Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 210: Einen Schritt, um einen Stein ins Rollen zu bringen ---------------------------------------------------------------- Mein Jackett hängt über dem Stuhl, auf dem ich gefühlt eine Ewigkeit sitze. Meine Speicherkarte hatte sich bereits zwei Mal gefüllt und ich lege gerade die dritte in. Dabei fällt mir auf, dass es draußen bereits schon wieder dunkel ist. Überrascht blick ich auf meine Armbanduhr und stell fest, dass es schon nach 21.00 Uhr ist. Sitzen wir wirklich schon fast zwölf Stunden hier? Ich mustere prüfend die zwei Personen, die auf der anderen Seite des Tisches sitzen: Oshita Keizo und seine Frau Megumi. Seit heute Morgen sind sie hier bei mir im Gespräch und Keizo erzählt mir von seiner Kindheit und Jugend. Von seinem sadistischen Vater. Von dem, was dieser seiner Mutter angetan hatte und danach ihm. Er erzählt von den Freunden und Geschäftskollegen. Von Tauschhandeln mit Kindern, Sexparties und Pornographie. Ich kann es erst gar nicht glauben, doch je länger und detaillierter er erzählt, desto glaubwürdiger wird die Schilderung einer schrecklichen Schattenseite der feinen Gesellschaft dieser Stadt. Von der Langweile derer, die alles haben. Die mit ihrem Geld Menschen kaufen und sich an ihrem Leid ergötzen, dass sie jenen entweder selbst antun oder antun lassen. Korruption schützt diese Seite der Gesellschaft. Es fallen Namen von Menschen, die damals oder heute hohe Positionen in der Politik oder anderen Organisationen, wie dem Polizeiapparat, bekleiden. Namen, die mir geläufig sind. Die immer noch viel Macht und Einfluss haben. Ich wusste schon immer, dass die Jagd nach Daimon Kogoro - meinem weißen Wal - weite Kreisen ziehen würden, aber das... das sprengt förmlich meinen Horizont. Was der junge Herr Oshita mir schildert ist ein pilzartiges Krebsgeflecht, dass sich durch die gesamte Stadt und darüber hinaus erstreckt. Es ist so verzweigt und verwurzelt, dass es schwer werden wird, es auszumerzen. Ich vertraue meinem Captain. Der Mann hat mehr als einmal bewiesen, dass er selbst gegen die Obrigkeit uns gegenüber integer ist. Wie oft ist er schon durchs Feuer gegangen, um einen von uns den Arsch zu retten, als einer der Schreibtischtäter die Versetzung oder Entlassung gefordert hat? Aber kann er einschätzen, welcher Staatsanwalt ebenso vertrauenswürdig ist und nicht zu diesem Krebsgeschwür der Gesellschaft gehört? Da reißt mich ein Räuspern aus den Gedanken und ich schau zu Akito, der seit Beginn dieses Gespräches in der Ecke auf einen Stuhl sitzt und einfach nur da ist. Gelegentlich steht er auf und fordert von Herrn Oshita, dass er ein paar Minuten pausiert. Er scheint ihm gegenüber eine ähnlich fürsorgliche Stellung eingenommen zu haben, wie gegenüber dem Herrn Kaiba. Das ist beeindruckend, wenn man bedenkt, durch welche Hölle diese beiden jungen Männer gegangen sind und was für ein beachtliches Problem mit Nähe und Vertrauen sie haben müssen, wobei Herr Oshita wesentlich gefasster wirkt. Wenn ich raten müsste, würde ich mutmaßen, dass Herr Oshita bereits eine Bewältigungstherapie hinter sich hat. Auch seine Frau gibt ihm ganz offensichtlich den Halt und die Stärke, die er für dieses Gespräch braucht. Auch jetzt steht Akito auf und legt dem jungen Mann vor mir eine Hand auf die Schulter. Ich frage, ob wir für heute aufhören sollen, doch sofort schlägt mir von Herrn Oshita ein energisches 'Nein' entgegen. Doch Akito wendet ein, dass wir zumindest eine kurze Pause einlegen sollen. Dann fragt er, ob er etwas zu Essen holen gehen soll. Herr Oshita sieht nicht so aus, als würde er jetzt etwas essen können, dennoch nickt seine Frau und dankt Akito. Dieser nickt und verlässt mit seinem Mantel über den Arm den Raum. Derweil möchte Herr Oshita weitersprechen. Also beende ich den Wechsel der Speicherkarte und schalte das Diktiergerät erneut ein. Er berichtet weiter. Davon, wie man ihn herumreichte, auslieh, vermietete... wie er begann sich mit Drogen zuzuballern, damit er nichts mehr spürte. Aus der Hölle zumindest gedanklich ausbrechen zu können. Anfangs mit Tabletten, dann mit Pülverchen, die er sich in die Nase zog, schließlich jene Substanzen, die man sich spritzte. Die Konsequenzen des Konsums waren ihm damals egal gewesen, erzählt er mir ungewöhnlich offen. Nach einer halben Stunde kommt Akito mit zwei Plastiktüten zurück, in dem eine Menge kleinere Pappschachteln waren. Scheinbar hat er einmal die Karte eines chinesischen Restaurants hoch und wieder runter bestellt. Er packt alles aus, reicht jedem ein Paar Einwegstäbchen und verteilt dann noch einige Getränke. Dann reicht er Herr Oshita eine Pappschachtel und als der Jüngere diese öffnet staunt er und zum ersten Mal am heutigen Tag seh ich ihn lächeln. Scheinbar hat Akito nicht wahllos bestellt, geht mir durch den Kopf. Wir legen also eine Pause zum Essen ein, bevor es weiter geht. Gegen Mitternacht fällt mir auf, dass sich auch diese Speicherkarte langsam gefüllt hat. Ich kündige an, sie erneut zu wechseln, doch Herr Oshita hebt die Hand und meint, dass wir endlich am Ende angekommen seien. Ich bin verwundert und ziehe meine Stirn kraus. Nach meinen Notizen, die ich parallel zum Diktiergerät gemacht habe, sind wir bei der Erzählung erst bei Herrn Oshitas vierzehntes Lebensjahr angekommen. Als ich ihm das mitteile lächelt er mich unerwartet sanft an. Er meint, dass ab diesem Zeitpunkt es nicht mehr nur alleine seine Geschichte ist und er versprochen habe, darüber kein Wort zu verlieren. Erst verstehe ich nicht, doch dann erinnere ich mich an das Bild, auf dem Herr Kaiba von einem kaum älteren Jungen missbraucht wurde. Mein Gesprächspartner setzt noch ein letztes Mal an und erzählt, dass er mit sechzehn schließlich zu alt für die Kreise wurde und man ihn einfach in einer Gosse aus einem Wagen gestoßen habe. Völlig weggedröhnt. Er erzählt mir, wie er sich fortan mit Gelegenheitsprostitution über Wasser gehalten hat und mit Drogen seine Erinnerungen unterdrückt hatte. Bis zu jenem Tag an dem Akito ihn gefunden und in eine Entzugsklinik gebracht hatte. Dort war er clean geworden und hatte sein Leben geändert. Im Rahmen des Programms hatte er einen Job in einem Dōjō gefunden und in dem Meister dort einen Ziehvater. Und schließlich, als die Tochter des Meisters vom Studium wieder in die Heimat zurück kam, eine Frau. Ich wünschte, jedes Kind würde so ein Happy End erfahren. Mir ist klar, dass es nicht immer leicht in einer Beziehung mit einem so vorbelasteten Menschen sein kann. Doch eine Ersatzfamilie, einen Traumjob und dann eine Frau fürs Leben zu finden... was für ein Glück. Zum ersten Mal an diesem Tag lehnt sich Herr Oshita zurück gegen die Rückenlehne seines Stuhls und wirkt auf einmal erleichtert. Schließt für einen Moment die Augen und atmet tief durch. Seine Frau küsst ihn auf die Wange und könnte nicht stolzer aussehen. Dann fragt er mich, ob ich mit all dem, was er mir nun erzählt hat, etwas anfangen könne. Ich überfliege meine zwei Notizblöcke, die ich vollgeschrieben habe und runzle die Stirn. Das war eine bewegende Erzählung, aber im besten Fall steht das Wort des Herrn Oshita gegen das Wort der Männer, die er beschuldigt. Als er das hört nickt er nur, greift neben sich auf den Boden und holt diese übervoll Ledertasche hoch. Er holt mehrere Behälter aus ihr und ich runzle wieder die Stirn. Vorsichtig greife ich nach den Behältern, öffne sie und... bin entsetzt. Hunderte, wenn nicht tausende von Bildern eröffnen sich mir, die genau das dokumentieren, was mir der junge Mann in seinen eigenen Worten geschildert hatte. In einer Kassette finde ich Speicherkarten, auf denen wohl Videomaterial enthalten sein soll. Ich bin völlig baff. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)