Follow your Heart von Linchen-86 ================================================================================ Kapitel 14: Kleine Schritte --------------------------- 01.11.2010 Das Wochenende lag hinter Taichi. Er hatte letzten Samstag in seinen Geburtstag reingefeiert und war am Sonntag noch mit seiner Familie essen gewesen. Gerade stand Tai unter der Dusche, während seine Mutter schon in der Küche stand und für die Familie das Abendessen kochte. Yuuko drehte sich zu ihrem Sohn um, als er umgezogen vom Badezimmer in die Küche kam. Sie legte ihren Kopf leicht schief und lächelte. „Unglaublich, dass du schon 20 Jahre als bist“, gab sie von sich. Tai lächelte, blieb neben ihr stehen und nahm sich eine Tomate, bevor seine Mutter sie verkochen konnte und steckte sich diese in den Mund. „Mama, nicht gleich melancholisch werden.“ „Doch, du bist sicher bald außer Haus. Ich kann gar nicht fassen, wie schnell das passiert ist. Auch wenn du jetzt offiziell als erwachsen giltst, für mich bleibst du mein kleiner Sohn“, sagte sie rührselig und seufzte. „Na ja, klein“, erwiderte er grinsend und sah zu seiner Mutter herunter. Yuuko schlug mit einem Kochlöffel leicht auf seine Handfläche, als er sich ein neues Stück Tomate nehmen wollte. „Ich hab dir nie erlaubt so groß zu werden. Ich weiß gar nicht wann das passiert ist. Für mich fühlt es sich an, wie ein Schlag mit den Wimpern und schwupps, ist mein Kleiner groß geworden.“ Tai lachte amüsiert und schüttelte den Kopf „Aber stimmt schon, die Zeit rast wirklich an einem vorbei.“ Yuuko hörte auf das Gemüse zu zerkleinern, legte das Küchenmesser bei Seite und sah gespannt zu Tai, der den Blick argwöhnisch erwiderte. „Willst du das Geschenk nicht mal aufmachen?“ hakte die Ältere behutsam nach und deutete mit ihrem Kinn auf ein kleines Paket. „Du fängst nicht wirklich schon wieder mit dem Thema an, oder?“ Tai hatte von Susumo ebenfalls ein Geburtstagsgeschenk per Post erhalten. Es war vor zwei Tagen geliefert worden. Yuuko hatte es entgegen genommen, auf den Küchentisch gestellt und seitdem stand es ungeöffnet dort. „Es ist doch nur ein Geschenk. Du wolltest ja nicht mal letzte Woche mit ihm sprechen, als er mit deiner Schwester telefoniert hat.“ „Für mich gibt es auch keinen Grund mit ihm zu reden.“ „Aber Taichi...“ „Mama, warum verteidigst ausgerechnet du ihn? Ich versteh es echt nicht.“ „Na, euretwegen“, entgegnete sie gleich. Tai verschränkte die Arme vor seiner Brust und schüttelte seinen Kopf. „Er hat mir vielleicht mal sehr wehgetan, aber es gab auch viele schöne und glückliche Jahre. Und er hat mir euch geschenkt, alleine deshalb werde ich ihm immer dankbar sein. Abgesehen davon finde ich es nicht gut, wenn du ewig sauer auf deinen Vater bist. Du solltest dich mit ihm aussprechen, wirklich. Taichi, vielleicht kannst du es eines Tages nicht mehr und vielleicht ist „eines Tages“ sehr viel schneller da, als du es dir jetzt vorstellen kannst.“ Yuuko beendete ihre Ansprache, lächelte ihm nochmal kurz zu, nahm das Küchenmesser wieder in die Hand und begann das Gemüse weiter zu würfeln. Der Braunhaarige dachte einen Moment über die Worte seiner Mutter nach. Er fixierte das Paket auf dem Tisch, schüttelte aber dann wieder seinen Kopf. „Ich sag ja nicht, dass er ein schlechter Vater gewesen ist, aber es ändert nichts daran, dass er feige war und uns ohne irgendwelche Informationen zurückgelassen hat. Ich meine, welch ein Vater und Ehemann tut so etwas? Und dann baut er vorher noch ein krummes Ding nach dem Anderen und du und Kari ihr tut so, als hätte das alles überhaupt keinen Gewicht. Ich bin aber nicht bereit, ihm einfach so zu verzeihen und deshalb lohnt sich auch eine Aussprache nicht.“ Tai wollte gerade ansetzen zu gehen, da hielt ihn seine Mutter am Handgelenk auf. „Okay, ich wollte es wenigstens nochmal ansprechen. Denk vielleicht einfach nochmal darüber nach. Ich werde dich sicher zu nichts zwingen“, sprach sie ruhig und ließ ihren Sohn schließlich gehen. Tai nahm widerwillig das Geschenk, das auf dem Küchentisch stand mit in sein Zimmer, dann müsste er wenigstens nicht jedes Mal wieder darüber diskutieren. Tai ging in sein Zimmer, legte das Paket neben den Schreibtisch, sich selbst auf sein Bett und schaltete den Fernseher ein. Er schaute nicht wirklich hin und dachte über das Gespräch mit seiner Mutter nach. Ein Klingeln erhaschte kurz seine Aufmerksamkeit, doch gleich danach grübelte er wieder. Ein Klopfen an seiner Zimmertüre ließ ihn wieder hellhörig werden und er drehte seinen Kopf Richtung Zimmertüre. „Herein“, murmelte er. Die Zimmertüre ging auf und eine aufgelöste Sora stand im Türrahmen. „Sora?“, murmelte er erschrocken und stand von seinem Bett auf und ging auf die Rothaarige zu. „Was ist passiert?“, fragte er gleich nach. Sora hatte gerötete und gequollene Augen, noch immer standen die Tränen in den Augen der Rothaarigen und sie schniefte hemmungslos. „Matt und ich sind nicht mehr zusammen“, gestand sie mit tränenerstickter Stimme. Tais Augen weiteten sich prompt. „Was? Aber warum?“, fragte er ungläubig nach. „Warum wohl? Er ..., es passte einfach nicht mehr. Wir führen ein Leben an dem Anderen vorbei. Wir sind nicht mehr die Hauptfigur im Leben des Andere, wir sind nur noch Statisten. Ich will aber kein Statist mehr sein, der hofft dass seine Rolle bald wieder größer wird. Ich will die Hauptrolle oder zumindest eine andere wichtige Rolle haben, aber ich stehe die ganze Zeit am Bühnenrand und ich kann das einfach nicht.“ Weinend vergrub sich die Rothaarige in Tais Armen, der sprachlos war und gar nicht glaube wollte, dass nach drei Jahren Sora und Matt, es auf einmal kein Sora und Matt mehr geben sollte. Und wie ging es wohl Matt? Er wusste doch wie sehr dieser Sora liebte. Tai packte sie an den Schultern und sah sie traurig an. „Hey, vielleicht renkt sich auch alles wieder ein. Ihr...“ „Nein, glaub ich nicht Tai“, unterbrach Sora ihn gleich wieder. „Ich hab ihn frei gelassen, er soll jetzt einfach seinen Traum leben und zur Zeit passe ich da einfach nicht rein. Das ist meine Form ihn dabei zu unterstützen. Ich glaube ganz fest an ihn und bin sicher, dass er es sogar schaffen wird und er soll nicht meinetwegen zurückschauen.“ Tai konnte immer noch keine passenden Worte finden und wusste nicht recht, wie er sie trösten sollte. Er setzte sich mit seiner besten Freundin auf sein Bett, bereitete einen Pfefferminztee zu und musterte sie besorgt. „Du willst sein eigenes Glück über deines stellen?“, fragte er vorsichtig nach. Sora nickte leicht mit dem Kopf. „Ja, auch wenn es schwer ist und es ist ja auch nicht so, als würde ich ihn nicht mehr lieben. Das macht es ja gerade so schwer für mich, aber für uns sehe ich gerade keinen anderen Weg“, flüsterte sie leise. „Was sagt denn Matt dazu?“, fragte der Braunhaarige ruhig nach und vermutete, dass sein bester Freund am anderen Ende der Welt wohl auch nicht sonderlich glücklich war. „Er sagte, ich solle es mir noch einmal überlegen und dass er nicht will, dass es vorbei ist. Aber ich kann einfach nicht mehr. Ich hab einfach aufgelegt und dann das Handy ausgemacht. Es tut mir ja auch leid, aber was soll ich denn machen?“ Tai zuckte ratlos mit den Schultern. Er wollte seinen besten Freunden irgendwie helfen, musste sich aber eingestehen, dass er nicht wusste, wie er das machen sollte. Eine Fernbeziehung war schwer, das spürte er am eigenen Leid. Es war nicht nur die Entfernung, das Vertrauen, auch die Zeit spielte eine Rolle. Seine Freunde schafften es nicht wirklich sich Zeit zu nehmen, er wusste wie sehr Sora darunter litt, aber auch dass Matt es sicher nicht böse meinte. „Glaubst du, dass es ein Fehler war?“, fragte sie flüsternd nach einiger Zeit nach, aber Tai verstand sie trotzdem. „Das kann ich dir nicht sagen. Wenn du gerade nicht weißt, wo dir der Kopf steht und mit deinen Gefühlen überfordert bist, ist es vielleicht besser so. Wahrscheinlich wird das sowieso nur die Zeit zeigen. Entweder es geht dir durch die Trennung besser oder eben nicht“, murmelte der Yagami. Sora nickte und wischte sich die Tränen weg. „Ich vermisse ihn auf jeden Fall jetzt schon“, erwiderte die Rothaarige traurig. „Das wird auch sicher noch eine Zeitlang so sein.“ Eine Weile blieb Sora noch bei Tai und sie aß sogar abends bei den Yagamis mit. Auch Kari war absolut geschockt, als sie erfuhr, dass sich Sora von Matt getrennt hatte. Danach machte sich Sora auf den Weg nach Hause. Tai wollte am nächsten Tag bei ihr vorbei um nach dem rechten zu sehen. Wieder in seinem Zimmer, dachte er an die Trennung seiner besten Freunde nach. Er zog sein Handy hervor. Er musste jetzt einfach mal versuchen Matt anzurufen, sicher könnte dieser Jemanden zum Reden brauchen. Wusste er doch, dass er selten mit Jemanden über seine Gefühlslage sprach. Er sah auf die Uhr, während es klingelte. Ob er schon wach war? Kurze Zeit später begrüßte ihn eine verschlafene und mürrische Stimme. „Hey“, brummte Matt durch das Telefon. „Selber hey. Hab ich dich geweckt?“, fragte Tai nach. Er hörte ein Schnaufen und lautes Atmen, dann sprach Matt weiter. „Nein, hab die Nacht nicht wirklich geschlafen. Weißt du es?“ „Ja, Sora war bis eben hier, tut mir echt leid für euch. Wie geht es dir?“ „Ich fühle mich wie überfahren. Ich hatte damit wirklich nicht gerechnet, aber sie scheint sich ja sehr abgeklärt und sicher zu sein“, sprach Matt ruhig durch das Mobiltelefon. „Nein, so ist das nicht. Es geht ihr gar nicht gut und sie leidet sehr unter der Trennung“, erwiderte der Braunhaarige energisch. „Warum trennt sie sich dann?“ „Weil sie gerade einfach nicht anders kann.“ Tai hörte die Verzweiflung deutlich aus Matts Stimme heraus und es tat ihm leid, ihm jetzt nicht helfen zu können, aber was sollte er ihm sagen? „Zieh dein Ding jetzt einfach durch Matt. Dafür hast du das alles gemacht, lass es nicht umsonst gewesen sein“, sprach er und hoffte, dass Matt es mit der Zeit wieder besser ging, sowie auch Sora. „Tja, ganz schön hoher Preis, hätte nicht gedacht, dass ich den zahlen muss.“ Tai nickte und fuhr sich mit der freien Hand durch das Gesicht. „Ich weiß, ich hätte selber nicht damit gerechnet. Wie war denn euer spontaner Auftritt? Sora erzählte noch etwas davon?“ Der Braunhaarige wollte seinen besten Freund wenigstens etwas ablenken und hoffte, dass wenn er über Musik sprach, ein wenig positiver klang. „Der Auftritt war wirklich super, wie sind echt gut angekommen und dürfen da auch wieder spielen“, erklärte Matt und tatsächlich klang er nicht mehr ganz so deprimiert. „Das freut mich.“ „Ja, so müssen wir weiter machen und vielleicht schaffen wir noch ein, zwei Auftritte vor Tourbeginn.“ Stimmt, bald war Tourstart, der Grund, warum Matt mit seinen Kollegen nach Amerika gereist war und obwohl Tai sich für ihn freute, zu wissen, dass Mimi dann erst mal alleine sein würde, gefiel ihm ganz und gar nicht. „Ihr schafft das schon, schick mir auf jeden Fall mal ein Demo“, schmunzelte Tai. „Wenn was ist, kannst du anrufen, okay?“, fügte er hinzu. „Ich weiß, du auch.“ Tai beendete nach kuzer Zeit das Telefonat und versuchte selber in den Schlaf zu kommen, auch wenn dies in anbetracht der Geschehnisse schwerer als Gedacht war. – Am nächsten Tag ging Tai nach der Vorlesung zu Sora in den Laden, da er wusste, dass sie bis spät Abends in der Boutique war. Er betrat den Laden und sah gleich Sora, die das Sortiment begutachtete. „Hey.“ Sora drehte sich herum und ließ den Yukata auf einem Bügel an der Kleiderstange hängen. „Du bist aber früh dran“, stellte die Rothaarige fest. „Ja, ich habe mir Sorgen gemacht“, erklärte der Braunhaarige. Sora schmunzelte „Das ist nett, musst du aber nicht. Ich hab hier wirklich gut zu tun. Wir sind schon am schauen, was wir mit nach Kyoto nehmen. Ich habe heute schon mit mehreren Agenturen gesprochen und morgen kommen ein paar Models vorbei, die wir casten“, erklärte die Rothaarige und schien zufrieden mit ihrer Arbeit zu sein. „Morgen?“, fragte Tai nach. „Dann komme ich morgen auch nochmal vorbei“, erklärte Tai grinsend. Sora hob eine Augenbraue hoch und Tai seufzte genervt. „Schon gut, war doch nur ein Scherz“, stellte er klar. „Und jetzt vergräbst du dich in Arbeit? Sicher dass das eine gute Idee ist?“, fragte Tai ein wenig anklagend nach. „Also erstens macht es mir wirklich Spaß und zweitens ist es doch besser, als Trübsal zu blasen. Ich will nicht die ganze Zeit darüber nachdenken und Matt wird sicher das Gleiche tun. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit und mein Studium und gut ist.“ „Dann vergiss aber nicht zu essen“, tadelte Tai seine beste Freundin. „Oh man, du kannst richtig nerven! Ich vergesse das essen schon nicht, Mama“, erklärte sie unbeeindruckt. „Ich meine ja nur, außerdem bist sonst du immer die Mama“, witzelte er. „Stimmt doch gar nicht“, brummte Sora. Tai sah sie vielsagend an und zuckte dann mit den Schultern. „Vielleicht ein bisschen, aber ich passe schon auf mich auf und die Arbeit tut mir wirklich gut. Du musst dir also keine Sorgen machen.“ Tai glaubte Sora zwar immer noch kein Wort, aber er wollte sie auch nicht weiter mit dem Thema nerven. „Anderes Thema, hast du das Paket von deinem Vater geöffnet?“, fragte Sora interessiert nach, doch das Klingeln des Telefons holt sie aus dem Gespräch. „Da muss ich ran“, erklärte sie entschuldigend, lief hinter den Tresen und ging an das Geschäftstelefon. Tai beobachtete Sora eine Weile, hoffentlich vergaß sie wieder, was sie gerade wissen wollte. „Und?“ Er sah wieder zurück zur Rothaarigen, die das Telefonat beendet hatte und ihn wieder interessiert ansah. „Was und?“, stellte Tai sich blöd. „Hast du das Paket von deinem Vater geöffnet oder nicht?“, fragte sie erneut nach. Tai schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich auch? Die Briefe hätte ich besser auch nicht aufgemacht. Außerdem lasse ich mich nicht kaufen“, entgegnete der Braunhaarige. „Als ob sich dein Vater viel leisten könnte.“ Da musste Tai Sora Recht geben, viel besaß sein Vater nicht. Immerhin hatte er in Aoshima selber gesehen wie dieser lebte. Bescheiden, fast schon ärmlich und nur mit dem nötigsten gesegnet. Jetzt fragte er sich schon, was sein Vater ihm wohl schickte. Aber dennoch er würde das Paket nicht öffnen. War ihm doch egal, was alle darüber dachten. Es war immerhin seine Sache und er wollte es eben nicht. „Ich muss hier jetzt wirklich weiter machen, also entweder hilfst du mir oder wir sehen uns die Tage“, gab Sora von sich und deutete zu einer Kundin die gerade den Laden betrat. „Nein, nein. Ich lasse dich mal machen. Wenn was ist kannst du dich ja melden“, erwiderte der junge Mann und hob seine Hand zum Abschied. "Und arbeite nicht so viel", rief er ihr noch hinterher, als er den Laden wieder verließ und den Weg nach Hause fortführte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)