In the spider's web von Mizuki18 ================================================================================ Kapitel 5: Use your tounge -------------------------- "Euer Hoheit, das Mittagessen wartet auf Euch.", ertönte Claude's Stimme von oben herab. Alois entfernte die scharfe Klinge von meinem Hals und ich merkte, dass ich unwissentlich den Atem angehalten hatte. "Gut, räum das hier weg.", befahl Alois, warf Claude das Schwert vor die Füße und erhob sich. "War das Training denn zufrieden stellend, Euer Hoheit?", wollte Claude wissen und bückte sich. "Hm, nicht so langweilig wie sonst.", meinte Alois und wandte sich an mich. "Los, steh auf, kleine Rose. Ich brauch doch Gesellschaft beim Mittagessen." Ich nickte stumm, rappelte mich auf und folgte Alois wie ein gehorsames Hündchen in den Speisesaal. Mein Herz hämmerte und es machte auch nicht den Anschein, als wolle es sich demnächst wieder beruhigen. Was war nur mit mir los? Hatte mich dieses Training gerade eben wirklich so sehr aus der Bahn geworfen? Das konnte doch gar nicht sein, es war doch gar nichts passiert. Außer natürlich, dass Alois mir wieder unglaublich nahe gekommen und mich aus diesen eisblauen Augen angesehen hatte. Gott, was war das nur mit diesem Jungen?! "Hey, nicht einschlafen!", ermahnte Alois mich, da ich stehen geblieben war und mich jetzt beeilen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Im Speisesaal warteten bereits Hannah und die Drillinge. Alois nahm, überdurchschnittlich gelangweilt aussehend, am Tisch Platz und begutachtete das Essen. Wie auch sonst stocherte er lustlos darin herum und schien darauf zu warten, dass das Fleisch aufsprang und über den Teller tanzte, nur um ihn zu unterhalten. Offenbar brauchte er wirklich stets und ständig etwas, das ihn beschäftigte. Sonst wurde ihm langweilig und Langeweile konnte Alois ja überhaupt nicht leiden. "Genevieve?", murrte er, stach mit dem Messer in das Steak und faltete die Hände unter dem Kinn. Ich hob den Kopf und straffte die Schultern. "Ja, Euer Hoheit?" "Ich hab keine Lust selber zu essen. Füttere mich.", verlangte Alois, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Miese, kleine... "Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit.", sagte ich, ging zum Tisch und begann das Fleisch in kleine Stücke zu schneiden. Unfassbar. Was Demütigungen anging, war er wirklich unglaublich kreativ. Und er würde sicherlich nicht locker lassen, bis er bekam was er wollte. Einen Schrei. Ich spießte eines der Fleischstücken auf und eine Weile lief das auch ganz gut so. Alois machte brav den Mund auf, kaute und schluckte es herunter. Doch ich wäre naiv, wenn ich gedacht hätte, dass nicht noch irgendwas passieren würde, das diese Situation noch unangenehmer für mich machte, als sie es sowieso schon war. Irgendwann landete ein kleiner Tropfen Soße nämlich ungefähr einen halben Millimeter neben Alois' Mundwinkel und statt es einfach weg zu lecken, wie jeder andere normale Mensch auch, wies er mich an diese Unreinheit aus seinem Gesicht zu entfernen. Frechheit. Ich griff nach der Serviette, tunkte die Spitze in das nebenstehende Wasserglas und wollte mich Alois gerade nähern, als er tadelnd den Zeigefinger hob. "Ah, doch nicht so, kleine Rose. Benutz deine Zunge." Ich blinzelte verwirrt. Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein?! "M-Meine was?", fragte ich. "Du hast schon verstanden. Jetzt mach endlich.", antwortete Alois, drehte mir besagte Gesichtshälfte zu und schloss die Augen. Fast so, als würde er das Folgende genießen. Ich hingegen vermied es einen der anderen Bediensteten anzuschauen. Sonst würde ich womöglich noch rot werden. Allerdings hatte ich, wie so oft in letzter Zeit, keine Wahl, weshalb ich mich nach vorn beugte und mit der Zunge über Alois' Mundwinkel leckte. Wie zu erwarten, nutzte die Hoheit diese Gelegenheit schamlos aus und ließ ein genussvolles Stöhnen vernehmen. Ein Zittern durchfuhr mich und ich zuckte zurück. Alois grinste. Dann aß er einfach weiter, als wäre nichts gewesen und ich stand da wie der letzte Trottel. Ob Claude solche Sachen auch schon hatte machen müssen? Vermutlich nicht. Alois schien zwar sehr an seinem Butler zu hängen, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass er trotz allem eine Art Respekt vor ihm hatte. Warum auch immer. "Wie gedenkt Ihr den Rest des Tages zu verbringen, Euer Hoheit?", fragte Claude, während Alois sich den Mund mit der Serviette säuberte. "Ich werde ein bisschen außerhalb des Anwesens spazieren gehen.", antwortete er, schob den Stuhl zurück und stand auf. "Allein oder in Begleitung?", wollte Claude wissen und es klang fast so, als würde er darauf hoffen, dass Alois ihn mit in die Wälder rund um das Haus nahm. Letzterer schien das ebenfalls zu bemerken, schob die Unterlippe leicht vor und klimperte mit den Wimpern. "Awww, möchtest du etwa mitkommen?" "Ich mache mir nur Gedanken wegen Eurer Sicherheit, Euer Hoheit. Es wäre besser, wenn Euch jemand begleitet.", erklärte Claude nüchtern. Alois schnaufte beleidigt. "Genevieve wird mitkommen. Du kannst indes mit den anderen alles für das Abendessen vorbereiten." Er machte eine wegwerfende Geste. Claude verbeugte sich. "Jawohl, Euer Hoheit." Alois warf ihm einen mörderischen Blick zu und schnippte mit den Fingern. "Komm, kleine Rose. Wir gehen spazieren." Ich trottete hinterher. Der Kies knirschte unter meinen Füße, als wir das Anwesen verließen und ein kleines Stück liefen, ehe wir das Waldstück erreichten und Alois es betrat, als wäre er hier schon hundertmal gewesen. Ich traute mich nicht zu fragen, ob er auch die Absicht hatte irgendwann stehen zu bleiben oder etwas zu sagen, als plötzlich abrupt anhielt und ich fast in ihn hinein gelaufen wäre. "Euer Hoheit?", erkundigte ich mich. Alois gab mir keine Antwort. Er legte sich stattdessen flach auf den Rücken und faltete die Hände über dem Bauch. "Leg dich zu mir.", verlangte er, doch da der sonst so harsche Unterton fehlte, hörte es sich mehr nach einer Bitte an. Eine Bitte, die ich meinem Herrn natürlich nicht abschlagen konnte. "Ich weiß eigentlich gar nicht wer du bist.", murmelte Alois, nachdem ich mich (mit einem gebührendem Abstand) neben ihn gelegt hatte. "Ich bin Euer Hausmädchen. Mehr müsst Ihr nicht wissen, Euer Hoheit.", erwiderte ich. "Ich will aber mehr wissen.", entgegnete Alois, drehte mir den Kopf zu und schaute mich entschlossen an. "Na schön, wir Ihr wollt. Meinen Namen kennt ihr ja bereits. Ich wurde in den Straßen Londons geboren. Meine Familie hatte nicht einmal annähernd so viel, wie die Eure, aber sie liebte mich. Ich hatte eine Mutter namens Eleanora und einen Vater namens Nicolas. Eine große Schwester, hatte ich auch. Sie hieß Lucienne. Und einen kleinen Bruder mit Namen Tristan. Sie starben alle bei einem Raubüberfall. Ich weiß bis heute nicht, was die Räuber gehofft hatten uns stehlen zu können. Wir besaßen so gut wie nichts." Ich stoppte, merkte wie mein Innerstes sich zusammen krampfte, als die Bilder sich gewaltsam zurück in meinen Kopf kämpften. "Erzähl weiter.", sagte Alois. "Ich lebte auf der Straße. Bis mich schließlich ein Mann auflas. Er war ein Lord, ein wohlhabender Mann und ich dachte er würde mich retten, weil er ein gutes Herz hatte.", fuhr ich fort. "Aber das hatte er nicht. Er war...krank, pervers und grobschlächtig. Ich arbeitet für ihn. Führte jeden Befehl aus. Musste mir alles gefallen lassen. Und...oft wurde ich nachts in sein Schlafzimmer gerufen, um ihm auch dort zu Diensten zu sein." "Er hat dich missbraucht?", fragte Alois mit einer unglaublichen Leere in der Stimme. Ich nickte. "Ja." "Und bist du bei mir glücklicher, als bei ihm?", wollte Alois wissen. "Natürlich, Euer Hoheit.", antwortete ich, ohne zu zögern. "Nein, ich will, dass du mir die Wahrheit sagst." Alois drehte sich auf die Seite und stützte sich mit seinem Ellenbogen im Gras ab. "Das ist die Wahrheit.", beteuerte ich, obwohl es natürlich eine Lüge war. Ich war nicht wirklich glücklicher. Um ehrlich zu sein, hatte ich verlernt wie es sich anfühlte tatsächlich glücklich zu sein. "Glaubst du ich weiß nicht, was du wirklich denkst? Ich weiß was in deinem Kopf vorgeht. Ich weiß, dass du all das nicht ernst meinst. Dieses ganze Getue, wie du das brave Hausmädchen spielst. Ich weiß, dass du Dornen hast.", flüsterte Alois und rutschte an mich heran. Ich rührte mich nicht einen Millimeter von der Stelle. "Du musst die Wahrheit nicht aussprechen, kleine Rose. Ich kenne sie auch so." "Dessen bin ich mir sicher, Euer Hoheit.", murmelte ich leise. "Trotzdem. Ich bekomme immer was ich will. Ich gebe nicht auf, bevor es mir gehört.", stellte Alois klar und fixierte mich. Ich wich dem Blick seiner eisblauen Augen bewusst aus. "Und was ist es, das ihr wollt, Euer Hoheit?" "Du bist mein Hausmädchen. Du musst wissen was ich will." Alois rückte noch näher an mich heran, leckte mir über die Ohrmuschel und verpasste mir eine Gänsehaut. Dann drehte er sich wieder auf den Rücken, schloss die Augen und genoss das dumpfe Sonnenlicht, dass durch die Blätterkronen bis zum Boden drang. Ich blieb neben ihm liegen. Was war das nur mit ihm? Gerade eben hatte er sich tatsächlich für mich interessiert? Für mein Leben, meine Geschichte. Und jetzt war er wieder Alois Trancy. Ein psychopathisches, arrogantes und verzogenes Kind. Was immer dafür gesorgt hatte, dass er so geworden war, es musste ein einschneidendes Erlebnis in seinem Leben gewesen sein. Wir blieben noch eine Weile liegen. Alois gab keinen Ton mehr von sich und kurz dachte ich sogar er sei eingeschlafen. Weshalb ich mich auch traute ihn anzusehen und wieder einmal konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, dass er in diesem Zustand absolut unschuldig und friedlich aussah. "Du solltest mich nicht so anstarren." Ich erschreckte mich fast zu Tode. "Tu ich nicht." Schnell suchte ich mir etwas anderes, das ich angucken konnte, fand auf die Schnelle jedoch nichts, weswegen mein Blick ziellos umher irrte. "Oder findest du mich etwa so faszinierend, dass du deine Augen nicht von mir lassen kannst?", stichelte Alois, setzte sich auf und schlug die Beine übereinander. Herrgott, diese Hosen! "Sorgt Euch nicht, Euer Hoheit. Es wird nie jemanden geben, den ich interessanter finde, als Euch.", erklärte ich, da ich genau wusste, dass es Alois stets um Langeweile und Interesse ging. So viel hatte ich immerhin schon gelernt. "Hm, du musst lernen meine Fragen konkreter zu beantworten, kleine Rose.", brummte Alois und stand auf. "Los, wir gehen zurück." Er schaute von oben auf mich herab und gerade als ich mich ebenfalls erheben wollte, stellte Alois einen Fuß auf meine Brust und der Absatz seines Stiefel bohrte sich zwischen meine Rippen. "Du trägst den Blumenkranz immer noch.", bemerkte er. "Ihr habt mir nicht befohlen ihn abzunehmen, Euer Hoheit.", gab ich zurück und bemühte mich normal zu klingen, auch wenn das Atem gerade sehr schmerzhaft war. "Kluges Mädchen.", lächelte Alois, nahm den Fuß weg und stolzierte davon. Ich rang nach Luft, rappelte mich auf und folgte ihm. Gott, wenn er so weiter machte würde ich irgendwann die Beherrschung verlieren und ihm eine runter hauen. Auch wenn mich das vermutlich meinen Kopf kosten würde. Alois selbst würde ihn mir abschlagen. "Nicht so langsam, Genevieve!", rief Alois und ich lief schneller. Blöde Rotznase! Als wir das Anwesen erreichten, steuerte Alois sofort den Speisesaal an, wo schon das Essen aufgetischt war. Hannah und die Drillinge, standen an der Wand, Claude hingegen direkt neben dem Stuhl, auf dem Alois gleich Platz nehmen würde. "Hattet Ihr einen angenehmen Spaziergang, Euer Hoheit?" "Hm, er war ganz nett.", meinte Alois und ließ sich auf den Stuhl plumpsen. Ganz nett? Ich hatte ihm meine komplette Lebensgeschichte anvertraut, er hatte mein Ohr abgeleckt und mir seinen Absatz in die Brust gerammt. Wenn das nur nett war, was war dann hervorragend oder wundervoll? "Das freut mich zu hören.", sagte Claude. Das Essen verlief ohne Zwischenfälle. Das wunderte mich, denn ich hätte darauf gewettet, dass Alois mir jetzt befahl ihm das Essen vorzukauen oder sonst irgendwas, aber dann fiel mir ein, dass ich ihn ja heute ins Bett bringen musste und was immer in seinem kranken Kopf vor sich ging, hob er sich für nachher auf. "Nur, dass ihr es wisst. Ab jetzt wird mich keiner von euch mehr stören, verstanden? Ihr könnt gehen und sonst was machen. Ist mir egal. Genevieve wird sich um mich kümmern.", verkündete Alois und schenkte mir ein dreckiges Grinsen. Ich ignorierte es, verschränkte meine Finger ineinander und drückte den Rücken durch. Bloß keine Schwäche zeigen. Das spornte Alois zwar noch mehr an, aber es war besser, als ihm zu geben was er wollte. Denn wenn er seinen Schrei erstmal hatte, dann wäre ich nicht mehr interessant und dann würde Alois nichts davon abhalten sein Spielzeug einfach wegzuwerfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)