Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 71: Turn 66 - Eli ------------------------- Turn 66 – Eli     „Was sollte ich mit dir beabsichtigen?“, fragte Xiphos offen heraus, als er nach seinem Deck griff und aufzog. Noch immer sah er Nick mit diesem neugierigen, dennoch geheimnisvollen Gesichtsausdruck an. Als wüsste er die Antwort auf dessen Gedankengänge nur zu genau.   Die von ihm erschaffene Illusion einer endlosen, flachen Wiesenlandschaft an einem wolkenlosen, blauen Sommertag täuschte. Tatsächlich war es bereits früher Abend, vor einem Moment hatten sie sich noch in Xiphos trister, dunkler Wohnung befunden. Nina, die dem Geschehen zu Nicks Rechten beiwohnte, strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Sie konnte es kaum erwarten, den barfüßigen, brünetten Teenager in Aktion zu sehen. Noch dazu, weil er so normal wirkte, harmlos. Aber das war er nicht, wusste Nick. Nicht, wenn er sich selbst als Freund des Sammlers bezeichnete.   Daher hatte Nick von Anfang an mit vollem Einsatz kämpfen müssen. So hatte seine [Wind-Up Carrier Zenmaity]-Schleife Xiphos sämtliche Handkarten gekostet, sodass er nach seiner Draw Phase nur eine einzige besaß. Dazu verfügte Nick über den violetten Kampfbomber mit den Zangenarmen vor den Tragflächen, um welchen dazu noch zwei leuchtende Sphären rotierten. Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 2]   Anders als Xiphos hielt er vier Karten auf der Hand. Da bisher nur Nick am Zug gewesen war und seinem Gegner keinen Schaden zugefügt hatte, blieb der Lebenspunktestand bisher noch unberührt.   [Nick: 4000LP / Xiphos: 4000LP]   „Du hast mich wirklich in Schwierigkeiten gebracht“, gestand der Bursche, dessen hellbraunes T-Shirt bereits deutlich abgetragen war. Seine ganze Erscheinung wirkte verwahrlost, wie Nick sich erst jetzt gewahr wurde. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen“, lächelte Xiphos ihn an, „mir geht es gut. Und auch wenn ich im Nachteil bin, bekommst du einen würdigen Gegner.“ Er nahm seine einzige Karte und legte sie auf die Duel Disk. „Ich beschwöre normal: [Qliphort Helix].“ Ein grelles Licht begann weit über ihm zu leuchten. Es formte sich zu einer mehr als merkwürdigen Gestalt. Das hintere Ende wirkte wie eine Glühbirne, von welcher aus sich zwei Stränge wie eine Spirale nach vorne arbeiteten, einer golden, der andere metallisch. Oberhalb der Spitze befand sich an der merkwürdigen, zeppelinartigen Maschine eine Kommandozentrale, die einer Sänfte nicht unähnlich war. „Die sehen alle so seltsam aus, aber keine Bange. Wenn ich Qliphorts ohne Tribute beschwöre, sind sie harmlos und sinken auf 1800 Angriffspunkte sowie Stufe 4 ab.“   Qliphort Helix [ATK/2400 → 1800 DEF/1000 (6 → 4) PSC: <9/9>]   „Da das leider nicht genug ist, um die Verteidigung deines Monsters zu überwinden, beende ich meinen Zug“, sagte Xiphos und fügte noch an, „enttäuschend. Tut mir leid, Nina.“ Die rothaarige Reporterin in ihrem schwarzen Kostüm war so überrascht, dass es ihr glatt die Sprache verschlug. Dann winkte sie heiser ab. „N-nicht doch, so war das gar nicht gemeint!“ Erstaunlich, vor Dämonen hatte sie also Respekt, schoss es Nick grimmig durch den Kopf. „Anders als du, krah!“, hallte es von Nicks Schulter, auf welcher die schwarze Krähe Sparkly saß, tatsächlich aber ein Schattengeist war. Genau wie Snuggly, jenes Federvieh, die auf Xiphos' linker Schulter hockte. „Ja, respektlos, raw!“ Ihre Daseinsberechtigung hatte Nick nach wie vor nicht durchschaut. Doch das interessierte ihn in diesem Moment weniger als die Tatsache, dass sein Gegner ziemlich wenig aus seinem Zug gemacht hatte. Lag es an den nicht vorhandenen Optionen? Zumindest muteten diese Qliphorts ihm seltsam an, wenn sie alle Tributmonster waren, die für Angriffseinbußen in geschwächter Form gerufen werden konnten. Sich davon nicht verunsichern lassend, griff der zerzauste, junge Mann in seinem Hawaiihemd nach der Battle City-Duel Disk an seinem Arm und zog. „Draw!“ Die aufgezogene Falle betrachtend, schob er sie sogleich in den Apparat, sodass sie zischend vor seinen Füßen erschien. „Du bist also ein Freund des Sammlers?“ „Ja“, nickte Xiphos. „Überrascht?“ „Ich wusste nicht, dass der Sammler Freunde hat.“ „Dummerchen. Jeder hat Freunde“, kicherte der Jugendliche, korrigierte sich dann aber grinsend: „Fast jeder.“ Als Nick die nächste Karte ausspielte und auf eine Monsterzone legte, fragte er: „Und über welche Art von Freundschaft reden wir? Gegenseitiger Profit, gute Geschäftsbeziehungen-“ Der Junge unterbrach ihn: „Freundschaft. Du weißt welche Art gemeint ist.“ „Verstehe“, murmelte Nick kaum hörbar, nur um dann zu verkünden: „Normalbeschwörung, [Wind-Up Warrior].“ Jener tauchte vor ihm in Form eines gebeugt stehenden, orangefarbenen Roboters auf, dessen Panzerfäuste größer als sein Kopf waren. Ein goldener Aufziehschlüssel befand sich auf seinem Rücken. Noch während er sich materialisierte, drehte Nick die Karte seines anderen Monsters in die Vertikale. Wind-Up Warrior [ATK/1200 DEF/1800 (4)] Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 2]   „Den Modus meines Zenmaines habe ich nicht grundlos gewechselt“, klärte Nick seinen Gegner unterkühlt auf, während Nina mit Zunge an der Oberlippe jedes Detail auf ihrem Notizblock aufschrieb. „Effekt des [Wind-Up Warriors]: Er erhöht den Angriffswert eines Spielzeugs zeitweilig um 600. Und die Stufe um 1, wenn es eine geben sollte …“ Da es aber der Kampfbomber war, der bunt aufzuleuchten begann, hätte sich Nick diesen Hinweis ebenso gut sparen können. Eigentlich hatte er das auch nur gesagt, da Nina es garantiert festhalten und ihre Finger damit nur umso mehr glühen würden.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 → 2100 DEF/2100 {3} OLU: 2] Als Xiphos den Kopf leicht in den Nacken legte, schnappte Nick: „Kein Wort dazu. Wir wollen doch ihre Gefühle nicht verletzen.“ Kurz huschte ein breites Lächeln über Xiphos' Lippen. Vielleicht weil er in diesem Moment genau hörte, wie Nick seine eigene Entscheidung infrage stellte, Nina mitgenommen zu haben. Wenn er sie hier offensichtlich nicht gegen Macht eintauschen konnte, hätte er sie auch gleich in Livington lassen können … „Mieses Stück, kraw!“, krächzte Sparkly von seiner Schulter, sodass der hochgewachsene Mann zusammenfuhr und Xiphos entschuldigend mit den Schultern zuckte, als Nick ihn böse anstarrte. „Damit kann ich leben“, murrte dieser und schwang den Arm aus, „vielleicht solltest du dein Augenmerk eher auf deinen Meister richten. Angriff, Zenmaines! Wind-Up Air Strike!“ Jener stieg in einer immer steiler verlaufenden Kurve in die Luft auf und fegte schließlich über das seltsame Gebilde, das [Qliphort Helix] darstellte, hinweg. Aber nicht, ohne einen Gruß in Form eines Bombenhagels dazulassen. Eine heftige Explosion erschütterte die Idylle. Und Xiphos lächelte geheimnisvoll.   [Nick: 4000LP / Xiphos: 4000LP → 3700LP]   Kaum war der Jet zurückgekehrt, zeigte Nick bereits mit ausgestrecktem Finger auf seinen barfüßigen Gegner. „Direkter Angriff, [Wind-Up Warrior]!“ Nun vollkommen schutzlos, ließ der brünette Junge den Faustschlag über sich ergehen, den ihm der Krieger in die Magengrube versetzte. Und auch wenn Nick sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, die Sicherheitsvorkehrungen an seiner Duel Disk zu deaktivieren, sah es doch so schmerzhaft aus, dass Nina ein leiser Aufschrei entfuhr.   [Nick: 4000LP / Xiphos: 3700LP → 2500LP]   Und seine übrigen drei Handkarten und die gesetzte Falle vor sich begutachtend, entschied Nick, dass er fürs Erste genug Druck ausgeübt hatte. Xiphos befand sich immer noch in derselben, unangenehmen Lage. Und das würde sich nie wieder ändern … „Zug beendet.“ Damit verlor Zenmaines über ihm seinen bunten Glanz.   Wind-Up Zenmaines [ATK/2100 → 1500 DEF/2100 {3} OLU: 2]   „Und wie wird man zum Freund des Sammlers?“, fragte Nick provokativ nach und verschränkte dabei die Arme. „Was machen solche wie ihr zusammen? Geht ihr ins Kino und seht euch Filme an wie: 'Die Zerstörung der Welten' oder 'Wie werde ich sie in 100 Tagen los'?“ Xiphos zog seelenruhig auf. Er lächelte nicht mehr. Und gerade als Nick erwartete, eine nicht weniger schnippische oder wenigstens eine drohende Antwort zu erhalten, bekam er … gar nichts. Seine aufgezogene Karte zwischen Zeige-, Mittel- und Ringfinger hin und her drehend, senkte der Jugendliche sein Haupt. „Habe ich deine Gefühle verletzt?“, konnte Nick die seinen nicht im Griff halten. Stattdessen wurde er immer lauter und aggressiver, bis er förmlich schäumte. „Wenn ja, hoffe ich, dass es in dir brennt wie Feuer. So wie es in mir, in Abby, in Valerie, in Zanthe und in allen anderen brennt, weil wir Angst um unsere Freundin haben!“ „Ich kann dir nicht helfen, sie zu retten“, sagte Xiphos leise. „Ein Versuch wäre Verrat an meiner Freundschaft mit Strife.“ Nick, der schwer atmete, strich sich über die Stirn und sagte nichts. Und als beide nicht mehr den Ansatz machten, das Gespräch aufzunehmen, streckte der Kleinere plötzlich seine Duel Disk vor sich aus. Und wie aus dem Nichts schossen zwei zusätzliche Kartenzonen an den Enden der Monsterzonen heraus, welche Nick noch nie gesehen hatte. „Ich aktiviere [Qliphort Scout] als Zauberkarte“, rief Xiphos plötzlich so gut gelaunt, als wäre nichts gewesen. Es handelte sich dabei um eine gelb-grüne Karte, die in der rechten der neuen Zonen platziert wurde. Zu seiner Rechten schoss eine blaue Lichtsäule aus dem Boden, welche eine nicht weniger seltsame Kreatur als die vor ihr in die Luft hievte: ein ovales Flugschiff, das vorne spitz zulief und nur ganz an seinem Ende je zwei spitze Ausläufe besaß, die aber kaum Flügel sein konnten. Eine goldene Sphäre war in seiner Mitte eingelassen und strahlte beständig. „Das ist …“, murmelte Nick nachdenklich.   Xiphos' Pendelbereich <9>   Wie selbstverständlich brachte Xiphos seine Überlegungen zu Ende. „Neu für dich, ich weiß. Ich benutze Scouts Effekt und zahle 800 Lebenspunkte, um an eine Qli-Karte aus meinem Deck zu kommen.“ Inzwischen hatte das Konstrukt seinen Höhepunkt erreicht, sodass nun unter ihm eine verzerrte 9 aufzuflackern begann. Genau wie das ganze Schiff, als Xiphos seine Worte gesprochen hatte.   [Nick: 4000LP / Xiphos: 2500LP → 1700LP]   Ohne Vorwarnung schob sich eine einzelne Karte aus dem Deck des Burschen hervor, welche dieser aufnahm. „Es ist [Qliphort Monolith] und auch ihn aktiviere ich wie eine Zauberkarte.“ „Pendel“, raunte Nick ärgerlich, als links neben seinem Gegner eine zweite, blaue Lichtsäule aus dem Boden brach und dieses Mal eine unglaublich riesige, längliche Steintafel nach oben hob, die mit einem rot strahlenden Zickzack-Muster versehen war.   <1> Xiphos' Pendelbereich <9>   Zwischen den beiden obskuren Maschinen in der Luft bildete sich ein kreisrundes Loch, umgeben von dutzenden Energieellipsen. Xiphos rief: „Pendulum Scale set!“ Ein einzelner, roter Lichtstrahl schoss aus dem Portal und manifestierte sich über dem jungen Mann. „Pendulum Summon! Vom meinem Extradeck: [Qliphort Helix]!“   Qliphort Helix [ATK/2400 → 1800 DEF/1000 (6 → 4) PSC: <9/9>]   „Wahnsinn! Das ist das erste Mal, dass ich das sehe!“, staunte Nina ehrfürchtig. Er hätte es wissen müssen, tadelte sich Nick selbst, schon als er sich nicht sicher gewesen war, was für Karten sein Gegner vorhin abgeworfen hatte. Nun hatte er die Antwort dazu. Zwar kannte er die Pendelmonster nur in der Theorie, war sich ihrer Stärken aber durchaus bewusst. Dieses Duell war gerade um einiges anspruchsvoller geworden … „Natürlich“, schnarrte er, um seine Anspannung zu überspielen, „es mir einmal einfach zu machen wäre auch zu viel verlangt gewesen.“ „Nichts im Leben ist einfach“, kommentierte sein Gegner dies mit Nachdruck. „Außer man macht es sich leicht, indem man die Augen verschließt“, setzte Nick nach. „Manche Bilder verschwinden selbst dann nicht.“ Der brünette Jugendliche lächelte geheimnisvoller denn je. Dann legte er den Kopf leicht schief. „Also dann, ich greife mit [Qliphort Helix] deinen [Wind-Up Warrior] an. Spiral of Avarice!“ Nick war aber schneller, betätigte er doch den Knopf an seiner Duel Disk, welche die Falle hochklappen ließ. „Mach das, aber nicht mit meinem Krieger. [Zenmaiday]! Diese Karte lässt mich einmal pro Zug eines meiner Wind-Ups zu einem Xyz-Material für ein Maschinen-Xyz-Monster machen!“ Und noch während sich die Energie in dem Flugschiff entlang der beiden Spiralen auflud, verwandelte sich der orangefarbene Warrior in eine leuchtende Sphäre, die sich zu den anderen beiden gesellte, welche um den Kampfjet kreisten.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 2 → 3]   „Was ist?“, fragte Nick provokativ mit ausgestreckten Armen, als Xiphos stumm lächelnd da stand und schwieg. „Da sich die Zahl meiner Monster auf dem Feld verändert hat, erfolgt ein Replay. Und wenn ich das richtig sehe ist mein Monster von den Werten her im Nachtteil.“ „Vergiss es, Xiphi greift nicht an, kraw!“, raunte die Krähe Sparkly auf Nicks Schulter. „Nie. Nie, raw!“, blies Snuggly auf der seines Gegenüber ins selbe Horn. Jener winkte letztlich auch mit der Hand ab. „Nein, Nick. Wir wissen doch beide, dass das genau das ist, was du willst. Dazu muss ich nicht einmal deine Gedanken hören. Ich beende meinen Zug.“ „War das so offensichtlich? Jammerschade“, gab sich ebenjener nicht einmal Mühe, seine mangelnde Überraschung zu verbergen. „Aber Feigheit ist wohl das, was dich auszeichnet.“ Sofort holte Nina mit dem Fuß aus und trat Nick gegen das Schienbein. Jener wich unter einem Schmerzschrei zurück und sah sie irritiert an. „Willst du uns umbringen, du Trottel!? Das ist ein Dämonenlord! Beleidige ihn gefälligst nicht, nur weil du nicht bekommst was du willst!“ „Ist schon okay, Nina“, schenkte Xiphos ihr ein vergnügtes Grinsen. „Du hast es treffend zusammengefasst. Ich sage nicht, was er hören will, also ändert er seine Strategie. Eindringliche Anschuldigungen, nun das Provozieren von Rechtfertigungen durch Beleidigung. In diesem Moment dürfte er bereits nach einem Weg suchen, wie er mich erpressen könnte.“ Gerade wollte Nick wutentbrannt widersprechen, da hob der Bursche den Zeigefinger. „Und nein, Nick, denk nicht einmal dran. Sparkly ist nicht so harmlos wie du denkst.“ „Genau!“, beteuerte die nickend. Schnaubend wandte sich Anyas Halbbruder daraufhin von Nina ab, die ihn mit ihrem strengen Blick regelrecht durchbohrte. „Sind wir jetzt hier, um ein Psychoprofil von mir zu erstellen?“ „Vielleicht ist unser Treffen aus genau diesem Grund erfolgt“, überlegte Xiphos mit einem geheimnisvollen Unterton. „Hast du jemals daran gedacht, dass du vielleicht das bist, was du selbst als 'böse' bezeichnest?“ Nick blieb ihm die Antwort darauf schuldig und starrte den Dämon nur sprachlos an. „Was du anderen Menschen bereit bist anzutun, nur um deine selbstsüchtigen Ziele zu verfolgen, stellt so manchen 'Dämon' in den Schatten.“ Dass Xiphos' Blick bewusst auf Nina lag, versetzte dem Größeren einen kleinen, aber feinen Stich in die Magengegend. Trotzdem konnte er das nicht so stehen lassen. „Ich bin nicht selbstsüchtig! Alles was ich tue, tue ich allein für Anya!“ „Eben. Nicht für die ganze Welt, wie du es mir gegenüber vorgeben wolltest. Es ist schade, dass ausgerechnet du hierher finden solltest.“ Plötzlich schwang in Xiphos' Worten Enttäuschung mit. Aufrechte Enttäuschung. „Mit dir konnte ich mich schon immer am allerwenigsten identifizieren.“ „Mit wem du dich identifizieren kannst ist mir scheißegal. Mir zu helfen und den Sammler zu stürzen bedeutet, der Welt einen Gefallen zu tun. Wen schert es, ob ich es aus egoistischen Gründen will oder nicht? Das Ergebnis ist dasselbe.“ Der Junge schüttelte den Kopf. Ernst erwiderte er: „Das ist es nicht, Nick. Und weil du das nicht begreifst, kann ich dir nicht helfen, selbst wenn ich wollte. Aber was ist mit dir? Weißt du noch, wer du wirklich bist? Wo ist die Grenze zwischen Nick Harper und Eli Bauer?“ Ohne es zu wollen, weckten Xiphos' Worte Erinnerungen. Eine Szene, die Nick mit aller Macht aus seinem Gedächtnis hatte verdrängen wollen.   Er biss die Zähne so fest zusammen wie nur irgendwie möglich. Obwohl er das Schmerzmittel bereits eingenommen hatte, entfaltete sich dessen Wirkung noch nicht. Das Brennen an seinem Arm, dort wo er die Säure vom Angriff der 'anderen' Valerie abbekommen hatte, es brachte ihn fast um den Verstand. Nick beugte sich von dem Rand seines Bettes nach vorn, wippte dann aber nach hinten zurück. Von unten drang die nervige Dudelmelodie des Vorspanns der Show 'Das große Millionenquiz' an sein Ohr. Anya, Matt, Zanthe und seine Mutter vergnügten sich bereits seit Stunden köstlich vor der Flimmerkiste. In seinem weißen Hemd aufrecht sitzend, betrachtete er den von Blut durchtränkten, linken Ärmel, sich einredend, dass es nicht so schlimm war wie es auf den ersten Blick aussah.   Nick erhob sich ruckartig und eilte zur Tür, mit dem Entschluss, Anya von seinen Entdeckungen zu berichten. Doch als schon die Hand auf der Klinke lag, zögerte er. Weil etwas ganz anderes sich in sein Herz schlich. Zweifel. Ihr von einer Valerie-Kopie zu erzählen würde ihm leicht fallen. Aber eines Tages, eines Tages musste er die Wahrheit sagen. Über sich. Und dass auch er gewissermaßen nur eine Fälschung war. Wie würde sie dann reagieren? Mit Hass und Zurückweisung, denn das war die einzig logische Schlussfolgerung. Anya war keine Abby, sie war nicht so naiv und vergebend. Er hatte ihr damals, als sie sich ausgesprochen hatten, gesagt, er habe ihr die ganze Wahrheit über sich erzählt. Noch einen Vertrauensbruch würde seine Schwester nicht verkraften. Und so ließ Nick die Klinke wieder los, schlurfte zurück und setzte sich an den Rand seines Bettes.   Alles, was ihm blieb, war Nick zu bleiben. Eli gab es nicht mehr. Eli war tot. Langsam legte er seine Hände an den Kopf. Versuchte sich an all das zu erinnern, was der echte Nick ihm über dessen Zeit mit Anya erzählt hatte. Bilder entstanden vor Nicks innerem Auge, wie er sich begann einzureden, er selbst habe all das erlebt. „Ich bin Nick Harper“, murmelte er und begann vor und zurück zu wippen. Da waren sie, als kleine Kinder. Er schenkte ihr einen bunten Strauß Blumen, den er aus dem Garten seiner Mutter gerupft hatte. Die Wurzeln waren noch dran. Anya sagte ihm, dass sie Blumen hasste. „Ich bin Nick Harper.“ Sie waren im Unterrichtsraum für Biologie und er zog die damals zwölfjährige Anya damit auf, dass sie niemals Brüste haben würde. „Ich bin Nick Harper.“ Feuer. Überall. „Ich bin Nick Harper.“ Er ließ den Benzinkanister sinken. Der Körper, der vor ihm lag, stand bereits lichterloh in Flammen. „Ich bin Nick Harper.“ Da saß er. Sein Ebenbild. Und erzählte, dass er Anya bald gestehen wolle, wie verliebt er in sie war. „Ich bin Nick Harper.“ So ein Idiot hätte nie eine Chance bei jemandem wie Anya. Aber der hatte das nicht begriffen, denn er war ja ein dummer, dummer Junge. „Ich bin Nick Harper.“ Und alles, was dieser Typ jemals gefühlt hatte, das fühlte jetzt er an seiner Statt. Denn … „Ich bin Nick Harper.“ In diesem Moment ließ Nick sich mit einem glücklichen Lächeln rückwärts aufs Bett fallen. Und selbst der Sammler würde das nicht ändern können, egal ob er versuchte ihn zu ermorden oder nicht. „Ich bin Nick Harper.“   Nur nebenbei bekam Nick mit, wie Nina ihn verwirrt ansah. „Wovon redet er da, wer ist Eli Bauer?“ „Nick“, erklang im selben Augenblick Xiphos' Stimme, „wenn Strife dich tot sehen wollte, wärst du es längst.“ Ruckartig blickte der optisch Ältere auf, war wieder in der Realität angelangt. Und setzte ein unterkühltes Lächeln auf. „Im Moment verlasse ich mich darauf, dass ich ihm für seinen Plan nützlich bin. Aber irgendwann werde ich entbehrlich sein. Und dann weiß ich zu viel.“ Xiphos sah ihn mitleidig an. „Du weißt gar nichts, Nick Harper.“   „Ich bin am Zug“, erwiderte dieser vollkommen von seiner vorherigen Wut losgelöst und zog blitzschnell auf. Für ihn war der Fall klar. Dieser Dämon versuchte ebenfalls, seinen Willen durchzusetzen. Durch Ablenkung. Also entschied Nick, dass es an der Zeit war, die Ohren auf Durchzug zu stellen und mit dem zu kämpfen, was ihn wahrlich ausmachte: Seine Fähigkeiten. „Nick Harper besitzt solche nicht. Nur Eli Bauer.“ Doch selbst Xiphos musste in diesem Moment wissen, dass diese Worte an Nick abprallten wie Regen an einer Fensterscheibe. Leider musste Nick beim Anblick seiner vier Handkarten feststellen, dass Fähigkeiten allein manchmal nicht ausreichten. Er sah sich einem alten Problem gegenüber gestellt: Keines seiner verfügbaren Monster würde mit [Qliphort Helix] im Kampf fertig werden. Aber Nick wäre nicht Nick, wenn er nicht trotzdem einen Vorteil aus so einer Situation ziehen könnte. Wenn die Offensive zu wünschen übrig ließ, so dachte er mit einem verschmitzten Grinsen gegenüber Xiphos, musste eben die Verteidigung perfekt sein. Und schwupp war sein Zenmaines in die Verteidigungsposition gedreht.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 3]   „Ich führe eine Normalbeschwörung durch“, verkündete Nick gut gelaunt, „[Wind-Up Bat].“ Während die schwarze Spielzeugfledermaus über ihm wild flatternd auftauchte, warf Nina dem jungen Mann einen fragenden Blick zu. „Kindchen, ist alles in Ordnung mit dir?“ „Alles bestens, Nina.“ „Wieso bist du plötzlich so …“ „Fröhlich?“, beendete Nick die Frage und legte seine Finger auf die Karte seines neuen Monsters. Die Rothaarige nickte mit skeptischem Gesichtsausdruck. Und der Hochgewachsene riss [Wind-Up Bats] Karte förmlich in die Horizontale. „Einfach so.“ „Einfach … so …“, wiederholte Nina die Worte ungläubig. „Einfach so“, tat es Nick ihr gleich und richtete das Wort an Xiphos. „Ich kann, nebenbei bemerkt, meine Fledermaus in die Verteidigung drehen. Dafür erhalte ich eines meiner Spielzeuge aus der Mottenkiste.“   Wind-Up Bat [ATK/300 DEF/350 (1)]   Kaum hatte sich die Fledermaus den [Wind-Up Shark] von Nicks Friedhof mit ihren Fängen geschnappt und jenem überreicht, schwang ihr Meister den Arm aus. „Und jetzt der Effekt von [Zenmaiday]!“ Womit das Spielzeug sich in eine nunmehr vierte Lichtkugel verwandelte und Zenmaines zu umkreisen begann.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 3 → 4]   „Was wird das!?“, beklagte sich Nina über Nicks Handhabung seiner Karten. „Willst du nicht auf ihn losgehen, er ist doch fast wehrlos!“ „Alles Strategie, Nina“, versicherte Nick ihr freundlich. Damit nahm er eine Fallenkarte aus seinem Blatt und legte sie in die Duel Disk ein, sodass sie zischend neben seiner aufrecht stehenden erschien. „Die lasse ich hier. Zug beendet.“   Xiphos schmunzelte. Und sagte während des Ziehens: „Wie du meinst. Draw.“ Sofort im Anschluss streckte er den Arm in die Höhe, deutete mit dem Finger auf das ovale Flugschiff in der blauen Lichtsäule rechts neben ihm. „Für 800 Lebenspunkte erhalte ich eine Qli-Karte von meinem Deck.“ „[Qliphort Shell]!“, krächzte Snuggly auf seiner Schulter. Die Karte schob sich aus der Battle City-Duel Disk hervor, wodurch der einen Kopf Kleinere sie nur noch aufzunehmen brauchte.   [Nick: 4000LP / Xiphos: 1700LP → 900LP]   „Er erholt sich ziemlich schnell von deinem Schlag, Kindchen“, zischte Nina ihrem Begleiter nervös zu, betrachtete die beiden Handkarten des Jungen aus den Augenwinkeln. „Auf Kosten seiner Lebenspunkte. Wieso soll ich die Schlacht schlagen, wenn er das selbst übernimmt?“ Auf Nicks unbekümmerte Aussage hin verschränkte die Reporterin die Arme. „Hmpf! Übernimm dich bloß nicht. Egal wie clever du bist, der da … ist cleverer. Das hab ich im Urin.“ „Und den behalten Sie bitte in sich, Nina“, verwies Nick sie mit klarem Unterton, „alles ist bestens.“ „Das soll es aber nicht, Herrgott!“, explodierte die urplötzlich und stampfte auf. „Ich bin hergekommen, um etwas Action zu sehen, keine verdammte Seifenoper!“ Das schallende Gelächter des Jungen auf der anderen Spielfeldseite unterbrach den kleinen Streit der beiden prompt. Xiphos sagte: „Für ein wenig Unterhaltung kann ich gerne sorgen.“ Sogleich streckte er den Arm aus. Zwischen den beiden Lichtsäulen öffnete sich das Portal, um welches sich die unzähligen Ellipsen schlossen. „Pendulum Summon! Von meiner Hand!“ Ein roter Lichtblitz schoss aus dem Portal und manifestierte sich neben dem [Qliphort Helix] als flaches Flugschiff, einem Diskus gleich, dessen Oberfläche in den Farben des Regenbogens strahlte. „Stufe 7, [Qliphort Disk]!“, benannte es Xiphos.   Qliphort Disk [ATK/2800 → 1800 DEF/1000 (7 → 4) PSC: <1/1>]   „Oh, jetzt hat er zwei Monster derselben Stufe“, giggelte Nina aufgeregt und machte sich wieder mit der Hüfte wackelnd ans Notieren, „Xyz-Boss incoming!“ „Leider nicht, Nina“, stellte der Dämon jedoch freundlich klar, „solange ein Qli-Pendelmonster aktiv ist, kann ich nichts anderes beschwören, außer den Bestandteilen des Qliphots. Und da es keine Qli-Xyz-Monster gibt …“ Nick stöhnte. „Ich weiß längst, was du vorhast. Das da ist nicht das Monster, welches du deiner Hand hinzugefügt hast.“ Und es gab nur eine Form der Beschwörung, bei der diese Kreaturen ihre Kraft beibehielten. „Richtig“, entgegnete Xiphos und nahm die beiden Monster von seiner Duel Disk, „ich biete meine Monster als Opfer dar!“ Statt sie in den Friedhofsschlitz zu jagen, schob er Helix und Disk in den Extradeck-Slot, wie es sich für Pendelmonster gehörte. Beide lösten sich am Himmel auf, wurden zu blauen Funken. „Tributbeschwörung! Erhebe dich, [Qliphort Shell]!“ Jene stieg hinter Xiphos in die Höhe. Es handelte sich um ein muschelförmiges Gebilde, eine Maschine, an der sich zu allen Seiten spitz zulaufende Fortsätze befanden.   Qliphort Shell [ATK/2800 DEF/1000 (8) PSC: <9/9>]   Eine interessante Mischung, befand Nick. Ein Deck, das Tributbeschwörungen benutzte, obwohl es mit einem so großen Pendelbereich davon völlig unabhängig sein sollte. „Es ist gewissermaßen ein Widerspruch des Konzepts“, befand auch Xiphos, „aber gerade das macht dieses Deck so eindrucksvoll. Sieh her.“ Als schemenhaftes Gebilde tauchte [Qliphort Helix] über dem neuen Schiff auf und feuerte einen Lichtstrahl quer hinab auf Nicks gesetzte Karte, die sofort explodierte. Der junge Mann wich erschrocken zurück. „Diese Monster haben verschiedene Funktionen. [Qliphort Helix] ist beispielsweise dafür geschaffen, als Tribut angeboten zu werden. Wenn das passiert, zerstört es eine Zauber- oder Fallenkarte auf dem Spielfeld.“ Nick runzelte ärgerlich die Stirn, wie vor ihm der Rauch seiner verlorenen Karte aufstieg. „Und dann gibt es diejenigen unter ihnen, die am besten funktionieren, wenn sie per Tribut gerufen wurden“, erklärte Xiphos weiter und hob die flache Hand, „wie [Qliphort Shell]. Greife [Wind-Up Zenmaines] an! Rejection Sequence!“ „Jetzt geht’s endlich lo-hos!“, fieberte Nina dem Angriff entgegen. Anders als Nick, der schluckte. Was würde ihn erwarten, ein fataler Schlag, wie damals im Duell gegen Valerie 2.0? Das war vermutlich noch ein sanftes Streicheln im Vergleich zu dem, was Xiphos anzurichten vermochte. Ihm gefiel jedenfalls nicht, dass diese mechanische Kampfmuschel sich um die eigene Achse zu drehen begann. Und einen pinkfarbenen Laserstrahl auf seinen Kampfbomber abfeuerte! Zwar kreuzte Nick die Arme vors Gesicht, verkündete jedoch selbstbewusst: „Wenn du denkst, dass dieser Angriff Zenmaines zerstören wird, liegst du falsch. Stattdessen kann ich-!“ „Ich weiß“, erwiderte Xiphos ihm lächelnd. Schon schlug der Lichtstrahl in dem Kampfbomber ein, der zurückgeschleudert wurde, doch ansonsten unbeschadet blieb. Dabei absorbierte er eines seiner vier Xyz-Materialien.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 4 → 3]   [Nick: 4000LP → 3300LP / Xiphos: 900LP]   Ziemlich überrascht starrte Nick das Display seiner Duel Disk an, welches seine Lebenspunkte angab. „Ich hätte es vermutlich erwähnen sollen, aber [Qliphort Shell] fügt Durchschlagschaden zu.“ Der zerzauste Zwei-Meter-Mann im Hawaiihemd aber schnalzte nur abfällig mit der Zunge. „Und sie kann zweimal pro Battle Phase angreifen, kraw“, fügte Sparkly belehrend hinzu, sodass Nick doch ein überraschter Laut entwich. Die Maschine in der Luft drehte sich munter weiter und feuerte von seiner unteren Spitze einen zweiten, pinken Laserstrahl auf den Bomber ab. Dieser absorbierte wieder eine der um ihn kreisenden Sphären, ehe er in einer Explosion unterging.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 3 → 2]   [Nick: 3300LP → 2600LP / Xiphos: 900LP]   Und unversehrt vor Nick wieder auftauchte, welchem der ganze Rauch entgegen schlug. Zu seiner eigenen Überraschung musste der junge Mann jedoch feststellen, dass er unverletzt geblieben war. „Habe ich je eine Absicht dieser Art angedeutet?“, fragte Xiphos geradezu unschuldig grinsend. Nein, dachte Nick säuerlich. Aber er wünschte sich, dass sein Gegner es getan hätte. Es fühlte sich nicht richtig an, irgendetwas stimmte da nicht! „Das ist deine Meinung, Nick. Es ist nicht das eingetreten, was du erwartet hast. Statt aber froh darüber zu sein, dass deine Vorurteile nicht erfüllt wurden, suchst du krampfhaft nach einem Weg, sie auf andere Weise zu bestätigen. Warum?“ „Ich kenne eure Methoden! Und ich wäre nicht hier, würdest du nicht irgendetwas mit mir beabsichtigen!“ „Was kennst du denn? Wie vielen von uns bist du begegnet, um dir ein Urteil erlauben zu können?“ Nick schnappte nach Luft, aber Xiphos ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Und bist du nicht aus eigenem Antrieb hier? Habe ich dich zu mir befohlen oder warst du es, der mich gesucht hat?“ Er konnte nicht anders, musste eine Faust bilden. Denn um eine Antwort auf diese Fragen war er verlegen. Und dieser Junge, er lächelte. Wie immer. „Ich verstehe es. Als du nichts hattest, hat der Hass dich angetrieben. Das ist immer so, wenn du nicht weiter weißt. Dann lässt du den Hass sprechen, weil er dich immer am Leben gehalten hat. Daher hasst du mich an -seiner- Statt.“ Luft durch die Nase blasend, murmelte Nick: „Ich würde es vorziehen, wenn wir unser Gespräch auf das Duell beschränken könnten.“ Wieder diese Mundwinkel, die immer nach oben verzogen waren. „Es tut mir leid, dir das zu sagen, Nick. Aber … keine Kraft der Welt könnte dir helfen, deine wahren Probleme zu lösen. Ich beende meinen Zug.“ Sofort schwang sein Gegner energisch den Arm aus. „Im Moment habe ich nur ein Problem und das wäre dein Monster. Aber darum kümmert sich jetzt [Wind-Up Zenmaines]!“ Plötzlich löste sich der Kampfbomber mit einem Ruck von seiner Position und fegte in hoher Geschwindigkeit auf das muschelförmige Gebilde über Xiphos zu. „Wenn Zenmaines es geschafft hat, der Zerstörung dank seines Effektes zu trotzen, kann -ich- am Ende eine Karte zerstören!“ In seinem Flug über das seltsame Objekt ließ Zenmaines in seinen Zangenhänden Torpedos mit Gesichtern erscheinen, die er direkt über [Qliphort Shell] fallen ließ. Doch bevor sie jene überhaupt erreichten, schlug sie auf einem unsichtbaren Energiefeld auf und explodierten. Nick stand wie angewurzelt da. „Ich weiß, Nick. Aber Qliphorts sind immun gegen die Effekte aller Monster, deren Rang oder Stufe unterhalb ihrer eigenen liegt. Es gibt also nicht eine Monsterkarte in deinem Deck, die es in dieser Hinsicht mit meinen aufnehmen könnte.“ Nick knirschte regelrecht mit den Zähnen, als sein Spielzeug-Jet zu ihm zurückkehrte. „Und noch etwas“, fiel es Xiphos ein. Im selben Augenblick begann ein rotes Licht entlang der gezackten Linien des [Qliphort Monoliths] zu seiner Linken zu verlaufen. „Für jedes als Tribut angebotene Qliphort darf ich während der End Phase eine Karte ziehen, solange Monolith in einer Pendelzone liegt.“ In seiner garantiert unechten, kindlichen Unbekümmertheit zog der Bursche zwei Karten und grinste breit. Erst jetzt begriff Nick, dass seine Kombo im ersten Zug keine Bedeutung mehr hatte. Und da dieser Bengel Zug um Zug die geopferten Pendelmonster zurück aus seinem Extradeck beschwören konnte … „… musst du dieses Duell so schnell wie möglich gewinnen. Sonst bist du es bald, dem nichts mehr bleibt. Einen kleinen Vorgeschmack bekommst du bereits: Ich aktiviere den Schnellzauber [Space Cyclone].“ Die Karte wurde von Xiphos' in dessen Duel Disk geschoben und prompt zischte ein blauer Wirbelsturm vom Himmel über Nicks Spielfeld hinweg. Dabei nahm er eine der zwei verbliebenen Lichtsphären mit, die um [Wind-Up Zenmaines] kreisten.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 2 → 1]   Nick biss sich auf die Lippe. Wirklich clever, den Schnellzauber zu aktivieren, solange er noch die Zeit dazu hatte, dachte er dabei. Das machte die ganze Sache noch komplizierter, denn er brauchte jede einzelne Overlay Unit. „Ich weiß. Deswegen habe ich es ja getan“, strahlte Xiphos ihn an. „Natürlich“, knurrte Nick und griff nach seinem Deck. Mit Schwung zog er seine vierte Handkarte auf. „Draw!“ Seine Hand betrachtend, erkannte Nick, dass ihm mit diesem einen Xyz-Material die Chance zum Sieg genommen worden war. Zwar besaß er noch eine ganz bestimmte Zauberkarte, aber die würde er nicht benutzen können, da sie die Aktivierung des Effekts eines Xyz-Monsters vorschrieb. Und genau daran würde es letztlich scheitern. Nick durchlief verschiedene Szenarien in seinem Kopf, aber sie alle endeten in einer Sackgasse: Er würde die Bedingungen, die Karte zu aktivieren, nicht erfüllen. In manchen gar nicht, in anderen nicht rechtzeitig. Nein, so konnte er die Sache nicht angehen. „Ich beschwöre [Wind-Up Shark]“, entschied er sich daher für sein einziges Monster auf dem Blatt, welches in Form eines blauen Metallhais vor ihm auftauchte. Und Sekunden später schon die Gestalt einer leuchtenden Kugel annahm, die um Zenmaines kreiste. „Dank [Zenmaiday] transformiere ich ihn in eine Overlay Unit. Und da man davon nie genug haben kann, aktiviere ich [Overlay Regen].“ Kaum hatte Nick den Zauber in die Duel Disk gerammte, sprang jene vor ihm auf und verwandelte sich ebenfalls in ein Xyz-Material, sodass diese nun zu dritt den Kampfbomber umschwirrten wie die Motten das Licht.   Wind-Up Zenmaines [ATK/1500 DEF/2100 {3} OLU: 1 → 3] Xiphos kniff kurz die Augen zusammen. „Ist nicht so einfach, stimmt's?“ „Ja. Weil du alles versuchst, um mir in die Quere zu kommen“, schnarrte Nick missbilligend. „Aber ich verrate dir etwas: Immer wenn jemand glaubt, mich am Boden zu wissen, zaubere ich noch ein Ass aus dem Ärmel.“ „Und wenn keines mehr übrig ist, erschaffst du dir ganz einfach welche.“ Nick wusste genau, worauf dieser kleine Mistkerl anspielte. Umso wichtiger war es, nicht drauf einzugehen. Er hatte schon viel zu lange geredet! „Bis dahin ist noch Zeit. Versuchen wir es zunächst mit meinem ersten Ass: Den zweiten Effekt von [Zenmaiday]! Und der rekonstruiert das Overlay Network für mich!“ Ein schwarz-goldener Galaxienwirbel öffnete sich inmitten des Spielfelds. Nicks Zenmaines manövrierte sich oberhalb des Stroms und tauchte in diesen ein, bis er vollkommen verschwunden war. Elektrische Entladungen stiegen empor und mit ihm ein großer Roboter, weißgrün lackiert. „Damit wird das alte Xyz-Monster zu einer Overlay Unit für ein neues Wind-Up-Xyz-Monster, dessen Rang um 1 höher liegt als der des alten. Sieh her, Xyz Summon! Zeige deine Stärke, [Wind-Up Zenmaister]!“, brüllte Nick förmlich. Kaum war seine Kriegsmaschine dem Wirbel entsprungen, schloss dieser sich. Der Zenmaister besaß vier Düsenantriebe als Beine und ballte seine Hände zu Fäusten. Ganze vier Lichtkugeln umkreisten ihn dabei, verpassten ihm hin und wieder stärkende Stromstöße. Wind-Up Zenmaister [ATK/1900 → 3100 DEF/1500 {4} OLU: 4]   Xiphos sah ihn nachforschend an. „Du hast viel in dieses Monster investiert.“ „Du kannst mich sabotieren so oft du willst, ich finde immer einen Weg, mich zurückzukämpfen“, schnarrte Nick entschlossen, „du hast ein Monster, das stärker ist als alles, was mein Deck zu bieten hat? Dann finde ich einen Weg, ein noch besseres zu rufen! Zenmaister ist schwach, ja, aber er erhält 300 Punkte für jedes Xyz-Material, das er besitzt. Deshalb der ganze Aufwand!“ Ziemlich überrascht von der Ansprache, zischte Nina ihm zu: „Wem willst du was beweisen? Wir alle wissen doch, dass du gut bist.“ „Ach ja!?“ Wen gab es denn schon, der das wusste, fragte sich Nick bitter. Er hatte sich bisher immer nur denen beweisen müssen, die stärker waren als er: Drazen, Kali, die 'andere' Valerie, Xiphos … und außer Anya und Abby wusste vermutlich niemand, wie geschickt er sein konnte. „N-natürlich“, stotterte Nina erschrocken, wie er ihr den Kopf zuwendete und ansah, als würde er ihr gleich an die Kehle springen, „d-damals, als wir uns mit Drazen duelliert haben, hast du nur wegen mir verloren.“ Sofort wich der Zorn aus Nicks Zügen. Nina seufzte und zuckte mit den Schultern: „Ja, ich weiß, ich bin eine schlechte Duellantin und hätte mich nicht einmischen dürfen! Deswegen habe ich es diesmal auch gelassen. Konnte ja nicht ahnen, wie das an deinem Ego kratzt …“ Ein schwaches Lächeln huschte über die Lippen ihres Gegenüber. „Ich … wusste es auch bis eben nicht. Mir ist nur klar geworden, dass es wenige gibt, die mich je in Aktion gesehen haben.“ „Das muss doch nicht immer so bleiben“, nuschelte Nina, für ihre Verhältnisse erstaunlich einfühlsam. Gewann aber schnell die alte Kratzbürstigkeit zurück. „Also was ist jetzt!? Fang endlich damit an, mach den da platt, ich schlage schon Wurzeln!“ Der zerzauste, junge Mann wandte sich an Xiphos. „Du hast die Dame gehört. Ich greife [Qliphort Shell] an! Wind-Up Armored Fist!“ Der Kampfroboter holte augenblicklich mit der Faust aus und ließ jene an einer Sprungfeder befestigt durch die Luft sausen, den ganzen Weg hin bis zu dem Muschelgebilde über Xiphos. Der Treffer zerschmetterte jenes, wodurch es explodierte.   [Nick: 2600LP / Xiphos: 900LP → 600LP]   Mit unbedarfter Mimik nahm der Dämon [Qliphort Shells] Karte von der Duel Disk und schob sie in seinen Extradeck-Schacht. Jedes Pendelmonster würde zurückkehren können, wenn es vom Feld beseitigt wurde, so wusste Nick. Und drei davon befanden sich jetzt bereits in Xiphos' Extradeck. „Ich setze diese hier verdeckt“, verlautete er und ließ die Falle, welche er aufgezogen hatte, in den dazugehörigen Slot ein. Das Zischen ihrer Materialisierung übertönend, rief er: „Zug beendet.“   Wortlos nahm Xiphos eine Karte von seinem Deck auf und fügte sie seiner anderen Handkarte hinzu, welche er auch gleich stattdessen zückte. Mit ihr zwischen Zeige- und Mittelfinger, hob er die Hand in die Luft. „Du hast es richtig erkannt, Nick.“ Das kreisförmige Portal öffnete sich zwischen [Qliphort Scout] und [Qliphort Monolith] erneut, umspannt von dutzenden Lichtellipsen. „Pendulum Summon!“ Drei rote Lichtstrahlen schossen daraus nach unten und nahmen die Formen von … „[Qliphort Helix], [Qliphort Disk] und [Qliphort Shell]!“ … an. Geradezu gefährlich muteten die drei Flugschiffe, angelehnt an eine DNA-Spirale, einen Diskus und eine Muschel, an, obwohl sie alle Angriffspunkte und Effekte einbüßten.   Qliphort Helix [ATK/2400 → 1800 DEF/1000 (6 → 4) PSC: <9/9>] Qliphort Disk [ATK/2800 → 1800 DEF/1000 (7 → 4) PSC: <1/1>] Qliphort Shell [ATK/2800 → 1800 DEF/1000 (8 → 4) PSC: <9/9>]   Das Lächeln, das Xiphos seinem Gegner im Anschluss schenkte, unterschied sich von denen davor. Es war eines jener Sorte, die Nick noch nie zuvor gesehen hatte. Mitleidig, aber auch enttäuscht. Ein unausgesprochenes 'Vielen Dank für deine Bemühungen, und tschüss'. Sein rechter Nasenflügel zitterte, als diese Erkenntnis zu ihm durchdrang. Mit einem Wisch nahm Xiphos all seine Monster von der Duel Disk, nur um in entgegengesetzter Richtung die gezückte Karte auf ebenjene zu legen. Eins nach dem anderen lösten sich die Qliphorts in blauen Funken auf. „D-drei Tribute!?“, keuchte Nina und ließ den Arm mit dem Block in der Hand sinken. „Du hast es begriffen, nicht wahr, Nick?“, erkundigte Xiphos sich freundlich. „Das, was jetzt kommt, kannst du nicht besiegen. Tributbeschwörung, [Apoqliphort Towers]!“ Mit leerem Blick nahm Nick keine Notiz davon, dass ein gleißender Laserstrahl ihn erfasste, ausgehend von der Silhouette des [Qliphort Helix']. Dann gewannen Nicks Augen ihre engstirnige Entschlossenheit zurück und schnurstracks bewegte er die Hand zum Auslöser, genau in dem Moment, als der Strahl in seine gesetzte Karte einschlug. Für einen kurzen Augenblick war Nick von Rauch umgeben, bis jener sich verzog. „Oh große Güte“, stammelte Nina beim Anblick von dessen Erzeuger. Auch Nick legte den Kopf in den Nacken. Da war es also, das vermeintlich mächtigste von allen. Ein schwebender Turm, von dem vier Tragflächen ausgingen, aufgebaut wie die Beine eines Wasserläufers. Je zwei waren schwarz mit weißem Zickzack-Muster, bei den anderen beiden verhielt es sich umgekehrt.   Apoqliphort Towers [ATK/3000 DEF/2600 (10)]   Plötzlich begann ein grünes Licht an der Unterseite des Turms aufzuleuchten. Und ehe Nick sich versah, kippte sein Kampfroboter leblos zur Seite. Auch er erstrahlte in smaragdfarbenem Licht, das sich wie eine Schicht um ihn legte. Dabei entstanden durch die Partikel an der einen oder anderen Stelle des Metalls immer wieder für einen kurzen Moment Symbole, die Nick nicht vertraut waren.   Wind-Up Zenmaister [ATK/3100 → 2600 DEF/1500 → 1000 {4} OLU: 4]   „Das sind die Apocrypha. Sie schwächen sämtliche Monster, die spezialbeschworen wurden, um 500 Punkte auf beiden Werten.“ Nick brachte nichts hervor. Wieder war sein Monster unterlegen. Dabei hatte er alles versucht, um es so stark wie möglich zu machen! „Nimm es mir nicht übel, Nick, aber das allein reicht nicht aus. Gegen die Apocrypha bist du machtlos.“ Wieder bedachte Xiphos ihn mit diesem mitleidigen Blick. „Ich benutze einen weiteren Effekt!“ In jenem Augenblick leuchtete die obere Spitze seines riesigen Himmelsgebildes rötlich auf, woraufhin sich um Nick und seinen Roboter verschiedene Linien zogen und ihn umkreisten. Es war das Sephiroth, der kabbalistische Lebensbaum, mehrmals aneinander gereiht. „D-das ist unheimlich“, stotterte Nina und nahm einen respektvollen Schritt Abstand von ihrem Begleiter. Dann begann sie wild Notizen zu machen. „Wieso nicht gleich so, verdammt!?“ „Du musst dich jetzt entscheiden, Nick“, erklärte ihm Xiphos freundlich, „auf ein Monster wirst du verzichten müssen. Entweder auf das auf dem Feld, oder eines in der Hand. Welches opferst du?“ Ein Auflachen unterdrückend, betrachtete Nick seine einzige Handkarte. „Als ob du das nicht wüsstest …“ Der Ring zog sich zusammen, drang durch Nick hindurch und verschluckte kurzerhand den am Boden liegenden Zenmaister. „Es war mir ein Vergnügen, Nick“, sagte Xiphos abschließend und hob eine flache Hand in die Höhe, „direkter Angriff, Discard Materialism!“ Die Zackenlinien auf [Apoqliphort Towers] 'Beinen' begannen rosafarbend aufzuleuchten. Dann löste sich das Licht von ihnen. Es spiegelte sich in Ninas Brillengläsern wieder, dieses Gewitter, das auf Nick zuzog. Aberdutzende Strahlen, die im hohen Bogen den jungen Mann anpeilten. Jener stand stocksteif da, als der Regen sich über ihn ergoss. Überall in und um ihn herum schlugen sie ein, lösten eine Explosion nach der anderen aus. Nina wich noch weiter zurück, ihr fiel vor Schreck der Stift aus der Hand, wie sie all dies miterlebte. „Netter Versuch. Aber mehr auch nicht …“ Der Klang von Nicks Stimme sorgte dafür, dass gleich darauf auch noch der Notizblock im Gras landete. Das Bombardement hörte schlagartig auf. Der junge Mann stand unversehrt auf der Stelle, ohne den Hauch einer Emotion zu zeigen.   [Nick: 2600LP → 1100LP / Xiphos: 600LP]   „Natürlich musste es so kommen.“ Vergnügt kicherte Xiphos, als er das sagte. „Du hast [Damage Diet] gerade noch rechtzeitig aktiviert. Nur eine Sekunde später, und sie wäre durch den Effekt von [Qliphort Helix] wirklich zerstört worden.“ „Aber so habe ich dafür gesorgt, dass ich diesen Zug über nur den halben Schaden erleide“, beendete Nick die Erklärung für Nina. Der Bursche mit seiner Krähe Snuggly auf der rechten Schulter zuckte mit ebenjenen. „Leider war das schon dein zweites Ass. Viel bleibt dir nicht mehr.“ „Du könntest es genauso gut auch lassen, kraw“, schimpfte Sparkly in Nicks Ohr. Welcher eisig konterte: „Ich könnte dir auch genauso gut den Hals umdrehen. Wollte schon immer wissen, ob Schattengeister dadurch sterben.“ Er dachte an Orion, den Schattengeist des Sammlers, mit dem er damals einige Tage verbracht hatte. Ein fürchterlich nerviges, verfressenes Wesen, das den ganzen Tag an nichts außer weibliche Rundungen, Schlammpfützen und japanische Cartoons dachte. Wie gern hätte er diese schwarze Knolle damals lebendig begraben, aber seine Maskerade als Idioten-Nick hatte ihm dies untersagt. „Ich mochte Orion schon immer. Er ist auf seine Weise sehr liebenswert“, tadelte Xiphos sein Gegenüber. „Und das, obwohl er mit einer so großen Bürde geboren wurde. Ah, wie auch immer, ich beende den Zug.“ Kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen, leuchtete das Muster auf [Qliphort Monolith] in der blauen Lichtsäule auf. Nick klappte beinahe die Kinnlade hinunter, als Xiphos ganze drei Karten zog. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht, aber ja, sein Gegner hatte drei Qliphort-Monster als Tribut angeboten. Jetzt kam Xiphos auf vier Handkarten. „Scheint, als habe sich das Blatt im wahrsten Sinne des Wortes gedreht“, versetzte dieser ihm noch einen Seitenhieb.   „Es gibt immer vier Asse“, erinnerte Nick seinen Gegner schnaubend an jene allseits bekannte Tatsache und riss die oberste Karte von seinem Deck, „Draw!“ Sein Gesicht war zu einer grimmigen Fratze verzogen. Er hatte keine Zeit mehr, denn im nächsten Zug würde dieses dämonische Kind ihn besiegen, ohne Zweifel. Seine gezogene Karte, [Wind-Up Magician], war in Kombination mit -dieser- Zauberkarte nutzlos. „Gib schon auf!“, krächzte Sparkly auf seiner Schulter. „Du kannst Xiphi nicht besiegen.“ „Ja. Verloren, verloren!“, gackerte auch Snuggly. „Ich bin nicht einmal ansatzweise daran, zu verlieren“, widersprach Nick zornig und streckte unvermittelt den Arm aus. „Effekt meiner Fallenkarte!“ Sofort überschlug sich Nina vor Fassungslosigkeit, begann wild mit den Händen zu fuchteln. „Hast du jetzt völlig den Verstand verloren!? Da ist keine Falle auf deinem Spielfeld! Kindchen, für dich ist es ge-lau-fen! Sieh's ein!“ Der junge Mann blickte allerdings stur geradewegs seinen Gegner an. „Du weißt, wovon ich spreche, oder?“ „[Zenmaistery]. Eine Falle, die nicht nur Monster zerstören, sondern auch recyclen kann“, erwiderte der Knirps mit einem Lächeln. „Aber ich musste sie zerstören.“ „Stimmt, trotzdem kann ich sie jetzt, da ich keine Karten kontrolliere, von meinem Friedhof verbannen“, erklärte Nick an eine überraschte Nina gerichtet, „und erhalte von dort [Wind-Up Shark] zurück.“ „O-oh“, machte die rothaarige Reporterin, als besagte Karte sich aus Nicks Friedhof schob und von diesem aufgenommen wurde. Statt sie seiner Hand hinzuzufügen, nahm Nick gleich noch das andere Monster aus seinem Blatt und legte erst dieses und gleich darauf den Hai auf die Duel Disk. „Du weißt was jetzt kommt! Ich beschwöre [Wind-Up Magician] normal und als Antwort darauf auch gleich [Wind-Up Shark] spezial!“ Nebeneinander materialisierten sich ein violetter Spielzeugmagier mit Zauberstab in den Händen und das blaue Meerestier, nicht weniger metallisch glänzend als sein Kamerad.   Wind-Up Magician [ATK/600 DEF/1800 (4)] Wind-Up Shark [ATK/1500 DEF/1300 (4)]   „Aber das ist noch nicht alles: Da ich den Effekt eines Wind-Ups dank Shark aktiviert habe, kann mein Magician jetzt noch eines aus meinem Deck beschwören!“, verlautete Nick ehrgeizig und knallte jenes bereits auf seine Duel Disk. „[Wind-Up Knight]!“ Der Aufziehschlüssel auf dem Rücken des Magiers rotierte förmlich, als jener den Zauberstab neben sich ausschwang. Ein etwa anderthalb Meter großer, weißer Spielzeugritter mit Schwert und Schild in der Hand erschien daraufhin zu seiner Linken.   Wind-Up Knight [ATK/1800 DEF/1200 (4)]   Unvermittelt ballte Nick seine freie Hand zu einer Faust und hob sie langsam in die Luft. „Ein Ass habe ich noch im Ärmel. Eines, mit dem du nicht gerechnet hast. Ich erschaffe das Overlay Network!“ Der schwarze Sog öffnete sich in der Mitte des Spielfeldes. Wie Nick es inzwischen von Xiphos gewohnt war, verzog dieser keine Miene. Ob er es etwa ahnte? „Aus meinen drei Stufe 4-Monstern wird ein Rang 4-Monster!“, schrie Nick förmlich und riss seine Faust in die Höhe. Als roter Strahl wurde der Magier vom Schwarzen Loch absorbiert, es folgten der Hai als blauer und schließlich der Ritter als gelber. Dann erfolgte eine gewaltige Explosion aus dem Überlagerungsnetzwerks. So stark, dass eine Schockwelle die endlose Wiese anheim suchte und eine schreiende Nina glatt von den Füßen riss. „Wa-wa-wa-was ist das!?“, quiekte sie panisch. Der Himmel verdunkelte sich zunehmend. Selbst Xiphos' Lächeln war inzwischen verklungen und einer nicht zu deutenden Mimik gewichen. Stattdessen waren es jetzt Nicks Mundwinkel, die nach oben zuckten. So hauchte er leise: „Xyz Summon …“ Ein grässlicher, schriller Schrei erklang aus der Mitte des Sogs. Dann erhob er sich, der erste Kopf des Drachen. Schwarz war er, von einer Maske bedeckt und gehörnt. Ebenso die beiden anderen, die nach diesem auftauchten. Als sich die Kreatur langsam erhob, entfuhr Nina noch ein Schrei. Aber nicht, weil der majestätische Drache mit seinen aus gefrorenem, schwarzen Eis bestehenden Flügeln so furchteinflößend war. Nein. Livingtons meist gehasste Klatschkolumnistin hatte Angst. Denn die Schatten, die sich auf Nicks Haut immer weiter ausbreiteten, waren dunkler als alles, was sie je gesehen hatte. „[Evilswarm Ourorobos]“, nannte der nahezu unbekümmert das Biest beim Namen. Um jeden Kopf dieser Kreatur kreiste ein Xyz-Material. Doch noch ehe es richtig abhob, riss eine unsichtbare Kraft den Drachen kurzerhand wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, wortwörtlich. Er schlug mit seinem massigen Körper dort ein, wo sich das Overlay Network gerade geschlossen hatte.   Evilswarm Ouroboros [ATK/2750 → 2250 DEF/1750 → 1250 {4} OLU: 3]   Das riesige Gebilde über Xiphos war schuld daran. Ganz an seiner unteren Spitze leuchtete ein grünes Licht, das sich ebenfalls kaum merkbar um Ouroboros wie einen Schleier gelegt hatte. „Ah, die Apocrypha wieder“, summte Nick förmlich vor guter Laune. Sein halbes Gesicht hatte sich binnen Sekunden pechschwarz in Schatten gelegt. Und der Teil, bei dem das noch nicht der Fall war, wurde zunehmend 'gefressen'. Kurzerhand ergriff Sparkly die Flucht. Sich von Nick abstoßend, flog die schwarze Krähe zu Xiphos zurück und landete auf dessen freier, linker Schulter. Der brünette Jugendliche sagte: „Diese Karte gehört nicht dir, Nick. Sie wurde nie für dich gemacht.“ „Nein“, erwiderte dieser eisig. „Ich habe sie demjenigen genommen, bevor er mir etwas nimmt.“ „Du kannst ihre Kraft nicht kontrollieren“, prophezeite Xiphos seinem Gegner. „Also ich fühle mich erstaunlich gut.“ Nina indes rappelte sich langsam auf. „Bist du dir sicher, Kindchen? Schau in den Spiegel und sag das nochmal!“ Sie öffnete ihre giftgrüne Riesenhandtasche und holte einen kleinen Spiegel daraus hervor, näherte sich Nick aber nur mit gehörigem Respekt, als sie ihm diesen vors Gesicht hielt. Zwar warf der junge Mann tatsächlich aus den Augenwinkeln einen Blick auf sein Ebenbild, zuckte aber nur mit den Schultern. „Und wenn schon. Wenn dieses Ding mir zum Sieg verhilft, ist es das wert.“ „Das ist es nicht“, widersprach Xiphos bestimmend. „Hast du etwa Angst?“, fragte Nick herausfordernd. „[Evilswarm Ouroboros] ist von einer Immateriellen erschaffen worden. Sag bloß, so eine Kreatur könnte sogar dir gefährlich werden?“ Xiphos allerdings entgegnete: „Weißt du noch, warum du ursprünglich hierher gekommen bist?“ „Wenn ich nicht bekommen kann, wofür ich 'ursprünglich hierher gekommen bin'“, sagte Nick und seine Augen verengten sich zu Schlitzen, „habe ich keine Verwendung mehr für dich.“ In diesem Augenblick riss er den Zeigefinger nach oben. „Ich aktiviere den Effekt von [Evilswarm Ouroboros]! Durch das Abhängen einer Overlay Unit kann ich [Apoqliphort Towers] auf die Hand zurückgeben!“ Der am Boden liegende Drache schnappte mit seinem mittleren Kopf nach der leuchtenden Sphäre, die diesen umkreiste. Nick brüllte: „Infestation's Viciousness! Besagtes Haupt sammelte in seinem Maul zunächst schwarze Partikel an, ehe es diese quer in die Höhe spie, in Form einer mächtigen Flamme.   Evilswarm Ouroboros [ATK/2250 DEF/1250 {4} OLU: 3 → 2]   Doch es waren in Wahrheit winzige Insekten, die, als sie in das riesige Himmelsgebilde einschlugen, damit begannen, es regelrecht zu verseuchen. Binnen weniger Herzschläge hatten sie sich auf die vier Beine ausgebreitet. „Hm“, kam es von Xiphos bloß nachdenklich. „Apocrypha!“ Schlagartig stieß [Apoqliphort Towers] eine grüne Schockwelle von seinem ganzen Körper aus, die die winzigen Insekten im Nu absterben und von ihm herabfallen ließ. Wie ein schwarzer Regen gingen sie auf Xiphos nieder, der sagte: „Die Apocrypha haben mehrere Wirkungsbereiche. Einer davon besagt, dass kein Monstereffekt auf [Apoqliphort Towers] Wirkung hat, solange die Stufe oder der Rang des Verursachers niedriger ist.“ „Kommt mir bekannt vor“, sagte Nick und schnippte mit dem Finger, „ah, stimmt ja. Dann verfügen alle Qliphorts über diese Fähigkeit, selbst die Nicht-Pendelmonster.“ „Du hast keine Chance mehr, kraw!“, krächzte Snuggly. Was ihre Schwester genauso sah. „Gib schon auf!“ Selbst Nina, die ihren Spiegel inzwischen wieder in der Handtasche verstaut hatte, redete eindringlich auf Nick ein: „Sie haben Recht. Mit so einem schlappen Drachen kommst du nicht gegen ihn an. Gib lieber auf, bevor dir noch etwas passiert.“ „Sehe ich so aus, als würde mir etwas passieren?“, fragte Nick Nina scharf. Als sie verschreckt zurückwich, fügte er hinzu: „Ehrlich gesagt hätte ich, nach Anyas Schilderungen, erwartet, dass auch ich ein Opfer dieser Karte werde. Dass sie mich in ihren Bann zieht. Aber …“ Er wandte sich an Xiphos, der die Arme voreinander verschränkte. „… meine eigene Dunkelheit ist mehr als ausreichend, um diese hier im Keim zu ersticken.“ Zeitgleich nahm er seine letzte Handkarte und legte sie in die Duel Disk ein. „Was auch der Grund ist, warum ich so enttäuscht bin. Ich verfüge über keine eigenen Kräfte. Aber ich hätte etwas mehr von [Evilswarm Ouroboros] erwartet. Vielleicht sollte ich versuchen, ihn zu inkarnieren?“ „Das geht nicht. Dazu brauchst du die Kraft eines Immateriellen, Nick“, sagte Xiphos. „Technisch mag das sogar stimmen. Aber … ich brauche diese Kraft gar nicht. Ich kann dich auch so besiegen, ohne magischen Hickhack.“ Vor ihm sprang eine Zauberkarte auf. „Indem ich diese hier aktiviere: [Xyz Overload]. Da mir [Evilswarm Ouroboros] nicht mehr nützlich ist, zerstöre ich ihn stattdessen.“ Der geschwächte, dreiköpfige Drache begann panische Schreie auszustoßen, nahm all seine verbliebene Kraft zusammen, um sich panisch hin und her zu bewegen. Parallel dazu überzogen die Schatten auf und um Nick ebenjenen völlig, hüllten ihn in eine dunkle Wolke ein. Ninas Mund stand so weit offen, dass ein Golfball darin Platz finden würde. Wie von magischer Hand wurde Ouroboros in die Höhe gehievt, ließ letztlich vor Erschöpfung Köpfe und Schwingen schlapp herab herabhängen. Sein Körper begann in einem langsamen Intervall gelblich zu flackern. „Bist du verrückt!?“, überschlug sich Nina, die ihre Stimme zurückgefunden hatte. „Ich kenne diese Karte! Ihr werdet beide verlieren! Dafür bist du nicht hergekommen!“ Aus dem finsteren Wirbel, der Nick umgab, hallte es entschlossen heraus: „Es ist entschieden, Nina. [Xyz Overload] zerstört ein Xyz-Monster, welches in diesem Zug seinen Effekt aktiviert hat und dessen Angriffsstärke größer als meine Lebenspunkte ist und fügt beiden Spielern die Hälfte davon als Schaden zu.“ „Das sind 1125 Punkte!“, stieß Sparkly und schlug dabei panisch mit ihren Flügeln. „Zu viel. Zu viel! Tu was, Xiphi!“, ermahnte ihn auch Snuggly. Aber der Brünette verharrte regungslos mit versteinerter Mimik. Der Takt des Aufleuchtens von Ouroboros wurde zunehmend schneller. Genauso wie die Schreie des Drachen immer schriller und ängstlicher wurden. Unterkühlt sagte Nick: „Matt braucht dich vielleicht, um seine Duelle zu gewinnen. Ich nicht. Leb' wohl.“ Und in diesem Augenblick brach das Wesen in einer tosenden Explosion förmlich auseinander. Wellen von schwarzen Flammen überzogen die gesamte Wiese, sodass Nina kreischend davon rannte. Aber auch sie wurde erfasst und mitgerissen.   Als die Rothaarige zur Besinnung kam, merkte sie, dass sie am Boden lag. Die Augen vorsichtig klimpernd öffnend, sah sie den Himmel. Er war wieder strahlend blau. Das Gras neben ihr jedoch verschwommen. Ihre Brille war fort. Sich auf die Knie rollend, tastete sie das Grün ab, fand aber nicht, wonach sie suchte. „N-Nick?“, rief Nina orientierungslos und sah sich nach ihm um. Sie entdeckte diesen auch. Er stand wohl noch da, zu ihrer Linken, wo er vor der Explosion gestanden hatte. Die dunkle Wolke um ihn existierte nicht mehr, was sie insgeheim aufatmen ließ. Dem Strubbelkopf, den sie nur im Profil sah, stand auf einige Meter Entfernung Xiphos gegenüber. „So etwas aber auch!“, fluchte sie und griff kurzerhand in ihre Tasche, wo sie ein Brillenetui hervorzauberte. „Immer gut, Ersatz dabei zu haben.“ Kaum hatte sie das Modell mit den schwarzen Bügeln aufgesetzt, erkannte sie die beiden besser. Nicks Hautfarbe hatte sich normalisiert. Xiphos lächelte. „Glückwunsch.“   [Nick: 1100LP → 537LP / Xiphos: 600LP → 0LP]   Die verblieben Hologramme verschwanden. „Nicht mal ein Kratzer“, ärgerte sich Nick leise. Nina stellte fest, dass der Jugendliche trotz der heftigen Explosion unversehrt geblieben war. Ebenso die Graslandschaft selbst, die doch inzwischen einem Krater hätte ähneln müssen. Auffällig war auch, dass die Krähen mit Abwesenheit glänzten. Viel mehr aber wunderte die Journalistin eins: „Wie zur Hölle hast du gewonnen!? Und das mit so einem seltsamen Lebenspunktewert!?“ „Er hat sich Zunutze gemacht, dass [Damage Diet] einen zweiten Effekt besitzt“, erklärte ihr Xiphos freundlich. „Sie aus dem Friedhof zu verbannen sorgt dafür, dass Effektschaden, den er erleidet, halbiert wird.“ „O-oh!“ Nina straffte ihre Schultern. „G-gut gemacht.“ „Ich weiß“, gab sich ihr Begleiter wieder betont distanziert. Seinen Blick starr auf Xiphos fixiert, begann er unerwartet zu schmunzeln. „Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mit einem anderen Ausgang gerechnet. Du scheinst ein vernünftiger, fairer Dämon zu sein. Du hast nicht einmal versucht, in das Schicksal einzugreifen.“ Xiphos grinste breit. „Das hätte sonst auch keinen Spaß gemacht.“ „Mag sein.“ Nick wurde wieder deutlich ernster. „Aber das heißt auch, dass du dich an die Abmachung halten musst.“ Statt etwas daraufhin zu erwidern, hob der Dämon seinen Zeigefinger und deutete auf Nick. Besser gesagt dessen Gesicht. Nina bemerkte, wie der junge Mann verwirrt die rechte Augenbraue anhob und sich dann mit einem fragenden Ausdruck zu ihr drehte.   Als Nick die Klatschreporterin so sah, wie sie mit ihrem durcheinander geratenem Haar da stand und die Hände vor den Mund schlug, wusste er nicht, warum sie das tat. Und das erfüllte ihn mit einer gewissen Unruhe. „Was ist?“ „D-dein linkes Auge.“ Nick fuhr instinktiv mit der Hand über das Lid, aber dort war nichts. „Da sind zwei Krähen-Tattoos. Direkt neben dem Auge!“ „Was!?“, stieß er hervor und wirbelte zu Xiphos herum. „Das ist die Kraft, die ich dir geben kann. Von nun an gehören Snuggly und Sparkly dir.“ Xiphos lächelte geheimnisvoll. „Keine Sorge, Nick. Niemand außer dir und Nina wird die Veränderung an dir sehen können. Diese beiden Schattengeister sind besonders. Ich bin überzeugt davon, dass sie dir gute Dienste leisten werden.“   Nick breitete die Handfläche seiner linken Hand vor sich aus. Er stellte sich vor, irgendetwas damit zu bewirken. Eine Flamme erscheinen zu lassen, oder eine Waffe. Oder wenigstens eines dieser Viecher, aber nichts geschah. „Du wirst schon noch dahinter kommen“, versicherte Xiphos ihm. „Snuggly und Sparkly sind eigenwillig. Aber sie werden da sein wenn du sie brauchst.“ „Wieso habe ich das Gefühl, dass ich mir damit keinen Gefallen getan habe?“, stellte Nick die vorletzte Frage, die er Xiphos zu stellen gedachte. „Du wirst ihnen – und mir – vertrauen müssen.“ Nick hob die Handfläche und strich sich mit den Fingerspitzen über die Stelle, die Nina ihm beschrieben hatte. „So wie du dem Sammler vertrauen musst, weil ihr Freunde seid.“ „Wir sind jetzt ebenfalls Freunde, Eli.“ „Ich bin Nick Harper“, murmelte jener leise und schloss die Augen, „aber sind dein Strife und der Sammler überhaupt ein und dieselbe Person?“   Dann lauschte er nach der Antwort. Es kam keine. Und als der junge Mann die Lider wieder anhob, fand er sich zusammen mit Nina in der verdunkelten Wohnung wieder. Der Fernseher flimmerte schwarz-weiß, als würden Ameisen darüber krabbeln. Von Xiphos fehlte jegliche Spur. „Das weißt wohl nicht einmal du“, flüsterte der junge Mann vor sich hin. Nina ihrerseits fasste das Erlebte für sich zusammen. „Okay … okay! Das war … eine seltsame Begegnung. Und etwas enttäuschend.“ Sich noch einmal im Wohnzimmer umsehend, entschied Nick: „Das wird sich wohl erst zeigen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich das bekommen habe, was ich wollte. Und Sie?“ „Ich glaube nicht, dass ich darüber schreiben werde. Mit so einer Geschichte gewinne ich bestimmt keine neuen Leser.“ Nick musste auflachen. „Sicher, dass Sie nicht einfach nur Angst haben, weil Xiphos Ihnen untersagt hat, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?“ „N-nein, überhaupt nicht. Wo denkst du hin?“ Die Nase rümpfend, stürmte Nina aus dem Zimmer hinaus. „Komm jetzt, Bürschlein, ich will hier nicht eine Minute länger meine Zeit verschwenden!“ Nick folgte ihr aus der Wohnung. Sich dabei immer wieder fragend, was er durch diese Begegnung genau gewonnen hatte. Und was im Gegenzug verloren …   ~-~-~   Nick ließ die Tür seines Motelzimmers hinter sich ins Schloss fallen. Endlich war er diese verdammte Nina los! Hatte sie ernsthaft erwartet, dass er sie mitnahm, um die Diebin von Anyas Deck zu stellen? Sie mochte sich minimal gebessert haben, aber in diesem Fall wäre sie nichts weiter als ein Klotz am Bein. Also hatte er sie am nächsten Bahnhof mit ein paar Scheinen abgesetzt, auf dass sie allein ihren Weg nach Livington zurückfand. Letztlich hatte er sich dann hier abgesetzt.   Nick ließ sich rückwärts gegen die Tür fallen und rutschte an ihr hinab bis auf den Hosenboden. Das kleine Motelzimmer war spärlich eingerichtet. Die beigefarbenen Wände und die hölzerne Einrichtung versprühten einen gewissen Charme, sofern man auf Seitensprünge stand. Nick fühlte sich hier nicht wohl. Was wiederum eher an dem Erlebten lag. Sofort fasste er wieder die Stelle neben seinem linken Auge an, welche nun von zwei stilisierten Krähen gezeichnet war. So vieles war ihm seitdem durch den Kopf gegangen. Sparkly und Snuggly … waren sie wirklich seine Verbündeten? Oder Spione für Xiphos und den Sammler? Andererseits, so etwas brauchten Wesen wie diese beiden überhaupt nicht. Und dann die Frage, über welche Kräfte sie und damit im weiteren Sinne auch er verfügten? Nick überlegte hin und her, ob er die Krähen rufen und bitten sollte, ihn im Umgang damit zu schulen.   Langsam richtete er sich auf. Zunächst musste er etwas anderes erledigen. Seit seinem letzten Anruf war inzwischen einiges an Zeit verstrichen und Abby war bestimmt schon sauer deswegen. Gemächlich schlenderte er daher um das Bett herum zu einer Kommode, auf dem das Telefon stand, welches er sich nahm. Die Schnur bis zum Bett ziehend, setzte er sich auf dessen Rand. Nachdem er Abbys Mobilfunknummer aus dem Kopf gewählt hatte, dauerte es einen Augenblick, bis sie auch abnahm. „Masters?“ „Hi Abbs.“ „Nick? Seit wann nennst du mich Abbs?“ Er grinste verlegen. „Mir war einfach danach.“ „Na wenn du meinst“, kicherte sie und er sah sie geradezu vor sich, wie sie- Nick blinzelte. Er -sah- sie vor sich! Abigail Masters stand direkt neben ihm, vor dem großen Eichenschrank. Sie hielt ihr Smartphone am Ohr und sah gen Boden. Ihr brünettes Haar war hochgesteckt, dazu trug sie ein farbenfrohes Shirt mit Spagettiträgern. Und natürlich ihre dezente Brille, nicht das gefärbte Monsterteil von damals. Sie war hübsch anzusehen, wenn man davon absah, dass er ganz offensichtlich halluzinierte. „Ähm, Abby … ich“, stotterte er verwirrt. Ihre Erscheinung war verschwommen und transparent, sodass sich Nick mit der freien Hand die Augen rieb. Indes summte sie förmlich: „Ja, Nick?“ Als der zerzauste Mann im Hawaiihemd fertig und sie immer noch da war, konnte jener nur müde lächeln. „Das ist kein Zufall, dass ich dich sehe, oder?“ „Ja!“, strahlte sie ihn an, während ihre Stimme aus dem Hörer kam. „Das kann ich jetzt auch! Sirenenkräfte sind so abgefahren!“ Allein, dass er sie noch nie so reden gehört hatte, versetzte Nick ins Staunen. „Ist das eine Astralprojektion?“ „Glaube schon“, sagte sie und nickte dabei. „Ich habe erst vor Kurzem entdeckt, dass ich das kann. Weißt du, Timothy, einer aus meinem Psychologie-Kurs, hatte mich neulich so auf die Palme gebracht. Er hat doch tatsächlich Tierversuche damit gerechtfertigt, dass-“ Okay, sie war immer noch die alte Abby, atmete Nick erleichtert auf. „Ja, ja, ja, wie konnte er das nur tun, dieser Mistkerl.“ „Genau, und da war mir mit einem Mal danach – nachdem er jedes meiner wirklich guten Argumente ignoriert hat! – so richtig aus der Haut zu fahren.“ Nick musste auflachen und strahlte das geisterhafte Mädchen vor ihm an. „Und das ist dir gelungen, nehme ich an.“ „Jap. Vor mindestens zehn Mitkommilitonen. Ich habe sie sofort glauben lassen, sie wären Bananen.“ „Biobananen?“ „Fair Trade-Biobananen.“ Nick taten schon die Mundwinkel beim Grinsen weh. „Sieht dir ähnlich. Sie haben es danach vergessen, richtig? Oder denken sie immer noch, sie wären für eine bessere Welt angebaut worden?“ Abby zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Nein, neun von ihnen geht es wieder gut. Aber genug von mir und meinen unnötigen Sirenenupgrades, wie geht’s dir?“   Das breite Lächeln wich sofort aus Nicks Gesicht. „Das hab ich gesehen“, klang Abby am Hörer sofort besorgt, „also ich sehe dich nicht richtig vor mir, eher wie vor so einem inneren Auge. Was ist los? Hat Aiden wieder versucht, an Anya heranzukommen?“ Ihr Freund stockte. „N-nein, ich denke, den habe ich unter Kontrolle. Sagen wir einfach, du bist nicht die Einzige, die ein, wie soll ich es nennen, Upgrade erhalten hat.“ Die Abby-Projektion ließ erschrocken das Smartphone in der Hand sinken. Nur um es dann hastig wieder ans Ohr zu legen. „Sag nicht, du-!?“ „Ich habe schon seit einiger Zeit nach einem Dämon gesucht“, erklärte Nick und sah das durchsichtige Mädchen bewusst nicht mehr an, „der mir Kräfte verleiht. Siehst du das an meinem linken Auge?“ Das flimmernde Ebenbild seiner Freundin schlug erschrocken die Hand vor den Mund. „N-nein, w-was ist da? Oh Nick, das hättest du nicht tun dürfen! W-was ist passiert?“ „Letztlich bin ich der Spur eines der fünf mächtigsten Dämonen auf diesem Planeten gefolgt: Xiphos. Und ich habe ihn gefunden.“ Das Mädchen vor ihm ging in die Knie, als wolle sie in sein Gesicht blicken. Auch wenn sie ihn, wie sie selber gesagt hatte, gar nicht direkt sehen konnte. „Was ist passiert Nick? Geht es dir wirklich gut? Ist … ist jemand verletzt worden?“ „Nein“, schüttelte der den Kopf, „aber Xiphos hat sich als Freund des Sammlers herausgestellt.“ Vor Schreck sprang Abby wieder auf. Für einen Moment verzerrte sich ihr Ebenbild derart stark, dass es sich drohte aufzulösen. „Das Duell, das über mein Anliegen entscheiden sollte, habe ich gewonnen. Also hat er mir bestimmte Kräfte verliehen“, redete Nick in seiner monotonen Art weiter. Erst als die Astralprojektion sich einigermaßen wieder in seinem Motelzimmer gefestigt hatte, erwiderte Abby aufgebracht: „Nick, sag, dass du mich nur aufziehen willst! Wenn er ein Freund des Sammlers ist, dann war das eine Falle! Vielleicht hat er jetzt Macht über dich!?“ „Möglich“, entgegnete Nick, „aber ich bezweifle es.“ Abby legte ihre Hände auf die Brust, fragte eindringlich: „Wieso!? Wieso hast du so etwas Dummes getan!?“ „Weil ich machtlos bin“, erwiderte ihr Freund bemüht darum, seine Fassung zu wahren.“ Die Brünette schüttelte vehement den Kopf. „Aber so etwas sieht dir nicht ähnlich! Der Nick, den ich kenne, würde sich doch nicht waghalsig in so große Gefahr stürzen. Es hätte sonst etwas passieren können. Oder vielleicht ist es das sogar und du weißt es nicht. Nick!“ „Manchmal muss man Risiken eingehen. Weißt du“, ruckartig drehte er sich zu ihr um, sodass sie glatt noch einmal zurückschreckte, „ich bin der Überzeugung, dass Xiphos nicht unser Feind ist. Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber seinen Worten nach ist er nicht einfach nur ein guter Bekannter des Sammlers. Er ist sein Freund. So wie wir beide Freunde sind.“ Ihre Brille von der Nase nehmend, legte das Mädchen ihr Smartphone außerhalb des Bereiches der Astralprojektion ab und rieb sich die Augen. „Das macht mir Kopfschmerzen. Und Bauchschmerzen. Alle möglichen Arten von Schmerzen. Oh verdammt, Nick!“ „Lass mich zu Ende erklären“, verlangte dieser in einem besänftigenden Tonfall, „Xiphos hat von Anfang an klar gemacht, dass er nicht mehr für mich tun kann und will. Aber ich habe eine Theorie.“ Als Abby sich die Brille wieder aufsetzte, fragte sie streng: „Und die wäre?“ „Er will, dass ich ihn rette. Also den Sammler.“ „I-ist das dein Ernst!?“, fiel das leicht leuchtende Abbild seiner Freundin aus allen Wolken. „Weil er es nicht kann. Weißt du noch, was Anya uns berichtet hat, als sie Anothers Beweggründe erklärte? Er sagte, der 'wahre Feind' nahm zunächst die Form der Immateriellen an, bevor er ihre Welt vernichtete.“ Je mehr er sagte, desto schneller sprach er und erhob sich sogar mit dem Telefon in der einen und dem Hörer in der anderen Hand von seinem Bett, sah Abby derart flehend an, dass diese ihren durchbohrenden Blick nicht aufrecht erhalten konnte. Er breitete sogar die Arme weit aus, als er sagte: „Dieser 'wahre Feind' ist der Sammler. Aber was, wenn er nicht eine beliebige Form imitiert, sondern stattdessen übernimmt?“ „Von was redest du da?“, fragte Abby halb fasziniert, aber auch genauso ängstlich. „Xiphos hatte seine Unarten und wirkte unnahbar, aufgesetzt. Meine Vermutung: Er war einmal ein Mensch wie wir. Und“, begann er leise zu flüstern, „ebenso der Sammler. Es wäre denkbar, dass der 'wahre Feind' eine parasitäre Lebensform ist. Aber es gibt zu viele offene Fragen, als dass ich diesen Schluss schon als plausibel bezeichnen würde. Möglich, aber nicht definitiv.“   Nachdem er das ausgesprochen hatte, zog sich der Mantel der Stille um die beiden. Nick wusste, dass dies nur eine Hypothese war, basierend einzig auf seinem subjektiven Empfinden. Aber er hatte sich schon länger gefragt, wie solche mächtigen Wesen wie der Sammler oder Xiphos überhaupt entstanden waren? Oder welchen Pfad man beschreiten musste, um dort anzugelangen.   „Was wirst du jetzt tun?“, fragte Abby verunsichert. „Dass du … so weit gehst, um … ich habe Angst um dich, Nick.“ „Sag niemandem davon ein Wort. Bitte. Ich muss das in Ordnung bringen, irgendwie. Und dazu muss ich vielleicht zu jemandem werden, der ich nicht sein will.“ Nick nahm langsam den Hörer vom Ohr. „Aber einer muss es tun.“ Dann legte er auf, ließ den Apparat neben sich auf das Bett fallen. Und Abbys Astralprojektion löste sich überraschenderweise auf.     Turn 67 – Ordeals Einige Tage sind seit Anyas Sieg über Zachariah vergangen und das erste Viertelfinale steht an. Doch ihr Gegner Jack Leonhart Jr., welcher die Vorrunden mit fast perfekter Punktzahl absolviert hat, ist nicht die einzige unangenehme Überraschung, die Anya erwartet … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)