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Fliegende Schmetterlinge

von

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Alleine

Endlich ist der Sommer da. In vollen Zügen genieße ich die wärmenden Strahlen der Sonne, die das ganze Land aufheizen. Während sich die meisten meiner Mitschüler beklagen, bin ich froh darüber, dass wir heute draußen Sport haben.

"Malik, warum siehst du so glücklich aus? Das Wetter ist einfach nur eine Qual. Wenn es nach mir ginge, hätten wir schon längst Hitzefrei", beklagt sich Ryuji, der gerade seinen Sprint hinter sich hat und scheinbar nicht nur deswegen so schnauft.

"Ist doch schön, dass es endlich wärmer ist." Nun macht sich wohl deutlich bemerkbar, dass ich eigentlich aus einem anderen, wesentlich heißerem Land komme.

"Ich fand die Frühlingstemperaturen wirklich mehr als ausreichend. Ich hasse es, so zu schwitzen." Nachdem sich sein Atem endlich beruhigt hat, nimmt er einige Schlucke aus seiner Wasserflasche. Etwas Mitleid habe ich schon mit meinem Kumpel.

"Zumindest haben wir heute viele Pausen", versuche ich ihn etwas aufzumuntern. Es werden Noten gegeben, so dass nur immer fünf Schüler gleichzeitig am Rennen sind. Die Anderen können sich in dieser Zeit erholen.

"Toll. Etwas Schatten wäre mir lieber." Leider gibt es auf dem gesamten Sportplatz kein schattiges Fleckchen, so dass ich ihm dabei auch nicht weiterhelfen kann.

Schließlich bin ich mit Rennen dran. Nach drei Durchläufen, wovon der Beste benotet wird, ist die Doppelstunde auch schon vorbei. Zusammen mit meinen klagenden Mitschülern begebe ich mich in die Umkleiden, wo sich ausnahmslos alle erst einmal eine kühle Dusche gönnen, mich eingeschlossen.
 

"Wie läufts eigentlich mit Amane?" Wir sind gerade auf dem Weg zu unserem nächsten Unterrichtsraum, als Ryuji mir diese Frage stellt. Kurz überlege ich, ob ich überhaupt antworten, oder ihn einfach ignorieren soll.

"Du weißt genau, dass ich darüber nicht mit dir reden will." Nicht, dass irgendwas nicht okay wäre. Ich weiß einfach nicht, was ich ihm da groß erzählen soll, ohne irgendwelche intimen Details preiszugeben. Würde er Amane nicht so gut kennen, hätte ich vielleicht kein Problem damit, so aber fühlt es sich falsch für mich an.

"Ich meine mit Bakura", entgegnet der Schwarzhaarige, obwohl ich mir sicher bin, dass die eigentliche Intention seiner Frage eine andere war.

"Soweit ganz gut. Allerdings glaube ich, dass er sich immer noch daran stört." Zwar machen wir wieder mehr zusammen und auch der kleine Streit ist längst vergessen, doch ein paar Feinheiten entgehen mir nun einmal nicht. "Hat er dir nichts erzählt?" Auf meine Frage zögert Ryuji kurz, so dass ich mir nicht sicher bin, ob er mir die Wahrheit sagt.

"Darüber redet er nicht. Ich hab ihn mal gefragt, aber das fand er gar nicht so toll." Er zuckt kurz mit den Schultern. Ich weiß ja selbst, dass Bakura manchmal ein schwieriger Mensch ist. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass Ryuji mehr weiß, als er behauptet. Ärgern tut mich dies keineswegs, immerhin sollte Bakura seinem Freund vertrauen können, und wie sollte er das, wenn dieser bei jeder Gelegenheit mir weiter erzählt, was er ihm anvertraut hat.

"Na ja, ich werd schon noch mit ihm reden." Das will ich wirklich. Besser jetzt, als wenn irgendwann wieder die Bombe platzt.
 

Nach der Schule treffe ich mich, wie fast jeden Tag, mit Amane am Schultor.

"Und was habt ihr zwei so vor?" So wie Ryuji fragt, scheint er bereits selbst etwas geplant zu haben und möchte nur sicher gehen, dass sich unsere Wege hier wirklich trennen, bevor er sich verabschiedet. Heute liegt er mit seiner Frage richtig, denn wir haben tatsächlich etwas vor.

"Malik gibt mir mal wieder Nachhilfe im Malen", erklärt Amane sogleich. Das hat trotz unserer Beziehung keineswegs nachgelassen, viel eher ist es noch mehr geworden. Würde ich Geld für diese Nachhilfestunden nehmen, wäre ich wohl schon längst reich.

"Und was hast du vor?", stelle ich Ryuji die Gegenfrage.

"Ich werde erst einmal Eis essen gehen und mir anschließend einen entspannten Tag in der Stadt machen." Das heißt bei Ryuji so viel wie, eine ausgiebige Shoppingtour. Ich bin mir fast sicher, dass Amane mitgehen würde, wenn sie nicht bereits etwas vorhätte.

"Mit Bakura?", frage ich weiter, obwohl ich mir sicher bin, dass dies nicht der Fall ist. Bakura hasst shoppen, das durfte ich bereits oft genug feststellen. Im Vergleich zu dem Schwarzhaarigen dauert so etwas bei mir aber wirklich nicht lange.

"Nein, ich brauch doch auch mal meine Freizeit." So kann man es natürlich auch ausdrücken. "Ich glaube er möchte heute mit Miho für eine Prüfung lernen", erklärt er weiter. Das klingt tatsächlich plausibel, da sich das Schuljahr dem Ende und somit der Klausurphase zuneigt.

"Dann viel Spaß bei deinem Stadtbummel", wünscht Amane dem Jungen.

"Und euch beim Malen." Etwas zu froh, dafür dass er vorhin noch wegen der Sonne rumgeheult hat, verabschiedet er sich von uns.
 

"Zum Glück ist es hier so kühl", freut sich Amane, als sie mein Zimmer betritt. "Bei uns in der Wohnung ist es immer so warm im Sommer."

"Habt ihr keine Klimaanlage?" Nachdem ich meinen Rucksack neben meinem Bett abgestellt habe, krame ich eine leere Leinwand, die Amane bereits am Wochenende hier deponiert hat, hervor.

"Doch schon, aber die ist immer so teuer. Aber du magst sowieso die Wärme, nicht war?" Überrascht über ihre Frage schaue ich auf. Dass sie sich daran erinnert, freut mich tatsächlich etwas.

"Genau, das erinnert mich immer an Zuhause", scherze ich. Immerhin habe ich dort nur meine ersten Lebensjahre und einige Urlaube verbracht. "Auch wenn die Hitze hier eine andere ist." Hier wird es gerne mal sehr schwül, was mir dann ebenfalls zu schaffen macht. "Also, wobei kann ich dir dieses Mal helfen?", wechsle ich schnell das Thema. Je schneller wir das hinter uns haben, desto eher haben wir wieder nur Zeit für uns. Auch wenn ich genau weiß, dass das nicht so schnell und vor allem nicht an einem Tag gehen wird.

"Wieder Perspektive und dieses Mal Menschen."

"Aber Menschen kannst du doch sehr gut malen und die Perspektive hast du letztes Mal doch auch super hinbekommen." Nicht dass ich ihr deswegen nicht helfen würde, ich freue mich sogar, wenn wir diese Zeit auch miteinander verbringen können, da Amane sonst lieber alleine zeichnet. Es wundert mich gerade deswegen, dass sie dann mit so etwas zu mir kommt.

"Schon, aber bald steht die Prüfung an. Ich will nur sicher gehen, dass auch wirklich alles gut ist und jemanden mit Erfahrung drüber schauen lassen." Dagegen kann ich nichts einwenden.

"Okay, dann fang mal mit der Skizze an."
 

Am Abend haben wir Amanes grobe Skizze ausgearbeitet, wobei ich wirklich nicht viel mehr als drübergeschaut habe. Sie ist wirklich talentiert und hat meine Tipps vom letzten Mal sehr gut umgesetzt. Manchmal bewundere ich ihre Leidenschaft fürs Malen wirklich, auch wenn diese bei Schulprojekten eher selten durchkommt.

"Danke Malik, du bist mir wirklich eine große Hilfe." Sie lächelt mich so breit an, dass ich nicht anders kann, als sie zu mir zu ziehen und in einen innigen Kuss zu verwickeln. Wie immer beginnt mein Herz dabei wild zu schlagen und ein allzu schönes Gefühl breitet sich in meinem Inneren aus.

"Wie wärs, wenn du heute Nacht hier bleibst?" Kaum dass ich mich von ihr gelöst habe, hauche ich ihr diese Frage ins Ohr. Obwohl wir uns fast jeden Tag auch nach der Schule sehen, ist es eher selten, dass wir auch zusammen schlafen. Was das anbelangt, vermisse ich wirklich unseren kurzen Urlaub.

"Also, ich weiß nicht. Ich hab keine Sachen hier und Bakura..." Seufzend löse ich mich vollkommen von ihr.

"Okay, lass mich dich aber noch zur Haltestelle bringen." Mir ist klar, dass sie gerne bei mir übernachten würde. Doch obwohl sie sonst so selbstständig ist, scheint sie irgendetwas an der momentanen Situation zu stören. Mir bleibt nichts anderes übrig, als endlich mit Bakura zu sprechen und diese unsichtbare Blockade endgültig zu beseitigen.
 

Um meinen Plan, der nicht wirklich ein Plan ist, in die Tat umzusetzen, verabrede ich mich bereits am nächsten Tag mit meinem besten Kumpel. In nächster Zeit will ich möglichst viel Zeit mit Bakura verbringen, um unsere Beziehung noch etwas mehr zu stärken. Allerdings muss ich feststellen, dass das während der Prüfungszeit, beziehungsweise kurz davor, gar nicht so einfach ist. Glücklicherweise ist Bakura kein Mensch, der allzu viel auf die Schule gibt, so dass wir uns tatsächlich an diesem Tag schon treffen können. Wie in alten Zeiten habe ich dazu die kleine Pizzeria in der Stadt gewählt.
 

„Wie laufen die Klausurvorbereitungen so?“, beginne ich ein Gespräch, kaum dass wir uns die Menükarten vom Tisch gegriffen haben. Dass dies nach wie vor ein leidliches Thema für Bakura ist, erkenne ich sofort an seinem Gesichtsausdruck.

„Super“, entgegnet er mit deutlicher Ironie in der Stimme. „Warum kannst du dir eigentlich so viel Freizeit erlauben?“

„Bei uns werden die Theorieprüfungen nicht alle auf die letzten Monate geschrieben, ich hab den Großteil längst hinter mir. Jetzt stehen nur noch die Praxisprüfungen an und dafür muss ich nicht lernen.“ Eventuell klinge ich bei meinen Worten etwas hochnäsig, aber so ist es nun einmal. Was meine Zeichenkünste angeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich dieses Schuljahr bestehen werde.

„Vielleicht habe ich doch die falsche Schule gewählt“, grummelt Bakura, was mich breit grinsen lässt.

„Ich bin mir sicher, dass du der neue Picasso werden würdest“, ziehe ich meinen Kumpel auf. Wir wissen beide nur zu gut, dass er keinen geraden Strich ziehen kann. „Sei doch froh, dass du nur Theorie vor dir hast. Unter Zeitdruck so viel zu malen ist auch nicht schön.“ Ich selbst habe glücklicherweise keine Probleme damit, aber es gibt genug Schüler, die das nur gerade so und dann auch nur durch Leistungsabfall hinbekommen. Im ersten Schuljahr haben sogar viele deswegen die Schule wieder verlassen.
 

Nachdem unsere Pizzen da sind, lassen wir das Thema Schule schnell wieder fallen. Erst einmal gehen wir in Schweigen über, während jeder damit beschäftigt ist, seine eigene Pizza auseinanderzunehmen. Ich habe wie immer meine geliebten Meeresfrüchte, während Bakura überraschenderweise eine Gemüsepizza genommen hat. Bereits bei der Bestellung war ich überrascht, nun aber, da ich das grüne Monster vor mir sehe, muss ich ihn darauf ansprechen.

„Was ist denn mit dir los?“, frage ich den Jungen, kaum dass ich meine Pizza in viele kleine Stückchen geschnitten habe. Ich kann diese großen, unhandlichen Stücke nicht leiden und Bakura hat sich über die Jahre diese Technik irgendwann bei mir abgeschaut.

„Was meinst du?“ Gerade steckt er sich eines der kleinen Stückchen, auf dem irgendetwas Grünes liegt, in den Mund.

„Du isst doch sonst nicht freiwillig so viel Gemüse“, erkläre ich meine Verwunderung. Bakuras braune Augen durchbohren mich einen kurzen Augenblick, als müsste er abwiegen, ob er mir den Grund verraten will, ehe er dann doch antwortet.

„Miho meinte mit mehr Gemüse könnte ich mich besser konzentrieren und lernen.“ Es fällt mir schwer, ein Auflachen zu unterdrücken. Zwar weiß ich nicht, ob diese Behauptung stimmt, aber alleine, dass Bakura sich wirklich daran hält, ist einfach nur zu komisch.

„Und? Spürst du schon was?“, frage ich weiter und stecke mir dann schnell ebenfalls ein Pizzastück in den Mund, um nicht doch noch zu lachen.

„Keine Ahnung“, entgegnet er Achselzuckend. „Ich bin nur froh, wenn dieses Schuljahr endlich rum ist.“ Und solange es ihm schmeckt, kann es bestimmt nicht schaden.
 

Da mir im Verlauf des Tages klar wird, dass es in der nächsten Zeit schwierig werden dürfte, noch mehr Zeit mit Bakura zu verbringen, da ihm die Schule scheinbar doch nicht so egal ist, wie ich angenommen habe und er zudem wirklich ziemlich hinterm Lernen herzuhinken scheint, beschließe ich, ihn bereits heute auf Amane anzusprechen. Das mag vielleicht nicht sonderlich nett von mir sein, immerhin wird es vermutlich etwas sein, was ihm dann ebenfalls im Kopf herumschwirren wird, doch bis zum Ende der Prüfungsphase kann ich einfach nicht warten.

Gerade verlassen wir die Pizzeria und machen uns auf den Weg zu Bakura nach Hause, als ich mich entscheide, dass nun der richtige Zeitpunkt ist, das Thema zu wechseln.

„Bakura, ist eigentlich wieder alles gut bei uns?“ Zwar hat es bisher so gewirkt, doch wirklich angesprochen haben wir es nie. Zu Recht scheint Bakura über den plötzlichen Themenwechsel überrascht zu sein, zumindest dauert es einige Sekunden, bis er aufhört, mich einfach nur anzuschauen.

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Seine Stimme klingt dabei so abwertend, dass ich mir meine nächsten Worte gut überlege.

„Amane ist in letzter Zeit so zurückhaltend mir gegenüber und ich vermute, dass das deinetwegen ist“, lege ich die Karten auf den Tisch. Als Bakura sich nicht dazu äußert, spreche ich schließlich weiter. „Ich würde mich freuen, wenn sie mal wieder bei mir übernachten würde.“
 

„Wozu“, fragt er sofort und sein Misstrauen ist ihm nun deutlich anzumerken.

„Wozu? So weit ich weiß, schläft Ryuji doch auch ständig bei dir. Es ist eben einfach schön, nachts jemanden bei sich zu haben, den man gern hat.“ Ich bin fast etwas verzweifelt darüber, dass mein Kumpel nach wie vor so stur in dieser Hinsicht ist. Scheinbar haben ihm meine Worte zumindest etwas den Wind aus den Segeln genommen, denn er antwortet nichts darauf. „Ich habe es dir doch schon mal gesagt. Irgendwann wird deine Schwester nun mal einen Freund finden und diese Wahl ist eben auf mich gefallen. Amane kann nichts dafür, genauso wenig wie ich, du müsstest das doch am besten wissen. Aber anstatt froh darüber zu sein, dass es nicht irgendein wildfremder Kerl ist, über den du nichts weißt und der dich womöglich nicht leiden kann, machst du mir auch noch das Leben schwer. Ich weiß wirklich nicht, was dich so sehr an mir stört, aber du kannst dir sicher sein, dass ich nur das Beste für Amane will.“ Nach meiner langen Anrede streiche ich mir die Haare zurück, ehe ich weiterspreche. „Wenn du mir nicht sagst, was dich stört, dann kann ich auch nicht versuchen, etwas daran zu ändern. Und so sehr ich dich auch mag und gewiss keinen Streit mit dir will, ich werde Amane nicht loslassen, solange sie das nicht will. Aber ich fände es wirklich schade, wenn unsere Freundschaft deswegen leiden würde.“ Beziehungsweise noch mehr leiden würde. Doch das äußere ich nicht laut und schaue stattdessen gespannt zu meinem Freund, was er dazu zu sagen hat. Doch wie letztes Mal schon, ist er auch heute nicht sonderlich gesprächig.

„Vielleicht hast du Recht, aber so einfach ist es nicht.“ Das ist immerhin schon mal ein kleiner Anfang, wirkt der Junge auf einmal zumindest etwas einsichtig.

„Und warum?“, frage ich geduldig nach, als Bakura nicht weiterspricht. Ich kenne meinen Kumpel gut genug, um zu wissen, dass man ihm bei solchen Themen wie Gefühlen alles aus der Nase ziehen muss.
 

Doch anstatt mir zu antworten, geht Bakura einfach schweigend neben mir her. Mit einem leisen Seufzer starte ich einen neuen Versuch.

„Ich weiß wirklich nicht, was so schwer ist, dass du es mir nicht einmal anvertrauen kannst. Aber vielleicht fällt es dir bei Miho oder Ryuji ja einfacher. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir dieses Problem irgendwie aus der Welt schaffen können, und wenn wir dazu unsere Freunde zu Rate ziehen müssen ist mir das auch recht.“ Während wir weiterlaufen, schaue ich Bakura von der Seite an. Scheinbar haben ihn meine Worte wirklich aufgewühlt. Zum Teil tut es mir wirklich leid, dass ich ihn damit nun aus der Bahn geworfen habe.

Bis zu ihm nach Hause reden wir kein Wort mehr, doch ich weiß genau, dass es in seinem Kopf nun arbeitet und dass er einfach etwas Zeit für sich alleine braucht, die ich ihm nur allzu gerne geben mag.

„Also dann bis demnächst“, verabschiede ich mich von dem Jungen, wobei ich ihm kurz meine Hand auf die Schulter lege. Anschließend mache ich mich auf den Heimweg, wo ich selbst noch genug für die Schule zu erledigen habe. Fürs Erste werde ich abwarten, ob sich etwas seitens Bakura tut. Ich kann es nur hoffen.
 

Tatsächlich muss ich nur eine halbe Woche warten, ehe Miho bei mir vor der Tür steht. Vollkommen ohne Ankündigung bin ich doch etwas überrascht, da dies nicht gerade Mihos übliches Verhalten ist.

„Miho, komm doch rein“, begrüße ich sie und trete zur Seite, so dass das Mädchen ins Haus kommen kann.

„Tut mir leid, falls ich etwas ungelegen komme“, entschuldigt sie sich, kaum dass ich die Tür hinter ihr geschlossen habe. Wir umarmen uns kurz und gehen dann auf mein Zimmer.

„Du störst nicht, wirklich“, versichere ich ihr. Sie hat Glück, dass ich gerade an einem Kunstprojekt arbeite, da sie mich an einem Sonntag sonst wohl eher nicht zu Hause angetroffen hätte. „Was gibt’s denn?“ Diese Frage hebe ich mir auf, bis wir wirklich in meinem Zimmer sind und unsere Ruhe vor meinen Geschwistern haben.

„Es ist wegen Bakura“, rückt das Mädchen schließlich zögerlich heraus. Also hat er endlich geredet. Doch meine Freude über diesen Gedanken hält nur kurz an. „Ich sollte das vermutlich niemanden erzählen, aber es belastet mich mittlerweile so sehr und...“ Ich sehe ihr deutlich an, dass sie im Zwiespalt mit sich selbst steht.

„Er hat dir etwas anvertraut, was du niemanden weitersagen sollst“, vermute ich, worauf ich ein Kopfnicken erhalte. Dann hat er wohl doch nicht geredet, zumindest nicht mit der Absicht, dass es zu mir gerät.
 

„Du musst es mir nicht sagen, wenn du dir unsicher bist.“ Versichere ich ihr, damit sie sich bloß nicht dazu gezwungen fühlt, etwas auszusprechen, was möglicherweise für noch mehr Konflikte sorgt.

„Ich will mit irgendjemandem reden, weil das eigentlich kein Grund ist, Streit deswegen zu haben. Und da irgendwie alle damit zu tun haben, dachte ich es wäre am besten, wenn ich gleich zu dir gehe. Immerhin geht es ja auch um dich.“ So wie Miho spricht hat sie sich scheinbar wirklich viele Gedanken darum gemacht. Ich bin mir auch fast sicher, dass sie mit Bakura darüber gesprochen hat, um eine Lösung zu finden. Sonst würde sie wohl kaum einfach so etwas weitererzählen, was sie im Vertrauen erfahren hat. Trotzdem fühle ich mich fast etwas unwohl, so etwas dann erzählt zu bekommen. Allerdings steigt gleichzeitig auch meine Neugierde, um was es sich nun eigentlich handelt.
 

"Na gut, aber wie wäre es, wenn wir das auf morgen verschieben?" Mihos verwunderter Gesichtsausdruck spiegelt meine Gedanken wieder. Was spricht dagegen, es jetzt zu erfahren? So brauche ich auch einige Sekunden, ehe ich ihren fragenden Blick beantworten kann. "Ich möchte mein Bild heute noch fertig bekommen, das funktioniert nicht mehr wenn mir etwas im Kopf herumschwirrt." Ich weiß selbst, was für eine lächerliche Ausrede das ist, immerhin werde ich mir jetzt genauso viele Gedanken darum machen, um was es sich dabei nun handeln kann. Jedoch kann ich dem Mädchen nicht einfach sagen, dass ich etwas Bammel davor habe, von ihr jetzt zu erfahren worum es geht, wenn das gegen Bakuras Einverständnis geschieht. Daran wird sich bis morgen zwar nicht viel ändern, doch vielleicht ändert Miho ja ihren Entschluss. Wenn nicht weiß ich schon, dass meine Neugierde gewinnen wird.

"Na gut", nimmt Miho meine Worte einfach hin, ohne weiter nachzufragen oder mich anzuklagen. Dies ist eine wirklich angenehme Seite an dem Mädchen.

"Wir treffen uns morgen Nachmittag am Bahnhof?", schlage ich vor. Miho stimmt zu und wir verabschieden uns wieder. Ich bin mir fast sicher, dass sie ebenso unsicher ist, wie ich mich fühle. Ginge es um jemanden anderes würde ich solche Informationen vermutlich sofort annehmen. Doch bei Bakura fühlt es sich eher an, als würde ich ihn hintergehen. Mit diesen Gedanken im Kopf wende ich mich wieder meinem Bild zu.

Zu zweit

Am nächsten Tag treffe ich mich nach der Schule wie vereinbart mit Miho am Bahnhof. Mittlerweile habe ich mich auch dazu entschieden, dieses Treffen mit einem kleinen Ausflug zu verbinden, zumindest wenn das Mädchen nichts dagegen hat.

„Hallo Malik“, begrüßt sie mich sogleich mit einer leichten Umarmung.

„Hey Miho, hast du heute vielleicht etwas Zeit?“ Vielleicht hat sie wie Bakura ja auch gar keine Zeit, da sie ebenfalls für die anstehenden Klausuren lernen muss.

„Ja klar, was ist denn los?“ Ohne dass ich sie auffordern muss, folgt mir Miho, als ich mich in Bewegung setze.

„Ich dachte, wir könnten in den Park oder so gehen. Da haben wir unsere Ruhe und niemand wird uns stören.“ Besonders nicht meine Geschwister. Bei diesem Gedanken fühle ich mich schon fast so, als würde ich etwas Verbotenes tun.

„Okay. Aber ich habe Bakura versprochen, ihm heute Abend beim Lernen zu helfen.“ Das sind nur noch wenige Stunden, aber so lange habe ich auch nicht vor, mit dem Mädchen unterwegs zu sein.

„Das passt schon.“ Immerhin gehe ich auch davon aus, dass das, was sie mir sagen will, nicht allzu viel ist. Während wir zu dem Park gehen, der ganz in der Nähe liegt, beginne ich ein Gespräch, damit es nicht ganz so ruhig ist. „Und du kommst mit dem Lernen besser zurecht?“

„Ich lerne das ganze Jahr über, also ja. Ich muss jetzt eigentlich nicht wirklich viel lernen und wenn ich Bakura helfe, wiederhole ich sowieso alles.“ Miho hat definitiv meinen Respekt verdient. Ein anderer würde sie vielleicht als Streber bezeichnen, aber so eine Disziplin muss jemand erst einmal haben.
 

Als wir endlich in dem weitläufigen Park ankommen, muss ich feststellen, dass es mittlerweile wirklich Sommer geworden ist. Die Bäume haben ein schönes, saftiges dunkelgrün angenommen und überall um uns herum ist Vogelgezwitscher zu hören. Hier und da flüchten Vögel und sogar Eichhörnchen vor den Parkbesuchern. Wir gehen ein kleines Stück den Weg entlang, der durch die grüne Wiese führt, bis wir tatsächlich einigermaßen alleine sind.

„Also, möchtest du nun wissen, was ich weiß?“, beginnt Miho das gefürchtete Gespräch, wofür sie sogar stehen bleibt. Mit einem kurzen Zögern bleibe ich schließlich ebenfalls stehen und drehe mich dann zu dem Mädchen um.

"Nur zu." Deswegen sind wir immerhin hier. Schnell sammle ich mich innerlich und mache mich dann bereit, zu erfahren, was Bakura stört. Wobei ich sowieso schon weiß, was genau das ist.

"Okay. Also wie soll ich das sagen. Bakura... Er hat weniger ein Problem damit, dass du mit Amane zusammen bist, sondern viel mehr damit, dass Amane mit dir zusammen ist." Verständnislos starre ich Miho an, die sich bei ihren Worten sichtlich unwohl fühlt. Es dauert einige Augenblicke, bis ich zu verstehen glaube, was das Mädchen damit meint. Bakura ist eifersüchtig auf Amane? Das ist wirklich nicht ansatzweise das, womit ich gerechnet habe und auch nichts, was ich glauben kann.

"Er stört sich an Amane?", wiederhole ich meinen Gedanken, worauf Miho zögerlich, aber bestätigend nickt. "Das musst du falsch verstanden habe", versuche ich Miho noch einmal eine andere Aussage zu entlocken und setze mich wieder in Bewegung, um mich etwas abzulenken.

„Das glaube ich nicht“, widerspricht mir das Mädchen sofort. „Ich habe das ausführlich mit ihm besprochen.“ Mir ist klar, dass sie mir nicht alles mitteilt was sie weiß. Doch das braucht sie auch gar nicht, damit ich ihren Worten Glauben schenke.

Vielleicht mag diese Offenbarung Bakuras Verhalten erklären, doch leider hilft sie mir keineswegs weiter, die Problematik zu klären. Viel eher verkompliziert sie alles nur noch mehr.
 

„Danke Miho, das erklärt wirklich einiges.“ Gerade kommen wir an einer Bank vorbei, deren Dienst ich sogleich in Anspruch nehme. Abgelenkt hat mich die Bewegung keineswegs, so dass eine kleine Pause vielleicht gelegener kommt. „Leider weiß ich jetzt noch weniger, was ich machen soll“, murmle ich eher an mich selbst gerichtet. Ich bin mir sicher, dass Bakura nicht auf mich steht, sonst wäre er nun wohl kaum mit Ryuji zusammen. Aber deswegen mein Leben lang Single zu bleiben ist gewiss keine Option.

„Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen.“ Entschuldigend schaut mich Miho an, weshalb ich mich dazu entscheide, mir erst später den Kopf darüber zu zerbrechen.

„Das hast du doch schon“, versichere ich dem Mädchen. „Aber es gibt nicht zufällig noch irgendwelche Geheimnisse, über die ich bescheid wissen sollte?“ Meine Frage ist nicht wirklich ernst gemeint und wie erwartet wird sie verneint.

„Ähm...“ Miho, die die ganze Zeit vor mir steht, wirkt auf einmal doch ziemlich unsicher. „Also könntest du Bakura vielleicht nicht sagen, dass...“ Scheinbar versucht Miho verzweifelt die richtigen Worte zu finden.

„Kein Wort kommt über meine Lippen“, verspreche ich dem Mädchen und erlöse es damit von seinem Gestotter.

„Danke Malik.“ Sie lächelt mich erleichtert an und verbeugt sich dann leicht. „Ich muss jetzt los, wenn es okay für dich ist.“

„Ja klar, geh nur.“ Schließlich will ich nicht, dass sie meinetwegen zu spät kommt. „Ich werde noch etwas hierbleiben.“ Ein wenig Zeit für mich wird mir nun ganz gut tun.

„Okay, wir sehen uns dann die Tage.“ Nach einem letzten besorgten Blick, den sie mir zuwirft, dreht sich Miho letztendlich um und verschwindet in die Richtung, aus der wir gekommen sind.

Kaum dass sie außer Sichtweite ist, lasse ich mich gegen die Banklehne sinken und schließe meine Augen. Es ist eine gute Idee gewesen, für das Gespräch hierher zu kommen. So kann ich mir gleich die Auszeit nehmen, die ich nun dringend nötig habe. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich an diese Angelegenheit herangehen soll.
 

An diesem Abend komme ich nicht mehr dazu, mein Bild zu beenden, was mich fast so sehr stört wie die Tatsache, dass ich mich die nächste Zeit nicht einmal mit Bakura werde aussprechen können. Umso dankbarer bin ich darüber, dass Amane am nächsten Tag in der Schule auf mich zukommt.

„Wann genau hat Rishid nochmal Geburtstag?“, fragt sie mich nach einer nur sehr knappen Begrüßung.

„In zwei Wochen. Warum?“ Dass Amane mich etwas über meinen Bruder fragt, ist eher selten und verwundert mich dadurch etwas.

„Schon vergessen? Wir wollten ihm etwas schenken und langsam ist es an der Zeit, uns Gedanken über dieses Geschenk zu machen.“ Sie wirkt zwar etwas tadelnd, aber keineswegs verärgert.

„Ach ja“, entgegne ich sehr einfallsreich, als ich mich wieder erinnere. Es ist typisch für das Mädchen, dass es an so etwas denkt und es nicht so wie ich einfach wieder vergisst.

„Dafür sollten wir uns vielleicht alle zusammensetzen, aber...“ Momentan gibt es kaum Gelegenheiten, vollende ich ihren Satz in Gedanken. „Miho kann sich eine Auszeit nehmen, so dass sie sich mal mit uns zusammensetzen kann. Und Bakura...“ Sie zuckt kurz mit den Achseln, als würde das alles erklären.

„Der wird uns kaum eine Hilfe sein“, vollende ich Amanes Satz dieses Mal laut. Wir wissen alle nur zu gut, dass der Junge es nicht so mit Geschenken hat, was mir auch Amanes Nicken bestätigt. „Wann wollen wir das machen?“ Ich bin mir fast sicher, dass meine Freundin bereits alles organisiert hat, obwohl sie bis eben nicht einmal wusste, wann der Geburtstag ist.
 

„Diesen Samstag bei Ryuji zu Hause.“ Überrascht ziehe ich eine Augenbraue hoch. Zwar sind wir schon das ein oder andere Mal bei dem Jungen zuhause gewesen, aber ein typischer Treffpunkt ist das nicht für uns. „Bei dir geht es schlecht, immerhin soll Rishid nichts mitbekommen. Bei mir könnte es ziemlich eng werden, außerdem wollen wir ja nicht Bakura beim Lernen stören. Und Miho meinte, ihre Eltern wären das Wochenende da. Du weißt ja wie das dann ist“, erklärt Amane die Entscheidung, uns bei Ryuji zu treffen, die nun wirklich einleuchtend ist. „Aber bei Ryuji werden wir auch eher im Garten sitzen, es soll am Samstag sehr heiß werden.“

„Na hoffentlich hat er ein Planschbecken“, entgegne ich scherzhaft, obwohl ich genau weiß, dass dies nicht der Fall ist. „Um wie viel Uhr treffen wir uns?“, frage ich weiter trotz der Befürchtung, dass ich es mir sowieso nicht merken kann.

„Ich hole erst Miho und dann dich ab. So um 10?“ Obwohl der Satz als Frage formuliert ist, weiß ich genau, dass ich nicht ablehnen kann, weswegen ich nur zustimmend nicke. So muss ich mir zumindest keine Zeit merken. „Und denk bis dahin schon mal über ein gutes Geschenk nach, du kennst deinen Bruder immerhin am besten.“

„Ja mein Liebling“, versichere ich ihr und ziehe sie sogleich an mich heran, wobei ich darauf achte, dass uns niemand sieht. Es hat die gewünschte Wirkung, dass Amane mich mit keinen weiteren Informationen oder anderen Dingen, die ich mir merken muss, bombardiert. Zusätzlich dazu bekomme ich einen liebevollen Kuss aufgedrückt, der mich kurz vergessen lässt, dass wir uns auf dem Schulgelände befinden.

Das Mädchen scheint es jedoch nicht zu vergessen, denn kaum dass sie sich von mir löst, drückt sie mich sogleich sanft von sich.
 

„Benimm dich“, schimpft sie scherzhaft mit mir, obwohl sie es gewesen ist, die mit dem Kuss angefangen hat.

„Tu ich doch.“ Scheinheilig lächle ich sie an. Zu gerne würde ich mit ihr über Bakura sprechen, doch diese Angelegenheit werde ich wohl oder übel mit mir selbst, beziehungsweise mit Bakura ausmachen müssen. Zumindest hat mich das Mädchen mit ihrem Anliegen ein wenig ablenken können. „Kommst du heute wieder vorbei?“ Immerhin hat sie noch immer ihre Skizze bei mir stehen, die sie sicher bald beenden möchte. Scheinbar scheint meine Frage jedoch sehr abwegig zu sein, da mich das Mädchen nur verwundert anschaut. „Brauchst du dein Bild doch nicht mehr?“

„Ach verdammt, das hab ich total vergessen.“ Eigentlich würde ich nicht glauben, dass Amane irgendetwas vergessen hat, doch ihre Reaktion ist mehr als glaubwürdig. „Ich bin momentan mit mehreren Projekten beschäftigt, da habe ich das einfach vergessen. Heute kann ich nicht, wie wärs mit morgen?“

„Klar, für dich habe ich immer Zeit.“ Wüsste ich nicht selbst, was das für ein Stress sein kann, würde ich Amane nun für ihr scheinbar dusseliges Verhalten belächeln.

„Ich hatte echt nicht gedacht, dass dieses Jahr noch anstrengender sein kann, als das Erste“, beschwert sie sich mit einem genervten Seufzer bei mir.

„Keine Angst, es wird nur noch schlimmer. Am besten fängst du langsam an, die Schulprojekte einfach zu lieben.“ Denn wenn ihr ein Projekt Spaß macht, dann ist sie meist wirklich schnell damit fertig.

„Danke für den Tipp.“ Ich glaube einen Hauch von Sarkasmus heraushören zu können, was ich gekonnt übergehe.

„Immer wieder gern.“ So gut mir dieses Gespräch gerade auch tut, muss ich mich spätestens beim Klingeln der Schulglocke von dem Mädchen trennen. Erst jetzt merke ich, dass meine Gedanken noch genauso durcheinander sind, wie zuvor. Ich verfluche Ryuji fast schon ein wenig dafür, dass er sich gerade heute eine kleine Auszeit von der Schule nimm.
 

Dementsprechend froh bin ich, als der Schultag endlich zu Ende geht und ich mich meinem Bild zuhause widmen darf, oder eher muss.

Als ich dann irgendwann am Abend ein Ergebnis habe, entscheide ich mich dazu, Bakura anzurufen. Weder weiß ich, was genau ich mit ihm bereden soll, noch ob er überhaupt dran geht. Entgegen meiner Erwartungen hebt nach dem dritten Klingeln nicht Amane, sondern ein leicht genervt klingender Bakura ab.

„Hey, alles klar bei dir?“ Ein leichtes Grinsen kann ich mir bei der Frage nicht verkneifen. Selbst über das Telefon ist es offensichtlich, dass er vom Lernen total fertig ist.

„Malik. Amane hat grad keine Zeit“, erklärt er mir sofort.

„Das macht nichts, ich wollte sowieso mit dir sprechen.“ Dass er tatsächlich denkt, dass ich nur wegen seiner Schwester anrufen würde, erschreckt mich doch ein bisschen.

„Mit mir?“ Gekonnt überhöre ich seinen zweifelnden Tonfall.

„Ich dachte ein wenig Ablenkung würde dir vielleicht ganz gut tun. Wie läuft es denn so mit dem Lernen?“ Die Tatsache, dass seine erste Reaktion ein genervtes Aufstöhnen ist, lässt mich nur noch breiter grinsen.

„Miho und Amane nötigen mich geradezu dazu und am Wochenende soll ich auch zuhause bleiben.“ Begeisterung klingt definitiv anders.
 

„Warum lässt du das mit dir machen?“ Sonst hat der Junge immerhin seinen eigenen Kopf und lässt sich von niemandem etwas sagen.

„Ach, sie meinen meine Noten wären nicht gut genug um das Schuljahr zu schaffen.“

„Und, sind sie das?“ Bakuras Schweigen ist mir Antwort genug. „Wie wärs, wenn ich die Tage mal vorbeikomme?“, biete ich ihm ebenfalls meine Hilfe an.

„So schlecht bin ich auch nicht, außerdem hat Ryuji das auch schon versucht.“

„Ich bin aber nicht Ryuji und außerdem habe ich die Prüfungen schon hinter mir.“ Auch wenn wir auf verschiedene Schulen gehen, werden sich die Arbeiten schon irgendwie ähneln. „Wo brauchst du denn Hilfe?“

„Geschichte“, gibt er schließlich nach einer kurz entstandenen Stille von sich.

„Na das ist doch super.“ Nicht nur ist Geschichte eines meiner besten Fächer, ich habe meinem Kumpel schon des Öfteren Nachhilfe dabei gegeben. Umso mehr überrascht es mich, dass er mich nicht schon längst um Hilfe gebeten hat, immerhin weiß er um meine Stärke. Andererseits scheine ich auch der Einzige zu sein, der Bakura bisher keine Hilfe angeboten hat. Früher ist diese immer von mir ausgegangen. Vielleicht habe ich meinen Kumpel die letzte Zeit doch etwas vernachlässigt. „Wann ist die Arbeit?“

„Am Montag.“ Das ist ziemlich knapp, was wohl auch Bakuras Meinung ist. „Das wird eh nichts mehr.“

„Ach was“, widerspreche ich sogleich. „Ich komme am Sonntag vorbei und dann retten wir deine Note schon irgendwie.“

„Wenn du meinst.“ Da er nicht widerspricht, sehe ich seine Antwort mal als ein Ja an, weswegen ich mir den Sonntag vorsichtshalber aufschreibe. Derart verplant ist meine Woche schon lange nicht mehr gewesen.

Diese Nacht kann ich jedoch viel besser schlafen. Nicht nur, weil ich mich am Sonntag mit Bakura treffe, auch wenn wir da nur lernen wollen und ich ihn einen Tag vor seiner Prüfung nicht unnötig mit einer Aussprach belasten will. Vor allem finde ich es aber schön, endlich mal wieder ein längeres Gespräch mit meinem Kumpel gehabt zu haben, ohne dass dieses in einen Streit geendet ist.
 

„Kann ich deine Farben benutzen?“ Überrascht drehe ich mich zu Amane um, die bereits die Farben auf meinem Schreibtisch durchschaut.

„Warum das denn? Du benutzt doch sonst Aquarellfarben.“ Nicht dass ich etwas dagegen habe, wenn sie meine Farben benutzt. Sie hat bloß kaum Erfahrungen mit Acryl, das sich doch etwas anders verhält.

„So viel wie ich in letzter Zeit male, habe ich kaum noch Farben. Also wollte ich das als Anlass nehmen, etwas Neues auszuprobieren.“

„An einem so wichtigen Bild?“ Immerhin gestaltet dieses Bild ihre Endnote entscheidend mit, wenn ich das richtig verstanden habe.

„Was soll ich denn machen? Für diesen Monat habe ich kein Geld mehr, um mir neue zu kaufen.“ Dass sie auch in der Schule umsonst malen kann, sage ich ihr lieber nicht, schließlich weiß ich genau, dass Amane es nicht mag, beim Malen beobachtet zu werden. Genauso wenig biete ich ihr an, einfach etwas Geld zu leihen. Würde sie welches wollen, würde sie sicher fragen, aber anscheinend hat sie sich längst entschieden, mit Acryl zu malen.

Und so gestatte ich es meiner Freundin, diese auch zu nutzen und stehe ihr dabei hilfreich zur Seite.
 

„Bis wann brauchst du es denn?“ Als wir am Abend beschließen aufzuhören, ist das Bild noch lange nicht fertig. Durch Amanes geringe Kenntnisse mit den Farben ist sie nur langsam vorangekommen, doch es sieht bereits sehr gut aus.

„Nächste Woche irgendwann. Ich dachte, dass ich es am Wochenende fertig mache.“ Der Vorschlag an sich klingt gut, wenn da nicht ein kleines Problem meinerseits wäre.

„Ich bin am Sonntag nicht da“, teile ich ihr sogleich mit, wobei sich ein schlechtes Gefühl in mir ausbreitet. „Ich habe Bakura schon versprochen ihm zu helfen. Tut mir leid“, erkläre ich auf ihren fragenden Blick.

„Ich schaffe das schon alleine“, versichert sie mir. „Wenn ich darf.“

„Natürlich.“ Ich habe weniger Bedenken damit, Amane alleine ins Haus zu lassen, wobei meine Geschwister vermutlich sowieso da sein werden, als damit, dass sie dann keine Tipps von mir bekommen kann. Lediglich am Samstag kann ich ihr noch Tipps mitgeben, wenn nach unserem Treffen noch Zeit bleibt. Mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob dieser Tag so gut für so etwas wie eine Geschenkfindung gewählt ist, da scheinbar jeder gerade im Schulstress ist.

„Danke dir.“ Sie lächelt mich so breit an, dass sich mein Herz beinahe schon schmerzhaft zusammenzieht. Da ich genau weiß, dass sie sich gleich wieder auf den Nachhauseweg machen wollen wird, ziehe ich sie zu mir, um zumindest etwas ihrer Wärme und ihres Geruchs für die Nacht in mich aufzunehmen.

Zu dritt

Am nächsten Morgen kann ich trotz des Wochenendes kaum länger schlafen, da sich Amane für zehn Uhr angekündigt hat. Das einzig gute an dieser Uhrzeit ist wohl, dass wir dann auch dementsprechend früh fertig sein werden und unseren eigentlichen Erledigungen nachgehen können.

Nach einer ausgiebigen Dusche und einem nicht ganz so ausgiebigen Frühstück klingelt es auch schon an der Tür, wo mich Amane und Miho freudig begrüßen. Zwar glaube ich, in Mihos Blick so etwas wie Sorge erkennen zu können, worauf ich jedoch nicht weiter eingehe, immerhin kenne ich die Ursache.

"Bist du schon fertig?", fragt Amane, nachdem wir uns kurz geküsst haben.

"Natürlich." Ich werde das Gefühl nicht los, dass das Mädchen mit einer anderen Antwort gerechnet hat.

Wir machen uns sogleich auf den Weg zu Ryujis Haus. Es ist gerade mal zehn Uhr am Vormittag, doch die Temperatur ist bereits unerträglich schwül.

"Ist euch auch so heiß?" Wir sind gerade mal an der Bushaltestelle angekommen und ich wünsche mir bereits wieder zuhause zu sein. Ich bin wirklich gerne draußen und mag es auch warm, doch diese feuchte Luft macht selbst mir zu schaffen.

"Dir ist mal heiß?" Amane grinst mich schief an, doch ich sehe ihr deutlich an, dass sie ebenso mit der Temperatur zu kämpfen hat.

"Wie soll ich mich denn so auf so etwas wie die Findung einer Geschenkidee konzentrieren?", jammere ich weiter.

"Ich bin nur froh, dass wir heute keine Schule haben." Da kann ich Miho wirklich nur zustimmen.

Die Busfahrt wird nicht viel angenehmer, so dass ich erleichtert bin, als wir endlich bei Ryuji ankommen. Entgegen meiner Hoffnung, dass wir uns in dem Haus erst einmal abkühlen können, schleppt uns der Junge nach einer kurzen Begrüßung jedoch gleich in den Garten. So ist es zwar irgendwie geplant gewesen, dass er es nun aber wirklich durchzieht, überrascht mich allerdings doch. Viel interessanter finde ich aber, dass Ryuji scheinbar kein bisschen zu schwitzen scheint.
 

"Sag mal, ist dir gar nicht heiß?", frage ich an den Schwarzhaarigen gewandt, kaum dass ich mich auf den Rasen habe sinken lassen. Sehr viel Schatten gibt es in dem Garten nicht, so dass wir alle vorlieb mit den wärmenden Sonnenstrahlen nehmen müssen. Besser wir haben uns bis zum Mittag auf ein Geschenk geeinigt.

"Das Wetter ist doch jedes Jahr so", entgegnet Ryuji wenig beeindruckt. "Soll ich euch einen Sonnenschirm aufstellen? Oder Eis holen?"

"Oh ja, Eis wäre klasse", bejaht Amane seinen zweiten Vorschlag.

"Ihr beiden auch?", wendet Ryuji sich nun an Miho und mich. Wir nicken beide, worauf der Junge im Haus verschwindet. Ich nutze die Zeit um meine Augen zu schließen und die Sonne einfach auf mich wirken zu lassen. Wenn die Luft nur nicht so drückend wäre.

Nach einer kurzen Weile kommt Ryuji nicht nur mit drei Eis, die sofort von uns in Beschlag genommen werden, sondern auch einem Kasten Orangensaft zurück. Während wir unser fruchtiges Eis am Stiel schlecken, beginnt Amane mit dem eigentlichen Anlass unseres Zusammenfindens.

"In einer Woche hat Rishid Geburtstag und als Danke, dass er uns so oft hilft, sollten wir ihm etwas Besonderes schenken. Also, hat sich schon jemand Gedanken gemacht?" Sofort wandert ihr Blick zu mir, was mich willkürlich mit den Schultern zucken lässt.
 

"Rishid ist schwierig in der Hinsicht. Er hat keine wirklichen Hobbys oder so." Sonst schenken wir ihm zu Weihnachten oder Geburtstag meist Gutscheine oder CD's. Ich bezweifle jedoch, dass wir so viel Geld zusammenbekommen, dass wir ihm einen besonderen Gutschein schenken können.

„Dann besorgen wir ihm eben ein Hobby.“ Ryuji scheint sehr zuversichtlich ob dieses Unterfangens zu sein.

„Könnte er vielleicht gerne tanzen?“, schlägt Miho vor.

„Wie willst du daraus denn ein tolles Geschenk machen?“ Zweifelnd schaut Amane zu dem Mädchen.

„Na ja...“

„Ich glaube nicht, dass ihm das gefallen würde“, mische ich mich ein, nachdem ich den amüsanten Gedanken eines tanzenden Rishids aus meinem Kopf verbannt habe und ehe sich Miho den Kopf darüber zerbricht.

„Wie viel Geld haben wir überhaupt zur Verfügung?“ Ryujis Frage ist durchaus angebracht und macht uns sogleich das nächste Problem deutlich.

Sowohl Amane als auch Bakura haben für diesen Monat kein Geld mehr für solcherlei Dinge übrig. Doch auch sonst steht ihnen pro Monat kaum Geld zur Verfügung. Bei Miho sieht es nicht viel besser aus. Lediglich Ryuji und ich könnten mehr Geld zusteuern, was bei mir nach dem Kurzurlaub auch nicht mehr allzu viel ist.

„Vielleicht sollten wir uns auf ein selbstgemachtes Geschenk konzentrieren. Das ist dann auch gleich spezieller, als was Gekauftes“, schlägt Amane vor, was an sich eine gute Idee ist.

„Es sollte nur kein Bild sein“, lenke ich ein, bevor unsere Künstler auf irgendwelche Ideen kommen. Es hinterfragt auch niemand den Grund für diese Aussage, immerhin war jeder von ihnen schon oft genug bei mir zuhause, um die unzähligen Bilder die überall im Haus hängen gesehen zu haben.
 

„Also etwas kreatives, das kein Bild und etwas Besonderes ist“, fasst Ryuji zusammen und grübelt nicht als einziger über etwas Passendes nach.

„Und wenn wir so ein Album machen, wie ihr mir eins geschenkt habt?“ Fragend schaut Miho in die Runde.

„Das ist eigentlich eine gute Idee.“ Allerdings teilt nicht jeder meine Zustimmung.

„Wir haben aber kaum Fotos, die wir dafür verwenden können.“ Amane scheint nicht sonderlich überzeugt von dieser Idee zu sein.

„Es müssen doch keine Fotos sein, wir können ja auch zeichnen.“ Ryujis Blick nach zu urteilen, hat er schon einige Ideen, was diese Bilder anbelangt.

„Du meinst eine Art SketchBook?“ Kurz denkt das Mädchen über diese Idee nach.

„Wir können ja auch Texte und so reinschreiben“, unterstütze ich den Schwarzhaarigen bei der Überzeugung meiner Freundin. Anscheinend haben wir ziemlich schnell eine ganz annehmbare Geschenkidee gefunden.

„Das wäre ein besonderes Geschenk, das nicht viel kostet und in dem von jedem von uns ein Teil drinsteckt.“ Miho scheint besonders begeistert über diese Idee zu sein, immerhin durfte sie bereits selbst in den Genuss eines solchen Geschenks kommen.

„Sehr schön.“ Amane scheint nach wie vor etwas zu stören. „Dann haben wir eine Woche Zeit so ein Album mit allen Zeichnungen zu erstellen.“ Da spricht sie etwas an. Sind wir immerhin alle froh, wenn wir zurzeit gerade so mit der Schule hinterher kommen.
 

„Ach was, wir werden die Woche schon Zeit finden drei bis vier Seiten mit irgendetwas zu füllen. Es müssen ja nicht nur Zeichnungen sein.“ Ryujis unangenehme Eigenschaft, seine Gedanken nur selten seinem Umfeld vollständig mitzuteilen, kommt gerade wieder zum Tragen.

„Einzelne Blätter? Und was machen wir dann mit denen?“, spricht Amane genau meinen Gedanken aus.

„Ich habe mal gesehen, wie jemand ein Buch gebunden hat. Gebt mir nächstes Wochenende einfach die Blätter, dann müsste ich das schon hinbekommen.“ Der Junge ist so sehr von sich selbst überzeugt, dass ich ihm tatsächlich glaube, dass er das hinbekommt. „Dann macht wirklich jeder Rishid ein eigenes Geschenk, dass am Ende einheitlich mit den anderen zusammengefasst wird.“

„Genau“, stimme ich meinem Kumpel zu. „Und jeder kann selbst entscheiden, was genau er macht.“

„Da wird Bakura sich sicherlich freuen“, merkt Amane an, worauf wir alle nur zustimmen können.

„Ach was, der wird das schon hinbekommen. Ganz so unfähig ist er auch nicht“, verteidigt Ryuji seinen Freund, womit er wahrscheinlich auch Recht hat. Trotzdem wird das für Bakura keine einfache Aufgabe werden.

„Da sind wir doch schnell fertig geworden, können wir dann wieder gehen?“ Ich will wirklich nicht unhöflich sein, aber je früher ich wieder nach Hause komme, desto weiter komme ich heute voran.

„Du willst schon wieder abhauen?“ Ryuji setzt seinen besten Schmollmund auf, um mir ein schlechtes Gewissen zu machen. „Bei dieser Hitze solltest du nichts machen, außer dich auszuruhen.“

„Hier in der prallen Sonne?“

„Ich kann dir sofort einen Sonnenschirm holen“, grinst mich der Schwarzhaarige an.
 

„Komm schon Malik“, mischt sich nun auch Amane ein. „Wir haben heute Abend noch genug Zeit. Etwas Entspannung kann nur gut sein.“ Kaum zu glauben, dass sie eben noch zu wenig Zeit gehabt hat um Rishids Geschenk anzufertigen, sich nun aber eine Auszeit nehmen möchte.

„Ich fände es auch toll, wenn du dableiben würdest.“ Mihos Worte überreden mich letztendlich, doch noch etwas hierzubleiben. Glücklicherweise bin ich momentan nicht derart beschäftigt, dass mir der Nachmittag und Abend nicht dazu ausreicht.

„Na gut“, ergebe ich mich. Kaum habe ich zugestimmt, verschwindet der Junge auch schon im Haus und kommt kurz darauf nicht nur mit einem recht kleinen Sonnenschirm, sondern auch mit einem CD-Player zurück.

Während Amane und Miho mir dabei helfen den Schirm aufzustellen, geht Ryuji der schweren Aufgabe nach, die richtige Musik auszuwählen.

Nachdem wir endlich zumindest etwas Schatten haben und aus dem CD-Player irgendeine Popmusik läuft, machen wir es uns noch etwas bequemer. Ich lasse mich komplett in die Wiese sinken und mustere den orange-gelb gemusterten Sonnenschirm über mir. Ryuji beginnt sogleich uns zu erzählen, was genau er für Rishid machen will. Dafür, dass er meinen Bruder am kürzesten kennt, hat er bereits ziemlich gute Einfälle. Nachdem wir eine Weile über unsere Einfälle reden, gehen wir schließlich dazu über, Pläne für nach der Prüfungszeit zu schmieden.

"Wir könnten irgendwo hinfahren?", schlägt Amane sogleich vor.

"Für einen Tag? Ich wäre eher dafür, dass wir dann in der Nähe bleiben und eine kleine Party machen. Ich habe nach der Prüfungsphase genauso wenig Zeit, wie jetzt", erklärt Ryuji, was in meinen Ohren verdammt nach Ferienjob klingt.

"Ich wäre auch eher für was kürzeres", schließt sich Miho dem Schwarzhaarigen an. Obwohl ich mir sicher bin, dass meine Freundin mit ihren Worten eher auf einen Kurzurlaub abgezielt hat, sagt sie nun nichts weiter dazu. Es würde sowieso keinen Nutzen haben jemanden zu überzeugen, der einfach keine Zeit hat.
 

"Wollen wir eigentlich etwas an Rishids Geburtstag machen?", komme ich auf das eigentlich abgehackte Thema zurück. Bis jetzt haben wir gar nicht darüber gesprochen, ob wir ihm nur das Geschenk geben, oder auch eine richtige Feier machen wollen.

"Eine kleine Feier können wir doch vorbereiten. Kuchen, Getränke und etwas Musik." Amane erhält zustimmendes Nicken, auch von mir.

"So warm wie es momentan ist könnten wir auch grillen", schlägt Ryuji vor.

"Oh ja, das gefällt ihm bestimmt", grinse ich den Schwarzhaarigen für seinen Vorschlag an.

"Die Vorbereitung wird nicht so lange dauern, das können wir auch noch nächstes Wochenende machen." Erneut erhält Amane eine einheitliche Zustimmung. Die Idee ist vorhanden und Gedanken können wir uns immer noch machen, wenn es nicht mehr ganz so heiß ist. Jetzt gerade ist es jedoch am besten über gar nichts nachzudenken.
 

So entspannend dieser Tag bisher auch gewesen ist, spätestens am späten Nachmittag bereuen wir es, nicht doch schon eher nach Hause gegangen zu sein. Bis auf die Tatsache, dass mir etwas schwindelig ist, geht es mir eigentlich ganz gut. Anders sieht es da bei meinen Freunden aus.

"Solche Kopfschmerzen hatte ich schon lange nicht mehr", beklagt sich Amane, während sie ihre Schläfen massiert.

"Zum Glück ist es Wochenende und wir können uns morgen auch noch erholen." Miho scheint die gleichen Leiden wie Amane zu haben, versucht aber dennoch positiv zu bleiben.

„Ich muss noch ein Bild fertig bekommen.“

„Bis morgen bist du den Sonnenstich bestimmt wieder los“, versuche ich meine Freundin etwas aufzumuntern.

„Solange will ich nicht warten, ich werde gleich versuchen noch etwas weiterzumalen.“

„Es tut mir leid. Für nächstes Mal werde ich einen größeren Schirm besorgen“, entschuldigt sich Ryuji, auch wenn es ihm keiner von uns wirklich übel nimmt.

"Besorg dir lieber nen Pool", ziehe ich ihn breit grinsend auf.

"Wenn ich das Geld hätte, dann hätte ich den schon längst." Er verzieht sein Gesicht und ich bin mir nicht sicher, ob es nun wegen des fehlenden Geldes oder doch seiner Kopfschmerzen ist.

Nachdem wir uns von Ryuji verabschiedet haben, fahren wir mit dem nächsten Bus, auf den wir nicht allzu lange warten müssen, nach Hause. Im Bus verabschieden wir uns noch von Miho, die einige Haltestellen weiter fahren muss als wir. Bei mir zuhause macht sich Amane wirklich daran, an ihrem Bild weiterzuarbeiten.
 

Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Zu gerne würde ich noch länger liegen bleiben, was ich auch machen würde, müsste ich nicht gleich zu Bakura. Diese Nacht hat Amane tatsächlich bei mir geschlafen, auch wenn sie das nur gemacht hat, weil es ihr gestern zu schlecht gegangen ist, um extra für eine Nacht nach Hause zu fahren. Noch einmal kuschle ich mich eng an das schlafende Mädchen, gebe ihr schließlich einen Kuss auf die Stirn und stehe dann auf, um mich fertig zu machen. Zum Frühstück wecke ich Amane dann doch noch und verabschiede mich danach von ihr, was ihr nur allzu recht zu sein scheint, da sie sich sogleich wieder an ihr Bild machen will.

Bei Bakura angekommen muss ich tatsächlich etwas warten, bis mir die Tür geöffnet wird. Ich habe vollkommen vergessen, dass wir keine Zeit ausgemacht haben und Bakura ein totaler Langschläfer ist. Ein wenig ärgere ich mich über mich selbst, immerhin hätte ich dann doch noch mit Amane kuscheln können.

"Du bist aber früh." Murrend öffnet der Junge mir die Tür und lässt mich in die Wohnung, währen er ausgiebig gähnt.

"Ich dachte je früher wir anfangen, desto mehr kannst du heute lernen." Schnell entledige ich mich meiner Schuhe und folge Bakura dann ins Wohnzimmer, wo auf dem kleinen Tisch bereits zwei aufgeschlagene Bücher liegen. Ich weiß genau, dass er heute noch nicht in diese geschaut hat und sie nur so dort liegen, weil er gestern scheinbar hier gelernt hat.
 

"Ich dachte ja, du würdest gerade heute länger brauchen." Es dauert nicht lange, um zu verstehen, dass er damit auf Amane andeutet, die heute Nacht bei mir geschlafen hat. Etwas ertappt fühle ich mich schon, immerhin war es gerade eben erst mein Gedanke, dass ich heute Morgen ruhig etwas länger hätte bei ihr liegen bleiben können.

"Die war froh, als ich endlich gegangen bin", scherze ich sogleich. "Gestern ist sie nicht mehr zu allzu viel gekommen, weswegen sie es heute noch etwas eiliger hat."

"Etwa wegen eures Treffen bei Ryuji?" Als Antwort nicke ich lediglich. Anhand seiner Frage gehe ich davon aus, dass er gestern nicht mehr mit Ryuji oder Miho geredet hat.

"Es war nicht so lang, aber die Hitze hat uns fertig gemacht." Auch wenn ich von allen noch am besten davongekommen bin. "Deswegen hat Amane dann auch bei mir geschlafen", erkläre ich noch einmal, immerhin hat das Mädchen ihm das gestern bereits gesagt, als sie um bescheid zu geben, angerufen hat.

"Was kam nun eigentlich dabei raus?", fragt er nach einer kurzen Pause, in der er sich auf das Sofa gesetzt hat.

"Wir werden Rishid etwas Ähnliches wie Miho zu Weihnachten schenken." Sofort verzieht sich Bakuras Gesicht. Etwas Schadenfreude breitet sich in mir aus, immerhin wird es dieses Mal, wo er die Seiten vollkommen selbst gestalten muss, noch schlimmer für ihn. "Jeder soll drei oder vier Blätter mit irgendetwas für ihn füllen. Zum Beispiel Zeichnungen, oder Texte an ihn... Du verstehst schon, sei einfach kreativ." Wie erwartet springt ihm seine Freude geradezu aus dem Gesicht.
 

"Ich versteh schon, warum ich nicht mitgedurft habe. Mit mir wäre es sicherlich nicht zu so einem Geschenk gekommen", grummelt Bakura schlechtgelaunt vor sich hin, so dass ich mir letztendlich ein Grinsen nicht mehr verkneifen kann.

"Das bekommst du schon hin, wir glauben alle an dich. Außerdem können wir dir alle unter die Arme greifen, wenn du Hilfe brauchst. Du solltest nur bis zum nächsten Wochenende fertig werden." Mir ist klar, dass meine Wortwahl seine Laune nur noch verschlechtert, doch gerade ärgere ich den Jungen einfach viel zu gerne.

"Ist das euer Ernst? Was soll ich deinem Bruder denn schon machen?"

"Mach dir keine Sorgen, darüber können wir uns noch nach deiner Arbeit morgen Gedanken machen. Jetzt solltest du dich erst mal auf Geschichte konzentrieren. Um welches Thema geht es denn?", wechsle ich das Thema geschickt, was Bakura tatsächlich von der Geschenkfrage abzulenken scheint.

"Alles", ist seine kurze, ungenaue Antwort. In der Arbeit wird sicher der Stoff vom ganzen Jahr abgefragt. Prompt schnappe ich mir das eine Geschichtsbuch, das recht weit vorne aufgeschlagen ist, wo es um japanische Geschichte geht. Nicht gerade mein Fachgebiet, helfen werde ich meinem Kumpel trotzdem können.
 

"Ich kann nicht mehr." Entnervt lässt Bakura seinen Kopf auf die Tischplatte fallen, was sich ziemlich schmerzhaft anhört.

"Wir sind aber noch nicht ganz durch", versuche ich ihn zum weitermachen anzuregen. Tatsächlich fehlt nur noch ein großes Thema.

"Das hatten wir gerade erst in der Schule, da weiß ich bestimmt noch genug." Es ist deutlich, dass er heute nichts mehr lernen will.

"Na gut", gebe ich schnell nach. Sein Wissen über die ganzen Themen ist nicht perfekt, aber zumindest hat er nun eine Auffrischung. Zum Bestehen des Schuljahres wird die aus der Arbeit resultierende Note schon genügen.

Als hätte sie die ganze Zeit vor der Tür gewartet, bis wir mit dem lernen fertig sind, kündigt sich in diesem Augenblick mit dem Aufschließen der Wohnungstür Amane an. Kaum betritt sie die Wohnung, wo sie uns sogleich im Wohnzimmer erblickt, breitet sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen aus.

„Ihr seid immer noch am Lernen?“ Sie klingt fast ein wenig unglaubwürdig.

„Gerade fertig geworden“, erkläre ich.

„Dann seid ihr doch sicher hungrig, soll ich eben was kochen?“ Wie ich Amane kenne, wird sie das sowieso tun, da sie vermutlich selbst Hunger hat.

„Wenn’s nicht zu lange dauert, gerne.“ Es ist schon spät und ich will nicht den letzten Bus verpassen.

„Du kannst doch hier schlafen“, schlägt Amane vor. Sofort spüre ich, wie sich Bakura neben mir versteift.

„Ich weiß nicht. Bakura, was hältst du davon, mit mir heute Nacht das Bett zu teilen?“, wende ich mich an den Jungen, der mich mindestens so verdutzt wie seine Schwester anschaut. Natürlich könnte ich ebenso gut bei Amane oder eben auf dem Sofa schlafen, allerdings habe ich mir vorgenommen, mich langsam wieder meinem Kumpel anzunähern, um unsere Beziehung wieder zu verbessern.

Vielleicht hätte ich Amane vorher jedoch über meine Pläne aufklären sollen. Das Mädchen schaut mich gerade derart durchdringend an, dass ich fast befürchte es könnte jeden Augenblick meine Gedanken lesen.

Zu viert

„Guten Morgen“, wecke ich Bakura am nächsten Morgen, nachdem mich der Wecker aus meinen Träumen gerissen hat. Scheinbar habe ich ihn jedoch zu früh ausgeschaltet, denn der Junge schläft seelenruhig weiter, so dass ich nun diese Aufgabe übernehmen muss.

Vorsichtig rüttle ich ihn, nachdem er auch nicht auf meine Worte reagiert. Es ist wirklich lange her, dass ich meinen Kumpel so geweckt habe und ein klein wenig habe ich es sogar vermisst.

„Komm schon, wach auf du Schlafmütze. Oder willst du etwa deine Prüfung verschlafen?“ Diese Worte scheinen endlich zu dem Weißhaarigen durchzudringen. Mit einem Mal dreht er sich mit einem müden Brummen auf die andere Seite. „Ich bin in der Küche, frühstücken. Schlaf nicht zu lange weiter.“ Erfahrungsgemäß bleibt Bakura in diesem Zustand nicht mehr lange liegen, weswegen ich kurzerhand aufstehe und in die Küche gehe, wo Amane bereits das Frühstück vorbereitet.

„Guten Morgen“, begrüße ich sie und ziehe sie spontan zu mir, als ich bei ihr ankomme, um ihr einen Kuss aufzudrücken.

„Hi“, bringt das Mädchen etwas überrumpelt hervor, ehe es den kurzen Kuss erwidert. „Wie war deine Nacht mit Bakura?“ Ich bin mir nicht sicher, was da für ein Unterton in ihrer Stimme mitschwingt, doch ihre Frage geht über einfaches, höfliches Interesse heraus.
 

„Nicht ansatzweise so schön wie eine Nacht mit dir“, entgegne ich eher scherzhaft, ehe ich ernster werde. „Ich hätte es dir vielleicht vorher sagen sollen, aber ich denke, dass sich Bakura bezüglich uns wieder etwas beruhigen wird, wenn ich wie früher mehr Zeit mit ihm verbringe.“

„Meinst du?“ Ich nicke nur, da ich ihr schlecht erzählen kann, was Miho mir anvertraut hat. „Aber vergiss nicht, dass er jetzt einen Freund hat... Und du eine Freundin.“

„Werde ich nicht.“ Mir ist klar, dass sie damit hauptsächlich das gemeinsame im Bett schlafen anspricht, was ich unter normalen Umständen mit niemand vergebenem, der auf Kerle steht, tun würde. Aber Bakura ist nun mal kein normaler Umstand und außerdem mein bester Freund.

Unser Gespräch wird beendet, als Bakura die Küche betritt. Heute ist er noch schweigsamer als gewohnt, was ich auf die anstehende Prüfung zurückführe. Um ihn etwas zu entlasten, verschonen wir ihn mit Gesprächen und wünschen ihm lediglich viel Glück, ehe wir die Wohnung verlassen.
 

Obwohl ich mir vorgenommen habe, wieder mehr Zeit mit Bakura zu verbringen, sehe ich ihn erst am Mittwoch wieder. Endlich habe ich das Gröbste der Prüfungsphase hinter mir und möchte mich nun gemeinsam mit Bakura mit Rishids Geschenk anfangen. Dafür bin ich extra zu dem Jungen nach Hause gefahren, wo ich gerade darauf warte, dass mir jemand die Tür öffnet. Langsam kommen mir Zweifeln, ob ich mich nicht doch lieber hätte anmelden sollen.

„Das hat aber lange gedauert“, begrüße ich Bakura grinsend, als endlich die Tür aufgeht, und trete sogleich ein.

„Ich bin ja auch am Lernen.“ Obwohl ich ihn ganz offensichtlich dabei unterbrochen habe, hat es den Anschein, als würde ihn das nicht weiter stören.

„Immer noch?“ Mittlerweile habe ich wirklich Mitleid mit dem Jungen, immerhin scheint er gar nichts anderes mehr zu machen.

„Das Schlimmste steht mir noch bevor“, grummelt er, während er die Tür hinter mir schließt und mit mir ins Wohnzimmer geht. Dass er gerade so im Lernstress ist, kreuzt natürlich meinen Plan, mit ihm an Rishids Geschenk zu arbeiten, gewaltig.

„Wie war die Geschichtsprüfung?“ Mir ist klar, dass er sein Ergebnis noch nicht kennt, aber eine gewisse Ahnung wird er bestimmt haben.

„Ganz okay, denke ich. Danke nochmal fürs Lernen helfen.“

„Ach was, habe ich doch gern gemacht. Kann ich dir jetzt vielleicht auch helfen?“ Deswegen bin ich eigentlich nicht hier, doch es ist wichtiger, als ein Geschenk vorzubereiten. Und wenn ich ihm helfen kann, dann mache ich das gerne.
 

„Bei Mathe wirst du mir sicher nicht viel helfen können.“ Da hat er Recht, das ist nicht gerade eines meiner starken Fächer. „Außerdem bist du bestimmt nicht deswegen hier. Amane ist vorhin aber weggegangen.“ Wie letztes Mal auch schon, denkt Bakura, dass ich seiner Schwester wegen hier sei.

„Stimmt, eigentlich wollte ich dir bei Rishids Geschenk helfen, aber das hier ist eindeutig wichtiger.“ Einen Augenblick mustert mich der Junge einfach und ich bin mir sicher, dass die Stirn unter seinem Pony in Falten gelegt ist. Dann löst er sich mit einem Mal aus seiner Starre.

„Das ist wirklich eine ungünstige Zeit, aber ich kann für ein, zwei Stunden eine Pause machen.“ Ich bin mir fast sicher, dass ihm diese Unterbrechung sehr gelegen kommt und er die verlorene Zeit keineswegs bereuen wird.

„Wie du meinst.“ Mich stört es vermutlich noch mehr als meinen Kumpel, doch letztendlich ist es seine Entscheidung. Wir setzen uns zusammen an den Wohnzimmertisch, wobei ich auf dem Boden davor Platz nehme. „Ich habe schönes Papier mitgebracht und auch ein paar Ideen.“ Ich packe ein Bündel gefärbtes und gemustertes Papier aus, das ich eben noch in der Stadt besorgt habe.

„Dann lass deine Ideen mal hören“, fordert Bakura mich sofort auf. Anscheinend hat er sich noch keinerlei Gedanken gemacht, oder ist zumindest zu keinem Ergebnis gekommen.
 

Es dauert eine ganze Stunde, bis wir Ideen für drei Seiten haben, die tatsächlich hauptsächlich von Bakura und nicht von mir stammen.

„Das ist ja noch anstrengender als lernen“, beklagt sich der Junge, als ich ihm das Bündel Blätter zum Aussuchen hinlege.

„Willst du etwa schon aufhören?“ Dass ihm diese Ablenkung genauso anstrengend wie Mathe vorkommt, tut mir natürlich leid, aber zumindest hat er in dieser Zeit keine Formeln auswendig lernen müssen.

„Wenn ich damit jetzt anfange, sitze ich morgen früh noch daran. Da lerne ich lieber noch etwas Mathe.“ Ich lache kurz über seine reelle Selbsteinschätzung. „Ich weiß ja jetzt, was ich machen will. Das kann ich dann auch später erledigen.“

„Na gut. Kann ich dir noch bei irgendwas helfen?“ Ich will ihn keineswegs vom Lernen abhalten und mit der Planung hat er bereits den schwierigsten Teil hinter sich gebracht.

„Willst du schon wieder abhaun?“ Missmutig schaut Bakura zu mir rüber.

„Wenn du meine Hilfe nicht brauchst, hatte ich eher daran gedacht, mit meinem Geschenk anzufangen.“ Immerhin will ich das auch fertig bekommen und im Gegensatz zu Bakura will ich ein Blatt mit einer Zeichnung füllen, was nochmal besonders lange dauert. „Oder soll ich lieber gehen?“ Breit grinse ich den Jungen an, besonders als er seine Lippen verzieht.
 

„Du willst mir also beim Lernen zuschauen?“ Dafür, dass er sich eben noch darüber beschwert hat, dass ich gehen will, scheint er es nun ziemlich abwegig zu finden wenn ich bleibe.

„Ich werde mit meiner Skizze beschäftigt sein“, versichere ich ihm, während ich wie zum Beweis meinen Bleistift hervorkrame.

Bakura hat nichts dagegen und so sitzen wir bis zum späten Abend in dem kleinen Wohnzimmer. Ich gebe mich voll und ganz meiner Skizze hin, für die ich mir besonders viel Mühe gebe, während mein Kumpel fleißig Formeln lernt. Irgendwann ist es aber so spät, dass ich mich auf den Nachhauseweg machen will.

„Kommst du morgen wieder vorbei?“, fragt mein Kumpel, während er mir beim Zusammenräumen zuschaut und unterbricht damit die lange Stille.

„Klar.“ Für mich macht es keinen großen Unterschied, ob ich nun hier zeichne oder bei mir zuhause, brauche ich für diese Zeichnung immerhin nicht viele Materialien. „Triffst du dich mit Ryuji nicht mehr so oft?“, frage ich der Neugier halber nach, da ich die beiden schon lange nicht mehr zusammen gesehen habe.

„Nicht zum Lernen. Er lenkt mich einfach zu sehr ab.“ Unweigerlich muss ich grinsen und habe Mühe, die ungewollt entstandenen Bilder in meinem Kopf wieder loszuwerden.
 

„Da bin ich ja froh, dass ich dich nicht ablenke“, scherze ich, obwohl ich mir sicher bin, dass einige meiner Freunde mir genau das vorwerfen würden. „Aber morgen wollen wir doch nicht lernen?“ Wie ich Bakura kenne, lernt er heute nur, weil morgen die Prüfung ansteht, zumindest habe ich ihn sonst zu keinem anderen Zeitpunkt für Mathe lernen sehen. Demnach wird morgen keine Notwendigkeit zum Lernen mehr bestehen, außer er schreibt diese Woche tatsächlich noch eine Prüfung.

„Ich werde ihn fragen“, versichert er mir, was mich irgendwie beruhigt. Außerdem bestätigt er mir damit, dass wir morgen ausschließlich an Rishids Geschenk weiterarbeiten.

Danach verabschieden wir uns ziemlich gleich voneinander und ich verlasse die Wohnung noch bevor Amane nach Hause kommt.
 

Am nächsten Nachmittag leistet uns zwar nicht Ryuji Gesellschaft, aus schulischen Gründen wie ich heute selbst von ihm erfahren habe, dafür aber Amane. Miho wollte eigentlich auch kommen, doch als wir in die Wohnung kommen, finden wir dort nur Bakura vor.

„Wo ist denn Miho?“, fragt Amane sofort, hat sie selbst schließlich dieses Treffen mit dem Mädchen vereinbart.

„Sie hatte noch eine AG und meinte, sie kommt später vorbei“, erklärt uns Bakura, der schon einige Blätter aus dem Bündel vor sich liegen hat und fast erwartungsvoll zu uns schaut.

„Dann können wir ja anfangen.“ Mit diesen Worten lässt sich das Mädchen neben seinen Bruder aufs Sofa fallen und richtet dann ihren Blick auf das einzelne Blatt, das vor mir auf dem Tisch liegt und das sie gestern mit Sicherheit bereits gesehen hat. „Und was wollt ihr so machen?“ Fragend schaut sie uns beide an, obwohl mein Werk selbsterklärend ist.

„Ich zeichne ein Portrait meines geliebten Bruders.“ Das ist tatsächlich ein Bild, das er noch nicht besitzt.

„Und du Bakura?“, wendet sich das Mädchen sofort an ihren Bruder, was sicherlich interessanter ist, als meine eindeutige Zeichnung.

„Ich will auf der ersten Seite die Sachen, die wir in den letzten Jahren zusammen erlebt haben, zusammenfassen und vielleicht mit Bilder oder meinen Gedanken erweitern.“ So wie er es sagt, scheint er selbst noch nicht so ganz von der Idee überzeugt zu sein.

„Wirklich? Das ist eine super Idee, bist du da alleine drauf gekommen?“ Mir ist klar, dass sie sich denken kann, dass dies nicht der Fall ist. Bakura scheint das ähnlich zu sehen, denn er schüttelt nur den Kopf, ohne weiter auf sie einzugehen.
 

„Ich habe ihn etwas in die richtige Richtung gestoßen, aber letztendlich ist er alleine darauf gekommen“, erkläre ich Amane, was tatsächlich der Wahrheit entspricht. Ich habe genauestens darauf geachtet, ihm keine meiner Ideen aufzudrängen.

„Ich hatte vor, als erstes einen Brief an ihn zu verfassen“, erklärt uns das Mädchen, was mich ebenso unverständlich wie Bakura dreinschauen lässt.

„Ein Brief?“ Zwar glaube ich ungefähr zu wissen, was sie damit meint, trotzdem würde ich mir das gerne genauer erklären lassen.

„Genau. Wenn ihr den Inhalt wissen wollt, müsst ihr schon bis zu Rishids Geburtstag warten.“ Amane macht es uns wirklich nicht einfach. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie uns damit nur ärgern, oder es wirklich eine richtige Überraschung bleiben lassen will. Allerdings schließe ich auf Ersteres, da Ryuji spätestens beim Buchbinden den Text sowieso lesen kann.

„Na gut“, meine ich lediglich, um sie im Gegenzug ebenfalls etwas zu ärgern. Durch den Schulstress in letzter Zeit scheint das Mädchen etwas aufgekratzter geworden zu sein, womit ich bisher jedoch bestens zurecht komme.

Schließlich beginnen wir an unseren Blättern zu arbeiten, wodurch sich schnell eine Stille ausbreitet, die lediglich von dem Kratzen unserer Stifte auf dem dicken Papier gestört wird. Unterbrochen wird sie erst, als es irgendwann an der Tür klingelt. Das Geräusch erschreckt mich so sehr, dass ich mich beinahe verzeichne.
 

„Ah, das muss Miho sein. Ich mach schon auf.“ Noch ehe ich reagieren kann, ist Amane schon aufgesprungen und zur Wohnungstür gelaufen, von der kurz darauf sowohl ihre Stimme, als auch Mihos zu hören ist.

Freudestrahlend kommt das Mädchen zu uns ins Wohnzimmer.

„Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme. Ich habe vollkommen vergessen, dass ich heute AG habe“, entschuldigt sie sich sogleich bei uns, was mich schnell abwinken lässt.

„Ist doch nicht schlimm, mach dir keinen Kopf. Sag uns lieber, seit wann du in einer AG bist.“ Soweit ich das bisher gewusst habe, ist Miho in keine AG's gegangen, vor allem auch, weil sie ein paar Probleme in ihrer Schule gehabt hat.

„Es ist mehr ein Nachhilfekurs, weil ich etwas Probleme mit Englisch habe. Nach nächster Woche werde ich da auch nicht mehr hingehen.“ So eine Einstellung habe ich von dem Mädchen nun nicht erwartet, obwohl ich sie nun schon eine Weile kenne und genau weiß, dass sie nicht ansatzweise so unschuldig ist, wie sie nach außen hin wirkt.

„Mit Englisch?“, wiederhole ich sie. „Wieso hast du denn nicht mich gefragt? Mit Englisch kann ich dir bestimmt besser weiterhelfen.“ Dadurch, dass ich im Ausland geboren und eine kurze Zeit aufgewachsen bin, habe ich gewisse Englischkenntnisse, die nicht gerade super, aber doch gut sind.

„Ich wollte dir nicht zur Last fallen. Ich weiß doch, dass du momentan wie wir alle sehr viel zu tun hast. Da kann ich auch das Angebot nutzen, wenn es schon da ist“, erklärt sich Miho.

„Das ist wirklich nett von dir. Wenn du aber doch Hilfe brauchst, sag einfach bescheid.“ Zu gut kann ich mir vorstellen, dass sie sich einfach aus Schüchternheit zurückhält und vielleicht einfach nur einen Stupser braucht. Auf mein Angebot nickt sie lediglich und gesellt sich dann zu uns an den Tisch.
 

Wieder einmal habe ich einen langen Abend, an dem wir kaum miteinander reden. Jeder geht seiner eigenen Gestaltung nach, bis Miho auf einmal das Schweigen durchbricht.

„Oh verdammt, schon so spät? Ich habe vollkommen die Zeit vergessen!“ Auf einmal scheint sie es eilig zu haben, ihre Sachen zusammenzupacken.

„Alles okay?“ Amane sieht ebenso besorgt aus, wie Bakura und ich.

„Ja schon, ich müsste nur schon längst zuhause sein.“ Seid ich das Mädchen kenne, bin ich wirklich dankbar dafür, dass meine Geschwister mir so viel Freiraum lassen.

„Deine Eltern werden dir schon nicht den Kopf abreisen. Sollen wir dich nach Hause begleiten?“ Ich könnte es gut verstehen, wenn sie um diese Uhrzeit nicht alleine durch die Stadt laufen will.

"Nein, schon okay", lehnt Miho ab. "Ich wünsche euch noch viel Spaß, treffen wir uns morgen wieder?"

"Klar, können wir machen", sagt Amane zu. "Komm gut nach Hause, bis morgen." Wir verabschieden uns alle von ihr.

Da es tatsächlich schon sehr spät ist, machen wir auch nicht mehr lange und ich beschließe, heute mal wieder hier zu übernachten.
 

Die restliche Woche vergeht wie im Fluge. Ryuji leistet uns die nächsten Tage ebenfalls Gesellschaft und irgendwie schaffen wir es tatsächlich, bis zum Wochenende fertig zu werden, wenn auch erst am Sonntag. Ryuji beschwert sich zwar darüber, dass er sich zum Binden nun wirklich beeilen muss, letztendlich wird er aber schon am Mittwoch fertig, was einen Tag vor Rishids Geburtstag ist. Da wir aber erst am Freitag feiern, um wirklich lange machen zu können, liegen wir bestens im Zeitplan.

Miho hat sich am Donnerstag noch die Mühe gemacht, einen wirklich toll aussehenden Kuchen zu backen, während ich mich um das Grillzeugs gekümmert habe. Obwohl Rishid gestern Geburtstag gehabt hat, ist er heute wieder voll am Arbeiten und kommt erst am Abend nachhause, wo wir bereits ungeduldig auf ihn warten. Ich habe ihm gestern schon gesagt, dass er sein Geschenk erst heute bekommt, da wir noch eine Feier für ihn geplant haben. So wundert es meinen Bruder nicht sonderlich, dass im Garten ein Lagerfeuer brennt und alle da sind um ihm zu gratulieren.
 

„Wollt ihr etwa grillen?“ Er wirkt leicht überrumpelt, aber dennoch freudig als er bei uns ankommt.

„Ich hoffe mal du hast noch Hunger? Wenn nicht können wir auch nur Kuchen essen.“ Amane macht eine deutende Handbewegung auf den Kuchen, der eher einer Torte ähnelt und sich noch unter einem milchigen Kuchendeckel verbirgt. Ich könnte verstehen, wenn Rishid für heute zu müde ist, immerhin ist der Sonnenuntergang schon fast vorüber.

„Ach was, Grillen klingt super. Außerdem habt ihr das doch extra vorbereitet. So einen Geburtstag hatte ich auch noch nie.“ Amüsiert lacht er, ehe er sich mit uns ans Feuer gesellt.

Während unser Grillgut auf dem Feuer vor sich hinbrutzelt, überreichen wir Rishid unser Geschenk, das Ryuji wirklich schön gebunden hat. Das erste, was mein Bruder jedoch sieht, ist das wunderschöne Geschenkpapier, in das Amane und Bakura es eingepackt haben.

„Das ist von uns allen“, erklärt Amane, nachdem Rishid es angenommen hat und es nun bedächtig in seinen Händen dreht.

„Wirklich?“ Trotz seiner gelassen wirkenden Miene kann ich ihm seine Neugierde ansehen. Mit genau dieser versteckten Begeisterung packt er nun auch sein Geschenk aus. Das Album gleicht mehr einem äußerst stabilen Magazin, das Ryuji in ein schlichtes schwarz gebunden hat.

Rishid lässt sich reichlich Zeit mit dem Durchblätter und schaut sich jede Seite ausgiebig an, ohne sich dazu zu äußern. Damit lässt er uns ganz schön zappeln und zumindest ich bin froh, als er endlich fertig ist.
 

„Das habt ihr alles selbst gemacht?“ Etwas ungläubig schaut er uns an, worauf er ein einheitliches Nicken erhält. „Das ist wirklich klasse, ich danke euch.“ Ehe ich mich versehe, hat er mich geschnappt und drückt mich kurz an sich.

„Wir wollten dir einfach danke sagen“, spreche ich die Worte, die auch auf der ersten Seite des Buches stehen, laut aus.

„Ihr seid doch verrückt“, lacht Rishid und drückt alle der Reihe nach durch. So glücklich und ausgelassen habe ich meinen Bruder schon lange nicht mehr erlebt, nicht einmal an Weihnachten.

Während Bakura das Grillen übernimmt, schauen wir noch einmal mit Rishid zusammen sein Album durch, um ihn raten zu lassen, welche Seite von wem sein könnte und ihm einige Hintergrundinformationen zukommen zu lassen. Ryuji hat daran noch den meisten Spaß von uns, doch Rishid amüsiert sich genug, so dass ich diesen Geburtstag als einen klaren Erfolg sehe.

Zu fünft

Es ist längst dunkel, als wir mit dem Essen beginnen, wozu sich auch Ishizu zu uns gesellt. Während wir essen fange ich an eine Gruselgeschichte zu erzählen, die ich auf der letzten Klassenfahrt aufgeschnappt habe. Miho scheint das gar nicht so recht zu sein, während sich Bakura und Ryuji gerade darüber amüsieren. Letztendlich muss ich auch lachen. Allerdings nicht aus Schadenfreude, sondern einfach weil wir alle so harmonisch zusammensitzen. Ryuji und Bakura kommen wie ein richtiges Paar rüber und auch Amane sitzt sehr nah bei mir, ohne dass es Bakura zu stören scheint.

Diese ausgelassene Stimmung hält auch noch an, als das Essen beendet ist und meine Geschwister sich bereits verabschiedet haben. Die beiden haben den ganzen Tag gearbeitet und sind dementsprechend müde. Ich kann es nur allzu gut verstehen, bin ich doch selbst sehr früh aufgestanden und ebenfalls müde.

„Sollen wir noch irgendwas machen?“ Fragend schaut Ryuji in die Runde, als das Feuer kaum mehr als Glut ist.

„Ich könnte jetzt auch gut schlafen gehen“, entgegnet Bakura, der schon seit einer Weile halb auf dem Schwarzhaarigen hängt. Zu seinem Pech schiebt sich in diesem Augenblick der volle Mond hinter den Wolken hervor, was mich auf eine andere Idee bringt.
 

„Wie wärs mit einem Spaziergang?“

„Um diese Uhrzeit?“ Miho schaut mich zweifelnd an, wovon ich mich nicht beirren lasse.

„Warum denn nicht? Es ist Vollmond und die Stimmung ist gerade so angenehm.“ Für mich ein guter Anlass, um um diese Uhrzeit spazieren zu gehen.

„Und wo willst du hingehen?“, richtet sich Amane an mich, was mich mit den Schultern zucken lässt.

„Ich weiß auch nicht, mal schauen wo uns der Weg hinführt.“ Ich grinse sie ob dieser Aussage an.

„Also ich komme mit“, schließt sich Ryuji mir an. Im Gegensatz zu den anderen scheint er noch munter zu sein.

„Na gut, aber nicht zu lang.“ Amane steht vom fast erloschenen Feuer auf, was Ryuji und mich auch zum Aufstehen bewegt. Miho folgt als nächstes, obwohl sie nicht ganz so zufrieden damit aussieht.

„Wir nehmen aber eine Lampe mit, oder?“, äußert sie sofort, was ihr nicht daran passt.

„Der Mond ist doch hell genug“, versuche ich ihr klar zu machen, dass wir kein zusätzliches Licht brauchen. Obwohl sie noch immer etwas unsicher ist, teilt sie mittlerweile immerhin ihre Bedenken mit.

„Wir können ja einfach eine mitnehmen, benutzen müssen wir sie ja nicht.“ Mit dieser Aussage beruhigt Amane das Mädchen und auch ich bin einverstanden damit, so dass nun nur noch Bakura zum Überzeugen bleibt.
 

„Willst du hier liegenbleiben?“, ziehe ich meinen Kumpel auf, der nach wie vor am Boden sitzt und sich an Ryujis Bein festhält.

„Es ist doch schon so spät“, beklagt er sich mit leicht quängeliger Stimme, was nicht nur mir ein Grinsen auf die Lippen zaubert.

„Komm schon“, fordert Ryuji ihn auf und hält ihm seine Hand hin. „Morgen kannst du noch genug schlafen.“ Tatsächlich greift der Weißhaarige nach seiner Hand, um sich beim Aufstehen helfen zu lassen. Trotzdem wirkt er nicht sonderlich glücklich und gibt auch nichts weiter von sich.

„Und wo geht’s nun hin?“, wiederholt meine Freundin ihre Frage von vorhin, wobei sie mich erwartungsvoll anschaut.

„Erstmal ins Haus, die Taschenlampe holen.“ Das erledige ich alleine, dauert ja auch nicht lange.
 

Als ich zurückkomme, unterhalten sich Miho, Ryuji und Amane angeregt über irgendetwas, während Bakura etwas Abseits steht. Sogleich geselle ich mich zu dem Weißhaarigen.

„Alles klar? Du kannst ruhig hier bleiben, wenn du zu müde bist.“ Schließlich will ich niemanden nötigen, mitzukommen, nur weil mir gerade danach ist, mitten in der Nacht spazieren zu gehen. Darüber freuen tue ich mich natürlich trotzdem.

„Ach was, ist schon in Ordnung. Du hast mich schon zu schlimmeren Sachen überredet.“ Auf seine Worte grinse ich breit.

„Ich weiß jetzt, wo wir hingehen“, verkünde ich laut an alle und setzte mich sogleich in Bewegung.

„Und wo wäre das?“ Nun scheint Ryuji genauso neugierig wie Amane geworden zu sein.

„Ihr werdet sehen.“ Mehr gebe ich nicht von mir, zumal Amane und Ryuji diesen Ort vermutlich sowieso nicht kennen.

Während sie mir die Straße entlang aus dem Ort heraus folgen, beginnen die drei wieder ihr Gespräch, wobei sie etwas zurückfallen, während Bakura an meiner Seite bleibt. Ich nutze die Gelegenheit, um endlich das lang aufgeschobene Gespräch mit ihm zu beginnen.

„Sag mal, hast du dich mittlerweile daran gewöhnt, dass ich mit deiner Schwester zusammen bin?“ Auf meine Frage schaut der Junge kurz zu mir auf.

„Wie kommst du darauf?“ Sofort merke ich ihm an, dass ihm dieses Gespräch nicht sehr angenehm ist, aber ich will dieses Thema nicht ewig aufschieben.

„Na ja, heute Abend scheinst du kein Problem damit gehabt zu haben.“ Diese Behauptung scheint Bakura eine Weile zu beschäftigen, zumindest sagt er für einige Minuten nichts mehr, in denen er schweigend neben mir herläuft. Ich lasse ihm diese Zeit nur zu gerne.
 

„Kann es sein, dass ich dich vernachlässigt habe?“, frage ich schließlich doch, als gar nichts mehr von meinem Kumpel kommt. Die Frage ist sehr direkt, dessen bin ich mir bewusst, allerdings hoffe ich, ihn damit aus der Reserve locken zu können.

„Was, wie kommst du darauf?“ Seine heftige Reaktion spricht für sich, doch ich lasse mir nichts anmerken und schaue einfach nach vorne.

„Ich weiß auch nicht, es ist mir einfach so in den Kopf gekommen.“ Wie versprochen werde ich Miho nicht verraten. Aber nachdem ich meinem Kumpel in den letzten Tagen mehr Aufmerksamkeit habe zuteil werden lassen, ist es ziemlich deutlich, dass das der Hauptgrund für seine Laune gewesen ist. Wieder verfällt er in ein Schweigen, was mir jedoch mehr sagt, als er mit Worten sagen könnte. „Du hast nichts gegen unsere Beziehung, oder?“, frage ich direkt, ohne weiter auf meinen Vorwurf von eben einzugehen.

„Ich weiß nicht“, gibt der Junge nach einer weiteren Pause zögerlich von sich. Er macht es mir aber wirklich nicht einfach. Nach einem kurzen Seufzer meinerseits, wende ich mich direkt an meinen Kumpel und suche den Kontakt in seinen braunen Augen, deren Farbe ich in dem silbernen Mondlicht nicht erkenne.

„Du hast nun Ryuji und ich Amane, aber an unserer Beziehung zueinander wird sich nichts ändern, okay? Vielleicht werden wir kurzzeitig eher Zeit mit unseren Partnern verbringen, aber letztendlich bist du mein bester Freund, den ich nicht verlieren will. Weil du mir einfach am wichtigsten bist." Während ich diese Worte ausspreche, weicht er mir erneut meinem Blick aus, was mich nicht weiter stört. Ich weiß nur zu gut, dass Bakura ziemliche Probleme damit hat, über seine Gefühle zu sprechen.

"Ich sagte doch, es ist nicht deswegen", beharrt er weiter, wobei er nicht sonderlich überzeugend klingt.
 

"Na gut", gebe ich nach, wenn er das glauben will, dann soll er das meinetwegen. Solange wieder alles gut zwischen uns ist, und ich ungestört mit Amane zusammen sein kann, stört mich das nicht weiter. "Dann hast du dich einfach an unsere Beziehung gewöhnt, so dass es dich nicht mehr stört", stelle ich fest und bekomme nach einigen Sekunden tatsächlich eine Antwort.

"Ich denke schon." Es ist noch eher ein Grummeln, aber immerhin.

"Darf sie denn bei mir übernachten?", frage ich munter weiter, ohne allzu drängend dabei zu sein.

"Von mir aus." Es sind einfach nur drei Worte, die Bakura in dieser Tonlage öfter von sich gibt. Trotzdem lassen sie in diesem Augenblick eine riesige Last von meinen Schultern fallen und machen mich einfach nur glücklich.

"Wenn du willst können wir alle zwei Wochen eine Pyjamaparty nur für uns zwei machen", schlage ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht vor.

"Muss nicht sein." Obwohl er nicht wirklich begeistert klingt, weiß ich, dass ihm das gefallen würde, wenn wir immer mal wieder so etwas zusammen machen. Mit einem leichten Lachen lege ich ihm einen Arm um die Schulter, wo ich ihn verweilen lasse, bis der Weißhaarige ihn wieder abschüttelt.

Letztendlich ist es mir egal, was nun der wirkliche Anlass für sein Verhalten gewesen ist, oder was nun dafür gesorgt hat, dass er sich wieder gefangen hat. Ich bin einfach nur froh, dass wir uns nun wirklich wieder verstehen und ich auch ungestört mit Amane zusammen sein kann.
 

„Und wohin gehen wir nun?“ Überrascht ob dieser Frage schaue ich Bakura an. Obwohl er es sich nicht anmerken lässt, scheint er genauso neugierig wie die anderen zu sein.

„Würde ich jedes Mal, wenn mir diese Frage gestellt wird, Geld bekommen, hätte ich heute schon einiges verdient“, merke ich amüsiert an. „Vor fast einem Jahr waren wir zwei schon einmal da“, gebe ich meinem Kumpel einen kleinen Tipp, mit dem er wie erwartet nicht viel anfangen kann. Wie ich ihn kenne, hat er diesen Tag längst vergessen. Ob er sich nun erinnern kann oder nicht, weiß ich nicht, zumindest geht er nicht weiter darauf ein.

Spätestens als wir am Waldrand ankommen schließen die drei hinter uns wieder zu uns auf.

„Du willst nachts in den Wald gehen?“ Fast etwas flehend schaut mich Amane an.

„Wir haben ja die Taschenlampe“, entgegne ich trocken. Ich kann ihre Sorge nur allzu gut verstehen, ist mir der Wald doch selbst nicht ganz geheuer. Ehe ich jedoch weitersprechen kann, mischt sich Miho ein.

„Hier war doch die Trüffeltour, oder?“ Nun hat das Mädchen unsere volle Aufmerksamkeit. Bestätigend nicke ich ihr zu. Bakuras Worte vorhin haben mich daran erinnert, sodass ich mir den Ort, wo ich Miho habe kennengelernt, noch einmal habe anschauen wollen.
 

„Aber da waren wir doch nur zu zweit“, entgegnet Bakura, der sich nun zumindest an diesen Tag zu erinnern scheint.

„Ist ja klar, dass du dich nicht daran erinnerst“, werfe ich ihm nicht wirklich anschuldigend vor. „Damals war Miho noch ganz ruhig und ihr habt euch erst danach angefreundet.“ Mein Blick schweift kurz zu dem Mädchen, das gerade in Erinnerungen zu schwelgen scheint.

„Eigentlich haben wir uns nur deswegen angefreundet“, merkt Miho lächelnd an.

„Echt?“ Man sieht Bakura deutlich an, dass er sich krampfhaft zu erinnern versucht. Doch es wundert mich nicht, dass er sich nicht erinnern kann, so war das schon immer. Alles, was ihn nicht interessiert, vergisst er ziemlich schnell wieder, und damals hat er sich nun einmal nicht für Miho interessiert.

„Ohne Maliks Worte hätte ich dich niemals angesprochen und wir hätten uns vermutlich nie besser kennengelernt“, erklärt sie an Bakura gewandt. Dass ich der Grund für ihre Freundschaft bin, trifft mich ziemlich unerwartet und sorgt in mir nicht nur für Freude, sondern auch für etwas Verlegenheit. Das ist mir bis jetzt nicht bewusst gewesen.

„Dann soll ich also Malik danken?“ Bakuras Frage lässt mich auflachen.

„Das wäre doch schon mal ein Anfang“, scherze ich, wofür ich wie erwartet ein Grummeln als Antwort bekomme.

„Danke Malik“, bedankt sich Miho lächelnd, was mich noch verlegener werden lässt.

„Ach was, ist doch nicht der Rede wert.“ Ich kann mich ja nicht einmal erinnern, was ich damals überhaupt gesagt haben soll.
 

„Das ist ja eine süße Geschichte, aber sollen wir deshalb unser Leben riskieren?“, unterbricht Ryuji unsere kleine Zeitreise, wobei er nur etwas übertreibt.

„Das einzig gefährliche da drin wirst dann du sein“, zieh ich den Schwarzhaarigen auf.

„Sehr lustig“, entgegnet er in seinem besten ironischen Tonfall, was mir nur noch mehr Spaß bereitet.

„Hast du etwa Angst?“ Überrascht schauen wir zu Miho, die den Jungen herausfordernd angrinst. Anhand ihrer Aussage scheint sie auf einmal doch Interesse an diesem Ausflug zu haben.

„Miho! Fall mir doch nicht so in den Rücken.“ Sein gespielter Ärger überdeckt kaum die Verwunderung über diesen unerwarteten Konter.

„Ich fände es nur lustig, so was zu machen.“ Ich bin mir fast sicher, dass es auch ihr erstes Mal wäre. Vielleicht möchte sie auch nur noch mal den Tag wiederholen, der für sie sicher einiges bedeutet hat.

„Wenn Miho sich traut, dann komm ich auch mit“, verkündet Bakura, was letztlich auch Amane überredet.

„Ihr seid doch verrückt.“ Ryuji hat mittlerweile die Arme vor der Brust verschränkt und schaut nicht sonderlich begeistert in den, trotz des Vollmonds, dunklen Wald.

„Wo ist denn deine Begeisterung von eben hin, jetzt wo's lustig wird?“ Obwohl er sich so ziert, weiß ich genau, dass wir ihn längst überredet haben.
 

„Komm schon“, fordert Bakura seinen Freund auf einmal auf und streckt ihm die Hand hin. Mich erinnert das ganz stark an das, was Ryuji vorhin am Feuer mit dem Weißhaarigen gemacht hat. „Ich beschütz dich auch.“

„Ich hab keine Angst“, grummelt Ryuji, greift aber dennoch nach Bakuras Hand, die ihn sofort näher zu Bakura zieht.

"Dann solltest du vielleicht vorgehen?", schlage ich Ryuji mit ernster Miene vor.

"Warum ich? Das ist doch deine Idee gewesen, also geh du auch vor."

"Ach Jungs, hört schon auf euch zu ärgern." Amane geht an mir vorbei, wobei sie sich die Lampe aus meiner Hand schnappt und sie einschaltet, während sie als erste den Wald betritt. Ich folge ihr sogleich.

"Warte doch." Mit ein paar schnellen Schritten komme ich neben dem Mädchen an, das schon wieder langsamer geworden ist. Bei ihr angekommen greife ich nach ihrer Hand.

"Die letzte Nachtwanderung habe ich in der Grundschule gemacht", merkt Amane nach einigen Metern an. "Die ist aber nicht so unheimlich wie das hier gewesen." Ich grinse in mich hinein, da ich dasselbe aufregende Gefühl wie sie habe.
 

Obwohl oder gerade weil wir uns alle etwas gruseln, wird dieser Spaziergang unglaublich lustig. Ein nervöses Kichern ist nicht allzu selten zu hören, was wir mit aufgeregten Gesprächen zu verdrängen versuchen, während sich Bakura einen Spaß daraus macht, uns zu erschrecken, oder es zumindest zu versuchen.

Schließlich verlassen wir nach einem kurzen Rundweg, den wir gelaufen sind, den Wald wieder und ich bin mir fast sicher, dass uns dieser Ausflug noch etwas näher zusammengebracht hat. Kurz schaue ich jeden meiner Freunde an und bei jedem einzelnen bin ich froh, dass ich ihn zu meinen guten Freunden zählen darf.

Bakura, der von jeher mein bester Kumpel ist und sozusagen zur Familie gehört. Genau wie Amane, die ich mittlerweile mehr als nur als gute Freundin liebe. Miho, die eine angenehme Ruhe in unsere Gruppe bringt und Ryuji, mit dem ich nicht nur auf einer Wellenlänge bin, sondern der auch noch Bakura unglaublich glücklich macht.

In dieser Gruppe fühle ich mich, trotz der Probleme, die es in letzter Zeit gegeben und die es zu lösen gegolten hat, derart wohl, dass ich hoffe, dass wir noch viel Zeit miteinander verbringen können. Auf jeden Fall werde ich diese gemeinsame Zeit so gut es geht genießen.
 

„Leute, wisst ihr was? Ich liebe euch“, verkünde ich glücklich meine Erkenntnis.

„Was ist denn jetzt los?“ Ryuji verzieht gespielt angeekelt sein Gesicht, wofür ich ihn breit angrinse.

„Ich dachte nur, was für eine tolle Truppe wir sind und dass ich froh bin über jeden Augenblick, den wir zusammen verbringen können.“ Das mag vielleicht etwas kitschig klingen, doch gerade ist mir einfach danach.

„Darüber sind wir doch auch froh“, versichert mir Miho und spricht damit für alle, wogegen niemand einen Einwand zu haben scheint. „Ich bin zumindest sehr glücklich, dass ich so gute Freunde wie euch gefunden habe“, wendet sich das Mädchen an alle und sorgt anscheinend damit dafür, dass jeder etwas dazu sagen will.

„Und ich bin froh, eine Freundin wie dich gefunden habe“, entgegnet Amane an Miho gewandt. „Euch mag ich natürlich auch, Jungs.“ Dabei lächelt sie so breit, dass ich ihre Hand kurz etwas fester drücke.

„Das ist doch unnötig zu sagen.“ Scheinbar scheint es Ryuji peinlich zu sein, so offen darüber zu sprechen. „Würde ich euch nicht mögen, würde ich nicht so viel Zeit mit euch verbringen.“

„Genau, ihr seid nicht ganz so langweilig, wie andere Leute“, schließt sich Bakura seinem Freund an, was mich noch breiter grinsen lässt.
 

„Wie gnädig von dir.“ Mit Ausnahme von Bakura lachen wir alle über seine Worte. Ich weiß nur zu gut, was für eine Bedeutung seine Worte haben, denn bei dem Jungen gibt es nur diese zwei Sorten von Personen, interessante oder eben langweilige.

„Lasst uns jetzt mal zurück gehen, ich bin langsam wirklich müde“, schlägt Amane vor. Wir sind, kaum dass wir den Wald verlassen haben, stehen geblieben. So gut gelaunt wir gerade auch sind, der Spaziergang ist ziemlich anstrengend gewesen, so dass sie bei weitem nicht die einzige müde hier ist.

„Und zwar ohne Umwege.“ Ryuji wirft mir einen mahnenden Blick zu, als ob ich sie gleich ins nächste Abenteuer stürzen würde. Um meine Unschuld deutlich zu machen, hebe ich meine Hände.

Auf dem Rückweg beklagen wir uns hauptsächlich über unser Schlafbedürfnis. Irgendwann beginne ich zu dem runden, hellen Mond hinauf zu schauen. Trotz meiner Müdigkeit ist dieser Moment mit diesen Menschen einfach perfekt und auch wenn dieser Augenblick morgen schon vorbei sein und so nie wieder kommen wird, weiß ich nun genau, dass uns allen zusammen noch viele solcher schönen Zeiten bevorstehen werde. Egal was für Veränderungen noch auf uns zukommen werden. Für den Moment will ich nur diesen Moment genießen.



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