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Unter den Schwingen des Horusfalken

von

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Die Herberge


 

D

ie Herberge entpuppte sich als zweistöckiges Haus. Unten befand sich ein großer Raum zum Essen und Trinken, wie die kleinen Tischen und Matten auf dem Boden ebenso wie die gemauerten Schlafbänke an den Wänden verrieten, hinten ging eine Treppe empor. Die üblichen schmalen Fenster oben erhellten die Szenerie in sanftem Dämmerlicht.

Merit hielt sich eng an Rahotep, der eine junge, hübsche Frau anlächelte, die sichtlich irritiert aus einem hinteren Raum, wohl der Küche, eilte.

„Guten Morgen“, sagte er höflich. „Wir sind soeben angekommen und ich suche für meine reizende Frau und mich eine Unterkunft für die Nacht. Mir wurde gesagt, dass ich das hier finden kann.“

„Oh ja.“ Die kaum Achtzehnjährige griff sich an ihre Halsketten, ehe sie sich entspannte. „Nun ja, wir haben oben einen Raum, eigentlich nur für eine Person gedacht, aber … er ist teuer. Zwei Scheffel Weizen. Einen nur im großen Raum.“

„Nein, zwei, dann. Oder die Umrechnung, nicht wahr?“

„Ja. Was hast du denn?“ Sie klang mehr als neugierig.

„Wir kommen aus Sau. Ich habe Öl aus Kanaan dabei – parfümiert. Aber natürlich momentan noch auf dem Schiff, was ausgeladen wird.“ Sie war sehr nervös, stellte er fest. Aber sie war hier auch allein, offenkundig. Die Gäste waren schon abgereist oder in Geschäften unterwegs. Ihr Mann würde vermutlich für das Abendessen Besorgungen machen. Jedenfalls sah sie immer wieder zu Merit. Ob sie wohl erleichtert war, dass noch eine Frau anwesend war? „Ich habe morgen einen bedeutsamen Termin mit dem tjati, nun ja, mit seinem Büro“, erklärte er, möglichst wichtigtuerisch. „Aber meine reizende Gattin wollte Schmuck haben und es gibt eben nirgendwo so guten wie hier in Ibenu-hedj, nicht wahr?“

„Äh, ja, ich denke“ Die Wirtin entsann sich ihres Geschäftes. „Mein Name ist Baketbes. Nun gut, so will ich das Zimmer oben freihalten. Es ist unser einziges.“

„Gut, dann lasse ich ausladen und bringe heute Abend das Öl mit. - Wie weit ist es eigentlich von hier bis zum Palast?“

„Nicht sonderlich. Überhaupt müsstet ihr daran vorbei gekommen sein. Oh, ihr seit am Haupthafen gelandet? Dann hier, geradeaus die Straße. Dann kommt ihr zu einem Bereich, auf dem gehandelt wird. Weiter links, an einem weiten Platz, ist der Palast des lebenden Horus, rechts, etwas näher zu uns der Tempel des Ptah. Wenn man aber daran vorbeigeht, kommt links eine Mauer und durch das Tor geht es zu den Schmieden.“ Wieder glitt ihre Hand zu den drei Schmuckketten um ihren Hals, als biete das Sicherheit.

Rahotep nickte. „Gut, bis heute Abend, dann. Komm, meine liebe Schwester.“

Erst draußen meinte Merit fragend: „Sie wollte nichts vermieten?“

„Doch, aber ich nehme an, sie war allein und hat das noch nicht oft gemacht, zumal auf sich gestellt. Vielleicht ist sie noch nicht lange die Herrin des Hauses.“ Aber irgendetwas sagte ihm, dass er etwas übersehen hatte.

„Sie trug viel Schmuck,“ konstatierte Merit auch prompt.

„Ja, das deutet auf kurze Ehe hin. Oder der Ehemann ist viel älter, aber das werden wir sehen. - Leise jetzt.“ Immerhin waren sie auf der Straße und es gab doch mögliche Zuhörer.

Merit verstand den Hinweis durchaus. Aber, was sollte sie jetzt sagen? „Du möchtest Schmuck für

mich besorgen? Wie nett. Sind die Schmiede denn hier besser als in Sau?“

„Aber ja doch.“ Der Arzt war erleichtert, das sie die Rolle spielte. „Aus den Schmieden hier werden die Schmiede des Herrn der beiden Länder ausgesucht. Stell dir doch das nur vor.“

„Sicher einfach phantastisch!“ Sie hatte keine Ahnung was jetzt, sah sich aber einer Antwort enthoben, denn Rahotep bog in eine Seitengasse ein.

Keine Minute später waren sie zu dritt.

Merit wäre fast erschrocken, erkannte dann jedoch Ptahnacht.

Der meinte: „Niemand sah nach euch. Soweit drinnen?“

„Nichts ungewöhnliches, einstweilen. Wir brauchen nur Schmuck für Merit heute Abend,“ erwiderte der Arzt sofort.

„Kann ich nicht meinen eigenen nehmen?“ erkundigte sie sich zögernd.

„Ja, natürlich.“ Beide Männer sagten es gleichzeitig, ehe Ptahnacht ergänzte: „Aber nichts allzu Auffälliges. Ich meine, du bist eine Beamtenfrau, nicht aus dem ipet.“

„Ja, das werde ich bedenken. Aber da selbst diese Baketbes dreireihige Halsketten trug, darf ich das sicher auch.“

„Ja, wobei, genau.“ Rahotep erstarrte.

„Äh,“ machte Ptahnacht. „Würde es dich sehr stören uns an deinen Gedankengängen teilhaben zu lassen?“

„Sie kam aus der Küche, bereitete da wohl Brot zu oder was weiß ich – aber sie trug drei Reihen Schmuckketten und auch welche am Handgelenk. Ein bisschen viel für eine arbeitsame Hausfrau, oder?“

Da die Männer Merit anguckten, zuckte diese die schmalen Schultern. „Ich fürchte, da bin ich die falsche Ansprechpartnerin. Im ipet tragen alle die drei Reihen um den Hals, die Mitglieder der königlichen Familie sogar so, dass die zu einem einzigen breiten Schmuckkragen werden. Das ist der neuste Schrei. - Aber vielleicht arbeitete sie gar nicht, sondern wollte einfach nur ihren neuen Schmuck ausprobieren. Sie war ja allein und rechnete nicht mit Besuch.“

„Möglich. Wir werden sehen, was sie heute Abend trägt. Und jedenfalls das auch Meruka berichten. Er kann besser planen und analysieren, wenn er vollständige Berichte erhält. - Dann hole deinen Schmuck.“ Sie hatten einen Seiteneingang des Palastes erreicht. Merit nickte nur und nahm den kleinen Kalkstein, auf dem die Zeichen verrieten, dass sie Zutritt in den hinteren Palast hatte, ehe sie sich zu den Wachen am Tor wandte. „Und ich hole aus der königlichen Schatzkammer Öl, das wohl passen dürfte.“ Rahotep neigte den Kopf etwas. „Und du, Partner?“

„Ich darf weiterhin die Herberge überwachen, sobald ich euch hier abgeliefert habe. Abends wird mich unser Vorgesetzter selbst ablösen. Er geht kein Risiko ein.“

„Anscheinend. Dann bis morgen Abend. Bei der Gruppenbesprechung wirst du ja alles erfahren.“ Die Männer trennten sich.

 

Meruka saß, gekleidet wie ein mittlerer Beamter, was Schmuck und Material des Schurzes betraf, in dem großen Raum der Herberge. Er hatte sich als Thothotep aus Iunnet in die Liste eingetragen, und dabei festgestellt, dass der Wirt, wie so viele, nicht schreiben konnte. Jeder Gast trug sich selbst ein. Er würde hier unten schlafen und vermutete doch, dass das selbst bei bösen Absichten des Gastgebers einen gewissen Schutz darstellen sollte. Immerhin schliefen hier sieben Männer. An Schlaf wäre freilich nicht zu denken, denn seine beiden Mitarbeiter sollten oben im Einzelzimmer nächtigen. Falls das eine Falle war, würde sie dort zuschnappen. Womöglich jedoch nicht bei den Zweien. Dazu sollte es ja ein Ehepaar sein und ein Termin beim tjati – das sollte abschrecken. Anders sah das vermutlich aus, wenn jemand allein dort schlief. Waren Menmire und Sennefer tatsächlich hier etwas oder wem zum Opfer gefallen?

Möglich wäre es. Sie schrieben sich ein, wurden unter einem Vorwand in das Einzelzimmer komplimentiert und - verschwanden.

Soweit die Theorie. In der Praxis gab es allerdings eine Menge Fragen. Warum sollte ein Wirt, der im Auftrag des Königs sein Haus führte, von dem auch versorgt wurde, mit Essen und auch einigen anderen Annehmlichkeiten, nicht zu vergessen das Dach über dem Kopf – warum sollte dieser Gäste ausrauben? Waren es andere Personen, die ihn unter Druck gesetzt hatten? Oder von denen dieser Ptahschepses gar nichts wusste? Es gab offiziell nur zwei Opfer. Hieß das, dass es keine anderen gab oder dass nur keine höheren Orts bekannt geworden waren?

Hm. Sennefer aus Sau war als Erster verschwunden, zwar ein Domänenvorsteher des Königs, aber von einer neu gegründeten Weindomäne, die zunächst kaum viel abwarf. Das könnte erklären, warum er nicht in der Lage war, sich in der Residenzstadt ein Haus zu kaufen und dort zu nächtigen, zumal er aus einer einfachen Familie stammte, oder auch nur bei einem begüterten Freund zu schlafen. So war er hier gelandet. Fragte sich nur, wieso auch Menmire hier schlief. Der war Vorsteher der Totenstiftung eines der Zehn von Oberägypten, der Elite des Landes, und Chnummose besaß ein großes Haus in Ibenu-hedj. Wieso hatte der Verwalter nicht dort unter dem Dach seines Herrn genächtigt sondern hier? Irgendetwas mussten die beiden Verschwundenen gemeinsam haben. Dass sie hier übernachtet hatten, war das Einzige, was er bislang feststellen konnte. Aber es musste noch etwas anderes geben.

Ah. Er trank eilig einen Schluck Dattelbier, als er Rahotep und Merit hereinkommen sah. Zum Glück guckte sich der Arzt nur rasch um, verzog aber keine Miene, als er ihn entdeckte. Sie waren schon zu oft in solchen Rollen unterwegs gewesen. Mehr interessierte den Leiter seine neue Angestellte. Merit blickte sich ebenfalls um, bemühte sich aber sofort sich näher zu ihrem „Ehemann“ zu drücken, als sei es ihr unangenehm von so vielen Männern gemustert zu werden. Nun ja, das war es ihr sicher auch wirklich. Interessant. Sie schauspielerte nicht, aber das sah wohl auch jeder, und so würde sie in genau solchen Rollen auch glaubwürdig sein. Der semer hatte Recht gehabt sie ihm vorzuschlagen. Schlechtere gab es bestimmt.

 

Merit wäre über das Lob froh gewesen. Sie war schrecklich nervös, aus mehreren Gründen. Zum Einen war sie nie zuvor in solch einem Haus gewesen, zum Anderen sollte sie die Nacht mit einem ihr doch fremden Mann in einem Raum verbringen. Und diese Männer sahen sie alle so an … Oh, da war ja Meruka. Es beruhigte sie, dass der Leiter dabei war. Anscheinend war das ein Plan, den die Gruppe schon öfter durchgeführt hatte. Dann sollte sie zusehen, dass sie sich nicht blamierte oder die Sache scheitern ließ, nur, weil sie zu ängstlich war.

Oben betrachtete sie kurz den winzigen Raum, die gemauerte Bank mit einem dünnen Polster und einer Decke darüber. Zu zweit sollten sie hier schlafen?

Rahotep trat zu ihr, nachdem er die Matte vor der Tür hinuntergezogen hatte. „Du kannst da schlafen,“ meinte er leise. „Ich lehne mich an die Wand.“

„Oh, ist das nicht ...“ Sie hätte sagen wollen „unbequem“, aber dann entsann sie sich der Ärzte, die im Sitzen, stets alarmbereit, geschlafen hatten, als die Königinmutter so krank war. Er war das wohl gewohnt und wollte eher zu ihr nett sein. So lächelte sie. „Danke. - Diese Baketbes hat jetzt nur noch eine Halskette getragen und zwei am Arm.“

„Ja, vielleicht haben wir sie heute Morgen wirklich bei der Schmuckanprobe gestört.“

„Jedenfalls war der Wertvollste jetzt nicht dabei.“

„Hm?“ Er musste nachdenken, ehe er sich entsann. „Du meinst, der mit der Fayence in grün?“ Das wurde aus Ton hergestellt und eingefärbt, um teurere Juwelen zu imitieren.

Merit zuckte unwillkürlich etwas die Schultern. „Sagen wir es so, Fayence – ich würde sagen, nein. Das war echter Türkis.“

„Bist du dir sicher?“ Er war alarmiert. Türkis war nur aufwendig aus den Wüsten im Osten, im Tal der Höhlen, zu beschaffen, kaum eine Expedition unter militärischer Bedeckung im Jahr kam damit zurück – und wurde eigentlich ausschließlich von der königlichen Familie getragen. „Diese drei ovalen Steine?“

„Ziemlich sicher. Ich kenne Leute, die mit so etwas herumlaufen.“ Sie lächelte, als sie plötzlich eine Gänsehaut überlief. Im ipet wurde viel geredet – und wenn man nicht wollte, dass der oder die Falsche das mitbekam, musste man schnell lernen vorsichtig zu sein. Sie kannte seit mehr als zehn Jahren den Hauch eines Lautes, wenn sich ein bloßer Fuß auf einer Fliese bewegte. Geübt darin, Lauscherinnen abzulenken, ergänzte sie hastig und lauter: „Aber ich bin so aufgeregt, mein Bruder. Stell dir nur vor, du wirst morgen nicht beim tjati zugelassen!“

Rahotep lebte zwar bei Hofe, aber für Ärzte galten andere Dinge. Dennoch kannte er aus mittlerweile jahrelanger Erfahrung die Bedeutung, wenn ein Thema so plötzlich geändert wurde. Instinktiv warf er einen Blick zu dem Vorhang, der zwar Sichtschutz bot, aber dennoch erlaubte Gespräche zu hören. Irrte er sich oder bewegte der sich kurz? Sicher war jedenfalls sicher. „Ach, mach dir keine Sorgen. Ich habe den Termin ja sogar schriftlich bekommen. Es ist doch nur eine Formalität. Das Testament wird hier im königlichen Büro abgelegt und ich lasse es in unser Grab meißeln, für alle Ewigkeit. Damit steht das Land uns und unseren Kindern zu. Wirklich. Jetzt lass mich dich lieber ansehen, Schwester. Dein Schmuck ist wunderschön. Diese Juweliere hier verstehen wirklich ihr Handwerk.“

Sie sollte wohl darauf eingehen. „Ich muss nur zugeben, ich war etwas verwirrt. Ich dachte zuerst, der Juwelier wäre ein Kind, aber da waren einige solche Zwerge.“

Sie machte mit, dachte der Arzt erleichtert. Nein, Meruka irrte sich nicht. „Ja, das ist ihre Berufung. Wenn ein Kind geboren wird und nicht wächst, geben es die Eltern gern zu Juwelieren in die Schule. Sie können nicht auf den Feldern arbeiten, sind aber äußerst geschickte Handwerker. Ich denke, sogar der Oberste Juwelier des Königs ist ein Zwerg.“

„Das ist so ähnlich, wie Blinde oft Harfner werden?“

„Ja, ich denke schon.“ Rahotep sah erneut zu dem Vorhang, konnte jedoch nichts mehr feststellen. Hatte sich Merit doch geirrt? Da bemerkte er, dass sie zu Boden deutete. Ein Zeh erschien, wohl der eines Mannes, wurde aber rasch zurückgezogen und dann konnten die Beiden leise Schritte vernehmen.

„Unser Wirt?“ hauchte Merit vor ausgestandener Aufregung.

„Ich weiß es nicht, da wir das morgen Meruka sagen können. Jetzt schlafen wir. Er wird auf uns aufpassen.“

 

Allen guten Wünschen zum Trotz schlief Merit schlecht in dieser Nacht – zum ersten Mal seit Jahren außerhalb des Palastes, noch dazu mit einem Mann, wenngleich Rahotep sich wirklich an die Wand gelehnt hatte, und sie nach der Aufregung des Schauspiels gestern geistig mehr als erschöpft war. Dennoch fuhr sie unwillkürlich mit den ersten Lauten der erwachenden Stadt empor.

Nach dem Getreidebrei und Dattelbier des Mundwaschens, wie man das Frühstück nannte, ging Rahotep zum Palast und bat im Erdgeschoss der Herberge demonstrativ freundlich seine hübsche Ehefrau brav auf ihn zu warten.

Merit, die keine Ahnung hatte, was er eigentlich wollte, langweilte sich bald, wagte aber nicht das Haus zu verlassen. Das war sicher nicht gemeint gewesen. Aber sie fühlte sich buchstäblich allein gelassen. So suchte sie das Gespräch mit der Wirtin, die die Krüge und Schalen des Morgens abgewaschen hatte und ihrerseits neugierig war. Gemeinsam saßen die beiden jungen Frauen in dem großen Raum im Erdgeschoss, wobei sich Baketbes neugierig nach dem Schmuck erkundigte.

„Trägst du ihn jetzt dann immer?“

Vorsicht, dachte Merit, die den angeblich neu gekauften Schmuck eben momentan nicht um Hals oder Arm hatte. „Oh nein, sicher nicht. Dazu ist er zu wertvoll. Aber, wenn in Sau oder so ein Fest ist, bestimmt. Deswegen bekommt man ihn ja auch, um das Haus und den Ehemann zu repräsentieren. Nun, du hast ja auch schönen Schmuck, das habe ich bei unserer Ankunft ja gesehen. Hat den dir auch dein Mann geschenkt?“

„Ja.“

Sie wollte also nicht darüber reden? Hm. Merit dachte nach. Baketbes war jünger als sie, nicht viel, aber doch. Und Ptahschepses, ihr Mann, hatte sicher schon fast die Fünfzig erreicht. Es war nicht ungewöhnlich, dass es einen Altersunterschied gab, schließlich konnte ein Mann erst heiraten,wenn er in der Lage war eine Frau und deren Nachwuchs zu ernähren, aber das war doch eine Menge. Wollte der alternde Ehemann sich durch den Schmuck ihre Gunst erkaufen? Wenn ja, so wollte diese sicher nicht darüber reden. Es war wohl besser auf die Juweliere im Allgemeinen zurück zu kommen und über deren Berufsausbildung oder auch das ungewöhnliche Aussehen der Zwerge, die einen guten Teil dieser Handwerker stellten.

 

Es war schon früher Nachmittag und die Sonne brannte heiß auf die Stadt, als Rahotep mit einem breiten Lächeln zurückkehrte und die beiden Frauen bei einem Krug Bier und süßem Brot sitzen sah. „Ah, meine Liebe, es hat alles wunderbar funktioniert. Wir können noch heute mit einem Schiff nach Norden fahren. Es wird in Iunu für die Nacht halten, dann sind wir schon in drei Tagen wieder zu Hause.“ Er hatte sich tatsächlich vor dem Palast angestellt, um mögliche Beobachter zu täuschen. Eine der Grundregeln, die Meruka seinen Mitarbeitern immer wieder predigte, war, eine Rolle nicht zu spielen, sondern sie zu sein. Dennoch hatte es den Arzt beruhigt, als er in einem der Wächter am Tor Ptahnacht erkannt hatte. Er selbst schätzte Abenteuer, war darum auch in dieser Gruppe – aber, wenn es nach ihm ging, sollte es das auch noch eine Weile dauern. „Hast du schon alles beisammen,?“

„Äh, ja. Schön, dass es so gut gelaufen ist. Dann liegen die Papiere jetzt im Archiv des tjati?“ Merit wusste nicht so genau, was sie nun sagen sollte.

„Nicht nur des tjati sondern des Herrn der beiden Länder!“ Rahotep spielte erfolgreich einen Mann vom Land, der allein durch das Bewusstsein den Palast betreten zu haben schon für sein Leben lang genug zu erzählen hatte. „Dann komm, sonst erreichen wir das Schiff nicht mehr. - Danke, Baketbes, für die Gastfreundschaft.“ Fast feierlich überreichte er zwei kaum handgroße Tonkrüge mit Siegeln, die zeigten, dass sie in der königlichen Schatzkammer verbucht worden waren.

Die junge Wirtin mochte nicht lesen können, aber sie erkannte die Zeichen. Dafür würde sie sicher wieder einiges auch an feinem Leinen oder parfümiertem Öl eintauschen können. Für schlichten Weizen oder Bier war das zu schade. „Danke. Gute Reise, dann.“

„Ah, dein Mann ist gar nicht da?“

„Nein, einkaufen, auch zur Bäckerei und Brauerei. Unsere Gäste werden in wenigen Stunden kommen, dann muss alles fertig sein. Ich muss mich nun auch sputen.“

„Ja, natürlich.“ Mit einem Lächeln zu Merit wandte sich Rahotep ab.

 

Vorsichtig ging er mit seiner Begleiterin auf Umwegen zum Palast. Erst, als sich ihnen Ptahnacht wie beiläufig anschloss, atmeten sie auf.

Der Krieger murmelte: „Besprechung in einer Stunde wie immer,“ ehe er sich wie befohlen den Wachen des tjati anschloss, der soeben nach Hause getragen wurde. Nicht, um Auszuruhen. Es gab auch genug Klienten, die ihn dort aufsuchten, aber das ging zumeist um seine eigenen Ländereien, den privaten, oder denen, die zu seinem Amt gehörten.

 

So trafen sich die fünf Mitglieder von Merukas Gruppe in dem behüteten Raum nahe dem Trakt des tjati.

Meruka hatte jedem zugenickt, sagte aber erst, als sie alle beisammen waren: „Nun, Rahotep?“

Der Arzt berichtete ausführlich, erwähnte, zu Merits gewisser Überraschung auch, dass sie die Türkise bemerkt hatte – und den Beobachter.

Der Leiter lächelte ihr zu. „Wir arbeiten zusammen“, erklärte er. „Gelingt es, sagt niemand, wem es zu verdanken ist. Geht es schief, gibt es keine Schuldzuweisung. Eine Grundregel. - Der Wirt, dieser Ptahschepses, scheint insgesamt neugierig zu sein. Er saß auch eine gute Zeit unten in dem großen Raum mit uns zusammen.“

„Immerhin ist er Wirt, er hätte sonst seinen Beruf verfehlt“, meinte Nefer. „Überdies: hast nicht du immer gesagt, dass man in Herbergen oft viel über eine Stadt erfährt?“

„Das habe ich“, gab Meruka zu. „Und mir wäre es auch nicht weiter aufgefallen, dass er sich auf das eine oder andere Bier zu uns setzte. Aber, was sollte er oben, vor der Tür eines Ehepaares erfahren wollen? Das ist das Verdächtige. Und ich stimme Merit und Rahotep zu – nur er kann das gewesen sein. Alle anderen Männer befanden sich im Erdgeschoss oder hinten auf der Latrine. Und deren Eingang konnte ich beobachten. Merit, was sagte die Wirtin? Baketbes?“

 

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel heist denn auch: Drei Türkise Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sanguisdeci
2017-06-23T06:55:27+00:00 23.06.2017 08:55
Wieder ein sehr schönes Kapitel. Ich bin sehr gespannt, wie es weiter gehen wird. Und wie die Wirtsfamilie zu solch einer wertvollen Kette kam.
Von:  Miyu-Moon
2017-06-22T19:06:01+00:00 22.06.2017 21:06
Spannend. Und tut mir leid, dass ich wieder ein historisches Detail hervorheben muss und weniger den Plot. Das Zwerge zu Handwerkern wurden und nichtnur das Detail das Blinde Harfner wurden, zeigt gute Nachforschungsarbeit deinerseits, weil das kein so bekannter Fakt ist. Gratulation? Meret wächst langsam in ihre Rolle hinein? Langsam. Übrigens, der Name von dem Nicht-Türkis hat mich fast erschlagen. Ich dachte zuerst das wäre ein Personen-Name und selbst jetzt, will er nicht im Gedächtnis haften bleiben.
Antwort von:  Hotepneith
23.06.2017 07:28
Fayence? - kommt von der italienischen Stadt Faenza, wo diese Tonmischung (Porzellan gab es ja noch nicht) im Mittelalter erfunden wurde. Ergo - damit ist der Name für das alte Ägypten auch falsch, hat sich aber so in der Ägyptologie eingebürgert. Ich blieb also dabei.

Der berühmteste "Anleger des Breitkragens" ist der Zwerg Seneb aus der 5. Dynastie. In seinem Grab fand sich eine Statue, die ihn mit seiner(normalwüchsigen Frau und den Kindern zeigt.
Das gilt allerdings nur für das Alte Reich. Später wurden Kleinwüchsige auch verspottet oder als "Hofnarren" gehalten, v.a. in der griechischen Zeit. Hier nachzulesen im Netz: z.B.https://de.wikipedia.org/wiki/Kleinw%C3%BCchsige_im_Alten_%C3%84gypten.


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