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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 51 - Into The Abyss

Turn 51 – Into The Abyss

 

 

Man konnte es geradezu als Hämmern bezeichnen, wie Anya in die Tasten des öffentlichen Münztelefons schlug, welches sich vor dem beschaulichen kleinen Bahnhof von San Augustino befand. Matt und Zanthe warteten mit gepackten Koffern an der Treppe, die direkt zum Bahngleis führte.

Angespannt hielt Anya sich den Hörer ans Ohr, war sie schließlich erst jetzt dazu gekommen, Nick anzurufen. Und es dauerte eine schiere Ewigkeit, bis der sich bequemte abzunehmen.

„Das hat aber gedauert“, hörte sie ihn schnarren.

Die Blondine runzelte ärgerlich die Stirn. „Woher willst du wissen, dass ich es bin?“

„Habe ich das etwa behauptet? Aber schön, dass du es trotzdem bist. Wie ist es gelaufen?“

Anya sah am Telefon vorbei zu ihren beiden Begleitern, deren Blessuren für das bloße Auge zwar nicht mehr sichtbar, deswegen aber noch längst nicht vergessen waren. Anya mahlte mit dem Kiefer. „Ich würde sagen nicht so gut.“

„Hast du die Karte etwa nicht?“

„Doch, das schon“, erwiderte sie zögerlich, „aber der Typ ist jetzt so'n bisschen … tot.“

Es dauerte einen Moment, bis Nick reagierte. Ziemlich geschockt, sogar für seine Verhältnisse. „Er ist -was-!?“

„Zu Staub zerfallen.“ Anya zuckte mit den Schultern und stöhnte. „Keine Ahnung wieso. Der Flohpelz meint, sein Status als Hüter könnte seinen Alterungsprozess aufgehalten haben und nun, da er keiner mehr war, ging's rapide bergab.“

Zugegeben, was sie da wiedergegeben hatte, entsprach nur bedingt der eigentlichen Erklärung, aber wen juckten schon Details? Die änderten eh nix mehr daran, dass der Typ tot war.

Sie hörte, wie Nick schluckte. „Und das ist okay für dich …?“

„Hab ich das behauptet!?“, brauste sie sofort auf. „Aber Matt sagt, dieser Drazen habe es selbst so gewollt, sonst hätte er sich nicht beschwören lassen. Wusstest du, dass er mal ein Bewohner der heiligen Stadt Eden war? In der niemand je stirbt?“

„Ja … das wusste ich.“

Anya stöhnte abermals und legte, an den Telefonmast lehnend, ihre Hand auf die Stirn. „Ich will nicht sagen, dass mir egal ist, was mit dem Typen passiert ist. Aber …“

„Schon gut, Anya. Ich verstehe schon, worauf du hinaus willst.“

 

Das Mädchen sah wieder herüber zu Matt, der mit dem Kopf nickte. Gerade fuhr der Zug unter lautem Getöse ein.

„Harper, das ist nur die Spitze des Sahnehäubchens“, fuhr Anya eilig fort, „gleich als Summers ihn besiegt hatte, tauchte plötzlich so'ne uralte Mumie auf. Nannte sich Undying oder so. Weißt du zufällig, was das ist?“

Am anderen Ende der Leitung gab Nick ein nachdenkliches Geräusch von sich. „Undying? Ich weiß nicht, kommt mir irgendwie bekannt vor. Aber wie auch immer, es klingt ziemlich … unsterblich.“

„Sag mir was, was ich noch nicht weiß. Der Spinner hat damit unentwegt geprahlt und mich provoziert, also hab ich's so'n bisschen ausprobiert! Und naja“, Anya schnaubte wütend, „er hat wohl nicht gelogen. Jedenfalls hat der uns angegriffen und selbst zu dritt hatten wir keine Chance. Das war der totale Freak!“

„Warte einen Moment, ich checke mal kurz etwas. Vielleicht kann ich herausfinden, wo er sich jetzt aufhält. Wann war das Duell ungefähr und wo?“

„Gestern Abend, vielleicht ein paar Kilometer von San Augustino entfernt, in einem Wald.“

 

An einem weit entfernten Ort legte Nick den Hörer seines Schnurlos-Telefons neben sich auf die Bettdecke und öffnete bei seinem, vor ihm aufgeklappten, Laptop ein Programm, auf welches er eigentlich gar keinen Zugriff haben dürfte. Schnell tippte er ein paar Tastenkombinationen ein, gab dann den Namen der von Anya genannten Ortschaft ein und dazu ein Zeitfenster. Jedoch wurde ihm ein leerer Bildschirm präsentiert.

Die angewinkelten Beine aufs Bett niederfallen lassend, griff er nach dem Hörer und sagte: „Nichts. Da sind keine Aufzeichnungen von eurem Duell auf den Servern der AFC.“

„Bist du sicher?“, quakte Anya. „Guck noch mal, aber beeil' dich, der Zug fährt gleich los!“

„Warte.“

Nick legte den Hörer noch einmal beiseite und gab diesmal in einem anderen Fenster die ID-Nummer von Anyas Duel Disk ein. Doch das letzte Duell, das vor dem gestrigen Datum in der Registratur fand, war jenes mit Abby am Flughafen gewesen. In dem Moment erinnerte sich Nick, dass Anya inzwischen Logans D-Pad benutzte und ihr Log dementsprechend nutzlos war. Kurzerhand, da er Logans ID nicht kannte, schwenkte er auf Matts um. Aber auch hier wurde deutlich, dass dieser sich nach seinem Kampf mit Drazen nicht mehr duelliert hatte.

„Was immer dieser Undying getan hat, seine Spuren verwischt er gut“, sprach Nick schließlich mit unter dem Ohr geklemmten Hörer.

Währenddessen hatte längst etwas anderes seine Aufmerksamkeit erregt – Matts vorletzter Zug im Duell gegen Drazen. Denn dort fand er etwas, das mit Sicherheit nicht da sein sollte. Nicks Augen weiteten sich, als er begriff, was er da vor sich hatte. „Anya? Nimm dich-“

„Sorry Nick, muss Schluss machen, der Zug ist gleich weg. Bin irgendwann abends zuhause. Hol' uns ab, bye!“

Schon hatte sie aufgelegt.

„-vor Matt in Acht“, beendet er übergangen seinen Satz.

 

Das schnurlose Telefon rutschte ihm von der Schulter und fiel auf die Tastatur. Nick schob ihn beiseite und öffnete die Datei der einen Karte Matts, die ihn so unvorbereitet getroffen hatte.

„Keine Daten vorhanden“, murmelte er fassungslos.

Sich aufrichtend, fuhr sich der junge Mann durchs zerzauste Haar, fasste sich dann mit beiden Händen an die Wangen. Unmöglich, wie konnte das sein? Was hatte Matt da angestellt, dass er so eine Karte besaß?

Eigentlich kannte Nick die Antwort, fürchtete sich jedoch davor, sie auszusprechen. Denn sie ließ ihn an den guten Absichten des Dämonenjägers arg zweifeln.

 

Schließlich rollte sich Nick über sein Bett und watete durch sein unordentliches Zimmer, in dem sich die Klamotten nur so übereinander stapelten. Mit nichts als einer Boxer Short bekleidet, schnappte er sich wahllos ein dunkelgrünes T-Shirt, roch dran, verzog eine angeekelte Miene, nur um es sich dann trotzdem anzuziehen. Dabei sah er, das Shirt halb übergezogen, einen Augenblick lang an seinen hageren Körper hinab, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkte, doch auf den zweiten deutliche Ungleichmäßigkeiten aufwies … Brandnarben. Unzählige. Nick schüttelte den Kopf. Kurz darauf hatte er auch noch eine graue Hose gefunden, die er sich überzog und warf sich dazu eine dünne, hellgrüne Jacke über.

Es war Zeit für einen kleinen Stadtbummel. Das Undying-Problem ordnete er derzeit als größer ein als Matts kleines Geheimnis, weshalb er sich zuerst darum kümmern wollte. Was aber nicht hieß, dass er sich nicht Sorgen um Anya diesbezüglich machte. Ausgerechnet Matt …

 

-~-~-

 

Die abgeblätterten Lettern waren tatsächlich übermalt worden. Nur leider nicht mit passender Farbe, sondern Graffiti, stellte Nick mit bedauernder Mimik fest, als er über die Straße der großen Kreuzung ging, direkt auf die kleine Stadtbibliothek zu.

 

Es brannte Nick unter den Fingernägeln, Anya von seinem Fund zu berichten, wusste er doch nicht, was er daraus schließen sollte. War Matt gefährlich? So oder so, selbst wenn er sie jetzt kontaktierte, würde er den Dämonenjäger im Schlimmstfall aufmerksam machen und das wollte er vermeiden. Zumindest, solange er sich der Sache nicht selbst angenommen hatte. Dementsprechend musste er sich wohl oder übel darauf verlassen, dass Zanthe solange auf sie aufpasste. Was seine ohnehin schon große, innere Nervosität alles andere als linderte.

Solange er auf seine Freundin warten musste, sagte sich Nick, konnte er wenigstens versuchen, etwas über diesen neuen Feind, die Undying, herauszufinden. Und obwohl man es nicht glauben wollte, zog der hagere junge Mann in dem Fall alte Wälzer moderner Technologie vor. Aus einem ganz bestimmten Grund.

 

Nick betrat das orange gestrichene, mit silbernem Grafitti übersäte Gebäude. Sofort kam ihm ein muffiger Geruch entgegen, als er die Tür hinter sich schloss. Er wandte sich rechts an den Holztresen und stellte unmittelbar fest, dass sich auch im Inneren der Bibo seit seinem letzten Besuch nichts getan hatte. Der uralte, angegilbte PC, den die Bibliothekarin Mrs. Wilson benutzte, fing immer noch Staub.

Jene, ein grauhaariges Reptil, saß auf ihrem Stuhl und schien vor sich hin zu dösen. Selbst das hatte sie schon letztes Mal getan.

„Entschuldigung“, sprach Nick sie an.

Die Alte öffnete ihre Augen und zischte: „Vergiss es, wir haben keine Pornos und auch keine Comics.“

„Daran erinnern sie sich noch?“ Nick staunte nicht schlecht.

„Alt zu sein bedeutet nicht automatisch an Alzheimer zu leiden“, krähte sie ärgerlich, „du kleiner Perverser hast nur Unruhe gestiftet.“

Abwehrend hob Nick die Hände. „Und das tut mir auch unendlich leid.“

Er neigte sich über den Tresen. „Aber ich verspreche, heute keinen Ärger zu machen. Ich suche ein ganz bestimmtes Buch. Der Titel lautet 'Thirty Legends – The Whole Truth'“

Aus ihrer Hornbrille sah Mrs. Wilson ihn verständnislos an. „Für diesen Plunder interessiert du dich?“

„Ich will eine Parodie darüber schreiben“, log Nick, ohne rot zu werden.

„Für mehr taugt es auch nicht“, erwiderte sie abfällig, „du findest es im dritten Regal von rechts, ganz hinten.“

Der zerzauste brünette Bursche zog sich vom Tresen zurück und bedankte sich artig.

 

Keine fünf Minuten später saß er an einem der Tische zwischen den Regalen und machte eine der Bankerleuchten vor ihm an. Dabei blätterte er bereits in dem Schinken, den ein Verwandter der regionalen Trash-Reporterin, Nina Placatelli, geschrieben hatte.

Warum war dieses Buch so wichtig? Nun, Nick wusste, dass der Autor unter anderem ein Interview mit Drazen geführt und das Erfahrene in einem der Kapitel niedergeschrieben hatte. Erst durch diese Umstände hatten Nick und Drazen sich kennenlernen können.

Der größte Teil des Kapitels drehte sich um die Stadt der Unsterblichen, Eden, in der Drazen einst gelebt hatte. Sie galt als Utopia der Menschen, eine künstlich erschaffene Welt inmitten des Nexus, erbaut, um seine Bewohner vor den Fängen des 'wahren Feindes' zu schützen. Niemand wusste genau, wer oder was der 'wahre Feind' war, von dem Another gesprochen hatte. Fest stand, dass Eden bereits vor über einem Jahrtausend errichtet worden war und sich nun irgendwo im Nexus befand, abgeschottet und unerreichbar.

Doch darum ging es Nick gar nicht. Eher um eine Aussage Drazens, die sich in dem Buch befand und sich auf diejenigen bezog, die zusammen mit den Menschen und Immateriellen Eden erschaffen hatten.

„Die Undying“, fand Nick den Absatz dazu schließlich.

Jedoch wurden sie nur ein einziges Mal erwähnt, als unsterbliche Wächter der ewigen Ordnung, die mit ihrer Macht die Stadt der Allerheiligsten, Eden, aufgebaut haben. Mehr hatte Drazen nicht über sie verloren.

 

Nick schloss das Buch und schob es beiseite, stützte seine Ellbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn auf die mit beiden Händen geballte Faust.

Nun, das war weniger als er erhofft hatte zu finden. Im Grunde sagte es nichts aus, was ihm bezüglich ihrer Motive weiterhelfen könnte. Und doch ratterte es in seinem Inneren.

„Sie beschützen die ewige Ordnung“, murmelte er, „also bedroht Anya diese.“

Und sie waren die Schöpfer der Stadt Eden. Könnte das bedeuten, dass sie sich auch dort aufhielten? Zumindest schienen sie nicht prinzipiell feindlicher Natur zu sein, wenn sie den Menschen und Immateriellen halfen. Im Gegenteil, anscheinend beschützten sie diese.

Umso dunkler wurde Nicks Ahnung, dass das Tun des Sammlers nicht im Interesse der Allgemeinheit war.

„Du bist der 'wahre Feind'“, schloss er kurz darauf. „Es ergibt Sinn! Urila sagte, einer von ihnen wäre in dieser Welt gestrandet. Und niemand kommt an deine Macht heran …“

Die Erkenntnis traf ihn wie einen Schlag. Es passte auf abstruse Weise, auch wenn er sich nicht hundertprozentig sicher sein konnte. Aber … Anya stand im Dienste des 'wahren Feindes'. Wenn dem so war, würde sie sterben, ob sie ihre Mission erfüllte oder nicht.

Sofort sprang Nick auf, auch wenn er nicht einmal wusste, was er jetzt tun sollte. Wie er dagegen vorgehen konnte. Nick Harper verspürte in diesem Augenblick dieselbe Machtlosigkeit wie damals, als er Anya hinterher sah, wie sie sich zum Turm von Neo Babylon aufmachte.

 

-~-~-

 

Zuhause angekommen, stürmte Nick umgehend in sein Zimmer. Er musste irgendwie Anya kontaktieren und warnen, aber die war nicht erreichbar, solange sie mit Matt und Zanthe im Zug saß. Unter Umständen könnte er Alastair anrufen, aber das würde genauso wenig nützen und im Schlimmstfall nur für mehr Ärger sorgen. Aber er kannte vielleicht noch eine Möglichkeit, Anya die Botschaft sofort zukommen zu lassen.

Warum hatte er ihr kein neues Handy besorgt!? … richtig, weil sie die letzten zwei binnen Rekordzeit in ihre Einzelteile zerlegt hatte. Großartig!

 

Nick sah sich aufgeregt in seinem völlig zugemüllten Zimmer um, auf der Suche nach seinem Festnetztelefon. Da fiel ihm ein flacher Umschlag auf, der auf seinem Schreibtisch in der Ecke des Zimmers lag. Er war sich sicher, ihn vorhin noch nicht dort gesehen zu haben. Höchstwahrscheinlich war er von seiner Mutter, die hoffentlich verkündete, ein neues Leben in Alaska anzufangen!

Neugierig ging er auf den Schreibtisch zu, schnappte sich den unbeschrifteten Umschlag und holte den Brief daraus hervor.

 

Triff dich heute um 14 Uhr mit mir im Gewerbegebiet nahe der Müllhalde. Lager 17, das leer stehende. Dort werde ich dir Rede und Antwort stehen. Keine Lügen. Kali

 

Die relativ kurze Botschaft versetzte Nick in erstauntes Schweigen. Hatte er richtig gelesen, Kali? Die, die ihn angegriffen hatte!? Und Anyas geliebte Battle City-Duel Disk gestohlen hatte? Warum sollte sie ihn jetzt treffen wollen, wenn sie auf Rache nach Anya aus war?

Das roch nicht nur nach einer Falle, das stank förmlich danach.

Aber wieso ausgerechnet zu diesem ungünstigen Zeitpunkt? So blieb ihm nur noch knapp eine halbe Stunde, wie ihm ein Blick auf seine Armbanduhr verriet. Und er hatte gerade andere Probleme!

 

Nick überlegte, ob er der Aufforderung nachkommen sollte. Einerseits bot sich so die Möglichkeit, mehr über sie herauszufinden und zudem war das Ganze doch etwas zu offensichtlich. Sie musste damit rechnen, dass er es durchschaute. Bloß wieso machte sie sich dann die Mühe?

Dass sie wiederum einen so abgelegenen Ort aussuchte, deutete durchaus daraufhin, dass sie ihn entsorgen wollte. Dort würde sie niemand stören. Aber selbst wenn das der Fall war … er konnte ihr zuvor kommen. Er musste es zumindest versuchen. Dann hatte Anya ein Problem weniger, mit dem sie sich herumärgern musste.

„No risk, no fun“, lautete seine Devise.

 

Zwar gefiel es ihm nicht, aber vielleicht wäre es sogar das Beste, Anya noch nicht sofort über die Herkunft des Sammlers in Kenntnis zu setzen. Zumal er für seine Theorie noch keine handfesten Beweise hatte. Am Ende tat Anya nur etwas, das sie am Ende bereuen würde. Was den Sammler und auch Matt anging, wäre es am besten, das Mädchen vorerst im Unwissenden zu lassen.

Was die beiden anging, würde er sich noch früh genug mit ihnen auseinandersetzen. Zunächst war aber Kali an der Reihe.

 

Er nahm aus der Innentasche seiner grünen Jacke ein altmodisches Handy und betrachtete das Display. Er schnappte sich den Laptop von seinem Bett, trug ihn herüber zu seinem Schreibtisch und setzte sich, während er den Apparat aufklappte. Mit der Intention, im Falle des Falles eine ganz eigene Überraschung für Kali vorzubereiten.

 

-~-~-

 

Etwa eine dreiviertel Stunde später fand Nick sich auf einem riesigen Gelände wieder. Die meisten Lagerhallen vor ihm wurden nicht länger genutzt, da die Firmen entweder zugrunde gegangen beziehungsweise aufgekauft worden waren oder schlichtweg umgezogen sind. Nick verstand selbst nicht, warum niemand hier Gewerbe betrieb, obwohl die Lage eigentlich recht gut war.

 

Er marschierte weiter geradeaus. Vor ihm befand sich das riesige, heruntergefahrene Tor, über dem die Zahl 17 in roter Farbe prangerte. Die vergleichsweise kleine Tür nebenan stand einen Spalt weit offen.

Das hier war sein Ziel.

 

Ohne Umschweife trat Nick ein. Durch die Fensterreihe an der Hinterseite des Gebäudes drang genug Tageslicht, um einigermaßen gut sehen zu können.

Die Halle selbst war komplett leergefegt. Zur linken Seite gab es eine Stahltreppe, die zu den im oberen Geschoss liegenden Büroräumen führte. Vier massive Säulen stützten das Lager. Nick war allein.

„Ich bin da, wenn auch etwas verspätet“, verkündete er das Offensichtliche, doch keine Reaktion folgte. Bissig fügte er noch hinzu: „Ich hoffe, nicht zu spät für den Nachtisch.“

Er schritt vorsichtig durch das Lager, sah sich um. Etwa auf der Hälfte des Weges zum anderen Ende bemerkte er einen Schatten. Hinter einer der Säulen auf der rechten Seite trat eine komplett in schwarzer Kutte verhüllte Gestalt vor. Es war dieselbe, die Kali getragen hatte, ohne Zweifel.

„Wie schön, dass -du- pünktlich bist“, schnarrte Nick, „also, was willst du von mir?“

Keine Antwort. Stattdessen hob Kali den Arm, an welchem eine blaue Duel-Disk angebracht war und aktivierte diese.

„Im Ernst?“ Nick schnalzte mit der Zunge. „Ich dachte wir wollten nur reden?“

Er sah auf den Apparat an seinem Arm. Immerhin hatte er mit so etwas schon gerechnet, doch das hier war ihm etwas zu plump.

Sein Blick richtete sich wieder auf Kali. „Komm schon, so eine armselige Falle?“

Wieder gab es keine Reaktion ihrerseits. Nick seufzte. „Na schön … aber ich warne dich. Ich bin vorbereitet. Wenn du mich auch nur versuchst umzubringen, wirst du diesen Raum selbst nicht lebend verlassen.“

Dafür hatte er gesorgt.

 

So standen er und Kali sich in der leeren Lagerhalle gegenüber. Nick griff unter seine Duel Disk und deaktivierte die Sicherheitsmechanismen des Solid Vision-Systems, welches dafür sorgte, dass die Spieler keine Verletzungen durch die Duelle erlitten. Denn er war sich sicher, dass Kali ebenfalls mit harten Bandagen kämpfen würde.

„Wenn du offenbar nur hier bist, um mich endgültig aus dem Weg zu räumen, dann gut!“, rief Nick zornig. „Aber heute wird es nicht so enden wie letztes Mal! Duell!“

Seine vermummte Gegnerin schwieg, wie sie es schon die ganze Zeit getan hatte.

 

[Nick: 4000LP / Kali: 4000LP]

 

Umgehend zogen beide der Reihe nach fünf Karten. Bevor Nick das Wort ergreifen konnte, kam ihm Kali zuvor, indem sie stillschweigend eine sechste Karte zog und damit offiziell das Duell begann. Selbst ihre Hände steckten in schwarzen Handschuhen.

Ihr erster Zug sah dabei erstaunlich kurz aus: sie legte ein Monster verdeckt auf ihre Duel Disk und verharrte dann, nachdem es auf dem Spielfeld erschienen war, solange, bis Nick irritiert nachzog.

 

„Nicht mal im Duell sagst du was?“, fragte jener missmutig und setzte seinerseits ebenfalls ohne Ankündigung ein Monster, welches in horizontaler Lage vor seinen Füßen auftauchte. „Na gut, ich setze die da und beende.“

Noch eine Falle gesellte sich verdeckt hinter seinem Monster dazu.

 

Kali zog erneut auf und wiederholte die Prozedur ihres letzten Zuges, indem sie ebenfalls wieder ein Monster setzte, dessen Karte sich neben dem anderen materialisierte. Danach blieb sie regungslos stehen, bis Nick sagte: „Gut, wenn du nichts mehr tust, bin ich dran!“

 

Sofort riss er die nächste Karte von seinem Deck. Jetzt war es an der Zeit, ihre Verteidigung zu durchbrechen. „Ich beschwöre [Wind-Up Knight]!“

Vor dem großgewachsenem jungen Mann tauchte ein etwa anderthalb Meter großer, weißer Spielzeugritter mit Aufziehschlüssel auf dem Rücken auf.

 

Wind-Up Knight [ATK/1800 DEF/1200 (4)]

 

„Zum Angriff!“, befahl Nick lautstark. „Nimm das Monster, das sie als Erstes gesetzt hat!“

Sein Krieger stürmte auf die von Kali aus linke gesetzte Karte zu. Jene wirbelte herum und präsentierte eine gar groteske Gestalt. Ganz aus schwarzer, schlammiger Masse bestehend, hockte dort etwas, das entfernt an die Form eines jungen Mädchens mit langem Haar und Priesterhaube erinnerte. Dabei hielt das Wesen einen ebenfalls mit jener dunklen Flüssigkeit überzogenen Zauberstab fest in den Händen.

 

??? [ATK/1000 DEF/800 (4)]

 

Mit einem Schwerthieb zerteilte Nicks Ritter die Kreatur. Kali streckte den Arm aus, ohne jedoch etwas zu sagen. Aus ihrem Deck schob sich automatisch eine Karte, die sie auf den Friedhof legte.

Nick stand der Mund offen. Dieses Monster eben, das erinnerte nicht im Entferntesten an die Celestial Gears, die Kali bei ihrem letzten Aufeinandertreffen benutzt hatte! Und jetzt, wo er genauer hinsah – ihre Duel Disk war eines der typischen, blauen Standardmodelle des letzten Jahres. Kali hingegen benutzte eine rote V-Duel Disk unbekannter Bauart.

„Du bist nicht Kali!“, schloss er verblüfft. „Aber wer bist du dann!?“

Keine Reaktion. Was Nick dazu brachte, die Stirn zu kräuseln. „Wenn du nicht freiwillig reden willst, werde ich dich eben zwingen! Ich aktiviere meine verdeckte Falle, [Zenmairch]!“

Die Karte klappte vor ihm hoch und Nick nahm seinen Ritter von der Duel Disk, welcher im Folgenden auch vom Spielfeld verschwand. „Diese Falle tauscht eines meiner Spielzeuge mit einem gleicher Stufe von meiner Hand aus! Ich beschwöre [Wind-Up Juggler]!“

Vor ihm tauchte ein grüner, auf einer Feder springender Spielzeug-Jongleur auf, dessen unbekümmertes Katzengesicht nicht darüber hinwegtäuschte, wie gut er mit seinen Bällen jonglieren konnte.

 

Wind-Up Juggler [ATK/1700 DEF/1000 (4)]

 

Nick streckte den Zeigefinger aus und deutete auf das andere verdeckte Monster seines Gegenüber, wer auch immer unter der Kutte stecken mochte. „Vernichte es!“

Der Jongleur tat dies sogleich und befehligte seine insgesamt fünf Bälle in Richtung jenes Monsters, welche wie von Zauberhand Kanonenkugeln gleich auf die Karte zuschossen und sie bombardierten. Jene wirbelte um, präsentierte ebenfalls eine annähernd humanoide, schwarze Schleimgestalt mit knochigen Auswüchsen auf dem Rücken, welche gnadenlos durchlöchert wurde.
 

??? [ATK/1750 DEF/1000 (4)]

 

Nichts geschah, nachdem die Kreatur vernichtet worden war. Was Nick zum Anlass nahm, sein Handy aus der Innentasche seiner Jacke zu ziehen und damit per Remotesteuerung die Daten des Duells aufzurufen, die sein Rechner zuhause aufnahm. Doch zu seinem Entsetzen konnte er keinerlei Infos über Kalis oder wessen Karten auch immer einholen. Es war, als duelliere er sich alleine.

„Wer oder was bist du!?“, wollte er nun deutlich aufgeregter wissen.

Wie üblich erfolgte keine Reaktion seiner- oder ihrerseits.

„Ich habe dich was gefragt! Was soll das hier? Wieso hast du mich hierher gerufen?“

Nichts. Nick atmete tief durch. So kam er nicht weiter!

„Also schön, ich setze eine Karte verdeckt und beende meinen Zug.“

Jene materialisierte sich vor seinen Füßen und ließ Nick mit drei Handkarten zurück.

 

Sein Gegner zog derweil auf sechs auf und tat nun endlich etwas anderes, als nur Monster zu setzen. Allerdings missfiel Nick zutiefst, dass jene Person ihm im übertragenen Sinne plötzlich kommentarlos einen Ritualzauber vor die Nase hielt, dessen Name er nicht lesen konnte. Und auch als sein Gegenüber die Karte in die Duel Disk schob und jene sich vergrößert auf dem Spielfeld zeigte, schien sie irgendwie verschwommen. Nick konnte lediglich das Artwork erkennen, eine Art schwarzen Schlund mit mehreren Ebenen, in denen sich immer wieder Spiegel befanden.

Plötzlich stieg ein schwarzes Licht aus dem Friedhof der blauen Duel Disk auf, der oder die Fremde nahm ein hochstufiges Monster von dort und platzierte es in die Verbannungszone. Zahlte er so etwa die Kosten für die Ritualbeschwörung!?

Nick wich zurück, als sich derselbe Schlund vor seinem Gegner auftat, der auf der Karte zu sehen war. Und ihm entstieg eine schier grauenhafte Kreatur. Größtenteils bedeckt von Teer und einer anderen, bläulichen Flüssigkeit, waren die sichtbaren Stellen des Körpers dieser zweibeinigen, knapp zweieinhalb Meter hohen Kreatur nur Knochen. Zwischen ihren Fingern befanden sich gelbliche Schwimmhäute, genau dasselbe konnte man auch vom Kopfansatz an bis zum Rücken in Form eines Kamms beobachten.

 

??? [ATK/2600 DEF/2400 (8)]

 

Plötzlich streckte die verhüllte Gestalt den Arm aus und zeigte auf Nicks Monster. Dabei entstieg die eben erst verbannte Kreatur ihrer Verbannungszone und glitt als leuchtende Kugel zurück in den Friedhofsschlitz der blauen Duel Disk.

Nick war bewusst, dass sein Gegner wohl zur Aktivierung des Effekts ein verbanntes Monster zurück auf den Friedhof legen musste – es ergab nur Sinn, da dies insgesamt eine gute Kombo darstellte.

Die Kreatur öffnete das Maul ihres knochigen Schädels und verspritzte ein blaues Sekret in Richtung seines Jongleurs, weshalb Nick reflexartig den Arm ausschwang.

„Wenn das ein zielender Effekt ist, werde ich ihn abwehren! Ich aktiviere meine verdeckte Falle [Zenmailstrom] und opfere Juggler, um dafür ein Spielzeug von meiner Hand zu rufen!“ Er knallte jenes auf seine Duel Disk. „Erscheine, [Wind-Up Knight]! Und wenn ich dies getan habe, darf ich vom Deck ein weiteres Wind-Up mit gleicher Angriffskraft rufen! Los, [Wind-Up Soldier]!“

Vor ihm materialisierten sich zwei Gestalten. Eine war der weiße Spielzeugritter und die andere ein gleichgroßer, hellgrüner Roboter, dessen Kopf die Form eines Magneten hatte.

 

Wind-Up Knight [ATK/1800 DEF/1200 (4)]

Wind-Up Soldier [ATK/1800 DEF/1200 (4)]

 

Die Flüssigkeit schoss an ihnen vorbei ins Leere und fraß, unbemerkt von Nick, ein Loch in die Wand der Lagerhalle hinter ihm. Derweil war er froh, dafür gesorgt zu haben, dass es kein legitimes Ziel mehr für den Effekt gegeben hatte und dieser somit verpufft war.

Umso überraschter war er, als sein Gegner oder seine Gegnerin schließlich ein anderes Monster vom Friedhof vorzeigte und verbannte: es war das mit 1750 Angriffspunkten, welches er zuvor im Kampf zerstört hatte. Sein Gegenüber zeigte im Anschluss die groteske Ritualzauberkarte vor, die er seinem Ablagestapel entnahm und fügte sie seiner Hand hinzu. Nur um dann den Effekt des Ritualmonsters vor ihm erneut zu aktivieren, ganz zu Nicks Entsetzen. Denn nachdem jener sein 1750-Angriffspunkte-starkes Monster wieder von der Verbannung auf den Friedhof gelegt hatte, ging das Ganze von vorne los. Und diesmal konnte Nick sich nicht wehren.

So schoss die riesige Kreatur ihr blaues Sekret auf [Wind-Up Knight] und verätzte ihn derart, dass Plastik und Metall zu schmelzen begannen und er am Ende völlig deformiert war.

 

Wind-Up Knight [ATK/1800 → 900 DEF/1200 → 600 (4)]

 

Nick schluckte. „Nicht gut …“

Damit schwang sein stiller Feind den Arm aus und befahl offenbar den Angriff. Seine schlammige Kreatur mit dem Rückenkamm rollte sich zu einem einzigen Matschball zusammen und fegte über das Feld, wobei der Kamm dabei den Boden regelrecht zersägte. Sein Ziel war Nicks geschwächter Ritter, obschon er noch ein gesetztes Monster kontrollierte.

Der junge Mann streckte den Arm aus. „Effekt vom [Wind-Up Knight] aktivieren! Nur einmal solange er offen liegt kann er einen Angriff abwehren!“

Doch anstatt dem etwa Folge zu leisten, rührte sich bei dem verätzten Spielzeug gar nichts. Sein Effekt musste negiert worden sein, erkannte Nick fassungslos und sah zu, wie sein Ritter einfach überrollt wurde. Dabei spritzte ein wenig vom Teer der Kreatur durch die Gegend und erwischte Nick am Arm, fraß sich durch seine hellgrüne Jacke. Dieser fackelte nicht lange und zog diese hastig aus, warf sie weg, ehe er noch verletzt wurde. Fassungslos betrachtete er das Kleidungsstück vor ihm am Boden, welches sich immer mehr zersetzte.

 

[Nick: 4000LP → 2300LP / ???: 4000LP]

 

Zeitgleich nahm sein Gegenüber eine Handkarte und setzte sie in die Duel Disk ein, womit sie zischend vor dessen Füßen erschien. Der Zug galt damit als beendet, wobei Nick einen Moment brauchte, um sich vom Anblick seiner Jacke loszureißen.

 

Schließlich zog er auf und verfiel in grüblerisches Schweigen. Das lag an der simplen Tatsache, dass er mit der wohl größten, vielleicht einzigen Schwäche seines Decks konfrontiert sah: starken Monstern. Keines der Monster in seinem Deck kam über 2600 Angriffspunkte hinaus, weshalb Nick auf Zauber und Fallen zurückgriff, um jene zu verstärken. Ferner benutzte er Karteneffekte, wenn er doch einmal stärkeren Feinden gegenüber trat, da es in der Regel seine Strategie war, den Gegner in ein bis zwei Zügen mit Monstern zu überrennen.

Allerdings verfügte er im Moment weder über stärkende Karten, noch über Feldsäuberer. Was ihm im Grunde nur eine Wahl ließ …

„Ich beschwöre [Wind-Up Dog]!“, verlautete er und legte jenen auf seine Duel Disk.

Vor ihm tauchte ein kleiner, blauer Spielzeughund auf, der in einer Tour ein mechanisch klingendes Kläffen von sich gab.

 

Wind-Up Dog [ATK/1200 DEF/900 (3)]

 

Nick legte Zeige- und Mittelfinger an die Stirn, erkläre: „Ich aktiviere die Effekte von Soldier und Dog. Sie erhöhen nur einmal ihre Stufe und Angriffspunkte um ein gewisses Maß, solange sie auf dem Feld liegen.“

Die beiden Aufziehschlüssel, die sich auf den Rücken der Spielzeuge befanden, begannen sich rapide zu drehen.

 

Wind-Up Soldier [ATK/1800 → 2200 DEF/1200 (4 → 5)]

Wind-Up Dog [ATK/1200 → 1800 DEF/900 (3 → 5)]

 

Das erledigt, schwang Nick den Arm weit aus. „Jetzt erschaffe ich das Overlay Network! Aus meinen beiden Stufe 5-Monstern wird ein Rang 5-Monster!“

Beide lösten sich in braune Lichtstrahlen auf. Gleichzeitig öffnete sich inmitten von Nicks Spielfeld ein schwarzer Wirbel, der die beiden Energien absorbierte und schließlich einen mannshohen Robokrieger ausspuckte. „Erscheine, [Wind-Up Arsenal Zenmaioh]!“

Die rote Maschine bezog vor Nick Position. Bewaffnet mit einem Bohrkopf als rechte Hand und einer vom Körper getrennten, frei schwebenden Faust machte er einen imposanten Eindruck im Vergleich zum Rest von Nicks Monstern. Dabei wurde er von zwei Lichtsphären umkreist, die hinter sich gelbe Schlieren zogen.

 

Wind-Up Arsenal Zenmaioh [ATK/2600 DEF/1900 {5} OLU: 2]

 

Nick sah eine Fallenkarte auf seinem aus zwei Karten bestehenden Blatt an und überlegte, ob er sie setzen und durch Zenmaiohs Effekt zusammen mit der verdeckten Karte seines Gegners zerstören sollte. Aber er brauchte seine eigene und wollte nicht das Risiko eingehen, dass diese Person dort drüben ihre Karte ankettete.

So streckte er den Arm zum Befehl aus. „Los, greife dieses Ding an! Wind-Up Power Punch!“

Ja, dachte er dabei, er würde dadurch Zenmaioh verlieren. Aber eine andere Möglichkeit zur Bekämpfung des Ritualmonsters sah er derzeit nicht.

So schoss sein Roboter seine Faust ab, direkt auf die Teerkreatur zu, welche ihrerseits mit dem Spucken von Säure antwortete. Zwei Explosionen erfolgten am Ende und das Feld war monsterfrei.

„Ich setze die hier verdeckt und beende meinen Zug!“

Vor Nick tauchte die Karte auf. Ein diebisches Grinsen umspielte dabei seine Lippen.

 

Nach wie vor stumm zog sein Gegner eine Karte auf, nur um sofort im Anschluss die Hand über die verdeckt liegende Karte vor sich fahren zu lassen. Jene normale Falle klappte auf und zu Nicks entsetzen war dort der mit Spiegeln bedeckte Abgrund abgebildet, aus welchem ein ganzes Bündel violetter Lichtstrahlen Richtung des Betrachters schoss, die von der schattenhaften Gestalt des 1750-Angriffspunkte-Monsters dieses Themas ausgingen. Passend dazu zeigte Kali oder wer auch immer die Ritualzauberkarte vor, die sie im vorigen Zug auf die Hand genommen hatte. Aus ihrem Deck schob sich eine blau umrandete Karte, die sie umgehend ihren Blatt hinzufügte.

„Noch ein Ritual?“, fragte Nick. „Verstehe, damit holst du Nachschub!“

Wortlos bestätigte sein Gegner die Annahme mit der Aktivierung der Ritualzauberkarte und verbannte das Stufe 8-Monster vom Friedhof, wie er es schon bei der letzten Beschwörung dieser Art getan hatte. Vor ihm erschien der Schlund in die Tiefe, dem eine weitere dieser merkwürdigen Kreaturen entsprang. Ein knorriges, dürres Gebilde in gebückter Haltung, überzogen mit dem schwarzen Teer. An seinen Armen hingen riesige Beutel gefüllt mit einer gelben Flüssigkeit.

 

??? [ATK/2400 DEF/1800 (8)]

 

„Gut, der ist nicht ganz so stark“, überlegte Nick laut und strich sich übers Kinn.

Zu seinem Erstaunen aktivierte sein Gegner eine weitere Zauberkarte, eine dauerhafte. Auf ihr war das zuvor zerstörte Ritualmonster mit dem Kamm abgebildet, wie es die violetten Strahlen aus dem Abgrund empfing.

„Eine Geschichte?“

Nebenbei versuchte Nick den Kartennamen zu lesen, um einen Anhaltspunkt über das Thema zu finden, doch egal wie sehr er sich konzentrierte, es war, als habe er einfach das Lesen verlernt.

Derweil legte der Kuttenträger das verbannte 'Ritualopfer' wieder auf den Friedhof, um offenbar den Effekt des Ritualmonsters auf dem Feld zu aktivieren. Dieses biss in einen der gelben Beutel an seinem Arm und spuckte die Säure auf Nicks gesetzte Karte.

„Falle aktivieren, [Xyz Reborn]! Die kriegst du nicht!“, donnerte Nick, der ahnte, dass sein Gegner sie zerstören wollte. „Sie reanimiert ein Xyz-Monster auf meinem Friedhof und wird gleichzeitig zu seiner Overlay Unit!“

Aus dem Boden vor ihm brach sein Zenmaioh, während sich die Falle in eine leuchtende Kugel verwandelte, die um ihn zu kreisen begann.

 

Wind-Up Arsenal Zenmaioh [ATK/2600 DEF/1900 {5} OLU: 1]

 

Plötzlich leuchtete die dauerhafte Zauberkarte seines Gegenübers auf, um die plötzlich ebenfalls eine finstere Energiekugel rotierte.

Nick schloss daraus: „Zählmarken? Aber wofür? Und wie hast du sie bekommen?“

 

??? [???-Zählmarken: 0 → 1]

 

Plötzlich verbannte sein Gegner wieder das Ritual-recycelnde Monster auf seinem Friedhof, um dementsprechend den Abgrundzauber wieder auf seine Hand zu bekommen. Diesen aktivierte er sofort im Anschluss und verbannte dafür das Stufe 8-Monster von seinem Friedhof.

Ein zweites Mal in diesem Zug öffnete sich der dämonische Spiegelabgrund und würgte regelrecht ein weiteres Ungetüm hervor. Dieses neue war eine Art vierbeiniger Knochenkäfer, ebenfalls mit Teer überzogen und dazu noch mit einem riesigen Gefäß auf dem Rücken beladen, in dem eine schwarze Flüssigkeit brodelte.

 

??? [ATK/0 DEF/3000 (8)]

 

Um dessen Effekt zu aktivieren, legte der Verhüllte das eben verbannte Ritualsubstitut wieder auf den Friedhof und schwang den Arm dabei aus. Der Käfer beugte sich daraufhin vor und vergoss einen Teil seiner Flüssigkeit, die sich wie ein Schatten über den Boden schlängelte und dann um Zenmaioh wand, um den sofort Blitze schlugen. Er ging in die Knie, während der Schatten herüber zu dem Säurebeutel-Monster schlich und in ihm verschwand.

„Was!?“, keuchte Nick. „Zenmaioh wechselt in-!?“

 

Wind-Up Arsenal Zenmaioh [ATK/2600 DEF/1900 {5} OLU: 1]

??? [ATK/2400 → 2900 DEF/1800 (8)]

 

Zusätzlich dazu gesellte sich eine weitere violette Kugel zur Zauberkarte seines Gegners, weshalb Nick vermutete, dass immer eine neue dazu kam, wenn eines dieser Ritualmonster seinen Effekt aktivierte. Aber wozu dienten sie? Nein, anders gefragt: Was wäre das Schlimmste, womit er nicht rechnen würde?

 

??? [???-Zählmarken: 1 → 2]
 

„Automatischer Sieg …?“, konnte er eine heimliche Vermutung nicht unterdrücken.

Wenn ja, wie viele brauchte diese Person dann!? Oder vielleicht war es doch etwas ganz anderes?

Er hatte jedoch keine Gelegenheit, sich weitere Gedanken zu machen, denn sein Gegner zeigte auf Zenmaioh. Nick wusste: „Der Angriff kommt …“

Und er musste den kompletten Effekttext der Karten dort drüben nicht kennen um zu wissen, was ihn erwarten würde. So streckte das Monster seines Feindes die Arme aus, aus denen schlauchartige Auswüchse direkt an seinen Hals schossen und die Säure von seinen Beuteln ins Maul pumpten. Es spie einen Säurestrahl auf Nicks Roboter, der sofort zerschmolz wie Eis in der Wüste. Nick wich mit einem Seitwärtsschritt der Attacke rechtzeitig aus. Und diesmal konnte er aus den Augenwinkeln beobachten, wie die Wand hinter ihm ein neues 'Fenster' verpasst bekam.

„Ugh“, stöhnte er dabei, auch wenn er nicht überrascht war, von durchschlagendem Kampfschaden erwischt zu werden. Sonst hätte der Wechsel seines Zenmaiohs in Verteidigungsposition keinen Sinn ergeben.

 

[Nick: 2300LP → 1300LP / ???: 4000LP]

 

Doch was dann folgte war selbst für ihn ein Schock. Die dauerhafte Zauberkarte seines Gegners leuchtete auf und prompt spie die Kreatur noch einen Strahl Säure – auf Nicks verdecktes Monster.

„Noch ein Angriff!?“

Der junge Mann erblasste, als seine Karte getroffen wurde und um die eigene Achse wirbelte. Aus ihrer Vorderseite entstieg eine putzige, mechanische Spielzeugbiene, die regelrecht zerfetzt wurde.
 

Wind-Up Honeybee [ATK/100 DEF/300 (1)]

 

Nick aber dachte in diesem Moment nicht an ihr Schicksal, sondern nur an das seine. Der durchschlagende Kampfschaden, er würde ihn-!

Doch zu seinem Erstaunen wurde er nicht von der Säure angegriffen. Die Quelle seines Schmerzes sollte von ganz woanders herrühren: der Zauberkarte. Denn die beiden Sphären, die um sie kreisten, wurden schlagartig mobil und schossen auf Nick zu. Wie dünne Klingen wirbelten sie dutzende Male um ihn und zerfetzten seine Kleidung. Er schrie panisch auf, ehe die Tortur stoppte und der junge Mann in die Knie sackte.

 

[Nick: 1300LP → 700LP / ???: 4000LP]

 

Nick verstand die Welt nicht mehr. Der sogenannte Trampelschaden hätte ihn auslöschen müssen, doch stattdessen wurde ihm viel weniger Schaden berechnet. Oder vielleicht … vielleicht gab es auch nie Kampfschaden und stattdessen rührte jener vom letzten Angriff von einem Effekt? Aber wie sollte er das wissen, wenn er die Kartentexte nicht lesen konnte!? Langsam begriff er, wie sehr er doch im Dunkeln tappte.

Schließlich sagte er keuchend: „Da du [Wind-Up Honeybee] durch einen Kampf zerstört hast, kann ich jetzt ein Spielzeug von meinem Deck beschwören. [Wind-Up Magician] in Verteidigungsposition!“

Er knallte vor Wut die Karte heftiger als nötig auf seine Duel Disk. Vor ihm tauchte ein Spielzeugmagier auf, der einen Zauberstab in seinen Kneifzangenhänden hielt.

 

Wind-Up Magician [ATK/600 DEF/1800 (4)]

 

Im Gegenzug zeigte sein Gegenüber plötzlich selber ein Monster vor und legte es auf die Duel Disk, woraus Nick schloss, dass er eine Normalbeschwörung durchführte. Vor ihm tauchte eine weitere, mehr humanoid wirkende Teerkreatur auf, die statt auf Beinen auf acht Knochenauswüchsen ging, was ihr ein spinnenhaftes Äußeres verlieh.

 

??? [ATK/0 DEF/0 (4)]

 

Zunächst bemerkte Nick es nicht, doch als sich in der Magengegend der Kreatur ein Maul öffnete, verschlug es selbst ihm die Sprache. Jenes sog plötzlich Luft in sich auf, wobei gleichzeitig ein violetter Lichtball aus dem Schlund schoss. Analog öffnete dazu der Magier gegen seinen Willen den Mund und spuckte seinerseits eine rote Kugel aus. Und während die sinistre Kreatur die rote verschlang, verleibte sich [Wind-Up Magician] die violette seines Gegners inne. Woraufhin sich seine Augen schwarz wie die Nacht verfärbten.

 

Wind-Up Magician [ATK/600 → 0 DEF/1800 → 0 (4)]

??? [ATK/0 → 600 DEF/0 → 1800 (4)]

 

Als dem seltsamen Schauspiel nichts mehr folgte, galt der Zug als beendet und das giftige Ritualmonster spuckte das schwarze Wasser in das Behältnis seines käferartigen Kameraden zurück.

 

??? [ATK/2900 → 2400 DEF/1800 (8)]

 

Sofort im Anschluss erhob sich Nick langsam und hielt sich den linken Arm, der am meisten von dem Angriff abbekommen hatte. Das würde ein paar tolle Narben geben, dachte er dabei ärgerlich, was wiederum keine Rolle spielte, da ohnehin … nein, daran wollte er jetzt nicht denken!

„Draw!“, rief er nichtsdestotrotz wütend und zog auf. Froh über seine neueste Errungenschaft, zeigte er zunächst seine andere Handkarte vor. „Ich beschwöre [Wind-Up Rat]! Nur einmal, solange sie auf dem Feld ist, kann ich sie in Verteidigung wechseln und ein Spielzeug von meinem Friedhof ebenfalls in Verteidigung reanimieren!“

Zu seinen Füßen eine kleine, blaue Spielzeugratte auf, die auf Rädern im Kreis rollte. Dabei drehte sich der Aufziehschlüssel auf ihrem Rücken wie verrückt.

 

Wind-Up Rat [ATK/600 DEF/600 (3)]

 

Vor ihm entstieg aus einem sich öffnenden Runenzirkel der Spielzeugsoldat mit dem Magnetkopf, welcher augenblicklich in die Knie ging.

 

Wind-Up Soldier [ATK/1800 DEF/1200 (4)]

 

Er streckte den Arm aus, erklärte: „Da sich jetzt der Effekt eines Wind-Ups aktiviert hat, beschwört [Wind-Up Magician] nur einmal einen Kameraden vom Deck! Los!“

Doch zu seinem Erstaunen geschah gar nichts.

„Wieso-!? Ah … natürlich.“

Nick fasste sich kopfschüttelnd an die Stirn. Der Seelenaustausch zwischen seinem Spielzeugmagier und dieser Spinnenkreatur eben, vermutlich wurden nicht nur die Werte ausgetauscht sondern auch die Effekte negiert. Großartig …

„Dann muss es eben ohne funktionieren! Ich erschaffe das Overlay Network und lasse meine beiden Stufe 4-Monster zu einem Rang 4-Monster werden!“ Den Arm in die Höhe reißend, ließ er den dunklen Galaxienwirbel inmitten seiner Spielfeldseite erscheinen. Magician und Soldier wurden als rote beziehungsweise braune Lichtstrahlen in ihn hineingezogen. „Erscheine, [Wind-Up Zenmaister]!“

Aus dem Schwarzen Loch baute sich vor Nick ein großer Roboter auf. Von weißgrüner Lackierung, besaß Zenmaister vier Düsenantriebe statt Beinen und ballte seine mächtigen Fäuste. Die zwei Lichtsphären, die um ihn rotierten, gaben regelmäßig elektrische Entladungen an ihn ab. Hierzu erklärte Nick: „Zenmaister bekommt für jedes Xyz-Material 300 Angriffspunkte spendiert.“

 

Wind-Up Zenmaister [ATK/1900 → 2500 DEF/1500 {4} OLU: 2]

 

Zwar würde Nick am liebsten das schwache Spinnenmonster angreifen, doch war es wichtiger, zunächst das offensive Ritualmonster loszuwerden. So zeigte er auf jenes. „Zenmaister, dort ist dein Ziel! Wind-Up Armored Fist!“

Zenmaister fuhr einen seiner Arme an einer Zugfeder aus und schlug damit aus der Distanz die Säurekreatur seines Gegners wortwörtlich zu Brei. Doch plötzlich drehte das Xyz-Monster sich um, die Augen schwarz leuchtend und ehe Nick sich versah, bekam er die andere Faust in den Magen und wurde von den Beinen gerissen.

 

[Nick: 700LP → 600LP / ???: 4000LP → 3900LP]

 

Vor sich hin hustend, drehte sich der auf dem Rücken liegende Nick um und hielt sich, abgewandt von seinem Gegner, den Bauch. Seine Augen geweitet, konnte er nicht fassen, dass sein eigenes Monster ihn angegriffen hatte. Doch ihm ging ein Licht auf … [Wind-Up Magician] war besessen worden und nun Teil Zenmaisters. Kein Wunder, genau das hatte sein Gegner beabsichtigt und offenbar gehofft, er würde die schwächere Kreatur angreifen, was seine Niederlage bedeutet hätte.

„... aber dem kann ich Abhilfe leisten!“, stieß er stur hervor und richtete sich auf. „Ich aktiviere [Wind-Up Zenmaisters] Effekt und verdeckte damit [Wind-Up Rat] bis zur End Phase.“

Bewusst seinen Magier unter dem Xyz-Monster hervor ziehend, ließ er seinen Roboter mit einer sanften Kopfnuss dafür sorgen, dass die Maus sich unter ihrer Karte verkroch.

 

Wind-Up Zenmaister [ATK/2500 → 2200 DEF/1500 {4} OLU: 2 → 1]

 

Doch Nick haderte. Xyz-Materialien galten ohnehin nicht als auf dem Feld, ergo besaßen sie keine eigenen Effekte mehr, was bedeutete … sein Monster stand immer noch unter dem finsteren Einfluss seines Gegners! Aber wie konnte er sich sicher sein?

Nick legte seine letzte Handkarte in die Duel Disk ein. „Mit [Pot Of Avarice] mische ich fünf Monster von meinem Friedhof in mein Deck zurück und ziehe dann zwei Karten.“

Er entschied sich für die Wind-Ups Magician, Knight, Juggler, Honeybee und Zenmaioh, schob sie in sein Deck, ließ dieses durchmischen und zog dann zwei Karten auf. Eine davon setzte er sofort in seine Zauber- und Fallenkartenzone, wodurch diese sich vor ihm materialisierte. Mit seiner letzten Handkarte sagte er unruhig: „Ich beende den Zug.“

Ihm gefiel gar nicht, eine tickende Zeitbombe auf dem Feld zu haben. Nicht, wenn er so wenig Lebenspunkte besaß. Derweil wirbelte die verdeckte Karte seiner [Wind-Up Rat] wieder herum und präsentierte das kleine, blaue Spielzeug auf Rädern.

 

Wind-Up Rat [ATK/600 DEF/600 (3)]

 

Ohne Umschweife zog sein stiller Gegner und legte ein Monster auf seine Duel Disk, vermutlich als Normalbeschwörung. Vor ihm tauchte eine mit Teer überzogene, humanoide Gestalt auf, die einen pechschwarzen Schleier trug und sich rückwärts beugte. Aus ihrem Abdomen wuchsen sechs Knochenarme, die gen Himmel gerichtet waren und der ganzen Kreatur eine bedrückende Note der Verzweiflung verliehen.

 

??? [ATK/1900 DEF/500 (4)]

 

Allerdings löste die Kreatur sich zusammen mit ihrem spinnenartigen, seelentauschenden Artgenossen unter einem klagenden Schrei plötzlich in schwarze Lichtpartikel auf, welche vom Deck ihres Besitzers absorbiert wurden. Aus diesem schoben sich dann zwei Karten. Nick erkannte eine weitere Kopie des Ritualzaubers und dazu ein blau umrandetes Monster.

„Runde 4 … was kommt diesmal, ein Matschgolem?“, fragte er zynisch.

Er sollte es schnell herausfinden, denn sein Gegenüber aktivierte den Ritualzauber und ließ den Schlund voller Spiegel vor sich erscheinen. Dieser absorbierte das violette Licht, das vom Friedhof ausgesendet wurde, als der Kuttenträger sein Stufe 8-Ritualsubstitut wieder einmal von dort verbannte.

Dem Abgrund entstieg eine geflügelte Gestalt, einem Drachen nicht unähnlich, wie alle Monster dieser Art pechschwarz. Zwischen seinen knorrigen Schwingen befand sich nichts außer dichtem, weißem Nebel.

 

??? [ATK/2500 DEF/2300 (8)]

 

Der Unbekannte streckte den Arm aus: sogleich kehrte das verbannte Stufe 8-Monster auf seinen Friedhof und der Nebel durchzog binnen Sekunden die gesamte Lagerhalle. Nick verspürte aus dem Nichts einen Stich in seiner Hand und als der Nebel sich verzog, war seine letzte Handkarte verschwunden. Dafür umkreisten nun drei violette Sphären die dauerhafte Zauberkarte auf der Spielfeldseite seines Gegners.

 

??? [???-Zählmarken: 2 → 3]

 

„Ich hätte mehr erwartet“, spottete Nick, „diese Karte habe ich ohnehin nicht gebraucht.“

Sein Gegenüber aber hielt den Arm weiterhin ausgestreckt und lenkte ihn lediglich herüber zu dem Teerkäfer samt dessen riesigem Behälter mit der schwarzen Flüssigkeit darin. Sein verbanntes Ritualzauber-Recycling-Monster mit den 1750 Angriffspunkten stieg als holographische Version seiner Karte auf und verschwand in seinem Friedhofsschlitz.

Daraufhin beugte sich der Käfer über und vergoss einen Teil seiner Ladung, die wie ein Schatten über den Boden schlich, kurz Nicks Zenmaister umschlängelte, kurzschloss und in die Verteidigungsposition zwang, ehe es zum geflügelten Ungetüm sprang und in dessen Maul verschwand.

 

Wind-Up Zenmaister [ATK/2200 DEF/1500 {4} OLU: 1]

??? [ATK/2500 → 3000 DEF/2300 (8)]

??? [???-Zählmarken: 3 → 4]

 

Gleichzeitig war um die dauerhafte Zauberkarte eine vierte Lichtsphäre dazugekommen, die bedrohlich mit den anderen wie ein Bienenschwarm um die Karte zog. Nick schwante Böses.

So streckte sein Gegner nun den Zeigefinger aus und deutete auf das Monster des zerzausten jungen Mannes. Die geflügelte Teerkreatur öffnete ihr Maul und stieß eine dichte, weiße Nebelwolke in Richtung des lahmgelegten Zenmaisters aus.

„Du bist ein Idiot“, grinste Nick, „es war ein Fehler, seine Position zu wechseln!“

Natürlich war es im ersten Moment ein logischer Schritt, schließlich war der Durchschlagschaden das Ziel seines Gegners. Aber hatte jener vergessen, dass Zenmaister besessen war und den Kampfschaden zurück geleitet hätte, wenn er einfach mit dem Seelenräuber angegriffen hätte? Oder funktionierte das in diesem Fall nicht? So oder so, er würde nicht nur den Schaden abfangen, sondern einen zweiten Angriff sponsored by weird Spellcard aufhalten!

„Falle aktivieren! [Overwind]! Sie verdoppelt die Werte meines Monsters, schickt es aber während der End Phase ins Extradeck zurück.“

Der Aufziehschlüssel auf dem Rücken seines Monsters begann sich derart rapide zu drehen, dass schon Rauch aus allen Öffnungen Zenmaisters aufstieg, welcher sich noch einmal aufrappelte und den Nebelstrahl mit gekreuzten Armen abwehrte.

 

Wind-Up Zenmaister [ATK/2200 → 4400 DEF/1500 → 3000 {4} OLU: 1]

 

„Kein Schaden!“, jubelte Nick. „Und lass mich raten? Da du mein Monster nicht zerstören konntest, darfst du auch nicht noch einmal angreifen, richtig?“

Sein Blick fiel dabei auf [Wind-Up Rat], die ihm mit ihrer niedrigen Verteidigung das Genick brechen würde, wenn er sich irrte.

Da sein Gegner aber keine Regung zeigte und auch keinen neuen Angriff befahl, ging Nick davon aus, im Recht zu sein. Trotzdem stand ihm der Schweiß auf der Stirn, denn so einem derart schwierigen Gegner hatte er noch nie gegenüber gestanden.

Zu seinem Erstaunen löste sich sein Roboter plötzlich in leuchtende Partikel auf, während das geflügelte Ungetüm die schwarze Flüssigkeit zurück in den Behälter des Käfers spuckte. Der Zug war also beendet, ohne dass sein Gegner eine Karte setzte?

 

??? [ATK/3000 → 2500 DEF/2300 (8)]

 

Sofort griff Nick nach seinem Deck, hielt aber inne, als ihm mit einem Schlag etwas klar wurde. Sein Mund öffnete sich langsam, doch kam kein Ton daraus hervor. Dann ballte er eine Faust.

Er konnte gar nicht gewinnen. Die Lage war aussichtslos für ihn. Seine Ressourcen waren verbraucht und egal was er zog, er würde niemals beide Monster loswerden können. Die Verteidigung dieses Teerinsekts war einfach zu hoch. Und es würde nur dafür sorgen, dass er nächste Runde wieder durchschlagenden Kampfschaden erleiden würde. Sein Gegner besaß noch eine Handkarte und war sicherlich in der Lage, wieder ein Ritualmonster zu beschwören.
 

Als Nick das erkannte, ließ er die Arme kraftlos sinken. Wie hatte er das all die Zeit übersehen können, ausgerechnet er!? Diesen Kampf darum, wer länger mit seinen Ressourcen zurecht kam, ein Kampf, den er nur hatte verlieren können, weil er nicht seinem Duellstil entsprach. Er war am Ende seines Lateins.

„Gut gemacht“, murmelte er abwesend, „wirklich gut.“

Er schritt auf die zerschmolzene Jacke zu, die vor ihm lag. Und trotz der Säure nahm er sie in die Hand, verätzte sich und holte dort sein auf den ersten Blick unmodern wirkendes Handy hervor, das zum Glück nur am Gehäuse etwas Schaden genommen hatte.

„Ich werde jetzt einen Anruf tätigen“, sagte er, „mich verabschieden.“

Ohne eine Reaktion zu erwarten, wählte er eine Nummer und legte den Apparat ans Ohr. Seine Hand war rot und voller Blasen. Dabei sah er seinen Gegner entschlossen an. „Hi Mum. Du weißt schon, Farewell. Episode 911.“

Mehr sagte Nick nicht und legte wieder auf.

Dann griff er nach seinem Deck. „Tut mir leid, aber das musste sein. Draw.“

Völlig gelassen zog er seine Karte. Dann streckte er den Arm aus. „Ich wechsle [Wind-Up Rat] in den Angriffsmodus und aktiviere ihren Effekt. Da sie kurzzeitig verdeckt lag und somit ihr Effekt zurückgesetzt wurde, kann ich nun erneut ein Wind-Up von meinem Friedhof beschwören. Erscheine, [Wind-Up Hunter], welchen du eben durch den Effekt deines Monsters hast abwerfen lassen! Dazu erschaffe ich das Overlay Network!“

Die Maus drehte sich wild im Kreis, dann verwandelte sie sich schon anlässlich des sich öffnenden Schwarzen Lochs in einen braunen Energiestrahl. Das andere Spielzeug erschien gar nicht erst, sondern stieg gleich als violetter Strahl aus dem Boden auf und wurde ebenfalls verschluckt.

„Aus meinen beiden Stufe 3-Monstern wird ein Rang 3-Monster! Xyz Summon! Erscheine, [Wind-Up Carrier Zenmaity]!“

Aus dem Wirbel tauchte ein längliches Spielzeugschiff auf, das größer als alles war, was Nick zu bieten hatte. Um genau zu sein war es ein Flugzeugträger, nur dass dort verschiedene Wind-Up-Monster in Reihe an Deck standen. Zwei Lichtkugeln umkreisten das gewaltige Boot.

 

Wind-Up Carrier Zenmaity [ATK/1500 DEF/1500 {3} OLU: 2]

 

Das Handy fest in der Hand umklammert, streckte er den Arm aus. „Indem ich einmal pro Zug ein Xyz-Material abhänge, kann ich direkt ein Spielzeug vom Deck aufs Feld beschwören! [Wind-Up Kitten]!“

Der Flugzeugträger schoss eine kleine, goldene Spielzeugkatze in Richtung des Teerkäfers ab, welche in der Luft wild mit ihren Gliedmaßen fuchtelte. Dabei drehte sich auf ihrem Rücken ihr Aufziehschlüssel.

 

Wind-Up Carrier Zenmaity [ATK/1500 DEF/1500 {3} OLU: 2 → 1]

Wind-Up Kitten [ATK/800 DEF/500 (2)]

 

„Diese kleine Mieze kann nur einmal, solange sie offen liegt, eines deiner Monster zurück auf die Hand geben. Damit ist dein 'Tank' Geschichte!“, verlautete Nick, als Kitten in ebenjenen Teerkäfer krachte und dafür sorgte, dass dieser sich in Luft auflöste.

Damit stand er jetzt nur noch dem geflügelten Etwas gegenüber, das aber stärker als seine beiden Monster war. In der einen, herabhängenden Hand das Handy haltend, zeigte Nick seine verbliebene Handkarte vor und drückte klammheimlich den Abnehmen-Knopf seines Mobiltelefons.

„Diese Karte nennt sich [Generation Force].“ Nick verzog plötzlich die Augen, setzte eine grimmige Miene auf. „Damit übernehme ich für einen Zug die Kontrolle über dein Monster. Komm her!“

Die Kreatur schwang sich herüber zu Nick und bezog über ihm Stellung.

Nick schnaubte, weil sein Gegner keine Reaktion zeigte und nur die Ritualmonster-Karte herüber warf, die er zwischen den Fingern auffing. Wusste er es nicht besser? Dass Nick gerade alles auf den Kopf stellte, die AFC-Server veralberte und einen völlig anderen Effekt ausgelöst hatte als auf der Karte stand? Den von [Change Of Hearts], einer der wenigen verbotenen Karten Duel Monsters.

Leise murmelte er: „Wenn es ums Überleben geht, hat jeder seine eigenen Methoden. Und wer kann, der wird. Ich kann. Also nimm's mir nicht übel, aber ich lebe lieber und verzichte dafür auf Ehre und Gewissen! Los meine Monster, gemeinsamer direkter Angriff!“

Während sein Flugzeugträger Raketen auf den Feind abfeuerte, stieß die geflügelte Kreatur einen weißen Odem aus. Beide erfassten gleichzeitig die verhüllte Figur und sorgten mit einer Explosion dafür, dass jene im hohen Bogen durch die Luft geschleudert wurde. Dabei lockerte sich die Kapuze und verlor gänzlich den Halt. Und Nick stockte der Atem.

 

[Nick: 600LP / ???: 3900LP → 0LP]

 

Schwarzes Haar peitsche um ihr Gesicht, als die Gestalt sich mitten in der Luft fing, eine Rückwärtsdrehung machte und auf beiden Beinen in kniender Haltung landete. Rehbraune Augen starrten Nick ausdruckslos an. Ein bekanntes Gesicht. Valerie Redfield.

Ehe Nick auch nur begriff, mit wem er es zu tun hatte, machte diese noch einen Sprung zurück und verschwand in einem schwarzen Portal, das sich hinter ihr geöffnet hatte und sogleich wieder schloss.

Und Nick war plötzlich alleine in der Lagerhalle, die Hologramme verschwanden.

 

„Valerie“, stammelte Nick fassungslos. „Warum ausgerechnet-!?“

Er sah auf seine Duel Disk und betrachtete das Ritualmonster, das auf dieser lag. Nun konnte er endlich den Namen lesen. „[Ateritus Mist]. Ater … böse.“

Jetzt wurde ihm klar, woher er diesen Erzählstil der Artworks und die Funktionsweise des Decks kannte: Valeries Gishkis!

Nick sank in die Knie. Niemals hätte er erwartet, dass Valerie seine Feindin wäre. Nein, viel eher glaubte er, dass sie Anyas Feindin war. Was einerseits Sinn ergab, hatte sie schon in der Vergangenheit Anyas Pläne torpediert und sie sogar angegriffen. Aber dass sie so weit gehen würde!

Bloß woher hatte sie diese Kräfte? Durch einen Pakt? Oder steckte sie mit jemandem unter einer Decke? Wer würde … der Sammler! Natürlich!

Die Falle galt ihm, weil er zu viel wusste! Wusste, dass der Sammler höchstwahrscheinlich der 'wahre Feind' war. Also schickte er Valerie, die ohnehin gegen Anyas Vorhaben war, um ihn zu beseitigen. Welche Lügen er ihr auch immer erzählt haben mochte. Es gab nur einen Weg, Klarheit zu schaffen.

 

Nick raffte sich auf und betrachtete die Karte.

Valerie wollte laut eigener Aussage noch bis Ende der Woche in Livington bleiben, angeblich um sich von dem Schock der ruinierten Hochzeit zu erholen. Plötzlich sah Nick das alles in einem ganz anderen Licht. So konnte Valerie insgeheim die Order des Sammlers ausführen. Vermutlich hatte sie sich zurückgezogen, um ihre Wunden zu lecken. Dann würde er ihr einen netten Empfang bereiten!

 

-~-~-

 

Keuchend stand Nick vor den Toren des Redfield-Anwesens. Vor ihm erstreckte sich hinter den Gittern ein riesiger Garten, der seit seinem letzten Besuch vergangenen Herbst um einige farbenprächtige Blumensorten erweitert worden war. Dahinter erhob sich die weiße Villa, deren Vorbild nur das Weiße Haus gewesen sein konnte.

 

Notdürftig hatte er seine Hand mit Bandagen versorgt und sich umgezogen, trug jetzt Jeans und ein weißes, zerknittertes Hemd.

Im Blick des jungen Mannes stand eine unheimliche Entschlossenheit geschrieben, die etwas Gefährliches barg. Wenn Valerie Redfield sein Feind war und ihn ausschalten wollte, würde er ihr zuvor kommen. Nichts anderes sollte dieses Funkeln in seinen Augen ausdrücken.

Nicks Hand glitt in seine Hosentasche und holte das Handy hervor. Zwei Knopfdrücke später und das Tor zog sich automatisch nach links zurück, ohne dass im Haus jemand dazu die Genehmigung gegeben hatte.

Der brünette junge Mann schlenderte gelassen den Kiesweg geradeaus entlang auf die Villa zu, sah dabei zur linken Seite, wo ein Weg um das Anwesen herumführte. Dort befand sich die pompöse Garage, deren Fuhrwerk aus mehreren sündhaft teuren Wagen und einer blauen Yamaha bestand, die direkt vor einem der insgesamt drei Toren stand. Dementsprechend war es sehr wahrscheinlich, dass Valerie hier war, gehörte schließlich ihr das Motorrad.
 

Seelenruhig schritt Nick herüber zur weiß gestrichenen Haustür aus Holz. Ohne Schlüssel kam er dort nicht rein, doch auch hier spielte ihm der Fortschritt des 21. Jahrhunderts in die Hände. Eine Familie wie die Redfields vertraute auf allen möglichen technischen Schnickschnack, um sich vor dem ungeliebten Pöbel zu schützen. Dazu gehörte auch ein elektronisches Schloss samt Alarmanlage, die Nick kurzerhand mit einem weiteren Knopfdruck seines Handys lahmlegte.

Dieses Haus gehörte jetzt ihm.

Einfach mit der Hand die Tür aufstoßend, verschaffte er sich Einlass in den eher bescheiden eingerichteten Flur. Von innen wirkte das Haus gleich ganz anders, viel rustikaler und gemütlicher, nicht so pompös wie von außen. Und dunkel.
 

Von weiter vorne drang lautes Gerede an Nicks Ohr. Er schlich sich zum Wohnzimmer, wo er Marc entdeckte, der auf der halbmondförmigen Couch saß und sich auf dem Flachbildfernseher gerade ein Football-Spiel laut mitgrölend ansah.

Umso besser, war der wenigstens abgelenkt und würde sich nicht einmischen.

Nick drehte sich wieder um und ging auf leisen Sohlen zur Treppe, die er nahm, um sich schließlich nach einigem Suchen vor der Tür von Valeries Zimmer wiederzufinden. Sie war geschlossen.

Sollte er das wirklich tun? Nick kamen Zweifel. Er hatte 'so etwas' noch nie getan und wusste nicht, ob er wirklich das Zeug dazu besaß. Solche Dinge regelte im Normalfall Anya. Aber die war nicht hier und ahnte nichts vom Verrat ihrer Erzrivalin. Und Nick war nicht gewillt zu warten, bis sie zurück war. Er musste die Sache selbst klären.

 

Zögerlich umschloss seine Hand die Klinke und drückte sie behutsam herunter. Ob sie ihn schon bemerkt hatte? Wer wusste schon, über welche Fähigkeiten sie noch verfügte.

Langsam öffnete Nick die Tür und sah in das Zimmer. Tatsächlich, da saß sie, an ihrem Schreibtisch und verfasste offenbar einen Brief. Für den Sammler? Oder eine weitere Falle, für wen auch immer?

Nick schlich sich vorsichtig hinein und setzte einen Fuß vor den anderen. Der Lärm unten kam ihm dabei zugute, so würde Valerie ihn womöglich erst hören, wenn es schon längst zu spät war. Beim Anschleichen fiel ihm auf, wie bescheiden auch Valeries Zimmer eingerichtet war. Ziemlich klein erschien es für so eine große Villa, kaum größer als das von Anya. Nie würde jemand auf die Idee kommen, dass hier ein stinkreiches Mädchen wohnte. Beziehungsweise vor Kurzem noch gewohnt hatte.
 

Schließlich hatte Nick sie erreicht, stand direkt hinter der Schwarzhaarigen, die ihn offenbar nicht bemerkt hatte. In seinen Augen breitete sich ein bitterböses Funkeln aus.

Er legte seine Hände vorsichtig über ihre Augen.

Valerie kicherte vergnügt, nichts ahnend. „Marc, lass das, ich muss den noch fertig kriegen. Mutter-“

„Oh“, hauchte er in ihr Ohr, „ich glaube, das kann warten.“

Damit riss er sie herum und drückte das vollkommen aus dem Konzept gebrachte Mädchen brutal gegen ihren Schreibtisch.

„Nick!?“, keuchte sie. „Was machst-!? Was soll das!?“

„Ich stelle jetzt die Fragen“, zischte er und verlagerte sein Gewicht so, dass sie ihm nicht so einfach entfleuchen konnte. Für Außenstehende musste der Anblick der beiden eine sehr eindeutige, widerwärtige Absicht Nicks ausdrücken, auch wenn dem nicht so war.

„Lass mich los!“, forderte Valerie lautstark.

„Wer hat dir gesagt, du sollst mich umbringen!? Sag es!“

„Ich weiß nicht, wovon du redest!“

Nick erhöhte seinen Druck auf ihre Schultern, spürte anhand ihres aufzuckenden Körpers, dass ihr das weh tun musst-

 

Ein infernaler Schmerz breitete sich in seiner Lendengegend aus. Nick krümmte sich zwangsweise, ließ nur kurz von Valerie ab, sodass diese ihn kurzerhand am Arm packen und ihm diesen auf den Rücken drehen konnte.

„Marc!“, schrie sie mit aller Kraft. „Komm, ich brauche Hilfe! Schnell!“

Obwohl Nick versuchte sich zu befreien, fügte er sich mit jeder Bewegung nur mehr Leid zu, da Valerie nicht weniger zimperlich war als er.

„Du hast zehn Sekunden mir zu erklären“, flüsterte sie und wurde schlagartig sehr laut, „was du hier machst!“

„Tu doch nicht so, du wolltest mich tot sehen!“, erwiderte er zornig, hörte nebenbei, wie jemand mit polternden Schritten die Treppe hoch eilte.

Sie gab ihm einen Stoß und rammte ihn gegen den Schreibtisch, sein Gesicht wurde auf das Kiefernholz gedrückt. „Warum sagst du so etwas? Warum sollte ich!?“

Keuchend presste er hervor: „Sag du es mir doch!“

 

Im gleichen Augenblick kam Marc hereingeschneit, der beim Anblick seiner mit Nick ringenden Verlobten kurz die Sprache verlor. Dann aber wurde auch er äußerst ungehalten. „Was hat der hier zu suchen!?“

„Er sagt, ich hätte versucht ihn umzubringen!“

„So ein Schwachsinn, du warst die ganze Zeit hier!“

Nick funkelte über den Schreibtisch herüber Marc an. „Das würde ich an deiner Stelle auch sagen. Wieso sollte ich gerade dir glauben? Du bist doch der Erste gewesen, der solche krummen Dinger-“

Sofort stürmte Marc auf ihn zu, sodass Valerie gezwungenermaßen von Nick ablassen musste, um Schlimmeres zu verhindern. Trotzdem beugte der schwarzhaarige, kernige Mann sich über ihren ausgestreckten Arm und hielt Nick den Zeigefinger unter die Nase. „Vorsicht Freundchen!“
 

Nick, der endlich frei war, richtete sich sofort auf und wich zurück, stieß dabei gegen eins von Valeries Bücherregalen.

Er musste sich eingestehen, dass er körperlich gesprochen leider schlechte Karten hatte. Das war eben das Manko eines Meisterhackers – keine Zeit für die Muckibude. Er schüttelte die Gelenke, sich darauf vorbereitend, trotzdem kämpfen zu müssen.
 

Valerie, die ihr Haar offen trug, stellte sich zwischen die beiden und funkelte Nick mit einer Missbilligung an, die selbst Anya hätte vor Neid erblassen lassen.

„Nick“, begann sie scharf, „was immer du gesehen hast, ich war es nicht! Das solltest du wohl am besten wissen!“

„Ich weiß was ich gesehen habe!“, verharrte er beharrlich auf seinen Standpunkt.

„Und ich weiß, dass du gleich für lange Zeit nichts mehr sehen wirst-!“

Wieder musste Marc von seiner Freundin gezügelt werden, damit er dem hageren Zwei-Meter-Mann nicht den Hals umdrehte.

„Ich habe einen Beweis!“, fauchte Nick unbeirrt zurück und zückte kurzerhand die [Ateritus Mist]-Karte aus seiner Hosentasche.

Zwar riss Valerie sie ihm aus der Hand, doch gab sie binnen weniger Sekunden zurück. „Solche Monster spiele ich nicht und das weißt du!“

Nick wollte sofort widersprechen, sah jedoch ein, dass sein Argument keines war. Natürlich hätte sie ein anderes Deck für diese Aktion verwenden können, aber wie wollte er ihr das nachweisen?

 

„Vielleicht hast du etwas gesehen, was wie ich aussah, aber nicht ich war“, versuchte Valerie trotz ihrer eigenen Wut objektiv zu bleiben, „erzähl uns genau passiert ist. Dann sehen wir weiter.“

Nick funkelte die beiden böse an. „Also schön …“

Was Nick dann auch tat. Und es half ihm, sein eigenes Temperament ein wenig in den Griff zu bekommen, denn je mehr er berichtete, desto klarer wurde ihm, dass die Valerie vor ihm vielleicht gar nicht so Unrecht haben könnte.

 

„Aber wenn du es nicht warst“, meinte Nick schließlich und lehnte sich mit verschränkten Armen an ihren Schreibtisch, „wer dann? Oder eher was?“

Marc war immer noch hochrot vor Wut aufgrund von Nicks Beschuldigungen. „Was spielt das für eine Rolle? Hast du eine Ahnung, was du eben tun wolltest!?“

„Es tut mir leid, okay!?“

Um ehrlich zu sein, nein, hatte Nick nicht. Er wusste ja nicht einmal, was er mit Valerie angestellt hätte, wenn sie geständig gewesen wäre. Was ihm ein wenig Angst vor sich selbst einflößte und schmerzhaft bewusst werden ließ, dass er sich nicht zu solchen Affekttaten hinreißen lassen durfte.

„Wer könnte ein Interesse daran haben, meine Gestalt anzunehmen?“, fragte Valerie, ohne eine Antwort auf Marcs Frage abzuwarten. Sie stand noch immer vor ihm, was Nick in diesem Moment erst richtig zu schätzen lernte. Marc hätte ihn längst zu Brei geschlagen, jede Wette.

„Praktisch jeder, der Anya scheitern sehen will“, antwortete Nick, „also allen voran Kali. Sie will Rache, wofür auch immer und hat auch den Brief signiert. Aber ich glaube, jemand benutzt sie nur als Sündenbock. Eher denke ich-“

„Fragen wir mal anders“, schnitt Marc ihm das Wort ab, wenn auch in einem etwas ruhigerem Tonfall als zuvor, „wer könnte überhaupt Vals Gestalt annehmen?“

„Der Sammler.“

„Exakt“, konnte Nick seinen Hauptverdächtigen endlich benennen, „der Sammler. Und er hat gute Gründe, mir an die Gurgel zu wollen. Denke ich jedenfalls.“

Plötzlich ließ Valerie die Arme sinken, sah mit einem Mal ziemlich erschrocken aus. Sie drehte sich zu Marc um. „Er hat meinen Namen.“

„Das heißt?“, fragte Nick.

 

Kurz darauf erklärte sie ihm, wie sie Marc durch einen Handel mit dem Collector zurück ins Leben gerufen hatte. Und dass ihr Preis dafür ihr Name gewesen war, durch den der Sammler Informationen sammeln konnte.

Nick hing am Ende die Kinnlade hinunter. Er fasste sich an die Stirn und lachte leise, dann immer lauter. „Natürlich … was für ein perfider Plan. Darauf hätte ich kommen müssen.“

„Worauf hättest du kommen müssen?“, fragte Valerie irritiert.

„Tut mir leid, ich muss los“, meinte Nick plötzlich kurz angebunden und schnellte an ihr vorbei. Jedoch stieß Marc ihn mit der Hand zurück.

„Du gehst nirgendwo hin! Wir holen die Cops!“

„Tu das, aber bitte warte damit noch wenigstens, bis ich mehr herausgefunden habe, okay?“

Valerie nickte zögerlich. „Wir werden es uns überlegen.“

„Es tut mir leid, dass ich euch zu Unrecht verdächtigt habe“, gab Nick aufrichtig, aber gleichzeitig auch nicht sehr überzeugend klingend aufgrund seiner Eile von sich. Es half auch nicht, dass er unruhig zur Tür blickte. „Solange ich mir nicht sicher bin, was das alles sollte, ist es das Beste, wenn ihr nicht mehr wisst.“

Damit war Valerie hingegen nicht einverstanden, wild gestikulierte sie mit den Händen. „So lasse ich mich aber nicht abspeisen. Nicht, nachdem du mich in meinem eigenen Haus angegriffen hast. Was hat das alles zu bedeuten!?“

 

Er konnte es ihnen nicht sagen.

Dass der Sammler hinter dem Mordversuch steckte. Denn der schien tatsächlich bestens darüber Bescheid zu wissen, dass Nick ihm auf die Schliche gekommen war und versuchte nun sofort, ihn mit allen Mitteln loszuwerden. Der 'wahre Feind', der sich Valeries Namen bediente, um damit offenbar eine Art Double zu erschaffen, welches er für seine Zwecke verwenden konnte. Zum Beispiel ungeliebte Mitwisser zu beseitigen, um dann dieser Kali die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Wer wusste schon, was er noch alles mit diesem Klon anzustellen vermochte!?

Aber wenn Nick den beiden dies anvertraute, besonders da Valerie unter permanenter Beobachtung stehen könnte, würde er sie zu Mitwissern machen. Den nächsten auf der Todesliste des Sammlers. Und das konnte er nicht verantworten.

 

„Nein, Valerie“, widersprach Nick scharf, „das hat nichts mit dir zu tun.“

„Und ob es das hat!“

Plötzlich trat er so rasch auf sie zu, dass selbst die taffe Valerie vor Schreck gegen ihren Schreibtisch stieß.

„Du willst nur glücklich sein, nicht wahr?“, fragte Nick leise, während er von ihr abließ. „Wenn dir an diesem Wunsch etwas liegt, dann stell keine Fragen, die dafür sorgen könnten, dass du für immer unglücklich wirst.“

Er konnte ihrer entgeisterten Mimik entnehmen, dass ihr schlichtweg die Worte fehlten. Und Nick nutzte den Moment aus, als Marc seiner Verlobten entgegen kam und sie ihn den Arm nehmen wollte.

So stahl er sich an ihnen vorbei. „Tut mir leid, dass ich euch so viel Ärger gemacht habe …“

Ehe sie reagieren konnten, flitzte er aus dem Zimmer und rannte die Treppen zum Erdgeschoss hinunter, unsicher, was er von nun an tun sollte. Der Sammler wollte ihn tot sehen und das war sicher nicht sein letztes Attentat auf ihn. Er musste also einen Weg finden, sich gegen den nächsten Angriff zu wehren, egal was es ihn kostete …
 

 

Turn 52 – Demise

Nachdem Anya zurück in Livingon ist und es schon zu lange hinausgezögert hat, verabredet sie sich schließlich mit Logan, um endlich ein Freundschaftsspiel gegen ihn auszutragen. Nick, der zusieht, erhält überraschend einen Anruf, der dunkle Erinnerungen weckt und ihn dazu zwingt, sich seiner Vergangenheit in Form eines ihm alten Bekannten zu stellen …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-08-13T15:55:31+00:00 13.08.2017 17:55
Hi
wow, das Kapitel wirft echt eine Menge Fragen auf. Da weiß man gar nicht was man glauben soll. Hat Nick recht, hat er unrecht...puh. Zum Glück konnte er das Duell gewinnen, auch wenn er dafür betrügen musste. Ich fürchte Marc wird das nicht so einfach vergesse und Valerie auch nicht.
Was Anya wohl davon halten wird, dass wird nur wieder für Streit sorgen.
Bin echt gespannt wie das weiter geht.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
20.08.2017 08:33
Hi,
naja, das soll es ja auch. ^^
Nick ist sich in Ausnahmefällen für nahezu nichts zu schade. In der Hinsicht handelt er mitunter genauso überstürzt wie Anya. Wie Anya auf seine Missetat reagiert kann man sich sicher denken.

LG,
-Aska-


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