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In the spider's web

von

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Bluebells

Die Sonne schien vom Himmel herunter und spiegelte sich in der glatten Oberfläche des Tisches, an dem ich saß und zusammen mit Timber die Dornen von den roten Rosen abschnitt.
 

"Ich glaube der junge Herr ist ganz schön vernarrt in Claude.", sagte er plötzlich und ich schnitt mir mit der Gartenschere fast den Zeigefinger ab, weil mich diese Aussage so überraschte.
 

"Was ist denn an dem so toll?", wollte Thompson wissen, knipste eine Rose ab und warf sie in den Korb, den Canterbury auf dem Rücken trug. "Ich finde Hannah viel besser.", meinte dieser. Ich hob den Blick. "Wenn man vom Teufel spricht." "Da ist Hannah ja.", bemerkte Canterbury unnötigerweise.
 

"Ihr seid ja heute sehr gesprächig.", stellte Hannah fest und schenkte mir ein freundliches Lächeln. "Nur auf Befehl unseres Herrn." "Notgedrungen." "Und sehr ungern." Hannah hob eine Augenbraue. "Auf Befehl des Herrn? So so."
 

Dann betrachtete sie die blutroten Rosen, von denen wir umgeben waren. "Rosen, hm? Diese Blumen hier wären viel besser als Rosen." Sie holte ein kleines grünes, zartes Pflänzchen hervor, an dem glockenförmige, blassblaue Blüten hingen.
 

"Sind das nicht Hasenglöckchen?", fragte ich. "Ja und sie werden dem jungen Herrn besser gefallen, als Rosen.", antwortete Hannah, nahm eine der kleinen Blüten und steckte sie mir ins Haar. Dann ging sie wieder und ließ mich mit den Drillingen allein.
 

"Hannah hat Riesenbrüste." "Glockenbrüste." "Rabimmel rabammel."
 

Ich verdrehte die Augen. "Eure Erziehung ist wirklich mangelhaft.", seufzte ich. "Sagt das Mädchen, das im Dreck geboren wurde." "In einer dreckigen Straße." "Dreckig." Ich knirschte mit den Zähnen. "Haltet die Klappe und pflückt lieber Hasenglöckchen. Die Rosen brauchen wir nicht mehr.", knurrte ich, rupfte mir die blaue Blüte aus den Haaren und stand auf.
 

Woher um alles in der Welt wussten die Drei, dass ich in den Straßen Londons aufgewachsen war? Hatte Alois es ihnen erzählt? Nein, wohl eher nicht. Bestimmt hatte die Hoheit meine Lebensgeschichte gleich wieder vergessen, nachdem ich sie ihr erzählt hatte.
 

Aber woher wussten sie es dann? Mir den Kopf darüber zerbrechend, kehrte ich zum Anwesen zurück. Es war nach halb eins, was bedeutete, dass Alois bereits Mittag gegessen hatte und jetzt...was auch immer tat.
 

Ja, was machte er eigentlich den lieben langen Tag, wenn er nicht gerade seinen Spaß mit mir hatte? Hatte man als Earl keine Pflichten? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, selbst mein ehemaliger Herr hatte hin und wieder wichtige Dinge zu tun gehabt.
 

"Suchen sie etwas, Miss Delafontaine?" "Etwas...wahhh! Claude!" Der in schwarz gekleidete Butler war einfach so vor meiner Nase aufgetaucht und ich hatte es nicht mitbekommen. Wieso waren alle in diesem Hause so leise und so schnell wie ein Schatten?! Das war doch nicht normal.
 

"Nein, ich...ich wollte nur...", stammelte ich und versuchte panisch meine Gedanken zu ordnen, denn die waren momentan das reinste Chaos. "Falls sie den jungen Herrn suchen, er befindet sich derzeit im Arbeitszimmer.", sagte Claude, tippte dabei beiläufig auf ein zusammengerolltes Dokument, das er unter dem Arm trug und setzte dann seinen Weg fort.
 

"Und wo ist jetzt das Arbeitszimmer?", stöhnte ich und öffnete probehalber die Tür zu meiner linken. Ein Glücksgriff. Der Raum war, bis auf einen großen Schreibtisch und an der Wand aufgereihte Bücherregale ziemlich leer.
 

Grüne, schwere Vorhänge waren mit goldenen Stoffseilen zurückgebunden und auch der Teppich glich von der Farbgebung her dem weichen Gras im Wald.
 

"Claude, du...oh. Genenvieve." Alois, der bis eben mit dem Kopf auf der Schreibtischplatte gelegen hatte, richtete sich jetzt auf und fuhr sich durch die blonden Haare.
 

"Tut mir leid, falls ich Euch störe. Ich wollte nur..." Was wollte ich denn? Eigentlich hatte ich nur nicht länger mit den Drillingen im Garten hocken wollen, weil sie mir erstens unheimlich waren und zweitens ein extrem loses Mundwerk hatten.
 

"Du störst nicht.", murmelte Alois, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und seufzte. "Um ehrlich zu sein...bin ich sogar ganz froh, dass du hier bist." "Wirklich? Wäre es Euch nicht lieber, wenn Claude bei Euch wäre?", hakte ich nach, da es unübersehbar war, wie sehr er seinem Butler zugetan war.
 

"Nein, ich will, dass du bei mir bist.", erwiderte Alois und streckte seine Hand nach mir aus. Wie in Trance lief ich auf ihn zu und ergriff die mir dargebotene Hand. Ganz so, als würde Alois mich um Rettung anflehen. Und ich gewährte sie ihm.
 

"Glaubst du, dass Claude sich irgendwann aus dem Staub machen wird?", flüsterte Alois und wirkte mit einem Mal schrecklich traurig. "Was? Aber warum sollte er denn? Er ist doch Euer Butler.", entgegnete ich und ließ mich von Alois an sich ziehen.
 

"Ja, das mag schon sein. Ich...ich würde ihm gerne die Flügel ausreißen, dann müsste er für immer bei mir bleiben." Der kleine blonde Engel lehnte sich gegen mich und schloss die eisblauen Augen.
 

Mein Herz fühlte sich an, als würde es jemand in der Hand halten und zerquetschen wollen. "Ihr mögt ihn sehr, nicht wahr?" "Ich..." Alois ließ meine Hand los und stieß mich von sich weg.
 

"Wage es nie wieder mir diese Frage zu stellen, hörst du?! Du bist nur ein Hausmädchen! Eine billige, kleine Hure und mein Spielzeug! Du tust nur das was ich dir sage und fängst nicht auf einmal an deinen eigenen Kopf durchzusetzen, haben wir uns verstanden?! Sonst ist dein hübscher Kopf ab!"
 

Die Worte verletzten mich nicht. Sie prallten an mir ab. Zu oft hatte man mich schon Hure und Schlampe genannt. Allerdings...
 

"Ich will, dass du nie wieder irgendetwas darüber sagt, dass ich Claude mag. Solltest du es doch tun, wirst du Schmerzen erleiden, die schlimmer sind als der Tod. Und ich persönlich werde sie dir zufügen. Kapiert?" Alois war aufgesprungen, sein Körper bebte und es machte den Eindruck, als wolle er mir jeden Augenblick an die Gurgel springen.
 

"Kapiert.", sagte ich, machte einen großzügigen Schritt zurück und senkte demütig den Kopf. "Gut, du darfst nämlich nie vergessen wer du bist. Und wer ich bin.", erinnerte Alois mich.
 

Natürlich, ich wusste wer ich war. Genevieve Delafontaine. Dienstmädchen im Hause Trancy, Spielzeug von Alois Trancy, eine kleine Rose mit Dornen. Und er war Earl Alois Trancy. Er war ein Schmetterling ohne Flügel, der sich in einem Spinnennetz verfangen hatte. In Claude's Netz.
 

"Euer Hoheit, es ist alles bereit." Besagte Spinne stand nun im Arbeitszimmer und ich wusste nicht wie viel sie von dem mitbekommen hatte, was sich hier gerade abgespielt hatte.
 

Alois erhob sich mit einem leisen Schnaufen, stolzierte an mir vorbei und schnippte mit den Fingern. Das Zeichen dafür, dass ich ihm wie ein braves Hündchen folgen sollte. Was ich auch tat, denn was blieb mir anderes übrig?
 

"Ich habe Eurem Wunsch gemäß alles bereit gestellt.", verkündete Claude, als wir vor der Tür zu Alois' Zimmer stehen blieben. Pah, als ob er das getan hätte.
 

Wenn sich hier jemand die Hände schmutzig gemacht hatte, dann ja wohl die Drillinge. Na ja, zumindest hoffte ich, dass sie ihre Aufgabe erfüllt und den Raum mit den Blumen geschmückt hatten. "Nun mach schon.", drängelte Alois ungeduldig und Claude drückte die Klinke herunter.
 

Ein feiner, süßlicher, aber nicht zu schwerer Duft umfing einen augenblicklich. Und das helle, klare Blau leuchtete einem förmlich entgegen. Die Hasenglöckchen waren überall. Auf dem Kaminsims, auf der Kommode, an den Wänden, ja sie hingen sogar von der Decke. Es war ein Meer aus Blumen.
 

"Hasenglöckchen in voller Blüte aus jenem Garten." Alois wankte an Claude vorbei in das Zimmer. Er hatte mir den Rücken zugewandt, aber dennoch war ihm deutlich anzuhören, dass er weinte.
 

"Aber das..." Leise schluchzend umarmte er den goldenen Vogelkäfig, der auf dem Bett stand und in welchem der Schmetterling sich auf einer blassblauen Blüte niedergelassen hatte. "Mein Herr." Claude trat ins Zimmer und kurz dachte ich er würde die Tür nun einfach schließen und mich im Flur stehen lassen. Tat er aber nicht.
 

"Claude...", flüsterte Alois ergriffen und drehte sich um. Tränen quollen aus seinen eisblauen Augen und liefen seine Wangen hinab. "Ja?", erkundigte der Butler sich. "Sag mir Claude, wieso tust du das alles für mich? Kannst du nicht für immer bei mir bleiben?", bat Alois.
 

Wie naiv er doch war, wenn er glaubte, dass Claude hierfür verantwortlich war. Dabei war es doch Hannah's Idee gewesen statt Rosen Hasenglöckchen zu nehmen.
 

"Sicher, ich werde bei Euch bleiben, solange ich mich an Euch erfreuen kann." Claude kniete sich hin, legte eine Hand an die Stelle an der sein Herz schlug und Alois umklammerte den Käfig förmlich.
 

Solange er sich an ihm erfreuen konnte? Was war das denn für eine Bedingung? Sollte das etwa bedeuten, dass Claude Alois verlassen würde, wenn er nicht mehr interessant genug war? Kein Wunder, dass der Junge unter Verlustängsten litt.
 

"Ich werde mich dann mal an die Vorbereitung des Abendessens machen.", meinte Claude, stand wieder auf und verließ nach einer knappen Verbeugung das Zimmer.
 

Alois weinte noch immer, jetzt zwar leise, aber ignorieren konnte ich es trotzdem nicht. Mir dem Risiko bewusst, dass es mir eine Ohrfeige oder Schlimmeres einbringen könnte, ging ich zu Alois und wischte mit dem Saum meines Kleides die Tränen von seinen Wangen.
 

Ein feuchter Schimmer blieb in seinen Augen zurück und auch, wenn ich mir für die folgende Frage eigentlich die Zunge hätte abbeißen müssen, so stellte ich sie trotzdem.
 

"Weint Ihr wegen den Blumen oder wegen Claude?" "Was stellst du für bescheuerte Fragen?!", fuhr Alois mich an. "Hatte ich dir nicht gesagt du sollst nie wieder über so etwas sprechen?!" "Ja, das habt Ihr. Aber ist es denn nun Euer Butler oder die Blumen?", wiederholte ich und Alois starrte mich entgeistert an.
 

"Wie...wie kannst du...?" Seine Lippen zitterten und er hätte wohl erneut angefangen zu weinen, wenn ich ihm nicht sanft den Käfig entzogen und ihn in meine Arme genommen hätte.
 

Was genau mich dazu bewog das zu tun...ich weiß es nicht. Doch ich hätte es schlicht weg einfach nicht ertragen, wenn Alois wieder Tränen vergossen hätte.
 

"Lass...lass mich los!", schrie Alois, strampelte mit den Beinen und krallte sich in den Stoff meines Kleides. Ich ließ ihn nicht los. So oft er auch befahl ich solle meine Finger von ihm lassen, ich gehorchte nicht. Diesmal nicht.
 

Und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich langsam anfing zu verstehen. Zwar war Alois ein kleiner Psychopath, der er liebte andere zu verletzen oder zu demütigen, aber er war auch ein hilfloses, verzweifeltes Kind, dass offenbar nach jemandem suchte, der ihn liebte.
 

Ansonsten würde er sich nicht so sehr an Claude's Rockzipfel hängen. Das Problem war nur, dass Claude Alois' Wunsch nach Liebe niemals würde nachkommen können. Und zwar weil dieser Mann nicht in der Lage war überhaupt zu lieben, das konnte man ihm ansehen und es war auch nicht schwer zu erkennen.
 

Egal, ich redete mich hier schon wieder um Kopf und Kragen. Was ich eigentlich ausdrücken wollte, ist folgendes: Egal wie grausam Alois auch sein konnte, ich würde alles ertragen.
 

Jetzt nicht mehr nur, weil ich stark sein und überleben wollte. Ich wollte ihm helfen, ihn retten. Vor was auch immer er Angst hatte. Es war alles was ich an diesem Ort tun konnte, das einzig Sinnvolle, das ich vollbringen konnte und...Alois' Hilflosigkeit erinnerte mich zu sehr an mich selbst. Zumal sich mein Herz schmerzhaft zusammen gezogen hatte, als er angefangen hatte zu weinen.
 

Verdammt, nun hatte der Earl es irgendwie doch geschafft mich um den Finger zu wickeln. Nicht so wie von ihm selbst gewünscht, aber dennoch. Er hatte mich. Alois war in Claude's Netz gefangen und ich in seinem. Das begriff ich jetzt.
 

"Das reicht jetzt. Lass mich los." Alois wand sich aus meinen Armen, fuhr sich mit dem Ärmel seines violetten Mantels übers Gesicht und straffte die Schultern. Ein Kopfnicken reichte und ich war bei ihm.
 

Alois öffnete die Tür seines Zimmers und trat hinaus in den Flur. Dort waren die Drillinge gerade damit beschäftigt den Fußboden zu säubern.
 

"Der Herr hat geweint." "Ja, geweint." "Geweint hat er." "Da sah er schon niedlicher aus." "Ja, niedlicher." "Wenn er weint, ist er niedlich."
 

Jeder der Drei meldete sich einmal zu Wort und so schienen sie gar nicht zu bemerken, dass ihr Herr anwesend war. "Ich habe alles gehört.", sagte Alois und Thompson, Timber und Canterbury stellten sich gerade hin.
 

"Euer Gequatsche ist unerträglicher, als das Geplapper einer alten Hexe. Es ist so was von scheißlaut, also redet gefälligst leiser!", fauchte Alois, packte mein Handgelenk und zerrte mich mit sich. Ich gab keinen Ton von mir.
 

Weder als Alois mich absichtlich gegen einen Türrahmen laufen ließ, noch als er abrupt stehen blieb und sich der Absatz seines Stiefel in meinen Fuß bohrte.
 

Ich schwieg, denn ich hatte beschlossen auf den Moment zu warten, in dem Alois bereit war mir zu erzählen was ihn zu dem Menschen gemacht hatte, der er jetzt war.
 

Keine Ahnung wie lange das noch dauern würde, aber ich hatte ja schließlich Zeit. Unendlich viel Zeit, die ich damit verbringen konnte den kleinen, hellen Funken in Alois Trancy vor der ihn umgebenden Dunkelheit zu retten.
 

Herrje, das klang jetzt aber sehr pathetisch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ookami-no-Tenshi
2017-09-27T12:11:39+00:00 27.09.2017 14:11
Der letzte Teil hat total schön geklungen und ob du es glaubst oder nicht, ich selbst denke gleich.
Alois hätte wirklich jemanden gebraucht, der ihn einfach nur akzeptiert und ihm die Wärme und Liebe schenkt, die ein Kind braucht. Immerhin ist er noch so jung.
Wenigstens in deiner FF passiert das ^-^

Bin schon gespannt, wie es weitergeht!

Lg. Ookami-chan


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