We Remain: Cocoon von Dorkas ================================================================================ Prolog: Gute Geschichten beginnen mit dem Tod --------------------------------------------- Alle guten Geschichten beginnen mit dem Tod. In diesem Fall mit dem Tod eines ganzen Landes. Leid und Trostlosigkeit herrschten lange Zeit unter den Menschen und die ewige Reise schien kein Ende nehmen zu wollen. Nach der Zerstörung der vorherigen Welt musste es eine neue geben. Eine bessere Welt, in der sie nun alles richtig machen würden. Zumindest dachten sie es. Aber wie es sich herausstellte, waren die Menschen nicht perfekt und erschufen eine neue Hölle auf Erden. Die wenigen, die noch dort waren, wurden entzweit und in vier Bezirken eingepfercht, abgetrennt durch Zäune wie Vieh. Im Inneren dieser neuen Hölle gab es eine hohe, kreisrunde Mauer, die niemand überwinden konnte. Nach einiger Zeit geriet sie sogar in Vergessenheit. Wahrscheinlich war es auch besser so. Die armen Teufel, die in dieser Hölle leben mussten, sollten lieber nichts davon wissen. Was sich dahinter verbarg, sollte für immer ein Geheimnis bleiben. Die Welt war von Katastrophen heimgesucht worden und die natürlichen Gegebenheiten, die zum Überleben wichtig waren, hatten sich verändert. Es gab keine normalen Jahreszeiten mehr. Sie wurden auf die vier Bezirke aufgeteilt, sodass in ihnen jeweils Frühling, Sommer, Herbst und Winter herrschte. Daher benannte man die unterschiedlichen Bereiche auch nach ihnen: Spring, Summer, Autumn und Winter. In ihnen herrschten andere Temperaturen, andere Witterungsverhältnisse und unterschiedlich gute Möglichkeiten zu überleben. Auch das Wissen um die Technik der letzten Jahrhunderte war verloren gegangen. Nur die wenigsten hatten in ihrem bisherigen Leben bereits ein Auto gesehen. Nach mehreren Jahrhunderten wussten die Menschen nicht einmal mehr, wieso sie so leben mussten und hatten sich ihrem Schicksal ergeben. Es hatten sich eigene kleine Gruppierungen gebildet, ja sogar eine Monarchie in Summer, aber alles stand unter der Fuchtel einer Regierung, die noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte. Diese hatte einige Regeln festgelegt, nach denen alle zu leben hatten. Jedes Kind, das geboren wurde, erhielt im richtigen Alter eine Tätowierung, die symbolisieren sollte, aus welchem Bezirk es stammte. In Spring waren es oft bunte Blumen, in Summer bestimmte Früchte, Autumn hielt sich an das verschieden farbige Laub und Winter an kunstvolle Schnee- und Eisgebilde. Einige trugen sie offen, weil sie stolz waren dort leben zu dürfen. Die meisten verbargen sie still und heimlich und zeigten sie nur nach Aufforderung. Was wären Regeln, wenn es nicht auch diejenigen gab, die sie brachen. Diese verdammten Wahnsinnigen nannte man Stray. Streuner, die es wagten, die in die Jahre gekommenen Zäune zu passieren, um in anderen Bezirken jagen zu gehen oder diese einfach zu bereisen. Die Regierung ging mit einer ganz einfachen Regel dagegen vor: Jeder, der einen Stray in seinem Bezirk entdeckte, musste diesen auf der Stelle töten. Natürlich weigerten sich einige, doch diese verschwanden häufig auf mysteriöse Art und Weise. Wieder andere waren vollkommen besessen davon, das armselige Leben dieser verzweifelten Seelen auszulöschen. Die Menschen fragten sich, warum die Regierung nicht für eine Reparatur der Zäune sorgte, um dem Töten von Strays vorzubeugen. Nun waren sie sich sicher: Sie wollten, dass es dazu kam. Ob zu ihrer Belustigung oder zum Dezimieren der Bevölkerung war letzten Endes egal. Fakt war, dass einige ohne die Strays, die ihre Beute auf den Schwarzmärkten verkauften, in ihren Bezirken gar nicht lebensfähig waren. Sie waren alle miteinander verbunden, auch wenn das offenbar niemand begreifen wollte. Sie brauchten einander, so wie es früher einmal war. Doch dieses Früher gab es nicht mehr. Es war wie alles zuvor in Vergessenheit geraten. Leere beherrschte die Herzen der Lebenden und ihre leidvollen Schreie wollte niemand hören. Angst regierte das Land und die meisten schlossen lieber die Augen als sich ihr zu stellen. Es musste sich etwas ändern, doch solange sie nicht alle zusammen hielten, war es eine aussichtslose Situation. Und wer glaubte schon an einen Zusammenschluss der vier Bezirke? In diesem System war sich jeder selbst der Nächste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)