Momente von Alaiya ([One-Shots und Drabbles]) ================================================================================ Heimat ------ War es wirklich ihre Heimat? Sie erinnerte sich kaum noch daran, hier gelebt zu haben. Es war über dreißig Jahre her. Dreißig Jahre, dass ihre Eltern hier fort gezogen waren. Joanne kam nicht umher, sich zu fragen, ob sie das Haus, in dem sie einst gelebt hatte, überhaupt noch erkennen würde. Viel eher erinnerte sie sich an einen laufenden Fernseher, an verschiedene Kindermädchen, Au Pairs und etwaige Ausflüge an den Strand - mit den Au Pairs natürlich. Ihre Eltern waren, zumindest soweit sie sich erinnern konnte, nie mit ihr irgendwohin gegangen. Es sei denn, man hatte sie in ein hübsches Kleid gesteckt, um sie auf irgendeinem Geschäftsessen vorzuführen. Sie sah zu dem Steg, der auf das Meer hinausführte. Kleine Holzhäuser zierten den Steg und sie war sich sicher eins davon, ein kleines Eiscafé, noch zu erkennen. Ja, sie war sich recht sicher, dort einmal Eis gegessen zu haben. Ach, was hatte sie sich nur dabei gedacht, hierher in den Urlaub zu fahren? Sie hätte wissen müssen, dass es keinen Unterschied machte. Wahrscheinlich wäre das Mittelmeer schöner gewesen. Amy dagegen störte das alles nicht. Breitbeinig saß sie in ihren blauen Badeanzug im Sand und hob mit Begeisterung einen Graben um eine Sandburg herum aus. Das Gesicht der Fünfjährigen war vollkommen konzentriert, als sie den Sand, den sie ausgehoben hatte, der Burg hinzufügte und ihn festklopfte. „Soll ich dir etwas cooles zeigen?“, fragte Murphy, der, wie ein guter großer Bruder daneben hockte. Amy sah ihn mit großen Augen an. „Ja“, nuschelte sie dann. „Gib mir mal deine Schaufel“, meinte der junge Mann daraufhin und begann, kaum, dass er die Schaufel hatte, den Graben in Richtung des Meeres zu verlängern. Matt lächelte Joanne und legte sich auf dem Handtuch zurück. Irgendwie war es hier friedlicher, als sie es in Erinnerung hatte. Oder eher verlassener. Kaum jemand anderes war tatsächlich am Wasser, geschweige denn drin. Nur einzelne Personen liefen Barfuß durch die Brandung. War es den meisten bereits zu kalt? Blinzelnd sah sie in den spätsommerlichen Himmel hinauf, wo einzelne flache Wolken blass das Licht der Sonne reflektierten. Eigentlich war es warm genug, beschloss sie. Vor allem das Wasser war noch warm. Doch wahrscheinlich gingen die meisten Leute ohnehin eher nach Kalender und Gefühl. Für einen Moment erlaubte sie sich, die Augen zu schließen. Es würde nichts passieren. Es würde nichts passieren … Ein begeistertes Quietschen, ließ sie sich wieder aufrichten. „Schau mal, Mommy“, rief Amy aus. Joanne schaute. Die Brandung hatte Wasser durch den Kanal, den Murphy gegraben hatte, gespült, dass nun den vermeintlichen Burggraben füllte. Die Augen des Kindes glitzerten vor Begeisterung, während sie zusah, wie neue Wellen immer wieder etwas mehr Wasser in den Graben spülten und dessen Wände damit glätteten. Mit einem Lächeln stand Joanne auf, um sich zu ihrer Tochter zu setzen. „Habt ihr das gebaut?“, fragte sie bemüht ihre Stimme beeindruckt klingen zu lassen. „Ja“, versicherte die Kleine ihr. „Murphy hat mir geholfen!“ Joanne sah zu ihrem Adoptivsohn, der ihr zuzwinkerte. „Gut gemacht, Kid.“ „Was man nicht alles tut“, meinte er süffisant. Eine andere Stimme erklang. „Na. Bauarbeiten abgeschlossen?“ Joanne hatte gar nicht gemerkt, dass Joachim mit einer vollen Tüte, auf der das Logo eines Imbisses abgedruckt war, den Strand hinabgekommen war. „Oh, gibt es etwas zu essen?“, fragte Murphy. Joachim lächelte ihn an. „Nur für brave Jungen.“ Mit einem leisen Lachen wandte Joanne sich ihm zu. „Er war heute einmal ausnahmsweise brav.“ Damit stand sie auf und bückte sich zu Amy hinab. „Lass uns etwas essen, Schätzchen.“ Auch davon schien das Kind begeistert. „Okay!“ Damit hob Joanne ihre Tochter auf, um sie zu ihrem Strandtuch hinüber zu bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)