Follow your Heart von Linchen-86 ================================================================================ Kapitel 23: Ein Hoffnungsschimmer --------------------------------- 08.12.2010 „weil Papa letzte Nacht verstorben ist...“ Als dieser Satz seiner Schwester ihn erreichte, stand die Welt des jungen Mannes still. Taichi konnte es einfach nicht fassen. Sein Vater war gestorben, er war weg und er würde auch nicht wieder kommen. Nie wieder. Alles was danach geschah, daran erinnerte sich der Braunhaarige kaum noch. Sein Hand verkrampfte sich und bildete eine Faust die er versuchte unter Kontrolle zu bringen. Warum? Warum musste Susumo jetzt sterben? Jetzt, wo er endlich bereit gewesen war zu ihm zu fahren? Jetzt, wo er sich endlich überwinden konnte? Hätte er nicht noch etwas warten können, einen Tag zumindest? War das zuviel verlangt? Wollte ihn das Universum bestrafen, weil er nicht gleich mitgefahren war? Taichi lag in seinem Bett, öffnete beschwerlich seine Augen, sein Kopf dröhnte, er wusste nicht mal wie er dorthin gekommen war. Er setzte sich mühsam auf und sah sich um. Sein Zimmer sah wüst aus, Gegenstände die heruntergefallen waren und die verstreut herum lagen. Mehrere verbrauchte Flaschen auf dem Fußboden, sogar Zigaretten sah er. Warum wusste er nicht. Er hatte scheinbar in seinem Zimmer geraucht! Das hatte er doch noch nie getan. Mühsam schlug er die Decke, die ihn nur zur Hälfte bedeckte, zur Seite. Er trug noch immer seine Jeanshose, die er am Tag zuvor anhatte, aber was war überhaupt geschehen? Und wie kam er in sein Zimmer? Er stöhnte leicht auf, als er stand und versuchte ein paar Schritte zu gehen. Sein Schädel dröhnte und es kam ihm vor, als würde er jeden Moment explodieren. Einen kurzen Moment hoffe er es sogar. Er drückte die Türklinke hinunter und verließ sein Zimmer. Das war besser, hier war die Luft frischer und das Licht heller. Im Flur angekommen hielt er inne, er hörte eine weitere Person leicht schnarchen. Ach, du scheiße wer war denn bitte noch hier? Es konnten unmöglich seine Mutter oder seine Schwester sein. Hoffentlich hatte er nichts dummes angestellt... Er versuchte sich krampfhaft zu erinnern, was nach dem Telefonat geschehen war. Doch egal wie sehr er sich bemühte, er erinnerte sich nicht. Vorsichtig schritt er auf die Couch zu und beugte sich über die Sofalehne. Erleichtert atmete er aus, als er seinen rothaarigen Freund Koushiro erkannte. „Oh Gott, zum Glück“, seufzte er, ließ sich auf einem Sessel nieder und beobachtete eine Zeitlang den Computerfreak. Warum war Izzy hier? Wieso erinnerte er sich denn nicht? Ob Koushiro ihm Antworten geben konnte? Zumindest konnte er erklären, warum er hier war. Er wollte ihn wohl nicht alleine lassen. Koushiro räusperte sich und schlug die Augenlider angestrengt auf. Er blickte sich um und schien zu überlegen wo er war. „Hey“, murmelte Tai. Der Jüngere drehte seinen Kopf und sah kurz überrascht zu ihm, doch dann wirkte er gleich besorgt. „Wie geht es dir?“, fragte er ruhig nach. Taichi sah seinen Freund überrascht an. Wusste er etwa bescheid? „Ähm... keine Ahnung, was ist passiert?“, fragte er nach. Koushiro setzt sich aufrecht hin und schenkte dem Älteren einen undefinierbarem Blick. „Vielleicht sollten wir erst mal was essen und du solltest auf jeden Fall erst mal duschen. Du siehst schlecht aus...“ „Danke“, murmelte dieser und bemühte sich wieder aufzustehen. Schwankend ging er in die Küche, nahm sich eine Kopfschmerztablette und schluckte diese mit etwas Wasser herunter. „Brauchst du auch eine?“, fragte er den Jüngeren, doch der Rothaarige schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“ Nachdem Taichi aus der Dusche gekommen war, hatte der Computerfreakt die Zeit genutzt und den Tisch gedeckt. „Na ja, viel Auswahl habt ihr nicht, aber es sollte reichen“, entschuldigte er sich bei dem Älteren. „Ja, ich hab nicht mehr eingekauft...“, murmelte Tai entschuldigend. „Sag mir bitte was passiert ist, ich erinnere mich an gar nichts mehr...“ Koushiro und Taichi setzten sich an den Tisch und kauten an der Toastscheibe herum. „Ich war gestern zufällig am Bahnhof. Dieses Wochenende war ich auf einem Computerkurs und wollte gerade nach Hause als ich dich gesehen habe...“, fing er an zu erklären. „Ich bin dann zu dir und wollte kurz Hallo sagen, doch du standest einfach nur da und hast überhaupt keine Regung gezeigt.“ Tai versuchte daran zu denken, was nachdem Telefonat war, konnte er sich daran erinnern, dass er auf den Jüngeren getroffen war? Irgendwie nicht. Warum? Er konnte doch an diesem Punkt noch nichts getrunken haben. „Ich habe ein paar Mal deinen Namen gesagt, doch es tat sich nichts. Ich hatte mir echt Sorgen gemacht. Ich habe gesehen, dass dein Handy auf dem Bodem lag, es aufgehoben und dann kam erst wieder eine Regung zu stande...“, erinnerte sich Koushiro zurück. „Und was ist dann passiert?“, fragte Taichi nach. Ganz langsam kamen ein paar Bruchstücke zurück und er wollte sich weiter erinnern. „Ich fange nochmal ganz vor vorne an, okay?“ Der Braunhaarige nickte und hörte gespannt zu, was Koushiro zu erzählen hatte. „Taichi, Tai? Was ist denn nur los?“, fragte der Rothaarige immer wieder nach, doch es tat sich nichts. Er ließ seine Umhängetasche, in der unter anderem auch sein Laptop war, auf dem Boden liegen und berührte den Braunhaarigen an der Schuter. Was war nur mit dem Älteren geschehen, dass er hier so reglos herumstand? Das passte doch überhaupt nicht zu ihm. Es musste irgendwas schlimmes passiert sein, da war sich Koushiro sicher. Auf einmal spürte der Ältere eine Reaktion an seiner Schulter und er musterte irritiert seinen jüngeren Freund. „Izzy?“, fragte er dennoch ungläubig nach, da er nicht mehr wusste, ob alles ein Traum oder die Realität war, es war alles so verschwommen. Nur langsam kam er zu sich, es war als wäre er in Trance und erwachte langsam aus einer Art Hyptnose. „Tai, was ist los mit dir? Ist was passiert? Geht es dir nicht gut?“, erkundigte sich der Rothaarige besorgt. „Mein Vater ist tot, ich war gerade auf dem Weg dahin, als Kari anrief...“, erklärte er mühsam und schluchzte. „Ohh... Tai, das tut mir wirklich leid. Kann ich etwas für dich tun?“, fragte er nach. Tai schüttelte den Kopf. „Passt schon“, erwiderte er und drehte sich um um in eine unbekannte Richtung zu gehen. „Warte Tai!“ Koushiro wollte seinen älteren Freund in diesem Zustand nicht alleine lassen. Er überlegt jemanden anzurufen, aber wen? Wer konnte ihm jetzt helfen? Matt war nicht erreichbar, Mimi zu weit weg, selbst Sora war gerade nicht in der Stadt. Kari und Takeru in Aoshima. Nein, er konnte Taichi jetzt unmöglich alleine lassen, wusste er doch wie emotional der Ältere werden konnte und dass er nicht immer Herr seiner Sinne war, gerade in Ausnahmesituationen. Koushiro schulterte seine Umhängetasche und lief dem Brünetten hinterher. Als er Tai eingeholt hatte hielt er ihn zurück und versuchte ihn in eine andere Richtung zu ziehen. Tai wollte an diesem Tag alles aber nicht nach Hause. So lief er stumm und ohne ein weiteres Wort zu verlieren in die erste Bar und bestellte sich etwas zu trinken und hörte schlichtweg nicht auf. Koushiro konnte ihn nicht aufhalten und folgte ihm daher einfach. „Na ja und irgendwann konntest du dich gar nicht mehr auf den Beinen halten. Ich habe ein Taxi bestellt und der Taxifahrer hat mir geholfen dich in den Wagen zu hieven, denn du bist nicht gerade leicht...“, führte Koushiro alle Ereignisse des Tages zusammen. „Irgendwie hab ich dich noch mit aller Mühe ins Zimmer bekommen und dann bist du auch gleich eingeschlafen. Ich war mir nicht sicher, ob ich dich in dem Zustand alleine lassen konnte und daher hab ich mich dann einfach auf das Sofa gelegt, ich hoffe das war okay?“ Sofort hob Tai seinen Blick und sah seinen jüngeren Freund dankbar an. „Natürlich.“ „Und wie geht es dir heute?“, fragte Kouhsiro nach, er war nicht der Beste auf dem Gebiet über Gefühle zu reden oder Gedanken seiner Mitmenschen zu lesen, aber Tai war ein Freund aus Kindheitstagen und er würde schon behaupten, dass er den Yagami ganz gut einschätzen konnte. „Ich weiß es nicht...“, murmelte er ehrlich. „Aber du musst wirklich nicht den ganzen Tag Babysitter spielen, du kannst ruhig nach Hause“, erklärte Tai und trank seinen Kaffee leer. „Ähm...weiß nicht, bist du sicher?“ „Ja, ich werde heute sicher keinen Schluck Alkohol anfassen... Ich bin glaub ich immer noch im Delirium, aber trotzdem danke für alles...“ „Ja, kein Problem. Es macht mir auch wirklich nicht aus noch etwas zu bleiben...“ „Nein, ich glaube ich will jetzt alleine sein...“ Koushiro nickte und nachdem Frühstück verschwand er auch kurz im Badezimmer um sich frisch zu machen. Er schritt heraus und kramte nach seiner Umhängetasche, kontrollierte ob alles drin war und wand sich dann an den Braunhaarigen. „Du kannst dich melden, also wenn was ist...“, murmelte der Rothaarige fast schon ein wenig verlegen. Taichi lächelte „Weiß ich zu schätzen und jetzt geh, du hast schon genug getan.“ Koushiro nickte, schlüpfte in seine Schuhe und Jacke und verließ schließlich die Wohnung der Familie Yagami. Unsicher sah Tai auf die geschlossene Wohnung und ein Gefühl welches er nicht beschreiben konnte, machte sich in seinem Gemüt breit, doch er wollte gerade nicht darüber nachdenken. Er wollte weder denken, noch fühlen. Er wollte einfach... er wusste selber nicht was er wollte. Zunächst einmal wollte er sich ablenken. Er suchte nach seinem Handy, vielleicht hatte Kari sich ja nochmal gemeldet oder seine Mutter. Er ging in seiner Zimmer und fand es unter dem ganzen Kram, doch es war aus. Das Handyakku war leer. Er steckte es ans Ladekabel und wartete einen Moment, bis er es einschaltete. Nach ein paar Minuten piepte sein Handy und er erkannte mehrere Mailboxnachrichten. Er hörte die erste ab und erstarrte, als er eine Sprachnachricht von Mimi hörte. `Tai? Ich bins Mimi, bitte melde dich. Ich mache mir Sorgen.` Die Sorge war deutlich aus ihrer Stimme zu hören, sie hatte geweint. Wusste sie etwa Bescheid? Von wem wurde sie informiert? Oder war vielleicht etwas anderes passiert? Er wählte ihre Nummer, doch das Handy was aus. „Toll..“, murmelte er und legte auf. Dann entschied er sich seine Schwester anzurufen, vielleicht gab es ja etwas neues. „Tai?“ „Hallo Schwesterherz, ich wollte nur mal hören... na ja... alles okay?“, fragte er ruhig nach. „Na ja es geht. Wir versuchen zu veranlassen, das wir ihn mit nach Tokio nehmen können, aber es scheint als ob das nicht möglich wäre“, erklärte sie während immer wieder ein Wimmern über ihre Lippen kam. „Vielleicht könntes du...“, doch die Jüngere brach ab. „Was?“, fragte Tai gleich nach. Er wollte schließlich auch helfen. „Sowie es aussieht ist das bei Mönchen gar nicht so einfach, daher planen wir vielleicht die Zeremonie hier. Es war wohl auch sein Wunsch...“ Wieder brach die Jüngere ab um sich ihren Tränen hinzugeben. „Aber wir haben uns etwas in seinem Haus umgeschaut und die Nummer von seinem Anwalt gefunden. Die Vorwahl stammt aus Tokio...“ „Ich mache das alles... kein Problem“, erklärte er gleich. „Wirklich?“, fragte die Jüngere ein wenig überrascht nach. „Natürlich, ich kontaktiere ihn und treffe mich mit ihm“, erwiderte der Braunhaarige prompt. „Wir haben beschlossen erst mal hier zu bleiben. Eventuell könntest du ja nachkommen, wenn alles erledigt ist?“ „Ja, gib mir einfach die Nummer und ich kläre das zeitnah und buche dann nochmal ein Ticket.“ „Das wäre lieb... Ich schicke dir die Nummer per SMS.“ „Okay, dann bis morgen...“ Taichi beendete das Gespräch und wieder machte sich ein eigenartiges Gefühl in seiner Magengegend breit, welches er selber nicht erklären konnte. Er schüttelte seinen Kopf, er hatte keine Zeit zu überlegen was das für ein Gefühl war. Er wollte jetzt seiner Familie helfen und sie so gut unterstützen wie es nur möglich war, auch wenn er keine Ahnung hatte wie das ging und was er eigentlich machen sollte. Er sah sich in seinem Zimmer um. Das Chaos nervte ihn. Kurzerhand packte er alle Klamotten in die Wäschetrommel. Die Zigaretten entsorgte er und den Aschenbecher spülte er aus. Er rauchte selten und er tat es auch nicht gerne, nur ab und zu, wenn die Stimmung es erlaubte. Die Flaschenreste kippte er aus und stellte das Leergut weg, selbst seine Bettwäsche wechselte er, etwas das er von alleine nie tat. Er lüftete sein Zimmer und staubsaugte sogar noch. Wenigstens sah sein Zimmer wieder normal aus, auch wenn das beklemmende Gefühl in seinem Herzen noch immer nicht nachgelassen hatte. Wieder schlich sich der Gedanke in seinen Kopf, den er nicht länger ingonieren konnte. Sein Vater war wirklich tot. Taichi ging auf den Balkon, sah in den Himmel und dachte an seine Kindheit zurück. An die guten und schlechten Erlebnisse, an all das was ihn geprägt hatte und ihn zudem gemacht hatte, was er heute war. Vieles verdankte er seinem Vater, sowohl das Gute, wie auch das Schlechte. Sein Leidensweg war lang und jetzt war er gegangen. Dass es doch so schnell gehen würde, hätte er nicht erwartet. Hatte sein Vater jetzt seinen Frieden gefunden? War er bereit gewesen das Leben hinter sich zu lassen? Wollte er vielleicht gar nicht mehr mit ihm reden? Immerhin war er selbst dazu bereit gewesen, auch wenn er gar nicht wusste, was er ihm gesagt hätte. Hätte er gewusst was er sagen sollte? Auf einmal klopfte es kräftig gegen die Türe. Er zuckte zusammen. Wer war das denn jetzt? Kam Koushiro wieder zurück oder schlimmer, hatte dieser die Anderen informiert und standen nun versammelt vor der Tür um ihn aufzuheitern? Bitte nicht. Er wollte wirklich niemanden sehen, kein Koushiro, kein Joe und schon gar nicht Davis und Co. Wieder klopfte es, wieso konnten sie ihn nicht alleine lassen? Als er feststellte das es nichts brachte, das Klopfen zu ignorieren, da es immer penetranter wurde, entschied es sich dazu dem ungebetenen Gast gehörig die Meinung zu geigen. Wütend öffnete er die Wohnungstür und erstarrte augenblicklich. „Mimi“, kam es tonlos aus seinem Mund. „Tai...“, wimmerte sie, ließ ihren Koffer los und schmiss sich in Tais Arme. Fassungslos erwiderte er die Umarmung, starrte ungläubig auf ihren Hinterkopf und zog sie näher in seine Arme. Mimi? Sie war wirklich hier. „Es tut mir so leid“, schluchzte sie. Er legte seinen Kopf in ihre Halsbeuge und sog ihren Geruch ein, ihr sinnlicher Duft nach Vanille, mit welchen sie auch ihr Halstuch eingesprüht hatte, der jedoch allmählich verblasste. Er nahm den Geruch einmal mehr in sich auf, damit er sich sicher sein konnte, dass sein Verstand ihm gerade keinen Steich spielte. Mimi war hier, sie war wirklich hier. Sein Herz raste, wie war das nur möglich? „Was machst du denn hier?“, flüsterte er mit schwerer Stimme. „Was für eine Frage, ich könnte gerade nirgendwo anders auf der Welt sein als hier bei dir. Es tut mir so unendlich leid mit deinem Vater“, erwiderte sie mit tränenreicher Stimme. Er zog sie wieder näher zu sich, hielt sich krampfhaft an ihrem Rücken fest während Tränen in seinen Augen brannten, die langsam über seine Wangen liefen. Er konnte es nicht mehr zurückhalten und ließ es einfach geschehen. Das erste Mal ließ er seiner Trauer freien Lauf und fand Trost und Schutz in der Umarmung seiner Freundin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)