Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 3: Einen Schritt auf ihn zu ----------------------------------- Es ist eigentlich jeden Tag das gleiche: Ich stehe auf. Badezimmer. Anziehen. Hausbüro. Ich schau meinen Terminplaner für den Tag durch, damit ich weiß was auf mich zukommt. Esszimmer. Frühstück mit Mokuba. Ich genieße diese kurze Zeit mit meinem kleinen Bruder. Ich genieße die Zweisamkeit mit ihm. Mir ist bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist. Egal, ich schweife ab! Nach dem Frühstück bring ich Mokuba zur Schule und lass mich dann selbst absetzen. Schule! Die meisten meiner Mitschüler könnten darauf verzichten. Sie sind genervt, gelangweilt und empfinden es als lästige Pflicht. Die wissen gar nicht, was für ein Privileg es ist zur Schule zu gehen. Keiner von ihnen ist je von einem Hauslehrer unterrichtet worden. Teilweise bis zu vierzehn Stunden am Tag. Jeden Tag. Keine Freizeit. Keine Wochenenden. Keine Ferien. Das hier ist Entspannung! Ich gebe mich, wie die meisten von euch, genervt. Gebe mich nach außen so, als könnte ich mit meiner Zeit etwas besseres anfangen. Als wäre es lästig jeden Tag zur Schule zu kommen, hier bis nachmittags im Unterricht im Klassenverband zu sitzen und mich mit Themen langweilen zu lassen, die ich schon vor Jahren im Heimunterricht durchgenommen habe. Aber die Wahrheit ist: Ich will hier sein! Montag bis Freitag! An einer staatlichen Schule. Mit dem ganzen Geld hätte ich auch auf eine Privatschule gehen können. Genauso wie ich Mokuba auf eine Privatschule hätte schicken können. Wollte ich aber nicht. Nach all den Jahren, die ich in Isolation alleine unterrichtet worden bin, wollte ich erfahren, wie es ist ein normaler Schüler an einer normalen Schule zu sein. Ich beobachte meine Mitschüler. Ihre Sorglosigkeit. Ihre Probleme. Das was ihnen wichtig ist. Und beneide sie! Beneide sie darum, dass sie sie selbst sein dürfen. Dass sie keine andere Verantwortung tragen müssen, als die für sich selbst! Sie haben keine Firmen zu leiten! Tragen keine Kämpfe aus! Mit dem eigenen Vorstand, der zu alt und engstirnig für junge und moderne Konzepte ist. Der mich ständig irgendwie austricksen und mir die Firma wegnehmen will. Der Geschäftswelt, die mich nicht für voll nimmt, weil ich in ihren Augen noch ein 'Kind' bin. Ein 'Kind', das mehr auf dem Kasten hat, als sie jemals haben werden! Was ihnen nicht passt. Aber sie kommen nicht an mir vorbei! Mit dem Gericht, dass mir meine Mündigkeit nicht gewähren will. Das sich so auf mein Alter versteift, dass es gänzlich ignoriert, wer und was ich bin. Was ich schon geleistet habe. Doch mein Anwalt hat das durchgeboxt. Hat auch nur zwei Richterwechsel benötigt! Dem Jugendamt, dass meine Vormundschaft über Mokuba nicht anerkennen will! Das droht ihn mir wegzunehmen. Die Angst, dass ich nach Hause komme und da ist kein Bruder mehr, begleitet mich tagtäglich. Noch kann ich das Jugendamt auf Abstand halten, aber nur ein Fehler... mir graut es bei dem Gedanken, dass ein Beamter zu uns nach Hause kommt und mir Mokuba wegnimmt. Ich würde keinen der Kämpfe durchhalten, wenn ich mir mit der Schule keine Verschnaufpause erzwingen würde. Niemand kann etwas dagegen sagen, wenn jemand in meinem Alter die Oberschule besuchen möchte. Schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass ich ohne einen Oberschulabschluss keine Chance hätte auf eine Uni zu kommen. Nicht das ich studieren will oder müsste! Auch dieses Wissen wurde mir von meinem Hauslehrer und ihm... von Gozaberu eingeprügelt... wortwörtlich! Doch auch wenn ich das hier alles freiwillig mache, zeigt es mir doch auch so oft, was ich nicht habe und nicht haben kann! Ich bin nicht wie die anderen hier. Schon am Anfang hab ich gemerkt, dass ich keinen Zugang zu meinen Mitschüler finde. Oft reagiere ich schneller, als es mir lieb ist. Auf diese mir typische Art und Weise - wie man mir mittlerweile nachsagt. Abfällig. Sarkastisch. Eiskalt. Sie alle denken, weil ich mich für etwas besseres halte, als sie es sind. Aber tatsächlich - und es fällt mir nicht leicht, das auch nur zu denken - weil ich Angst davor habe, was passieren könnte, wenn ich die anderen nicht auf Abstand halte. Was, wenn ich versucht hätte, Freunde zu finden und niemanden gefunden hätte? Würde die Einsamkeit dann nicht noch mehr schmerzen? Denn dann wäre sie nicht mehr selbstgewählt sondern aufgezwungen! Was, wenn ich einen Freund gefunden hätte, dem ich meine Gedanken und Gefühle anvertraue, und er mich verrät? Meine Gedanken und Gefühle an die Presse verkauft? Nur um ein bisschen Geld zu machen. Sich für eine kurze Weile ein besseres Leben zu erkaufen. Durch die Presse beeinflusst könnte das Amt meine Vormundschaft endgültig ablehnt? Ohne Mokuba hätte ich keine Kraft für das Theater in der Firma. Sähe in all dem keinen Sinn mehr. Nur Mokuba zuliebe hole ich alles aus mir raus. Er ist mir das Wichtigste. Ich habe ihm versprochen uns aus der Armut zu befreien. Dieses Versprechen hab ich gehalten. Zu welchem Preis? Das ist egal! Den hab ich alleine bezahlt. Damit mein Bruder alles hat, was er braucht und noch viel mehr darüber hinaus. Hab damit die Zeit, als uns niemand wollte, als wir auf die Mildtätigkeit Fremder angewiesen waren, weggewischt. Sicherlich kann er sich heute nicht mal mehr erinnern, dass es eine solche Zeit gab. Wie kann ich da, durch meine selbstsüchtigen Träume und Wünsche, auch nur in Betracht ziehen, dass alles zu gefährden und zu riskieren? Also bleibe ich für mich! Halte jeden auf Abstand! Bekomme Bestnoten! Erreiche einen Erfolg nach dem anderen in meinem Geschäftsleben! Ich bin eine Erfolgsstory! Also was jammere ich hier über Einsamkeit und Isolation rum? Längst sind alle gewohnt, mir aus dem Weg zu gehen. Kreuzt einer meinen Weg kriecht er umgehend wieder unter den Stein, unter dem er zuvor hervor gekrochen ist! Ab und zu gönn ich mir soziale Interaktion. Manchmal. Aber ohne Gefahr zu laufen, dass mir jemand zu nahe kommt. Einige wohlplatzierte Worte und die Reaktion von gewissen blonden Straßenköter sind abzusehen. Ein wenig Schlagabtausch. Nur kurz. Weil ich es für diesen Moment genieße nicht alleine in der Ecke zu stehen! Für einen kurzen Moment bin ich Teil von etwas. Nur bis der Schlagabtausch fertig ist. Dann steh ich wieder außerhalb. Wie immer bin ich zur Mittagspause aufgestanden und in den Waschraum gegangen. Ich mach das nicht, weil ich so dringend meine Blase entleeren müsste. Es ist eher die Flucht vor den Blicken meiner Mitschüler, wenn sie zur Mittagspause aufbrechen und das Klassenzimmer verlassen, während ich sitzen bleibe. Für gewöhnlich kehr ich in das Klassenzimmer zurück, nachdem die Flut der Schüler die Gänge verlassen hat. Setze mich an meinen Laptop. Arbeite etwas für den Nachmittag vor. Nicht weil ich müsste! Ich täusche damit nur darüber hinweg, dass niemand mit mir die Pause verbringen möchte! So erwecke ich den Anschein beschäftigt zu sein. Doch als ich heute aus dem Waschraum zurück kehre, ist etwas anders, als sonst! Mein Laptop liegt wie üblich auf dem Tisch. Doch auf ihm... auf ihm steht etwas! Etwas, was da nicht hingehört! Ich blicke in den Flur vor dem Klassenzimmer: Leer! Noch ein prüfender Blick in das Klassenzimmer: Leer! Außer mir ist keiner da. Zögerlich trete ich an meinen Platz heran. Das ist definitiv eine Bentō Box auf meinem Laptop. Keine gekaufte oder aus einem Automaten gezogene Bentō Box. Es ist eine schlichte schwarze Bentō, die man selbst befüllt und auf der ein Faltkärtchen steht. In klaren, schnörkellosen Schriftzeichen steht da 'Guten Appetit, mein Drache!'. Jetzt steh ich hier, wie vom Blitz getroffen und weiß nicht was ich tun soll! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)