Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 41: The Last Asylum Movie "Second Coming" - Part V: FINAL ----------------------------------------------------------------- Yu-Gi-Oh! The Last Asylum – The Movie Part V: FINAL     „Tara! Anya!“ Ein eisiger Windzug ließ einige der Kerzen auf den Grabsteinen erlöschen. „Der wahre Spaß … fängt jetzt erst an. Game over“, hauchte Urila. Sich die blutende Schulter haltend, starrte Matt die klaffende Wunde in der Brust seiner Freundin an. Das Rot, was sich immer weiter auf ihrem Kleid ausbreitete. Und Anya? Er sah wieder zu dem Mädchen herüber, das am Boden lag. Sie war … sie war …! Aber er hatte doch gesehen wie …? „Anya! Steh auf!“, rief er ihr zu. Nichts regte sich. „Anya!“, brüllte Matt, so laut er konnte. Ohne Wirkung. Entgeistert wirbelte er zu Urila um. „Du hast sie …!“ „Getötet?“ Die Mundwinkel des blonden Mädchens verzogen sich. „Nein. Da wo sie jetzt ist …“   ~-~-~   Anya öffnete benommen die Augen. Finsternis, überall. Nichts anderes. Kein Oben, kein Unten. Sie hing im Nichts. „Anya“, hörte sie jemanden dumpf ihren Namen rufen. Das musste Matt sein! Sie wollte antworten, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Hier gab es keine Luft zum Atmen. Ihre Brust schmerzte. Richtig … der Angriff des Drachen, er hatte sie …! „Verfehlt!“ Mit einem Schlag stieg unter ihr gleißendes Licht hervor. Sie erkannte das Mosaik der Erde, das Symbol ihres Elysions, über dem sie hing. Langsam flog sie darauf zu.   Als es schon zum Greifen nahe war, drehte sie sich und landete aufrecht. Warum war sie hier? In ihrer Zuflucht, die jedem anderen verschlossen blieb? Anya sah sich um, aber außer ihr war niemand hier. Aber sie war sich sicher! Sicher, dass sie gestorben wäre, wenn nicht-!   ~-~-~   „Wo ist sie!?“, verlangte Matt zu wissen. „Was ist mit ihr!?“ Urila antwortete nicht. Sie sah nur starr zu [Gem-Knight Pearl], der regungslos auf Anyas Feldseite verharrte. In dem Moment erkannte Matt, dass er eigentlich das Duell gewonnen hatte – aber die Hologramme waren noch da. Sowohl Pearl, als auch Urilas übergewichtiger, dunkelgrüner Drache aus der Torte, der sich die Hände vor sein Gesicht hielt. Blut tropfte von seinen langen Barthaaren. Neben ihm die unscheinbare, rosafarbene Katze.   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4}] Madolche Unhappy Dragon – Poisouffle [ATK/1900 DEF/2500 {5}] Madolche Mewfeuille [ATK/500 DEF/300 (3)] Die beiden Xyz-Monster wurden jeweils von zwei Lichtsphären umkreist. Um sich zu versichern, dass er keinem Irrtum erlag, sah Matt auf sein D-Pad. Aber die Angaben stimmten. Wie konnte das sein!?   [Anya: 0LP Matt: 3000LP ///// Tara: 0LP]   „Überrascht?“, kicherte Urila nun wieder besser gelaunt. „Ja, es ist noch nicht vorbei. Wie ich sagte: es hat gerade erst angefangen. Nur, dass du jetzt alleine dastehst. Ich beende meinen Zug.“ Es war so surreal. Ihre verbliebene Handkarte, [Madolche Cruffsant] locker haltend, stand Urila in Taras Körper da, trotz der schweren Verletzungen und der Tatsache, dass sie keine Lebenspunkte mehr besaß. „Poisouffle …“, zischte Matt. Einen anderen Grund konnte es nicht geben! „Natürlich. Zwar hat mir sein Effekt die letzten verbliebenen Punkte genommen, aber gleichzeitig beschützt er mich auch vor einer Niederlage, wenn ich auf diese Weise verlieren würde.“ Perfide, schoss es dem Dämonenjäger durch den Kopf. Sie hatte sich absichtlich besiegt, um eine Art Pseudoimmunität zu erlangen. Diese Immaterielle war mit allen Wassern gewaschen! Und dazu benutzte sie Tara wie es ihr beliebte, schändete sie auf übelste Weise. „Dafür wirst du büßen!“, brüllte Matt aus voller Kehle.   Genau so laut schrie er auch auf, als er eine Karte von seinem Deck nahm und zog. Er würde sie vernichten! Die schwarze Aura entsprang seinem Herzen und schlug um ihn wie ein Fegefeuer. Und er spürte, wie sie bereits ihre Finger geistig nach ihm ausstreckte. Nach ihrer Marionette. „Vergiss es! Ich gehöre nur mir!“ „Erspare mir die Plattitüden, du kannst mir nichts anhaben“, erwiderte sie genüsslich, „ich weiß über jeden deiner Schritte bestens Bescheid.“ „Das werden wir ja sehen! Effekt von [Evilswarm Thunderbird]! Er kehrt jetzt zurück auf mein Feld und zwar mit zusätzlichen Angriffspunkten!“ Der riesige schwarze Vogel tauchte zunächst verzerrt, dann in klarer Form vor Matt auf. Die wild um sich peitschenden Tentakel von seinem Schopf begannen elektrisch aufzuflackern.   Evilswarm Thunderbird [ATK/1650 → 1950 DEF/1050 (4)]   Matt sah seine beiden Handkarten an. Es waren eine Zauberkarte und der Stufe 5-[Evilswarm Golem], den er aber nicht gebrauchen konnte ob seiner schwachen Offensivwerte. Also musste er sich auf sein Glück verlassen! „Zauberkarte aktivieren! [Xyz Declaration]!“ Das Extradeck aus seinem D-Pad ziehend, nahm Matt eine Karte daraus hervor, als … „... [Evilswarm Ouroboros] und [Evilswarm Salamandra].“ Zunächst überrascht aufhorchend, kniff Matt anschließend wütend die Augen zusammen und erklärte: „Ich wähle ein Xyz-Monster von meinem Extradeck, schicke es auf den Friedhof und betrachte dann die oberste Karte meines normalen Decks. Ist Letztere ein Monster, das für die Xyz-Beschwörung des gewählten Xyzs in Frage kommt, darf ich es behalten, ansonsten muss ich die Karte abwerfen.“ Tatsächlich hatte Matt vorgehabt, Ouroboros dafür zu nehmen. Und da er die Karte schon in den Händen hielt, konnte er sich nicht rückwirkend umentscheiden. Dieses Miststück! Sich auf die Lippen beißend, zog er und offenbarte die Karte: [Evilswarm Salamandra]. „Oh. Ahaha, ich hab doch nur geraten“, log Urila schamlos. „Vielleicht sollte ich mal in Las Vegas vorbeischauen? Was meinst du?“ Wütend knallte Matt sein neues Monster auf das schwarze D-Pad. „Normalbeschwörung! Erscheine, Salamandra!“ Neben seinem riesigen Donnervogel materialisierte sich ein nicht weniger großer, dunkelgrüner Dinosaurier, der durch eine graue Rüstung gut gepanzert war. Sein wahnsinniges Gebrüll war ohrenbetäubend.   Evilswarm Salamandra [ATK/1850 DEF/950 (4)]   Matt wusste, dass er Salamandras Angriffskraft zweimal pro Zug um 300 Punkte steigern konnte, indem er jedes Mal einen Schwärmer vom Friedhof verbannte. Aber dieser Boost dauerte nur solange, bis Urila ihren Zug beendet hatte, zumal er selbst damit nur auf 2450 Punkte kam, was zu wenig war. Zwar konnte er ihr Kampfschaden wegen [Madolche Mewfeuilles] schwacher Offensive zufügen, aber was nutzte das, wenn Urila ohnehin keine Lebenspunkte mehr besaß? Nein. Matt musste das Problem anders lösen. Ein Blick auf seine verbliebene Handkarte verriet ihm auch die Antwort. Engstirnig sah er auf. „Ich erschaffe das Overlay Network! Aus meinen beiden Stufe 4-Monstern wird ein Rang 4-Monster!“ Indem er den Arm ausschwenkte, orderte er seinen Monstern an, in den schwarzen Galaxienwirbel zu entschwinden, welcher sich vor ihm aufmachte. Als violette Lebensessenzen taten sie das auch. Matt ballte eine Faust. „Steige empor! [Evilswarm Bahamut]!“ Eine schlangenhafte Gestalt erhob sich sogleich aus dem Schwarzen Loch. Sie spannte ihre Schwingen, deren Zwischenhäute aus purem Eis bestanden. Stolz bäumte sich der schwarze Drache vor Matt auf, welcher seither gefürchtet wurde: Brionac. Der Gefallene.   Evilswarm Bahamut [ATK/2350 DEF/1350 {4}]   „Dein Drache beschützt dich also, ja?“, fragte Matt voller Boshaftigkeit. Sein Blick war auf den übergewichtigen Poisouffle gerichtet, der wohl kaum vor dem ihm drohenden Unglück mit seinen vergleichsweise winzigen Flügeln flüchten konnte. Urila nickte. „So ist es, mein Lieber.“ Dabei kratzte sich ein wenig der Haut von ihrer Schläfe ab, was Matt einen Moment den Atem stockte. Aber er durfte jetzt nicht schon wieder aus dem Gleichgewicht gebracht werden, egal wie sehr sie versuchte ihn zu quälen! „Es juckt einfach, dafür kann ich nichts!“, quengelte Urila, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Überall unter meiner Haut, am liebsten würde ich sie abreißen. Warum tue ich das eigentlich nicht?“ Sie packte ihre gesunde Wange und begann daran zu ziehen. „Monstereffekt von Bahamut!“, versuchte Matt sie davon abzuhalten und streckte panisch den Arm aus. „Ich kann die Kontrolle über ein gegnerisches Monster übernehmen, wenn ich einen Schwärmer abwerfe!“ Hastig schob er [Evilswarm Golem] in den Friedhofsschlitz. Er musste sie stoppen, ablenken, auf andere Gedanken bringen. Damit sie nicht-! Bahamut öffnete sein Maul und verschlang eine der beiden Lichtkugeln, die wie Motten um ihn kreisten. Dann bündelte er zwischen seinen Zähnen eine schwarze Energiemasse. Urila hob belehrend den Zeigefinger: „Uh uh, böser Junge! Weißt du, was passiert, wenn man ein Soufflee falsch zubereitet? Es fällt in sich zusammen. Das heißt aber nicht-“ „Komm zum Punkt!“, blaffte Matt sie an. Ein süßliches, bitterböses Lächeln umspielte Urilas aufgeplatzte Lippen. „Okay, weil du es bist. Kurzum: du kannst [Madolche Unhappy Dragon – Poisouffle] nicht als Ziel wählen, da die Ruinen von [Madolche Chateau] ihn beschützen. Wie ein in sich zusammengefallenes Soufflee.“ „Aber die ist-!“ „Im Friedhof, deswegen sagte ich ja Ruinen.“ Urila lachte schallend. „Narr! Ich würde nie-! Ah!“ Matt schwang trotzdem den Arm aus. Diesmal genoss er es, sein Wissen unfreiwillig mit ihr zu teilen. Nämlich als er auf [Gem-Knight Pearl] zeigte. „Wer sagt, dass ich von deinem Monster sprach? Komm zu mir, Pearl!“ Bahamut schloss seine Vorbereitungsphase ab, neigte den Kopf zur Seite und schoss den Strahl auf Anyas Monster ab. Millionen winziger Insekten umschwirrten Pearl, der wie eine Marionette von ihnen herüber auf Matts Spielfeldseite geleitet wurde.   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4}]   „Sieht so aus, als hätte ich jetzt ein Monster, das deine Verteidigung durchbrechen kann“, sagte Matt zufrieden. Er sah herüber zu Pearl, der neben seinem [Evilswarm Bahamut] still verharrte. „Hilf mir … wie du ihr geholfen hast. Ich weiß, was du getan hast!“ Keine Reaktion. Dann streckte Matt den Arm aus und zeigte auf Urilas Monster. „Vernichte [Madolche Unhappy Dragon – Poisouffle]! Sacred Spheres of Purity!“ Die Blondine, die immer noch ihre Wangenhaut festhielt, verzog wütend das Gesicht. „So ist das also?“ „Los!“, befahl Matt und übertönte sie. Pearl schwang den Arm aus und kommandierte die sieben riesigen, hellrosa Perlen, die um ihn herum schwebten. Sie begannen aufzuleuchten und setzten sich langsam in Bewegung, bis sie ohne Vorwarnung wie ein Bombenhagel auf Urilas Drachen niedergingen. Das gesamte Spielfeld wurde vom Rauch der Explosionen eingedeckt.   ~-~-~   Valerie hielt sich den Unterleib. Aus einer fiesen Schnittwunde sickerte Blut hervor, auch ihre Stirn stand im Zeichen des Rots. Aber es war in Ordnung. Ihre Aufgabe war es nicht, diesen Andrew zu besiegen, sondern nur abzulenken. „Ist das alles was du drauf hast?“, fragte der schwarzhaarige, junge Mann ihr gegenüber. Auf seiner Spielfeldseite befanden sich [Lightray Gearfreed] und [Lightray Daedalus], wohingegen ihr Feld mit Ausnahme der beiden dauerhaften Zauberkarten [Ritual Cage] und [Ascending Soul] leer war. Auch ihre Lebenspunkte waren am unteren Minimum angelangt, wohin gegen er bisher nur ein paar eingebüßt hatte.   [Valerie: 400LP / Andrew: 3400LP]   Er richtete den Kragen seines schwarzen Ledermantels mit einem wissenden Lächeln. „Das hier ist bald vorbei. Schau dir deine Freunde an. Sie haben genau wie du ihr Limit erreicht.“ Valerie sah über ihre Schulter. Alastair, dem zwischenzeitlich die magischen Karten ausgegangen waren, kämpfte jetzt mit bloßen Händen gegen die Unzahl an Dämonen, die sie umzingelt hatten. Abby, ebenfalls im Gesicht blutverschmiert, beschwor einige ihrer Monster, doch diese brauchten praktisch nur noch angehaucht werden, um zu verschwinden. Die Sirene sank in die Knie. Hinter ihr stand Henry, der den Vorteil hatte, dass seine Monster nicht verschwanden. Allerdings waren sie trotz deaktivierter Sicherheitsvorkehrungen an seiner Duel Disk verglichen mit Abbys Fähigkeiten nur der Trostpreis. Und es war kein Ende für die Drei in Sicht.   „Limit?“, richtete sich Valerie an Andrew. „Du scheinst neu in der Stadt zu sein. Für uns ist das lediglich die Aufwärmrunde.“ Das brachte den Kerl mit der Sonnenbrille auf der Nase dazu, laut aufzulachen. „Wunderbar! Dann werde ich jetzt unseren Ehrengast in den Ring führen. Ich glaube, ihr kennt sie bereits.“ Das Mark und Bein erschütternde Gebrüll, ganz in der Nähe, ließ Valerie die Nackenhaare aufstehen. Ein Geruch von Schwefel lag plötzlich in der Luft.   ~-~-~   Anya wusste nicht was sie tun sollte. Sie war hier, alleine, in ihrem Elysion. Eingesperrt. Als wäre sie tot und wartete auf den Übergang ins nächste Leben, aber sie wusste genau, dass sie noch am Leben war! Es war dasselbe gewesen, als Matt sie fast erwürgt hatte. Ihre Lebensgeister hatten sie verlassen, sie sah ihr Elysion, dann war sie plötzlich wieder fit wie ein Turnschuh. Von wegen Luft anhalten, aber was hätte sie sonst sagen sollen!? Es war zu absurd gewesen. Nur war es diesmal anders. Vorhin war sie nur einen Sekundenbruchteil hier, diesmal erschien es ihr wie eine halbe Ewigkeit.   Alarmiert drehte sie sich aus einem Instinkt heraus um. Etwas war da! Fremdartig, es gehörte nicht hierher! „Deine neuen Kräfte sind fast erwacht, Anya Bauer“, hörte sie eine verzerrte Stimme sagen. „Und er, er mit ihnen.“ „Wer bist du!?“, fauchte Anya zunächst, dann aber mischte sich ein Hauch von Sehnsucht in ihre Stimme. „Bist du das, Levrier?“ „Nein.“ Hinter ihr! Die Blondine wirbelte wieder um und weitete die Augen. Diese leuchtende Silhouette-! „Ich … ich bin hier, Anya Bauer.“   ~-~-~   Matt sah verbissen über den Hinterhof. Der Rauch hatte sich noch nicht verzogen, aber er spürte, dass [Gem-Knight Pearl] versagt hatte. Urila war noch im Rennen. Als der Qualm sich schließlich lichtete, wurde er darin bestätigt. Der dicke Drache war immer noch da, mit dem Unterschied, dass ihm jetzt eine der beiden Lichtsphären fehlte. Seine Gegnerin hielt zwischen den Fingern zwei Karten. „Das klappt schon ganz gut, aber es reicht nicht“, plapperte sie euphorisch, „Poisouffle kann zwei Madolche-Karten von meinem Friedhof verbannen und ein Xyz-Material konsumieren, damit ich seine Zerstörung durch Kämpfe verhindern kann.“ „Ich dachte, du wärst besser. Anyas Groll dir gegenüber kommt wohl nicht von ungefähr?“, sprach Matt [Gem-Knight Pearl] halb belustigt, halb enttäuscht an. „Aber danke für den Versuch. Hoffen wir, dass es nicht der letzte war. [Evilswarm Bahamut], zerstöre [Madolche Mewfeuille]! Infestation's Burst Stream!“ Sein pechschwarzer Eisdrache ließ sich das nicht zweimal sagen und feuerte eine violettschwarze Flamme auf die kleine Katze ab, welche regelrecht weg gebrannt wurde. „Wenn ein Madolche-Monster zerstört wird, gelangt es in mein Deck zurück, statt auf dem Friedhof zu landen“, warf Urila ein und schob die Karte von Mewfeuille in ihren Kartenstapel zurück. „Einmal kann sie unsere Angriffe noch abwehren“, überlegte Matt, dem leider die Handkarten ausgegangen waren. „Sofern sie -das- nicht vorhat.“ Und sie würde, das spürte Matt. Allein weil sie wusste, was er dachte. „Mein Zug ist vorüber“, bestimmte er schließlich.   „La lala lala!“, trällerte Urila vor sich hin, während sie aufzog. Die neue Karte betrachtend, begann sie zu grinsen. „Wie cool! Die setze ich gleich!“ Gesagt, getan. Die Karte materialisierte sich mit dem Bild nach unten gerichtet in vergrößerter Form vor ihren Füßen. Dann sah die junge Frau auf. „Oh, das hatte ich ganz vergessen. Ich wollte dich ja noch ein bisschen quälen.“ Ehe Matt überhaupt so schnell schalten konnte, hatte seine Gegnerin schon ihre gesunde Wange gepackt … und ausgerissen. Das Blut spritzte. Von dem einstmals hübschen, vielleicht etwas pummeligen Gesicht war nun kaum mehr etwas übrig. Nur verkohlte Haut, Löcher in beiden Backen, abgepellte Haut … Dem jungen Mann klappte die Kinnlade hinunter. „Autsch, das hat mehr wehgetan als ich dachte“, jammerte Urila und warf den matschigen Klumpen in ihrer Hand achtlos davon, „cool down, ist nur ein bisschen Haut. Pass auf, bis erst die inneren Organe anfangen zu versagen.“ Wieder und wieder schnaufte Matt, versuchte alles auszublenden. Er würde das rückgängig machen! Irgendwie! Er durfte sich nicht ablenken lassen, egal wie sehr sie sich bemühte, ihn aus der Fassung zu bringen. „Red dir nur weiter ein, dass dir das nichts ausmacht. Dein kleines, verdorbenes Herz blutet doch allein bei dem Gedanken, dass ich -das- hier tun könnte.“ Urila schnappte sich ihren rechten Mittelfinger und brach ihn nach hinten. „Hör auf!“, brüllte Matt hysterisch. Urila ignorierte ihn, machte sich über den Ringfinger derselben Hand her und riss ihm den Fingernagel raus. „Ja, ja, gleich.“ „Ich bin dein Gegner, nicht sie!“ Abschätzig sah die besessene Tara auf. „Ach du willst auch ein bisschen leiden? Na sag das doch gleich, konnte ich doch nicht riechen! Im Ernst, ich kann nichts mehr riechen!“ Urila packte ihre Nase. Matt weitete die Augen vor Entsetzen. „Nur Spaß“, kicherte sie und ließ davon ab, sich selbst noch weiter zu verstümmeln. Stattdessen drehte sie das Monster auf ihrer Duel Disk in die Vertikale. „Poisouffle wechselt in den Angriffsmodus.“ Der übergewichtige Drache erhob sich aus dem Soufflee, das er mit seinem Hinterteil plattgedrückt hatte. Noch immer hielt er beschämt die Hände vors Gesicht.   Madolche Unhappy Dragon – Poisouffle [ATK/1900 DEF/2500 {5}]   „Effekt des Drachis aktivieren!“, rief Urila und zog unter ihm das letzte Xyz-Material hervor. „Indem ich ein Madolche-Monster abwerfe, kann ich dich direkt angreifen!“ Sofort steckte sie [Madolche Cruffsant], ihre verbliebene Handkarte, in den Friedhofsschlitz ihrer Duel Disk. „Ah!“ Plötzlich schob der Drache einen seiner Wurstfinger vom Auge weg, das rot aufzuleuchten begann. Das ihn umkreisende Xyz-Material absorbierte er durch eben jenen Augapfel, ehe er einen imposanten Laserstrahl daraus auf Matt abfeuerte. Dieser hielt erschrocken die Arme über Kreuz, wurde jedoch schon erfasst. Die Druckwelle schleuderte ihn über das Spielfeld. Durch die Wucht knallte er in einen großen Grabstein hinter sich. Jener zerbarst regelrecht, während Matt weiter über den Boden schlitterte. Als er schließlich zum Stoppen kam, blieb er reglos liegen.   [Matt: 3000LP → 1100LP / Tara: 0LP]   „Ich dachte eigentlich, dass du härter im Nehmen bist“, spottete Urila, „wenn alle Menschen so sind, dann werden -sie- ja nicht lange für diese Welt brauchen. Jämmerlich. Zug beendet.“   Matt schrie auf. Sein ganzer Rücken und Nacken schmerzte, der Kopf erschien ihm wie ein Ballon, der jeden Moment platzen würde. Dennoch erhob er sich wankend. Ein Rinnsal Blut rann seine Stirn hinab. „Das war ein großer Fehler“, ächzte er und schleppte sich zurück zu seinen beiden Monstern, „jetzt bist du offen für einen Angriff.“ Seine Gegnerin erwiderte darauf nichts. Der junge Dämonenjäger griff nach seinem Deck und zog. Kein Monster, nur eine Falle. Aber eine nützliche, immerhin. Zumal Bahamuts Effekt ohnehin nutzlos war, weil er dieses Mistvieh von Drache nicht anzielen konnte. „Kein Risiko“, murmelte er und hob den Arm, „los, [Evilswarm Bahamut]! Greif [Madolche Unhappy Dragon – Poisouffle] an! Infestation's Burst Stream!“ Wenn er erst fiel, hatte Urila verloren. Aber das würde nicht passieren. Und es durfte eigentlich auch nicht, da er seinen Plan noch nicht umsetzen konnte … Sein schwarzer Eisdrache lud in seinem Maul eine schwarz-violette Flamme auf, die er sogleich auf seinen Konkurrenten abfeuerte. „Sich -darauf- stützen zu wollen ist zwar clever, aber ich muss dich enttäuschen. Als ich dein Deck modifiziert habe, wurde diese Karte als erste beseitigt!“, lachte Urila laut und schwang den Arm aus. „Für wie dumm hältst du mich auch!? Du wirst dir wohl oder übel etwas Neues einfallen lassen müssen! Falle aktivieren, [Madolche Lesson]! Ich kann bis zu zwei Madolche-Monster von meinem Friedhof in mein Deck mischen, dafür erhält Poisouffle 800 Punkte auf beide Werte!“ Stumm und fassungslos sah Matt zu, wie Urilas Drache wuchs und sie das Prinzenpaar zurück in ihr Deck schob. Doch war es nicht das, was ihn so schockierte. Sie hatte -diese- Karte vernichtet!? Dann-! Dann konnte er nichts gegen sie ausrichten! Tara würde-!?   Madolche Unhappy Dragon – Poisouffle [ATK/1900 → 2700 DEF/2500 → 3300 {5}]   Der unglückliche Drache initiierte einen Gegenangriff, indem er aus seinem rechten, freigelegten Auge einen Laserstrahl abfeuerte. Dieser zerteilte die Flammen Bahamuts und ihn selbst, wodurch er in einer Explosion unterging. Matt wurde durch die entstandene Druckwelle zurückgeworfen, landete hart auf dem Rücken.   [Matt: 1100LP → 750LP / Tara: 0LP]   Sich unter großen Mühen wieder aufrichtend, biss Matt die Zähne zusammen. „So schnell kriegst du mich nicht unter! Ich gebe nicht die Hoffnung auf!“ Er schob seine Falle in einen der dazugehörigen Slots. „Die verdeckt! Zug beendet!“ Schwankend kam er auf die Beine, während sich die Karte vor ihm materialisierte. Immerhin hatte er noch [Gem-Knight Pearl], der regungslos vor ihm verharrte. Zumindest würde dieser ihn schützen können. Wie er schon Anya beschützt hatte.   „Also hast du es verstanden“, sprach Urila und zog nebenbei eine Karte, „begriffen, was in dieser Karte steckt.“ Matt nickte. „Du hast ihn zurückgebracht, nicht wahr? Bewusst oder unbewusst?“ „Nennen wir es eher einen Nebeneffekt meines Zaubers“, erklärte Urila und begann zu grinsen, „er hat die ganze Zeit in der Karte überlebt, unbemerkt von allen anderen. Jetzt, wo mein Zauber in der Luft liegt, konnte er daraus genug Kräfte sammeln, um sich von seinen selbstauferlegten Fesseln zu befreien.“ Leises Gestöhne. Beide sahen herüber zu Anya, die sich langsam vom Boden ab stemmte, aber den Halt verlor und wieder zusammenbrach. Mit einem halb offenen Auge sagte sie: „Und hat deinen Angriff abgewehrt, huh? Levrier ist immer wieder für eine Überraschung gut … der Idiot …“ „Anya! Also hab ich mir das nicht eingebildet!“, atmete Matt erleichtert auf. „Du bist nicht tot …“ „Aber mitspielen kann sie auch nicht mehr.“   Dann werde ich ihre Vertretung sein.   Als wolle er Matt zeigen, dass er ihn beschützen würde, schwebte [Gem-Knight Pearl] näher zu ihm und blockierte die Sicht auf den jungen Mann. Er ballte eine Faust, von der ein strahlendes Licht auszugehen begann. Urila kniff stöhnend die Augen zusammen. „Tritt ihr in den Arsch für mich, Levrier“, krächzte Anya schlapp, „wie abgemacht …“ „Lustig“, kommentierte Urila das Ganze vergnügt, nachdem das Leuchten verklungen war, „eigentlich wollte ich dich als Ersten töten, Levrier. Aber ich habe es mir anders überlegt. Erst kommt der Junge dran. Dann werde ich das Tor öffnen. Und sobald der 'wahre Feind' vorbeischaut, wirst du machtlos mit ansehen müssen, wie deine geliebte Anya Bauer ihr erstes Opfer sein wird. Klingt nach einem Plan, oder?“   Wir werden sehen.   Pearl verschränkte abwartend die Arme. „Oh ja.“ Etwas veränderte sich mit einem Schlag an Urila. „Du glaubst, indem du versuchst seine Gedanken zu beschützen, dass du mich aufhalten kannst? Lächerlich! Sieh her!“ Ihre milchigen Augen begannen rot aufzuleuchten. Gleichzeitig begann das sternenförmige Mal an ihrem Arm in silbernem Licht zu pulsieren. „Nein!“, keuchte Matt, der Böses ahnte. „Dieses Miststück …!“, presste auch Anya wütend hervor. „Ganz recht! Seht zu, wie ich das Overlay Network rekonstruiere!“ Die Arme weit ausstreckend, rief sie: „Aus meinem Rang 5-Monster wird ein neues Rang 5-Monster! Incarnation Summon!“ Matt begann zu würgen. Ein Druck breitete sich in seiner Brust aus, wie er ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Es schnürte ihm die Luft ab. Anhand Anyas Gestöhne erkannte er, dass es ihr genauso ging. Der schwarze Wirbel des Overlay Networks öffnete sich unter dem dicken Drachen, welcher darin versank. „Komm zu mir, Ebenbild meines Zorns! [Madolche Very Angry Dragon – Poison Bite]!“ Gewaltige Klauen langten aus dem Wirbel. Ein langer, peitschender Schweif huschte hervor, dann stieß sich der neue Drache mit seinen imposanten Flügeln aus dem Loch hervor, das sich nun schloss. Er hatte praktisch nichts mehr mit seiner Vorstufe gemein. Von schwarzer, schlanker Statur, leuchteten die vier Augen oberhalb seiner langen Schnauze orange auf. Mit einem Satz landete er auf allen Vieren vor Urila. Das Gras um ihn herum begann augenblicklich zu welken, bis es zu Staub zerfiel.   Madolche Very Angry Dragon – Poison Bite [ATK/1900 DEF/2500 {5}]   „Effekt Poison Bites!“, schrie Urila. „Wenn er beschworen wird, wird jede Nicht-Monsterkarte auf meinem Friedhof zu seinem Xyz-Material!“ Urila zeigte [Madolche Nights], [Madolche Chateau], [Madolche Ticket], [Madolche Lesson] und [Mystical Space Typhoon] vor, die sie alle unter die Karte ihrer Inkarnation schob, wo bereits Poisouffle lag. Damit kreisten insgesamt sechs Lichtsphären um den schwarzen Drachen, dessen Rücken mit spitzen Dornen besetzt war. „Gleich sechs?“, presste die liegende Anya hervor. „Und cool sieht er auch noch aus! Shit! … aber einen Moment! Jetzt, wo das alte Kackvieh weg ist, müsste die Pisskuh doch eigentlich-!“ „Verloren haben? Nein … in Poison Bites Antlitz haben Lebenspunkte keine Bedeutung mehr für mich. Sieh es als Erweiterung von Poisouffles Effekt an, Herzchen.“ Urila blickte herüber zu Matt. „Zeit für den ersten Toten des letzten Akts! Erster Effekt von Poison Bite! Ihr kennt das ja, wie es bei Inkarnationen so Brauch ist. Er kostet ein Material und vertauscht seine Werte!“ Der vieräugige Drache schnappte nach einer der goldenen Sphären und schluckte sie runter. Die orangefarbenen Augen wurden plötzlich gelb.   Madolche Very Angry Dragon – Poison Bite [ATK/1900 → 2500 DEF/2500 → 1900 {5}]   Anya lachte auf. „Na das hat es ja gebracht!“ „Hat es, denn ich kann deinen lieben Freund außerdem direkt angreifen!“ Erschrocken wich Matt zurück. „Schon wieder!?“ Den Finger auf ihren Gegner zeigend, feixte Urila: „Stirb, elender Wurm! Very Angry Calamity Breath!“ Sofort hauchte Poison Bite einen rötlichen Nebel aus seinem Maul, der wie eine Welle auf Matt zukam. Dieser hielt sich die Hand vor den Mund, ahnte er, dass das pures Gift war. Gedämpft rief er: „Nicht so hastig! Falle! [Defense Draw]! Ich wehre den Kampfschaden ab und ziehe eine Karte!“ „Tch!“, zischte Urila wütend. Ich übernehme das!   [Gem-Knight Pearl], welcher jetzt Levriers Verkörperung darstellte, schwang den Arm aus. Seine sieben Riesenperlen begannen sich vor ihm wie ein Ventilator zu drehen, welcher den giftigen Nebel abwehrte. Matt griff nach seinem Deck und zog eine Karte. „Kaum mischt du dich ein, geht alles schief!“, schnaubte die grässlich entstellte, junge Frau. Sie schnippte mit dem Finger. „Main Phase 2! Poison Bite! Madolche Bastion!“ Erstaunt verfolgte Matt mit, wie der Drache unter blau leuchtenden Augen zwei weitere Xyz-Materialien vertilgte, ehe er unter heftigem Flügelschlag in die Luft aufstieg. Dort begann er sich um die eigene Achse zu drehen. Dabei versprühte er ein gelbliches Sekret, das ihn schließlich in eine Art Kokon hüllte.   Madolche Very Angry Dragon – Poison Bite [ATK/2500 → 1900 DEF/1900 → 2500 {5}]   „Solange er sich in der Madolche Bastion befindet, bleibt Poison Bite von allen feindlichen Karteneffekten unberührt und wechselt zudem in die Verteidigung. Dabei werden seine Werte obendrein wieder vertauscht!“ Draus schloss Matt: „Also alles zurück auf Anfang?“ „Wenn du damit den Anfang von deinem Ende meinst, gewiss!“ Urila zeigte ihre letzte Handkarte, einen Zauber vor. „Ich aktiviere [Overlay Regen]! Diese wird zu einem Xyz-Material für Poison Bite!“ Eine blaue Essenz stieg aus ihrer Karte hervor, die in den Kokon eindrang. Damit müssten es vier Xyz-Materialien sein, dachte Matt. „Eine für einen direkten Angriff und drei …“ „Du bist dran, mein Hübscher“, gluckste Urila und legte den Kopf so schief es ging. „Oh, ich hab Wasser im Ohr. Oder ist das Blut? Ich weiß es nicht! Ahahahahahaha!“   Nicht mehr lange, dachte Matt zähneknirschend. Er würde dieser Hexe alles heimzahlen, was sie Tara antat! Alles! Mit Zinseszins! Wenn er doch nur diese eine Karte dafür hätte! Aber sie hatte sie zerstört … Unsicher, was er tun sollte, griff er nach seinem Deck. Auf seiner Hand lag plötzlich die von Levrier, beziehungsweise von [Gem-Knight Pearl]. Überrascht schaute Matt auf. „Was ist?“ Glaube an dich. Sie tut es auch.   Fragend blickte er in dieselbe Richtung wie Levrier, zu Anya. Die sah am Boden liegend zu beiden herüber und hob die Hand. Der Daumen, den sie anwinkelte, stand nach oben. Sie will die Schmerzen ertragen, das soll es ausdrücken.   „Wovon redest du?“ Sieh selbst.   Zusammen mit Pearl riss Matt die Karte von seinem Deck. Im selben Augenblick schrie Anya auf, als würde sie fürchterliche Qualen leiden. Und vor Matts innerem Auge eröffnete sich ihm ein Labyrinth aus Pfaden. Wie durch Geisterhand wurde er geführt, während Anya schrie.   Ich bin technisch ihre Karte und besitze noch nicht genug eigene Kraft, um das Schicksal zu beeinflussen. Deswegen …   Matt weitete die Augen, als er einem Licht entgegen sah. Dieses fühlte sich an wie ein Sturm, aber warm und sicher. Anya verstummte. Und er stand da, hielt sie in den Händen. Die Karte, die-!   Sie hat dich angelogen. Was der Sammler erschafft, kann von ihresgleichen niemals zerstört werden. Und nun lass uns kämpfen, Matt Summers!   Levrier drehte sich kämpferisch um, während Matt fassungslos die Karte in seinen Händen betrachtete. Damit konnte er Tara retten! Entschlossen blickte er auf. „Danke, Levrier!“   Danke Anya Bauer. Es war ihre Idee, sie als Katalysator für meine Kräfte zu gebrauchen.   „Danke … Anya“, murmelte er und nahm sich vor, ihr später wirklich zu danken. Dann schob er die gezogene Zauberkarte in sein D-Pad. „Auf geht’s, Levrier! Ich hoffe, du kannst gut damit umgehen. Ich rüste dich mit [Legendary Victory Spear – Lord Fafnir] aus!“ Pearl streckte den Arm aus und griff mitten in die Luft. In seiner Hand erschien ein weißer Speer, dessen Spitze von einem goldenen Drachenkopf umgeben war. Urila schrie entsetzt auf: „Unmöglich! Wie kannst du es wagen!? Diese Waffe-!“ „Ist der Speer, der Immaterielle tötet“, schloss Matt ihren Satz grimmig, „geschaffen vom Sammlerdämon persönlich. Sieht so aus, als müsste ich mich bei Henry bedanken.“ Denn ursprünglich war jene Karte für ihn erschaffen worden, doch Henry hatte sie in Matts Obhut gelassen, als sie im Turm von Neo Babylon zusammen kämpften.   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4}]   Der mächtige Ausrüstungszauber veränderte nichts an Pearls Angriffspunkten, aber das war ohnehin nebensächlich, da er auch so stärker war, dachte Matt. „Alles, was wir tun müssen, ist, diesen Drachen zu töten. Dann wird sie das Duell verlieren! Also erschlage ihn, Pearl! Los! Impaling Heaven!“ Levrier lies den Speer vor sich wie ein Mühlenrad kreisen, ehe er ihn in die Luft warf, in der Mitte des Schafts auffing und mit aller Wucht auf den Kokon schleuderte. „Gib's ihr!“, feuerte Anya ihn dabei an. Matt stimmte ein. „Alles oder nichts!“ Der Speer stieß gegen den gelben Kokon und drang langsam ein, fraß sich durch die dicke Schicht unbarmherzig hindurch. Im Inneren lauerte der schwarze Drache in einer Fötushaltung. Seine Augen leuchteten rot. „Danke … das wird dein Ende!“, schrie Urila schlagartig triumphal auf. „Effekt Nummer 3 ist bereit! Madolche Acid Breath!“ Drei der vier goldenen Lichtsphären, die ebenfalls noch im Kokon ausharrten, wurden nun Poison Bite durch die Augen absorbiert. Er öffnete sein Maul. „Vergehe!“, kreischte seine Besitzerin. „Damit werfe ich den Angriff auf dich zurück, und zwar zusätzlich mit der Macht deines eigenen Monsters!“   Das ist nicht gut!   Besorgt drehte sich der weiße Ritter zu Matt um, doch der verzog keine Miene. „Lass sie doch …“ Der halb schlafende Drache öffnete sein Maul und stieß einen blutroten Säurestrahl aus, der auf den Speer gerichtet war. Der wurde durch die Strömung mitgerissen und steuerte nun direkt auf Matt zu. „Jetzt, Levrier“, wies dieser Anyas Partner an. Jener stieß sich vom Boden ab und begann durch die Luft zu fliegen, an dem Strahl vorbei. Dabei griff er unter lautem Stöhnen in den ätzenden Atem, holte sich den Speer zurück und setzte seinen Frontalangriff einfach fort. „Ah!?“ „Zu dumm. Die Waffe der Xyz-Monster, der legendäre Speer des Sieges, verhindert, dass du seinen Besitzer als Ziel wählen kannst. Damit wirkt dein Effekt nicht“, erklärte Matt eiskalt, „wie sagtest du so schön? Game Over!“ „Game Over am Arsch, mein liebster Matt Summers!“, fauchte Urila hysterisch. „Du hast wohl nicht bedacht, dass vor der eigentlichen Konterattacke noch etwas anders passiert!“ Matt weitete die Augen. „Für jede Karte auf meinem Friedhof erhält Poison Bite 100 Punkte auf beide Werte. Also insgesamt 700!“ Die vier roten Augen des Drachens blitzen auf, als Levrier das Loch in seinem Kokon passierte.   Madolche Very Angry Dragon – Poison Bite [ATK/1900 → 2600 DEF/2500 → 3200 {5}]   Pearl hob den Speer, wollte ihn bereits in den Hals der Bestie rammen, da ließ diese mit ihren Augen eine Schockwelle los, sodass es ihn einfach davon schleuderte. Direkt neben Matt schlug er in einen der Grabsteine ein. Der junge Mann, der dadurch unachtsam geworden war, sah nur noch, wie der Säurestrahl ihn erfasste. Zwar konnte er der Attacke mit einem Hechtsprung ausweichen, schlug sich dabei aber eine Spitze der Trümmer in die Seite, die Pearls Fall hervorgebracht hatte. „Uargh!“ Hinter ihm wurde die gesamte Hofmitte verätzt, bis nichts mehr übrig war.   [Matt: 750LP → 150LP / Tara: 0LP]   Urila schnaubte wütend. „Maße dir nicht an, mich so leicht besiegen zu können, dummer Bengel!“ Zittrig kam Matt auf die Beine. Er hielt sich die neue Wunde, ächzte: „Oh man, ich laufe ja aus wie Anya, wenn sie Wolverine nackt sieht.“ „Was soll das denn heißen, du blöder Idiot!?“, hörte er sie augenblicklich fauchen. „Wenn ich mich bewegen könnte, würde ich dir dafür die Fresse polieren! Woher weißt du überhaupt-!?“ „Erinnerst du dich an das Filmposter, das du auf dem Bahnhof geklaut hast?“ Matt grinste. Es gab ihm Kraft, ein bisschen mit ihr herum zu necken. „Wir hatten es eilig, aber du musstest ja unbedingt anhalten, die Scheibe einschlagen und das Ding mitnehmen!“ „Ich wollt was kaputt machen, weil das mit dem Jinn nicht geklappt hat, mehr nicht!“ „Genug der Albernheiten! Beende gefälligst deinen Zug, damit ich dich endlich töten kann, elende Made!“, forderte Urila. „Die Zeit des Spielens ist vorbei. Ihr musstet es ja auf die Spitze treiben und mich böse machen.“ Matt betrachtete die letzte Karte in seiner Hand. Die hatte er durch den Effekt von [Defense Draw] gezogen, aber er konnte sie jetzt nicht benutzen, weil Poison Bite gegen andere Karten immun war. „Die hier verdeckt! Zug beendet!“ Vor seinen Füßen materialisierte sich die Karte zischend.   Das ist unsere letzte Chance.   Matt nickte. Hoffentlich würde Urila -darauf- hereinfallen. Die knirschte mit den Zähnen, als sie nach ihrem Deck griff. Schwarze Flammen begannen davon auszugehen. Der Dämonenjäger spürte, wie sich sein Brustkorb zusammenzog. „Gut.“ Ist es das wirklich?   „Besser könnte es gar nicht sein …“ „Die Zerstörung wird euch anheimfallen, Menschlinge! Die Ordnung muss aufrecht erhalten werden! Für alle Zeit!“, fauchte Urila und zog in einer halbmondartigen Bewegung. „Draw!“ Keuchend zuckte Matt zusammen, als die dunkle Aura Urila gänzlich umgab, nachdem sie die Karte zwischen ihren Fingern vorzeigte. „[Heavy Storm]! Damit vernichte ich nicht nur diesen lächerlichen Speer, sondern auch deine gesetzte Karte!“ Ein heftiger Sturm kam auf, umgab Matt. Dieser aber streckte sich durch, stand aufrecht in all dem Dreck, der um ihn herum zu wirbeln begann. Bis er in der Dunkelheit des donnernden Tornados verschwunden war. Jedoch hörte Urila ihn. Sie hörte ihn gut. „Das war dein letzter Fehler …“ „Tch! Mach dich nicht über mich lustig, du widerliches Subjekt! Ich werde dich zerquetschen, hier und jetzt!“ Außer sich vor Wut drehte seh Poison Bites Karte auf ihrer Duel Disk in die Vertikale. Der aufgeplatzte Kokon löste sich nun gänzlich auf, ihr schwarzer Drache landete mit einem Satz vor der entstellten, jungen Frau.   Madolche Very Angry Dragon – Poison Bite [ATK/2600 DEF/3200 {5}]   „Effekt von Poison Bite!“, hallte ihre zuweilen kratzig gewordene Stimme durch die Luft. Blut trat aus ihren Augenlidern hervor. „Indem ich eines seiner Xyz-Materialien abhänge, kann er seine Werte vertauschen und direkt angreifen!“ Der Drache öffnete das Maul und schnappte nach der letzten goldenen Kugel, die noch um ihn kreiste – nur dass diese ihm entwischte und direkt in den Sturm flog. Wie eine Druckwelle breitete dieser sich schlagartig aus, und Urila sah es. Das Ungeheuer, das sie eigenhändig erschaffen hatte!   Evilswarm Ouroboros [ATK/2750 DEF/1950 {4}]   Die Kugel begann, statt um Poison Bite zu schwirren, nun Ouroboros zur Verfügung zu stehen. Der dreiköpfige schwarze Drache bäumte sich auf, wie er über Matt flog. Jener stand hinter seiner aufrecht stehenden Schnellzauberkarte und klatschte Beifall. „Bravo“, sagte er, „du bist berechenbarer als du zugeben würdest, Urila.“ „D-diese Karte-!“ „[Xyz Revenge], richtig. Sie erlaubt es mir, eines meiner Xyz-Monster vom Friedhof zu beschwören und dann ein Xyz-Material deiner Monster auf meines zu übertragen. Sieht so aus, als wäre das mit dem direkten Angriff nichts geworden.“ Matt kniff die Augen zusammen. „Jetzt heißt es dein Drache gegen meinen Drachen. Welcher gewinnt wohl?“   Du hast geahnt, dass du ihn brauchen würdest. Erstaunlich, Matt Summers. [Xyz Declaration] behandelt ein abgelegtes Xyz-Monster, als wäre es vorher beschworen worden. Brillant!   „Nein“, wies Matt Levriers Lob zurück, „das war nur Glück, nichts weiter.“ Urila raunte: „Glück? Mit Glück allein wirst du mich nicht besiegen!“ „Richtig. Aber damit ganz gewiss.“ Als wäre das sein Zeichen gewesen, griff [Gem-Knight Pearl] in die Luft – und ließ den legendären Drachenspeer in seiner Hand erscheinen. Die blutunterlaufenen, milchigen Augen der blonden, jungen Frau weiteten sich. „Wenn [Legendary Victory Spear – Lord Fafnir] zerstört wird, kann ich ihn erneut an ein Xyz-Monster ausrüsten. Da spielt es keine Rolle, ob es dasselbe war wie eben.“   In der Tat.   „So läuft das also … so willst du mich also töten? Indem du mich vorher demütigst. Mich!“ Urila schnaubte. Dann begann ein hässliches Lächeln ihre Lippen zu zieren. „Aber gut. Wenn es so sein soll? Zug beendet!“   Matt griff nach seinem Deck und schloss die Augen. Dieses Mal hatte sie endgültig verloren! Ihr Drache besaß keine Xyz-Materialien mehr, er dagegen Ouroboros und Pearl. Ihr Feld war ansonsten leer. Nichts würde ihn jetzt aufhalten! „Draw!“ „… bist du dir da so sicher?“ Die Karte zwischen seinen Fingern geklemmt, starrte der junge Mann seine Gegnerin irritiert an. „Ja, ich höre deine Gedanken wieder. Levrier kann sie nicht länger verbergen.“ Urila schürzte die aufgesprungenen Lippen. „Und weißt du auch warum?“ Als Antwort hob sie den Finger und zeigte auf [Evilswarm Ouroboros]. Matt folgte dem Wink und sah herauf zu seinem dreiköpfigen Drachen, der begann in einer schwarzen Aura aufzuleuchten. „Das, mein lieber Matthew Summers“, säuselte Urila siegessicher, „war dein letzter Fehler.“   Es war, als würde eine Bombe in Matts Kopf explodieren. Tausende Stimmen hallten in unerträglicher Lautstärke durch seinen Schädel, verlangten die wirrsten und absurdesten Dinge von ihm. Nur eine kristallisierte sich heraus: „Töte Anya Bauer! Töte Levrier! Töte dich! Töte sie alle!“ „Argh!“, schrie Matt schmerzhaft auf und fiel auf die Knie. Er hielt sich den Kopf, begann vor und zurück zu wippen. „Seid still!“ „Gib es auf. Warum hast du es auch nicht kommen sehen? Dir muss doch klar gewesen sein, dass Ouroboros mein wichtigstes Werkzeug ist, um dich unter Kontrolle zu halten.“ Urila schnalzte mit der Zunge. „Dummchen. Wehr dich nicht dagegen, gleich werde ich wieder deine Mutter sein. Und alles wird gut~“ Der Dämonenjäger kniff verkrampft die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Er konnte kaum seine eigenen Gedanken unter all den Stimmen hören. Das durfte nicht sein, nicht so kurz vor dem Ziel! „[Evilswarm Ouroboros]“, presste er hervor mit all seiner Kraft, „aktiviere deinen Effekt! Gib ihren Drachen ins Extradeck zurück … Infestation's Viciousness!“ Allerdings machte das Ungetüm keine Anstalten sich zu bewegen. „Er gehorcht dir nicht mehr. Er gehorcht nur noch mir“, stellte Urila klar. „Und jetzt sei still, ehe du noch etwas Dummes von dir gibst.“ Matt spürte, wie Schatten aus seinem Hals stiegen. Er bekam keine Luft mehr! Würgend beugte er sich über, hustete, aber es half nichts. Er würde ersticken! Tara! Wenn sie sich doch nur kurz gegen Urila auflehnen würde, dann könnte er …! „Das wird nie passieren. Ein Immaterieller so mächtig wie ich kann niemals unterdrückt werden.“ Matt kippte zur Seite, seine Sicht begann zu verschwimmen. Die Schwärze verschlang ihn. Dann war er also gescheitert … so kurz vor dem Ziel. Anya, renn weg! Das wollte er ihr sagen, aber er konnte nicht. Sein Körper gehörte jetzt Urila. Verdammt … „Du dämliche Cheaterin!“ Urila schwenkte herüber und weitete erschrocken die Augen. Da stand das blonde Mädchen, hielt sich den gebrochenen Arm und sah sie an, als würde sie ihr jeden Moment an die Gurgel gehen. „Wenn ich eins nicht leiden kann, dann solche wie dich, die nicht aus eigener Kraft gewinnen können!“, fauchte sie dabei spuckend. „Aber ich hab ganz schlechte Nachrichten für dich, Miststück!“ „Du bist bereits gefallen, du spielst nicht-!“ Anyas blaue Augen, zusammengedrückt zu kleinen, bösen Perlen, funkelten regelrecht. „Ich nicht, aber Levrier. Und weißt du, wem der eigentlich gehört? Mir!“ Matt hörte sie kaum. Doch es klang gut. „Du würdest nicht-!?“ „Sorry Levrier, das wird dir jetzt leider etwas weh tun!“, rief Anya und schwang den gesunden Arm aus. „Du weißt, was zu tun ist!“   Ich hätte wissen müssen, dass ich unter deiner Schirmherrschaft nicht unverletzt aus der Sache kommen würde, Anya Bauer. Aber so sei es.   [Gem-Knight Pearl], der vor Matt verharrte, legte den goldenen Siegesspeer in seiner Hand auf seine Schulter ab und machte sich bereit. „Tch, immer muss man alles selber machen!“, nölte Anya weiter. „Dafür schuldest du mir was, Schwachkopf!“ Alles was sie wollte, dachte Matt glücklich, wie er da am Boden lag und lächelte. „Levrier, zeig dem Miststück, warum man sich nicht mit dem Underbauer anlegt! Greif ihren Drachen an! Double Kill-Time! Impaling Heaven!“   Madolche Very Angry Dragon – Poison Bite [ATK/2600 DEF/3200 {5}] Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4}]   „Nein … nein!“, schrie Urila panisch. Anyas Ritter nahm aber bereits Anlauf und warf den Speer, direkt auf [Madolche Very Angry Dragon – Poison Bites] Brust gezielt. Dieser antwortete mit einem gebündelten Laserstrahl aus seinen vier Augen. Zeitgleich wurden beide vom jeweils anderen getroffen. In Pearls Brust fraß sich ein klaffendes Loch, wohingegen der Speer wie Butter durch den Körper Poison Bites glitt. Beide schrien auf und zersprangen parallel in tausende Stücke. Doch der Speer flog weiter. Urila weitete die Augen. Dann drang er in ihre Brust ein und verschwand dort, als würde er von Taras Körper absorbiert werden. „Genau so besiegt zu werden wie Another“, stammelte sie fassungslos, als das letzte Stück des Speers sie passierte. Ihre Adern begannen weiß aufzuleuchten. Torkelnd nahm sie ein paar Schritte vorwärts. „Wie demütigend! Unverfroren! Gar lächerlich! Aber, auch wenn ihr mich töten konntet … eins solltet ihr wissen …“ Anya blinzelte verdutzt, wie sich ihre Gegnerin Schritt um Schritt zu ihr schleppte. Angekommen bei ihr, packte die entstellte, junge Frau das Mädchen bei den Schultern. Sie beugte sich vor und flüsterte jenem etwas ins Ohr: „Einer von ihnen ist schon hier, wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt. Deswegen wollte Another fliehen … ihr seid verloren! Ahhhhhhh!“ Erschrocken stieß Anya Urila von sich, die auf die Knie fiel. Aus ihrem Mund stieß eine grelle Lichtsäule, ehe sie vorne über kippte und liegenblieb.   [Matt: 150LP / Tara: 0LP]   Anya keuchte schwer. Die Hologramme verschwanden. Matts Aura verblasste und löste sich in viele kleine Partikel auf. „Ist es … vorbei?“, murmelte sie.   Anscheinend. Tu mir so etwas nie wieder an, Anya Bauer. Ich wäre fast gestorben!   Das Mädchen brauchte einen Moment, ehe es schmunzelte. „Dein Pech, was kommst du auch unangemeldet zurück? … aber danke, Levrier. Ohne dich …“ „Tara!“ Matt hatte sich derweil aufgerappelt und war zu seiner Freundin aus Kindheitstagen geeilt. Die lag leblos am Boden. Fassungslos kniete er vor ihr nieder. „Oh nein!“ Anya spürte, wie etwas Nasses ihre Wange benetzte. Weinte sie? Quatsch! Das Mädchen sah nach oben. Graue Wolken zierten den Nachthimmel, es fing allmählich an zu regnen. Die restlichen Kerzen wurden gelöscht, als es auf sie herab zu plätschern begann.   Anya Bauer, hinter dir!   Das Mädchen wirbelte augenblicklich ob Levriers Warnung um. Hinter ihr war etwas! Zischend stand es offen, eine Art Portal, schwarz wie die Nacht. „Was zum Kuckuck!?“ Sofort wich sie davor zurück. „Sag nicht, sie hat das Ritual heimlich durchgeführt!?“   Nein, es ist mit dieser Welt verlinkt. Aber wer …?   Matt stellte sich neben Anya. In seinen Armen trug er Tara. Sein Blick war fest auf jenes Portal gerichtet. „Wer oder was auch immer es ist, die Absichten sind eindeutig. Nehmen wir die Einladung an.“ Anya zischte mürrisch. „Tolle Idee, Summers! Wenn wir wieder kämpfen müssen, werde ich dir in meinem Zustand nicht permanent den Arsch retten können. Sag also nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“ „Das nehme ich in Kauf“, sprach Matt stoisch und wagte den Schritt ins Portal. Stöhnend folgte Anya ihm. Wieso immer sie!?   ~-~-~   Valerie blinzelte. Blutüberströmt lag sie bäuchlings am Boden. Sie spürte die gierigen Blicke, die auf sie und die anderen gerichtet waren. Am Ende hatten sie es nicht geschafft, es waren zu viele. Lebten die anderen überhaupt noch? Selbst wenn, eine Rolle spielte es nicht mehr. „Grandioses Duell“, hörte sie Andrew sagen. Er stand vor ihr und sah auf sie herab. „Du hast den Kampf gewonnen. Aber den Krieg verloren. Schade, dass du so schnell schlapp gemacht hast, mir wäre eine zweite Runde nur recht gewesen.“ Valerie öffnete den Mund, konnte aber nichts darauf erwidern. Sie war mit Stolz gefallen, wollte sie ihm sagen. Wie die anderen auch. Der Rest hing von Matt und Anya ab. Ob sie noch lebten?   Andrew stieß Valeries Schulter mit seinem Stiefel an und rollte sie so auf den Rücken. Das Mädchen sah die grauen Wolken am Nachthimmel. Etwas benetzte ihre Wange. Immer mehr Tropfen fielen herab. Der Himmel weinte. Um sie? Das wäre schön. „Urgh!“ Andrew neben ihr fiel auf die Knie, hielt sich die Brust. Valerie bekam es nur aus den Augenwinkeln mit. Er beugte sich über, keuchte, als bekäme er keine Luft mehr. „Mutter“, stammelte er, „Mutter ist-!?“ Valeries Lebensgeister kehrten schlagartig zurück. Gute Nachrichten!? Hieß das, dass die anderen gewonnen hatten!? Als Antwort auf ihre Frage begannen die Dämonen um sie herum zu schreien. Vor Schreck bäumte sich das Mädchen auf und sah, wie sie alle mit ihren Händen oder anderen Gliedmaßen fuchtelten. Fast schien es so, als würde der Regen ihnen Schmerzen zufügen. Derweil kippte Andrew vorne über und landete direkt in Valeries Schritt. Die stieß den bewusstlos gewordenen, jungen Mann verdattert mit der Hand weg. „... Valerie …“ Die Schwarzhaarige sah sich um. Abby! Sie lag nicht weit von ihr entfernt auf dem Bauch und sah sie mit einem Lächeln an. „Wir haben es geschafft.“ „Ich wusste, sie würden siegreich sein!“ „Hat ja auch lange genug gedauert!“ Da kamen auch Alastair und Henry angehumpelt, Ersterer stützte den brünetten Millionär, da jener am Bein verletzt war. Valerie erinnerte sich daran, dass sich Henry im Turm von Neo Babylon das Bein angebrochen hatte. Daran hatte sie gar nicht mehr gedacht! Hieß das, dass er die ganze Zeit seinen Schmerz unterdrückt hatte, um ihnen helfen zu können? Sie seufzte. Offenbar wurde sie schon langsam wie Anya, dass sie so etwas nicht bemerkt hatte. Glücklich sah sie in die Regenwolken, während die Monster um sie herum sich, halb Mensch, halb Bestie, am Boden aalten und schrien. „Danke, ihr beiden …“   ~-~-~   „Ihr könnt mich hochholen, ehrlich!“, jammerte ein splitterfasernackter Nick. „Ich bin wieder ich, also Nick, nicht Nick! Also der haarige Nick. Nein, nicht der Haarige! Ihr wisst doch, wen ich meine?“ Melinda und Marc aber sahen sich nur stumm an und schüttelten den Kopf in Einverständnis, während sie ihn an beiden Beinen festhaltend aus dem Fenster baumeln ließen. Als Satyr-Nick sie angegriffen hatte, wäre er infolge des Kampfes nach einem missglückten Zutreten-und-sofort-Ausweichen-Manöver beinahe aus ebenjenem gehüpft, hätten die beiden ihn nicht geschnappt und festgehalten. Da sie den frechen Bock aber schlecht fallen lassen und ebenso wenig hochziehen konnten, waren die Drei in die unglückliche Lage geraten, in der sie jetzt steckten. Was Melinda trotz der Schweißperlen auf ihrer Stirn nicht daran hinderte, auf Nicks Frage zu antworten. „Nein, wir warten noch. Sicher ist sicher!“ „Aber, aber-!“, stammelte Nick, der beide Hände vor den Schritt hielt. „Das ist sadistisch!“ „Hab ich je behauptet, nicht sadistisch zu sein?“, scherzte Melinda. Die magere Bohnenstange erwiderte mit einem wenig erotisch wirkenden Zwinkern: „Gib mir deine Nummer, Schwester!“ Marc, der ähnlich erschöpft wie Melinda war, murrte nachgiebig: „Also schön. Noch eine Sekunde von diesem Anblick und ich bekomme Ausschlag.“ „So schlecht sieht er doch gar nicht aus“, gluckste die junge Frau angetan. „Hochholen, bitte! Und hierbei lass ich offen, was ich meine“, grinste Nick über beide Backen. Also begannen sie, Nick an den Beinen hoch zu ziehen. Und nur denen …   ~-~-~   Anya und Matt, mit der geschundenen Tara in den Armen, sahen sich verblüfft um. Statt der unheimlichen Atmosphäre des Bestattungsunternehmens ausgesetzt, fanden sie sich nun in einem prunkvollen Speisesaal wieder. Vor ihnen erstreckte sich quer ein langer, gedeckter Esstisch, an dem nur eine einzige Person saß – ein rothaariger, junger Mann. Und es bedurfte gar nicht erst der Narbe an seiner Wange, dass Anya ihn sofort erkannte: „Der Collector!?“ Jener in einem schwarzen Designeranzug gekleidete Mann, der schon früher mit Anya in Kontakt getreten war, sah von seinem riesigen Steak auf und lächelte milde. Mit britischem Akzent in der Stimme erwiderte er: „Deine Freude, mich wiederzusehen, wärmt mir das Herz.“ Sofort trat die wütende Blondine einen Schritt vor und ballte eine Faust. „Was willst du hier?“ „Ich wohne hier, wenn du gestattest“, entgegnete er mokiert, „die richtige Frage lautet: warum habe ich euch hierher eingeladen?“ Matt, der besorgt das Mädchen in seiner Hand hielt, kannte die Antwort. „Tara …“   Sich den Mund an einer Serviette behutsam abtupfend, erhob der Dämon, der als einer der mächtigsten unter den seinen galt, und umkreiste langsam den Tisch. Dabei ließ er seine unfreiwilligen Gäste nicht aus den Augen. „Pass auf, dass du mir nicht den Teppich vollblutest!“ Womit er auf Matts Wunde in der Seite anspielte. Dann sinnierte er vor sich hin: „Ich muss zugeben, dass ich mir das anders vorgestellt habe. Um ehrlich zu sein hatte ich gehofft, dass Urila gesprächiger ist, was ihr Wissen um den 'wahren Feind' angeht.“ „Was hast ausgerechnet du mit dieser ganzen Geschichte zu tun, huh!?“, verlangte Anya wütend zu wissen und stellte sich ihm prompt in den Weg, als er auf Matt zusteuern wollte. „Drücken wir es so aus: wer A sagt, muss auch B sagen. Ich muss dir wohl nicht vor Augen halten, dass meine Rolle in deinem Kampf gegen Eden essentiell war“, sprach der Sammler mit einer unheimlichen Selbstverständlichkeit und hielt vor dem Mädchen an, „allerdings mussten auch Maßnahmen ergriffen werden, die neue Bedrohung zu bekämpfen, die mit der Zerstörung des Turms einher ging.“ „Du wusstest von Urila?“, schoss es aus dem verwirrten Matt. Plötzlich wurde er lauter. „Wieso hast du Tara dann nicht beschützt!? Wieso hast du nicht verhindert, dass sie-!“ „Weil es so gewollt war, dass Urila sich ein Gefäß sucht. Und Tara war die ideale Wahl, denn durch ihre Verbindung mit dir, durch ihre Verzweiflung, öffnete sie sich mit Leichtigkeit den Worten der Immateriellen“, erklärte der Sammler unterkühlt. „Du elender-!?“, schrie Anya, wurde aber noch von Matt übertönt. „Du hast das geplant!?“   Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Andrew … er hatte doch etwas in der Richtung gesagt, dass ein ihm unbekannter Mann ihm die Hinweise auf seinen Verbleib zugespielt und gleichzeitig vor einer Gefahr in Livington gewarnt hat. Nur dadurch war es Andrew und Tara erst möglich gewesen, nach ihm, Matt, zu suchen! Der Sammler … hatte sie bewusst hierher gebracht, damit sie Urila in ihrem Tun unterstützen! „Du Scheusal!“, keifte Matt voller Verachtung und sah nur Tara zuliebe davon ab, wie ein Berserker auf den rothaarigen Dämon loszugehen. Was selbstverständlich ein sinnloses Unterfangen war. „Ich habe deine Freundin nicht aus Unterhaltungszwecken als Köder benutzt“, erklärte der Sammler und streckte die Arme aus, geradezu selbstherrlich war die Geste, „aber es war wichtig, dass sie ihr Wissen preisgibt. Durch ihre Falle bist du mit ihrem Abkömmling in Kontakt gekommen, wodurch du einiges an Informationen sammeln konntest. Leider ist das alles viel weniger, als ich erhofft habe. Wie ihr vermutlich erfahren habt, war sie eine der Wenigen, die den 'wahren Feind' erlebt hat. Doch die Erinnerungen daran hat sie letztlich nicht preisgegeben.“ Anya runzelte die Stirn. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm einfach die gesunde Faust in die piekfeine Visage donnern oder doch lieber ihre Frage stellen sollte. Im Interesse ihrer angeschlagenen Gesundheit entschied sie sich spontan für Letzteres. Vorerst! „Soll das heißen, dass du gegen diese Typen kämpfen willst?“ Die Augen des Sammlers verengten sich plötzlich zu Schlitzen. „Das überlasse ich ganz deiner Fantasie. Völlig ungeachtet meiner Absichten ist zunächst das Sammeln von Informationen von äußerster Wichtigkeit, da werdet ihr mir sicher zustimmen.“ „Aber Tara dafür zu benutzen ist-“, bellte Matt und konnte nicht in Worte fassen, was ihm auf der Seele lag. „Abscheulich? Widerlich? Feige? Der Zweck heiligt die Mittel.“ Der Sammler schlug in die Hände und setzte ein wohlwollendes, wenn auch falsches Lächeln auf. „Wie dem auch sei, ihr werdet erfreut sein zu hören, dass ihr Fluch über Livington durch ihren Tod gelüftet wurde.“ Anya stampfte mit dem Fuß auf. „Na endlich! Allein Nicks Gestank nicht mehr ertragen zu müssen, macht diese ganze Kacke im Nachhinein wenigstens etwas erträglicher!“ „Gibt es viele Tote?“, wollte Matt grimmig wissen. „Ein paar, aber die Verluste halten sich in Grenzen. Glücklicherweise haben die Betroffenen ihr Gedächtnis an diese Nacht verloren“, erklärte der Sammler, „und bei allen anderen, sans eurer Freunde natürlich, habe ich auf Kosten des Hauses nachgeholfen. Die Schäden an der Stadt mit inbegriffen. Ich habe heute sozusagen meine Spendierhosen an.“   Ein gefährliches Schmunzeln huschte über seine Lippen. „Was ein hervorragender Übergang zu dem Grund ist, mit dem ich euch hierher gebracht habe. Folgt mir.“ Mit diesen geheimnisvollen Worten ging er an den beiden vorbei und winkte sie aus dem Speisesaal heraus. Zu dritt betraten sie den langen, seltsam kahlen Gang im viktorianischen Baustil, allen voran der Sammler, der seine Gäste scheinbar kreuz und quer durch das Anwesen führte. Dabei erklärte er: „Normalerweise wäre die Sache schon für mich abgeschlossen, aber ihr seht das sicher anders. Tara wird leider nicht mehr lange durchhalten, sodass es an der Zeit ist, ihre Wunden zu heilen.“ Matt, dem schon sämtliche Muskeln plus diverse Verletzungen schmerzten, weil er Tara an sich gedrückt trug, verzog wütend die Miene. Das Wort Wunden klang aus dem Munde des Mannes, der für ihren Zustand indirekt verantwortlich war, wie blanker Hohn. Sie war entstellt, kaum noch als Mensch zu identifizieren, dank des Zerfalls, den der Pakt mit Urila ausgelöst hatte. Zwar hatte er bereits vor dem Auftauchen des Sammlers darüber nachgedacht, Tara anschließend durch seine Hilfe wieder zu heilen, aber weil sich die Dinge von selbst in diese Richtung entwickelt hatten, waren da nur noch Zweifel. Der Sammler würde ihren Körper gewiss nicht ohne Haken wiederherstellen! Und da er alles im Voraus geplant zu haben schien, musste er etwas Großes als Preis für seine Leistungen im Kopf haben. Mit dem Wissen, dass er, Matt, dem machtlos gegenüber stand.   Schließlich hielten sie vor einer breiten Flügeltür inmitten eines Ganges, welche sich ganz von selbst öffnete. „Was auch immer als verloren gilt, findet hier seinen Weg zurück in diese Welt“, sprach der Sammler und führte sie in einem Raum, der entfernt einer Kapelle glich. Denn völlig entgegen dem übrigen Anwesens, waren die Wände hier aus kaltem, grauen Stein gefertigt. Wie der Rest der Villa nahezu leer, fanden sie sich lediglich einem flachen, länglichen Altar gegenüber, neben dem zwei Kerzenständer standen. „Hier hat auch Marc Butcher seine zweite Chance erhalten“, sagte der Brite zu Anya, die wütend schnaubte. Den Dämonenjäger wies er anschließend an: „Leg sie auf den Altar. Und dann entscheiden wir, was ihr tun müsst, um ihr Schicksal umzukehren.“ Matt tat nur widerwillig wie geheißen und trat vorsichtig an die aus weißem Marmor gefertigte Ablage heran. Vorsichtig legte er erst Taras blutigen Oberkörper auf den Altar, dann ihre Beine. Er wagte es nicht, ihr Gesicht anzusehen, es war einfach zu viel für ihn. Allein der Gedanke erregte eine Übelkeit in Matt, für die er sich schämte, auch wenn er innerlich wusste, dass nichts Verwerfliches daran war. Aber das da war Tara, seine Freundin, die er seit seiner Kindheit kannte! So etwas durfte er nicht fühlen, wenn er an sie dachte!   Wieder zum Sammler und Anya zurückkehrend, räusperte sich der Mitverantwortliche des ganzen Chaos. „Nun, ich möchte direkt zum Punkt kommen. Da meine Wenigkeit ihre Hand im Spiel hatte, kann und werde ich nicht den vollen Preis für ihre Regeneration einfordern.“ „Es sollte gar keinen Preis geben!“, forderte Matt aufgebracht. Auch Anya funkelte den rothaarigen Briten hasserfüllt an. „Wäre dies möglich, würde ich das zulassen. Doch da die Existenz etwas ist, das stetig in Bewegung sein muss, dessen Pfade sich nur ändern, wenn man auf sie einwirkt, muss ein Austausch stattfinden“, erklärte der Sammler, „und da ich nur bedingt in der Lage bin, jegliche Bedürfnisse allein durch meine Fähigkeiten zu stillen, erfordern meine Dienste einen Zoll der Bittsteller.“ Anya rümpfte die Nase. „Ich kapiere gar nix!“ „Er kann Wünsche nicht alleine erfüllen“, erklärte ihr Matt. „Nicht alle“, korrigierte der Sammler ihn, „aber je größer der Wunsch, desto mehr muss ich der Existenz als Ausgleich anbieten. Ich kann den Teil der Spanne bestimmen, den ich selbst tragen muss und in unserem Fall wird es das Maximum sein. Und ich werde keinen Anteil von dem behalten, was ihr opfern müsst.“   Die Augen von Livingtons Terrormaschine wurden zu kleinen, blauen Perlen, die deutlich machten, wie dankbar sie für diese ach so großzügige Geste war. Außerdem stört sie da ein gewisses Wort in seinem letzten Satz. 'Ihr'? Laut ihrem letzten Statusupdate war dieses Bauernopfer Tara immer noch Matts Freundin und nicht ihre! Wenn also jemand den Preis dafür zu zahlen hatte, dann ganz allein er! Gerade als sie genau dies kundtun wollte, kam Matt ihr zuvor: „Und wie hoch ist der Preis?“ „In Anbetracht dessen, dass sie noch lebt und nur über körperliche Wunden klagt, in gewisser Hinsicht wesentlich geringer als bei der Wiedererweckung eines Toten“, erklärte der Sammler salopp, trat vor und begutachtete den blutigen Klumpen, der einst ein hübsches Mädchen gewesen war. „Vergiss die mentalen Wunden nicht“, raunte Matt missgelaunt. „Natürlich. Allerdings“, begann der Sammler und drehte sich zu den beiden um, „ist ihre körperliche Hülle so zerstört, dass ein körperlicher Preis nicht mehr infrage kommt, da ihr diesen selbst zu dritt nicht tragen könntet.“ „Zu dritt?“, wunderte sich Anya, während Matt wiederholte: „Was kommt dann infrage?“ „Andrew Shanks hat bereits im Voraus seinen Preis gezahlt, da ich ihm erklärt habe, was Tara erwarten würde.“ Der Sammler zeigte keine Regung, als sich die Augen der anderen beiden in einer Mischung aus Verwirrtheit, Wut und Erschrockenheit weiteten. „Dieser Preis war seine Kooperation, ein sehr geringer Teil seiner Lebensspanne und einen partiellen Verlust seines Gedächtnisses, der unsere Vereinbarung und den Handel einschließt. Je nachdem, wären die Dinge besser für alle Beteiligten verlaufen, hätte er seine Lebenszeit zurückerhalten. Doch sie wird nun gebraucht.“ Die Offenbarung, dass Andrew viel tiefer in die Sache verstrickt war, als er geglaubt hätte, ließ Matt auf die Knie fallen. Wie konnte sein Freund nur? Willentlich zuzustimmen mit dem Wissen, was Tara erwarten würde!? Das zu erfahren raubte Matt seine letzte Kraft, selbst der Hass gegenüber dem Sammler wich der schieren Fassungslosigkeit und der damit einhergehenden Verzweiflung. Sein bester Freund aus Kindheitstagen war … ein Verräter!   „Oh Summers, du bist echt nicht mit Glück gesegnet“, konnte selbst Anya ihr Mitleid nicht verbergen und klopfte ihm unbeholfen auf die Schulter, „im Freunde aussuchen bist du echt 'ne Niete.“ „Halt den Mund, Anya …“, murmelte Matt und schloss verbittert die Augen, aus deren Winkel die Tränen standen. „Ich fürchte, der Preis, den ich von dir einfordern muss, Matt Summers, wird deine Verzweiflung und Trauer noch um ein Vielfaches steigern“, setzte der Sammler derweil seine Ausführungen ungerührt fort, „denn der erste von zwei Teilen deines Preises verlangt, dass du Tara Hartwell … für immer aufgibst. Und sie nie wiedersiehst, denn deine Existenz und ihre wird nach dem Prozess ihrer Regeneration auf eine Weise verbunden sein, die den Kontakt miteinander untersagt. Du würdest sie andernfalls mit deiner Anwesenheit töten.“ Sofort sprang Matt entsetzt auf die Beine: „Das kann nicht dein Ernst sein! Niemals!“ „Dein Preis, Anya Bauer, ist simpel. Du verlierst ebenfalls dein Gedächtnis, von dem Punkt an, an dem ich dich hierher eingeladen habe. Dies wird Taras Erinnerungen an Urila vollkommen von dieser Welt tilgen.“ Anya öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder, ehe sie sich doch durchrang und sagte: „Okay, wenn's nur das ist ...“ „Du … hilfst mir?“, stammelte Matt überrascht. Das Mädchen wandte sich schnaubend von ihm ab. „Nur, weil ich dich nicht so jämmerlich in Erinnerung haben möchte, Summers. Die ganze Scheiße hier zu vergessen ist mir nur recht.“ Damit entfernte sie sich ein Stück von den anderen beiden und lehnte sich neben die Tür an die Wand. „Dann viel Spaß beim Entscheiden, Summers. Ich beneide dich echt nicht.“   „Ich kann Tara nicht einfach … aus meinem Leben verbannen“, klagte Matt verzweifelt an den Sammler gewandt und packte ihn an den Schultern. Dieser riss sich angewidert los. „Genau dies hast du bereits einmal getan, als du wegen Mordes untergetaucht bist.“ „Aber das ist nicht dasselbe!“ Aufgebracht fuchtelte Matt mit den Armen. „Ich hab nie daran gedacht, für immer aus ihrem Leben zu treten!“ „Sorry, Summers, aber irgendwo hat er recht“, mischte sich Anya ein, obwohl sie das gar nicht wollte und die Sache sie auch eigentlich nichts mehr anging, „du musst doch gewusst haben, dass dein altes Leben in dem Moment vorbei ist, in dem du deinen Vater ins Jenseits geschickt hast. Jetzt tu nicht so, als wäre das so überraschend.“ Matt schwang wütend den Arm aus. „Du hast keine Ahnung, Anya! Schon gar nicht, weil für mich immer Hoffnung bestand, in mein altes Leben zurückzukehren! ICH habe meinen Vater nicht ermordet, sondern meine Schwester! Wenn SIE irgendwann ihre Tat gesteht, werde ich frei sein!“ „Das ist ja ein tolles 'Wenn'“, fauchte Anya ebenso hitzig zurück, „wie blöd bist du eigentlich!?“   „Ich unterbreche euren Streit nur ungern, aber ich bin noch nicht fertig. Es gibt noch einen Preis, den du zu zahlen hast, damit alles miteinander verbunden ist“, schritt der Sammler dazwischen und beugte sich mit seinem Satz an Matts linkes Ohr. Und das, was der Collector ihm zuflüsterte, ließ seine Kinnlade hinunter klappen. „Was … warum ausgerechnet …?“ Als der Sammler sich wieder zurück bewegte, sagte er: „Triff deine Wahl gut, denn dir bleibt nicht mehr viel Zeit für eine Entscheidung.“ Matts Blick huschte irritiert herüber zu Anya, die jenen fragend erwiderte. Allerdings wusste Matt, dass er der Blondine DAS auf keinen Fall anvertrauen konnte, ohne den Sammler gegen sich aufzubringen und unangenehme Fragen heraufzubeschwören. Er verstand es ja selbst nicht und ihm war klar, dass der Dämon seine seltsame Forderung nicht erklären würde, auch wenn man ihn darum bat.   Im Endeffekt war es auch unwichtig, denn um Tara zu retten würde er dem jederzeit nachkommen, sobald die Zeit gekommen war. Aber allein der Gedanke, sie nie wiedersehen zu dürfen, das war unerträglich. Das konnte doch nur ein Scherz sein! Aber es war keiner, das wusste er genau. Nein, diesen Preis konnte er nicht zahlen! „Wie stehen ihre Chancen zu überleben, wenn wir sie mit menschlichen Methoden behandeln?“, fragte Matt den Sammler in einem Anflug aus Verzweiflung. „Ich meine, ich könnte damit leben, wenn sie Narben zurückbehält.“ Der Sammler überlegte kurz. „Sie könnte überleben. Aber nicht ohne Folgeschäden und damit meine ich nicht nur ihr entstelltes Antlitz, sondern körperliche Behinderungen.“ „Aber sie könnte es schaffen? Mir würde es nichts ausmachen, wenn sie nicht mehr-!“ „Du Idiot!“, schrie Anya und stieß sich von der Wand ab. Matt, der sich umdrehte, sah nur noch die Faust auf sich zufliegen und wurde von ihr regelrecht von den Beinen gerissen. „Argh!“ Auf seinem Hinterteil landend, sah er zu Anya auf und hielt sich die Wange, während sie ihn zornig anfunkelte. Ihr kaputter Arm baumelte lebhaft hin und her. „Was du kannst und was dir nichts ausmacht sind eine Sache! Aber frag mal deine Tara, ob sie gerne als Wrack weiterleben möchte!“ „Denkst du, es wäre ihr lieber, wenn wir uns nie wieder sehen könnten!?“ „Pah!“ Anya stemmte die Hand in die Hüfte. „Überschätz' bloß nicht deinen Wert. Mag sein, dass sie dich gern hat, aber wenn es um das eigene Leben geht, sind die Menschen Egoisten. Schau mich doch an, was hab ich denn getan, als ich ewige Verdammnis vor Augen hatte!? Denkst du ernsthaft, deine kümmerliche Anwesenheit, die eines gesuchten Mörders, würde sie über ihre Lage hinwegtrösten?“ Matt ließ den Kopf hängen. „Tara ist nicht so wie du …“ „Na dann frag sie doch, was ihr lieber ist, Einstein! Aber jammere mir nicht die Ohren voll, wenn sie dich abblitzen lässt!“ Der Sammler, der dem schweigend zugesehen hatte, schritt nun ein. „Es ist nicht möglich, sie in ihrem jetzigen Zustand nach ihrer Meinung fragen. Zudem würde es den Ausgang beeinflussen, was sich wiederum negativ auf den Preis auswirken wird. Daher wirst du entscheiden müssen, was aus ihr wird, Matt Summers …“ „Ich … weiß es nicht … weiß nicht, was ich tun soll“, nuschelte Matt und schluckte. Tränen benetzten die kalten Fliesen unter ihm. „Tu das, was verdammt nochmal richtig ist!“, verlangte Anya. „Oder lass sie sterben, wenn du nicht bereit bist, eine Wahl zu treffen“, fügte der Collector hinzu. „Warum ich!?“, begehrte Matt auf, wobei ihm die Stimme versagte. „Ich bin doch … der Falsche … für so etwas!“ Der Sammler sah herüber zu Taras Körper auf dem Alter. „Ich verstehe … dann soll es so sein.“   ~-~-~   „Dann ist das also unser Abschied?“, fragte Tara bedrückt und stand vor dem Zug, der in wenigen Minuten abfahren würde. „Ich bin jetzt ein Dämonenjäger. Nicht länger Teil der Gesellschaft“, erklärte Matt verhalten und sah ihr dabei nicht in die blauen, bis zuletzt hoffenden Augen. „Ich lebe jetzt ein anderes Leben als du und das müssen wir beide akzeptieren.“ „Aber du könntest zurück … Sophie will die Tat gestehen“, sprach Tara und schnappte sich in einem letzten Versuch seine rechte Hand, „man würde alles gegen dich fallen lassen, du könntest zurück. Du musst nur mitkommen! Das war Sophies Bitte. Ich- ich wollte dir das all die Zeit seit unserer Reise sagen. Bitte Matt, überlege es dir.“ „Nein“, widersprach er und riss sich von ihr los. „Sag Sophie, dass ich das nicht will.“ In seinen Augen spiegelte sich Zorn wieder. „Tara, lass ihn“, bat Andrew, der schon in der Tür des Zuges stand, „für ihn gibt es kein Zurück mehr. Du wirst es verstehen, irgendwann.“ Tränen stiegen in den Augen des Mädchens hoch. Aber sie schluckte die Worte, die ihr auf der Lippe lagen, tapfer hinunter.   Was Matt den Anlass dazu gab, sich umzudrehen und fortzugehen. Dabei hob er noch den Arm zum Abschied in die Höhe. „Lebt wohl ihr beide. Und Andrew, pass gut auf sie auf, verstanden?“ „Werde ich“, rief ihm sein Freund hinterher. Tara schluchzte, als sie in den Zug stieg und sich neben Andrew stellte. Sie öffnete den Mund, wollte Matt endlich loslassen, konnte es aber nicht. Bis ein automatisierter Ausruf die Abfahrt ankündigte. Und als der Dämonenjäger am Absatz der Treppe stand, die zum Ausgang führte, sich die Türen des Zuges schlossen, war es still. Bis das Kreischen von Stahl auf Stahl ertönte. Matt sah nicht mehr, wie Tara verzweifelt ihre Hände gegen die Scheiben der Tür knallte und hörte auch nicht, wie sie verbittert seinen Namen schrie. Nein, Matt nahm Stufe um Stufe. Sein Abschied von Tara war schon lange vor diesem Moment gewesen. Auf halber Höhe blieb er stehen. „Ich hätte gedacht, ihr würdet mehr heulen“, konnte die an die Wand lehnende Anya sich ihren unqualifizierten Kommentar nicht verkneifen. Ihr eingegipster Arm hing in einer Schlaufe. Jedoch war sie nichtsdestotrotz ernst. „Ich hoffe du bereust es nicht, sie so abblitzen zu lassen. Muss schwer gewesen sein, diese Wahl zu treffen.“ Matt neigte den Kopf in ihre Richtung und funkelte sie böse an. „Sag du es mir.“ Eine verwirrte Anya zurücklassend, ging Matt weiter. Und hoffte, Livington noch an diesem Tag verlassen zu können.     [THE END] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)