer im unteren Schrank und wird nur hervorgeholt, wenn sie benötigt wird. Shin-kun und ich schauen immer, dass alles am richtigen Platz ist. Was wir nicht brauchen, räumen wir ordentlich weg. Schon allein des Platzes wegen, den wir in der Küche brauchen, um zu zweit gescheit arbeiten zu können.“ „Vielleicht hat Shin sie dort hingestellt? In der Eile vielleicht, weil er den Platz brauchte?“ „Ausgeschlossen“, weist Kento entschieden zurück. „Der Letzte von uns beiden, der in der Küche war, bin ich gewesen. Das war am Sonntag, als ich noch einmal geprüft habe, ob alle nichtbenötigten Geräte vom Strom sind. Es war kurz vor meinem Aufbruch. Shin-kun war zu dieser Zeit nicht mehr im Meido.“ Darauf wechselt sein Blick von Ikki zu Waka. Der feste Ausdruck auf seinem Gesicht bleibt unverändert. „Das war das letzte Mal, dass einer von uns in der Küche war. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass alle verwendeten Arbeitsmaterialien zum Ladenschluss an ihrem richtigen Platz waren. Seitdem hat niemand von uns Schicht gehabt. Die Frage ist also, wer hat ihren Standort verändert? Von allein wird sie sich nicht auf den Schrank gezaubert haben.“ „Ich war das“, ist es Waka, der gesteht. „Ich habe heute Morgen mit der Inventur begonnen. Die Pfanne ist noch zu gebrauchen. Ich wollte verhindern, dass sie versehentlich abhandenkommt. Ein Ersatz wäre zu kostspielig gewesen.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe. Mir liegt ein Kommentar auf der Zunge, den ich nur mit Mühe zurückhalten kann. Neben mir seufzt Kento einmal lang und schwer. „Dachte ich es mir.“ Darauf beobachte ich, wie er den Blick erneut in Wakas Richtung hebt. „Du warst der Einzige, der seitdem die Küche in Verwendung hatte. Sowohl Shin-kun als auch ich sind am Montag verhindert, weswegen keiner von uns an diesem Tag die Küche bedient. An den Dienstagen habe ich meinen festen Rhythmus, wann ich an der Universität beschäftigt bin und wann ich in der Frühschicht aushelfe. Shin-kun nimmt ausschließlich den Donnerstag und Freitag für die Frühschicht, da er an diesen Tagen flexible Kurse hat. Folglich warst du der Einzige, der seit meinem letzten Sicherstellen der Ordnung etwas verändert haben könnte.“ Ich blinzle überfordert. Kurz frage ich mich, ob Kento den Schichtplan aller Angestellten auswendig gelernt hat, dass er das alles weiß. Bewundernswert, und irgendwie unheimlich zugleich. Ich erinnere mich, dass er mir beim letzen Mal auch genau geschildert hat, wie meine Donnerstagsschichten auszusehen haben. „Es sei denn, wir hätten Handwerker oder Ähnliches dagehabt“, wirft Ikki ein. „Darüber hättest du mich bei meiner Ankunft in Kenntnis gesetzt.“ „Wohl wahr.“ „Demzufolge“, wendet sich Kento wieder Waka zu, „muss ich dich daran erinnern, dass ein Hochstellen eines schweren Gegenstandes auf einer Ablage, höher eines Meters ohne verfügbarer Sicherheitsvorkehrung, gegen die Vereinbarung zum Arbeitsschutz von Mitarbeitern verstößt.“ Mit großen Augen sehe ich Kento an. Hat er es gerade wirklich gewagt, das Handeln unseres Bosses infrage zu stellen? Mehr noch, er klagt ihn darauf an. Sicher, er hat recht, aber … Wakas Blick wird schmal. „Möchtest du mir damit sagen, dass ich einen Fehler begangen habe?“ „So ist es“, bestätigt Kento und nickt. „Tatsächlich? Einen Fehler … Verrat … Unverzeihlich.“ Er schließt die Augen. Langsam, Knopf um Knopf, lockert er die Ärmel seiner Butleruniform, krempelt den vornehmen Stoff zurück. „Verrat muss gesühnt werden.“ Während ich mich noch frage, was er da macht, spüre ich, wie jemand nach meiner Hand greift. „Komm mit“, spricht Ikki mir zu und zieht mich von meinem Fleck. „Das willst du dir nicht ansehen. Viel Erfolg, Ken.“ „Ikkyu? Was …?“ Irritiert folge ich Ikki aus der Küche. Fragen türmen sich in mir auf, die sich von selbst beantworten, als ich Waka hinter mir höre: „Ich habe meine Kameraden in Gefahr gebracht. Auf diesen Verrat steht die höchste Strafe! Ich bin als Chef unwürdig!“   „Ist Waka-san okay?“ „Mach dir um ihn keine Sorgen“, spricht Ikki ruhig. Inzwischen haben wir den Pausenraum betreten, wo er mich zu der Sitzbank führt. „Das ist hier ganz normal. Er wird sich schon wieder fangen.“ „Hätten wir Kento wirklich mit ihm allein lassen sollen?“ „Naja, er hat es heraufbeschworen. Soll er sehen, wie er mit ihm fertig wird.“ „Denkst du denn, das kriegt er hin?“ „Wer weiß, wir werden sehen“, scherzt er amüsiert. Witzig finde ich es nicht. „Mach dir keine Sorgen. Ich schlage vor, du setzt dich erst einmal und ruhst dich ein wenig aus. Das muss ein Schock für dich gewesen sein. Soll ich dir etwas bringen, damit du zur Ruhe kommst?“ Ich schüttle den Kopf. „Nein, geht schon, danke. Mir geht’s gut soweit.“ „Wirklich? Dann bin ich erleichtert.“ „Mir tut nur der ganze Tumult leid. Ich hätte vielleicht besser aufpassen sollen.“ „Gib dir nicht die Schuld. Die Pfanne hätte erst gar nicht dort oben stehen dürfen.“ „Vielleicht, aber ich hätte trotzdem aufpassen müssen.“ „Ich bin froh, dass Ken so gute Reflexe hat. Das macht ihn zum Held des Tages. Fast beneide ich ihn.“ Seine gemurmelten Worte lassen mich fragend zu ihm sehen. Wie schon die ganze Zeit vermeide ich es tunlichst, ihm in die Augen zu sehen. Noch bevor ich etwas sagen kann, setzt er ein abtuendes Lächeln auf. „Nur ein Scherz.“ Darauf wendet er sich ab und entfernt sich. „Ruh dich aus, überlass alles andere mir. Ich sehe eben nach den anderen beiden. Vielleicht kann ich bei etwas helfen.“ „Ich kann im Café vorbereiten“, werfe ich ein. „Ich bin vorne so gut wie fertig. Du brauchst dich nicht kümmern.“ „Na schön“, gebe ich bei. Nur widerwillig sehe ich zu der Bank, auf welche ich mich schließlich setze. Mein Blick geht zu dem freien Platz neben mir. Jene Bilder von vorhin kommen mir wieder in den Sinn. Dort hatte Ikki gesessen. Er war niedergeschlagen gewesen und ich hatte ihn getröstet. Ob das wirklich passiert ist, weiß ich nicht. Doch gemessen an dem, was ich weiß, besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine Erinnerung handelt. Nicht von mir, sondern von meinem anderen Ich. Irgendwie klingt das absurd. Es ist vielleicht weit hergeholt, aber ich kann es nicht ausschließen. Gehe ich davon aus, dass das der Fall ist … „Ikki?“ „Hm? Was ist?“ Bei der Tür bleibt er stehen und dreht sich nach mir um. Ich sehe auf. „Das ist vielleicht etwas random, aber … Ist bei dir alles okay?“ Seine Reaktion ist exakt die, die ich erwartet habe. Verwunderung spiegelt sich auf seinem Gesicht. Ich kann sie ihm nicht verübeln. „Bei mir? Alles okay. Wieso fragst du?“ „Ich dachte nur … ach, egal“, erkläre ich ausweichend. Ich komme mir selbst blöd vor, so etwas in dieser Situation zu fragen. Er ist nicht derjenige, der vor wenigen Minuten knapp von einer Pfanne erschlagen wurde. So dumm, wirklich. „Gibt es etwas, worüber du reden möchtest?“ ‚Ja‘, schreit mein erster Impuls. Es gibt viel, so viel, worüber ich gern mit ihm reden würde. Dinge, die ich ihn gern fragen würde. Aber so aus dem Stehgreif käme das doof. Dies dürfte zudem nicht der richtige Zeitpunkt dafür sein. „Nein“, sage ich und schüttle den Kopf. „Schon gut. Vergiss es.“ „Sicher?“ „Ja.“ Ich ringe mir ein bekräftigendes Lächeln ab. „Hm. Wenn du es dir anders überlegen solltest, lass es mich wissen.“ Schon verlässt er den Raum und zieht die Tür hinter sich zu. Ich stoße ein langes Seufzen aus. In vornüber gebeugter Haltung lasse ich den Kopf hängen und fahre mit den Fingern in mein Haar. Im Augenblick weiß ich nicht, was ich denken soll. Es ist einfach alles zu viel.   Die ersten Kunden lassen nicht lange auf sich warten, kaum dass wir das Meido geöffnet haben. Bis zum Nachmittag ist es entspannt und die Arbeit vermag mich erfolgreich abzulenken. Ab dann jedoch wiederholt sich, was ich allmählich gewohnt bin. Es ist einfach immer dasselbe, wann immer ich mit Ikki zusammen Schicht habe. Bald besteht der größte Anteil unserer Gäste aus weiblicher Kundschaft. Ein Blick durch die Reihen lässt vermuten, dass es sich bei den meisten um Studentinnen handelt. Einige der Gesichter erkenne ich wieder. Dieser dämliche Fanclub hat offenbar nichts Besseres zu tun, als seinem Idol jederzeit an der Hacke zu kleben. Ein guter Grund, mich zurückzuhalten. Ich stehe jetzt schon im Visier der Mädchen, was mich stresst. Es ist anstrengend, ungerührt zu tun, wenn jede meiner Bewegungen unter größter Achtsamkeit geschieht. Ich wünschte wirklich, sie würden wieder gehen und nie wieder kommen. Zu meinem Bedauern weiß ich, diesen Gefallen werden sie mir nicht tun. Dank der unfairen Arbeitsaufteilung habe ich zu viel Zeit. Ich übernehme mehr Abwasch, als dass ich bediene. Leise wünsche ich mir Toma herbei, oder gern auch Sawa. Mit ihnen hätte ich mich wenigstens unterhalten können. Ikki wage ich nicht anzusprechen und Kento ist die ganze Zeit von Waka belagert. So bleibt mir nur die Hoffnung auf ein schnelles Zeitverstreichen. Ich will nach Hause und mich verkriechen, einfach weil. Doch wenn ich so darüber nachdenke … Wird es mir dann wirklich besser gehen? Mein Blick schweift zu dem Kalender und bleibt daran haften. Eine Woche ist vergangen, seit ich in diese Welt gekommen bin. Eine Woche auf den Tag genau. Hier zu stehen und dies zu erkennen, löst ein beklemmendes Gefühl in mir aus. Was habe ich in dieser Zeit erreicht? Wie viel habe ich erfahren, wie viel gelernt? Irgendwie nichts. – Das stimmt nicht, ich weiß. Es fühlt sich allerdings so an. Alle Informationen, die ich bislang gesammelt habe, helfen mir in keinster Weise weiter. Sie beantworten mir weder, wie ich hergekommen bin, noch wie ich wieder nach Hause komme. Auch sagen sie mir nicht, warum ich überhaupt hier bin. Ich weiß lediglich, dass mich ein Geistmädchen versehentlich hierher verfrachtet hat. Nun ja, immerhin etwas. Daraufhin habe ich den Platz meines Offenbar-Vorgänger-Ichs eingenommen, wo auch immer dieses hergekommen ist. Dadurch habe ich die kuriosesten Dinge erfahren, wovon die meisten keinen Sinn machen. Super, das hilft mir alles nicht weiter. Im Gegenteil, es macht alles nur noch schlimmer. Ich stehe bei Null, nach wie vor. Vielleicht habe ich mich nicht genug bemüht. Ich gebe zu, aus Vorsicht zu wenig Fragen gestellt zu haben. Vielleicht wird es Zeit für einen Taktikwechsel. Ich will doch meine Katze wiedersehen. Ich will wieder meine Musik hören können. Ich will tun, was ich immer getan habe und gewiss sein, dass ich einen festen Platz im Leben habe. Aber das wird nicht gehen, wenn ich immer nur auf Gelegenheiten warte. Ein vorsichtiger Blick in Ikkis Richtung lässt mich zweifeln. Nach Hause zu wollen bedeutet, diese Welt hinter mir zu lassen. Ich werde nie mehr hierher zurückkommen können. Vielleicht werde ich sogar vergessen, dass ich hier war. Wenn ich Glück habe, wird ein leeres Gefühl in mir zurückbleiben. Ähnlich als sei ich aus einem Traum erwacht, an den ich mich nicht mehr erinnern kann. Ich weiß nicht, ob ich das will. Der Gedanke, zu gehen ohne etwas von mir zurückzulassen, schmerzt. Nichts von dem, was ich hier erlebt habe, mitnehmen zu können … Es kommt einem Tod gleich. Genau das ist es, was ich im Bezug aufs Sterben am meisten fürchte: dass nichts bleibt. Bin ich erst wieder zu Hause, gibt es kein Zurück mehr. Ich werde Ikki und die anderen niemals wiedersehen. Wir werden nie wieder reden und etwas zusammen erleben können. Alles, was dann noch bliebe, wäre das Fiktive von ihnen. Ich glaube nicht, dass ich dafür bereit bin. Es gibt so viel, was ich so gern tun und ihnen sagen würde … So eine Gelegenheit bietet sich mir nie wieder.   Nach meiner Pause kehre ich ins Café zurück. Ich bin überrascht, als sich mir Waka in den Weg stellt. Es macht den Anschein, als hätte er im Flur auf mich gewartet. „Du hast Feierabend“, verkündet er mir. Irritiert hebe ich die Augenbrauen. „Wie? Jetzt schon?“ Mein letzter Blick zur Uhr hatte mir eine Zeit von halb sechs verraten. Es konnte jetzt kaum später als dreiviertel sein. Viel zu früh, um schon von Feierabend zu sprechen. Das Meido hat noch mehr als zwei Stunden geöffnet. „Du siehst erschöpft aus. Ich verlange, dass du dich ausruhst. Ich übernehme ab hier.“ Wie jetzt? Waka will allen Ernstes meinen Job machen? Aber … das ist irgendwie entwürdigend. „Mir geht es gut“, beteuere ich. „Ich bin nicht erschöpft oder so. Die meiste Arbeit hat Ikki. Ich kann getrost noch die paar Stunden bleiben.“ „Es ist einstimmig entschieden“, erklärt er. „Ich habe bereits mit Kento und Ikki gesprochen. Wir erwarten, dass du bis zu deinem nächsten Einsatz wieder fit bist.“ Wie, er hat mit ihnen gesprochen? Einstimmig entschieden? Wie wäre es, wenn man mich mit einbindet? „Wieso?“ „Ken und Waka-san sind besorgt um dich“, höre ich Ikki leise neben mir sagen. Ich habe nicht bemerkt, wie er von der Bedienung zu uns zurückgekehrt ist. Er besieht mich lächelnd, worauf ich meinen Blick senke. „Dasselbe gilt für mich. Die Arbeit macht dir nach dem Vorfall vorhin zu schaffen, nicht?“ „Wie kommst du darauf?“, presse ich heraus. „Du wirkst sehr niedergeschlagen. Ken sagt zudem, dass du bereits bei deiner Ankunft nicht gut ausgesehen hast. Vielleicht waren die letzten Tage etwas viel für dich.“ ‚Das war doch etwas ganz anderes!‘, will ich am liebsten sagen, verkneife es mir jedoch. In diese Erklärnot will ich wirklich nicht geraten. Aber verdammt nochmal, Kento! Leg dir doch nicht einfach irgendwelche Dinge zurecht! „Mir geht es wirklich gut“, versuche ich es ein letztes Mal. All meine Hoffnung baut auf Waka. „Ich kann gern noch bleiben. So lange ist es nicht mehr.“ „Shizana“, betont Waka ruhig, doch streng. „Mach Schluss für heute. Ich bestehe darauf.“   Na wunderbar. Und wieder habe ich es glorreich geschafft, mir einen Tag mit Ikki und Kento zu vermasseln. Weder habe ich mit Kento gesprochen, noch konnte ich die Zeit mit Ikki genießen. Wie immer. Ich habe einfach nichts erreicht, dafür mal wieder eine Gelegenheit in den Sand gesetzt. Wäre nur dieser dumme Unfall nicht gewesen. Wieso hatte mich Kento auch an Ikki verpetzen müssen? Er hat mein Schwächeln vollkommen falsch gedeutet. Aber wie hätte ich erklären sollen, was wirklich mit mir los war? Zudem muss mich Ikki die ganze Zeit heimlich in meinem Trübsinn beobachtet haben. Ja klar, wenn man das alles zusammenzählt, können schon falsche Eindrücke entstehen. Boah, das macht mich so unglaublich wütend! Mir rennt die Zeit davon, verdammt nochmal! Jeder Tag hier könnte mein letzter sein. Missmutig trotte ich die Straßen entlang. Ich weiß nicht, auf wen ich meinen Ärger richten soll. Eigentlich bin ich ja selbst schuld. Hätte ich mich nur besser im Griff … Würde ich nur rechtzeitig für Klarheit sorgen … „Nanu? Shizana?“ Beim Klang meines Namens stoppe ich und drehe mich herum. Ich staune nicht schlecht, als ich nur wenige Meter weiter Orion entdecke, der eilig auf mich zukommt. „Was machst du denn hier? Bist du schon fertig mit der Arbeit?“ „Dasselbe könnte ich dich fragen“, gebe ich zurück, wobei ich Orion prüfend mustere. Der Kleine hält einige Tüten in seiner Hand, die nicht sehr schwer aussehen. Ich frage mich, was sich in ihnen befindet. „Warst du einkaufen? Woher hast du das Geld und hast du überhaupt einen Schlüssel dabei?“ „Oh, Ukyo hat mich darum gebeten“, erklärt er schnell und grinst breit. „Er ist schon zu Hause, weißt du? Er hat sich wirklich beeilt, schnell zurück zu sein und sein Versprechen zu halten. Wir wollten dich mit einem leckeren Abendessen überraschen … Oh nein, jetzt habe ich es verraten!“ Sein entsetztes Gesicht lässt mich schmunzeln. „Ich habe nichts gehört, okay? Soll ich dir vielleicht beim Tragen helfen?“ „Brauchst du nicht“, weist er zurück. „Es ist nicht schwer. Kommst du denn jetzt mit nach Hause?“ „Denke schon. Was anderes fiele mir zumindest nicht ein. Oder soll ich lieber noch etwas warten und erst später kommen? Ich meine, wenn es eine Überraschung werden sollte …“ „Nein, komm ruhig mit!“, sagt er schnell. Seine freie Hand umfasst meine, als fürchte er, ich könne plötzlich verschwinden. „Das ist sogar ganz gut. So weiß ich, dass du sicher nach Hause kommst und Ukyo muss sich keine Sorgen machen. Dir kann nichts passieren, wenn ich bei dir bin, nicht?“ Ich verkneife mir, ihn auf den Autounfall hinzuweisen. Das ist etwas, woran ich mich am liebsten nicht mehr erinnern würde. Zudem wäre es fies, ihn dafür verantwortlich zu machen. Spaß oder nicht, darüber scherzt man nicht. Orion trägt keine Schuld und hätte ich nur auf ihn gehört, wäre es niemals passiert. „Na schön, auf deine Verantwortung. Was hast du denn Schönes gekauft?“   Ich erfahre während unseres gemeinsamen Heimweges, dass Orion verschiedenes Gemüse und Fisch geholt hat. Wofür das sein soll, will er mir partout nicht verraten. Es ist niedlich, wie er versucht, ein großes Geheimnis aus seinem und Ukyos Vorhaben zu machen. Ich bin zugegeben neugierig, was sie für mich geplant haben. Aber das werde ich schon früh genug erfahren. Zum wiederholten Male fragt mich Orion, wieso ich schon so früh Schluss habe. Ich hapere mit meiner Antwort. Die Wahrheit würde ihn bestimmt bestürzen. Ich bin nicht wirklich erpicht, dass sich wieder jeder um mich sorgt. Also entscheide ich mich für eine Ausrede, so leid es mir für Orion tut. Ich erzähle, dass es mir nicht besonders gut ging und schiebe es auf das Wetter. Es war den ganzen Tag trüb und grau gewesen, und kalt. Genau die Art Wetter, die mir gern aufs Gemüt schlägt, was nicht gelogen ist. Ich habe mich antriebslos gefühlt und die anderen haben es mitbekommen. Waka hat mir darauf einen frühen Feierabend angeboten. Als Ausgleich für die Mehrarbeit, die ich in Vertretung für Hanna geleistet habe, ergänze ich vorsichtshalber. „Das ist wirklich nett von ihm“, befindet Orion, nachdem ich meine Geschichte beendet habe. Ich grinse vertuschend. „Oder er will nur etwas Geld an mir einsparen. Nicht, dass er noch wegen mir pleitegeht.“ „Das glaube ich nicht. Er hätte doch dasselbe an Hanna bezahlt, wenn sie dagewesen wäre, oder nicht?“ „Schätze schon. Hm, oder ich kratze mit meinen Stunden am vereinbarten Maximum. Bei meiner alten Arbeit durfte ich auch nur eine bestimmte Anzahl an Stunden in der Woche gehen. Darüber hinaus hätte es gegen meinen Arbeitsvertrag verstoßen oder den Arbeitsschutz oder so.“ „Da kenne ich mich leider nicht so gut aus.“ „Nicht schlimm. Hm, ich frage mich ja, wie gut ich im Meido eigentlich verdiene“, überlege ich laut. „Ist es nicht nur Teilzeit, was ich gehe? So viel kann da doch nicht herauskommen, oder?“ „Schätze nicht. Du gehst in der Regel drei Tage die Woche dort arbeiten“, erklärt Orion mir. „Manchmal springst du auch ein, wenn jemand ausfällt. Aber soweit ich weiß, hast du noch eine zweite Arbeit.“ „Ach echt?“, stoße ich überrascht aus. Fragend sehe ich Orion an. „Ja. Du schreibst doch, oder nicht?“ „Ähm, ja? Aber … was willst du damit sagen?“ „Na, dass du noch mit dem Schreiben Geld verdienst. Ich weiß nicht genau, wie man das nennt … aber du hast es mir mal erzählt.“ So? Habe ich das? „Davon weiß ich gar nichts“, sage ich leise und sehe auf die Straße. Neue Sorgen befallen mich. „Bin ich Autor? Habe ich einen Vertrag mit einem Verlag?“ „Hm, nein. Es war etwas anderes.“ Er schweigt einen Moment, während er nachdenkt. „Du schreibst im Auftrag für andere. Du hast mir mal gesagt, wie das heißt … Hm, etwas mit Ghost. Ghost… Ghostwriting oder so was?“ „Ghostwriting?“ Ich denke nach. Den Begriff habe ich schon einmal gehört. „Hm, ja, das kommt hin. Soweit ich weiß, schreibt man als Ghostwriter im Auftrag für andere, die es selbst nicht können. Man übernimmt Skript und alles von anderen und liefert das Werk beim Auftraggeber ab. Aber ich kenne mich nicht wirklich damit aus. Wie bin ich denn auf diese Idee gekommen?“ „Ich glaube, Ukyo hat dir dabei geholfen.“ „Ach wirklich?“ Das überrascht mich. Niemals hätte ich Ukyo zugetraut, dass er sich mit solchen Dingen besser auskennt als ich. „Frag ihn am besten. Jetzt, da du weißt, dass du ihm nicht alles über dich verheimlichen musst, wird es dir bestimmt helfen. Du brauchst keine Angst zu haben.“ „Das sagst du so leicht … Ich habe sie trotzdem.“ Bedrückende Stille kehrt zwischen uns ein. Sie endet erst, als ich Orions warme Hand um meine spüre, was mich zu ihm sehen lässt. „Ich weiß, dass du Angst hast. Bestimmt fühlst du dich einsam. Aber du bist nicht allein in dieser Welt“, spricht er sanft und lächelt ermutigend. Sein Griff um meine Hand wird fester, sicherer. „Vertrau mir. Ich bin hier und passe auf dich auf. Und vergiss Ukyo nicht, er war die ganze Zeit bei dir.“ Ich will lächeln, kann es aber nicht. Stattdessen nicke ich schwach. „Ich versuch’s.“   Kaum zu Hause angekommen, hat es Orion sehr eilig, vor mir ins Wohnzimmer zu kommen. Ich kann mir denken, dass er Ukyo meinetwegen vorwarnen will. Ein wenig komme ich mir wie ein Eindringling vor. Ich lasse mir bewusst Zeit, mich meiner Straßenkleidung zu entledigen, ehe ich den Flur verlasse. „Du bist schon da?“, werde ich postwendend aus der Küche begrüßt. Ich höre sofort, dass Ukyo nicht minder überrascht ist, wie Orion es war. „Ja, ich wusste es selbst nicht vorher. Störe ich?“ „Nein, wie kommst du darauf?“, sagt er schnell. Er lässt liegen, was immer er gerade gemacht hat, und kommt zu mir herüber. „Ich bin nur überrascht,  aber es freut mich. Wie kommt es, dass du schon Schluss hast?“ „Waka hat mich eher gehen lassen“, antworte ich knapp. Für einen Moment bin ich abgelenkt, als ich Ukyo vor mir betrachte. Ich mustere ihn eingehend, bis mir wieder einfällt, dass ich ihm nicht fertig geantwortet habe. „Ich war nicht so auf der Höhe wegen dem Wetter. Und weil ich die letzten Wochen so eifrig war, durfte ich heute früher gehen. Sag mal, warst du duschen?“ Diese Frage ist unnötig. Auch ohne Ukyos Bestätigung wäre ich gewiss gewesen. Ich erkenne, dass seine Haarspitzen feucht sind. Von ihm geht ein frischer Duft aus, den ich ohne Zweifel unserem Kräuter-Shampoo zuordnen kann. Nicht das, was ich gerne verwende, aber an ihm wirkt der Duft ausgesprochen wohltuend. „Fanservice, hm?“, raune ich genüsslich. Provozierend starre ich auf den V-Ausschnitt seines Hemdes, welches ohne Krawatte und Jacke einen Knopf mehr als sonst Haut zeigt. „Das wäre doch nicht nötig gewesen, Ukyo. Ich freue mich auch so, dich zu sehen.“ „W-was?“, gerät er ins Stammeln. Sein Blick folgt meinem, worauf er sich wegdreht. Ich ahne anhand seiner Bewegungen, dass er sich der Knöpfe bedient. „Mann, Shizana! Musst du mich immer mit solchen Dingen ärgern? Du bist ja schlimmer als ein Perverser …“ „Schockt dich das etwa noch?“, kontere ich kichernd. Ah, ich kann es mir echt nicht verkneifen. Es ist einfach zu herrlich, wie leicht sich Ukyo aus der Fassung bringen lässt. Obgleich ich lache, entschuldige ich mich vorsorglich bei ihm. Direkt im Anschluss ermahne ich ihn, dass er mich nicht geboxt hat, wie wir es ausgemacht hatten. Ich freue mich dennoch, dass wir gemeinsam lachen können, trotz dass eine Unbehaglichkeit zwischen uns im Raum steht. Ukyo hat sein Versprechen gehalten und wir haben mehr Zeit, als ich gehofft hatte. Ich bereue nicht länger, dass Waka mich so früh von der Arbeit entlassen hat.   Gemeinsam bereiten Ukyo und ich das Abendessen vor. Mein frühes Auftauchen hat wohl Ukyos ursprüngliches Vorhaben ruiniert, weswegen wir spontan umgeplant haben. Aus Reis, Gemüse und Garnelen zaubern wir ein schnelles Pfannengericht, das uns allen zusagt. Während mir Ukyo von seinem Tag berichtet, überlege ich, ob ich ihm von dem Vorfall auf Arbeit erzählen soll. Auf der einen Seite will ich ihn nicht beunruhigen. Andererseits, mehr als das, will ich endlich ehrlich zu ihm sein. Ich habe genug von all der Heimlichtuerei und den Lügen, zu denen ich gezwungen bin. Ich will, dass das ein Ende hat. Auch wenn ich weiß, dass diese Bereitschaft nicht auf Gegenseitigkeit beruhen muss. „Alles okay? Du bist so ruhig“, holt mich Ukyos Stimme aus meinen Gedanken. Ich lächle vorsichtig. „Naja, soweit, weißt du.“ Ukyo besieht mich einen Moment. „Wir haben den ganzen Abend Zeit“, spricht er zögerlich. „Wir reden, versprochen.“ „Mhm“, nicke ich sicher. „Ich weiß ja jetzt, dass du deine Versprechen hältst.“ Er lächelt, was mich weiter ermutigt. „Ich bin wirklich froh, dass du da bist. Danke dafür, Ukyo.“ „Selbstverständlich. Wir sind doch Freunde.“ Seine Worte fangen mich auf. Wir beenden unsere Vorbereitungen und zusammen mit Orion decken wir den Tisch. Während des Essens lasse ich mir von Orion berichten, wie er den Tag herumgekriegt hat. Die Gespräche tun gut und helfen mir, mich in Gegenwart der beiden zu entspannen. Ich gestatte mir, mich ein wenig über die Arbeit auszulassen, als wir darauf zu sprechen kommen. Was Ikkis Magnetismus auf Frauen angeht, sind wir immerhin alle einer Meinung. Nach dem Abräumen sitze ich mit einer Tasse warmen Cappuccino in der Hand auf der weichen Wohnzimmercouch. Orion hat sich mit einem Manga, den Ukyo ihm auf Verdacht mitgebracht hat, in mein Zimmer zurückgezogen. Ukyo selbst sitzt mir gegenüber, vor sich einen Kaffee, und sieht mich aus vornübergebeugter Haltung an. „Also dann, sollen wir anfangen? Mit unserem Gespräch?“ Ich nicke langsam. „Ist es okay für dich, wenn ich einfach drauflos frage?“ „Ja, natürlich.“ „Okay.“ Ich rücke meine Haltung zurecht und atme einmal tief durch. Offen sehe ich ihn an. „Was genau weißt du über mich?“ Er nimmt sich die Zeit, um über seine Antwort nachzudenken. „Ich weiß, dass du nicht die Shizana bist, die ich kenne.“ Autsch. Erster Treffer. „Seit wann weißt du es?“ „Hm …“ Kurzes Schweigen, bis er mich wieder besieht. „Ich habe es schon früher geahnt. Den ersten Verdacht hatte ich nach unserer letzten Aussprache letzte Woche. Ich habe mich gefragt, wieso du mich wegen dieser Personentauschsache gefragt hast. Das hat mich nicht losgelassen.“ Ich erinnere mich daran. Das war an diesem verflixten Tag, an dem Rika und Luka im Café aufgetaucht waren. Am gleichen Abend hatten wir diese Aussprache wegen meinem Date mit Luka. Eigentlich eine schöne Erinnerung, denn das war der Tag gewesen, an dem ich mit Ukyo offiziell Freundschaft geschlossen habe. „Schon den Tag davor hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt“, fährt Ukyo fort. „Du warst an dem Morgen auffallend still gewesen … ruhiger als sonst. Und du hast mir Fragen gestellt, die du mir rückblickend betrachtet vorher nie gestellt hast. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Ich bin selbst an manchen Tagen ziemlich zerstreut.“ Ich nicke verstehend und setze meine Tasse an. Die warme Süße hilft mir, entspannt zu bleiben. „Ich war mir dann nicht mehr sicher und wollte Gewissheit haben. Ich habe Niel aufgesucht und … Naja, nachdem er sich dich angesehen hat, war er derselben Meinung wie ich.“ Urgh, ja … Der Tag, an dem mich Ukyo mit dem mir damals Fremden im Café besucht hat. Derselbe Tag, an dem ich Mari das erste Mal begegnet bin. War klar, dass Ukyo nicht nur aus Nettigkeit vorbeigekommen ist. Wenn ich so zurückdenke, war es dumm von mir zu denken, er sei nur meinem Anstoß gefolgt. „Verstehe“, flüstere ich leise und nehme einen weiteren Schluck. „Also das hatte Niel mit seiner Frage gemeint. Macht Sinn, denke ich.“ „Er war sich selbst nicht sicher, aber er konnte es auch nicht ausschließen. Dadurch wusste ich, dass es so sein musste.“ „Was unterscheidet mich von der Shizana, die du kennst? Wie war sie so?“ „Nun ja“, überlegt er lang. „Eigentlich war sie nicht viel anders … Anders, ja, aber nicht sehr. Ich glaube, wären dir diese Kleinigkeiten nicht unterlaufen, ich hätte nicht bemerkt, dass du eine andere bist.“ „Es ist seltsam, das zu hören.“ Ich lasse mir sein Gesagtes einen Moment durch den Kopf gehen, ehe ich die Tasse in meinen Schoß sinken lasse. „Was ist mit ihr passiert? Was ist … mit mir passiert? Weißt du etwas darüber?“ Zaghaft schüttelt er den Kopf. „Nein, tut mir leid. Ich weiß es nicht.“ „Ist es möglich, dass ich Amnesie habe?“ „Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich glaube … es ist etwas anderes.“ Der Gedanke, der mir bei diesen Worten kommt, lässt mein Herz schwer wie Blei werden. „Bin ich … vielleicht gestorben?“, ringe ich unter größter Mühe aus mir hervor. Meinen Körper durchfährt ein Ruck. „Ist mein vorheriges Ich vielleicht irgendwie umgekommen? Und ich … bin dafür eingesprungen?“ „Wie kommst du darauf?“, fragt er bedächtig. Mir entgeht nicht die Vorsicht in seiner Stimme. „Naja, weißt du … Ich habe doch erzählt, dass ich die Nacht von Mari geträumt habe. Und in diesem Traum hat sie gesagt, dass ich dieses Mal nicht sterben werde. Das … bereitet mir Sorge. Und nachdem, was mir Orion über sie erzählt hat, frage ich mich, ob das etwas zu bedeuten hat.“ Ukyo wird still, auffallend still. Für zu lange. Ich beobachte, wie er auf seine Tasse starrt und ins Leere blickt, als wäre er irgendwo anders. Ich habe Angst, dass er mich mit dieser Frage allein lassen könnte. „Ich werde dir etwas erzählen, das du mir vielleicht nicht glauben wirst“, beginnt er, wobei er weiter in sich zusammenfällt. Sein Blick haftet am Boden, bis er Mut fasst und in meine Richtung sieht. „Ich habe mir etwas gewünscht: Das Mädchen, das ich liebe, glücklich zu sehen. Ich wollte sie wiedersehen, mehr als alles andere. Doch um diesen Wunsch wahr werden zu lassen … Niel hat sich meiner angenommen und … Du weißt ja inzwischen, was er ist.“ Ich nicke. Mir ist klar, was er mir erzählen will, doch ich verharre in Schweigen. Ich will, dass er es mir erzählt. Ich will es von ihm selbst hören. Sein langes Seufzen wiegt tonnenschwer. „Es mag unglaublich klingen, aber … um diesen Wunsch zu erfüllen, sind wir durch verschiedene Welten gereist. Doch wo wir auch waren, es war nicht möglich. Das Mädchen, das ich liebe, ist in den meisten von ihnen gestorben. Wieder und wieder habe ich ihren Tod mit ansehen müssen. Entweder sie oder … Ich selbst gehöre eigentlich nicht in diese Welt. Ich bin ein Fremdling, ein Störenfried. Ein Eindringling, den diese Welt nicht duldet. Ich weiß, dass mit höheren Mächten nicht zu spaßen ist und dass es qualvoll ist, gegen das Schicksal anzukämpfen … Was ich sagen will“, unterbricht er, worauf er seinen verlorenen Blick fixiert, „ich weiß, dass nicht auszuschließen ist, dass manchmal unmögliche Dinge passieren. Ich glaube, dass du etwas Ähnliches durchmachst. Nein, ich bin mir sicher, dass wir einander ähnlich sind.“ Ich senke das Kinn. Mir gehen viele Dinge durch den Kopf, wovon ich nicht weiß, was ich ansprechen soll. „Du meinst, dass ich ebenfalls an einen Wunsch gebunden bin? Hm, das würde Mari erklären, wenn sie ähnlich wie Niel sein soll … Aber Orion sagt, dass ich mir nichts gewünscht haben soll. Nicht direkt zumindest. Ich habe schon mit ihm darüber gesprochen, nachdem Mari etwas in dieser Art in meinem Traum verlauten lassen hat …“ „Hm. Vielleicht … Vielleicht hat es nichts mit deinem Wunsch zu tun“, wirft er ein, was mich aufhorchen lässt. „Vielleicht spielst du nur eine wichtige Rolle bei etwas, was sich jemand anderes gewünscht hat.“ „Jemand anderes?“          Das lässt mich grübeln. Wenn ich so zurückdenke, einmal hatte Mari etwas in meinem Traum verlauten lassen, das auf so etwas hindeuten könnte. Ich wollte diese beiden Menschen in ihrer Trauer glücklich machen. Vielleicht sprach sie von einer Überschneidung oder vielleicht … vielleicht bin ich einfach nur in ihre Lösung hineingefallen? „Denkst du denn, dass so etwas möglich ist?“ „Naja, wenn wir Mächte wie die von Niel bedenken … Ich halte es nicht für unmöglich.“ Okay, fein. Also bin ich vielleicht in irgendein Massaker hineingeraten, mit dem ich ursprünglich nichts zu tun hatte. Toll. Sehr verantwortungslos von Mari, wenn dem so sein sollte. Oder habe ich doch mehr damit zu tun, als mir in den Sinn will? „Also … schätze ich, brauche ich dir nicht weiter zu verheimlichen, dass ich nicht aus dieser Welt stamme?“ Er lächelt besänftigend. „Ich habe es mir denken können.“ „Gut“, sage ich und entspanne den Rücken. „Das nimmt mir eine wirklich große Last von den Schultern. Ich bin das Lügen wirklich leid.“ „Ja, das glaube ich dir“, spricht er gedämpft. Sein Lächeln wird herzlicher. „Und keine Sorge: Ich nehme dir nichts übel, was du mir bislang verschwiegen hast. Du hattest keine andere Wahl.“ „Ich musste sehr vorsichtig sein. Ich hatte das Gefühl, dass ich es sein muss. Aber es ist ein schreckliches Gefühl, immerzu jeden anlügen zu müssen, obwohl ich das gar nicht will.“ „Hm, ich weiß, was du meinst. Aber vielleicht kannst du jetzt wenigstens zu mir ehrlich sein. Und Orion und Niel kannst du ebenfalls vertrauen.“ Ich schnaube leise durch die Nase aus. „Bei Niel bin ich mir noch nicht so sicher. Aber vermutlich hast du recht. Eigentlich hat er mir ja nichts getan und an sich hat er auch nichts mit der ganzen Sache zu tun. Wenn es wirklich diese Mari ist, die für dieses Dilemma verantwortlich ist, müssten sich Orion und Niel nicht so sehr in diese Sache hineinhängen.“ „Sie können nicht anders. Ich bin mir sicher, sie wollen dir nur helfen.“ „Ja, aber warum? Es kann ihnen doch eigentlich egal sein. Sie sind nicht an mich gebunden oder so. Ich habe nichts mit ihnen zu tun.“ „Ich glaube, es ist auch wegen Mari“, spricht Ukyo nach einem Moment des Schweigens. „Ich habe mit Niel gesprochen und er sagte, dass er sich verantwortlich fühlt. Vermutlich gibt es da noch etwas zwischen den Geistern, in das wir uns nicht weiter einmischen sollten.“ „Hm, möglich.“ Familienbanden kommt mir dazu in den Sinn. Ich weiß wirklich nichts darüber, in welchem Bezug diese Mari zu den anderen beiden steht. Vielleicht geht es weniger um mich, als ich annehme. „Ist das der Grund, warum Niel noch hier ist? Ich meine, dein Wunsch hat sich doch erfüllt?“ „Eh?“, besieht er mich fragend. In einer befangenen Geste streicht er sich über den Kopf und wendet den Blick zur Seite ab. „Mh. Das hat er, denke ich.“ Es folgt ein kurzes Schweigen, bis er mich mit einem beklommenen Lächeln besieht. „Um ehrlich zu sein, war ich überrascht, ihn wiederzusehen. Ich dachte erst, es sei wegen mir. Ich hatte Angst. Aber als er dann sagte, dass er meine Hilfe braucht –“ Ich warte, dass er weiterspricht. Als es mir zu lange dauert, hake ich nach: „Deine Hilfe?“ „Naja, weißt du … Es war Niel, der mich zu dir geführt hat. Du warst bewusstlos, als ich dich fand. Als du das erste Mal zu dir kamst, warst du ziemlich verwirrt gewesen. Hast mich gefragt, wo du bist und wie das möglich ist. Du hast mich gleich bei meinem Namen genannt, obwohl ich mich dir noch gar nicht vorgestellt hatte.“ Ich beiße mir auf die Lippe. Ups, das klingt wirklich sehr nach mir. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das auf Ukyo gewirkt haben muss. Wie unvorsichtig von mir. Ukyo entlässt ein leises Lachen, wohl weil er meine Verunsicherung bemerkt hat. „Keine Angst, ich habe es nicht hinterfragt. Ich bin solch seltsame Begegnungen gewohnt. Obwohl es normalerweise immer so ist, dass man nicht weiß, wer ich bin. Haha.“ „Sorry, ich wollte dich nicht schocken.“ „Es war ein Schock, aber ein angenehmer“, lacht er weiter. „Hm. Und dann hast du mich bei dir aufgenommen?“ Er nickt. „Ja, genau.“ „Das erklärt einiges. Danke, dass du das für mich getan hast, obwohl du mich nicht kanntest.“ „Ich hätte dich nicht draußen zurücklassen können. So ganz allein und verloren, wie du ausgesehen hast. Ich war nur nicht sicher, ob es die sicherste Wahl für dich ist … Und dann bist du auch noch krank geworden.“ „Ach echt?“ Erneut nickt er. „Ja. Du hattest sehr hohes Fieber. Ich hatte Angst, dass du es vielleicht nicht schaffst.“ Uff, so viele Informationen auf einmal. „Da habe ich dir ja ganz schön was zugemutet. Tut mir leid, dass du so viel Stress und Kummer wegen mir hattest.“ „Ach, nicht so schlimm“, winkt er hektisch ab. „Du hast es ja geschafft. Ich wusste nicht ganz, was ich tun sollte … Aber die anderen haben mir sehr geholfen.“ „Die anderen?“ „Mh. Waka-san, Toma und Shin in erster Linie. Ich habe sie um Hilfe gebeten und sie haben mir viele Tipps gegeben. Es hat mich gerettet. Sie haben mir Medizin für dich gegeben und erklärt, was ich tun kann, damit es dir bald besser geht.“ „Ernsthaft? Waren sie etwa hier?“ „Nein“, entgegnet er kopfschüttelnd. „Ich hielt es für besser, wenn sie fürs Erste nichts von dir wissen. Ich habe sie selbst gefragt.“ „Oh Mann … Dass du so weit für mich gehen würdest …“ Ich verfalle in Gedanken. So langsam ergibt vieles einen Sinn für mich. Ich spüre, wie sich der Halt unter meinen Füßen festigt. „Und dass ich im Meido angefangen habe? Hat das auch damit zu tun?“ „Kann man so sagen“, meint er lächelnd. „Niel hielt es für besser, wenn du unter Leute kommst. Und ich wusste, dass ich den Leuten im Meido vertrauen kann. Ich habe also mit Waka-san gesprochen und … Ich wusste, dass du dort in guten Händen sein würdest.“ Tränen steigen in mir auf. Ich spüre, wie sie einen schweren Kloß in meinem Hals formen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll …“ „Weinst du?“ Rasch wische ich mit dem Fingerrücken unter meinen Augen entlang. Die Brille ist nervig, aber ich will sie nicht abnehmen. Es muss auch so gehen. „Ein wenig“, gestehe ich. „Ich bin nur so sprachlos, dass jemand so viel für mich getan hat. Ich habe dir so viel zu verdanken … und Niel. Ich weiß nicht, wo ich wäre, wenn ihr nicht gewesen wärt.“ „Nicht doch … Wenn du weinst, muss ich mitweinen.“ Ein Blick auf sein Gesicht verrät, dass er nicht übertreibt. Ich erkenne, wie ein feuchter Schleier über seinen grünen Augen liegt. Ukyo sieht tatsächlich so aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Und das nur, weil ich ein wenig sentimental werde. Ich muss lachen. „Du bist wirklich zu herrlich, Ukyo. Wieso weinst du, obwohl ich diejenige sein müsste? Haha, das ist irgendwie falsch, meinst du nicht? Hör auf, du schaffst mich.“ Er protestiert gegen meine Worte an, doch es nützt nichts. Ich lache und spüre zugleich, wie das schwere Gefühl in mir nachgibt. Es ist gänzlich verschwunden, als ich höre, wie Ukyo zögerlich in mein Gelächter einklinkt. „Hach, wie schön“, sage ich nach einiger Zeit, nachdem ich mich wieder größtenteils gefangen habe. „Das tat jetzt wirklich gut. Ich fühle mich schon gleich sehr viel besser.“ „Das freut mich“, entgegnet mir Ukyo mit einem Lächeln. „Gibt es sonst noch etwas, das du von mir wissen möchtest?“ „Hm … Lass mich kurz überlegen.“ Ich lehne mich entspannt zurück, die halbleere Tasse schwenkend in meiner Hand. „Das Wie hat sich für mich einigermaßen geklärt. Zum Warum wissen wir vorerst nicht mehr … Du hast mir wirklich schon sehr viel mehr weitergeholfen, als ich allein auf die Beine gestellt bekommen hätte.“ Ich sehe, wie Ukyo lächelt. Doch er hält sich in Schweigen, wohl wartend, dass ich zu einem Ergebnis komme. „Zu Luka wirst du mir sicherlich nicht viel mehr sagen können. Oder weißt du, was zwischen ihm und mir vorgefallen sein soll?“ „Hm? Zwischen Luka und dir?“ Ich nicke. „Ja. Orion macht ständig irgendwelche Andeutungen, aber er will mir nichts sagen.“ Sichtlich nachdenklich legt sich Ukyo eine Hand an sein Kinn. Er schweigt einige Zeit, bis er ein schweres Seufzen von sich gibt. „Nein, tut mir leid“, sagt er und schüttelt bedauernd den Kopf. „Ich weiß nur, was ich bereits gesagt habe. Ich kenne ihn nicht so gut und mir ist unklar, wieso du ausgerechnet mit ihm zusammen bist. Nicht, dass ich dir das ausreden will. Ich hatte nur immer gedacht … aber vielleicht habe ich mich auch geirrt. Du scheinst nur nicht glücklich mit ihm zu sein und vielleicht wäre es besser –“ Er bricht ab. Ich weiß nicht wieso, aber er sagt nichts mehr. Das Warten wird mir zu lang. „Schon gut, ich seh‘ schon. Du weißt dahingehend auch nicht mehr als ich.“ Ich seufze und trinke anschließend von meinem abgekühlten Süßgetränk. „Ich kann das nicht beenden, noch nicht. Ich muss erst noch einige Dinge in Erfahrung bringen.“ „Mh, ich verstehe. … Aber versprich mir, vorsichtig dabei zu sein.“ Ich nicke. „Bin ich.“ „Und wenn etwas ist, komm zu mir. Ich will nicht, dass du alles allein durchmachst. Die Welt ist gefährlich und es passiert schnell, dass etwas passiert.“ „Ich passe auf“, will ich ihn besänftigen. „Das letzte Mal hätte ich auf Orions Warnung hören sollen. Ich werde in Zukunft nicht mehr so unvorsichtig sein.“ „Vorsicht allein reicht manchmal nicht. Du musst jederzeit aufmerksam sein. Glaub mir … Manchmal reicht nur ein kurzer Moment, ein falscher Schritt, eine falsche Drehung … nur einmal zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein … Versprich mir, dass du immer gut auf dich aufpasst!“, wird er laut und stützt sich auf seinen Knien nach vorn. Ich erkenne den Ernst und die tiefe Besorgnis in seinem Blick. Fast macht er mir Angst. „Und auf das, was um dich herum passiert! Es kann jederzeit etwas passieren … Man weiß es nicht vorher. Und ich weiß nicht, was dich erwarten wird. Ich kann dich nicht auf dieselbe Weise beschützen …“   „Ich werde aufpassen“, beteure ich und beobachte, wie er schwach nickt. Ich gönne uns einen Moment, in dem Ukyo von seinem Kaffee trinkt. Mein Kopf ist voll neuer Informationen, aber da ist noch eine Sache … „Darf ich dich noch etwas fragen?“ „Klar“, sagt er sanft, mir offen zugewandt. „Dieses Mädchen, das du liebst … Es ist Hanna, richtig?“ Ukyos Haltung verkrampft sich. Ich erkenne es daran, wie er an seiner Tasse klammert. Alle Farbe scheint aus seinem Gesicht zu flüchten. Er setzt ein gezwungenes Lächeln auf. „Wie … kommst du denn …?“ „Ich weiß es.“ Darauf wird er still. Nach einer Weile löst sich seine Anspannung und seine Mundwinkel heben sich traurig. „Also glaubst du mir die Geschichte?“ „Ich weiß, dass sie stimmt. … Du weißt, dass sie nicht mehr mit Ikki zusammen ist?“ Eine unangenehme Stille kehrt zwischen uns ein, die mich sofort bereuen lässt, diese Frage gestellt zu haben. Doch nun ist es zu spät. Ich kann es nicht mehr ungesagt werden lassen. „Mh“ ist alles, was er dazu verlauten lässt. Bevor ich mehr dazu sagen oder fragen kann, erhebt er sich aus seinem Sitz und besieht mich mit diesem falschen Lächeln. „Ich denke, ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Wenn du noch Fragen haben solltest, ich werde immer ein offenes Ohr für dich haben.“ Damit entfernt er sich und flüchtet hinter seine Zimmertür. Mir bleibt keine Gelegenheit, mich bei ihm zu bedanken. Ich bleibe sitzen, verharre und warte, doch nichts rührt sich mehr. Es wird winterlich kühl im Raum.   Nach einiger Zeit der Lethargie beschließe ich, den Tag mit einer wohltuenden Dusche zum Abschluss zu bringen. Die letzten Zweifel sind noch nicht in mir verstummt. Hätte ich nur diese letzte Frage nicht gestellt, martert mich das kleine Stimmchen, das sich »Gewissen« nennt. Jauchzt sonst immerzu von Harmonie, und schleudert mir doch gerade Vorwürfe aus erprobtesten Granit an den Schädel. Ganz, wie ich es liebe. Und genau, was ich jetzt brauche. ‚Vielleicht versuche ich gleich nochmal, mit ihm zu reden‘, überlege ich still, während ich mich meiner Klamotten entledige. Vielleicht, wenn ich ihm nur etwas Zeit einräume, hat er sich nachher schon wieder gefangen. Ich will nicht, dass er sich meinetwegen unbehaglich fühlt. Abgesehen davon will ich mich noch bei ihm bedanken. Ich fühle mich ihm schuldig nach allem, was er in der Vergangenheit für mich getan hat. Und wäre er nicht so offen zu mir gewesen, würde ich wieder so viele Fragen mit ins Bett nehmen. Ich drehe das Wasser auf und klettere vorsichtig darunter. Inmitten diesen sanften Schauers gelingt es mir, alle Gedanken von mir abzuschütteln. Für die nächsten Minuten zählt nichts mehr als diese Wärme, diese Düfte, dieses Rauschen … … dieses Rauschen … Schwarz. Alles schwarz um mich herum. Nichts. Leises Rauschen. Wasser. Kein Gefühl. Eine Stimme. Wer? „Ich wünsche mir noch eine Chance.“ Mir wird schwarz. Alles dreht sich in meinem Kopf. Es tut weh, mir wird übel. Unfähig, mein Gleichgewicht länger zu halten, taumle ich zurück. Kalte Fliesen drücken unnachgiebig gegen meinen Rücken. Um mich herum dieses Rauschen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)