Unter den Schwingen des Horusfalken von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 27: Folgen ------------------ Horus Quahedjet trug nicht nur die Doppelkrone sondern auch seine beiden Zepter, damit war jedem klar, dass er seines göttlichen Amtes waltete, und er konnte nicht irren. Er machte eine Handbewegung zu seinem tjati und Sobeknacht deutete aus langer Kenntnis den stummen Wink mit dem Hirtenstab. „Nebhotep, gib Akenptah frei und führe ihn in ein sicheres Zimmer.“ Er war unendlich erleichtert, dass nicht sein letzter, einziger, Sohn schuldig war, aber das hatte hier nichts verloren. Ein Beamter des Herrn der beiden Länder hatte stets sachlich zu bleiben. Während der Wedelträger gehorchte und den noch immer etwas erschreckten und verwirrten jungen Mann aufzog, musterte der tjati seinen Hausvorsteher. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder du bestätigst das, was hier Meruka, der Schreiber des Herrn der beiden Länder, berichtet – oder du kannst es entkräften. Nur, nach allem, was du soeben sagtest und in Menhekats Zimmer tatest, wird dir letzteres schwerfallen.“ Er sah zu dem Sonderermittler.. Hoffentlich verstand der, dass er schlicht selbst nicht mehr die Kraft hatte, diesen Bericht sachlich zu wiederholen.   Meruka konnte sich das vorstellen. „Thothhotep, nach dem Gespräch, das du zuvor mit Akenptah geführt hast, und allem, was wir sonst erfahren haben, hast du, als der Sohn des tjati von den Dämonen der Sachmet gepeinigt wurde, geglaubt, sein Herzenswunsch sei es, das Ka seiner Schwester zu retten. Schon da sind dir offenkundig zwei Fehler passiert – zum Einen hast du übersehen, dass Sobeknacht bereit alles unternommen hatte um eben das zu erreichen. Zum Zweiten – wer hört schon auf das Gerede eines von Dämonen Gejagten? Nun, gleich. Du hast beschlossen, dass Akenptah der ...“ Meruka warf einen Blick auf den Lebenden Gott, aber der sah ihn nur an, also durfte er weiter reden. „Der neue Horus werden solle. Dazu kam dir nichts anderes in den Sinn als Menhekat zu ermorden. Das Fest des Sokar mit dem Palast in der Wüste schien dir gelegen. Du bist der Hausvorsteher des tjati und kanntest diverse Personen in dessen Dörfern. Darunter auch einen Schlangenbändiger. Ich frage dich nicht, ob dem so war, wir wissen es.“ Er berichtete, was sie in Iunu ermittelt hatten, wie Sennefer von Sobeknacht mit an Bord genommen worden war. „Du hast geglaubt, er habe etwas von deinem Gespräch mitbekommen – und wolltest ihn unmöglich machen. Natürlich war es für dich als Hausvorsteher ein Leichtes Schmuck deines Herrn zu stehlen. Ebenso, dem ahnungslosen Hirtensohn den Schmuck als wertvolles Geschenk des tjati zu übergeben. Dummerweise war Sennefer zu schüchtern oder zu klug ihn zu tragen, so dass es Sobeknacht nicht bemerkte. Du wusstest, dass ein junger Domänenvorsteher nach Ibenu-Hedj kommen würde und in welche Taverne. Ich vermute, dass du auf dem Rückweg in Iunu Sandläufer mit einem „besonderen Auftrag“ des tjati geködert hast. Sie kannten dich als hohen Beamten, hatten dich keine zwei Wochen zuvor gesehen, und schöpften daher keinen Verdacht, als du sie aufgefordert hast, Sennnefer bei seinem Besuch in Ibenu-hedj umzubringen. Vermutlich hast du auch noch ein Amtssiegel benutzt, so dass sie reisen durften, da auch ihr Vorgesetzter an eine geheime Mission glaubte. Was du, lieber Thothhotep, allerdings nicht wissen konntest, war, dass Sennefer in der Tat ein sehr kluger Junge war. Irgendwann fiel ihm auf seiner Domäne ein, was er da mit dir gehört hatte, und er schrieb einen Brief an seinen besten Freund Menmire.“ Meruka sah, dass der Angeklagte fast den Kopf gehoben hätte. „Er ließ sich freilich nur in Andeutungen aus, über raschen und sicheren Aufstieg, dass er einen guten Weg gefunden habe – und Menmire alles berichten würde, wäre er erst in Ibenu-hedj. Diesen Brief würde er eben in der Taverne lassen. - Er kam nie dazu, denn deine Falle schnappte zu. Wir werden wohl nie erfahren, wo der arme Junge nun ruht. Die Sandläufer, die, ohne Zweifel auf deine Anweisung hin, der Wirtin Schlafmittel oder gar Gift für Sennefer mitgegeben hatten, schenkten ihr zum Abschied die Kette, die das Opfer trug. Die Ehrenkette des tjati. Menmire allerdings ging ebenfalls in die Taverne, wenngleich Wochen später. Mit dem Rest Gift und der Angst, dass diese angebliche Geheimmission auffliegen würde, betäubte ihn die Wirtin und erstach ihn. Ah, das hast du nicht gewusst. Noch ein Opfer, wenngleich indirekt, deiner Ambitionen für Akenptah. Menmire war allerdings der Vorsteher der Totengüter eines der Großen Zehn, Chummose, du kennst ihn doch, und dieser wandte sich direkt an den tjati. So kamen die Ermittlungen in Bewegung. Mit einer Reise nach Iunu und ins Delta kam langsam die gemeinsame Vorgeschichte der beiden Jungen an das Licht des Re. Zugleich wurde bei der Wirtin die Ehrenkette des tjati gefunden, und sie gab zu, woher sie sie hatte. Damit aber beschränkte sich die Auswahl der Verdächtigen auf die direkte Umgebung Sobeknachts, alle, die mit auf dem Schiff im Delta gewesen waren. Nur dort, nicht in Iunu und nicht mehr oder weniger unter Weinbauern auf seiner Domäne, konnte er etwas getan haben, das ihm solch ein Schmuckstück einbrachte. Es wurde nur ein einziges im Auftrag des Lebenden Horus, er lebe, sei heil und gesund, angefertigt. Der Kreis wurde immer enger. Allerdings betrachtete ich das nahende Fest des Sokar in der Wüste mit gewisser Sorge. Es liegt abseits, die höchsten Beamten sind mit dabei, diesmal auch Königssohn Menka, und, wie ich dann erfuhr, auch Königssohn Menhekat und der Sohn des tjati Akenpath, die beide von einer Reise zur Palastbaustelle in Abu zurückgekommen waren. Meine Sorge stieg in Anbetracht der Tatsache, dass Menhekat kurz zuvor zum „Ältesten Königssohn“ und damit zum Thronfolger ernannt worden war. - Du wirst es uns sicher erzählen können, wie du dafür gesorgt hast, dass der Schlangenbändiger nach Ibenu-hedj und dann zum Wüstenschloss kam. Kein Problem für den Hausvorsteher und Güterverwalter des tjati, nicht wahr? Hast du dem törichten Bauern erzählt, es handele sich um einen Scherz? Du wusstest, wo Menhekat wie jedes Jahr schlafen würde. Menka hättest du billigend in Kauf genommen, aber dass Akenptah aus neuer Freundschaft mit dem Ältesten Königssohn ebenfalls dort nächtigen sollte, war dir unbekannt. Entsprechend die überaus emotionale Szene mit dem Leiter der Sitzordnung. Es war schon fast lachhaft, wie besorgt du um einen erwachsenen jungen Mann, der einst dein Schützling gewesen war, warst, aber du konntest dich nicht mehr mit deinem Mann in Verbindung setzen ohne aufzufallen. Und natürlich machte es dich doch verdächtig, als die giftige Schlange dann in dem Zimmer war. Oh, ich muss dich übrigens enttäuschen. Königssohn Menka wird mit seiner Mutter noch heute in den ipet zurückkehren und seine Schulbildung wieder aufnehmen.“ Meruka sah wieder eine Bewegung bei dem Gefangenen, der es jedoch wohlweislich nicht wagte, das Gesicht vom Boden zu nehmen. „Der Schlangenbändiger war allerdings verschwunden. Ich hoffe, dass er in sein Dorf zurückgekehrt ist, aber dir traue ich auch zu, dass er sterben musste. Hast du ausnahmsweise selbst das Messer geschwungen, Thothhotep? Nein, nicht wahr? Du hattest dir ein schnell wirkendes Gift, sei es zum Schlaf oder zum Mord, besorgt, das du den Sandläufern gegeben hast, um Sennefer zu betäuben oder gleich umzubringen. Noch eine geringer Rest genügte Baketbes um Menmire zum Einschlafen zu bringen. Ich bin sicher, du hast auch noch einen guten Rest davon besessen. Und du hast dem Schlangenbändiger hilfreich Wasser gegeben, als er alles erledigt hatte. Das Werk von Minuten. Er liegt wohl irgendwo im Sand dort oben, nahe bei Sokars Tempel. Nun, der Herr der Fruchtbarkeit und Bewahrer der Toten wird auch ihn hüten. Eine Nachfrage bei allen Ärzten des Palastes wird bestimmt erbringen, wer dir das Gift gab, im Zweifel als starkes Schlafmittel, ohne zu ahnen, dass du damit morden würdest. Hat er dir irgendwann auch einmal von der Gefährlichkeit der Rizinussamen erzählt, die du großzügig in Menhekats Feuerpfanne warfst? Er wird gewiss auch zur Verantwortung dafür gezogen werden über ärztliche Dinge zu plaudern.“ Meruka blickte vorsichtig mit gesenktem Kopf seitwärts, ebenso wie alle im Raum bis auf den Angeklagten kniend. „Es sind mindestens zwei Männer, die sein törichter Plan das Leben kostete,“ meinte der tjati mit zitternder Stimme, so sehr er sich auch bemühte sie im Zaum zu halten. „Dazu Menmire und letztendlich auch das Wirtsehepaar. Dazu kommt der lebensgefährliche Angriff auf die Söhne des Herrn der beiden Länder und meinen eigenen. Selbst den heiligsten Eid, den Thothhotep schwören würde, nie wieder gegen die ma´at zu verstoßen, kann und werde ich ihm nicht abnehmen.“ „Nein,“ ergänzte Hekaptah. „Überdies – wir kannten ihn seit langen Jahren und ich glaube niemand von uns hat ihn je ungerecht behandelt. Er hat uns belogen, ja, den Horus auf dem Thron der Lebenden herausgefordert.“ Man sagte nicht, dass ein Gott belogen worden war. Im Zweifel hatte es dieser gewusst und alles war nur eine große Falle für den Schuldigen gewesen. Immerhin hatte Horus Quahedjet Meruka zum Sonderermittler ernannt, ihn, Hekaptah für solche Dinge bereits vor drei Jahren abbefohlen. „Nicht die Bergwerke,“ brachte Thothhotep hervor und wollte sich irgendwie trotz seiner Fesselung aufrichten, fühlt sich jedoch von dem Körpergewicht eines Mannes wieder zu Boden gedrückt. Ptahnacht hatte keine anderen Anweisungen erhalten als auf den Gefangenen aufzupassen. „So hast du selbst entschieden.“ Der Herr der beiden Länder sprach zum ersten Mal. „Bringt ihn an seinen Ort. Er wird wissen, was er zu tun hat. - Sobeknacht, sorge dafür, dass in ganz kemet sein Name vergessen wird.“   Später am Nachmittag, als Meruka, die drei Männer und beiden Frauen der Gruppe in dem kleinen Raum beisammen saßen, hatte er bis hierher berichtet. Er wusste, dass jeder, der nicht beim Abschluss dabei gewesen war, doch neugierig war. „Was bedeutet das – an seinen Ort?“ fragte Merit irritiert. „Irgendwie sollte ich das wohl wissen?“ „Ja.“ Nefer hätte fast geseufzt. Ja, das Mädchen aus dem ipet. „Das ist das Zimmer, in dem er bei seinem Herrn lebt, oder sein Haus. Manche Beamte haben ja sogar ein Haus, er auch, denke ich. Wenn man das nicht weiß, sagt man sein Ort – oder der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, wollte das gar nicht mehr wissen, weil er ihn bereits vergessen hat.“ Eine schreckliche Strafe vom Ka der Lebenden bereits vergessen zu sein, seiner Lebenskraft beraubt zu sein. „Er wurde in sein Haus gebracht und dort mit sich und seinen Dingen allein gelassen. Entweder er hat noch ein Messer oder das Gift, mit dem er die Anderen umbrachte,“ erklärte Rahotep etwas hilfsbereiter. „Lebt er morgen noch, wartet das Hinrichtungsgerät auf ihn. Aber er ist ein hochrangiger Beamter, da kann man ihm gnadenhalber auch das Recht zum Selbstmord lassen.“ „Sein Körper wird dann nicht begraben,“ fuhr Meruka fort: „Sondern verbrannt. Sein Name, sein Bild, werden aus allen Gräbern ausgelöscht, so dass er auch das ewige Leben verliert. Ein hoher Preis für das Fiebergeschwätz eines halben Kindes. Ich hoffe Akenptah lernt daraus.“ „Ohne Zweifel.“ Die Gruppe fuhr herum. Der Siegler des Herrn der beiden Länder, schloss jedoch die Tür und hob etwas die Hände. „Ich wollte euch nicht erschrecken, nur die Weiterungen berichten, ehe ihr sie morgen anders erfahrt.“ „Sehr freundlich, Hekaptah.“ Meruka hatte sich wieder gefangen und bot dem Königsbruder seinen Sitzplatz an. „Danke. - Nun, Akenptah kann nach Iunu. Von dort wird er dann weitergeschickt, zur Pyramidenbaustelle. Der Leiter der königlichen Arbeiten soll ihn anleiten und weiter ausbilden. Wir, also, ich und sein Vater, hoffen, dass er dort zur Ruhe kommt und lernt mehr sachlich zu denken. Er möchte ja an Großbaustellen arbeiten. Aber zu euch. Der Dank des Lebenden Horus, er lebe, sei heil und gesund, ist euch allen für diese diskret gelöste Aufgabe sicher. Im Augenblick werden die entsprechenden Urkunden im Büro des tjati ausgefertigt, aber ich sage euch schon einmal den Inhalt. Nefertari, Ptahnacht, ihr bekommt auf Befehl des Herrn der beiden Länder jeweils ein kleines Grab im Verbotenen Land zugewiesen, mit einer Versorgung, die der König gibt.“ Die Beiden sahen sich an. Das Verbotene Land war jeweils das Gebiet um eine königliche Pyramide. Sie, die beide schon außerhalb der ma´at gewesen waren, durften nicht nur wieder in ihr leben, sondern nach ihrem Tod im Umfeld des Herrn der beiden Länder weiterleben, versorgt durch ihn. Damit war ihr Leben in alle Ewigkeit gesichert. Hekaptah sah weiter. „Du, Rahotep, erhältst den Hofrang eines semer, dazu den höheren Rangtitel eines Königlichen Leibarztes.“ Das ging natürlich mit einer besseren Versorgung im Palast und nach dem Tode einher. „Du, lieber Meruka erhältst den Titel eines Vorstehers der königlichen Schreiber und den Hoftitel eines Königsbekannten.“ Das war ein sehr ranghoher Titel, wichtig an einem Hof, an dem allein die Nähe zum König zählte. Dazu, aber das wollte der Siegler nicht vor allen sagen, würden Meruka auch noch einige Ländereien zugewiesen werden, die zusätzlich zu seinem väterlichen Erbe dafür sorgen würden, dass er wirklich gut versorgt war. „Tja, und meine liebe Meresanch – hast du noch einmal nachgedacht?“ Sie wurde prompt rot. „Wegen Menhekat?“ „Ja. Du bist doch eigentlich ein kluges Mädchen. Warum also weigerst du dich ihn zu heiraten? Er erscheint mir weder im Aussehen noch im Charakter als so schrecklich. Überdies ist er der Falke im Nest.“ „Eben genau das letztere. - Ich habe ja gesehen, wie streng der Tagesablauf der maat-hor oder der Königinmutter ist. Überdies: ich bin keine Königstochter oder Königsschwester, ich kann einen solchen Titel auch gar nicht bekommen.“ „Aber du könntest den Titel einer maat-hor oder einer Königinmutter erreichen, das sind die zwei höchsten Titel. Und, wenn du nachdenkst: es gibt keine Königstochter, die Menhekat heiraten könnte. Das eine sind seine Tanten – und deutlich älter als er, das andere seine Schwestern von der gleichen Mutter. Das ziemt sich nicht. Du bist die Einzige, die die Riten kennt, die das Akazienhaus kennt, die an fast allen Ritualen bereits als Zuschauerin teilgenommen hat.“ Der Siegler lächelte plötzlich. „Oh, und rede dich nicht auf Menka heraus. Der Junge ist intelligent und wird einen guten tjati abgeben. Aber, verzeih mir einen gewissen Stolz auf meine Familie, ich hätte es doch lieber, wenn der Sohn einer maat-hor der Nachfolger wird.“ Merit seufzte. „Das weiß ich ja alles. - Aber, was geschieht, wenn Menhekat … ich meine, ich habe so viele Menschen sterben sehen, nicht zuletzt meine Eltern ...“ Sie wusste nicht, wie sie das sagen sollte. „Du meinst, wenn Menhekat vor seinem Vater stirbt? Ja, gewöhnlich schließt das seinen Sohn von der Thronfolge aus. Aber in Anbetracht aller Umstände – ich denke da an Akenptah, - glaube ich, dass dein Sohn die besten Aussichten hätte.“ Nefer griff ein. „Meine Liebe, du weißt schon, was dir da angeboten wird? - Ich würde an deiner Stelle nur eine Bedingung stellen. Der Name deines Sohnes.“ Normalerweise wurde der Name vom Vater ausgewählt nach den ersten Worten, die die Mutter bei oder nach der Geburt sagte. „Nenne ihn nach dem Schuldigen.“ Merit musste lächeln. „Hekaptah?“ „Nein, Senneferu.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)