Zwischen den Welten von Shizana (Das Mary Sue-Projekt) ================================================================================ Kapitel 4: Erstes Date ---------------------- Das ist jetzt nicht wahr. Das kann nur ein schlechter Scherz sein. Luka? Im Ernst? Von allen Möglichkeiten ausgerechnet Luka? Warum? Was ist hier los? Tausende von Fragen jagen durch meinen Kopf. Gedanken, die sich überschlagen und in keine Richtung führen. Klares Denken ist hier fehl am Platz. Es ist mir schlicht nicht möglich. Ich starre ihn an. Unfähig, meinen Blick von ihm abzuwenden. Von seinen Augen, die mir ein unwohles Gefühl bescheren. Hatte ich ihre Farbe je zuvor auf Bildern wahrgenommen? Sein Grinsen ist gewichen. Er sieht mich an, als studiere er mich. Als versuche er, aus meinem sinnlosen Gestarre klug zu werden. Meine Reaktion muss befremdlich für ihn sein, das wird mir erst viel zu spät bewusst. „Hm“, macht er und richtet sich auf. „Du siehst mich an, als hätte ich etwas verbrochen. Dabei hätte ich schwören können, dass etwas Abwechslung einen positiven Effekt erzielen würde. Ich habe mich wohl geirrt.“ Er macht einen Satz über die Bank. Runter von dem Brunnenrand, auf dem er gestanden hatte, um sich unbemerkt an mich heranzuschleichen. Kurz überkommt mich ein leises Neidgefühl, wie elegant es bei ihm aussieht, obwohl es für einen ausgewachsenen Mann doch recht albern ist. Kaum auf seinen Füßen, dreht er sich mir zu. In einer höflichen Geste streckt er die Hand nach mir aus, um mir aufzuhelfen. Seine Lippen umspielt bereits wieder ein Lächeln, das mich vollen Herzens an dieser abstrakten Situation zweifeln lässt. Mir scheint, als hätte ich keine andere Wahl. Fürs Erste. Ich bin hergekommen in dem Wissen, dass ich eben nicht weiß, was mich erwarten würde. Doch ich war der felsenfesten Überzeugung gewesen, dass egal was, ich würde schon damit zurechtkommen. Tja, das habe ich nun davon. Zeit, meinen guten Glauben unter Beweis zu stellen. Unwillig lege ich meine Hand in seine. Ich gebe ihm keine Gelegenheit, von seiner mir angebotenen Hilfsbereitschaft Gebrauch zu machen, und erhebe mich, bevor er mich ziehen kann. Bei allem was recht ist, aber so viel Stolz muss sein. Ich werde mich ihm nicht kampflos ergeben, gewiss nicht! „Dass ich dich erschreckt habe, tut mir leid. Ich schlage vor, wir vergessen das Ganze einfach und fangen noch einmal ganz von vorne an.“ Ich weiß nicht, was mich mehr erstaunt: die Tatsache, dass er meine Hand losgelassen hat, kaum dass ich zum Stehen gekommen bin; dass er sich entschuldigt oder dass er so ruhig, voller Verständnis mit mir spricht. Alles drei ist für mich unerwartet und bringt mich für einen Moment ganz aus dem Konzept. Ehrlich, das hätte ich nun nicht erwartet. Fragend sehe ich zu ihm auf und versuche, mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Vornehm legt er sich eine Hand an die Brust. Sein Lächeln dauert an. „Wie du siehst, bin ich pünktlich. Es wäre daher schön, wenn du mich jetzt begrüßen könntest. Das Übliche soll mir recht sein.“ Au weia. »Das Übliche«? Was ist »das Übliche« laut seiner Ansicht? Mein Kopf beginnt zu arbeiten. Langsam dämmert es mir. Hatte er sich mir vorhin nicht als »mein Freund« vorgestellt? Wuah, allein es zu denken, bereitet mir Schüttelfrost. Wieso nur ausgerechnet Luka? Was hat sich mein anderes Ich dabei gedacht? Es widerspricht jeglicher Logik! Aber das hilft mir jetzt nicht weiter. Ich kann mir darüber immer noch den Kopf zerbrechen. Im Augenblick muss ich eine Lösung finden, wie ich aus dieser verzwickten Situation am besten herauskomme. Angenommen, es stimmt und wir sind aus-welchen-gottverdammten-Gründen-auch-immer ein Paar … wäre dann nicht ein Kuss angebracht? Eine Umarmung? Süße Worte? Würde es ein »Hi, schön, dass du da bist« vielleicht auch tun? In Gedanken schüttle ich den Kopf. Nein, das ist es alles nicht. Die ersten drei Optionen kommen für mich nicht in Frage. Die Letzte ist zu wenig. Ich brauche etwas dazwischen. Etwas Unverfängliches, damit nicht auffällt, dass ich nicht »ich« bin. Gerade Luka wäre der Letzte, dem ich das auf die Nase binden würde. Mutig schlucke ich all meinen Unmut hinunter. Meinen Stolz direkt hinterher. Hastig überwinde ich die zwei Schritte, die mich von ihm trennen, beuge mich auf Zehenspitzen zu ihm hoch und setze einen zaghaften Kuss auf seine Wange. „Schön, dich zu sehen“, presse ich leise aus mir hervor, während ich im direkten Anschluss von ihm zurückweiche. Alles in mir brüllt „Lüge!“. Ich wage nicht, zu ihm aufzusehen. „Du …?“, ist das Erste, was ich von Luka höre, nachdem es einige Zeit still zwischen uns geworden war. Etwas an der Art, wie er dabei geklungen hat, lässt mich aufblicken. Luka sieht mich an. Sein Blick verrät mir, dass er verwirrt ist. Seine Hand liegt ungläubig an der Wange, auf die ich ihn geküsst hatte. „Was ist?“, verlange ich leise zu erfahren. Ich lege bewusst ein wenig Trotz in meine Tonlage, nur um sicherzugehen, mich mit Unwissenheit aus der Affäre ziehen zu können. So weit reicht meine Interpretationsgabe, um zu erkennen, dass ich ganz offenbar zur falschen Lösung gegriffen habe. In Lukas Gesicht tut sich nicht viel. Ich kann nicht behaupten, Scham darin zu erkennen. Eher Überraschung, was mir albern erscheint. „Das ist das erste Mal, dass du mich geküsst hast.“ Oder auch nicht. Mist! „Wieso?“ Argh! Frag mich das doch nicht auch noch! Rasch sehe ich zur Seite. „Wieso nicht? Du bist doch schließlich mein Freund“, nuschle ich eine möglichst allgemeine Erklärung. „Ich dachte, eine Abwechslung könnte zu einem positiven Effekt führen. Ich habe mich wohl geirrt“, ergänze ich nach einem kurzen Zögern und zitiere damit, was Luka zuvor zu mir gesagt hatte. „Ha. Haha, hahaha.“ Beidermaßen erstaunt wie erleichtert höre ich, wie Luka in ein zunehmendes Gelächter verfällt. „Touché, der war gut. Du hast mich.“ Ich atme im Stillen auf. Puh, noch einmal Glück gehabt.   Vielleicht hätte ich mir das Aufatmen noch ein Weilchen aufsparen sollen, denn was nach dieser heiklen Szenerie gefolgt ist, behagt mir ganz und gar nicht. „Ich kann es einfach nicht fassen“, sagt er, kurz nachdem er mich von allen Seiten gemustert hat. „Da lade ich dich auf ein Date ein, und du machst dich nicht hübsch für mich? Unmöglich! Du bist doch meine Muse, meine Inspiration. Das ist absolut inakzeptabel! Das kann ich nicht zulassen!“ Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Ja, vielleicht bin ich nicht unbedingt angemessen für ein Date angezogen, aber was erwartet er? Ich wusste ja nicht einmal, dass ich zu einem Date gehen würde. Zumal er übertreibt, ernsthaft. Ich habe mir zumindest Kontaktlinsen eingesetzt und die hübschesten Allzweckklamotten angezogen, die ich in meinem kargen Kleiderschrank finden konnte. Selbstverständlich erfülle ich damit nicht seine Wunschvorstellung von mir. „In Ordnung. Kleine Planänderung.“ „Was hast du vor?“, möchte ich wissen, als er nach meiner Hand gegriffen hat und mich bereits mit sich zieht. Ich stehe noch zu sehr neben der Spur, um mich großartig gegen ihn zu wehren. „Na, was wohl? Wir gehen einkaufen“, erklärt er und wirft mir ein engelsgleiches Lächeln über die Schulter zu. Das behagt mir ganz und gar nicht. Mit »einkaufen« meint er doch wohl nicht …? „Nicht nötig. Lass uns doch lieber –“ „Nur keine Sorge“, fällt er mir sanft, aber bestimmt ins Wort. „Lass mich nur machen. Ich weiß einen Laden, dem wir vertrauen können. Sie haben eine sehr inspirierende Kollektion. Mir schwebt bereits ein erstes, grobes Bild im Kopf vor. Du kannst dich voll und ganz auf meinen auserlesen guten Geschmack verlassen.“ Da bin ich mir noch nicht so sicher … Es ist ausschließlich den vielen Passanten zu verdanken, dass ich mich meinem Schicksal füge und Luka verstimmt folge. Meine Begleitung ist mit seinem pompösen Pelzkragenmantel schon auffällig genug, da möchte ich ihm nicht noch zusätzlich eine Szene machen und für weitere Aufmerksamkeit sorgen. Behagen tut mir das alles aber ganz und gar nicht. Kurz darauf erreichen wir die Einkaufsmeile der Stadt. Wir lösen uns von dem Menschenstrom und folgen einer Straße, in der sich Schaufenster um Schaufenster außerordentliche Randgeschäfte reihen. Vor eines davon stoppen wir und Luka hält mir in alter Gentleman-Manier die Tür auf, um mich höflich hineinzubitten. Nur kurz erhasche ich einen Blick auf das Ladenschild über der Tür und erkenne in elegant geschwungenen Buchstaben weiß auf schwarz »Chic Beau« geschrieben. „Herzlich willkommen im »Chic Beau«. Oh, Luka-sama!“, höre ich, wie uns eine der Bediensteten freundlich begrüßt. Mir entgeht nicht, wie sie direkt auf meine Begleitung reagiert und eilig an uns herantritt. „Heute in Begleitung?“ „Ja“, erwidert er die Begrüßung mit einem höflichen Kopfnicken, ehe er großzügig auf mich deutet. „Ich bin heute allerdings nicht wegen mir, sondern dieser reizenden Dame hier. Können wir auf eure Unterstützung zählen?“ „Aber natürlich. Selbstverständlich.“ Die junge Frau in ihrem hübschen Kostüm französischen Stils besieht mich mit einem herzlichen Lächeln. „Haben Sie denn schon eine Vorstellung, was es sein darf?“ „Ein Komplett-Makeover“, antwortet Luka für mich. Ich falle aus allen Wolken. „Ich habe bei meinem letzten Besuch etwas gesehen, das ich sehr gern an ihr anprobieren möchte. Dazu benötigen wir eine Stilkombination, die ihre natürliche Schönheit in ein neues Licht rückt und positiv hervorhebt. Ich hatte an ein Dress gedacht oder eine Kleidkombination in modern-frischen Farben.“ „Da wird sich etwas finden lassen.“ „Hey“, wispere ich zu Luka herüber. „Findest du nicht, dass ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden habe?“ „Wenn ich dir die Entscheidung überlasse, wissen wir doch beide, worauf das hinauslaufen wird“, erklärt er. Es klingt vorwurfsvoll. Ich weiß, was er meint. Ein Blick in meinen Kleiderschrank hatte mir bestätigt, dass mein Kleidungsstil vertraut geblieben ist. Schwarz hatte eindeutig in der Dominanz gelegen, sehr zu meiner Erleichterung. „Ich werde mich nicht in ein kunterbuntes Blümchenkleid stecken lassen, nur damit das klar ist“, mache ich ihm meinen Standpunkt deutlich. Seine schmalen Lippen umspielt ein Schmunzeln. „So reizvoll dieser Gedanke auch ist, aber mir schwebt etwas Anspruchsvolleres an dir vor. Ich bin nicht ohne Grund Künstler. Du kannst meiner Vision vertrauen.“ Ich unterziehe ihn einer skeptischen Musterung. Wie üblich trägt er seinen schwarzen, weiten Lieblingsmantel aus weicher Baumwolle, den ich schon von Bildern kannte. Allerdings fehlt der auffällige Kunstlorbeerenschmuck, der normalerweise seine Ärmel ziert. Auch der Pelz scheint anders zu sein, er wirkt heller und liegt einmal komplett um die Schultern herum. Protziger als gewohnt. Darunter trägt er ein dunkelrotes Herrenhemd mit kurzer, schwarzer Streifenweste und eine passende schwarze Hose dazu. Schwarze, teuer aussehende Herrenabsatzschuhe runden sein Auftreten ab. Mir fällt auf, dass diese Zusammenstellung grob von dem abweicht, was ich bisher von ihm gekannt hatte. Etwa meinetwegen? „Bitte folgen Sie mir“, gesellt sich die Verkäuferin an meine Seite und gibt mir in einer Geste zu verstehen, sie zu begleiten. Ich werfe noch einen letzten skeptischen Blick auf meinen »Freund«, dann komme ich ihrer höflichen Aufforderung nach.   Etwas später stehe ich in einem hinteren Bereich des Geschäftes, der geräumiger als der Auswahlbereich ist. Hohe Spiegel stehen vor mir, hinter mir befinden sich drei Umkleidekabinen mit Vorhängen. Nicht weit entfernt von mir unterhalten sich Luka und die Verkäuferin, um einen Schlachtplan für meine Verwandlung zu entwerfen. Ich nehme mir vor, ihnen nicht groß zuzuhören, und lasse meinen Blick lieber ein wenig durch das Geschäft schweifen. Es ist nicht sehr groß, hat aber zwei Etagen. Die Einrichtung ist eher schlicht gehalten, doch die hochwertige Dekoration von Bildern und Kunstpflanzen lässt es edel erscheinen. Verschiedene Abschnitte bieten verschiedene Modearten an, von Mänteln über Kleider bis Schuhe ist hier alles zu finden. Die Schnitte wirken überwiegend elegant bis verspielt, die Stoffe aufwendig bis teuer. Ich habe schon von allem etwas gefunden, von Seide über Samt bis Pelz. Vieles wirkt europäisch, überwiegend französisch, was sich bei dem Namen des Geschäfts kaum anders erwarten lässt. Vermutlich befinden sich viele Stücke namenhafter Designer unter der überschaubaren Auswahl. Eine zweite Angestellte übernimmt das Aufräumen eines Regals. Sie würde wohl die nächste Zeit nachfolgende Kunden allein bedienen. Zumindest vermute ich das, nachdem ihre Kollegin kurz mit ihr gesprochen hatte, bevor sie sich erneut unserer persönlichen Betreuung angenommen hatte. „Welches der beiden gefällt dir besser?“, erreicht mich Lukas Frage, was mich zu ihm blicken lässt. In seinen Händen hält er je einen Bügel: ein schlichtes, tiefgeschnittenes Satinkleid in breiter schwarz-weiß Längsstreifengestaltung mit silbernen, langen Ketten und ein aufwendig gefertigtes Baumwollkleid, bordeauxrot, mit viel schwarzem Spitzenbesatz, rot-schwarzem Tüllrock, schwarzen Schleifchen an diesem und hochgesteckter Schleppe auf Taillenhöhe. Beides enthält Schwarzanteil, doch keines sagt mir zu. „Muss das wirklich sein?“, versuche ich ihn zu bereden. Begeistert bin ich von dieser ganzen Aktion wahrlich nicht. „Ich kann mir ohnehin keines der beiden leisten, geschweige denn auch nur irgendetwas aus diesem Sortiment. Wir vergeuden hier nur Zeit.“ „Ah, so ist das!“ Lukas Augen weiten sich, als hätte er soeben eine Erleuchtung erfahren. „Du machst dir Sorgen wegen des Geldes. Weil du so ein geringes Gehalt verdienst?“ Kurz lacht er auf, erleichtert, ehe er mir ein helles Lächeln schenkt. „Mach dir deswegen keine Gedanken. Ich hatte nie vor, dich die Kleider zahlen zu lassen. Beachte es einfach gar nicht. Ich habe alles im Vorfeld bedacht.“ „Du verstehst mich nicht …“ „Hier, probier erst einmal das an“, übergeht er meinen Zweifel und drückt mir das aufwendigere der beiden Kleider in die Hände. „Ich werde derweil noch etwas Ergänzendes suchen. Warte dann bitte auf mich.“ Damit entfernt er sich und ich verliere ihn aus den Augen. Einfach übergangen, wieder einmal. Mir kommt erneut die Frage auf, was mein anderes Ich an Luka gefunden haben mochte, dass ich mich in einer Beziehung mit ihm befinde. Er bestimmt zu viel, ohne auf meinen Standpunkt einzugehen. Etwas, das mir gar nicht gefällt. Wirklich überhaupt nicht. Ich spüre, wie die Wut in mir aufbrodelt. Sie legt sich ein wenig, als ich meinen Blick auf das Kleid in meinen Armen richte. Zugegeben, ich bin neugierig darauf, obwohl ich jetzt bereits weiß, dass es mir nicht stehen wird. Mit Tüll kenne ich mich aus, ich besaß selbst schon einen Tüllrock. Dieses mehrschichtige Stoffvolumen komplimentiert mir nicht. Leider. Aber rein für den Spaß möchte ich es anprobieren. Wann habe ich schon einmal die Gelegenheit, ein solches Kleid anzuziehen? Es wird mich schon nicht beißen. „Zu viel Lolita.“ Na, wenigstens in diesem Punkt sind wir uns einig, als Luka und ich kurz darauf gemeinsam mein Spiegelbild betrachten. „Der Stoff ist schön. Verspielter Schnitt. Aber vielleicht ein bisschen zu viel der Details. Und die Farbe …“ Im Spiegel erkenne ich, wie Luka meine Haare inspiziert. „Das Rot harmoniert nicht mit dem Violett. Wenn wir deine Haare –“ „Nichts da!“, entfährt mir ein Fauchen. Kämpferisch starre ich Lukas Spiegelbild in die Augen. „Vergiss es. Auf gar keinen Fall! Meine Haare bleiben so, wie sie sind!“ Er stößt ein leises Seufzen aus. „Ich meine ja nur. Die Strähnen machen es schwierig, geeignete Farbpartner aus der breiten Palette zu wählen. Wir sind sehr an die Vorgaben gebunden.“ Ich schnaube. Meine Haare sind absolut indiskutabel! Ich habe es mit ihnen immer schwer genug, meinen Willen durchzusetzen. Sie sind mein ganzer Stolz und machen aus, wer ich bin. Das ändere ich nicht so einfach auf Anraten Dritter. „Probierst du bitte das zweite Kleid an? Ich habe dir etwas dazugelegt, das besser passen und den Schliff ergänzen dürfte.“ Ich nicke knapp, bevor ich mich umdrehe, um dieser Aufforderung nachzukommen. In der Umkleidekabine erwartet mich ein erneuter Versuch, mich auf Lukas Vorstellung hin zu verwandeln. „Oh, das ist hinreißend!“, höre ich endlich das erste Kompliment, das von der Verkäuferin stammt, kaum dass ich die Kabine zum zweiten Mal verlassen habe. Auch Luka nickt anerkennend. „Ja, das ist schon sehr viel besser. Das Farbspiel harmoniert perfekt miteinander. Die Stile fließen elegant ineinander. Und es ist etwas Neues.“ Mir ist etwas unwohl bei diesen Worten. Auf einmal habe ich ganz heftiges, nervöses Herzklopfen. Ich wage kaum, mich im Spiegel zu betrachten, kann der Neugierde aber auch nicht länger widerstehen. Die junge Frau, deren blauen Augen ich begegne, erkenne ich kaum wieder. Ich hätte nicht gedacht, dass sich der Satin so angenehm an meine Form schmiegen würde. Nicht beengend, nicht zu ausfallend. Der matt glänzende Stoff sitzt genau dort, wo er sitzen muss, und gibt dort Raum, wo er es getrost darf. Die breiten Längsstreifen sind modisch, nicht zu schlicht, nicht zu erschlagend. Die langen Ärmel tragen je eine Farbe: der eine Weiß, der andere Schwarz. Der Rock reicht bis etwas oberhalb der Knie, eine für mich verträgliche Länge. Der Ausschnitt reicht tief bis ins Dekolleté hinein. Um der Obszönität vorzubeugen, hat mir Luka ein geeignetes Top herausgesucht, das ich darunter trage. Das Türkis ist farbintensiv mit überwiegender Tendenz zum Blau. Eine ähnliche, nur wenig dunklere Farbe hat die Leggins, die ich unter dem Kleid trage. Für mich ein ungewohnter Anblick. Ich habe seit Jahren nichts mehr in dieser Farbrichtung getragen. Nicht in diesem Dominanzverhältnis. „Das Türkis hebt die intensive Farbe deiner Augen hervor, ohne deinen Haaren in die Quere zu kommen“, spricht mir Luka eine leise Erklärung zu. Beinahe wäre mir das Herz stehen geblieben vor lauter Schreck. Seine Stimme flüstert so nah an meinem Ohr, da er sich hinter mir ein Stück weit hinuntergebeugt hat. Seine Arme liegen über meinen, während er die silbernen Ketten meines Kleides, die den tiefen Ausschnitt umrahmen, ordentlich richtet. „In Kombination mit dem eher schlichten Kleid ergibt es ein elegant-verspieltes Gesamtbild. Wie ließe sich deine Person besser beschreiben? Es gibt deine Art äußerst treffend zum Ausdruck, wenn du mich fragst.“ Vorsichtig blinzle ich in seine Richtung. So wie er es sagt, klingt es, als wüsste er mehr über mich. Kennt er diese Seite an mir? Bisher habe ich nicht das Gefühl, ihm etwas davon gezeigt zu haben. Ganz im Gegenteil, ich fühle mich ihm fremd und so verhalte ich mich auch. Wie viel weiß er über mich? „Sie sollte den hier dazu tragen“, unterbricht die Verkäuferin unseren kurzen Moment der Intimität und tritt freundlich lächelnd an uns heran. Sie hält mir einen breiten, schwarzen Gürtel mit silberner Schnalle entgegen, der im Licht dezent glitzert. „Das würde das Bild abrunden und eine besondere Note von selbstbewusster Eleganz verleihen.“ „Wunderbar!“, stößt Luka ein begeistertes Jauchzen aus. Kurzerhand nimmt er ihr das Accessoire ab und bedeutet mir, mich zu ihm zu drehen. Als er mit dem Anlegen fertig ist, nickt er zufrieden. „Perfekt.“ „Dazu passen diese hier“, spricht sie die nächste Empfehlung aus und präsentiert einen Karton, in welchem weiße Stiefeletten aus weichem Wildleder liegen. Ihr Kragen ist großzügig umgeschlagen und die Sohle besteht aus Plateau mit breitem Absatz. Ich bin sofort verliebt, trotz der mir verhassten Farbe. „Und zum krönenden Abschluss …“ Ich spüre einen kühlen Luftzug, als Luka das nächste Kleidungsstück hinter mir aufbereitet. Kurzerhand schlüpfe ich in die weiten Ärmel des Mantels, der einen Verlauf von Schwarz ins Weiß aufweist. Der Saum an Ärmel und Länge ist mit weißem Kunstfell versehen, durch welches vereinzelt schwarze Pünktchen schimmern. „Das Herzstück der aktuellen Wintertraum-Kollektion. Die Süße des Schönen. Hymne eines absolut perfekten Zusammenspiels zweier Nuancen. Oh, wie sehr habe ich darauf gewartet, ihn an dir sehen zu dürfen.“ Er ist wirklich atemberaubend schön.   „Ich finde, ein Lob wäre angebracht. Nun, um die Belohnung kümmere ich mich schon selbst.“ Derweil haben wir ein Café im Zentrum des Stadtbereiches zu unserer neuen Anlaufstelle auserkoren. Auf der unteren Etage im Erdgeschoss befindet sich ein Restaurant, direkt darüber wird für eine breite Auswahl an Desserts gesorgt. Eine interessante Geschäftsidee, die mir sehr gefällt. Die Aussicht auf die Einkaufsstraße unter uns ist sehr angenehm und bietet einiges zu beobachten. Prüfend sehe ich zu Luka hinüber. Er rührt gerade zufrieden in seinem Caffé Mocha, vor ihm ein Stück Vanille-Erdbeerkuchen. Ich selbst hatte mich für einen Baileys-Cappuccino und eine Banane-Schoko-Crêpe entschieden. Das Hawaii-Toast sah ebenfalls lecker aus, aber mir ist gerade eher nach etwas Süßem. „Du möchtest, dass ich dich lobe? Dafür, dass du mich gegen meinen Willen zum Shoppen gedrängt und einen Batzen an Geld in mich investiert hast?“, hake ich nach. Beides hat mir nicht gefallen und ich nehme es ihm wirklich übel. Auch, dass ich nach dieser Aktion noch einem schlichten Makeup und Hairstyling zum Opfer gefallen bin. »Komplett-Makeover«, wie er es angedroht hatte. „Du klingst unzufrieden. Wieso nur? Schau, es hat sich doch allemal ausgezahlt. Und glaube mir, ich habe von dieser Investition mindestens so viel wie du.“ Er legt den Löffel beiseite, stützt die Ellenbogen auf und kreuzt die Finger. Indem er das Kinn darauf senkt, unterzieht er mich einer intensiven Musterung. „Sei ehrlich: Hat es dir denn gar keinen Spaß gemacht?“ Nein. Oder … Ich senke meinen Blick auf mein Glas und konzentriere mich auf die karamellbraune Flüssigkeit mit dem üppigen Schaumanteil darauf. Durch den breiten, blauen Strohhalm ziehe ich einen vorsichtigen Schluck von meinem Baileys-Cappuccino. Er schmeckt angenehm süßlich. „Vielleicht ein bisschen.“ Sein Gesicht ziert ein breites Grinsen. „Na siehst du.“ Sichtlich zufrieden mit meiner Antwort lockert er seine Haltung und macht sich daran, von seinem Kuchenstück zu kosten. Ich gestehe, ich beobachte ihn gern dabei. Ich kann nicht genau bestimmen, was es ist, aber etwas an seiner Art fasziniert mich. Jede noch so kleine, simple Bewegung wirkt irgendwie besonders an ihm. „Die Kleider stehen dir wirklich ausgezeichnet. Das Bild von Schönheit ist nun im vollendeten Einklang. Ich bin eben wahrlich ein Künstler“, verfällt er in ungeniertes Eigenlob, was mich kurz mit den Augen rollen lässt. „Da fällt mir ein …“ Der eingeleitete Themenwechsel erregt wieder meine Aufmerksamkeit. Neugierig beobachte ich, wie Luka nach hinten zu seinem Mantel greift. Er hängt ordentlich an einem der silbrigen Kleiderhaken, wie sie an jedem Wandsitzplatz angebracht sind. Mein neuer Mantel befindet sich ebenfalls dort, zu meinem Bedauern. Kurz darauf rutscht Luka ein wenig zur Seite und klopft leise in einer auffordernden Geste auf den freien Platz neben ihm. Ich seufze leise. Indem ich Glas und Teller schnappe, erhebe ich mich von meinem Stuhl und gehe einmal um den Tisch herum, um mich auf dem roten Leder niederzulassen. „Ich habe ein paar neue Skizzen angefertigt. Würdest du bitte einen Blick darauf werfen und mir sagen, was du davon hältst?“ Ich lasse mir meine Überraschung nicht anmerken, als ich nach dem A4-Skizzenblock greife, welchen er mir bereits aufgeschlagen entgegenhält. Ich bin wirklich unsagbar aufgeregt. Mir ist bisher nie in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht einmal die Gelegenheit haben werde, einen Blick auf Lukas Kunst erhaschen zu dürfen. Wenn das keine Ehre ist, was dann? Vielleicht hat es doch ein paar Vorzüge, seine »Freundin« zu sein. Ich behandle den Block mit größtem Respekt, als ich die Beine überschlage und ihn auf meinen Oberschenkeln abstütze, um mir die Skizzen in Ruhe betrachten zu können. „Feen?“, frage ich interessiert. Mein Blick haftet auf den feinen Linien, welche kleine, geflügelte Frauenwesen zeigen, die sich zwischen großen Blumenpflanzen bewegen. Ein Garten vielleicht. „Ich war neulich auf einer Gartenveranstaltung“, erklärt er mir. Dabei rückt er näher an mich heran, um ebenfalls auf die Zeichnungen sehen zu können. „Das Thema war »Traum im Wiesenbett«. Es wurden verschiedene Pflanzenarten vorgestellt und die Campanula hat es mir besonders angetan.“ Er deutet mit dem Finger auf die gezeichnete Blume, deren Kopf glockenförmig nach unten hängt. Sie bildet mit der kleinen, hellhaarigen Fee das Motivzentrum. Das kleine, geflügelte Frauenwesen beschreibt Verehrung entgegen der Pflanze, hält den Blumenkopf behutsam zwischen ihren winzigen Händen und haucht ihr einen hingebungsvollen Kuss auf. So zumindest interpretiere ich es. „Mhm, das sieht man“, entgegne ich leise. „Und die Feen haben was zu bedeuten?“ „Was harmoniert besser mit der Schönheit einer Blume als Frauen?“ Ein leises Lachen dringt aus ihm hervor. „Feen sind ihre Vertreter. Da es sich bei ihnen um reine Fantasiewesen handelt, kann jeder sie frei interpretieren, wie es ihm beliebt. In meiner Vision stehen sie im Einklang mit der Natur und bewahren deren Schönheit. Sie sind kleine, zarte, unschuldige Wesen. Pflanzen kommen neben ihnen äußerst kräftig zum Ausdruck.“ Seine Erklärung lässt mich schmunzeln. Sie klingt etwas kitschig in meinen Ohren, aber warum auch nicht? Ich würde lügen, würde ich sagen, dass mich etwas Kitsch und Klischee so gar nicht berühren können. Ich blättere weiter. Auch auf der nächsten Seite sind Feen zu sehen, andere dieses Mal, die zwischen verschiedene Blumen und Gräsern hindurchtänzeln. Die darauffolgende Seite zeigt einen eleganten Damenhut mit breiter Krempe. Der Hals ist auf einer Seite mit einem artenreichen Pflanzengesteck verziert. Weitere Ideen zu diesem Gesteck sind an der Seite skizziert. Verschiedene Varianten mit unterschiedlichem Hauptcharakter. Sie sehen allesamt sehr hübsch und vornehm aus, dass in mir der leise Wunsch aufkommt, selbst einmal einen solchen Hut tragen zu dürfen. In einem geeigneten Kleid, natürlich. „Entwirfst du öfter solche Modedesigns?“ „Gelegentlich. Wo mich die Muse eben gerade küsst.“ „Das ist wirklich sehr hübsch“, gestehe ich ehrlich. „Vielleicht solltest du daraus einen richtigen Entwurf machen und einem Hutdesigner vorlegen. Ich bin mir sicher, das könnte auf Interesse stoßen. Spätestens zur Sommersaison.“ „Hm, das hatte ich auch schon überlegt. Meinst du wirklich?“ „Mhm“, unterstreiche ich meine Meinung mit einem Kopfnicken. „Dann werde ich es noch einmal in Erwägung ziehen.“ „Gut. Ansonsten …“ Ich blättere noch einmal durch die Seiten und widme mich den Zeichnungen, die überwiegend aus Bleistift- und Kohleskizzen bestehen. „Ansonsten finde ich die Interpretation sehr schön. Du benutzt sehr feine Linien mit freiem Schwung. Sicher wäre es interessant, wie die farbliche Umsetzung aussehen würde, aber fürs Erste habe ich ein sehr gutes Gefühl.“ War das zu streng? Zu stumpf? Ich bin kein Experte in Kunst. „Ich arbeite bereits an einer Umsetzung“, erklärt er. Stolz lächelt er mir zu. „Wenn du möchtest, zeige ich sie dir irgendwann.“ Wieder nicke ich. „Sehr gern. Das würde mich sehr freuen.“ „Wie kommst du eigentlich voran? Schon irgendwelche neuen Fortschritte?“ Ich horche auf. „Bei was genau?“ „Deinem Roman. Hast du nicht erzählt, du arbeitest an einer Idee?“ Mein Herz schlägt höher. Eine Welle heftiger Glücksgefühle bricht über mir ein. Um ein Haar wäre mir ein freudvolles Quieken entwichen. Ich schreibe? Ich habe diese Leidenschaft also auch in dieser Welt nicht verloren? Gott sei Dank! Diese Information macht mich so dermaßen glücklich, ich finde keine Worte dafür. Bisher hatte ich noch keine Zeit, darüber nachzudenken, aber jetzt, da ich es weiß, verspüre ich eine zentnerschwere Erleichterung. Früher oder später, da habe ich keinen Zweifel, hätte ich mir diese Frage gestellt. Gott sei Dank! „Es ist noch nicht wirklich spruchreif, aber ja, ich arbeite noch daran“, erkläre ich und gerate ins Schwärmen. Meine Wangen glühen wie bei einem frisch verliebten Mädchen. Ob er es bemerkt oder nicht, ist mir egal. Meinetwegen darf jeder wissen, was das Schreiben in mir auslöst. Es ist nun wahrlich kein Geheimnis. „Wirst du mir irgendwann etwas davon zeigen?“ ‚Klar!‘, will ich antworten. Stattdessen stutze ich. „Habe ich das noch nicht?“ „Naja … Ich weiß, dass du schreibst. Du hast mir einmal eine kleine Interpretation zu eines meiner Bilder geschrieben. Das, was ich damals gelesen hatte, hat mir gefallen. Deswegen würde ich gern wissen, woran du eigentlich arbeitest. Vielleicht kann ich dich ja unterstützen, so von Künstler zu Künstler?“ Hm, interessant. Er kennt also mein Hobby und hat sich dazu bereits ein Bild gemacht. Aber er weiß nichts Genaues. Ist das nicht ein wenig eigenartig? „Sicher“, entgegne ich knapp. Wenn ich so darüber nachdenke, bin ich mir nicht sicher. Wenn er doch bereits weiß, dass ich schreibe und an einem größeren Projekt sitze, wieso bin ich dann noch nicht mit ihm ins Detail gegangen? Hat mein anderes Ich ihm misstraut? Gibt es guten Grund dazu? „Ich freue mich schon sehr darauf.“ Es klingt zufrieden. Lächelnd erbittet er sein Skizzenbuch zurück, welches ich ihm kommentarlos überreiche. Dann widmet er sich wieder dem Rest seines Kuchens. „Wir können uns wirklich glücklich schätzen. Zwei so kreative Köpfe, die von der Muse gesegnet sind, haben einander gefunden. Wir haben beide ein Gespür für das Schöne und unsere Kunst ergänzt sich perfekt. Ist das nicht eine wahrlich glückliche Fügung des Schicksals?“ Ich nehme mein Glas und Teller und kehre an meinen ursprünglichen Platz zurück. Seine Worte lösen Unbehagen in mir aus, doch ich versuche, es mir nicht anmerken zu lassen. Es kostet mich wirklich alle Mühe, ein unbeirrtes Lächeln auf meine Lippen zu zaubern, kaum dass ich ihm wieder gegenübersitze. „Wohl wahr.“   Der anschließende Stadtbummel mit Luka gestaltete sich als ungeahnt angenehm. Ich habe dabei herausgefunden, dass er eine genauso große Vorliebe für Musik hat wie ich selbst. Unsere Geschmäcker unterscheiden sich zwar, aber wir sind uns einig, dass Musik die Inspiration nährt. Ebenso wie schöne Dinge wie Blumen oder Bilder, die eine eigene Geschichte erzählen. Ich habe außerdem herausgefunden, dass er neben Kunstbüchern Krimiromane bevorzugt. Sie würden von Ideenreichtum zeugen, hat er gesagt, und regen zum aktiven Mitdenken an. Etwas, das ihm wohl sehr zusagt. Wir haben viel gesprochen. Luka weiß einfach alles, was einem begegnet, irgendwie zu kommentieren. Aber wenn ich ehrlich bin, war nicht viel davon wirklich informativ für mich. Ich hatte zwar viel Spaß, ihm zuzuhören und seine Fragen zu meiner Meinung zu beantworten, aber bei meinen eigentlichen Fragen hat es mir nicht weitergeholfen. Während wir so durch die Straßen gingen, überholten mich wieder die quälenden Fragen. Wieso Luka? Wie konnte es dazu kommen? Wieso ist es so? Und wie lange nenne ich mich schon seine »Freundin«? Ich muss diese Dinge irgendwie in Erfahrung bringen. Egal wie. Ich muss es verstehen.   Zum angebrochenen Abend finden wir uns im angrenzenden Stadtpark wieder, um uns von dem Bummel zu erholen und den Tag ruhig ausklingen zu lassen. Auf dem Weg haben wir uns je eine heiße Süßkartoffel geholt, die zum Winter in Japan sehr beliebt sind. Es ist das erste Mal, dass ich eine esse, aber sie schmeckt genau so, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Wir haben uns auf einer Bank niedergelassen. Vor uns befindet sich ein Springbrunnen von eher schlichter Art. Eine Hauptfontäne, die vielleicht einen Meter in die Höhe reicht und konstant fließt, und ein paar kleinere, die abwechselnd in Funktion sind. Darum sind einige kleine Blumenbeete angelegt worden, zwischen die kleine Pflasterwege an den Brunnen heran führen. Eigentlich ganz nett, doch zum Abend lockt er nicht mehr so viele Besucher an sich heran. Auf der anderen Seite des Brunnens gibt ein Straßenmusiker sein Gitarrenspiel zum Besten. Ich kann ihn von hier aus nicht sehen, aber die Musik, die er bringt, gefällt mir. Die Stücke sind abwechslungsreich, zu einigen singt er, zum Glück einigermaßen geübt. Ich bin ganz froh, dass er für ein wenig entspanntes Ambiente sorgt. „Bist du immer noch verstimmt?“, dringt Lukas ruhige Stimme an mich heran. Ich bin gerade dabei, meine Hände mit der Serviette zu säubern, ehe ich mich meines Mülls entledige. Ich sehe ihn kurz von der Seite an. Er sitzt in einer geraden Haltung, den Rücken an der Lehne. Die Arme liegen locker auf seinem überschlagenen Bein. Sein Blick ist auf den Springbrunnen gerichtet und scheint das Wasserspiel zu beobachten. Flüchtig streift mein Blick die große, schwarze Tüte mit dem Geschäftslogo des »Chic Beau«. Meine alten Klamotten befinden sich darin. Luka hatte sie die ganze Zeit getragen, was nicht nötig gewesen wäre, aber er beharrte darauf, dass sich das so für einen Gentleman gehört. Ich habe nicht weiter diskutiert, es hätte sowieso zu nichts geführt bis auf Peinlichkeiten. Ich ziele mit meinem kleinen Papierknäuel auf den Papierkorb nahe der Bank, und treffe. „Nein, ich bin nicht verstimmt“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Das ist gut.“ Ich glaube, ein leises Seufzen von ihm zu hören. Sicher bin ich mir nicht, da ich nicht zu ihm aufblicke. „Weißt du, ich hätte es schade gefunden. Es ist mir wichtig, dass du die Zeit mit mir als angenehm empfindest und Spaß hast, wenn wir ausgehen. Ich möchte nicht, dass ich der Einzige bin, dem es so geht.“ „Wieso? Hattest du bisher das Gefühl, dass es bei mir nicht so ist?“ „Um ehrlich zu sein, ich bin mir manchmal nicht ganz sicher.“ Nun sehe ich doch vorsichtig zu ihm. Ich muss wissen, was sich aus seiner Haltung und seinem Gesicht lesen lässt, während wir dieses Gespräch führen. „Wieso?“ „Wie soll ich das beantworten?“ Er schweigt für einen Moment, blickt starr auf die Fontänen und scheint tatsächlich nach den richtigen Worten zu suchen. „Du bist manchmal sehr zurückhaltend, wirkst auf Distanz. Ich habe manchmal das Gefühl, dass du mir nicht recht über den Weg traust. Aber du sagst auch nie etwas, beschwerst dich nie. Und ich frage mich, ob ich mir einfach zu viele Sorgen mache, was das anbelangt.“ Naja, verübeln kann ich »mir« das nicht. Es stimmt immerhin, ich bin misstrauisch ihm gegenüber. Ich besitze Wissen über ihn, wovon er nichts wissen darf. Aber der Tag hat mir gezeigt, dass er eigentlich gar kein so schlechter Kerl ist. Dennoch bin ich auf Vorsicht getrimmt. Ich kenne ihn so gesehen nicht und wage nicht, nach ein paar Stunden mit ihm als reale Person ein finales Urteil zu fällen. Ich wüsste selbst noch nicht zu sagen, in welche Richtung es ausfallen würde. Eines ist mir bis hierhin klar: »Ich« kenne ihn schon länger. Er weiß ein paar Dinge über mich. Es war nicht unser erstes Date. Aber bisher habe ich nicht das Gefühl, dass wir sonderlich vertraut miteinander sind. Anders bei Ukyo, der mich sehr gut zu kennen scheint. Oder zumindest einige meiner Alltagsgewohnheiten. Ich frage mich, wieso das so ist. Wieso scheint da eine so große Distanz zwischen uns zu sein, obwohl wir doch ein Paar sind? Sind wir möglicherweise erst seit Kurzem zusammen? Aber wieso? Wie kam es überhaupt erst dazu? Ich wende meinen Blick ab. „Kann man das umgekehrt nicht genauso sagen? Ich meine, wir sind jetzt wie lange zusammen?“ „Knapp einen Monat.“ Aha, interessant. Rhetorische Fragen for the win! „Siehst du. Und das war jetzt unser wievieltes Date?“ „Das dritte.“ „Also.“ Nun gut, das ist jetzt wirklich nicht so die Zeitspanne. Käme vielleicht darauf an, wie oft wir insgesamt miteinander zu tun haben. Ich meine, Dates sind ja nicht dazu da, um sich nur dann zu sehen, richtig? Aber es wäre zu auffällig, das jetzt ebenfalls mit einer vorgetäuschten Rhetorikfrage in Erfahrung bringen zu wollen. Ich werde es sicherlich noch merken. „Knapp ein Monat. Drei Dates. Und trotzdem sitzt du auf Abstand neben mir auf einer Parkbank und siehst mich nicht einmal an.“ Nicht, dass mir anderes im Augenblick lieber wäre, aber ein solches Aufzeigen von Tatsachen erscheint mir im Zuge der Situation angemessen. Natürlich ist mir bewusst, dass ich damit Lukas Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe. Ich kann seinen erstaunten Blick regelrecht spüren. Ein Gefühl, das sich nicht gerade gut anfühlt, eher unbehaglich. „Das tut mir leid, ich …“ Luka verstummt mitten im Satz. Ich wage nicht, ihn anzusehen, deswegen warte ich die Zeit einfach stillschweigend ab, bis er wohl die richtigen Worte gefunden hat. „Weißt du, es ist nur so: Ich war die ganze Zeit in dich verliebt. Man könnte sagen, es war Liebe auf den ersten Blick. Ich weiß, wie kitschig das klingt … aber es ist wahr. Es war nicht leicht, dich zu fragen, ob du meine Freundin sein möchtest. Und als du eingewilligt hast, war das für mich das größte Glück, das einem Mann widerfahren kann. Ich schätze nur, ich weiß noch immer nicht, wie ich am besten damit umgehen soll.“ Das wäre jetzt der Moment, in dem ich mir am liebsten eine Zigarette angesteckt hätte. Aber Luka hatte es mir verboten. Oder vielmehr hatte er mir im Café zu verstehen gegeben, dass er es nicht wünscht. Normalerweise gebe ich nicht viel auf Vorschriften, die meine privaten Gewohnheiten so vorherrschend bevormunden, aber wenn mich ein Nichtraucher so ausdrücklich darum bittet, in seiner Gegenwart das Rauchen zu unterlassen, dann behandle ich es mit Nachsicht. Auch wenn es echt ärgerlich ist und mich stresst. Ich stoße ein langes Seufzen aus. „Weißt du, du brauchst dich wirklich nicht so sehr um süße Worte zu bemühen“, reagiere ich trockener, als es in solch einer Situation wohl angemessen gewesen wäre. Aber das hier ist kein Shoujo-Manga und auch kein schnulziger Romantikstreifen. Ich würde in solch ein Setting auch gar nicht hineinpassen. „Es genügt mir voll und ganz, wenn du ehrlich zu mir bist.“ „Du glaubst mir nicht?“ Wie könnte ich? Auf welche Beweislage kann ich mich beziehen? Ich bin kein Teenager mehr. An »Liebe auf den ersten Blick« glaube ich schon lange nicht mehr. Liebe und Verliebtsein gilt für mich strikt zu unterscheiden. „Ich weiß es nicht.“ Aber Lukas Worte einmal ganz beiseite: Was empfinde »ich« eigentlich für ihn?   Es ist weit nach neun, als mich Luka zu Hause absetzt. Zumindest vermute ich das, nachdem die Uhr etwa dreiviertel neun gezeigt hatte, als wir den Park verlassen hatten. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist, obwohl sie mir endlos erschienen war, während ich mit Luka unterwegs gewesen war. Auf jeden Fall ist es spät geworden und die Straße vor meinem Wohnblock menschenleer. Ich schnappe mir meine Umhängetasche und die Tüte mit meinen Klamotten, ehe ich mich mit allem bepackt aus dem Taxi hieve. Der Fahrer hält es offenbar nicht für nötig, den Motor auszuschalten, was nur bedeutet, dass er so bald wie möglich weiterfahren möchte. Luka ist höflich genug, ebenfalls aus dem Taxi zu steigen, um mich angemessen zu verabschieden. Wir haben während der Fahrt nicht viel gesprochen, was in erster Linie an mir lag. Es waren genug Lügen für einen Tag, die ich gebraucht hatte. Mehr wollte ich wirklich niemanden mehr zumuten. Glücklicherweise schien Luka mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, sodass er nicht viel Aufwand betrieben hatte, mich doch noch in ein Gespräch zu verwickeln. Es war sehr erholsam, ehrlich gestanden. „Danke, dass du dir heute die Zeit für mich genommen hast“, eröffnet er die letzte Runde, die wir jetzt noch miteinander auszufechten haben. „Ich hatte viel Spaß.“ „Ich auch“, erwidere ich und habe nicht das Gefühl, gänzlich zu lügen. Rückblickend betrachtet. „Danke für alles“, ergänze ich und halte verbildlichend die »Chic Beau«-Tüte in meiner Hand ein Stück hoch. „Nicht dafür. Also dann, hab eine geruhsame Nacht.“ „Danke, die wünsche ich dir dann auch. Komm gut heim.“ Er nickt, lächelt kurz, bevor er sich in seinen Sitz zurücksinken lässt. Ich verstehe nicht mehr, welche neue Zieladresse er dem Fahrer nennt, da er die Tür bereits zugezogen hat. Keine Sekunde später setzt sich der gelbe Wagen bereits in Bewegung und ich sehe zu, wie er langsam meine Wohnstraße verlässt. Hm, seltsam. Das ging glimpflicher aus, als erwartet. Vielleicht etwas zu glimpflich. Keiner, der uns zugesehen hätte, hätte wohl vermutet, dass wir ein Paar sind. Kein Kuss, keine Umarmung. Nicht einmal ein klischeehafter Handkuss, den ich ihm durchaus zugetraut hätte. Um ehrlich zu sein, bin ich nicht ganz schlüssig, wie ich darüber denken soll. Es hinterlässt einen ziemlich bitteren Beigeschmack auf einer üppigen Portion Verwirrung. Nicht sehr lecker, und bestimmt nicht sehr bekömmlich. Aber was soll’s. Ich will nicht ewig hier draußen herumstehen und mir schon wieder den Kopf zerbrechen. Für einen Tag reicht es wahrlich an neuem Input. Eine Mütze voll Schlaf klingt jetzt sehr verlockend. Schlafen und einfach an nichts mehr denken. Und dieses Mal bitte im richtigen Bett. Ich suche meinen Schlüssel hervor und verschaffe mit Einlass in mein Wohnhaus. Mein Kopf steht auf Leerlauf, während ich die Treppe zur zweiten Etage nehme. Ohne Weiteres öffne ich die Tür meines Apartments und betrete zum zweiten Mal mein vorübergehendes Zuhause. „Da bist du ja!“, werde ich postwendend begrüßt, noch ehe ich die Tür hinter mir ins Schloss ziehen kann. Ukyos Stimme scheint aus dem Badezimmer zu kommen, tippe ich. Seltsam, dass es mich schon gar nicht mehr erschreckt, plötzlich einen Mitbewohner zu haben. Vielleicht bin ich auch nur müde, wer weiß. „Wo warst du denn so lange? Es ist schon spät. Ich habe angefangen, mir Sorgen zu machen.“ Ungeachtet der unüberhörbaren Sorge in seiner Stimme, entledige ich mich meines Mantel und Schuhe. Ich bin wirklich nicht mehr zu großartiger Anstrengung ausgelegt. Nur noch das Nötige und dann ins Bett. „Huch? Was ist denn mit dir passiert?“, höre ich Ukyo fragen, dieses Mal näher als zuvor. Ich blicke nur kurz auf, um mir zu bestätigen, dass meine Vermutung richtig war. Seine Haare sind feucht, nur grob zusammengesteckt und er hat sich ein Handtuch über die Schultern gelegt, wohl damit sein T-Shirt nicht unnötig nass wird. Frisch aus dem Badezimmer, definitiv. „Du siehst ja ganz anders aus als vor deinem Aufbruch.“ „Ich war shoppen. Unfreiwillig“, entgegne ich knapp. „Wolltest du dich nicht mit jemandem treffen? Dieser Picas-Person?“ „Ja, habe ich.“ „Und?“ Ich seufze. Indem ich mir Tasche und Tüte schnappe, ziehe ich an Ukyo vorüber und steuere auf direktem Wege mein Zimmer an. „Ich hatte ein Date.“ „W-was?“ Ich höre, wie Ukyo mir folgt. Erst als ich mein Zimmer betrete, dreht er sich ab und lehnt sich wartend gegen die Wand neben meiner Tür. Er scheint zu viel Anstand oder Respekt vor der weiblichen Privatsphäre zu haben, als dass er meinen Raum ohne meine ausdrückliche Aufforderung betreten würde. Nun, damit kann ich gut leben. Ich sollte es wohl künftig genauso bei ihm halten. Bei der Gelegenheit schäle ich mich aus den neuen Klamotten. Nachdem ich in eine lockere Hose und Schlafshirt geschlüpft bin, angle ich mir meine Zigaretten aus der Handtasche und verlasse mein Zimmer ein weiteres Mal. Ukyo steht tatsächlich noch auf seinem Posten neben der Tür, den Blick an der Decke haftend. Es verwundert mich ein bisschen, aber ich gehe nicht weiter darauf ein. Kommentarlos steuere ich den Balkon an. Kaum an der frischen Luft, stecke ich mir eine Zigarette an. Die dritte erst an diesem Tag. Wow, ich bin selbst ganz überrascht. Das wäre eigentlich die Gelegenheit, das Rauchen aufzugeben. Aber vielleicht mache ich mir nur wieder irgendwelche Illusionen von einem guten Willen, wo keiner ist. Wer weiß. „Ich war mit Luka aus“, sage ich schließlich nach einer ganzen Weile, nachdem ich bereits die Hälfte des Nikotinspenders verqualmt habe. Ukyo steht schon die ganze Zeit mit mir draußen, hält sich jedoch in der Nähe der Tür auf. Ich weiß nicht, ob es wegen meines Rauchens oder etwas anderem ist, bin aber auch nicht gewillt, jetzt noch groß darüber nachzudenken. „Hätte ich dir schreiben sollen, dass es voraussichtlich später wird oder so?“ Als auch nach mehreren Sekunden noch keine Antwort von Ukyo kommt, sehe ich zu ihm herüber. Er steht tatsächlich noch bei der Tür, den Rücken gegen den Rahmen gedrückt. Wie abwesend starrt er zu Boden, was es mir schwierig macht, in seinem Gesicht zu lesen. Doch seine Haltung wirkt verkrampft, irgendwie steif, was eigentlich genügt, um mir ein Bild von seinen Gedanken machen zu können. „Was ist denn? Hast du nicht gewusst, dass wir zusammen sind?“ „Nein … Also doch, natürlich habe ich es gewusst“, gibt er mir stammelnd zur Antwort. Es klingt irgendwie zerknirscht, unwillig. Als würde ihm der bloße Gedanke daran nicht gefallen, geschweige denn die Tatsache. „Hattet ihr wenigstens Spaß? War er nett zu dir?“ Seine Fragen wirken irgendwie gezwungen. Ich habe nicht das Gefühl, dass er das wirklich wissen möchte. Auf jeden Fall nicht das Erste. „Wir waren einkaufen, Kaffee trinken, ein wenig bummeln und spazieren. Nichts Weltbewegendes“, fasse ich daher meine Erklärung so knapp zusammen wie möglich. „War recht lustig. Wir haben viel geredet. Sonst ist nichts weiter passiert.“ „So. Das freut mich.“ Ich glaube ihm nicht. Ich glaube mir selbst nicht. Und ob ich Luka glauben soll, wage ich immer noch zu bezweifeln. Mann, so viel Misstrauen auf einem Haufen. „Tut mir leid, dass ich nichts gesagt habe. Das nächste Mal denke ich daran, dir Bescheid zu geben.“ „Mh.“ Wie bedrückend. Meine Zigarette ist aufgeraucht und ich drücke den Stummel in einem Aschenbecher aus, der auf einem der Fensterbretter steht. Ich muss Ukyo bitten, dass er mich vorbeilässt, ehe ich in das warme Wohnzimmer eintreten kann. Er spricht noch immer kein Wort zu mir. „Ich werde mich schon einmal hinlegen. Ist das okay für dich?“ „Mh.“ Ich seufze. Der Tag war stressig genug gewesen, und nun verhält sich Ukyo auch noch so resignierend. Das macht den Ausklang nicht gerade einfacher. „Gut, dann gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Zwecklos.   In meinem Zimmer liege ich endlich in mein warmes Bett gekuschelt. Es ist genauso bequem wie Ukyos, riecht nur anders. Mehr nach Waschmittel. Hm, vielleicht nur Einbildung. Die Beleuchtung meines Handydisplays erhellt den Raum spärlich. Zum wiederholten Male an diesem Tag, seit meiner Zugfahrt nach Nikuni, ziehe ich die Liste meiner Kontakte rauf und runter. Keine Privatkontakte. Lediglich sämtliche Namen jener, von denen ich weiß, dass sie meine Kollegen im »Meido no Hitsuji« sein dürften. Bis auf Kento, lustigerweise. Arbeitet er nicht im Café oder bin ich nur noch nicht dazu gekommen, ihn nach seiner Nummer zu fragen? Tja, und »Picas«. Ich frage mich immer noch, wofür dieser Name eigentlich steht. Wieso habe ich nicht einfach »Luka« eingespeichert, wie es sich gehört? Wollte ich damit irgendwem irgendwas verheimlichen? Aber sonst nichts. Keine Privatkontakte. Nicht meine Mum, nicht mein Freund, nicht meine Freunde, Kollegen, keine Ärzte. Nichts, gar nichts. Als würde es keinen von ihnen geben. Aber das Handy, welches ich in der Hand halte, ist ohne Frage meins. Was hat das zu bedeuten? Ich seufze geschlagen. Schnell gehe ich aus der Kontaktliste heraus, zurück zum Startbildschirm. Zweimal tippe ich auf eine freie Fläche und schalte das Display damit aus. Es wird schwarz, das Zimmer dunkel, und ich lege das Smartphone neben meinem Bett auf der Zwischenablage meines Kleiderschrankes ab. Anschließend drehe ich mich auf die andere Seite und vergrabe mich tief in der flauschigen Bettdecke. Keine Realkontakte. Als hätte es sie nie gegeben. Was hat das zu bedeuten? Was bedeutet das für mich? Das Leben, welches ich bisher geführt habe? Tränen steigen mir in die Augen. Mein Herz krampft sich zusammen. Auf einmal habe ich schreckliches Heimweh. Ich sehne mich nach einer Gewissheit. Einem Beweis, dass ich wirklich ich bin. Irgendetwas, das mir zeigt, was nun die tatsächliche Realität ist. Woran ich mich halten kann. Wer bin ich? Warum bin ich hier? Auf einmal habe ich schreckliche Angst, es niemals zu erfahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)