Unter den Schwingen des Horusfalken von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 18: Ra-Sentauj ---------------------- Meruka hatte das Gespräch zwischen dem Leiter der Tischordnung und Thothhotep nicht mithören können, aber er hatte seine beiden Mitarbeiter näher dran gesehen und wusste, er würde die Informationen bekommen. Immerhin war Thothhotep selten direkt bei Hofe und es war unüblich sich mit dem Protokollchef in die Haare zu bekommen. Vielleicht wurde er selbst nervös, aber alles, was ungewöhnlich war, sollte er überprüfen. Da war dieses seltsame Gefühl im Magen, und er hatte gelernt Dingen nachzugehen, die ihm seltsam vorkamen. Fünf Jahre in der Wüste als Leiter einer Einheit und gelegentlichen Kriegszügen, das Leben seit seinem sechsten Jahr bei Hofe – er wusste, wo eine Falle lag. Er konnte Merit durchaus nachvollziehen. Als sich Meruka umwandte, war er ein wenig erstaunt den Ehemann seiner Stiefschwester zu sehen. Padiselket war eigentlich der Vorsteher des Gazellengaus, aber dennoch oft in der Residenz, während sich die Tochter Hekaptahs mit ihren mittlerweile drei Kindern in Hebenu, der Hauptstadt des Gaus aufhielt. „Ich grüße dich,“ sagte er höflich. „Ich habe dich ja noch nie bei der Prozession gesehen.“ Padiselket, ein Mann Ende der Zwanzig, zuckte die Schultern. „Nun, du weißt, dass ich der Leiter des Gazellengaus bin. Man reist hin und her, je nachdem. Da ich allerdings Sennefer in die Schule brachte, erwies mir Hekaptah, unser Vater, die Ehre, mich hier einzuladen.“ Vater oder Schwiegervater – das war in der Sprache vollkommen gleich. Sennefer? Für einen Augenblick durchzuckte den Ermittler Hitze, ehe er sich entsann, dass auch der älteste Sohn seines Gegenübers, und damit der älteste Enkel des Sieglers, so hieß. Namen wurden eben auch öfter vergeben – Meresanch hießen sowohl die Tochter Hekaptahs als auch seine neue Mitarbeiterin. „In die Palastschule, nicht wahr? So hatte er wohl bislang Privatlehrer?“ „Ja. Er ist ja schon acht. Aber Meresanch mochte sich nicht von ihm trennen. Du weißt sicher, wie Frauen sind.“ Erneut zuckte er die Schultern. „Er ist bestimmt klug und wird als Schreiber erfolgreich sein.“ „Ich hoffe doch auf mehr. Der Sohn ist der Stab des Alters des Vaters.“ Ach ja? Meruka blickte sich unwillkürlich um. „Aber er ist heute nicht dabei?“ „Nein, er erhielt keine Einladung. Ich wunderte mich allerdings schon, dass Menka heute dabei ist. Er ist doch fast in dem Alter.“ „Menka ist ein Königssohn.“ „Ja, natürlich.“ Padiselket hob etwas die Hand. „Ich würde nie eine Entscheidung unseres guten Gottes auch nur anzweifeln.“ Genau dieses hatte er soeben getan. Meruka musterte ihn. „Nun, er ist wohl ein Jahr älter als dein Sohn. Ich erinnere mich nicht mehr wann ich das erste Mal an dieser Prozession teilnehmen durfte. Wie geht es denn Meresanch? Ich sah sie zuletzt bei dem Fest des Ptah vor etwas über einem Jahr und da erwartete sie euer drittes Kind. Ein Mädchen, nicht wahr?“ „Ja. Drei gesunde Kinder in acht Jahren, ich danke den Göttern. Und Meresanch hat alles auch stets gut überstanden. Sie meint, das Amulett, dass ihr ihr Vater aus Obsidian von Bes, dem Schutzgott der Schwangeren, fertigen ließ, hätte ihr sehr geholfen.“ „Der Gott mag klein und hässlich scheinen, aber er hilft,“ erwiderte Meruka höflich. „Drei Kinder, gesund und munter, sind ein Segen. Sennefer und …?“ Er sollte die Namen kennen, dachte er zerknirscht. Seine Mutter wusste sie sicher, hatte auch zu den Geburten stets Amulette und Geschenke gesandt. „Zwei Mädchen. Meritneith und Meritbast. Du wirst sie bald kennenlernen. Meresanch möchte mit den Mädchen Sennefer in einem halben Jahr besuchen und dabei sicher ihren Vater ebenso.“ „Das freut mich. Nicht gegen Hebenu, natürlich, aber der Hof ist doch etwas anderes.“ Padiselket richtete sich auf. „Ich bin mir bewusst, dass sich Meresanch unter ihrem Stand verheiratete.“ Oh, da lag ein Fettnäpfchen. Familie war manchmal schwieriger als Ermittlungen. Meruka sagte eilig: „Ich bin mir jedenfalls sicher, sie wusste, was sie tat. Und ich bin ebenso sicher, du sorgst gut für sie und ihre Kinder. - Ich selbst fand ja noch niemanden.“ Der Vorsteher des Gazellengaus entspannte sich. „Natürlich.“ Meruka war wohl einfach auf jeden neidisch, der wen gefunden hatte. Er sollte das nicht persönlich nehmen, eher sich fragen, wo der Haken bei dem erfolgreichen, ranghohen, durchaus gut aussehenden Beamten lag, wenn keine Frau den wollte. „Ja, wie bedauerlich. Kinder sind ein Segen der Götter.“   Ptahnacht wich dezent zurück. So interessant diese Diskussion zwischen Thothhotep und dem Protokollchef auch sein mochte, er hatte einen klaren Auftrag, um den er sich bei dem Leiter der „Getreuen“ fast beworben hatte. Meruka, sein eigentlicher Vorgesetzter, wollte, dass er ein Auge auf die Königssöhne behielt und so hatte er sich für Abend und den ersten Teil der Nacht als Wache vor der hölzernen Tür einteilen lassen, die aus dem Saal nach links zu deren Zimmer führte. Jetzt stand sie offen, da Menhekat, Menka und Akenptah noch mit hinüber zu den Feierlichkeiten im Tempel gehen würden. Ein Blick zur Kontrolle schadete sicher nichts. Hinter der Tür befand sich ein kleiner Vorraum, dahinter ein noch kleinerer Raum, in dem ein Tontopf mit Sand stand und ein leerer Topf unter einem Hocker mit Öffnung. Die Königssöhne hatten also ihre eigene Toilette. Oben in der Wand war die schmale Fensteröffnung. So wandte sich der Wächter um und betrat den Schlafraum. Drei einfache Lager waren hier bereits aufgeschlagen worden, vom Fenster bis zur gegenüberliegenden Seite. Dazwischen standen jeweils Tonkrüge, sicher mit Wasser. Auch hier war die Öffnung lang und schmal, um Frischluft und etwas Licht einzulassen, jedoch die Hitze des Sommers nicht. Er ging wieder hinaus, gerade noch zurecht, um sich unauffällig an die Wand stellen zu können, denn der Thronfolger, sein Halbbruder und Cousin kamen. Menhekat schien erheitert und Ptahnacht bemühte sich, die Holztür einen Spalt offen zu halten, um mithören zu können. Meruka wollte sicher seinen Bericht. Der neu ernannte Älteste Königssohn meinte: „Ich hätte lachen mögen, wie du das sagtest. Nein, Thothhotep, ich werde nicht ersticken, nein, ich werde nicht erfrieren, nein, ich werde nicht am Fenster liegen, sondern hinten an der Wand, und das vor dem halben Hofstaat. … Macht er das immer? Du bist doch kein Kind mehr.“ „Er macht sich immer viele Sorgen um mich.“ Akenptah klang resigniert. „Er meint es nett, aber so vor aller Ohren, ist es einfach nur peinlich. Anscheinend hat Vater vergessen ihm zu sagen, dass ich bei dir schlafe, und er dachte sich schon wieder, wissen die Götter was.“ „Letztes Jahr hast du bei ihm geschlafen, nicht wahr? Aber da war auch Menka nicht dabei und ich schlief bei ... oh, natürlich, mit dir und deinem Vater und Hekaptah, aber oben. Dass ich und Menka hier sind, wurde ja erst vor einigen Monaten entschieden. Das hatte der gute Thothhotep dann wohl nicht mitbekommen. Aber schön, ich bat meinen Vater, unseren guten Gott, darum, dass du bei uns bleiben kannst. Es wäre doch Unsinn, wir haben wochenlang, ja, monatelang, ein Zimmer geteilt, in Iunu bei den Baumeistern wie auch in Abu.“ „Er klang wie meine Mutter,“ meinte der kleine Menka, der auch etwas dazu beitragen wollte. „Und da mag ich es schon nicht. Du bist doch erwachsen und er ein Mann!“ „Ja.“ Akenptah seufzte. „Aber ich war letztes Jahr lange krank und seither ist es wirklich schlimm mit ihm. Jetzt beeilen wir uns lieber. Zu einer Prozession zu spät zu kommen gibt Ärger.“ Der Wächter schloss behutsam die Tür, sicher, dass die Drei sich rasch frisch machen wollten.   Als die Teilnehmer am Gottesdienst des Sokar mit Horus Quahedjet aufgebrochen waren, kam Rahotep zu Ptahnacht, der neben der Tür an der Wand lehnte, und sah sich kurz um, um sicher zugehen, dass niemand zuhören konnte. „Meruka,“ begann er leise: „Möchte die Einteilung der Wachen wissen.“ „Ja. Zuerst nur noch ein kleines Gespräch, Bruder, für unseren Vorgesetzten.“ Ptahnacht berichtete von dem belauschten. „Akenptah hat es wohl nicht einfach mit seinem ehemaligen Erzieher.“ Der Arzt verzog den Mund. „Das war auch ... der halbe Hof hörte zu, denn natürlich erregte ein Streit Aufmerksamkeit. Falls irgendwer nicht wusste, dass Akenptah bei den Königssöhnen schläft, jetzt wissen es alle. Die Posten?“ „Mitten in der Nacht werden wir abgelöst. Hier stehe ich, zwei Männer vor den Räumen des Horus, er lebe, sei heil und gesund, zwei draußen vor der Tür, die hier in die Halle führt. Sie haben damit auch die Treppe in den ersten Stock im Blick. Vor dem eigentlichen Palast stehen zwei und zwei vor dem großen Portal der Mauer, die den Palast umschließt. Die Anderen werden sich seitlich des Palastes legen und schlafen, bis sie uns ablösen.“ „Im Hof.“ „Ja, Richtung der Küche und Vorratsgebäude. Die Diener, die mit von Ibenu-hedj gekommen sind, werden hier in der Halle schlafen, die aus dem Dorf gehen nach Hause, gerade auch die Frauen, die jetzt hinten wohl das Abendessen zubereiten.“ „Der Raum der Jungen hat ein Fenster?“ „Ja, auch die Toilette. Übrigens, die Räume des Horus nicht. Sie werden nur durch Öllampen erhellt.“ „Kühle und Sicherheit. Als ob jemand es wagen würde ...“ „Ich denke, es soll eher ein Schutz gegen Dämonen sein. Nicht, dass der Lebende Gott kemets so etwas benötigt, aber im Schlaf ist man doch wehrloser.“ „Das ist wahr. Und die Dämonen der Sachmet schlagen meist nachts zu, das weiß jeder Arzt. Ich werde Meruka nach dem Abendessen davon berichten, wenn er von den Feierlichkeiten drüben zurück kehrt und es unauffällig möglich ist. Er wird oben schlafen, ebenso wie ich, aber in einem anderen Raum.“   Das Abendessen wurde, wie es üblich war, streng nach der Rangordnung in der großen Halle serviert. Die Männer saßen auf Kissen, kleine Tischchen vor sich, auf denen die Diener ihnen die jeweiligen Speisen servierten. Natürlich war die Speisefolge am Königshof die mit der größten Auswahl des gesamten Landes, aber jeder der hier Anwesenden vertrat eine hohe Position und kannte es kaum anders. Es gab Brot, gekochten Fisch, Wachteln und gebratene Rinderschenkel, gekochte Innereien, gekochte Feigen, mit Honig gesüßte, kleine Kuchen und eine Reihe von Käsearten. Dazu Wein und Bier von den königlichen Domänen, die den Hof versorgten.   Während sich der mächtige Horus danach mit seinem Geleit zurückzog, um seine abendlichen Riten zu begehen, damit morgen die Sonne aufging und alles im Lande sich wohl befand, zogen die Höflinge zu Gesprächen im Palast und dem Hof umher. Auch sie würden bald ins Bett gehen müssen, denn schon mit Sonnenaufgang würde die eigentliche Prozession hinab in das Fruchtland und um die Mauern von Ibenu-hedj beginnen. Rahotep nutzte die Gelegenheit um Meruka Bericht zu erstatten. Der nickte nur. Alles schien gesichert. Warum nur hatte er ein ungutes Gefühl? „Du siehst nur deine Verantwortung,“ erklärte der Arzt, als habe er die Gedanken gelesen. „Aber, was soll hier schon passieren? Da ist eine Mauer, sind Wachen, es sind so viele Menschen da.“ „Ich weiß. Aber ich weiß auch, dass ich beruhigter sein werde, wenn wir wieder in den weißen Mauern sind und im eigentlichen Palast. Ich habe das Gefühl, dass wir alle irgendetwas übersehen haben.“ „Sennefer?“ „Der ist in der Palastschule und da sicher. Oh, du meinst unseren. Ja. Was hat der bloß mitbekommen.“ „Gibt es noch einen Sennefer?“ „Ja, den Enkel des Sieglers, sozusagen eine Art Neffe von mir.“ „Und der Erbe, wenn beiden Königssöhnen und Akenptah etwas zustößt?“ „Ja. Sein Vater ist hier. - Ich werde Padiselket im Auge behalten.“ Meruka wandte sich ab.   In der Residenzstadt freuten sich alle auf den morgigen großen Umzug. Sokar würde, da Ibenu-hedj stellvertretend für das gesamte Land stand, die Fruchtbarkeit der Böden sichern. Im folgenden Monat würde der mächtige Horus auch noch mit dem Apisstier um die Mauern ziehen, die Herden damit segnen. Alles würde gut werden, daran zweifelte niemand. Im Haus des tjati hatten alle ebenfalls schon sich frisch gewaschene Kleidung zurecht gelegt, die Zwiebelkränze, die die Dämonen abhalten sollten, vorbereitet. Nefer, die sich ihrem Auftrag gemäß möglichst nahe bei der Haushälterin hielt, bemerkte überrascht, dass noch eine Lieferung hereinkam. Sat-Sachmet zeichnete die Säcke ab, nur mit einem Symbol, da sie nicht schreiben konnte und Thothhotep nicht da war, und seufzte. „Was ist?“ fragte Nefer. „Das sieht nach Essen für das Fest aus.“ „Leider nein. Das wäre Arbeit.“ Sat-Sachmet trat um ein Haar gegen einen der Säcke. „Samen von degem! Welcher Narr schickt so etwas vor einem solchen Fest!“ „Degem? Samen?“ Nefer wusste, dass sie eine Rolle zu spielen hatte. „Wir müssen sie auspressen für Öl?“ Rizinusöl wurde in Mengen benötigt, da man damit nicht nur Öllampen anzünden konnte, sondern es auch das billigste und geruchloseste Öl für die Hautpflege war. Dienstboten und Arbeitern stand es als Bezahlung ebenso zu wie Brot und Bier. Eine neue Lieferung war daher kaum verwunderlich, aber natürlich vor einem derartigen Fest lästig. Rizinuspflanzen wuchsen im gesamten Land an den Flussufern, wurden auch auf Domänen gehalten, als schnell wachsende Schattenspender und sichere Ernte. „Ja.“ Sat-Sachmet seufzte. „Nein. Das kann warten bis nach dem Fest. Es könnte Sokar verärgern, wenn wir ihn nicht gebührend feiern. Und die Samen sind reif. In zwei Tagen werden wir eben länger arbeiten, das hat dann Vorrang. Ich werde das allen Frauen sagen. Morgen der Umzug, die Feier, dann die Arbeit. Heute ist es auch schon zu spät. Zwei Säcke! Da wollte mich wohl jemand ärgern.“   Lautlos brachten Diener Öllampen in die Räume der Schlafenden, ein Kammerherr in das Schlafzimmer des Herrn der beiden Länder. Die Sonne sollte bald aufgehen, der erste Schein des Tages zeigte sich bereits am Horizont. Nun musste es rasch gehen, denn bereits in wenigen Stunden wollte Sokar seine Reise antreten. Schon aufgrund der mehrstündigen Wege, die vor ihnen lagen, wollten alle, ob der lebende Horus selbst oder seine Höflinge noch sich in die Bäder begeben und in der großen Halle „Mundwaschung“ gehen, frühstücken. Die Stille des Palastes wurde jäh von Schreien durchbrochen – nach Wachen und Ärzten. Die Getreuen beeilten sich zu der Ursache der Rufe zu gelangen, handelte es sich doch um einen Seitenraum der Halle – dem Raum der Königssöhne. Nebhotep, der Wedelträger des Königs, und zweiter ranghöchster Offizier der Wachen wandte den Kopf und sagte zwei Namen: „Bringt sofort alle Ärzte her!“, ehe er sein Messer zog und der schwarzen Schlange, die zwischen dem regungslosen Menka und dessen älteren Halbbruder lag, den bereits zerschmetterten Kopf abzuschneiden. Menhekat stand an der hinteren Wand, noch immer die Reste des Wasserkruges in der Hand, sichtlich erschreckt. Er hatte um Hilfe gerufen. Akenptah kauerte auf seinem Lager, die Decke bis zum Hals emporgezogen. Er war bleich und zitterte am gesamten Körper dermaßen, dass es auch ein Unkundiger sah, dass etwas nicht stimmte. Nebhotep schickte die Wachen wieder an ihre Plätze, es war ja nicht gesagt, dass das nicht nur eine Ablenkung sein sollte. Er konnte jetzt schon das Getrappel der Höflinge hören, die natürlich lalle aufmerksam geworden waren. Leider wäre auch der tjati dabei, der Siegler. Ganz zu schweigen, was der Lebende Gott von solch einem Zwischenfall halten würde. Eine Schlange im Palast! Hoffentlich würde das der Nachlässigkeit der Diener zugesprochen werden, die wohl nicht vor dem Einzug alles geputzt und mit Zwiebelbier bespritzt hatten. Jeder wusste doch, dass keine Schlange dann in ein Haus gelangen konnte. Hoffentlich gab man die Schuld nicht den Wachen. Umso wichtiger war es jetzt professionell zu handeln. Immerhin hatte der Thronfolger die Schlange getötet – aber der jüngere Königssohn schien gebissen worden zu sein. Das war definitiv schlecht.   Der Vorsteher der Palastärzte, Rahotep als sein Schüler und Anchchepri, der für Schlangenkunde zuständig waren, waren bereits informiert, als sie sich durch die Menge der Neugierigen schoben. „Ich sehe,“ meinte der Vorsteher nur. „Anchchepri, sieh du nach dem Jungen. - Rahotep, bringe Akenptah hier raus und in einer ruhigen Raum. Er wird Ruhe benötigen. - Du auch, Menhekat. Gib mir doch erst einmal den Krug. Alle anderen sollten hier Verschwinden!“ Das war leichter gesagt als getan, denn vor der Tür in die große Halle zurück standen verwirrt und neugierig miteinander tuschelnde Männer, jemand berichtete dem tjati und Hekaptah, was geschehen war. Meruka, der sich hinter seinem Stiefvater hielt, wusste so Bescheid. Eine Schlange! Er konnte, wie viele im Land die giftigen Tiere nicht ausstehen, ja, besaß leider eine geradezu fürchterliche Angst vor ihnen. Nicht einmal tot mochte er sie sich ansehen. Nun ja. Rahotep war dabei und würde ihm Bericht erstatten können. Etwas wie ein Rauschen, ja, Platschen auf den Fliesen, verriet, dass sich die Höflinge eilig auf den Bauch warfen. Und das konnte nur bedeuten, dass der Herr der beiden Länder kam. Horus Quahedjet trat zu seinen Halbbrüdern. „Sobeknacht?“ „Die Ärzte sind bei den Jungen. Eine Schlange ist in ihr Schlafzimmer eingedrungen. Menka wurde gebissen.“ Der tjati hätte liebend gern einen anderen Bericht abgegeben, noch lieber nach Akenptah gesehen. Für einen langen, zu langen, Augenblick schwieg der Herr der beiden Länder. Zeit genug für seine Höflinge sich zu fragen, ob sich in seinem Inneren der lebensschützende Himmelsfalke von Seth, dem zerstörerischen Gott der Stürme und Wüsten abwechseln ließ. Man sagte, aber niemand wollte den Beweis sehen, dass es dann zu Erdbeben komme. Meruka zuckte zusammen, als er, wie alle flach auf dem Boden liegend, erkannte, dass sich die Füße des Lebenden Gottes direkt vor ihm befanden. Auf den Sohlen von dessen Sandalen waren die Feinde kemets eingeschnitzt, die solcherart magisch zertreten wurden. Das konnte auch ihm leicht geschehen, wenn er in den Augen des Königs versagte. „Meruka, mein Schreiber. Ich erteile dir den Auftrag diesen Zwischenfall zu untersuchen. Jeder Mann, jede Frau in kemet soll dir jede Auskunft geben. Du wirst allein mir Bericht erstatten.“ Natürlich wusste der Herr, dass er verdeckter Ermittler war, dachte Meruka fast panisch. Sonderermittler mit solchen Befugnissen zu sein – immerhin war er nicht einmal dem tjati unterstellt – konnte jedoch auch leicht ins Auge gehen, wenn er keine Resultate brachte. Und das möglichst schnell. Er brauchte einen Schuldigen, und sei es auch nur ein Diener, der das Zwiebelritual vergessen hatte – oder er würde selbst im besten Fall in einer Oase der westlichen Wüste landen, wo die Sandleute und Libyer keine Ruhe gaben. Aber, was sollte er gegen den Willen eines Gottes auch nur andenken. Es war sicher richtig, denn, was immer der Horus auf dem Thron der Lebenden äußerte, wurde wahr. „Suche dir Männer aus, die mit dir zusammenarbeiten. - Jetzt brechen wir auf. Was auch immer geschah, Sokar wartet nicht.“ So sehr er um Menka besorgt war – die Verpflichtung gegenüber dem gesamten Land hatte Vorrang. Es ging um die Ernten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)