Unter den Schwingen des Horusfalken von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 21: Weiterungen ----------------------- Meruka folgte Minnacht, dem Dorfvorsteher, vor das abseits des Palastes, aber noch im ummauerten Hof gelegene, Küchenhaus. Vor einem von unten befeuerten Lehmofen, der flach wie eine Platte war, knieten drei Frauen, die in tönernen Schüsseln vor sich Teig zubereiteten, den sie abwechselnd rasch auf die Platte warfen, drehten und das fertige Fladenbrot beiseite in einen Korb legten. Eine der Frauen sah unwillkürlich auf, wagte jedoch sichtlich nicht ihre Arbeit zu unterbrechen. So meinte der Dorfvorsteher beruhigend: „Der Sonderermittler des Horus möchte deine Aussage nur noch einmal hören.“ „Arbeite nur weiter,“ ergänzte Meruka, dem klar war, dass sie ihre Pflicht tun musste, wollte sie keinen Ärger bekommen. „Minnacht sagte, du hast einen fremden Mann gesehen? Warum fiel er dir auf?“ „Nun ja,“ murmelte die Frau in den Teig sehend, den sie knetete. „Ich weiß nicht, ob du weißt, Herr, wie es ist. Wenn der göttliche Horus und der Hof hier sind, arbeiten wir, die Männer und Frauen, fast rund um die Uhr. So stehen wir Frauen schon vor Sonnenaufgang auf, um für die Kinder und die Alten Brote zu backen und so weiter. Deswegen war ich schon, es war fast noch dunkel, am Brunnen. Und da sah ich ihn.“ „Wie sah er denn aus?“ „Ich hielt ihn für einen Diener des Palastes, Herr, keinen Beamten. Er trug keinen Schmuck, wie du oder die anderen.“ Sie wedelte den Teig scheinbar, aber es entstand ein Fladen, den sie ebenso geschickt wie die anderen Frauen auf die Platte warf. „Er war jedenfalls nicht aus unserem Dorf.“ „Sind die Diener denn so früh schon dort?“ „Nein, nie, deswegen wunderte ich mich ja. Aber er hatte einen Krug dabei. Und deswegen fiel er mir auch auf.“ Sie wurde rot, bemerkte aber aus den Augenwinkeln den auffordernden Blick sowohl des hohen Beamten als auch ihres Dorfvorstehers. Nun ja. Es war unangenehm, aber es würde wohl die Aufmerksamkeit auf den Fremden lenken und ab von ihrer kleinen Gemeinschaft. „Er hatte eben nur einen Krug dabei. Ich ...vergib mir, Herr … ich hielt ihn für schrecklich ungeschickt.“ „Ich verstehe.“ Meruka kannte die Dorfbrunnen und vermutete nicht, dass dieser viel anders aussah. Über dem mit Steinen umfassten Rund, schon, um den ewigen Sand abzuhalten, befand sich ein Gestell, an dem Lederbeutel mit Seilen befestigt waren. Über eine Rolle ließ man sie hinunter und holte sie wieder empor, um die Krüge zu füllen. Diese besaßen in der Regel zwei Henkel, durch die ein Seil geführt war. Dann legten die Träger die vollen Krüge rechts und links auf eine Stange, luden sie sich auf Nacken und Schultern und liefen los. Mit nur einem Krug hätte man doppelt so oft gehen müssen. „Er hielt den Krug anders?“ „Ja, Herr. Vor sich.“ „Anstrengend,“ kommentierte der Dorfvorsteher prompt, murmelte hastig dann: „Entschuldige, hoher Herr.“ Es war ziemlich töricht einem Mann vorzugreifen, der sein gesamtes Dorf ins Unglück stürzen konnte. Meruka ignorierte das allerdings, viel mehr an etwas anderem interessiert. „War dieser Krug verschlossen?“ Die Frauen samt Minnacht starrten ihn an, ehe die Zeugin schüchtern sagte: „Das weiß ich nicht, Herr. Es war ja noch recht dunkel. Und die anderen Frauen kamen.“ „Als du dich wieder des Mannes entsannst, war er weg?“ „Ich dachte erst wieder an ihn, als Minnacht so fragte, Herr.“ Natürlich. Sie hatte den Unbekannten für einen einfachen Diener des Palastes gehalten, sich über dessen Ungeschicklichkeit vielleicht amüsiert, das womöglich sogar den anderen Frauen erzählt – aber darüber würden sie lieber schweigen. Und es war nur zu glaubhaft, dass jeder an seine eigene Arbeit dann dachte und sie den Fremden wieder vergaß. Menschliches Erinnerungsvermögen, das hatte er in den letzten Jahren als Sonderermittler nur zu gut gelernt, war recht unzuverlässig. Allerdings, auch das gab er zu, war er nie zuvor vom lebenden Gott selbst beauftragt worden, und damit unter solch einem hohen Erfolgsdruck gestanden. „Eine Frage noch. Hast du gesehen, wie der Fremde seinen Krug füllte?“ Die Frau dachte sichtlich nach, während sie ihren Teig knetete. „Äh, nein, Herr. Er hielt ihn aber irgendwie falsch.“ Ungeschickt, eben – oder, weil sich darin eine Giftschlange befand? Was hatte der Unbekannte dann nur an dem Brunnen verloren? Hatte er … ah, das war möglich. Mochte die Nacht in der Wüste auch kühl sein, sicherer war ein Versteck im kalten Brunnenwasser. So war die Kobra unbeweglich – wachte jedoch während des Transportes im Sonnenaufgang in den Palast wohl doch auf. Aber es war für den erfahrenen Schlangenbändiger ungefährlicher. Umgedreht würde er auch von den Palastwachen durchgelassen, die einen Träger mit Krug im Morgengrauen für einen Diener hielten. Das war schlau durchdacht. „Gut, das war es einmal.“ Er wandte sich ab. Wer hatte Wache am Tor gehalten? Das würde ihm die Bestätigung liefern. Nur, wer konnte ihm über den Dienstplan Auskunft geben? Nebhotep, der zweite Mann der Wachen, den er kannte, war als Wedelträger des Königs sicher drüben im Tempel. Der eigentliche Anführer der Getreuen, Akensachmet, war im Palast zu Ibenu-hedj zurückgeblieben. Ptahnacht, der gewöhnlich derartiges für ihn herausbrachte, war mit den Ärzten und Menka bereits auf dem Weg nach Ibenu-hedj. Es half nichts, er musste da sich wohl selbst durchfragen. Immerhin konnte er sicher sein, dass ihm alle der „Getreuen“ Auskunft geben würden. Seine Mutter und seine Kollegen würden dafür sorgen, dass inzwischen in Ibenu-Hedj Menka in Sicherheit war. Der Junge sollte auch, wenn er sich erholt hatte, in Gegenwart seiner Mutter ruhig in seinem, Merukas, Haus bleiben. Merigeb und Sesheshet, das Dienerehepaar, das das zumeist leere Haus hütete, würden Mutters Anweisungen als die ihrer alten Herrin bedingungslos gehorchen. Also konnte und sollte er hier weiter ermitteln. Morgen früh ging es erst nach einer gewissen Pause – da die Riten im Tempel bis Sonnenaufgang abgehalten wurden – zurück in die Residenz. Abends würde er hoffentlich mit allen seinen Mitarbeitern sprechen können. Und hoffentlich fragte der Herr der beiden Länder nicht bereits nach Ergebnissen. Allzu viel Beweise konnte er ihm nicht anbieten. Gleichgültig, ob Meribast oder Thothhotep oder ein ihnen Gleichrangiger der Anstifter war – es handelte sich um einen alten Freund der Brüder des Königs und gar dessen selbst. Da musste der Beweis handfest sein.   In der feiernden Stadt Ibenu-hedj erregten die drei Damen in Sänften, zumal geleitet von königlichen Wachen, kein Aufsehen. Man nahm an, dass es sich eben um Mutter und Töchter aus einer vornehmen Familie handelte, die privat weiterfeiern würden. Nun ja, dachten die Menschen und gaben den Weg frei, die konnten es sich eben leisten. Für gewöhnliche Sterbliche waren die ausgelassenen Feste, die kostenlosen Darbietungen der Tänzerinnen und Akrobaten eben ihr Vergnügen. Reiche Leute luden sich Künstler auch nach Hause ein. So gelangten Baketbast, Ka-Merit und Merit zu Merukas Haus. Im Vorgarten verneigte sich das eilig heran gelaufene Dienstbotenehepaar, als die Sänften abgestellt wurden. „Herrin, welche Überraschung, das du persönlich kommst“ begrüßten sie Baketbast, die bis zu ihrer zweiten Heirat hier die Hausherrin gewesen war. Momentan gab es keine, sehr zum Bedauern der alten Leute, die gern die Familie ihrer Herrschaft weiter bestehen sehen würden. Aber sie wussten, dass Meruka vertrauliche Dinge für den Herrn der beiden Länder regelte und oft unterwegs war. Merit meinte eilig: „Verzeih, sollten wir nicht …?“ Ihre Handbewegung galt den Trägern und Wachen. „Oh.“ Baketbast wusste in diesem Augenblick, warum Meruka gemeint hatte, sie könne ihr vertrauen, und was gewiss auch die Königinmutter an ihr geschätzt hatte – Aufmerksamkeit und Ruhe. So meinte sie nur: „Ihr könnt gern gehen.“ Sie wartete, bis Merigeb die Tür hinter den königlichen Bediensteten geschlossen hatte, ehe sie sich wieder an Sescheschet wandte. „Ich brauche sämtliche Gästezimmer. Eines davon für hier, Ka-Merit, und ihren kranken Sohn. Ich vermute, er ist bereits eingetroffen?“ „Ja, samt einem Arzt und einem Wächter. Ich gab ihm daher das große Zimmer nach Osten.“ „Sehr gut. Dann eines für Merit, das ist die junge Dame hier. Und ich nehme mein altes. Es wird ja noch immer sauber sein.“ „Ja, natürlich,“ erwiderte Sescheschet fast beleidigt. „Ich besorge nur rasch Matten und Decken. Essen ist natürlich jetzt nicht fertig für so viele Leute, ich rechnete ja erst morgen mit … mit dem Herrn und er wollte im Palast speisen.“ „Ja, natürlich. Mache dir keine Sorgen. - Es sollte jedoch niemand erfahren, dass Mutter und Sohn hier zu Gast sind. Befehl des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund. Wenn du für uns alle einkaufen gehst, solltest du dir bei Nachfragen etwas ausdenken. Es wird noch eine Anweisung auf die Speicher des Horus für mich kommen, die ich dir geben werde.“ „Wie geht es meinem Sohn? Wo ist er?“ platzte es doch aus Ka-Merit heraus. „Ich denke gut,“ erwiderte die Dienerin. „Er redete mit dem Arzt, als er hereingetragen wurde. Darf ich sie begleiten, Herrin?“ „Wir gehen alle einmal mit.“ Baketbast hatte durchaus Verständnis für die Sorgen einer Mutter. Auch sie hatte zwei Mädchen verloren, in dem gefährlichen Alter zwischen drei und vier, wenn nach dem Abstillen die Gefahren der Welt nicht von Amuletten abgehalten werden konnten.   Ptahnacht richtete sich auf, als er die Damen nahen sah. Er lehnte vor der Tür des Gästezimmers. Sein flüchtiges Lächeln galt Merit, konnte aber auch den anderen Beiden gewidmet sein. „Ihr wollt zu Menka?“ fragte er nur. „Ja, wie geht es meinem Sohn?“ Ka-Merit wäre um ein Haar an der Hausherrin vorbei in das Zimmer gestürmt, aber da der Wächter bereits den Vorhang beiseite schob, nahm sie sich zusammen, zumal sie so erkennen konnte, dass Menka dort lag, einen Arzt neben sich, aber sofort zur Tür blickte. „Mama!“ Sie war unverzüglich neben ihm, ließ sich auf die Knie fallen. „Menka, oh, was ist nur passiert?“ „Eine Schlange hat mich gebissen,“ erklärte der Junge fast stolz. „Aber Rahotep und die anderen Ärzte sagen, ich sei kräftig und werde das bestimmt überleben. Menhekat hat die Schlange erschlagen, stell dir das vor. Er nahm einfach den Wasserkrug und schlug zu. Damit hat er mich wohl gerettet. Hier, da sieht man noch die Scherbenschnitte.“ Er wies seinen Arm vor, der allerdings mit Leinenbinden umwickelt war. So sah Ka-Merit zu dem Arzt. „Es wird alles gut?“ „Ja,“ bestätigte Rahotep. „Es war allerdings eine Kobra mit schwarzem Kopf und so benötigt Menka noch viel Ruhe und keinerlei Aufregung. Ich werde, so lautet mein Befehl, mich um ihn kümmern, bis er sicher ist.“ Um die sichtlich besorgte Mutter zu beruhigen fügte er hinzu: „Und es entspricht den Tatsachen, dass die schnelle Reaktion des Ältesten Königssohnes Menka gerettet hat. Die Kobra konnte ihr Gift wohl nicht ganz ausgeben. Überdies ist Menka ein kräftiger Junge. Wir werden hoffentlich keine Rückfälle erhalten, wenn er sich hier noch einige Tage entspannen kann. In die Schreiberschule und zu den anderen Lehrstunden gehen wird ihm eben erst später wieder möglich sein.“ „Ja, natürlich.“ Ka-Merit war nur zu froh, dass ihr Einziger diese Sache vermutlich überleben würde. Baketbast besann sich inzwischen auf ihre Pflichten. „Hast du schon etwas zu trinken und zu essen erhalten, Arzt des Horus?“ Der Angesprochene neigte den Kopf. „Ja, danke. Mein Name ist Rahotep. Sescheschet war so freundlich. Schlafen werde ich allerdings einstweilen hier bei meinem Patienten.“ „Ja, natürlich. - Menka, der Befehl der mächtigen Horus, er lebe sei heil und gesund, lautet, dass deine Mutter und ich und Merit uns um dich zusätzlich kümmern.“ Der Junge sah zu den ihm durchaus bekannten Frauen, dann zu seiner Mutter und seufzte. Gegen diesen Befehl gab es keinen Widerstand, aber das bedeutete wohl, dass er einstweilen nur Märchen erzählt bekommen würde, nicht jedoch mit seinen Freunden Schwimmen gehen oder Krieger spielen durfte. Kurz, es würde langweilig werden. Aber, was half es. „Ja, natürlich,“ erwiderte er nur wohlerzogen. Baketbast lächelte. Sie hatte schließlich selbst einen Jungen. „Ich werde zusehen, dass wir alle bald etwas zu essen bekommen. Dann speisen wir hier bei dir und du erzählst uns von der Schlange und deinem Abenteuer. Danach, nun, wie wäre es mit Märchen? Ich meine mich zu erinnern, Merit, dass du einige kennst.“ „Ja, danke,“ antwortete Merit höfisch ausgebildet und suchte den Blick ihres Kollegen, ehe sie zu dem kleinen Patienten fortfuhr: „Morgen darfst du bestimmt auch schon baden oder duschen. Und wir könnten Senet oder das Schlangenspiel spielen. Nur Herumlaufen ist wohl nicht erlaubt.“ Ka-Merit blickte ebenfalls zu dem Arzt des Königs, ehe sie doch etwas tadelnder als gewöhnlich zu ihrem Sohn sagte: „Und du wirst brav sein, Menka. Dies ist kein Spiel, sonst hätte der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, dies sicher nicht so angeordnet. Du wirst dem Arzt gehorchen.“ „Ja.“ Der Junge erkannte langsam, dass es wohl nicht so schlimm werden würde – essen, trinken, Märchen und Spiele, dafür keine Schriftübungen, kein Lernen, keine Strafen. Auch Königssöhne konnten den Stock ihres Lehrers zu spüren bekommen. „Sicher. Ich werde brav sein.“ Überdies schmerzte der Arm noch immer und er fühlte sich zugegeben matt. Verwöhnt werden wäre nur gut.   Nefer hielt sich an ihre Anweisung falls irgend möglich nahe an Akenptah zu bleiben. Als sie hörte, dass der junge Herr samt Vermögensverwalter zurückkämen, eilte sie tunlichst unauffällig in den Hof. Während sie scheinbar eifrig ihren Besen schwang, um den Sand aus der Vorhalle zu bekommen, hatte sie ein wachsames Auge für das geöffnete Tor, wo Träger und Diener Akenptah und Thothhotep nach Hause brachten. Gut. Der Sohn des tjati wirkte gesund und munter, der Haushofmeister etwas abgespannt. Aber sie wusste von Meruka, dass das Fest des Sokar zwar eine übergroße Ehre, nichtsdestotrotz aber sehr anstrengend war. Die Sänften wurden abgesetzt und die Zwei erhoben sich etwas mühsam, nach dem Stunden im Sitzen in der engen Holzkiste vergangen waren, die Beine angezogen, nur ein Kissen als Bequemlichkeit. Nefer musste ein Lächeln unterdrücken, als sie Sat-Sachmet, die Haushälterin, bemerkte, die förmlich heran schoss, sich dann, der Höflichkeit zuliebe kurz vor dem Erben des Hauses verneigte: „Schön, dass du wieder da bist, junger Herr,“ ehe sie sich an ihren Ex-Mann und Vermögensverwalter wandte: „Thothhotep! Falls das ein Scherz gewesen ein sollte …!“ Sie machte wieder einmal ihrer Namenspatronin, der Löwengöttin Sachmet, alle Ehre. Thothhotep sah sie etwas verblüfft an, während Akenptah fast freundlich meinte: „Liebe Sat-Sachmet, was immer hier passiert ist – es hat Zeit. Wir sind müde, es ist Aufregendes passiert in den vergangenen Tagen. - Stell dir vor, es war eine Schlange n unserem Schlafzimmer! Zum Glück biss sie nicht mich, aber den kleinen Menka, du weißt schon, den Königssohn.“ Sat-Sachmet fuhr herum. „Du bist wohlauf? Ist der nicht noch ein Kind? Eine giftige Schlange? Wo waren denn die Wachen? Das ist ja eine Schlamperei des Personals!“ „Der mächtige Horus war auch nicht sonderlich angetan.“ Der Sohn des Hauses richtete sich etwas auf. „Nun, gleich. Gib Anweisung, dass ich baden will, etwas zu trinken, und dann nur noch schlafen.“ Er wandte sich ab. „Thothhotep, du solltest auch schlafen. Wir reden später.“ Er ging in das Haus. „Ja, natürlich, junger Herr.“ Sat-Sachmet wich zurück, um die notwendigen Befehle zu erteilen, ehe sie, durchaus beruhigt aber nicht zufrieden gestellt, sich wieder an ihren Vorgesetzten und ehemaligen Ehemann wandte, der eigentlich nur Akenptah in das Haus folgen wollte. „Du warst wohl auch sehr aufgeregt? Was sagte denn der Horus, er lebe, sei heil und gesund?“ „Er befahl einen Sonderermittler. Und zwar niemandem aus den Büros des tjati, wo doch gewöhnlich Ermittlungen angestellt werden, sondern, wenn ich mich recht entsinne, aus seinem eigenen, privaten Schreiberbüro. Das mag Unheil bedeuten.“ Er rieb sich über das Gesicht. „Du meinst, er vertraut Sobeknacht, unserem Herrn nicht mehr? Das kann ich mir nicht vorstellen. Eher, dass er ihn schonen will. Du kennst doch die hohen Herrn besser als ich. Es muss ein Schuldiger gefunden werden, wenn nicht der Beamte, der schlecht ermittelt. Und in einem Palast gibt es viele Menschen.“ „Ah.“ Thothhotep sah sie aufmerksam an. „Das wäre natürlich eine Idee, auf die ich noch nicht gekommen bin. Der Beamte hat ihn verärgert – und bekommt einen unmöglichen Auftrag, ja. Gut. - Sat-Sachmet, sage mir noch kurz, was geschehen ist, ich bin ebenfalls sehr müde, habe praktisch nicht geschlafen in den Tagen.“   Nefer bekam den Eindruck, dass Sat-Sachmet angesichts der Neuigkeiten vom Königshof ihre eigenen Probleme merklich als uninteressanter einstufte, vor allem ihre Wut zurückfuhr, aber die Ermittlerin beobachtete möglichst unauffällig die Zwei weiter, wich jedoch zurück, um vorgeblich weiter hinten zu fegen – allerdings so, dass der Besen kaum den Boden berührte und so leise blieb, dass sie zuhören konnte.   „Hast du Rizinussamen bestellt? Mit Lieferung am Abend vor dem Zwiebelfest?“ „Rizinussamen, hier?“ Thothhotep atmete durch. „Hast du sie etwa schon mahlen lassen?“ „Man presst sie. - Nein, natürlich nicht. Es war ja das Fest. Ich wollte es heute tun lassen – und dir sagen, dass so etwas gefälligst Sache auf den Domänen ist und nicht hier im Haus.“ „Ja, natürlich, natürlich. - Von welcher Domäne kam das denn?“ „Weiß ich nicht.“ „Da hängen doch gewöhnlich Liefertäfelchen dran?“ „Ich kann nicht lesen, Thothhotep!“ Der Vermögensverwalter musste offenkundig ein Seufzen unterdrücken. „Aber du bist sicher, dass es Samen sind. Und hast einen Sack geöffnet.“ „Ja.“ „Gut. Zeige mir das. Wenn ich ein wenig geschlafen habe, werde ich das Ganze an die entsprechende Domäne zurückschicken. Da hat vermutlich jemand einen Fehler begangen und statt Rizinusöl Rizinussamen gelesen. Öl benötigen wir ja wohl.“ „Wir hätten es auch schon vor dem Zwiebelfest benötigt. Der Herr wünscht doch immer, dass zusätzliche Ölrationen an die Leute ausgegeben werden, damit sie sich schmücken können. Das hat gerade so gereicht. In wenigen Tagen haben wir nicht einmal mehr genug Rizinusöl für die Lampen.“ „Ja, ich sagte ja, ich kümmere mich darum. Nach ein wenig Ruhe. Der arme Herr bekommt ja nicht einmal das. Er musste die gesamte Nacht, ich meine, er durfte die gesamte Nacht mit dem mächtigen Horus die Pfeiler aufstellen – jetzt sind beide wieder im Palast.“ „Ja, schon gut. Ich bin im Haus unterwegs. Sage mir dann, für wann du die Öllieferung bestellst. Wegen mir so rasch wie möglich.“ Sat-Sachmet drehte sich um, aber Nefer war bereits um die Ecke. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)