Tales of the real Ghostbusters von RaoulVegas ================================================================================ Kapitel 4: And one make four ---------------------------- Sechs Monate später… Gewissenhaft schließt die Mutter die Knöpfe am Mantel ihres Sohnes, obwohl es August und damit eigentlich viel zu warm für einen Trenchcoat ist. Doch Raymond lässt das Ganze schweigend über sich ergehen. Immerhin fällt der Abschied seiner Mutter unglaublich schwer und so zögert sie es so lange wie nur irgend möglich hinaus. Sie kann es einfach nicht ertragen, ihren einzigen Sohn in die große Stadt hinausziehen zu sehen, ohne zu wissen, wann sie ihn das nächste Mal wiedersieht und ob er dort, wo er hingeht, auch glücklich sein wird. Schließlich steht noch nicht einmal fest, ob er die Stelle überhaupt bekommt, für die er so schwärmt. Diese Ungewissheit macht sie ganz verrückt und nicht zum ersten Mal wünscht sie sich, dass er diesen Job nicht bekommt und somit wieder zu ihr zurückfindet. Doch Ray´s Begeisterung für Übersinnliches und Geister ist so groß, dass nicht einmal die Tatsache, seiner Mutter mit seinem Abschied das Herz zu brechen, ihn davon abhalten kann zu gehen. Immerhin bekommt man ja nicht alle Tag die Gelegenheit die berühmten Geisterjäger höchst persönlich kennenzulernen und vielleicht sogar mit ihnen zusammenzuarbeiten. „Bist du sicher, dass du auch wirklich alles hast, Ray-Schätzchen?“, fragt sie zum gefühlt hundertsten Mal. Sanft lächelt er ihr zu und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ja, Mom. Ich hab alles.“ „Gut, gut. Und vergiss nicht anzurufen!“, mahnt sie ihn. „Nein, Mom. Ich ruf dich an, sobald ich weiß, ob ich den Job hab oder nicht.“ „Wunderbar und dann…“ Sanft, aber bestimmend ergreift er ihre nervösen Hände, die seinen Kragen erneut glätten wollen. Tief sieht Ray ihr in die Augen und lächelt sein liebenswertes Knabenlächeln. „Mom, ganz ruhig! Ich geh doch nicht für immer weg. Es ist immer noch New York und sobald ich die Möglichkeit hab, werde ich euch besuchen kommen. Das weißt du doch!“, versucht er ihr begreiflich zu machen. Sie lächelt ihm traurig entgegen und nickt. „Natürlich weiß ich das, dennoch ist es so schwer…“ „Nun lass dem Jungen doch mal Luft zum Atmen! Er ist doch kein kleines Kind mehr und wird schon klarkommen, habe ich recht, Raymond?“ Schwer legt sich dich Hand seines Vaters auf seine Schulter. Über seine Pfeife hinweg, zwinkert er seinem Sohn zu und versucht seine Frau mit einem ernsten Blick zu strafen, auch wenn es ihm mindestens genauso schwerfällt, seinen einzigen Sohn ziehen zu lassen. Leicht trotzig erwidert sie den Blick ihres Mannes, streicht ihre Schürze glatt und tritt dann zwei Schritte zurück. „Ihr habt ja recht – gut, ich gebe mich geschlagen. Und nun nimm ihn mit, ehe ich noch weinen muss…“ Mit einer zitternden Hand kramt sie ein Taschentuch aus ihrer Schürze und beginnt daran herum zu zupfen. „Ich warte im Auto auf dich, Junge.“, verkündet sein Vater und verlässt mit schweren Schritten den Raum, den Rauch seiner Pfeife hinter sich herziehend wie eine kleine Dampflok. Mitleidig betrachtet Ray seine Mutter, die sichtlich mit ihren Gefühlen kämpft. Mit glänzenden Augen wendet sie sich kurzerhand von ihm ab. „Nun geh schon, Ray. Lass deinen Vater nicht warten, sonst verpasst du noch deinen Zug…“, weist sie ihn mit brüchiger Stimme an. Geschwind tritt er an sie heran und nimmt sie von hinten fest in die Arme. „Ich hab dich lieb, Mom…“, haucht er ihr ins Ohr und kann dabei spüren wie ihre Schultern zu beben beginnen. „Ich hab dich auch lieb, Ray-Schätzchen…“ Ihre Tränen beginnen zu fließen. Doch als draußen die Hupe ertönt, trennt er sich von ihr und verlässt ohne ein weiteres Wort sein Elternhaus… Die Fahrt zum Bahnhof verläuft schweigend. Erst als der Wagen schwerfällig auf dem kleinen Parkplatz vor der Station zum Stehen kommt, bricht sein Vater die Stille. Gewichtig legt sich seine Hand auf Ray´s Oberschenkel. „Du brichst deiner Mutter das Herz, Raymond.“ „Ja, ich weiß und es tut mir auch schrecklich leid…“, entgegnet der Junge betrübt. „Mir geht es nicht viel anders, seid deine Schwestern alle gegangen sind.“, beharrt der ältere Mann, auch wenn ihm bewusst ist, seinen Sohn nicht umstimmen zu können. „Auch das weiß ich und es tut mir genauso leid…“ „Dein Ehrgeiz in dieser Sache ist wirklich bewundernswert, mein Junge. Aber ich wünschte, du hättest dir etwas Sinnvolleres ausgesucht, als so einen Hokuspokus zu studieren und jetzt irgendwelchen Hirngespinsten hinterher jagen zu wollen…“, streng sieht er ihn an, doch in seinem Blick liegt auch Resignation. „Dad, das ist kein Hokuspokus, sondern Wissenschaft und auch keine Hirngespinste, sondern Geister!“, empört sich Ray ein bisschen, doch eigentlich hat er diese Diskussion schon lange aufgegeben. Es mag noch so viele unerklärliche Wunder in der Bibel seiner Mutter geben, von deren Wahrheit sie vollends überzeugt ist, aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie deswegen an Geister glauben müssen. Sie wollen ihn einfach nicht verstehen und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern, außer er kann sie vom Gegenteil überzeugen. Aber dafür braucht er diesen Job. „Ich weiß doch, Raymond. Aber es bleibt das Gleiche. – So, und nun beeil dich, dein Zug kommt bald. – Denk dran, dass wir immer für dich da sind und du jederzeit wieder nach Hause kommen kannst. Dein Onkel hält dir immer einen Platz in seiner Werkstatt frei.“ „Und dafür bin ich euch auch allen sehr dankbar. Wirklich. – Doch ich hab mich entschieden und will es wenigstens versuchen! Mach´s gut, Dad…“ Über die Mittelkonsole hinweg umarmen sie sich kurz, ehe Ray den Wagen verlässt. Noch eine ganze Weile blickt er dem davonfahrenden kleinen, grünen Auto nach, winkt seinem Vater und kämpft ebenso mit seinen Gefühlen. Es geht ihm sehr nahe, seine Familie einfach so hinter sich zu lassen, war er doch bisher nie wirklich von ihnen getrennt. Noch vor ein paar Monaten hätte er es nicht für möglich gehalten, das heimische Nest zu verlassen und sich eine Arbeit außerhalb der Werkstatt seines Onkels zu suchen. Dort hat er so viel gelernt und es hat ihm unendlich Spaß gemacht. Doch irgendwie war das Herumschrauben immer mehr nur eine Art Hobby. Seine wahre Begeisterung galt immer dem Übernatürlichen, dem nicht Greifbarem, dem Unglaublichen. Selbst wenn alle über ihn gelacht und seine Eltern ihn stets zu etwas Anderen versucht haben zu überreden. Seine älteren Schwestern haben in den letzten zehn Jahren eine nach der anderen einen Job gefunden, eigene Familien gegründet und sind in die Welt hinausgezogen. Er als Jüngster blieb übrig und seine Mutter dachte wohl stets, dass dies immer so sein wird. Im Grunde hätte Ray auch nichts dagegen zu bleiben. Doch der Drang etwas Neues zu erleben, wurde so unerträglich, dass er ihn bald nicht mehr in Zaum halten konnte. Als er schließlich auf das Stellenangebot der Geisterjäger gestoßen ist, war dies wie der Startschuss, auf den er so lange gewartet hat. Schon als die Jungs das erste Mal in der Zeitung standen und dann auch im Fernsehen zu sehen waren, war er gefesselt. Fortan hat er jeden ihrer Schritte verfolgt. Die Chance sich nun bei ihnen vorstellen zu dürfen, ist einfach das Größte für ihn. Mit einem letzten Seufzen blickt er dem inzwischen winzigen Punkt nach, zu dem das Auto seines Vaters geworden ist. Dann schleicht sich die Vorfreude in sein Gesicht und beschwingten Schrittes betritt er den Bahnhof. Vertieft in ein Comicheft versucht er die Wartezeit bis zur Einfahrt des Zuges zu verkürzen, während er immer wieder aufgeregt die Gleise entlangblickt, an deren fernem Ende irgendwann die Nase des Zuges sichtbar werden wird. Als der Zug schließlich die Schienen entlangrumpelt und vor ihm zum Stehen kommt, ist es, als würde ein Funke überspringen. Seine Aufregung steigt gleich um mehrere Stufen an. Grinsend schnappt er sich seine Tasche und sucht sich einen schönen Fensterplatz. Dann setzt sich der Zug langsam in Bewegung und Ray vergisst sein Comicheft, das er auf der Fahrt eigentlich zu Ende lesen wollte. Bisher ist er nur selten aus Morrisville herausgekommen und nun gleich nach Manhattan fahren zu können, ist schon wirklich etwas Besonderes. Daher kann er die Augen gar nicht von der vorbeiziehenden Umgebung abwenden. Die Landschaft vor seinem Fenster verändert sich so schnell, dass es fast so wirkt, als würde man durch die Zeit reisen. Die verhältnismäßig wenig bebaute Umgebung des kleinen Madison County erhält rasch Zuwachs von hohen, dicht gedrängten Gebäudekomplexen, Wohn- und Büroanlagen und riesigen Shoppingcentern. Das laute, blühende Leben Manhattans scheint das hundert prozentige Gegenteil zum ländlich gebliebenen Morrisville mit seinen nur knapp tausend Einwohnern zu sein, obwohl beide zu New York gehören. Die sich ständig verändernde Landschaft mit all ihren vielen Sehenswürdigkeiten fesseln die jungen Mechaniker so sehr, dass er kaum mitbekommt, wie die fünf Stunden Fahrzeit an ihm vorbeischreiten. Denkt Ray zumindest. Doch dann fährt der Zug nicht mehr weiter, sondern bleibt in Croton-on-Houston stehen. Die Station ist die letzte Haltestelle vor seinem Ziel, der Pennsylvania Station und er würde eigentlich noch eine Stunde im Zug sitzen müssen, um dort anzukommen. Als Raymond aus dem Fenster sieht, bemerkt er die ungewöhnliche Aufregung auf dem Bahnsteig. Aufgebrachte Menschen laufen verwirrt und ziellos umher, andere versuchen eine Antwort aus dem sichtlich überforderten Bahnhofspersonal herauszubekommen. Alles wirkt viel zu hektisch und zu verloren. Die anderen Leute im Zug sehen ebenfalls verwundert aus den Fenstern und scheinen langsam nervös zu werden. Der Zug steht einfach schon zu lange hier und irgendwie ist auch niemand eingestiegen. Dann ein krächzendes Knacken aus dem Lautsprechern über den Fahrgästen und draußen auf dem Bahnhof. Ein Mann vom Bahnhofspersonal verkündet, dass die Fahrt hier endet und auch keine anderen Züge weiterfahren werden. Nur ein paar Meilen vom Bahnhof entfernt ist ein großer Sattelschlepper auf einem Bahnübergang mit einem anderen Zug kollidiert, sodass der Fahrbetrieb eingestellt werden muss. Etliche Rettungskräfte und Löschwagen sind wohl schon dort und bergen die Verletzten und die Überreste der beiden Fahrzeuge. Der Zugverkehr ist bis auf weiteres eingestellt und die Umgebung um die Unfallstelle ist weiträumig abgesperrt. Dazu gehören auch wichtige Straßenabschnitte, die nach Manhattan führen. Die Passagiere werden gebeten den Zug zu verlassen und auf andere Beförderungsmittel umzusteigen. Irgendwie ein echter Witz, wo die meisten Zufahrtsstraßen, die von hier in die Innenstadt führen, ja wegen des Unfalls gesperrt sind. Kein Wunder also, dass die Leute auf dem Bahnsteig so durch den Wind sind und nicht wissen wohin. Hilflos blickt Ray auf seine Uhr, während er den Zug verlässt. Sein Vorstellungstermin beginnt in nicht mal zwei Stunden und er hat keine Ahnung, wie er da hinkommen soll. Eigentlich wären es von der Pennsylvania Station nur zwei Meilen bis zur ehemaligen Feuerwache gewesen. Eine Strecke, die man locker auch zu Fuß in kurzer Zeit hätte bewältigen können. Doch von hier aus sind es gut vierzig Meilen in einem ihm völlig unbekannten Stadtteil. Suchend blickt er sich um, doch er findet nicht viel, dass ihm weiterhelfen könnte. Alle Taxen, die sonst in langen Schlangen vor dem Bahnhof auf Gäste warten, sind besetzt und versuchen irgendwie einen Weg in die Innerstadt zu finden. Aber durch die Sperrungen ist so gut wie kein Durchkommen und so stehen die Taxen mit all den anderen Autos in langen, wütend hupenden Schlangen und es geht weder vor noch zurück. Auf dem Busbahnhof vor der Station sieht es nicht viel besser aus. Die wenigen Busse, deren Strecke so günstig verläuft, dass sie an dem Unfall vorbeikommen, sind hoffnungslos überfüllt und wie die anderen Autos stehen auch sie in dem endlosen Stau, der sich mittlerweile gebildet hat. Wie so viele andere Leute auch, sucht Ray nach einem Stadtplan. In der Ferne kann er den dichten, schwarzen Rauch der Unfallstelle erkennen und immer wieder hört er das An- und Abschwellen von Sirenen. Obwohl er es nicht will, kommt er nicht umhin sich vorzustellen, wie es dort hinten wohl aussehen mag. Ein eisiger Schauer jagt seinen Rücken hinunter und er wendet den Blick schnell wieder ab. Endlich gelingt es ihm sich zu einem Stadtplan durchzukämpfen. Was er allerdings sieht, ist nicht sehr erfreulich. Ein durchaus hilfsbereiter Bahnmitarbeiter hat inzwischen eingetragen, wie weit die Straßensperren gehen und welche Linien davon betroffen sind. Die Sperrung reicht fast bis nach Ossining. Von dort aus fahren wieder Züge in die Innenstadt, wobei Ray in Marble Hill in einen Bus umsteigen müsste, da die Züge sonst in die falsche Richtung weiterfahren. Zudem wird den Fahrgästen aufgrund der hohen Verkehrsbelastung empfohlen, den Weg bis nach Ossining zu Fuß zu nehmen. Ein wahrhaft schlechter Scherz. Doch wenn Ray sich die Menschenmengen hier und auf den Straßen ansieht, wohl die einzige Möglichkeit vor Einbruch der Dunkelheit von hier weg zu kommen. Allerdings eine Möglichkeit, die schon unter normalen Umständen gut eine Stunde dauert. Von Ossining fährt der Zug dann etwa vierzig Minuten bis Marble Hill und der Bus von dort aus ist auch noch mal eine Dreiviertelstunde unterwegs. Seufzend sieht Ray noch mal auf seine Uhr und rechnet nach. Mathe ist zwar nicht gerade seine Stärke, da er oft mit den Kommastellen durcheinanderkommt, doch selbst für ihn ist es nicht schwer festzustellen, dass er die Strecke nicht mehr rechtzeitig hinter sich bringen wird. Das fängt ja wirklich herrlich an. Dabei hatte er sich so auf das Treffen mit den Ghostbusters gefreut und nun wird er zu spät kommen und wer weiß, ob sie ihn dann überhaupt noch haben wollen… Aber er muss es einfach durchziehen! Also versucht er sich den Weg bis nach Ossining so genau wie möglich einzuprägen, nicht das er sich auch noch verläuft. Obwohl das fast unmöglich erscheint, wenn er bedenkt, dass gefüllte zehntausend andere Leute denselben Plan verfolgen und den Meisten davon deutlich der Termindruck ins Gesicht geschrieben steht. Mit einem letzten Blick zu der aufsteigenden Rauchsäule zu seiner Rechten, wendet er sich nach links und kämpft sich seinen Weg durch die Massen zur Straße durch, um seinen Fußmarsch zu beginnen… Inzwischen ist es Nachmittag geworden. Der Weg nach Ossining ist endlich geschafft, doch durch die vielen Menschen und das Chaos auf den Straßen, hat das Ganze auch fast das Doppelte an Zeit geschluckt. Vor den Toren der Bahnstation sieht Ray auf die Uhr und es versetzt ihm einen Stich ins Herz zu sehen, dass sein Vorstellungstermin eigentlich in zehn Minuten beginnen sollte. Auf dem Fußmarsch hatte er sowieso schon die Hoffnung aufgegeben es noch irgendwie zu schaffen. Bei den ganzen Leuten um ihm herum, war das auch irgendwie nicht anders zu erwarten, doch Ray ist von Grund auf Optimist. Daher trifft es ihn zwar hart, nicht rechtzeitig anzukommen, doch unterwegs hat er viel von der Stadt gesehen und ist auch mit allerhand Menschen ins Gespräch gekommen. Gelangweilt hat er sich also auf keinen Fall. Ein paar der Leute wussten sogar einige Dinge über die Geisterjäger zu erzählen. Gutes war nicht unbedingt dabei, aber das hat Ray auch nicht so sehr erwartet, kennt er doch die oftmals sehr abfälligen Zeitungsartikel oder Fernsehberichte. Selbst wenn die Jungs den Leuten den Hintern retten, werden sie dennoch immer gern mit Füßen getreten. Wirklich traurig. Doch Ray hat sich sein Missfallen über dieses Benehmen nicht anmerken lassen. Das Letzte, was er in dieser ohnehin schon erbosten Menschenansammlung verursachen wollte, war ein Streit. Egal, was die Leute auch gesagt haben, Raymond hat brav genickt und ihnen zugestimmt. Seine Eltern sind ja größtenteils derselben Ansicht wie diese Leute hier, von daher kennt er das ja alles schon und weiß wie er damit am besten umgehen muss. Ein, zwei Leute hatten aber auch gute Dinge zu erzählen, darunter sogar eine Frau, die selbst schon von einem Geist heimgesucht wurde und die Jungs um Hilfe bat. Den Großteil des Weges hat sich Ray mit ihr unterhalten und dabei ihren Kinderwagen vor sich hergeschoben, während sie das schlafende Baby die meiste Zeit auf dem Arm hatte. Es war schon richtig schade, dass sie dann einen anderen Weg eingeschlagen hat, bevor sie Ossining erreicht haben. Nun ist Ray wieder allein. Zumindest hat er keinen netten Gesprächspartner mehr. Allein ist er aber noch lange nicht, auch wenn sich die Zahl der Leute auf dem Weg um einiges verkleinert hat. Dennoch sind noch so viele Menschen übrig, die sich jetzt in die bereitstehenden Züge drängen, dass es ein echtes Wunder ist, dass es noch Luft zum Atmen gibt. Während sich Raymond weiterhin durch die Stadt quält und die Zeit immer mehr gegen ihn läuft, breitet sich allmehlig Missfallen im Hauptquartier der Geisterjäger aus. Ungeduldig sieht Janine ein weiteres Mal auf die Uhr und gibt ein verstimmtes Seufzen von sich. Der junge Mann, der sich vorstellen wollte, hätte schon längst hier sein müssen, doch nichts dergleichen. Es wird auch nicht besser, wenn Peter alle fünf Minuten vorbeikommt, um zu fragen, ob sie schon etwas gehört hat. Am Telefon klang dieser Dr. Stanz so vernünftig und gefesselt von der Stelle, dass schon fast kein Zweifel mehr besteht, dass er den Job auch bekommen wird. Aber so was sagt natürlich nichts über die Pünktlichkeit und Verlässlichkeit seiner Person aus. In diesem Falle sollte man sich wohl noch einmal gründlich überlegen, ob er die richtige Wahl für die Stelle ist. Vertieft in ihre Arbeit hat die Rothaarige dann auf einmal das Gefühl beobachtet zu werden. Sie lässt absichtlich laut ein genervtes Seufzen hören und wendet dabei den Blick zur Treppe. Wie schon vermutet, steht Peter dort auf den Stufen. Mit einem Augenrollen widmet sie sich wieder ihrer Schreibmaschine. „Ich habe immer noch nichts zu berichten, Peter. Also lass es endlich…“, verkündet sie zwischen den Tastenanschlägen. Venkman ist inzwischen zu ihrem Schreibtisch geschlendert und setzt sich gleichgültig auf eine der Ecken. „Das war mir schon klar. Ich wollte dir auch eigentlich nur sagen, dass es sich damit wohl erledigt hat. Wahrscheinlich hat er es sich in letzter Minute anders überlegt oder weiß der Geier. Aber falls er hier doch noch die Güte hat aufzutauchen, kannst du ihn gleich wieder vor die Tür setzen…“ Ohne von ihrer Arbeit aufzublicken, antwortet sie ihm. „Das hätte ich so oder so getan!“ „Hach Janine, ich bewundere immer wieder deine nette Höflichkeit, wirklich.“, entgegnet ihr Peter sarkastisch. „Danke und ich bewundere deine Ernsthaftigkeit.“, erwidert sie gelassen, ohne aufzublicken. Für einen Augenblick setzt Peter ein leichtes Schmollen auf. Diese Frau macht ihn noch mal ganz wahnsinnig. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass sie jeden seiner Annäherungsversuche brutal im Keim erstickt und stattdessen die ganze Zeit wie eine rollige Katze um Egon herumschleicht, nein, sie verwendet auch einfach alles, was er sagt, gegen ihn. Es ist, als wäre sie die kleine Schwester, die er nie hatte. Irgendwie hatte er sich etwas mehr Feingefühl von ihr erhofft, wo er sich doch die ganze Zeit so auf den Vorstellungstermin gefreut hat. Immerhin hat er im Leben nicht damit gerechnet, jemanden zu finden, der genauso ein Kauderwelsch von sich geben kann wie Egon und dennoch der verständlichen, englischen Sprache mächtig ist, um den Unsinn des Blonden zu übersetzen. So eine Chance wird sich nie wieder ergeben. Peter versteht auch beim besten Willen nicht, warum der Bengel nicht aufgetaucht ist. Bei ihrem Telefonat klang er so begeistert, als würde er am liebsten durch den Hörer steigen, um gleich anfangen zu können. Irgendwas stimmt da einfach nicht. Von dem ganzen Gewarte und Gedenke bekommt er schon Kopfschmerzen. „Hey Janine, wie wäre es mit einem Kaffee?“, fragt er daher ganz unschuldig. Für einen kurzen Moment sieht sie ihn an und hebt dabei abschätzend eine Augenbraue, dann tippt sie ungerührt weiter. „Nein danke, ich hatte gerade einen.“ Verdammt, immer die gleiche Antwort! Was für eine Sekretärin ist sie eigentlich, wenn sie ihrem Chef nicht mal einen verdammten Kaffee machen will? Aber so leicht gibt Peter nicht auf. „Aber ich meinte doch nicht für mich, sondern für Egon.“, lockt er sie. „Oh nein, Dr. Venkman! Sie meinten für sich! Ich hab nämlich gerade erst einen Kaffee mit Egon getrunken und selbst wenn nicht, warum sollte er dir sagen, dass ich ihm einen kochen soll?“ Herausfordernd sieht sie ihn an. Leicht schmollend erwidert Venkman ihren Blick. Das hat gesessen, jetzt weiß er auch nicht mehr weiter. Ungelenk erhebt er sich von der Tischplatte und wendet sich zur Treppe. „Küche!“, ruft Janine ihm hinterher. Irritiert dreht er sich um. „Wie bitte?“ „Wenn du Kaffee willst, dann geh in die Küche.“ Ein vorfreudiges Lächeln breitet sich auf dem Gesicht des Brünetten aus. „Steht da etwa welcher?“ „Nein, aber die Kaffeemaschine und sie werden es doch wohl schaffen, das Ding zu bedienen. Immerhin hat es nur einen Knopf und um den zu finden, reicht auch ein durchgemogelter Studienabschluss, Dr. Venkman!“, lächelt sie ihm keck entgegen. Wieder ein Tritt in die Magengrube. Peter gibt ein genervtes Schnauben von sich. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass sie so frech ihm gegenüber ist, nein, dann auch noch ständig dieses absichtliche Siezen und herabwürdigen seines so hart erkämpften Titels. Manchmal würde er sie wirklich gern wieder vor die Tür setzen. Doch bevor er das schafft, friert wahrscheinlich eher die Hölle zu oder sie setzt ihn vor die Tür. „Schon gut, schon gut. Ich hab verstanden…“, motzt er kindisch zurück und stapft grummelnd die Treppe wieder hinauf. Eine Weile scheint Ruhe zu herrschen, sodass Janine den Text, den sie getippt hat, noch einmal durchlesen kann. Dabei kann sie leises Gepolter aus der Küche oben hören. Scheinbar versucht Peter wohl doch allein sein Glück mit der Kaffeemaschine. Ein wenig grinst die Rothaarige in sich hinein. ‚Nur immer schön standhaft bleiben, Janine. Dann wird aus Peter vielleicht doch eines Tages ein vernünftiger Mann.‘, sagt sie sich selbst, ehe sie den Text auf dem Blatt Papier für korrekt empfindet und die Seite auf den dünnen Stapel legt, den sie schon fertig hat. Mit geschickten Fingern spannt sie ein neues Blatt in die Schreibmaschine und beginnt wieder zu tippen. Nicht lange später klopft es verhalten an der Tür. „Herein!“, ruft die kecke Sekretärin und unterbricht kurz ihre Arbeit. Fast schon vorsichtig öffnet sich die Tür und ein junger Mann im Trenchcoat tritt ein. Janine hebt eine Augenbraue. Es ist zwar schon fast dunkel draußen, aber noch bei weitem zu warm, um überhaupt etwas Langärmliges zu tragen, schließlich ist August. Aber egal. Innerlich zuckt sie mit den Schultern und wartet, bis er zu ihr an den Tisch herangekommen ist. Er wirkt sehr nervös und sieht aus, als hätte er einen ziemlich langen Tag hinter sich. Aber wer hat das nicht? Immerhin haben die Jungs heute schon fünf Geister eingefangen, die über die halbe Stadt verteilt waren und Janine sitzt schon seit heute Morgen an der Schreibmaschine und ist dabei mehr als erstaunt, dass sie überhaupt noch ein Gefühl in den Fingerspitzen hat. Also braucht der Bursche kein Mitleid von ihr zu erwarten, egal was er sich für eine Ausrede für sein Zuspätkommen auch ausgedacht haben mag. „Verzeihen sie die Störung, Miss, aber ich bin…“, setzt Ray hoffnungsvoll an. Er wird aber fast augenblicklich von Janine unterbrochen. „Ich weiß schon, wer sie sind, Dr. Stanz! Aber ihr Termin war vor über drei Stunden und jetzt ist Schluss! Daher würde ich sie bitten zu gehen!“, entgegnet sie ihm kalt. Sichtlich zuckt der junge Mann unter ihrer strengen Stimme zusammen und sucht nach einer Antwort. „Hören sie, meine Verspätung tut mir wirklich aufrichtig leid, aber da war ein Unfall auf der Bahnstrecke und…“ Wieder unterbricht sie ihn. „Ein Unfall, ja? Klingt ja wirklich tragisch. Aber davon habe ich nichts mitbekommen. Also verlassen sie jetzt bitte das Gebäude, ehe ich sie rausbringen muss!“, scharf funkelt sie ihn an. Innerlich schluckt Ray bei solch einem Temperament und er möchte sich auch wirklich nur sehr ungern mit ihr anlegen. Doch dieser Job bedeutet ihm alles und so leicht gibt er sich nicht geschlagen. „Aber, wenn ich es ihnen doch sage. Da war ein Unfall. Ich bin praktisch zu Fuß durch die halbe Stadt gelaufen, weil alles verstopft war. Schalten sie doch das Radio ein, da werden sie sicher etwas darüber bringen.“, versucht es Raymond weiterhin. Langsam erhebt sich die Rothaarige von ihrem Stuhl und stützt die Hände warnend auf die Tischplatte. Angesäuert mustert sie ihn. Was sie nicht bemerkt hat, ist, dass Peter schon wieder auf der Treppe steht und das Ganze beobachtet. In seiner Hand eine dampfende Tasse Kaffee. Doch als er einen Schluck davon nimmt, verzieht er angewidert das Gesicht. Irgendwas ist da schiefgelaufen. So schlimm das Gebräu auch schmecken mag, so interessant ist die Aussicht von hier. Gezielt wandern seine Augen über Ray´s Gestalt. Wegen dem Trenchcoat ist nicht allzu viel zu sehen, aber ein hübsches Gesicht hat der Junge allemal. Es wirkt schon fast niedlich, wie er versucht, sich Janine gegenüber zu behaupten. Als würde man einen kleinen Jungen beobachten, der versucht vehement seiner Mutter zu widersprechen. Ein Grinsen huscht über Venkmans Gesicht. ‚Bloß nicht aufgeben, Kleiner! Wenn du Janine packst, packst du alles!‘, feuert er ihn gedanklich an. „Dr. Stanz, ich habe versucht, es ihnen höflich rüberzubringen, aber das hat ja nichts gebracht. Also wenn sie jetzt nicht auf der Stelle gehen, sehe ich mich gezwungen sie…“ Nun ist es einmal Peter, der sie unterbricht. „Janine, warum sagst du mir denn nicht, dass unser Gast eingetroffen ist?“ Lässig schlendert er die Treppe hinunter und stellt ihr den ungenießbaren Kaffee demonstrativ auf den Tisch. Perplex sieht sie Peter an. „Du hast gesagt, ich soll ihn vor die Tür setzen, wenn er hier auftaucht und genau das versuche ich ja gerade!“, kontert sie. Der Brünette lässt sich davon aber nicht beirren und versucht sich so ein wenig für vorhin zu rächen. „Aber Janine, so was würde ich doch nie sagen! Warum auch? Immerhin habe ich seine Ankunft doch schon die ganze Zeit erwartet.“ Mit offenem Mund mustert der Rothaarige ihn, ehe sie sich wortlos auf ihren Stuhl zurückfallen lässt. „Ach, macht doch, was ihr wollt…“, grummelt sie in sich hinein, ehe sie wieder auf ihrer Schreibmaschine zu tippen beginnt. Überfordert hat Ray das Ganze verfolgt und ist nicht sicher, was er davon halten soll. Andererseits steht dort leibhaftig Dr. Peter Venkman vor ihm, da ist alles andere nebensächlich. Triumphierend lächelt der Brünette und führt Ray dann in sein Büro hinüber. „Vielen Dank, dass sie sich trotz meiner Verspätung doch noch Zeit für mich nehmen, Dr. Venkman. Das bedeutet mir wirklich sehr viel.“, sprudelt es aus Ray heraus. „Oh, das ist doch kein Problem. Kann doch jedem mal passieren. Aber zwei Männer vom Fach wie wir sollten sich nicht Siezen, finde ich. Also nenn mich doch einfach Peter.“ Vertraulich beugt er sich etwas vor, legt den Kopf auf die Handfläche und zwinkert dem Jüngeren zu. Etwas überrascht blinzelt der Mechaniker. „Oh, äh, ja natürlich. Ich bin Raymond.“ Lächelnd stellt Peter ihm ein paar Fragen. Was er schon so alles gemacht hat. Was er sich unter dem Ganzen hier so vorstellt und so weiter. Dabei studiert er den Lebenslauf des Jungen vor sich auf dem Tisch. Begeistert beginnt Ray von seinem Studium zu erzählen und wie er den Werdegang der Geisterjäger in allen Medien verfolgt hat. Wirklich zuhören tut Venkman ihm aber nicht wirklich. Das Meiste hatten sie eh schon am Telefon. Jetzt findet er den Jungen an sich viel interessanter. Eigentlich sollte er ja mehr eine Hilfe für Egon sein, doch inzwischen ist Peter eher zu der Ansicht gekommen, dass er ihm selbst wohl viel nützlicher sein könnte. Ray wirkt so aufgeweckt und unschuldig wie ein kleines Kind. Die Tatsache, dass er sechs ältere Schwestern hat, hat ganz sicher einen Einfluss auf ihn genommen, das kann Venkman förmlich riechen und genau das gefällt ihm. Zudem kann er sich nicht vorstellen, dass Ray dieselbe miese Show mit ihm anzieht wie Janine, nur um eingestellt zu werden. Aber Peter selbst hat auch ein bisschen dazugelernt und versucht nicht ganz so sehr mit der Tür ins Haus zu fallen. Als Mann einen anderen Mann anzubaggern, ist immerhin ein gewaltiger Unterschied, als wenn man eine Frau anbaggert. Genug Übung hat der Brünette ja in beiden Fällen, aber seine Erfolgsquote liegt doch eher schlecht. Daher muss er behutsam vorgehen. Einen Pluspunkt hat er bei Ray aber anscheinend schon mal, denn der Junge redet so voller Begeisterung von Venkman, dass es schon fast an Ehrfurcht grenzt. Da dürfte der Rest doch ein Kinderspiel werden! Und Egon wird ihm die Tour hier wohl kaum vermiesen können. Ein warmes Gefühl von Sieg breitet sich in ihm aus. Langsam versucht Peter ihm wieder zuzuhören. Ray erzählt gerade von seinem Onkel und dessen Autowerkstatt, in der er neben seinem Studium eine Lehre gemacht hat. Venkman ist der Ansicht, dass ein richtiger Mechaniker immer eine gute Sache ist. Winston beherrscht dahingehend zwar auch so einiges, aber eben nicht alles. Wo er so darüber nachdenkt, passt Ray einfach sehr gut zu ihnen. Er versteht, was Egon erzählt und kann es übersetzen, er kann mit Winston am Auto rumschrauben, kann beim Bauen von Maschinen und dergleichen helfen und wenn alles gutgeht, wird er ein prima Spielkamerad für Peter. Bei all diesen Gedanken, fällt ihm ein Satz ein, den Egon mal losgelassen hat, bevor Winston zu ihnen kam und sie Egons Auto in die Werkstatt bringen mussten. Der Blonde meinte, dass ein Mechaniker nichts weiter wäre, als ein Kind mit einer überlegenen Beherrschung für Motorik. Damals fand Peter diese abfällige Bemerkung urkomisch, im Gegensatz zu dem Mechaniker, der sie daraufhin aus der Werkstatt geworfen hat. Ray hingegen wirkt wirklich wie ein zu groß geratenes Kind, womit Egons Aussage wohl doch einen wahren Kern haben könnte. Aber dieses kindliche passt wirklich gut zu ihm und es macht ihn dadurch nur noch sympathischer. „Ok Ray, das klingt alles hervorragend und ich bin froh, dich bei uns begrüßen zu dürfen!“, lächelnd reicht er dem Jungen die Hand. Freudestrahlend ergreift Ray sie und freut sich noch mehr, dass Peter ihn auch noch bei seinem Spitznamen nennt, obwohl er ihm diesen gar nicht gesagt hat. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin so glücklich und ich werde euch ganz sicher nicht enttäuschen!“, verkündet er begeistert. „Das würde ich auch nicht vermuten. Also fühl dich hier ganz wie Zuhause!“ „Wo du das gerade erwähnst, würde ich gern mal auf die Toilette, wenn das geht.“, erwidert Ray leicht verlegen. „Aber klar geht das. Einfach die Treppe rauf, zweiter Stock und durchs Schlafzimmer. Es ist nicht zu verfehlen.“, erläutert der Brünette lächelnd. Raymond bedankt sich und macht sich auf den Weg nach oben. Derweilen erhebt sich Janine von ihrem Platz und kommt zu Peter nach hinten. Mit einem freundlichen Lächeln stellt sie ihm eine Tasse auf den Tisch. „Hier ist dein Kaffee, Peter.“ Überrascht blickt er sie an. „Du bist ja doch ein echtes Goldstück!“, entgegnet er ihr fröhlich und nippt an dem Kaffee. Sie wendet sich wieder um und geht zu ihrem Platz zurück. ‚Oh nein, Peter, das bin ich sicher nicht!‘, geht es ihr durch den Kopf, während sie sich lächelnd wieder ihrer Arbeit widmet. Hinter sich hört sie Venkman auch gleich schimpfen. In der Tasse war schließlich nur das Gebräu, das er selbst fabriziert hat und das ist inzwischen auch noch kalt geworden und somit noch abstoßender als vorher. Ray hat in der Zwischenzeit das Schlafzimmer gefunden. Mit einem warmen Gefühl im Herzen betrachtet er die drei Schlafplätze. Jeder ganz individuell gestaltet. Auf dem vierten Bett liegt frische Bettwäsche und wartet nur darauf bezogen zu werden. Der Anblick vermittelt ihm ein Gefühl von Zuhause und er denkt sich, dass es sich hier ganz sicher sehr gut leben lässt. Dann tritt er an die Badezimmertür. Als sich seine Hand um die Klinke legt, bewegt sich diese auf einmal abwärts und ganz unvermittelt wird die Tür geöffnet. Da Ray damit aber überhaupt nicht gerechnet hat, wird er dadurch nach vorn gezogen und fällt dem Unbekannten damit direkt in die Arme. Beide geben einen überraschten Laut von sich. Dann gibt der Mann, der auf der Schwelle des Badezimmers steht, ein kleines Lachen von sich. „Na sie mal einer an, was die Katze da wieder angeschleppt hat.“, scherzt er und hilft Ray wieder in eine aufrechte Position. Dabei können sich die beiden jungen Männer dann auch ins Gesicht sehen. Überrascht stellt Raymond fest, dass sein Gegenüber, abgesehen von einem Handtuch um die Hüften, nackt vor ihm steht. Augenblicklich färben sich seine Wangen in einem verlegenen Rot und er tritt einen Schritt zurück. Sein Gegenüber lächelt nur freundlich und scheint auf eine Antwort zu warten. Doch anstatt ihm diese zu geben, ist Ray nur gefesselt, von dem, was er zu sehen bekommt. Der junge Mann vor ihm ist etwa in seinem Alter, etwas größer und mit einer trainiert wirkenden Figur. Seine kurzen, tiefschwarzen Haare sind durchzogen von schimmernden Wassertropfen, die langsam seine Wangen hinabperlen und auf seine blanke Brust tropfen. Sie verleihen seiner dunklen Haut das Aussehen frisch geschmolzener Schokolade. Mit offenem Mund steht Ray da und starrt ihn einfach nur an. In den schiefergrauen Augen des anderen Mannes liegt ein so warmherziger Ausdruck, dass dem Mechaniker schon fast schwindlig wird. Nur ein einziger Gedanke scheint in seinem Kopf noch Platz zu finden, in dem sonst das reinste Chaos kindlicher Neugierde und Begeisterung herrscht. Und dieser Gedanke ist einfach nur ‚Wow!‘ Dann jedoch ändert sich langsam der Blick des Dunkelhäutigen und wechselt eher zu einem irritierten, fast schon besorgten Ausdruck. „Ist alles in Ordnung?“, fragt Winston daher. Ganz allmehlig dringen die Worte zu Raymond durch und ihm wird plötzlich klar, wie sehr er den anderen Mann doch anstarrt. Überrascht räuspert er sich und tritt noch einen Schritt zurück. „Oh, entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht so anstarren…“, etwas verlegen sieht er zu Boden. Der andere lacht kurz auf. „Halb so schlimm. Wie heißt du denn?“ „Ich – ich bin Ray. Peter hat mich eingestellt, um euch zu helfen…“ „Na da bin ich aber froh, dass das geklappt hat. Wir dachten schon, dass sich gar keiner melden würde. Ich bin Winston. Willkommen, Kollege!“, entgegnet der Schwarzhaarige mit einem Lächeln und reicht ihm die Hand. Noch etwas zögerlich erwidert Ray das Lächeln und schüttelt ihm die Hand. „Hast du dich verlaufen?“, fragt Winston schließlich. „Nein, eigentlich wollte ich nur mal auf die Toilette. Aber vielleicht kannst du mir sagen, wo ich ein Telefon finde, damit ich meine Eltern anrufen kann.“ Winston tritt ins Schlafzimmer hinein, damit der Weg ins Bad frei wird. „Bitte sehr. Und da drüben auf dem Nachttisch ist ein Telefon.“ Ray wendet den Blick in die Richtung. „Ah, danke schön.“ Kurz darauf verschwindet er im Bad und Winston geht zu seinem Bett, um sich anzuziehen. Als Ray beim Händewaschen im Spiegel über dem Becken sein Gesicht sieht, bemerkt er, dass seine Wangen immer noch leicht gerötet sind. Ganz unweigerlich erscheint vor seinem inneren Auge das Bild des frischgeduschten Winston. Er schluckt schwer und stößt seufzend die Luft aus. ‚Reiß dich zusammen, Ray. Mach bloß nicht denselben Fehler wie auf der Highschool…‘, mahnt er sich selbst und verlässt dann entschlossenen Schrittes das Bad. Ein Blick durch das Schlafzimmer verrät ihm, dass Winston zum Glück schon wieder gegangen ist und er so nicht noch mehr zu sehen bekommt, als er schon konnte. Erleichtert seufzt er, denkt aber, dass die Zusammenarbeit unter diesen Umständen sicher eine ganz schöne Herausforderung wird. Doch so lange es nicht wieder im Krankenhaus endet, wie damals, als er seinem Klassenkameraden gesagt hat, dass er in ihn verliebt ist, ist ihm alles recht. Schnell läuft er zum Telefon und teilt seiner inzwischen sehr besorgten Mutter mit, was heute alles so passiert ist und dass er trotz alledem den Job bekommen hat. Die Tatsache, dass er gesund und heil dort angekommen ist, lässt seiner Mutter förmlich hörbar ein Stein vom Herzen fallen. Dennoch scheut sie sich nicht, ihm abermals zu sagen, dass sie ihn lieber wieder hier Zuhause wüsste. Doch jetzt gibt es für Ray kein Zurück mehr, was er ihr auch wiederholt erklärt. Schließlich nimmt sie es hin, erst recht, als sich Ray´s Vater hörbar im Hintergrund zu Wort meldet. Aber der Mechaniker verspricht ihr noch einmal ganz fest, sie so bald wie möglich wieder zu besuchen und das beruhigt sie dann doch etwas mehr. Erleichtert legt Raymond den Hörer auf die Gabel zurück und verlässt das Zimmer. Eigentlich will er wieder nach unten gehen und noch etwas mit Peter reden oder schauen, was Winston macht. Auf dem Flur angekommen, hört er jedoch Geräusche aus einem anderen Zimmer. Neugierig nähert er sich der halboffenen Tür und späht hinein. Dort sitzt ein blonder Mann an einem Tisch und bastelt an einer Art Maschine herum. Ray kann auf die Entfernung beim besten Willen nicht sagen, wozu sie gut sein soll, doch sie hat auf jeden Fall sein Interesse geweckt. Mit einem Klopfen betritt er den Raum, doch der Tüftler nimmt ihn scheinbar gar nicht wahr. Als er sich aber dem Tisch nähert, erhält er doch eine Reaktion. „Peter? Würdest du mir bitte das *Okuliermesser reichen?“, fragt der Blonde und streckt ihm eine Hand entgegen, während er hochkonzentriert mit der anderen an ein paar Kabeln fingert. Kurz blickt sich Ray auf dem Durcheinander des Tisches um und findet dann das Gewünschte. Als er Egon das Messer in die geöffnete Hand legt, blickt dieser es irritiert an. Peter war nie ein Freund von Werkzeugen, weshalb er auch die meisten Namen nicht kennt und schon gar keine Fachbegriffe. Daher ist es auch kein Wunder, dass der Blonde etwas verwirrt darüber ist, auf einmal das Richtige in Händen zu halten. Er will gerade Peter ein Lob aussprechen, da merkt er, dass Venkman gar nicht neben ihm steht, sondern ein ihm unbekannter junger Mann. „Hm…“, gibt er in einem leicht missfallenen Ton von sich und schiebt seine Brille zurück auf ihren Platz. „Und sie sind?“, fragt er schließlich. „Oh, Verzeihung. Ich wollte mich nicht anschleichen oder so. Ich bin Ray Stanz. Peter hat mich eingestellt…“, erklärt er knapp. Die anfängliche Strenge weicht aus dem Gesicht des Blonden. „Ah, Dr. Stanz! Wir haben schon den ganzen Tag auf dich gewartet. Ich bin Egon Spengler.“ Abschätzend betrachtet er den jungen Mann vor sich. Verlegen kratzt sich Ray am Hinterkopf. „Das tut mir wirklich leid. Es gab einen Unfall auf der Bahnstrecke…“ „Faszinierend. Doch wie ich sehe, bist du unverletzt.“, stellt Egon fest und mustert ihn eingehender. „Ja, mir ist nichts passiert. Aber einen anderen Zug vor uns hat es erwischt.“ Ray ist das Ganze sichtlich unangenehm, weshalb er schnell das Thema wechselt. „Darf ich fragen, woran du arbeitest?“ Egon Gesicht hellt sich deutlich auf. „Das ist ein thermomagnetischer, klangverstärkter, multivariabler Notfallmechanismus für unseren Verbannungscontainer.“ „Ah. Du willst den Verbannungscontainer also mit einem Sensor ausstatten, der auf Stimme und Fingerabdrücke der einzelnen Mitarbeiter reagiert, um einer Fehlbedienung von Außenstehenden vorzubeugen. Das ist eine klasse Idee!“ Die Begeisterung steht Ray ins Gesicht geschrieben und Egon ist wieder überrascht. Er ist zwar schon vielen intelligenten Menschen begegnet, doch selten einem in seinem Alter, der zudem auch noch versteht, was er sagt. Gedanklich spricht er dann doch ein Lob an Peter aus, was dieser für eine gute Entscheidung getroffen hat. „Ich schätze, das wird eine gute Zusammenarbeit.“, meint er schließlich und klappt das Messer auf. „Kann ich dir denn irgendwie helfen?“, fragt Ray. „Aber gern.“, erwidert der Blonde und so setzen die beiden die Arbeit gemeinsam fort, bis der Tag sich endgültig dem Ende neigt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)