Momente von Alaiya ([One-Shots und Drabbles]) ================================================================================ Das Artefakt ------------ Tatsu beobachtete die Kitsune, deren rotes Haar so ungewöhnlich wirkte. Er wusste, was sie war. Es sollte ihn nicht wundern. Noch immer wusste er nicht, warum er sie hatte finden sollen. Er wusste nicht, was der junge Mann gemeint hatte, doch kam er nicht umher sie faszinierend zu empfinden. Die Kitsune begutachtete die Speisen auf dem Tisch zwischen ihnen. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie distanziert. Er räusperte sich und strich eine Strähne seines langen Haares aus dem Gesicht. „Das weiß ich selbst nicht,“ antwortete er dann ehrlich. „Ich wurde gefunden, Sie zu finden. Man sagte mir, dass Sie mir Antworten geben könnten.“ Ein amüsiertes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, während sie ihn aus goldenen Augen musterte. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu. „Dafür der ganze Aufwand? Sie hätten mich am Schrein fragen können.“ „Man hat mir gesagt, dass Sie und Ihresgleichen eine Gegenleistung für Antworten verlangen,“ erwiderte er. Sie kicherte und musterte ihn wieder. „Je nach der Art der Auskunft bevorzugen wir es, die Bezahlung selbst festzulegen.“ Tatsu verschränkte die Arme und sah sie an. Sie war hübsch, doch war das wohl von einer Kitsune zu erwarten. Hatten sie in vielen Mythen nicht aus den Aspekt von Verführern? Insofern war es wohl wenig überraschend. Bemühte sie sich absichtlich, ihn wenig Beachtung zu schenken? Während er schwieg, begann sie etwas von den Sobanudeln aus dem Bambuskorb zu fischen und durch die Soße zu ziehen. Sie schien zu warten. Er sah sich um, doch natürlich waren sie allein. Sie hatten den Raum des Restaurants für sich. Dafür hatte er gezahlt. Also öffnete er den Lederbeutel und zog das jadefarbende Messer hervor. „Was können Sie mir dazu sagen?“, fragte er und legte es auf den Tisch. Ruhig legte sie ihre Stäbchen ab und nahm das Messer her. Sie zog es aus seiner Scheide und enthüllte so die glimmende Klinge. Dann sah sie wieder ihn an, eine gewisse Neugierde in den goldenen Augen. „Ein Artefakt.“ „Was für ein Artefakt?“, fragte er. Sie kicherte. „Ein magisches Messer.“ Zog sie ihn auf? Wollte sie ihn ärgern? Er wartete auf eine weitere Antwort, während sie die Klinge in ihren Händen wendete und die Inschrift begutachtete. „Wo haben Sie das Messer gefunden“ – sie zögerte – „Tatsu-san?“ Sie schien zu merken, dass etwas mit dem Namen nicht stimmte. Kaum verwunderlich, war es doch kein normaler Name. „In einer Höhle,“ erwiderte er. „Jemand hat mir einen Hinweis gegeben.“ Er streckte die Hand aus und sie gab ihm das Messer zurück. „Was haben Sie in dieser Höhle gemacht?“, fragte sie weiter. „Wie gesagt: Jemand hat mir einen Hinweis gegeben,“ antwortete er. Wie sollte er es erklären? „Ich habe eigentlich etwas anderes gesucht.“ Wieder wurde ihr Lächeln verschmitzt. „Und Sie glauben, dass meine Antwort Sie zu dieser anderen Sache führen könnte?“ Er nickte. Musterte sie. Eine Strähne des Haares hatte sich von ihrer Spange gelöst und war ihr über das linke Auge gefallen, von wo sie sie nun sehr betont zurückschob. Was war ihr Ziel? Wollte sie ihn testen oder nur einen Spaß mit ihm treiben? Wieder musterte er sie und bemerkte, dass ihr Oberteil, dessen Schnitt einem Yukata nachempfunden war, etwas loser um die Brust zu sitzen schien, als zuvor. Versuchte sie wirklich ihn zu verführen? Wieso? „So in etwa,“ antwortete er. Die Kitsune schwieg und füllte dann etwas von dem eigentlich schon zu weit abgekühlten Sake in die zwei Tassen. Sie trank, während er zögerte. „Ich kann Ihnen so viel sagen,“ sagte sie. „Das Messer ist einst von einer Gottheit erschaffen worden. Es ist alt. Und man hat es lange vermisst.“ „Von was für einer Gottheit?“, fragte er. „Einem Beschützer,“ erwiderte sie. „Einem der Schützer dieser Stadt. Es war ein Artefakt, das einem Helden gegeben wurde.“ „Ich verstehe.“ Zögernd griff er nach dem Sakebecher und trank, während er das Messer weiter musterte. Hatte er etwas mit diesem Helden zu tun? „Wissen Sie mehr darüber?“ „Ich kann mehr herausfinden,“ antwortete sie. „Wenn Sie wollen.“ Dann lächelte sie. „Doch wollen wir nicht erst essen? Die Speisen werden kalt.“ Er nickte und nahm selbst etwas von dem Gemüse, zögerte aber, bevor er aß. „Was ist die Bezahlung, die Sie dafür verlangen würden?“ Wieder erschien das verschmitzte Lächeln auf ihren Lippen. „Ein Teil Ihres Geheimnis“ – ein erneutes Zögern – „Tatsu-san.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)