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Unter den Schwingen des Horusfalken

von

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Neuigkeiten


 

P

aadineith, die Schwester des verschwundenen Sennefer, war eine junge Frau um die sechzehn Jahre. Sie war nervös, aber das war nur zu verständlich. Ihr war gesagt worden, dass der Ortsvorsteher und ein sab-Beamter des tjati sie sprechen wollten. Ihr war bestimmt klar, dass es nur eines Befehls bedurfte, dass sie in ein anderes Dorf kam, auf eine andere Domäne. Meruka sah auf den ersten Blick, dass sie von den Göttern gesegnet worden war, ihr Leib war deutlich unter dem weißen Kleid vorgewölbt. So sagte er freundlich: „Heil dir und deinem Kind, Paadineith. - Leider habe ich schlechte Neuigkeiten. Setz dich.“

Sie gehorchte angespannt.

Er fuhr fort: „Mein Name ist Ptahmose, ich bin sab-Beamter. Es geht um deinen Bruder Sennefer. Wann hast du das letzte Mal von ihm gehört?“

„Oh. Ich … er schreibt mir nie, ich kann nicht lesen.“ Sie sah auf. „Ist etwas mit ihm?“

„Ja. Seit mehreren Monaten ist er verschwunden. Es besteht leider Grund zu der Annahme, dass ihm etwas zugestoßen ist.“

„So hat er seinen Kniff einmal zu oft durchgeführt?“ entfuhr es ihr.

Meruka wurde hellhörig. „Was meinst du?“

„Oh, nichts, weiter. Er ...als er das letzte Mal hier war, sagte er nur, er habe einen Kniff gefunden, wie man schnell in der Schreiberhierarchie aufsteigen könnte.“ Sie bemerkte, dass sich die beiden Beamten vor ihr ansahen. „Ich weiß davon nicht viel, edle Herren,“ beteuerte sie hastig. „Aber er schien sehr zuversichtlich und versprach auch den Eltern ein Grab.“

„Er war das letzte Mal hier, als auch der tjati seine Besitzungen besuchte,“ sagte Meruka langsam.

„Ja, er hatte ihn, und ein oder zwei andere, ja aus Iunu geholt, wo die Schule ist. Und der Herr teilte sie ein. Einen nahm er mit sich, von dem anderen weiß ich nichts, Sennefer bekam ein Weingut. Sie fuhren von hier aus dorthin.“

„Hatte dein Bruder mit einem von ihnen Streit?“

„Nicht, dass ich wüsste. Aber er war immer nur mit einem jungen Mann zusammen, wenn er durch den Ort ging.“

„Menmire?“

„Ich kenne den Namen nicht, edler Herr.“

„Nein,“ erwiderte der Ortsvorsteher nachdenklich. „Der Herr war mit seinem Sohn hier, damit der alles lernen kann, natürlich, wie es sich ziemt. Ja, sie hat Recht. Sennefer war mit dem Sohn des tjati zusammen. Akenptah. Sie haben sich wohl auf der Reise kennengelernt und haben doch ungefähr das gleiche Alter.“ Er bemühte sich, seine Verbitterung zu verbergen, sachlich zu bleiben, wie es sich für einen Gelehrten ziemte. Dieser junge Sohn eines Rinderhirten hatte es vermocht sich an den Sohn des obersten Beamten heranzumachen. Kein Wunder, dass er auf rasche Beförderung hoffte.

Akenptah. Meruka hatte wieder den Eindruck Sachmet persönlich am Schwanz gepackt zu haben. Das wurde immer heißer, dieser Fall. „Hat dir dein Bruder erzählt, was er in Ibenu-hedj wollte?“

„Nein, Herr. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört .Er schrieb nur unseren Eltern, den Brief las ihnen Ni-anch-Neith natürlich vor.“

Meruka sah zu dem Ortsvorsteher. Er dürfte hier der einzige Mann sein, der lesen und schreiben konnte.

So meinte der: „Es war nichts besonderes. Eben, dass er ernannt sei, die Domäne neu sei und er hoffe, sich bald hocharbeiten zu können. Er versprach ihnen ein gemauertes Grab und Beigaben. Aber es war wirklich nur ein gewöhnlicher Brief.“

„Nun gut.“ Meruka wusste, dass er hier so nichts mehr erreichen würde. „Danke, Paadineith. Und möge dein Kind heil und gesund sein.“

„Danke. Ich … ich sage meiner Mutter, dass Sennefer ... “ begann sie unsicher.

„Er weilt wohl in den Schilffeldern des Westens, ja.“ Der Gruppenleiter blickte zu Ptahnacht, der in seiner Rolle als Wächter stumm neben der Tür stand. Dieser würde ihn verstehen und sich im Dorf umhören, ob noch wer Sennefer mit dem Sohn des tjati gesehen hatte oder ob es sich um einen Jungen aus der Schule gehandelt hatte, was die Leute insgesamt von Sennenfer dachten. Einem einfachen Diener gegenüber wurde deutlich öfter der Mund geöffnet. Hm. Es wäre wohl auch gut, wenn sich Nefer in Ibenu-Hedj mal im Haus des tjati nach Sennefer erkundigen würde. Nur, wie sollte man das unauffällig tun? Weder der Königsbruder noch dessen Sohn waren Personen, die man eben mal so einfach belästigen durfte. Gegen Sobeknacht konnte ihn auch Hekaptah kaum schützen. Natürlich wäre er immer noch durch den Auftrag gedeckt, aber ...Ja, aber.

 

Ptahnacht wartete nur auf das Nicken des Gruppenleiters, ehe er sich wie zufällig Paadineith anschloss. Der Ortsvorsteher würde ihn kaum vermissen, und es würde auch kaum jemandem auffallen, wenn er sich scheinbar ein wenig die Beine vertrat. Meruka wusste stets, was er tat, und Ptahnacht würde ihm auch nie vergessen, dass er ihn zurück in die Maat geholt hatte, es ihm ermöglicht hatte wieder in kemet zu leben. Aus der einseitigen Bewunderung war irgendwann im Laufe der Zeit wirkliche Freundschaft geworden, auch etwas, was der Fischersohn dem hochgeborenen Beamtensohn anrechnete. „Äh, Paadineith, wo kann ich etwas zu trinken bekommen?“

Die junge Frau fuhr fast erschrocken herum, entspannte sich dann, als sie das Lächeln sah. „Dort, die Frau, sie ist die Dienerin des Ortsvorstehers. Ni-anch-Neith hat nicht mehr geheiratet.“

„Danke.“ Er ging zu der älteren Frau, wohl eine Witwe, und bat um Trinken.

„Ja,“ sagte diese mit einem Blick auf den Dolch in seinem Gürtel und der Lanze in seiner Hand. „Du kamst wohl mit dem hohen Beamten?“

„Ja. Und während die Herren sich unterhalten, darf ich mich auch um meine Bedürfnisse kümmern.“

„Dann lebst du in Ibenu-hedj? - Komm, ich habe gerade Bier angesetzt.“

Frisches Bier war gut, denn in der Hitze wurde es rasch verdorben. „Danke, das ist freundlich. Ja, ich lebe in Ibenu-hedj. Im Palast des mächtigen Horus.“ Er kannte die Neugier der Menschen auf den König und Gott.

„Oh. Hast du ihn dann schon einmal gesehen?“

„Ja, ab und an. Natürlich darf man ihn nicht anblicken.“

„Nein, natürlich nicht. Wie macht man es?“

„Nun, es kommt der Warnruf, dann werfen sich alle zu Boden.“ Nur die Wachen nicht, natürlich, aber das musste er ihr nicht erzählen.

„Welcher Warnruf?“

„Hüte dich Erde, es naht der Gott. - Oh, ich heiße Ptahmose.“ Nun ja, eigentlich nannte sich momentan Meruka so, aber was sollte es. Namen erweckten Vertrauen, das predigte sein Vorgesetzter.

„Sat-Neith. - Hier, trinke. Du musst den hohen Herrn wohl immer begleiten, wenn er Amtsgeschäfte hat?“

„Ja.“ Er wusste, dass sie nicht direkt fragen wollte, aber es würde schon durch Paadineith rasch die Runde machen. „Er wird bald in die Hauptstadt zurückkehren. Es ging um einen jungen Mann namens Sennefer.“

„Ach, deswegen sollte die Schwester kommen? Ist etwas mit ihm?“

„Er ist wahrscheinlich tot.“

„Oh, er war doch noch jung.“

„Schlimm für die Eltern, er war wohl der einzige Sohn.“

„Ja, jetzt wird Paadineith das Grab übernehmen müssen. Nun ja, immerhin ist sie eine Handwerkerfrau, da geht schon mehr als es die Eltern allein geschafft hätten. Der Vater ist Rinderhirte.“

„Rinderhirte.“ Ptahnacht tat erstaunt. „Und dann wird der Sohn Gutsvorsteher. Gut.“

„Er wurde mit fünf schon an die Schule geschickt und hat sich herausgemacht, ja. Ich habe ihn ja nur gesehen, als er das letzte Mal mit dem Herrn hier war.“

„Von der Schule darf man wohl nicht oft nach Hause. Ich war da ja nie.“

„Nun, wer schon. - Ja, vermutlich. Aber er unterhielt sich auch nicht mit uns, immer nur mit den Schreibern des tjati und dessen Sohn.“

Um der Gerechtigkeit willen musste Ptahnacht zugeben, dass Sennefer sich kaum mehr an die Leute im Dorf erinnerte – zwölf Jahre waren eine lange Zeit, Eltern und Schwester hatte er besucht. Und es war geschickter sich mit den neuen Vorgesetzten und Kollegen gut zu stellen. Nein, eigentlich hatte der Verschwundene alles richtig gemacht. Nur, warum war er eben verschwunden? Hier im Dorf war kaum mehr etwas über den zu erfahren, dazu war er zu lange weg gewesen. Er selbst sollte vermutlich die Unterhaltung langsam beenden, da sein Becher leer war. „Ach ja, dieses Dorf gehört ja dem tjati. Und der hat einen Sohn.“

„Nur einen noch ja. Zwei oder sogar mehr sind schon länger tot und das Mädchen fiel in den Fluss vor zwei Jahren. Vor lauter Kummer starb dann auch die Frau, samt dem noch nicht einmal geborenen Kind. Eine schreckliche Tragödie. Und das, obwohl er doch dem Krokodilgott geweiht ist!“

„Ja.“ Ach ja, Sobek, der Krokodilgott. Ptahnacht stammte selbst von der Meeresküste und hatte Krokodile erst später in seinem Leben gesehen, als er bereits gelernt hatte, dass Menschen Raubtiere waren. „Vielleicht auch deswegen. - Danke für das Getränk. Ich muss zurück.“

„Bitte.“ Natürlich ging die Arbeit vor.

 

Auf dem Rückweg sah der Krieger, dass das Schiff ausgeladen worden war. Vor dem Haus des Ortsvorstehers stapelten sich die Waren aus der Residenz für das Fest der Sopdet, denn die Flut würde hier erst in wenigen Tagen eintreffen. Dann wurde aus dem Dorf eine Insel. Wie überall im sumpfigen Delta war auch dieses auf einem Sandrücken erbaut worden, der in aller Regel der Überschwemmung trotzte. Die Rinder, die im Winter auf den fruchtbaren Weiden grasten, waren bereits abgetrieben worden und warteten mit ihren Hirten in den magereren Randgebieten auf den Rückzug des Wassers.

Ptahnacht warf einen Blick auf die Güter, die, sobald Ni-Anch-Neith seinen unbeliebten Besuch losgeworden war, gleichmäßig unter den Dorfbewohnern verteilt werden würden. Nun ja, die Rinderviertel wurden wohl vom gesamten Ort gebraten und verspeist. Der tjati schien gut für seine Domänen und Untergebenen zu sorgen.

Der Wächter blieb stehen, als er seinen Vorgesetzten mit dem Ortsvorsteher aus dem Haus treten sah. Der Erstere blickte zu ihm und winkte.

„Komm nur, der werte Ni-Anch-Neith machte darauf aufmerksam, dass dies wohl erst einmal das letzte Schiff wäre, das von hier zurück in die Residenz fährt. Die Flut kommt und drängt selbst den Wind etwas zurück.“ Der Gruppenleiter lächelte etwas. Man konnte natürlich immer mit dem Wind auch von hier nach Ibenu-hedj oder sogar weiter bis nach Abu fahren – es mussten nur Ruderer mit an Bord sein, wie es auch üblich war. Der Ortsvorsteher war allerdings diese Ausrede eingefallen, um den sab-Beamten rasch wieder loszuwerden. Er hatte so getan, als ob er ihm glaube. Schließlich lag es auch in seinem eigenen Interesse rasch zu erfahren, was Rahotep und Merit herausgebracht hatten und selbst dem Siegler des Königs Bericht zu erstatten. Länger in diesem winzigen Dorf herumzusitzen war nicht nötig.

 

Merit war ein wenig überrascht, als sie Rahotep auf sich zusteuern sah, blieb jedoch stehen. Der Arzt wollte bestimmt etwas von ihr. „Guten Morgen.“

„Guten Morgen, Merit. - Ich dachte mir, dass du ein wenig auf ...das Leben in unserer Gruppe neugierig wärst. Komm doch heute Abend zu der Laube am Fischteich, im vorderen Garten.“

„Oh, das ist nett.“ Eine wirklich gute Idee, aus mehreren Gründen. Zum einen war sie doch unsicher, wie ihre zukünftige Rolle aussehen sollte, zum anderen war der vordere Garten gerade abends belebt genug, dass es kaum auffallen würde, unterhielte sie sich mit einem jungen Mann, zum dritten war die Laube am Teich schattig und kühl, gerade jetzt im Hochsommer eine wirkliche Erholung. Selbst hier mitten im Palast aus dicken Lehmziegelmauern war die Luft inzwischen stickig geworden. Nun ja, das war eben so, ebenso wie nach der Flut die Mückenschwärme über alle Menschen und Tiere in kemet herfallen würden, oder man im Winter sich nur mit den Herdfeuern warmhalten konnte. Ja, erst vor wenigen Jahren hatte es im Norden, im Delta sogar einmal geschneit,, ein Wunder, das selten vorkam. Regnen tat es dort immerhin häufiger. Bereits in Ibenu-hedj regnete es so gut wie nie, von Oberägypten ganz zu schweigen. Nur die Wasser des Flusses, sorgfältig in Becken aufbewahrt, sicherten die Ernten. Sie lächelte. „Soll ich etwas mitbringen, Rahotep? Zum Schreiben?“

„Nein, ich dachte wirklich an ein Gespräch, keine Lehrstunde.“ Ah, da bemerkte auch er die beiden, eindeutig höhergestellten, jungen Damen, die sie aus Distanz kichernd beobachteten. „Was haben sie?“

Merit wurde etwas rot. „Ich habe immer betont, dass ich nicht heiraten möchte, sondern im ipet bleiben. Sie amüsieren sich wohl nur, dass ich mich mit einem Mann unterhalte.“ Entschuldigend ergänzte sie: „Weißt du, den Königsschwestern und -töchtern ist auch manchmal langweilig.“

„Und sie dürfen ja praktisch nicht heiraten, also nur innerhalb der Familie. Wobei, die Tochter des semer, also, immerhin eines Königssohnes, ist ja auch mit einem Beamten aus dem Gazellengau verheiratet.“

„Ja, aber sie ist ja nur noch die Enkelin eines Königs. Das ist schon wieder anders.“

„Ich habe mich mit dem Erbrecht des Herrn der beiden Länder nie beschäftigt. Gut. Dann nach dem Abendessen.“ Er ging.

 

Abends waren die Gärten des Palastes fast überfüllt. Jeder suchte Entspannung nach der Arbeit und Hitze des Tages, sei es im eigenen Garten oder eben hier. Merit entdeckte ihren neuen Partner und lächelte.

Rahotep kam auf sie zu. „Komm, ein wenig spazieren, Schwester. Wenn ich dich so nennen darf.“

Sie war wirklich erfreut. „Ja, gern. Ptahnacht und du nennt Nefer ja auch so. Und ihr kennt sie viel länger.“

„Ich werde natürlich nichts über das Leben der Anderen erzählen, das müssen sie selbst tun, aber meines. Wie ich schon sagte, stamme ich aus Sau, mein Vater ist der Ortsvorsteher und Schützer des Westens. Das heißt, er darf Bauern ausheben um kemet zu verteidigen, wenn libysche Stämme wieder einmal in das Delta einfallen. Natürlich sollte ich sein Nachfolger werden, aber ich wurde lieber Arzt. Das bedeutet, ich habe zuerst mit fünf die Schreiberlehre angefangen, wie es für einen Beamten vorgeschrieben war, dann, nachdem mein Vater zustimmte, mit zwölf die Arztlehre angefangen. Dabei hatte ich das Glück, dass der Leibarzt des Herrn der beiden Länder mich bemerkte und als seinen persönlichen Lehrling aufnahm. Drei Jahre Lehre und dann die Ausbildung ... - Ich war siebzehn, als ich das erste Mal an einer Expedition teilnahm, nach Osten. Dabei lernte ich Meruka kennen. Er war der Sohn eines hohen Beamten und befehligte eine Schar von fünfundzwanzig Kriegern.“ Rahotep lächelte. „Und er fand eines Tages einen Mann in der Wüste, vollkommen verwildert. Nun ja. Statt ihn umzubringen nahm er ihn mit und hörte ihn an.“

Merit begriff plötzlich. „Ptahnacht.“

Der Arzt war etwas erstaunt, lächelte jedoch erneut. „Ja, ich verstehe, Schwester. Du kannst wirklich denken. Ja. So lernten wir uns alle drei kennen. - Meruka ist unser Vorgesetzter, das weiß er, und das solltest du nie vergessen. Aber er hat etwas, dass ich nie könnte – er plant. Ich bin eher … spontan. Deswegen hat es mir auch nie gefallen, dass ich mich für eine Laufbahn als Augenarzt oder Internist entscheiden sollte, noch einmal eine doch recht spezielle Ausbildung beginnen sollte Was ich dann auch nie tat. Das Leben auf den Expeditionen, Kriegszügen oder auch hier gefällt mir besser. Schnell entscheiden, in einem weit gefächerten Gebiet. - Wenn bei einem Auftrag jemand von euch krank wird oder verletzt – ich muss sehr schnell dagegen vorgehen können und zumeist unauffällig. Diese Herausforderung reizt mich.“

Ja, er war spontan. Und fürsorglich, das zeigte dieses Gespräch. „Bist du verheiratet?“ fragte sie unvermittelt.

„Niemand von uns. Ich war es einmal fast, aber das Mädchen starb kurz vor der Hochzeit. Nichts konnte sie retten.“

„Das tut mir Leid.“

„Du hast dich auch für ein Leben ohne Ehemann entschieden. Keine Kinder, aber der Dienst des mächtigen Horus, nicht wahr.“

Merit bemerkte durchaus die neugierigen Blicke, die sie und den Mann an ihrer Seite trafen, aber, das hatte Rahotep wohl auch gesehen. „Ja. Auch, wenn man natürlich als Herrin des Hauses selbständig ist.“ Sie kannte zu viele Frauen, die im Kindbett gestorben waren, aber natürlich waren Kinder ein Geschenk der Götter.

„Ich würde dir gern etwas mehr erzählen, aber das ist verboten. Wir müssen schweigen. Als Arzt und als … Mitarbeiter.“

„Ich verstehe. Danke für das Gespräch. Es hat mich doch beruhigt.“

„Ich weiß.“ Rahotep betrachtete auch die seelische Ausgeglichenheit seiner Mitstreiter als Aufgabe – gerade bei Nefer und Ptahnacht, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Merit schien der leichtere Fall zu sein.

 

Als Meruka in Ibenu-hedj eintraf, entließ er Ptahnacht zu seinen Pflichten im Palast, während er selbst unter der sinkenden Sonne zu dem Haus seines Stiefvaters ging. Dort wurde ihm sofort gesagt, dass sich der Siegler im Garten befände. Warum seine Mutter nicht dort war, konnte der sich der Ermittler vorstellen, denn aus den Zimmern der Hausherrin klang heiteres, rein weibliches, Gelächter. Sie hatte wohl ihre Freundinnen zu Besuch.

Hekaptah saß in einer mit Wein umrankten Laube am Zierteich, einen Becher mit Wein und eingelegte Datteln vor sich. „Ah, Meruka. Neuigkeiten?“

„Einige.“ Er wartete höflich die einladende Handbewegung ab, ehe er Platz nahm und sich unwillkürlich rasch umsah. Aber, hier waren sie allein. So berichtete er von seinem Besuch in Iunu und auf der Domäne des tjati.

„Ein Schützling von Sobeknacht und einer von Chnummose.“ Der Königsbruder dachte nach. „Das ist mehr als verdächtig, da hast du Recht. Aber alles, was sie neben ihrer Schule gemeinsam haben ist die Tatsache dieser Herberge. Ptahschepses. - Nimm doch ein wenig von den Datteln.“

„Danke. Und ja, ich würde sagen, auch, wenn man damit doch vielleicht einen Hintermann aufschrecken könnte, man sollte dieses Ehepaar befragen. Sie sind die Einzigen, die wissen können, was Menmire und Sennefer womöglich noch gemeinsam hatten.“

„Ich werde es Anchnefer sagen, dass er sie verhaften lassen soll. Und dir erzählen, wenn noch etwas vorgekommen ist.“

 

Hm. Meruka dachte noch einmal nach, während er eine getrocknete Dattel aß. Sobeknacht war der tjati, Akenptah sein einziger überlebender Sohn. Was auch immer dieses Ehepaar aussagen würde - wer oder was hatte mit diesen Beiden zu tun? Vielleicht sollte er umsichtiger vorgehen, ohne das jedoch seinem Stiefvater zu erzählen, um den nicht aufzuschrecken. Immerhin war Hekaptah Sobeknachts Bruder. „Ich hoffe jedenfalls, dass nur diese Zwei verschwunden sind.“ Das war die Wahrheit und eine gute Umschreibung.

„Ja. Und, du kannst immerhin soweit unbesorgt sein, Akenptah befindet sich mit dem Leiter aller Arbeiten des Königs in Abu, um dort den Palast und eine weitere kleine Pyramide zu bauen.“

„Das ist gut,“ erwiderte Meruka höflich, ehe er überrascht aufsah. „Er ist in Abu? Ich dachte, der Bauleiter hat den Königssohn mitgenommen, Menhekat.“ Der einzige, überlebende Sohn der maat-hor, der Falke im Nest und wahrscheinliche künftige König.

„Auch dieses. Beide Cousins sind mit ihm unterwegs. Sie sollen die Logistik solcher Bauten lernen, zumal Abu eigen ist.“ Da Hekaptah sah, dass der Jüngere nicht verstand: „Abu in der Überschwemmungszeit sind zwei Inseln. Auf einer liegt das Dorf, auf der anderen die Festung und der zu bauende Palast. Erst, wenn das Wasser sinkt, wird es wieder eine Insel werden. Momentan geht alles nur über den Fluss. Sehr schwierig, da sehr beengt.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Doch, er müsste mit Nefer reden und ihr einen besonderen Auftrag geben. Natürlich auch mit Rahotep und Merit, was diese herausgefunden hatten. Ihn jedenfalls störte an der ganzen Sache der Abstand von vier Monaten zwischen dem Verschwinden der beiden jungen Männer. Hoffentlich konnte das Ehepaar da Auskunft geben. Nun ja, sie würden müssen.

 

 
 



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