Follow your Heart von Linchen-86 ================================================================================ Kapitel 49: Spannungen ---------------------- November 01.11.2011 „Mimi, was ist denn nur los mit dir?“, fragte Nicole nach. Ihre Freundin rührte bereits schon seit einer halben Stunde in ihrem fast leeren Tee herum. Sie waren in einem Cafe und wollten quatschen, jedoch war die Brünette nicht wirklich in Plauderlaune. „Es ist eine Woche her“, murmelte die Brünette betrübt. „Was ist eine Woche her?“, hakte die Rothaarige nach. „Das Tai Geburtstag hatte und...“ „Du hast nichts von ihm gehört, oder?“, stellte Nicole fest. Traurig schüttelte Mimi ihren Kopf. Sie war wütend, traurig und verzweifelt deswegen. Da nahm sie all ihren Mut zusammen, schrieb Taichi eine E-Mail zu seinem Geburtstag und er … er konnte nicht mal antworten. Nicht mal Danke sagen, nichts, als wäre es ihm völlig egal. „Warum? Bedeute ich ihm denn wirklich so wenig? Bin ich ihm so egal? Hat er mit mir abgeschlossen?“ „Ach Mimi, du solltest Tai einfach vergessen, er ist es nicht wert“, versuchte Nicole ihre beste Freundin aufzumuntern. „Tja, leider ist es nicht so einfach ihn zu vergessen.“ „Mimi, ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber du hast jetzt fast ein Jahr nichts mehr von Tai gehört, warum sollte er sich jetzt plötzlich melden?“ Die Brünette zuckte mit ihren Schultern. Sie wusste es doch selber nicht, aber trotzdem. Es war soviel Zeit vergangen, konnte man dann nicht sein eigenes Ego ruhen lassen und einfach über seinen Schatten springen? „Konzentriere dich lieber auf deine Gegenwart, anstatt auf deine Vergangenheit.“ Irritiert sah die Brünette zur Älteren. Wie meinte sie das denn jetzt? „Vielleicht spaziert da gerade deine Zukunft herein.“ Mimi drehte ihren Kopf und entdeckte Ethan, wie er das Cafe betrat. „Hi Mädels, ist noch ein Platz frei?“, fragte der Braunhaarige grinsend nach. „Klar, du kannst meinen haben“, bot Nicole an und stand von ihrem Stuhl auf. „Aber Nicole!“ „Was? Ich bin jetzt eh noch mit Logan verabredet, also bis dann.“ Sie hob ihre Hand und verließ das Cafe. Ethan nahm den Stuhl von Nicole in Anspruch und setzte sich gegenüber von Mimi. „Ist alles in Ordnung? Du siehst irgendwie so blass aus“, stellte er fest und musterte die Jüngere argwöhnisch. „Ja oder nein, ich… es geht mir nicht so besonders“, gab die Brünette schließlich zu. „Dann sollten wir von hier verschwinden und etwas anderes machen.“ „Ähm… und was schwebt dir da so vor?“ Ethan grinste breit und wackelte wie wild mit seinen Augenbrauen. „Vertrau mir.“ Wenn das so einfach wäre. – Eine Stunde später kamen sie in einem Kletterpark an. „Das ist nicht dein Ernst. Ich soll klettern. Ich?“ Jetzt hatte Ethan wohl vollkommen den Verstand verloren. „Schon mal gemacht?“ „Nein, aber...“ „Na siehst du… Es ist gar nicht so schwierig und keine Sorge, ich sichere dich schon. Dir kann nichts passieren. Versprochen.“ Mimi rollte mit ihren Augen „Wenn es sein muss.“ Ethan war ganz offensichtlich in seinem Leben nicht zum ersten Mal klettern und spielte mit den Verschlüssen von Mimis Schnürung. „Dieser Gurt sitzt fest. Hier kannst du dich lösen und na ja...“ Ethan klopfte auf die Kletterwand. „Hier kletterst du. Das ist die Anfängerwand und die Griffe kannst selbst du erreichen.“ „Du meinst wohl eher Kinderwand.“ Mimi ging näher an die Wand heran, festigte ihren Griff um einen Kletterstein und zog sich hoch. Sie schaffte es, die ersten Hürden zu nehmen, wenn auch langsam. Ethan sicherte sie die ganze Zeit ab und schließlich kam Mimi ganz oben an. „Und war doch gar nicht so schwer, oder?“, rief er zu ihr hinauf. Mimi schüttelte ihren Kopf, musste aber dennoch schmunzeln. „Nein, aber das war ja auch die Kinderwand“, rief die Brünette von oben herunter. „Anfängerwand, das ist etwas anderes“, erwiderte Ethan und streckte einen Daumen nach oben. „Na gut du Profi, dann bist du jetzt dran.“ „Du musst erst mal wieder runter kommen oder willst du da oben bleiben und Wurzeln schlagen?“ „Nein, habe ich nicht vor. Was muss ich machen?“ „Na du lässt dich einfach fallen!“ Der Jüngeren fiel augenblicklich alles aus dem Gesicht. War das jetzt sein ernst? „Nein, ernsthaft. Wie komme ich herunter? Soll ich klettern?“ „Kannst du auch oder du stößt dich einfach mit deinen Beinen von der Wand ab. Dreh dich vorsichtig um und los.“ Die Brünette wusste nicht was sie machen sollte, aber da sie schlecht ewig da oben bleiben konnte, hörte sie auf Ethan, drehte sich herum und hielt sich krampfhaft an oberen Teil der Kletterwand fest. „Lass einfach los, Mimi. Ich halte dich, dir kann nichts passieren. Vertrau mir.“ Mimi biss auf die Unterlippe, aber sie traute sich einfach nicht loszulassen. Egal wie viel Mut sie sich auch zusprach, egal wie sehr sie Ethan auch vertrauen wollte, sie konnte es nicht. „Ich kletter runter“, murmelte sie schließlich. Mimi sah nach unten. Warum kam ihr das auf einmal nur so verdammt hoch vor? Von wegen Anfängerwand. Behutsam suchte sie mit ihren Füßen Halt an den Griffen, während sie mit ihren Händen zusätzlich Halt an den Klettersteinen suchte. Sie war fast bei der Hälfte angekommen, als sie mit dem rechten Fuß abrutschte und einen lauten Schrei losließ. „Ahh… Hilfe.“ Mimi schloss ihre Augen, versuchte aber dennoch mit ihren Händen wieder Halt an der Wand zu suchen. Sie wusste gar nicht wie, aber plötzlich spürte sie wieder Boden unter ihren Füßen. Es war nichts passiert. Vorsichtig drehte Ethan die Jüngere um. „Na siehst du, dass...“ „Du Idiot“, schimpfte sie und stieß ihn weg. „Willst du mich vielleicht umbringen?“ Ethan atmete einmal ruhig ein und aus und lächelte Mimi dann wieder an. „Mimi, bitte glaube mir. Du warst zu keiner Zeit in Gefahr, ich habe dich doch gesichert!“ „Toll. Ich will nach Hause. Sofort!“ Mimi zog ihren Schutzgurt aus und ließ ihn an Ort und Stelle liegen. Sie marschierte zum Empfang, knallte die Schuhe auf den Tresen und stürmte hinaus. „Ach Mimi, was ist nur bei dir vorgefallen, dass du keiner Menschenseele vertrauen kannst?“, murmelte Ethan betrübt und hob ihren Gurt auf. 07.11.2011 Mimi befand sich in demselben Cafe, in dem sie letzte Woche mit Nicole gesessen hatte. Dieses war mittlerweile ihr Zufluchtsort geworden. Sie bearbeitete gerade ein Teil ihres Referates und kam ganz gut voran, als sie eine Nachricht auf ihrem Handy bekam. Noch immer zuckte die Brünette zusammen, wenn ihr Handy vibrierte oder klingelte. Sie holte einmal tief Luft und zog es dann aus ihrer Handtasche hervor. Sie entsperrte es, erkannte eine SMS von Yamato und lächelte leicht. Sie wusste, dass er bald in der Stadt war und dass Knife of Day ein Konzert hier in der Nähe spielen würden und tatsächlich lud er sie zu diesem Konzert, zusammen mit Nicole ein. Hallo Mimi, wir spielen in zwei Tagen im Edge Factory. Karten liegen für dich und Nicole beim Schalter F. Wir sehen uns. Matt.< Ja, ein Mann der vielen Worte war der blonde Musiker noch nie, aber sie freute sich ihren Kumpel mal wieder zu sehen. Wie wohl das Aufeinandertreffen zwischen ihr und Kisho ablaufen würde? Sie hoffte, dass er das Ganze rund um ihren Abschlussball hinter sich gelassen hatte und er keine neuen Avancen starten würde. Momentan hatte sie wirklich genug mit Ethan zu tun. Er entschuldigte sich täglich bei ihr für den misslungenen Tag im Kletterpark, obwohl Mimi selber wusste, dass sie übertrieben hatte. Er akzeptierte, dass sie nur Freundschaft von ihm wollte und ihm mehr nicht geben konnte, aber dennoch flirtete er bei jeder Gelegenheit mit ihr und an manchen Tagen gefiel es der Brünetten viel zu gut. Dabei wollte sie sich doch auf niemanden mehr einlassen. Ihr Herz war noch lange nicht geheilt, noch viel zu sehr hatte ER es in seinem Besitz. Ethan wäre nicht mehr als ein Lückenbüßer und das hatte er einfach nicht verdient. Ethan war ein wirklich netter Typ. Nachdem sie für heute beschlossen hatte, nicht weiter an dem Referat zu arbeiten, schaltete sie ihren Laptop aus, steckte ihn zurück in ihre Laptoptasche, schulterte diese und verließ das Cafe. Vor dem Uni Campus blieb sie eine Zeitlang stehen und wusste zunächst nicht, ob sie gleich auf ihr Zimmer sollte oder nicht, aber schließlich entschied sich doch nach oben zu gehen. Vielleicht hatte sie ja Glück und ihre Mitbewohnerin war nicht da. Sie verstanden sich zwar mittlerweile besser wie am Anfang, aber als Freundin würde sie sie noch lange nicht betiteln. Sie öffnete ihre Zimmertüre und natürlich saß Grace auf ihrem Bett und blätterte durch ein paar Fashionzeitschriften. Immerhin kein Männerbesuch, das war schon mal gut. Mimi sah auf ihr Bett, dort lag ein Päkchen. Irritiert ging sie darauf zu und hob es an. „Grace, wo kommt das Paket her?“, fragte die Jüngere bei ihrer Mitbewohnerin nach. Grace zuckte mit ihren Schultern, fischte ein paar Gummibärchen aus ihrer Türe und aß ungeniert weiter. Genervt rollte die Brünette mit ihren Augen und untersuchte das Paket. Kein Absender, irgendwie gefiel das der junge Frau gar nicht. Vorsichtig löste sie das Paketband und öffnete es. Schlauer war sie immer noch nicht. Es lag eine Tafel ihrer Lieblingsschokolade in dem Paket, ein kleiner weißer Teddybär, mit einem kitschigen Schriftzug. Woher kannte sie den nur? Sie kam einfach nicht darauf. Stirnrunzelnd drehte sie ein flauschiges Kissen herum, als es ihr blitzartig einfiel. Panisch warf sie das Paket samt Kissen auf dem Boden und begann zu zittern. „Grace, wo kommt das Paket her?“, schrie sie auf und sah ihre Mitbewohnerin wütend an. „Boah Mimi, ich weiß es nicht. Es lag vor der Türe, als ich eben kam und daher habe ich es auf dein Bett gelegt“, erwiderte Grace zynisch und drehte sich herum. Schwer atmend sah die Jüngere auf den Fußboden, wo das Paket lag. Sie schnappte sich ihre Handtasche und verließ fluchtartig das Zimmer. Sie klopfte wie wild an Nicoles Zimmertüre, als diese sie schließlich öffnete. Die Rothaarige war gerade am telefonieren und kicherte verträumt. Logan, immer hatte sie dieses Lächeln, wenn sie mit dem Blonden telefonierte. Nicole sah zu ihrer Zimmertüre und sah Mimis entsetzten Gesichtsausdruck. „Logan, wir sehen uns später. Mimi ist hier und sie braucht mich.“ Nicole legte auf und warf ihr Handy auf ihr Bett. „Mimi, was ist mit dir passiert?“, fragte sie besorgt nach und ging näher auf die Kleinere zu. „Ich… Er… Paket“, haspelte die Jüngere und konnte keinen klaren Satz bilden. „Beruhige dich Süße, komme erst mal rein und erzähl mir ganz in Ruhe was passiert ist.“ 10.11.2011 Heute war das Konzert von Knife of Day und Mimi und Nicole besuchten dieses, und das obwohl Nicole eigentlich genug von Rockmusik hatte, aber sie wollte Mimi auch nicht alleine auf das Konzert schicken und Ethan wollte sie nicht fragen. Nach knapp eineinhalb Stunden war das Konzert beendet. Sie verließen die Halle und wurde von einem Bodyguard hinter die Bühne gelassen, nachdem sie ihre VIP Karten hervor geholt hatten. „Kommst du nicht?“, fragte Mimi bei Nicole nach. Die Rothaarige schüttelte ihren Kopf. „Ich warte draußen. Jetzt wo es mit mir und Logan so gut läuft, möchte ich nicht meinen… na ja… Ex… Sex-Partner über den Weg laufen. Ist alles eh peinlich genug.“ „Okay, ich beeile mich.“ Mimi verschwand hinter der Bühne, während Nicole sich umdrehte und langsam die Konzerthalle verließ. Die Brünette suchte hinter der Bühne nach ihrem blonden Freund, als sie seine Stimme hörte, Matt unterhielt sich gerade mit… ausgerechnet mit Kisho. „Ich warte hier auf Mimi. Sie müsste gleich hier sein“, sagte Yamato, während er sich eine Flasche Wasser nahm und sie fast leer trank. „Mimi?“, fragte Kisho grinsend nach. „Kisho, vergiss es bitte einfach.“ Der Grünhaarige zuckte mit seinen Schultern, drehte sich, erkannte die junge Japanerin und setzte sich langsam in Bewegung. „Ein Versuch ist es immer wieder wert“, lächelte er, als er die Brünette kurz sah. Mimi blieb einen Moment unsicher stehen. „Hi Mimi, Matt wartet da drüben auf dich. Schön dich zu sehen und cool, dass du immer noch vorbei kommst und unsere Konzerte besuchst.“ Der Gitarrist grinste immer noch, als er an Mimi vorbei ging, sie dabei unverhohlen musterte und den Weg zu Matt frei machte. Irritiert sah die Brünette dem Gitarristen nach, ehe sie sich Matt zuwand, ihn kurz umarmte und dann verlegen lächelte. „Sag mal ist irgendwas zwischen dir und Kisho vorgefallen?“, fragte der Sänger nach. Ertappt riss die Brünette die Augen auf. „Du meinst, außer dass ausgerechnet er die Begleitung meines Abschlussballs war, nein.“ Yamato konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Dir ist schon klar, dass Kisho am Tag danach mit dem Kuss hausieren gegangen ist. Er hat regelrecht damit angegeben.“ Die Brünette rollte mit den Augen und konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. „Warum war mir das nur klar? Aber es war nur ein Kuss, mehr nicht und es war, einfach blöd“ murmelte die Jüngere betrübt. „Hey, mir ist es echt egal, wen du alles küsst“, scherzte Yamato unbeeindruckt und grinste. „Was soll das denn bitte heißen“, fragte Mimi ernst nach, die den Witz nicht verstand. „Nichts, einfach so.“ Der Blonde stellte die leere Wasserflasche auf einen Tisch ab und lehnte sich an die Wand an. „Hey, ihr Männer seid doch die, die eure Münder nicht im Griff haben und von anderen Körperteilen will ich gar nicht erst anfangen“, zischte Mimi. Es war klar, dass sie damit nicht Yamato meinte, sondern Taichi, aber auch der Musiker hatte so seine Probleme mit dem weiblichen Geschlecht, weshalb auch er sich leicht angegriffen fühlte. „Was? Ihr Frauen könnt euch doch ganz schnell wieder blindlings dem nächstbesten Typen an den Hals werfen, das ist okay?!“ „Moment. Du weißt von Akuma?“ Mit einem Mal war die Jüngere wieder ganz ruhig und legte mitfühlend eine Hand auf seiner Schulter auf. „Ja, habe den tollen Modefuzie auf Tais Geburtstag kennengelernt.“ „Du… du hast Tai an seinem Geburtstag gesehen?“ „Ähm… Ja, wir hatten ein paar Tage frei und die habe ich genutzt und na ja, wir haben gefeiert und später kam Sora mit Akuma und so habe ich ihren neuen Freund kennengelernt“, erwiderte Yamato. Mimis trauriges Gesicht war kaum zu übersehen oder zu ignorieren. „Und… und… ähm waren alle anderen auch da?“ „Nein, eigentlich waren nur Tai und ich in dem Club. Na ja und später kam Sora eher spontan mit Akuma vorbei.“ „Tut mir leid für dich, also ich meine mit Sora und Akuma. Ich wusste es schon etwas länger, aber ich wollte dir...“ „Ist schon okay, Sora und ich wir sind nicht mehr zusammen und sie geht wohl ihren Weg.“ Yamato tat es ab, tat als würde es ihn nicht weiter beschäftigen, aber es nahm ihn immer noch sehr mit, das sah Mimi gleich. „Trotzdem, ist es doch irgendwie blöd. Hat, also hat Tai eine neue… du weißt schon… Freundin?“ Eigentlich wollte Mimi nicht nachfragen, aber nachdem sie wegen ihrer E-Mail nichts gehört hatte, konnte sie ja nur von dem Schlimmsten ausgehen und Yamato würde sie sicher nicht belügen. „Nein.“ „Ah… okay. Wie geht es ihm denn so? Hat er irgendetwas erzählt? Über mich vielleicht?“ „Soweit, alles gut und ich will nur ungern mit dir über Tai reden. Verstehe das bitte nicht falsch, aber ich... Er… Er hat nichts von dir erzählt und… ich lass mich nicht gerne über meinen besten Freund aushorchen“, erwiderte Yamato und bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Er hätte ihr zwar gerne etwas anderes ausgerichtet, aber Taichi hatte den Blonden darum gebeten, in Mimis Gegenwart nicht zu sagen, was er ihm erzählt hatte und daran würde der Musiker sich auch halten. „Okay, was habe ich auch erwartet? Tut mit leid“, murmelte Mimi niedergeschlagen. So hart es auch war, sie wusste ja, dass sie nichts mehr zu erwarten hatte, dennoch war sie unfassbar enttäuscht. Nicht mal liebe Grüße konnte er ihr ausrichten, das war wohl ihre Antwort. „Das Konzert war übrigens wirklich toll“, versuchte die Jüngere das Thema zu wechseln und blinzelte die Tränen weg. Sie wollte nicht mehr über ihren Ex-Freund nachdenken und darüber, dass er schon lange nicht mehr an sie dachte. „Danke, wo ist eigentlich Nicole?“ Erst jetzt bemerkte der Blonde, dass ihre Freundin nicht bei ihr war. „Sie wartet draußen auf mich. Sie telefoniert wahrscheinlich in der Zwischenzeit mit ihrem neuen Freund“, schmunzelte die Taichikawa. „Okay, wirst du dieses Jahr nochmal nach Japan reisen? Weihnachten oder Silvester?“ Die Jüngere schüttelte ihren Kopf. „Nein, meine Oma kommt über die Feiertage zu uns nach Hause und bleibt zwei Wochen.“ „Okay, wir sehen uns Mimi, lass den Kopf nicht hängen.“ Ermutigend lächelte Matt sie an, während Mimi versuchte tapfer zu nicken. „Du auch nicht und danke nochmal für die Karten.“ 23.11.2011 Morgen war in Amerika ein ganz besonderer Tag, Thanksgiving! Aus diesem Grund waren Mimi und Nicole wieder zurück nach New York gereist. Sie kamen schon am Vortag an, da die Vorbereitungen immer sehr hektisch waren. Am nächsten Tag wollte sie mit ihren Eltern die Thanksgiving Parade gucken und schließlich abends ein unfassbares Menü essen. Die Brünette musste zugeben, dass das für sie der schönsten Feiertage in Amerika war. Aber heute hatte sie noch etwas wichtiges zu erledigen. Sie musste noch zwei besondere Orte besuchen. Mimi hatte keine Lust mehr, sich wie ein Opfer zu fühlen. Sie war stärker als das und sie würde sich jetzt von niemanden mehr einschüchtern oder unter Druck setzen lassen. Die letzten 18 Monate hatten die Brünette stärker gemacht. Sie hat viel durchgemacht und musste zuviel leiden, um sich jetzt wo es ihr wieder besser ging, sich brechen zu lassen. Mimi kam an einem kleinen Waldstück an. Sie ging immer den gleiche Weg, diesen Weg ist sie auch schon oft mit ihren Eltern entlanggelaufen, daher kannte sie sich hier sehr gut aus. Die Brünette kam an einer alten großen Eiche zum stehen und betrachtete den schönen Baum. Noch ein paar orangene Blätter hingen an den Ästen, aber die meisten hatten schon ihren Tribut gezollt. Der Winter stand kurz bevor und bald wäre kein einziger Blatt mehr an dem Baum zu sehen. Sie wickelte ihren hellblauen Schal nochmal um ihren Hals und hockte sich vor ein kleines holzfarbenes Kreuz. Es stand nichts drauf, kein Name, keine Daten, es war nur ein Kreuz. Aber es war ein wichtiges Kreuz, dieses Kreuz hatte sie dort aufgestellt. Vor 17 Monaten war sie mit Nicole hier gewesen und hat für ihr Sternenkind eine kleine Gedenkstelle gebaut. Für Mimi war es damals wahnsinnig wichtig gewesen, Abschied zu nehmen, aber das war schwer, weil man für Sternenkinder in der Regel keine Beerdigungen machte. Von Nicoles Mutter hatte sie einen kleinen Blumenstrauß mitbekommen, den sie dekorativ daneben legte. Sie wusste, dass sie das nicht musste, weil hier ja eigentlich gar nichts war, aber sie wollte auch nicht mit leeren Händen kommen. Mimi hatte sich damals zwar vorgenommen, immer mal wieder vorbei zu kommen, aber seit damals war sie nicht mehr hierher gekommen, umso wichtiger war es für sie, dass sie heute, einen Tag vor Thanksgiving, noch einmal hier war. Sie strich mit ihrer Hand das Kreuz entlang und begann zu reden. „Ich weiß, es ist lange her, dass ich hier war. Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht früher gekommen bin. Denk bitte nicht, ich habe dich vergessen, das könnte ich nie.“ Mimi stockte, es viel ihr schwer, diese Worte zu sagen. „Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen, weil ich… Ich konnte dich nicht beschützen und es tut mir so leid.“ Ein paar Tränen sammelten sich in ihren Augen, die sie zügig wegwischte. „Du sollst wissen, dass ich sehr gerne deine Mami geworden wäre und ich hoffe, dass da wo du jetzt bist, dass es dir gut geht...“ Die junge Frau brauchte noch mal einen Moment der Pause, ehe sie weiter redete. „Ich werde dich niemals vergessen, auch wenn ich nicht so oft vorbei komme. Du wirst immer in meinem Herzen sein.“ Mimi blieb noch eine ganze Weile sitzen, starrte in die Ferne und hing einfach nur ihren Gedanken nach. Irgendwann raffte sie sich auf. Sie hatte noch etwas zu erledigen, ehe sie alles geschafft hatte. Mit mulmigen Gefühl im Bauch, stand sie vor diesem riesengroßen Anwesen. Eigentlich hätte sie umkehren und gehen sollen, aber sie wollte das. Sie musste es jetzt tun. Sie atmete tief ein und aus, straffte ihre Schultern und versuchte ihr Selbstbewusstsein zu pushen. Sie ging geradewegs auf die Klingel zu und klingelte Sturm. Eine Hausdame öffnete die Türe und als sie Mimi erkannte, erfror ihr Lächeln zu Eis. „Ms Tachikawa, was führt sie denn hierher?“ „Ist Nick da?“ „Ähm… ich glaube nicht, dass...“ „Sie brauchen gar nichts zu glauben, sagen Sie dass ich hier bin und er kommen soll. Sofort.“ Mimi wusste im Moment selber nicht, wo sie diese starke und sichere Stimme her nahm, die nicht einmal brüchig wurde, aber dafür war sie in diesem Augenblick dankbar. Die Hausdame schloss die Haustüre wieder und war von draußen nicht mehr zu erkennen. Mimi hatte in der anderen Hand ein Päkchen, was sie mit zittrigen Fingern festhielt. Als sie ein paar Schatten auf dem Flur erkannte, spannte sich ihr ganzer Körper noch mehr an. Tat sie hier wirklich das richtige? Mimi hatte nicht mehr viel Zeit darüber nachzudenken, da öffnete sich die Türe und Nick stand ihr gegenüber. „Mimi, was führt mich denn zu der Ehre? Ich dachte, du willst...“ „Halt deinen Mund!“, zischte sie drauf los, ließ den Blonden nicht ausreden und knallte ein kleines Paket vor seine Füße. „Was soll das? Warum schickst du mir diesen sinnlosen Müll zu? Woher weißt du, wo ich studiere? Du hast dich nicht mehr bei mir zu melden. Wenn du denkst, du könntest wieder da weitermachen, wo du Anfang des Jahres aufgehört hast, dann hast du dich gewaltig...“ „Meine Güte, kannst du auch mal Luft beim reden holen?“ unterbrach dieses Mal der Blonde seine Ex-Freundin ein wenig schroff. „Du sollst mich in Ruhe lassen, für immer. Geht das in dein Kopf rein? Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Sonst gehe ich sofort zur Polizei. Ich meine das Ernst!“ „Man Mimi, damit wollte ich mich ganz ehrlich bei dir entschuldigen“, erwiderte Nick und hielt ihrem Blick stand. „Mir ist mittlerweile klar geworden, dass alles, wirklich alles scheiße war und es tut mir aufrichtig leid und ich wollte dich um Verzeihung bitten!“ Jetzt war die Brünette augenblicklich sprachlos. „Ähm… wie bitte?“ Nick räusperte sich, ging einen Schritt vor und schloss die Türe hinter sich. „Du warst mit Abstand das Beste, was ich je in meinem Leben erfahren habe und es ist mir eben erst jetzt klar geworden. Ich weiß, dass meine Entschuldigung zu spät kommt und ich das wahrscheinlich gar nicht fragen soll, aber ich hoffe wirklich, dass du mir eines Tages verzeihen kannst.“ Die Brünette schluckte einen Kloß im Hals runter. Sie wusste nicht, ob das wieder ein schlechter Scherz von dem Blonden war oder ob er das ernst meinte, aber es spielte für sie ohnehin keine Rolle mehr. „Ich hatte das nicht verdient“, nuschelte Mimi leise. „Weder deine Wuteskapaden, noch deine Ausraster!“ „Ich weiß...“ „Nein, du weißt gar nichts! Lange habe ich mir das eingebildet, dass es meine Schuld war, aber es war nie meine Schuld. Du trägst die Schuld. Du alleine. Ich hatte es nicht verdient, dass du mich schlägst und ich unser Kind verliere, ich hatte es nicht verdient mit diesem Verlust klar zu kommen. Ich hatte es auch nicht verdient, dass du mir auflauerst, mich stalkst und du mir mein Leben zur Hölle machst. All das hatte ich nicht verdient. Aber weißt du was? Ich bin drüber weg. Ich habe mit diesem Kapitel in meinem Leben abgeschlossen und deshalb will ich so etwas“, Mimi trat nach dem Paket am Boden, „auch nie wieder vorfinden. Wenn es dir wirklich leid tut, hältst du dich in Zukunft daran.“ Die Brünette drehte sich herum und ging die Stufen runter. Sie drehte ihren Kopf etwas und sah zu Nick, der seinen Blick schuldbewusst auf den Boden richtete. „Ich verzeihe dir.“ Nick hob seinen Kopf und sah sie irritiert an. „Obwohl ich deinetwegen soviel Schmerzen verspürt habe, hast du mir nicht den schlimmsten von allen zugeführt. Ich will nicht mein Leben lang Groll gegen dich hegen, so wichtig bist du nicht und deshalb verzeihe ich dir. Ich will dich nur nie wieder sehen oder hören. Leb wohl.“ Mit diesen Worten drehte sich die Brünette ein letztes Mal um und hoffte, dass es wirklich das letzte Mal war, dass sie Nick gesehen hatte. Jetzt konnte Thanksgiving kommen und sie hatte wirklich etwas, wofür sie dankbar sein konnte. Hosted by Animexx e.V. 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