Follow your Heart von Linchen-86 ================================================================================ Kapitel 50: Winterwende ----------------------- Dezember 03.12.2011 Taichi hatte im letzten Monat viel Zeit gehabt, um über vieles nachzudenken. Er hatte sich mit Sora ausgesprochen und auch Hikari hatte ihm nochmal ins Gewissen geredet. Er versuchte auch seinen Alkoholkonsum einzuschränken, jedoch feierte er immer noch sehr gerne. Doch so wie es bisher war, kam er einfach nicht vom Fleck. Es war, als würde er durch Treibsand laufen und je schneller er versuchte raus zu kommen, umso mehr wurde er eingezogen. Er wollte sein Leben endlich umkrempeln und wieder unbeschwerter werden. Zunächst war er überfordert, weil er überhaupt nicht wusste was er ändern und wo er anfangen sollte, aber er hatte die besten Freunde die er sich wünschen konnte und alle standen ihm zur Seite. Taichi wollte seine Altlasten systematisch bekämpfen. Das war nur leichter gesagt als getan. Die erste Baustelle war nämlich sein Vater und da fingen die Probleme wieder an. Wie um alles in der Welt sollte er mit dieser Sache abschließen, wenn er nichts mit seinem Vater klären konnte, weil dieser einfach nicht mehr da war? Hikari hatte schließlich die Idee, am Todestag von Susumo nach Aoshima zu reisen und dort das Grab zu besuchen. Weil Taichi nicht alleine reisen wollte, bot Hikari an ihn zu begleiten. Und nun war er bereits zum dritten Mal in seinem Leben in Aoshima angekommen und das zum ersten Mal mit einem klaren Ziel. Wie auch die letzten Male checkte er in dem kleinen Hotel ein, in dem sie bisher immer gewesen waren. Hier war alles anders. Es war ruhiger und daher nahm er sich vor, den ersten Weg entlang zu laufen, den sein Vater hier gegangen war. Er wollte zum Tempel, er wollte verstehen, warum sein Vater beschlossen hatte, Mönch zu werden. Er wollte wissen, was Susumo die letzten Jahre seines Lebens hier gemacht hatte. Hikari und Takeru gaben ihm die Zeit, die er brauchte und gingen selber am Strand spazieren. Es war immerhin noch sonnig, auch wenn der Wind am Meer eisig war. Taichi ging zum Tempel. Er wusste gar nicht genau, wo er eigentlich hin gehen sollte, aber da er nicht viele Anhaltspunkte hatte, musste er nun mal hier beginnen. Hier war er jetzt schon das zweite Mal und beim ersten Mal hatte er mit einem Priester geredet. Das war bereits über ein Jahr her. Der Priester würde doch sicher über alles Bescheid wissen und ganz sicher kannte er seinen Vater. Ja, er musste ihn gekannt haben, daran bestand keinen Zweifel. Taichi lief weiter den Berg hinauf. Es war nicht wirklich viel los. Kein Wunder, im Dezember war der Tourismus auf dieser Insel nicht besonders groß. Er lief weiter bis er wieder das kleine Gebetshaus erreichte. Er sah sich um, ob hier irgendjemand war. „Hallo? Ist hier jemand?“ Eine Antwort bekam er nicht und er sah auch niemanden. Taichi nahm die Gebetskette in die Hand und schloss seine Augen. „Warum all das nur?“, murmelte er leise. Er öffnete seine Augen, faltete seine Hände auseinander und sah herunter, aber die Gebetskette war weg! Wo war sie hin? Sie konnte doch nicht weggeflogen sein, das hätte er doch gespürt! „Suchen sie das hier?“ Überrascht drehte sich der Sportstudent um. Wo kam der Priester denn auf einmal her? Taichi nickte und der Priester gab ihm seine Gebetskette zurück. „Sie waren schon mal hier. Was führt sie wieder her?“ Bingo. Taichi hatte tatsächlich den Priester wiedergefunden und dieser erinnerte sich noch an ihn, dann müsste er sich doch auch noch an seinen Vater erinnern, oder? „Ich will es endlich verstehen“, erwiderte der Braunhaarige. „Was möchten sie verstehen?“ „Warum mein Vater damals ausgerechnet hierher gekommen war. Warum er Mönch geworden ist.“, erklärte Taichi. „Sie stellen die falschen Fragen.“ „Und wie lautet die richtige Frage?“ „Wenn du die Antwort darauf weißt, kannst du dir deine Frage selber beantworten.“ „Aha… ist ja sehr hilfreich.“ Der Priester zündete eine Kerze an, läutete die Glocke und schloss seine Augen. „Möchtest du vielleicht mitkommen?“, fragte er dann nach und wand sich zu dem Braunhaarigen um. „Wohin mitkommen?“ „In den Tempel, um zu beten!“ Taichi verstand das nicht ganz. Sie hatten doch gerade gebetet. Der Priester drehte sich herum und ging. „Warten sie“, rief Taichi ihm hinterher und folgte dem Mönch. Taichi war im Inneren des Tempels angekommen. Hier befanden sich einige Mönche und Buddhisten. Sie saßen auf ihren Knien und kaum setzte sich auch der Priester in die erste Reihe, begannen sie mit ihrem Chorgebet. Taichi kannte die sogenannten Psalme nicht, dennoch begab auch er sich auf die Knie und tat sein bestes. Sie wiederholten immer wieder verschiedene Mantras und auch Taichi wollte mit einsteigen, aber so recht wusste er nicht, was er sagen sollte. „Es ist gar nicht so schwer“, sagte eine Buddhisten und lächelte den Braunhaarigen freundlich an. „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, murmelte Taichi leise, um die Anderen nicht zu stören. „Die meisten Menschen kommen hierher, um für die Menschen zu beten, die sie lieben“, erklärte die Dame. „Alle?“ Die ältere Dame nickte. „Ja, wir bitten darum, dass die Menschen die wir lieben von ihrem Leid befreit werden, keine schlechten Gedanken oder Gefühle haben, dass sie klar denken und ihre Erleuchtung finden“, erklärte die Buddhisten. „Was wünschen sie sich für sich selbst?“ „Na all das, was sie gerade gesagt haben“, nuschelte Taichi verhalten und es stimmte. Er trug so viele schlechte Gedanken und Gefühle mit sich herum, so oft konnte er nicht klar denken und fühlte sich schlecht. Er wollte all das nicht mehr. „Wünschen sie das auch ihrer Familie und ihren Freunden?“ „Natürlich“, sagte Taichi entschlossen. „Dann stimmen sie doch einfach mit ein. Denken sie an die Menschen, die sie lieben und wünschen ihnen das Beste, es wird auch ihnen helfen, sich besser zu fühlen.“ Taichi schloss seine Augen und versuchte beim meditieren die Psalme mitzusingen. Irgendwann wurde der Gesang, auch zu seinem Mantra und er konnte die Worte problemlos wiedergeben. Er dachte an seine Familie, an seine Mutter, an seine Schwester, an seinen Vater. Schlagartig fühlte Taichi sich in eine andere Welt versetzt und als er seine Augen wieder öffnete, war es als würde sein Vater im Mönchgewand neben ihm sitzen und mit ihm meditieren. „Hat es dir damals geholfen das zu tun?“, fragte Taichi die Person, nicht wissend ob sie antworten würde. „Ja.“ Die Stimme war vertraut und doch so fremd. „Wie wird man eigentlich ein Mönch?“, fragte Taichi nach. „Da muss man nicht viel für tun. Man muss die Anhänger überzeugen, dass man es ernst meint und in der Regel, wenn sie dir glauben, wirst du in den Orden aufgenommen und dann trifft man sich nur um gemeinsam zu beten. Man ist die meisten Zeit mit sich und seinen Gedanken alleine“, erklärte der Mönch. „Ist das nicht total einsam?“, fragte Taichi interessiert nach. Der Mönch sah zu dem Braunhaarigen und doch sah Taichi kein Gesicht. „Manchmal. Manchmal nicht. Man kommt nicht hierher, wenn man Gesellschaft sucht. Man kommt hierher, um sich selbst zu suchen.“ Taichi nickte und tat so, als würde er verstehen, wovon der Buddhist sprach, der seinem Vater so ähnlich war und auch wieder nicht „Hast du gefunden, was du verloren hast?“ „Ich? Ich denke, ich bin wohl noch auf der Suche. Ich weiß gar nicht, was ich verloren habe, wenn ich ehrlich bin“, nuschelte Taichi. „Doch, du weißt es. Du musst es nur noch erkennen.“ „Und wie soll ich das bitte machen, wenn ich nicht mal weiß, was ich verloren habe?“ „Das ist die richtige Frage“, antworte der Mönch und stand auf. Taichi sah ihm nach, doch bald schon war er weg. Er wollte ihm hinterher laufen, aber er kam nicht vom Platz. Er saß da wie angewurzelt da und im nächsten Moment war er wieder im hier und jetzt. „Was war das denn jetzt?“ Taichi rieb sich die Augen und stand auf. War das ein Traum gewesen? Wo waren alle hin? Er war ganz alleine in dem Tempel. Wie viel Zeit wohl vergangen war? „Du bist wach geworden“, sagte der Priester, der plötzlich neben ihm stand. „Ich bin eingeschlafen?“, erkundigte sich Taichi und wusste immer noch nicht, was da eben mit ihm geschehen war. „Ja, das passiert schon mal, wenn man meditiert. Dein Bewusstsein verlässt deinen Körper und befindet sich auf einer eigenen Reise. Wo bist du gewesen?“ „Ähm. Ich weiß es nicht. Ich habe jemanden getroffen, also glaube ich...“ „Und?“ „Ich weiß es jetzt.“ „Was weißt du jetzt?“, fragte der Priester freundlich nach. „Was ich verloren habe.“ „Und was ist es?“ „Mich.“ 04.12.2011 „Also Tai, du warst gestern wirklich in einem Tempel und hast mit den Mönchen meditiert?“, fragte Hikari ungläubig bei ihrem Bruder nach. „Ja, wieso wundert dich das so?“ „Na, weil du beim letzten Schulausflug in einen Tempel mit Matt abgehauen und stattdessen in die Innenstadt gefahren bist“, ergänzte Takeru den Satz seiner Freundin. „Ja gut, das ist jetzt ein paar Jahre her. Aber gestern war es ganz interessant.“ „Und gehst du wieder hin?“, fragte die Jüngere neugierig nach. „Vielleicht.“ „Weißt du schon, was du heute machen willst?“ „Ich wollte mal zu der alten Hütte, wo er zuletzt gelebt hat.“ „Glaubst du etwa, dass sie nach einem Jahr noch frei steht?“ Taichi schüttelte seinen Kopf. „Nein, aber ich weiß nicht was ich sonst machen soll. Einfach nur hier sitzen und warten, kann ich nicht. „Wir könnten dich begleiten. Ich meine du wolltest nicht alleine hierher kommen.“ Hikari wusste, dass ihr Bruder oft den Starken mimte, aber viel war nur Fassade. In seinem Inneren sah es oft ganz anders aus. „Wenn ihr wollt, klar.“ „Sowie es aussieht, ist es tatsächlich noch unbewohnt“, stellte Takeru fest. Die kleinen Fenster die kaputt waren, ließen einen Einblick in die dunkle Hütte gewähren. Ein paar Katzen waren in der kleinen Hütte, aber ansonsten schien dort niemand mehr zu leben. „Ich finde es gruselig hier“, murmelte die Jüngste und rieb sich die Hände, als wäre ihr kalt. „Möchtest du meine Jacke?“, fragte Takeru bei seiner Freundin nach. „Nein, ist schon okay. Ich habe doch selbst eine Jacke. Außerdem möchte ich nicht, dass dir dann kalt ist.“ „Ja, aber lieber mir als dir.“ „Leute, ich geh mal rein“, brummte Taichi und drückte den Türgriff nach unten. Es knirschte zwar, aber mit etwas Druck ließ sich die Türe öffnen. „Es sieht genauso aus wie damals“, nuschelte die Brünette, als sie hinter Taichi in die Hütte trat. „Na ja, letztes Jahr standen hier auch nicht wirklich viele Möbel.“ „Stimmt auch wieder.“ „Wem gehört sie? Ich meine, irgendwem muss die Hütte doch gehören.“, fragte Takeru das Geschwisterpaar. Beide zuckten mit den Schultern. „T.K du bist genau so schlau wie wir“, erwiderte Taichi und ging in die kleine Küche. Es roch unangenehm und ein paar Katzen liefen schnell weg, als sie den großgewachsenen jungen Mann sahen. „Wow, hier riecht es echt übel“, murmelte Takeru und öffnete mit seinem Ärmel den Kühlschrank. „Igitt.“ Zügig schmiss er die Kühlschranktüre wieder zu und verzog angeekelt seinen Mund. Es stand zwar nicht viel drin, aber das was drin stand, war undefinierbar. „Hier ist auch noch etwas.“ Die beiden Jungs sahen zu der jungen Yagami, die einen ganzen Stapel Briefe in ihrer Hand hielt. „Der letzte Stempel ist einige Monate alt.“ „Dann muss sie aber irgendwer aufgehoben und dahin gelegt haben“, merkte der Blonde an. „Irgendetwas wichtiges dabei?“, fragte Taichi nach. Hikari ging den Stapel durch. „Hmm… Werbung, noch mehr Werbung. Ich glaube nicht.“ Gerade wollte sie den Stapel weglegen, als ihr eine offene Schublade mit noch mehr Post auffiel. Sie öffnete sie und staunte nicht schlecht. „Tai, guck dir das mal an.“ Der Ältere ging zu seiner Schwester und folgte ihrem Blick. Viele Kinderbilder von Taichi und Hikari waren darin. Bilder, auf der die ganze Familie zu erkennen war. Bilder von Yuuko. Sogar ein Hochzeitsbild. „Tai, es ist ihm niemals leicht gefallen zu gehen. Er wollte uns damit nur beschützen. Er dachte, er würde das Richtige tun, aber er hat sich falsch entschieden. Er bereute seine Entscheidung jeden Tag und er hat uns vermisst, konnte aber einfach nicht zurück.“ Taichi holte alle Bilder heraus und fand noch ein paar gezeichneten Bilder und kleine Vatertagsgeschenke. Er nickte mit dem Kopf. „Ja, ich glaube du hast Recht. Ich war damals zu verletzt, um es zu sehen und das Schlimmste ist, ich wiederhole seine Fehler. Ich bereue auch so viele Entscheidungen und kann sie nicht mehr rückgängig machen.“ „Es ist niemals zu spät Tai.“ Der Ältere lächelte schwach und durchwuschelte ihre Haare. „Hey, lass das. Jetzt ernsthaft Tai, du bist jung und gesund und wenn du etwas bereust, dann fang an, es wieder gerade zu biegen. Lass nicht zu, dass deine vergangenen Entscheidungen dein jetziges Leben so sehr beeinträchtigen.“ „Na hör mal Schwesterherz, so weise?“ „Irgendeiner muss ja weise sein, wenn der Andere sich monatelang wie ein Idiot verhält“, konterte die Jüngere und streckte ihrem Bruder die Zunge raus. „Ist ja gut. Du hast ja Recht. Schon wieder.“ Takeru kam ebenfalls zu den Geschwistern und räusperte sich. „Ich glaube wir sollten so langsam wieder verschwinden.“ Hikari nickte, stopfte alle Fotos in ihre Handtasche und folgte dem Blonden nach draußen. 05.12.2011 Heute vor genau einem Jahr war Susumo verstorben. Für beide Geschwister war es ein sehr beklemmendes Gefühl nach einem Jahr zurückzukehren, aber es war längst an der Zeit. Zu dritt gingen sie auf den Friedhof. Sie brauchten ein wenig um sich zu orientieren. Überall war grüne Wiese und weiße Steine. Die Bäume hatten alle ihre Blätter verloren. „Im Frühling sieht es sicher schön aus, wenn die Kirschblüten blühen, aber so...“, murmelte Hikari und drückte die Hand ihres Freundes ganz fest. Irgendwann fanden sie den weißen Grabstein ihres Vater. Dort blieben sie eine Weile stehen und hingen allen ihren eigenen Gedanken hinterher. Hikari hatte einen kleinen Blumenstrauß dabei und legte diesen vor dem weißen Grabstein ab. Sie lächelte leicht, als sie den weißen Marmorstein berührte. „Ich hoffe es geht dir gut, Papa. Du musst dir um uns keine Sorgen machen. Es geht uns gut. Wir vermissen dich alle und denken noch ganz viel an dich. Das letzte Jahr ohne dich war schwer, aber ich weiß, dass du immer noch bei mir, bei uns, bist.“ Die Braunhaarige richtete sich wieder auf und sah zu Takeru. „Lass uns hier etwas spazieren gehen, T.K.“ Sie drehte sich kurz zu ihrem Bruder um und lächelte ihn an. „Ich lass dich einen Moment mit ihm alleine und komme später wieder, okay?“ „In Ordnung, aber bleibt in der Nähe.“ Takeru nahm die Hand seiner Freundin und zog sie weiter. „Na komm, Hika. Ich glaube dahinten hab ich sogar das Meer gesehen.“ Taichi sah ihnen einen Moment hinterher, ehe sein Blick auf den Grabstein seines Vater lag. Er räusperte sich ein paar Mal. Sollte er jetzt was sagen? Bei Hikari eben hatte es so leicht gewirkt, aber was sollte er sagen, zu einem Stein? „Ähm...“ Er schloss seine Lippen wieder und setzte sich im Schneidersitz auf den kalten Boden. „Ich… ähm… hoffe auch...ähm… dass es dir gut geht...“, murmelte er. Was machte er denn hier? Vielleicht sollte er nicht anfangen, dies als kalten Stein zu sehen, sondern als eben letzte Ruhestätte seines Vaters. Vielleicht hörte sein Vater ja auf irgendeiner Ebene zu, die er nicht verstehen konnte. „Mama geht es gut. Sie ist eine starke Frau, aber das weißt du ja selber am besten. Und Kari… sie ist unglaublich. Sie ist so reif und erwachsen geworden. Ich sehe sie immer noch als kleines Mädchen vor mir und jetzt besucht sie schon die Abschlussklasse und macht nächstes Jahr ihren Abschluss. Wahnsinn oder? Ich kann mir vorstellen, dass es dich traurig macht, dass du das nicht mitbekommen wirst. Du wirst an vielen wichtigen Abschnitten ihres Lebens nicht dabei sein können und das ist schade.“ Taichi schwieg einen Moment. Er hatte in den letzten Jahren, als sein Vater so plötzlich verschwunden war, immer versucht, diesen für seine Schwester zu ersetzen. Er hatte es aber nie geschafft und sich im letzten Jahr total gehen lassen. Das hatte Hikari nicht verdient. „Was mich betrifft, ich habe irgendwie nur Mist gebaut. Alles versucht zu verdrängen, anstatt all diese schlechten Gefühle zuzulassen. Ich kann nur stärker werden, wenn ich mein Schicksal endlich akzeptiere.“ Taichi begriff endlich, dass das Leben sich nicht einfach schreiben ließ wie ein Buch. Es war unberechenbar und man wusste nie, was als nächstes passierte. Er verstand, dass er ewig wegen bestimmten Dingen enttäuscht und verletzt sein konnte oder aber versuchen, das Beste aus jeder Situation zu machen. Das Leben war anders als früher. Er hatte seinen Vater verloren und dieser Verlust traf ihn sehr, aber das hieß nicht, dass er keine sonnigen Tage mehr in seinem Leben haben würde. Er hatte Mimi verlassen und litt unter einem gebrochenem Herzen, aber das hieß nicht, dass er sich nie wieder verlieben würde. Er musste lernen, es besser zu machen. Das Leben war dafür da, Fehler zu begehen. Man musste aber aus diesen lernen und sie nicht ständig wiederholen, so wie er es bisher getan hatte. „Ich war solange sauer auf dich, weil du einfach gegangen bist und uns alleine gelassen hattest. Ich habe das damals einfach nicht verstanden, aber so langsam fange ich an, es zu verstehen. Du wolltest uns schützen und das war eben in deinen Augen die beste Option. Ich bin sicher, wir hätten damals gemeinsam auch einen anderen Ausweg gefunden, aber ich… also ich… ich bin endlich bereit es hinter mir zu lassen, dir zu verzeihen und mich zu entschuldigen. Ich hatte es dir zum Schluss nicht gerade leicht gemacht. Es tut mir leid und ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst.“ Noch eine ganze Zeit blieb Taichi vor dem Grabstein seines Vaters sitzen und dachte an ihn. Hikari und Takeru kamen wieder zurück und lächelten vorsichtig. Die Jüngere setzte sich neben ihren Bruder und legte eine Hand auf seinem Knie ab. „Geht es?“, fragte sie vorsichtig nach. Taichi nickte und lächelte sie an. „Ja, es war gut hierher zu fahren. Ich glaube, ich mache das jetzt jedes Jahr.“ „Es freut mich. Ich werde dich immer begleiten, wenn du das möchtest.“ „Ja, sehr gerne, aber jetzt wird es Zeit wieder nach Hause zu fahren. Mama wird sicher alles wissen wollen.“ „Oh ja, wir haben gestern noch eine Stunde telefoniert und sie wollte uns sowieso etwas sagen, wenn wir zurück sind.“ „Ach, was denn?“ Jetzt war Taichi doch neugierig. „Ich weiß es nicht, deshalb sollen wir ja beide zum essen vorbei kommen“, erwiderte die Brünette. „Es ist kalt, wir sollten ins Hotel.“ „Ja, ich glaube es fängt auch an zu schneien“, sagte Takeru und sah in den grauen Himmel. Hikari und Taichi sahen ebenfalls in den Himmel und tatsächlich, die ersten Schneeflocken fielen von den Wolken. „Es schneit.“ Hikari lächelte leicht. „Meinst du, wir können später noch einen Schneemann bauen?“ „Ich glaube nicht, dass der Schnee liegen bliebt“, erwiderte Taichi. „Glaub ich leider auch nicht, aber wenn, dann können wir einen bauen“, fügte der Blonde grinsend hinzu. 09.12.2011 Taichi und Hikari waren seit zwei Tagen zurück in Tokio. Heute wollte Yuuko mit ihnen über etwas wichtigs sprechen. So ganz wussten die Geschwister nicht weswegen, auch wenn sie schon die wildesten Theorien diesbezüglich hatten. Hikari schloss die Türe auf und Taichi folgte ihr. Er hatte sie heute von der Schule abgeholt. „Da seid ihr ja. Ich habe gekocht, kommt setzt euch.“ „Schön“, dachte Taichi ironisch und setzte sich an den Esstisch. Yuuko hatte eine Misosuppe, die leider etwas versalzen, aber dennoch essbar war und Räucherlachs mit Reis gekocht, was nicht ganz so genießbar war. „Gibt es irgendetwas neues“, fragte Yuuko und wurde mit jeder Minute, die verging unruhiger. „Mama, ist alles in Ordnung?“, fragte Hikari schließlich nach und musterte ihre Mutter. „Ähm… Ja… also… möchtet ihr noch Nachschub?“ Synchron schüttelten beide den Kopf. „Nein danke, wir sind satt“, antwortete Taichi gleich für sie beide. „Mama, du wolltest uns irgendetwas sagen. Was denn?“, hakte die Braunhaarige nach. „Ja, stimmt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Tai in einem Tempel gebetet hat“ „Ma, das habe ich dir doch alles erzählt. Was hast du auf dem Herzen. Spucke es aus.“ Yuuko atmete einmal tief ein und aus und trank nochmal einen Schluck von ihrem Wasser. „Ich… ähm… Ich habe da jemanden kennengelernt...“ Kurz wartete Yuuko, ob einer der beiden lauthals protestieren würde, aber sie blieben still und warteten darauf, dass sie weiter sprach. „Ähm… Ich habe ihn auf der Arbeit getroffen.“ „Ein Arzt oder ein Pfleger?“, horchte Hikari neugierig nach. Yuuko schüttelte ihren Kopf. „Weder noch. Er war Patient auf meiner Station. Er hatte einen Herzinfarkt, aber es geht ihm wieder gut und er ist auch schon längst wieder entlassen.“ „Ahh… deshalb die freiwilligen Überstunden...“, lächelte Hikari wissentlich. „Ja...“, gab Yuuko etwas peinlich berührt zu. „Ich hoffe, ihr seid deswegen nicht böse auf mich?!“ „Warum sollten wir?“, fragte Hikari nach. Yuuko zuckte hilflos mit den Schultern. „Ma, Papa ist seit einem Jahr tot und ihr seid noch länger getrennt. Du hast es verdient glücklich und nicht alleine zu sein“, fügte Taichi hinzu und lächelte seine Mutter an. „Och, mir fällt so ein Stein vom Herzen. Wäre es zu viel verlangt, wenn ich ihn euch heute vorstelle?“ „Nein, gar nicht. Rufe ihn an“, grinste die Jüngere und freute sich für ihre Mutter. Es klingelte an der Tür und Yuuko stand auf. „Nicht nötig. Er ist schon da.“ Strahlend öffnete sie die Türe und wartete auf den Unbekannten. „Na jetzt bin ich aber gespannt.“ Taichi hätte wirklich nicht erwartet, heute den neuen Frend seiner Mutter kennzulernen. Er gönnte seiner Mutter das Glück, aber er würde am Anfang wachsam bleiben, das würde er nie abstellen können. Sie hatte genug durchgemacht. Neugierig sahen die Geschwister zur Türe und schließlich kam ein Schwarzhaaiger Mann mit leichten grauen Strähnen durch die Türe. Er lächelte freundlich und drückte Yuuko rechts und links ein Küsschen auf die Wange. „Yuuko, schön dich zu sehen.“ Der Mann drehte sich um und sah die Geschwister. „Yuichi Uehara, freut mich sehr, euch endlich kennenzulernen.“ „Endlich? Wie lange kennen sie unsere Mutter denn schon?“ Yuuko und Yuichi gingen in die Küche und setzten sich zu den beiden Jüngeren an den Tisch. „Seit sechs Wochen und davon drei Wochen auch außerhalb vom Krankenhaus“, erklärte Yuuko lächelnd. „Und was machen sie so beruflich?“, fragte Taichi nach und wollte dem Neuen was auch immer seiner Mutter auf den Zahn fühlen. „Ich arbeite bei einer Bank.“ „Aha und wie alt sind sie?“ „Mein Sohn ist immer sehr direkt. Man gewöhnt sich daran, er meint es eigentlich nur gut“, schmunzelte Yuuko und kicherte leicht. Wow seine Mutter flirtete. War das bizarr. „Kein Problem. Ich bin 49 Jahre alt und ihr seid 22 und 19 Jahre, richtig?“ Beide nickten. Auch Hikari interessierte sich für den Mann und außerdem fand sie das auch irgendwie lustig. Wie oft brachte ihre Mutter sie vor Takeru in Verlegenheit? „Und waren oder sind sie noch verheiratet?“ „Kari“, kam es leicht entsetzt von Yuuko, während Taichi sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Unter dem Tisch hielt er seine Faust zu seiner Schwester, die diesen mit ihrer Faust abklopfte. „Ich bin geschieden, schon seit vier Jahren und ich kann mir die nächste Frage schon fast denken. Ja, ich habe Kinder, beziehungsweise eine Tochter. Sie ist 20 Jahre alt und hat dieses Jahr angefangen Mediendesign zu studieren. Sie heißt Yuna.“ „Okay und wie kam es zum Herzinfarkt? Entschuldigung, aber sie sind doch eigentlich noch recht jung.“ Diese Frage war Taichi am wichtigsten. Er wollte nicht, dass dieser Mann gesundheitliche Probleme hatte. Sie mussten nicht noch einen Mann zu Grabe tragen. „Tai?“ „Was denn? Ich finde das ist eine berechtigte Frage. Ich will deinem Glück wirklich nicht im Wege stehen, aber ich ich mache mir trotzdem Sorgen um dich.“ Yuuko lächelte sanft. So war er nun mal. „Ist schon in Ordnung. Ich habe einfach zu wenig auf mich geachtet. Die letzten Jahre waren nicht so leicht für mich. Die Trennung, dann die Scheidung. Ich konnte meine Tochter nicht mehr sehen, weil meine Ex-Frau dies nicht zuließ. Es war ein harter Kampf um überhaupt ein Besuchsrecht zu bekommen. Mittlerweile ist alles geregelt, aber die Jahre haben dennoch ihre Spuren hinterlassen, aber ich habe daraus gelernt und lasse es nicht mehr soweit kommen.“ Das beruhigte Taichi für den Moment. Sie verbrachten den Abend weiterhin zusammen und lernten den neuen Lebengefährten ihrer Mutter näher kennen. 31.12.2011 Es waren fünf Minuten vor Silvester. Alle Freunde waren gemeinsam auf einer Dachterrasse. Sie feierten gemeinsam und kurz vor Mitternacht wurde es auf einmal ganz still und dunkel. „Okay, was ist hier jetzt los?“, fragte Miyako nach und kuschelte sich an Ken. „Ich weiß nicht, vielleicht sind die Leitungen überlastet?“, mutmaßte er. „Das kann eigentlich nicht sein, weil….“ Koushiro hielt inne, als plötzlich ein Licht anging, dann folgte ein zweites, dann ein drittes, so ging es weiter bis alle an waren und sich ein kleiner Weg bildete. „Ohh, das sieht aber schön aus“, schwärmte Hikari. „Hat einer von euch Joe gesehen?“, fragte Saori nach und sah sich nach ihrem Freund um. „Nein, eben war er doch noch hier“, sagte Takeru. „Saori, gucke mal da“, lächelte Hiakri. Saori folgte dem Blick der Jüngeren und sah einen nervösen jungen Mann auf sie zugehen. „Joe?“ Als Saori sich wieder umsah, hatten alle Freunde plötzlich einen roten Herzballon in der Hand. „Aber wie?“ Joe näherte sich seiner Freundin und blieb kurz vor ihr stehen. Die Anspannung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Er schwitzte und war rot im Gesicht. „Hoffentlich kippt er gleich nicht um“, murmelte Taichi in Koushiros Ohr. „Wie gut, dass auch Saori Medizinstudentin ist.“ „Me-meine liebe Sa-Saori… Ich… Wir...“ Joe schüttelte den Kopf. Er hatte fast vergessen vor ihr auf die Knie zu fallen oder machte man das erst später? Er ging vor ihr auf Knie und Saori staunte nicht schlecht. Konnte es etwa sein? „Ich liebe dich und ich… ich will nicht mehr o-ohne dich sein“, stotterte Joe unbeholfen und holte nochmal tief Luft. „Wi-Willst du meine Frau werden? Also willst du mich heiraten?“ „Ja, natürlich.“ Überglücklich liefen Saori bereits die Tränen über die Wangen und umarmte den Brillenträger. Joe, der jetzt ein wenig gefasster wirkte, kramte in seiner Innentasche und holte etwas Wichtiges heraus. Da war doch noch etwas. Er holte eine Samtschatulle heraus, öffnete den Deckel und ein schöner Ring mit einem kleinen Saphirstein war zu sehen. „Ohhh ist der schön“, hauchte Saori ergriffen. Joe ergriff ihre Hand und steckte den Verlobungsrings an ihren Finger. Dann stand er auf und küsste seine Verlobte. „Herzlichen Glückwusch“, kreischte Miyako als erste. „Ich will ja nichts sagen, aber drei, zwei, eins. Frohes neues Jahr!“, jubelte Taichi und alle Freunde umzingelten das firsch verlobte Paar und stießen gemeinsam auf ein neues Jahr an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)