Heute scheint die Sonne schwarz von Nosferatu-kyoudai ================================================================================ Prolog: Windstille ------------------ Die Abendsonne hüllte das Zimmer in ein warmes, nahezu brennendes Orange. Die weißen Laken, Wände und auch die hellen Linoleumböden wurden nicht davor bewahrt, ihre Wärme aufzunehmen und kurzerhand selbst zu reflektieren. Es war sehr ruhig an diesem Abend. Normalerweise hörte man um diese Zeit noch wenigstens ein, zwei Vögel zwitschern, welche den baldigen Untergang der Sonne verkündeten. Oder das gedämpfte Raunen das von draußen kam, welches von einigen Kindern stammt, die, bewusst oder unbewusst, das Abendessen versäumten um noch eine letzte Runde Fußball zu spielen, ehe die unvermeidbare Dunkelheit hereinbrach. Oder das entfernte Geräusch, welches ein Flugzeug machte, während es sich langsam und unbemerkt durch den Himmel bohrte und einen langen Kondensstreifen hinterließ. Aber heute war alles still. Der nicht ignorierbare Geruch von Desinfektionsmittel ernüchterte das Bild, welches zunächst einen solch friedvollen Eindruck hinterließ. In der Ecke des Raumes befand sich das Bett mit der dazugehörigen Insassin. Diese warf einen müden Blick gen Fenster und sog in aller Friedsamkeit all die Wärme, die auf sie fiel, in sich ein. Trotz ihrer erschöpften Augen, strahlte sie eine enorme Ruhe aus. Nachdem sich nun auch ein zurückhaltendes Violett der Dämmerung anschloss, wandte sie ihr Gesicht langsam in die andere Richtung. Die grellen Strahlen, welche noch verblieben waren, schenkten ihren Wangen die nötige Farbe und unterstrichen, dass sie immer noch eine äußerst schöne Frau war. Lächelnd blickte sie in das Gesichts eines Mannes, etwa Anfang dreißig, welcher aufmerksam auf dem Stuhl neben ihrem Bett saß und hellhörig auf ihre nächsten Worte wartete. Dabei drückte er ihre Hand ein klein wenig fester. "Du brauchst nicht so gespannt zu tun, ich wollte lediglich sehen, ob Du noch wach bist.", erlöste sie ihn heiter auflachend von seiner aufkommenden Anspannung. Ihrem Gegenüber wollte allerdings kein rechtes Lachen gelingen, selbst ein Schmunzeln war eine anstrengende Angelegenheit. Dabei hatte die Frau noch nicht einmal einen schmerzhaft-komischen Wortwitz erzählt. Nachgebend streichelte sie seine Hand, woraufhin es dem Herrn letztendlich doch ein schwaches Lächeln entlockte. "Ich...ich könnte hier niemals schlafen....!", erwiderte er nach kurzem Zögern fast schon versichernd. Es war klar, auf welchen Seiten die Beiden standen und auch wie unterschiedlich ernst es der Jeweilige nahm. Die Frau antwortete nur kurz mit einem nahezu neckischen Schmunzeln, was ihr Gegenüber auf der einen Seite hilflos erscheinen, auf der anderen Seite aber dann doch auch aufatmen ließ. "Weißt Du...das hier...erinnert mich ein wenig an Love Story. Irgendwie hat das auch etwas Romantisches, findest Du nicht?", ihr Blick wanderte zurück zum Fenster während sie dies sagte. Orange und Gelb loderten immer noch da, aber sie drohten von Violett verschlungen zu werden, mit Hilfe von Blau, welches sich am oberen Ende dazu geschlichen hatte. "Roman...Du findest das hier romantisch?!" Empörung und auch ein ungläubiger Blick antworteten auf die vorherige Aussage. Trotz des Faktes, dass die Beiden sich in einem Krankenzimmer befanden, trotz der gegenwärtigen Situation, trotz der Tatsache, dass der Abend schon weit voran getreten war - trotz all dieser und weiterer Umstände konnte sie es nicht lassen, den nahezu erdrückenden Ernst mit ungenierter Unbeschwertheit etwas aufzulockern. Ein bisschen unterdrückte sie ihr leises Lachen, aus Rücksicht auf ihn. "Ach, lass mich doch. Wenn es meine Art ist, damit umzugehen?", wieder blickte sie ihn mit diesem Lächeln der Ruhe selbst an. Sie kannten sich schon eine lange Zeit und auch kannten sie viel voneinander. Doch es gab immer noch so einige Macken und Dinge, die er bei ihr nicht verstand. Und in Zukunft wahrscheinlich auch nicht mehr zu verstehen lernen würde. Nichts desto trotz änderte dies nichts an seiner Verbindung zu ihr und die Abhängigkeit die eine solche Zuneigung mit sich brachte. Auf eine leicht resignierende Art, versuchte er nun das Gespräch etwas umzulenken. "Soll...möchtest Du, dass ich morgen mit Cadie vorbeikomme?" Die Frau antwortete mit einem ruhigen Nicken. Ihre Augen strahlten trotz all der Müdigkeit etwas Hoffnungsvolles aus. Doch selbst diese trostreiche Geste, konnte die Sorgenfalte, welche sich zwischen seinen Augenbrauen bildete, nicht weniger tief erscheinen lassen. "Du wirkst so furchtbar gestresst...", bemerkte sie und strich ihm darauf sanft mit der freien Hand über die Wange. Tatsächlich wirkten seine Augen ähnlich erschöpft wie die ihrigen. Doch waren sie nicht so friedvoll wie diese. Sie waren voller Sorge und Bange, doch das Schlimmste war, dass sie versuchten eben diese nahezu mit Gewalt zu unterdrücken, um sie von Aussenstehenden auf keinen Fall bemerkbar zu machen. Zu dumm, dass es trotz all der Mühe nicht gelang und sogar von einer müden, unter Morphium stehenden Frau enttarnt wurde. "Ist es viel Arbeit? Wenn Du möchtest, kann ich Dir ein wenig helfen.", er ließ sie schon fast gar nicht zu Ende sprechen, sondern schnitt eilig ein: "Nein! Bist Du wahnsinnig...?" "Ja, aber warum fragst Du das jetzt auf einmal?", mit einem neckischen Grinsen schmückte sie ihre schlagfertige Antwort. Er musste einen Moment inne halten, ehe er weitersprechen konnte. Diese Frau verblüffte ihn immer wieder auf's Neue und das obwohl er nichts anderes von ihr gewöhnt war. Denn mit dem Wahnsinn hatte sie nicht ganz Unrecht. "Weil...", fing er zaghaft an. Sie lauschte und wartete gespannt, aber geduldig auf das Folgende. Hatte er etwas von ihrer Schlagfertigkeit abbekommen? "...weil ich nicht möchte, dass meine Frau ihre eigene Beerdigung plant." "Und warum?" "Keeva, jetzt an Deinem makaberen Humor zu feilen ist wirklich alles andere als...", mittlerweile wusste sie, wo die Grenzen lagen. Zwar überschritt sie diese meist dennoch, allerdings gab es dann ja immer noch die Obergrenze der Grenze. Und diese sollte man dann besser doch nicht übertreten. Es gehörte zu einer Art Ehrencodex. Und da Keeva eine ehrenhafte Frau war und auch als solche in Erinnerung behalten werden wollte, nahm sie eben jene Grenze an dieser Stelle wahr und entschuldigte sich. Es tat ihr gut so zu sein und am liebsten hätte sie mit ihm genauso weiter gemacht wie zuvor. Als sei überhaupt nichts gewesen. Doch ihr war klar, dass er das nicht konnte. Also beschloss sie ihn mit ihren Eigenarten etwas von der Realität abzulenken, ein wenig dabei auch selbst zu vergessen, wo sie hier eigentlich war. Doch wenn sie sah, dass es ihm zu viel wurde, dann nahm sie Rücksicht. Und zeigte ihm diese auch. Diese Geste nahm er trotz anfänglicher Aufregung stets wahr und er schätzte diese sehr. "Ich liebe Dich. Und ich weiß, dass Du all das schaffen wirst, auch wenn es unbezwingbar und furchtbar einschüchternd erscheinen mag, im Moment. Wenn Du mal doch zu große Angst haben solltest, denk an das was ich gesagt habe, ja?" "Aber Du hast so viele Sachen gesagt..." "Dann solltest Du sie Dir vielleicht aufschreiben?" "Möchtest Du, dass ich eine ganze Oktologie verfasse...?", einen winzigen Bruchteil ihrer Schlagfertigkeit scheint er doch für sich gewonnen zu haben. Überrascht und gespielt empört lachte sie wieder auf, bevor es verstummte und ein ungewohnt wehmütiger Ton eintrat: "Hör nur noch ein klein wenig länger zu. Bald werde ich ruhig sein." Diese ungewohnte Düsterheit ihrerseits bedrückte ihn etwas. Fast waren ihm ihre schwarzgetränkten Kommentare schon lieber, denn dabei wirkte sie zumindest unbesorgt. Gemächlich führte er ihre Hand, welche er die ganze Zeit über umschlossen hatte, zu sich und küsste sie. Ein Augenblick der Stille. "Singst Du mir noch etwas vor, bevor Du gehst? Du brauchst auch nicht zu warten bis ich vollkommen eingeschlafen bin. Nur ein bisschen." "Du möchtest dass ich singe? Du weißt doch, dass ich ein grauenvoller Sänger bin, oder?" "Ja, das stimmt.", er hätte nun wieder Grund gehabt beleidigt zu sein, aber stattdessen stimmte er in ihr Lachen mit ein. Denn irgendwann war ihm aufgefallen, dass Lachen doch um einiges leichter war, als Trübsal zu blasen und das Gesicht zu verziehen. Nachdem ihr kleiner Anfall etwas verklungen war, streichelte er ihr behutsam über die Stirn und fragte, was sie denn gerne hören würde. Sie antwortete, dass ihr jedes Lied recht sei. "Ich kann das was auf mich wartet in Kauf nehmen. Aber die Stille, die kann ich nicht ertragen." 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